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P.b.b. 02Z031105M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Mozartgasse 10 Preis: EUR 10,– Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz Kardiologie Journal für Austrian Journal of Cardiology Österreichische Zeitschrift für Herz-Kreislauferkrankungen Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/SCOPUS Offizielles Organ des Österreichischen Herzfonds Homepage: www.kup.at/kardiologie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Member of the ESC-Editor‘s Club Stellenwert der Kipptischuntersuchung in der Synkopenabklärung Weber T Journal für Kardiologie - Austrian Journal of Cardiology 2003; 10 (11), 473-480

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P.b.b. 02Z031105M, Verlagsort : 3003 Gablitz, Mozartgasse 10 Preis: EUR 10,–

Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz

KardiologieJournal für

Austrian Journal of CardiologyÖsterreichische Zeitschrift für Herz-Kreislauferkrankungen

Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/SCOPUS

Offizielles Organ des Österreichischen Herzfonds

Homepage:

www.kup.at/kardiologie

Online-Datenbank mit Autoren-

und Stichwortsuche

Member of the

ESC-Editor‘s Club

Stellenwert der

Kipptischuntersuchung in der

Synkopenabklärung

Weber T

Journal für Kardiologie - Austrian

Journal of Cardiology 2003; 10

(11), 473-480

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VeranstaltungsortMedizinische Universität Wien I Van Swieten SaalVan Swieten - Gasse 1a I 1090 Wien

Anmeldung bis zum 10. April 2018Vollständiges Programm und Anmeldung:www.cardiomd.info

AUFTAKT | KARDIOLOGIE 2018Intervention, Innovation, Interaktion

14. April 2018, 9:00-13:00 UhrIntervention oder Operation?Hauptstammstenose als interdisziplinäre Fragestellung- Ich operiere!- Ich interveniere!- Pro und Contra „Rebattle“

KontroverseNeue Herzklappen für alle?- Fortschritte der Mitral-/und Aortenklappentherapie- Fallpräsentation

StrategieSekundärprophylaxe kardiovaskulärer Risikopatienten- Modernes Lipidmanagement- Fallpräsentation

1-2-3 Prinzipien der antithrombotischen Therapie- Duale Plättchenhemmung, Triple, NOAK- Fallpräsentation

Kandidat gesucht !Wer ist geeignet für die Vorhofflimmer-Ablation?- Kriterien für die Vorhofflimmer-Ablation- Fallpräsentation

Schwaches Herz – was tun?Herzinsuffizienz im Fokus- Stadienadaptierte Therapie der Herzinsuffizienz- Fallpräsentation

Wiss. Leitung Univ.-Prof. Dr. Christian Hengstenberg

Veranstalter Kooperationspartner

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J KARDIOL 2003; 10 (11) 473

� Einleitung

Synkopen unklarer Ursache sind ein häufiges Problem im kli-nischen Alltag. Sie treten bei bis zu 3,5 % der Allgemein-bevölkerung auf [1] bzw. mit einer Inzidenz von 6,2/1000Personenjahren [2] und führen zu 1–6 % aller Spitalsauf-nahmen [3]. Häufigste Ursache von Synkopen ohne struktu-relle Herzkrankheit ist die vasovagale Synkope [4]. DerenDiagnose war bis vor wenigen Jahren lediglich per exclu-sionem möglich. Erst die Einführung der Kipptischunter-suchung hat den Nachweis der entsprechenden Pathomecha-nismen und der Prädisposition zur neurogen vermitteltenReflexsynkope (nvRS) ermöglicht.

� Definitionen und Einteilung von Synkopen

Eine Synkope ist definiert als transienter, selbstlimitierterVerlust des Bewußtseins, der meist zu einem Sturz führt [5].Ursächlich liegt eine zerebrale Minderdurchblutung zugrun-de. Der Beginn ist relativ plötzlich, die Erholung spontan,komplett und rasch. Bei manchen Formen treten Warnsym-ptome (Schwindelgefühl, Schwitzen, Übelkeit, Sehstörun-gen) auf. Das Auftreten einer retrograden Amnesie ist selten,bei älteren Patienten aber möglich. Die Dauer der Bewußt-losigkeit ist nur selten genau eruierbar, sie betrug in einerUntersuchung bei mittels Orthostase, Hyperventilation undValsalva-Manöver induzierter Synkope bei gesunden Freiwil-ligen in der Videoanalyse im Mittel 12,1 Sekunden [6].Myoklonien traten dabei an 90 % aller Probanden auf.

Anamnestische Hinweise auf das Vorliegen einer vaso-vagalen Synkope sind das Auftreten nach langem Stehen oderan engen, warmen Plätzen, nach plötzlichen, unangenehmenoptischen oder akustischen Reizen, weiters die Assoziationmit Übelkeit und Erbrechen sowie die rasche und vollständigeErholung nach der Synkope mit Fehlen einer längeren (> 5Minuten) postiktalen Verwirrtheit [5]. Ätiologisch liegen nvRS,Orthostase, neurologische Erkrankungen (inklusive der wich-tigsten Differentialdiagnose Epilepsie), organische Herzerkran-kungen (Aortenstenose, Myokardinfarkt, Myxom, Aortendis-

sektion …), Arrhythmien und – sehr häufig, abhängig von derdiagnostischen Strategie – Synkopen unklarer Genese vor(Abb. 1). Zu den nvRS zählt man die vasovagale Synkope, dieSituationssynkopen (Miktionssynkope, Hustensynkope, Synko-pe bei psychischer Belastung) und das Karotissinus-Syndrom.

Eine andere Einteilung berücksichtigt klinische Aspekteder Synkope und ihr Ansprechen auf die Therapie: Eine mali-gne vasovagale Synkope tritt entweder ohne Warnsymptomeauf [8] oder ist mit einer längeren Asystolie assoziiert [9],refraktäre Synkopen sprechen nicht auf therapeutische Maß-nahmen an.

� Pathophysiologische Aspekte

Normale Kreislaufreaktion nach dem Aufstehen

und am Kipptisch

Das Aufrichten aus einer liegenden Haltung bewirkt durch dieSchwerkraft innerhalb von 10 Sekunden eine Blutumver-teilung im Ausmaß von 0,5–1 Liter aus dem Thorax in dasdehnbare venöse Kapazitätssystem unterhalb des Zwerchfells.

Abbildung 1: Ätiologie von Synkopen (modifiziert nach [7]). nvRS = neurogen vermit-telte Reflexsynkope; Med = medikamentös induzierte Synkope, psych = psychiatri-sche Erkrankung; neuro = neurologisch bedingte Synkope; organ. Herz-KH = orga-nische Herzkrankheit; Synkope unkl. Urs. = Synkope unklarer Ursache

Aus der II. Internen Abteilung mit Kardiologie und Intensivstation, AllgemeinesKrankenhaus der Kreuzschwestern, WelsKorrespondenzadresse: OA Dr. med. Thomas Weber, II. Interne Abteilung mitKardiologie und Intensivstation, Allgemeines Krankenhaus der Kreuzschwestern,Grieskirchnerstraße 42, 4600 Wels; E-Mail: [email protected]

Stellenwert der Kipptischuntersuchungin der Synkopenabklärung

T. Weber

Kurzfassung: Die Kipptischuntersuchung ist heuteder Goldstandard zur Abklärung vasovagaler und unkla-rer Synkopen. Wenn sie im diagnostischen Stufenplanzur Synkopenabklärung bei Patienten ohne strukturelleHerzerkrankung zu einem frühen Zeitpunkt durchge-führt wird, kann die Diagnose häufig gestellt werden,so daß dann zahlreiche andere Untersuchungen über-flüssig werden. Die vorliegende Arbeit gibt einen Über-

blick über die physiologischen Grundlagen, über Metho-dik, Indikationen und Interpretation der Kipptischunter-suchung.

Abstract: Head-up Tilt-Table Testing for theEvaluation of Unexplained Syncopes. The head-upright tilt-table test is nowadays the gold standardfor the evaluation of vasovagal faints and syncopal

syndromes of unknown origin. If used in the diagnosticworkup of syncope in patients without structural heartdisease at an early stage, frequently the diagnosis canbe ascertained and many unnecessary investigationscan be avoided. This review provides an overview onthe physiologic basis, methods, indications, and inter-pretation of the test. J Kardiol 2003; 10: 473–80.

For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.

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Stellenwert der Kipptischuntersuchung in der Synkopenabklärung

Zusätzlich kommt es bei längerem Stehen durch den erhöhtenhydrostatischen Druck in den Kapillaren der unteren Körper-hälfte zu einer Filtration von eiweißfreier Flüssigkeit in dasInterstitium, wodurch das Plasmavolumen bei gesunden Er-wachsenen um 15–20 % (ca. 700 ml) abnimmt [10]. Als Kon-sequenz findet sich eine rasche Abnahme des venösen Rück-stroms zum Herzen, des kardialen Füllungsdrucks und desSchlagvolumens. Durch die Gegenregulation, die aus Steige-rung des Sympathikotonus und folglich Vasokonstriktion vonmuskulokutanen, renalen und splanchnischen Widerstands-und Kapazitätsgefäßen sowie Anstieg der Herzfrequenzbesteht, kann ein stärkerer Abfall des arteriellen Mitteldrucksverhindert werden. Beim Gesunden hat sich innerhalb von1 Minute eine orthostatische Stabilisierung eingestellt [11].Die Vasokonstriktion ist der wichtigere Kompensationsme-chanismus: Das Herz kann auch bei Tachykardie kein Blutauswerfen, das es nicht erhält. Während diese Kurzzeitanpas-sungen ausschließlich über das autonome Nervensystemgesteuert sind (wichtigste Rezeptoren: Barorezeptoren inAortenbogen und Karotissinus), spielen bei längerer ortho-statischer Belastung auch zusätzliche humorale Mechanismeneine Rolle. Zur Aufrechterhaltung des venösen Rückstromssind auch die Skelettmuskelpumpe sowie die respiratorischePumpe von Bedeutung.

Die Kreislaufreaktion am Kipptisch (passive Orthostase)unterscheidet sich allerdings von der physiologischen Reak-tion auf aktives Aufstehen: Durch das Verhindern der aktivenMuskelkontraktionen der unteren Extremität beim Aufstehenbzw. Aufkippen (Wegfall der Muskelpumpe) wird die Sympa-thikusaktivierung maximiert.

Im Rahmen einer Kipptischuntersuchung werden folgendeParameter als normal angegeben:• keine exzessiven Blutdruckschwankungen• Pulsdruckreduktion um max. 50 %• Herzfrequenzanstieg um < 30/min (meist um 10–15/min)• keine orthostatische Hypotension

❍ Absinken des systolischen Blutdrucks um weniger als20 mmHg

❍ Absinken des diastolischen Blutdrucks um weniger als10 mmHg – normal ist ein eher geringer Anstieg umca. 10 mmHg

❍ Absinken des arteriellen Mitteldrucks um wenigerals 20 mmHg

• Anstieg des peripheren Widerstandes

Neurogen vermittelte Reflexsynkope

Die exakten Mechanismen der weitaus häufigsten Form dernvRS, nämlich der durch aufrechte Körperhaltung ausgelö-sten („postural nvRS“), sind nicht immer gleich und bis heutenicht völlig geklärt [12]. Die am häufigsten zitierte Theorie istdie sog. „Ventrikuläre Theorie“ [13]. Durch venöses Poolingim Stehen nimmt der venöse Rückfluß zum Herzen ab. DieSteigerung des Sympathikotonus bewirkt neben einer Zunah-me der Herzfrequenz auch eine Zunahme der Kontraktilität.Diese gesteigerte Kontraktilität des Myokards bei gleichzeiti-ger Unterfüllung des linken Ventrikels („empty chamber“)führt zu einer Aktivierung von Mechanorezeptoren, besondersim Bereich der Hinterwand des linken Ventrikels, und zu einerplötzlichen, konsekutiven Zunahme der neuralen Signale überlangsam leitende C-Fasern der Tractus solitarius zum Nucleus

solitarius des Hirnstammes, wodurch eine Hypertension vor-getäuscht wird [11, 14]. Dies resultiert in einem paradoxenSympathikusentzug (Blutdruckabfall) und einer Vagusakti-vierung (Bradykardie) – ähnlich dem Bezold-Jarisch-Reflex[15] mit der Folge einer Synkope. Die Synkope bei Aorten-stenose, die ja typischerweise unter körperlicher Belastungauftritt, könnte ebenfalls auf diesem Mechanismus beruhen[15]. Auch andere reflektorische Synkopen (Hustensynkope,Miktionssynkope …) dürften durch eine rasche Aktivierungvergleichbarer Rezeptoren unterschiedlicher Lokalisation beiempfindlichen Individuen ausgelöst werden. Die Theoriebeinhaltet weiters eine Erklärung für den Anstieg der Herz-frequenz vor nvRS [16], die Provozierbarkeit der Synkopeam Kipptisch mit Isoproterenol sowie für die Therapie mitBetablockern (die heute aber nicht mehr empfohlen wird) [5].Das Konzept wurde jedoch zunehmend durch verschiedeneexperimentelle Beobachtungen in Frage gestellt: Im Tier-experiment bleibt die Sympathikusinhibierung durch Hypo-volämie auch nach Denervierung des Herzens aufrecht [17],d. h. auch ohne Afferenzen aus dem linken Ventrikel; nvRSkönnen auch bei herztransplantierten Patienten ausgelöst wer-den [18]; echokardiographische Untersuchungen des Füllungs-zustandes des Herzens bzw. der linksventrikulären Dimensio-nen bei Patienten mit nvRS am Kipptisch brachten wider-sprüchliche Ergebnisse [19, 20], d. h., die ventrikuläre Unter-füllung konnte gerade in den rezenteren Arbeiten meist nichtbestätigt werden. Hinweise für einen erhöhten Sympathiko-tonus vor der Synkope fanden sich nur in einigen Arbeiten, diedas Plasma-Norepinephrin oder den Norepinephrin-Spilloveruntersuchten, während andere Arbeitsgruppen gegenteiligeResultate fanden [12]; mikroneurographische Studien mitBestimmung der sympathischen Aktivität im Skelettmuskelfanden sogar eine verminderte Sympathikusaktivität beimAufkippen, die kurz vor der Synkope ganz verschwand [21].Aufgrund der Limitationen der ventrikulären Theorie wurdenandere Modelle für die nvRS entwickelt: die Baroreflex-Dys-funktions-Theorie [21, 22]; die Theorie des reduzierten Blut-volumens [23], die immerhin eine Basis für die Therapie mitreichlich Salzzufuhr und mit Fludrocortison bilden könnte;neurohumorale Theorien, v. a. Serotonin betreffend [24], dieauch zu therapeutischen Versuchen mit selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren geführt haben, sowie Theorien betreffendStörungen der Respiration und der Autoregulation der zere-bralen Durchblutung. Leider existieren für all diese Modellezahlreiche, teils widersprüchliche Studien, was vermutlichauf Unterschieden in den untersuchten Kollektiven (Gesundeohne oder mit Synkopen am Kipptisch, Patienten mit spontanennvRS und positiver oder negativer Kipptischuntersuchung)sowie auf methodischen Problemen beruht. Möglicherweisestellt die nvRS einen Symptomenkomplex im Sinne einer ge-meinsamen klinischen Endstrecke auf verschiedener patho-physiologischer Basis dar [12].

� Kipptischuntersuchung zur Synkopen-

abklärung

Die Kipptischuntersuchung – schon vor mehr als 50 Jahrenbeschrieben [25] – wird heute häufig zur näheren Abklärungvon Synkopen bei herzgesunden Patienten eingesetzt. Voraus-setzungen, sinnvolle Indikationen, Protokolle und die Inter-

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pretation der Ergebnisse wurden 1996 vom American Collegeof Cardiology [4] und 2001 von der Europäischen Kardio-logischen Gesellschaft [5] zusammengefaßt.

Testprotokoll

Das Testprotokoll selbst ist einfach: Der Patient sollte vor derUntersuchung 2 Stunden nüchtern sein. In einem ruhigen, an-genehm temperierten Raum wird er zunächst in Rückenlageauf einer aufkippbaren Liege („Kipptisch“), die mit einer Fuß-platte versehen ist, mit Haltegurten fixiert und gesichert. Eswird ein kontinuierliches Monitoring von EKG und Blutdruck(unbedingt nichtinvasiv [26], da die invasive Messung dasErgebnis der Untersuchung verfälschen kann [27]) durch-geführt, wobei die Beat-to-beat-Messung der intermittieren-den Blutdruckmessung (z. B. jede Minute) vorzuziehen ist,da mit ersterer auch ganz kurzfristige Blutdruckschwan-kungen erfaßt werden können, die der intermittierenden Mes-sung entgehen. Die Liegephase vor dem Aufkippen solltezumindest 5 Minuten dauern, falls ein intravenöser Zuganggelegt wird, mindestens 20 Minuten. Dann wird der Patient –mit dem Kopf nach oben – auf etwa 60–70° aufgekippt. EinWinkel von < 60° verringert die Sensitivität der Methode [28],ein Winkel von > 60° ändert die orthostatische Belastungnicht mehr signifikant [29]. Die Dauer der Stehphase beträgtminimal 20, maximal 45 Minuten. Der Patient soll in dieserZeit Bewegungen der Beine vermeiden bzw. unterlassen, umdas venöse Pooling zu maximieren [30]. Die Untersuchung

endet mit dem Auftreten einer Synkope (Bewußtseinsverlustund/oder Unfähigkeit, aktiv stehenzubleiben, beides verbun-den mit einem Abfall von Herzfrequenz und/oder Blutdruck)oder nach der geplanten Zeit. In beiden Fällen wird der Patientrasch wieder in die waagrechte Position zurückgekippt.

Provokationsmanöver

Nach der medikamentenfreien Phase kann, falls der Patientasymptomatisch geblieben ist, ein Provokationsmanöverdurchgeführt werden: klassischerweise wird zunächst im Lie-gen Isoproterenol in einer Dosis von 1 µg/min infundiert [31].Dies ist bei herzgesunden Patienten ungefährlich, bei beste-hender koronarer Herzkrankheit wegen der möglichen Provo-kation von Angina pectoris und Arrhythmien aber kontra-indiziert [32, 33]. Die Dosis wird langsam gesteigert (Maxi-mum 5 µg/min, üblicherweise ≤ 3 µg/min), bis die Herz-frequenz um 20–30 % angestiegen ist. Es folgt eine zweiteStehperiode für weitere 20–30 Minuten (neuerdings wird derBeginn der Infusion am Ende der passiven Stehphase ohneerneutes Zurückkippen in die Waagrechte empfohlen [5]). DerEndpunkt ist wiederum eine Synkope oder das Erreichen dergeplanten Stehdauer. Die pharmakologische Provokationkann auch mit Nitroglyzerin (z. B. 0,4 mg sublingual) erfol-gen, dann aber gleich am Ende einer auf 20 Minuten verkürz-ten Stehphase [34]. Die Hypotension nach Nitroglyzerin kanndurch den meist langsameren Beginn ( > 5 Minuten ) und diemildere Symptomatik (die sich von der spontan aufgetretenen

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unterscheidet) sowie das weitgehende Fehlen einer Brady-kardie (Abfall der Herzfrequenz um < 30 %) von der „echten“Synkope im Sinne eines positiven Untersuchungsergebnissesabgegrenzt werden und wird als „exaggerated response“bezeichnet. Letzterer scheint bei Patienten über 65 Jahre häu-figer aufzutreten. In einer Vergleichsstudie zwischen Isopro-terenol und sublingualem Nitroglyzerin war die diagnostischeAusbeute mit beiden Substanzen gleich; Nitroglyzerin waraber leichter anzuwenden und besser verträglich als Isopro-terenol [35]. Zur Demaskierung einer Überempfindlichkeitdes Karotissinus kann weiters eine Karotissinus-Massage(CSM) durchgeführt werden. Die Untersuchung wird meistim Liegen durchgeführt, ihre Sensitivität steigt aber im Stehendeutlich an [36]. Die CSM sollte zunächst im Liegen rechts,dann nach 1–2 Minuten links für jeweils 5 Sekunden durchge-führt werden; bei „negativem“ Ergebnis sollte die CSM dannim Stehen am Kipptisch wiederholt werden. Ein positivesErgebnis ist definiert als Auftreten von Symptomen plusAsystolie länger als 3 Sekunden und/oder Abfall des systo-lischen Blutdrucks um mehr als 50 mmHg.

Indikationen

Die Indikationen zur Kipptischuntersuchung (Tab. 1) lassensich im Prinzip mit „unklare oder vermutlich neurogenmediierte Reflexsynkope beim Herzgesunden“ zusammenfas-sen. Um dieses Krankheitsbild positiv zu diagnostizieren undnicht „nur“ im Sinne einer Ausschlußdiagnose einen Verdachtauszusprechen, ist die Kipptischuntersuchung die Untersu-chungsmethode der 1. Wahl.

Komplikationen

Komplikationen treten bei der Kipptischuntersuchung nursehr selten auf. Zwar wurden Asystolien bis zu einer Dauervon 73 Sekunden beschrieben [9], dies ist jedoch als End-punkt des Tests und nicht als Komplikation im engeren Sinnezu werten. Die einzig erforderliche Maßnahme beim Auftre-ten einer Synkope besteht üblicherweise im raschen Zurück-kippen (in weniger als 10 Sekunden) in die liegende Position,echte Reanimationsmanöver sind nur sehr selten nötig [5].Lediglich bei Verwendung von Isoproterenol zur pharmakolo-gischen Provokation können bei gleichzeitigem Vorliegeneiner koronaren Herzkrankheit [32] oder eines Sick-Sinus-Syndroms [37] bedrohliche ventrikuläre Arrhythmien auftre-ten. Insgesamt ist aufgrund der Seltenheit der Komplikationendie ständige Anwesenheit eines Arztes während der Untersu-chung nicht unbedingt erforderlich, er muß jedoch in der Näheund sofort verfügbar sein, wenn die – während der Untersu-chung permanent anwesende – erfahrene Schwester ein Pro-blem erkennt. Weiters muß die erforderliche Ausrüstung fürerweiterte Reanimationsmaßnahmen – vergleichbar den Er-fordernissen zur Durchführung der Ergometrie – unmittelbarvorhanden sein.

Kontraindikationen

Als Kontraindikationen für die Untersuchung werden wirk-same Stenose des linksventrikulären Ausflußtraktes, kritischeMitralstenose, schwere proximale Koronarstenose, zerebro-vaskuläre Stenose, Schwangerschaft sowie Weigerung des

Patienten angegeben [30, 38]. Für die CSM gelten transito-risch-ischämische Attacke oder Insult in den letzten 3 Mona-ten, Strömungsgeräusch über der Karotis [5] bzw. mindestens70%ige Karotisstenose [30] als Kontraindikationen.

„Positives“ Ergebnis der Kipptischuntersuchung

Ein positives Untersuchungsergebnis ist durch das Auftreteneiner Synkope in Verbindung mit Kardioinhibition und/oderVasodepression gekennzeichnet (Tab. 2, Abb. 2 und 3). Typi-scherweise tritt eine vasovagale Synkope nach einer Steh-phase von 24 ± 10 Minuten auf [28]. Der neurokardiogeneReflex, der eine positive Untersuchung kennzeichnet, zeigt

Tabelle 1: Indikationen zur Kipptischuntersuchung (modifiziertnach [5])

Klasse-1-Indikationen („Sinnvolle Indikationen aufgrund vonEvidenz oder allgemeiner Übereinstimmung“)

� Unklare Synkope in Risikosituationen (Verletzung, potentielleGefährdung, z. B. am Arbeitsplatz) bei Fehlen einer organischenHerzerkrankung

� Rezidivierende Synkopen bei Fehlen einer organischen Herz-erkrankung

� Unklare Synkope in Risikosituationen oder rezidivierende Synko-pen bei Vorliegen einer organischen Herzerkrankung, wenn einekardiale Ursache der Synkope ausgeschlossen werden kann

� Wenn der Nachweis der Neigung zu neurogen vermitteltenReflexsynkopen für den Patienten nützlich erscheint

Klasse-2-Indikationen („Widersprüchliche Evidenz oder geteilteExpertenmeinung über den Nutzen der Untersuchung“)

� Wenn die Therapie durch einen möglichen Nachweis deshämodynamischen Musters der Synkope beeinflußt wird

� Zur Differentialdiagnose zwischen konvulsiver Synkope undEpilepsie

� Zur Abklärung unklarer rezidivierender Stürze

� Zur Abklärung von Schwindel oder rezidivierenden Präsynkopen

Klasse-3-Indikationen („Nicht sinnvolle Indikationen aufgrundvon Evidenz oder allgemeiner Übereinstimmung“)

� Zur Therapiekontrolle

� Nach einer einzelnen Synkope ohne Verletzung und ohne Risiko-konstellation

� Wenn die Diagnose „vasovagale Synkope“ aus Anamnese undKlinik eindeutig gestellt werden kann und die Therapie durch dasErgebnis der Kipptischuntersuchung nicht beeinflußt wird

Tabelle 2: Positive Testergebnisse der Kipptischunter-suchung (nach [39])

• Typ 1 = gemischt: Zuerst Abfall des Blutdrucks, dann Abfall auchder Herzfrequenz zum Zeitpunkt der Synkope (aber nicht unter40/min oder nur für 10 Sekunden unter 40/min und ohne Asystolie)

• Typ 2a = Kardioinhibition ohne Asystolie: Zuerst Abfall desBlutdrucks, dann Abfall auch der Herzfrequenz zum Zeitpunktder Synkope unter 40/min für mehr als 10 Sekunden, aber ohneAsystolie von mehr als 3 Sekunden Dauer

• Typ 2b = Kardioinhibition mit Asystolie: Auftreten einerAsystolie von mehr als 3 Sekunden Dauer; davor oder zeitgleichfällt der Blutdruck

• Typ 3 = Vasodepression: Die Herzfrequenz fällt nicht um mehrals 10 % von ihrem Maximum zum Zeitpunkt der Synkope

❍ Ausnahme 1: Chronotrope Inkompetenz: Kein Herzfrequenz-anstieg während der Kipptischuntersuchung (d. h. weniger als10 % ausgehend von der Herzfrequenz im Liegen)

❍ Ausnahme 2: Exzessiver Anstieg der Herzfrequenz: Nachdem Aufkippen und während der Stehphase vor der Synkope(über 130/min)

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Stellenwert der Kipptischuntersuchung in der Synkopenabklärung

die Prädisposition eines Patientenzur nvRS, die Synkope am Kipptischist mit der spontanen nvRS gut ver-gleichbar (ähnliche Prodromi, ähnli-che Abfolge der Veränderungen vonHerzfrequenz und Blutdruck, ähnli-che Spiegel an zirkulierenden Kate-cholaminen vor dem Ereignis [4]).Der relative Anteil von Kardio-inhibition und Vasodepression kannjedoch bei einem individuellenPatienten bei wiederholten Synko-pen (und auch bei wiederholtenKipptischuntersuchungen) schwan-ken [40].

� Interpretation der „posi-

tiven“ Kipptischunter-

suchung

In ihrer grundlegenden Arbeit fandenKenny und Mitarbeiter [41] 1986 bei10 von 15 Patienten mit ungeklärterSynkope ein abnormes Ergebnis imSinne einer vasovagalen Reaktion,verglichen mit 1 bei 10 gesunden Kon-trollpersonen. Bei einem Protokollohne pharmakologische Provokationkann mit einem positiven Ergebnisbei 37,5 % [42], 42 % [43] oder, sel-ten, bis zu 75 % [8] der Patienten mitunklarer Synkope gerechnet werden.Bei Patienten, deren Synkopen aufandere Ursachen (AV-Block, Sick-Sinus-Syndrom, induzierbare Tachy-arrhythmien) zurückgeführt werdenkonnten, fand sich ein positives Un-tersuchungsergebnis am Kipptisch in0–19 % [8], bei gesunden, asympto-matischen Probanden in 0–20 % [44,45]. Die Spezifität der „positiven“Kipptischuntersuchung ohne Provo-kationsmanöver beträgt somit imMittel etwa 90 % [4]. Durch pharma-kologische Provokation mit Isopro-terenol [31] oder Nitroglyzerin [34]kann der Anteil positiver Tests auf biszu 87 % gesteigert werden, dies aber –besonders bei Verwendung von Iso-proterenol – zu Lasten der Spezifität[46]. Diese liegt mit pharmakologi-scher Provokation im Durchschnittbei etwa 81 % [38], bei Verwendungvon Nitroglyzerin-Spray nach man-chen Untersuchungen auch über 90 %[5, 44].

Aufgrund der hohen Spezifität isteine positive Kipptischuntersuchungbei Patienten mit unklarer Synkopeund ohne strukturelle HerzerkrankungAbbildung 3: Synkope vom gemischten Typ: Abfall von Herzfrequenz und Blutdruck zum Zeitpunkt der Synkope

Abbildung 2: Kardioinhibitorische Synkope: a) Trendanalyse. Zwischen Aufkippen und Auftreten der Synkope liegenca. 20 Minuten; b: 2 EKG-Ableitungen zum Zeitpunkt der Synkope: Asystolie für ca. 6 Sekunden. Die Therapie bestand inder Implantation eines DDD-Schrittmachers (möglich wäre auch DDI gewesen) mit spezieller Programmierung(Grundfrequenz 50/min, Hysteresefrequenz 40/min, Interventionsfrequenz 120/min für die Dauer von 2 Minuten).

Abbildung 2a

Abbildung 2b

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Stellenwert der Kipptischuntersuchung in der Synkopenabklärung

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diagnostisch, d. h., auf weitere Untersuchungen kann verzich-tet werden. Dies hat nicht zuletzt auch wesentliche finanzielleImplikationen: Schon 1993 wurden die Kosten unnützerUntersuchungen bei unerkannter nvRS auf bis zu 17.000 US-Dollar pro Patient geschätzt [47]. Bei Patienten mit strukturel-ler Herzerkrankung müssen Arrhythmien und andere kardialeUrsachen der Synkope ausgeschlossen sein, damit eine posi-tive Kipptischuntersuchung als diagnostisch für eine nvRSangesehen werden darf.

Die Reproduzierbarkeit einer „negativen“ Untersuchungist mit 85–94 % hoch [5], diejenige einer „positiven“ Unter-suchung aber mit 31–92% starkschwankend – auch spontane nvRStreten bekanntlich im Verlauf der Zeitin „Clustern“ auf [38]. Da eine initialpositive Untersuchung bei ca. 50 %der Patienten unter Therapie, aberauch unter Placebo negativ wird, sindwiederholte Kipptischuntersuchun-gen zur Kontrolle der Effektivitäteiner Therapie nicht zielführend.

Die Kipptischuntersuchung istauch zur Abklärung unklarer Sturz-ereignisse bei älteren Patienten gutgeeignet [48]. Dieses Kollektiv weistdurch physiologische Alterungsvor-gänge (Veränderungen der zerebralenAutoregulation, der Baroreflexsensi-tivität, der intravaskulären Volumen-regulation und der neurohumoralenKontrolle), Komorbiditäten (z. B. arte-rielle Hypertonie) und ihre medika-mentöse Behandlung (Vasodilatato-ren, Betablocker, Diuretika, Antide-pressiva – besonders Trizyklika) eineerhöhte Neigung zur neurokardiovas-kulären Instabilität auf, deren Diagno-stik am Kipptisch gut möglich ist.

� Kipptischuntersuchung

– nicht nur zur Synko-

penabklärung

Während die Kipptischuntersuchung– wie oben ausgeführt – zur Abklä-rung von Synkopen ein mittlerweilegut etabliertes diagnostisches Verfah-ren, zur Diagnose der nvRS sogar dendiagnostischen „Goldstandard“, dar-stellt, hat sich durch die weite Ver-breitung der Methode in den vergan-genen 15 Jahren gezeigt, daß dienvRS nur einen Aspekt einer ganzenGruppe von autonomen Störungendarstellt [11]. Einige Störungen ausdiesem Bereich sollen im folgendenexemplarisch aufgeführt werden, aufdie rezent überarbeitete Klassifikati-on der autonomen Erkrankungen seihier nur kurz verwiesen [49].

Tabelle 3: Medikamente, die eine orthostatische Intoleranzbegünstigen (modifiziert nach [11])

Herz-Kreislauf-Medikamente

� ACE-Hemmer

� Alpha-Rezeptorenblocker

� Beta-Rezeptorenblocker

� Kalziumantagonisten

� Nitrate

� Diuretika

� Hydralazin

Nichtkardiale Medikamente

� Phenothiazine

� Trizyklische Antidepressiva

� Bromocriptin

� Ethanol

� Opiate

� MAO-Hemmer

� Sildenafil

Abbildung 4: Orthostase bei autonomer Insuffizienz (Patient mit langjährigem Diabetes mellitus mit Polyneuro-pathie): unmittelbar nach dem Aufkippen rascher Abfall des Blutdrucks durch Abfall des peripheren Widerstandes,kaum Anstieg der Herzfrequenz. Als Nebenbefund fällt eine stark verminderte Herzfrequenzvariabilität auf (völligstarre Herzfrequenzkurve – z. B. im Vergleich mit Abbildung 3)

Abbildung 5: POTS (postural tachycardia syndrome): überschießender Anstieg der Herzfrequenz ohne Blutdruckabfall

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Stellenwert der Kipptischuntersuchung in der Synkopenabklärung

Orthostatische Intoleranz bei autonomer

Dysfunktion (Abb. 4)

Als orthostatische Intoleranz bezeichnet man die Unfähigkeit,aufrecht zu stehen, ohne daß Symptome, wie Hypotonie,Tachykardie, Schwindel, Müdigkeit, Schwäche und Übelkeit,auftreten. Im Gegensatz zur vasovagalen Synkope ist bereitsdie Frühadaptation nach dem Aufstehen bzw. Aufkippengestört. Symptome und Blutdruckabfall treten – anders als beider vasovagalen Synkope – unmittelbar nach Einnahme eineraufrechten Körperhaltung auf. Ätiologisch erfolgt die Eintei-lung in primäre Formen, wie z. B. das Shy-Drager-Syndrom[50] und die sog. akute autonome Dysfunktion [51] (nicht sel-ten im Anschluß an einen akuten viralen Infekt), und insekundäre Dysautonomien. Letztere finden sich sowohl beiErkrankungen des zentralen (Malignom, Multiple Sklerose)als auch des peripheren autonomen Nervensystems (Diabetesmellitus, Vitamin-B

12-Mangel [52], paraneoplastisch …).

Auch Medikamente können eine orthostatische Intoleranzbegünstigen (Tab. 3). Ein akutes absolutes oder relativesVolumenmangelsyndrom (z. B. gastrointestinale Blutung,Sepsis …) muß natürlich ausgeschlossen werden. Diagno-stisch nimmt die Kipptischuntersuchung neben Anamnese,physikalischer Untersuchung und nach Ausschluß einer struk-turellen Herzerkrankung eine zentrale Bedeutung ein.Charakteristisch ist der sofortige (= innerhalb der ersten3 Minuten) Abfall von systolischem und diastolischem Blut-druck nach dem Aufkippen um mehr als 20 mmHg systolischund/oder mehr als 10 mmHg diastolisch [53], begleitet voneinem Anstieg der Herzfrequenz. Letzterer fehlt bei akuter

Pandysautonomie bzw. chronotroper Inkompetenz. Bei Pati-enten mit verschiedenen Formen autonomer Insuffizienz kannin 73 % [54] bis 100 % [55] mit einem positiven Ergebnis beider Kipptischuntersuchung gerechnet werden.

Posturales orthostatisches Tachykardie-

syndrom (POTS) (Abb. 5)

Ein POTS besteht definitionsgemäß bei Vorliegen einerorthostatischen Intoleranz in Verbindung mit einem Herz-frequenzanstieg um mehr als 30/min bzw. bis auf mehr als120/min während der ersten 10 Minuten nach dem Aufstehenbzw. Aufkippen [56]. Der Blutdruckabfall ist nur gering aus-geprägt (im Mittel 20 mmHg systolisch) [57], bei länger dau-ernder Tachykardie kann aber eine vasovagale Synkope auf-treten. Mögliche Begleitsymptome bestehen in Müdigkeit,Schwindel und niedriger Belastungstoleranz. Pathophysiolo-gisch scheint eine milde Form einer idiopathischen peripherenautonomen Neuropathie vorzuliegen, bei der das – möglicher-weise durch partielle sympathische Denervierung der unterenExtremität bedingte – Unvermögen, den peripheren Gefäß-widerstand im Stehen ausreichend zu steigern, eine exzessivekompensatorische Tachykardie auslöst [56]. Einige Patientenweisen eine gesteigerte Sensitivität der Betarezeptoren auf.In einer Untersuchung [58] ließen sich eine verminderteNoradrenalin-Clearence im Stehen, eine fehlende Antwort aufden noradrenalinfreisetzenden Effekt von Tyramin sowie einedeutlich erhöhte Empfindlichkeit gegenüber adrenergen Ago-nisten zeigen. Die Kipptischuntersuchung ist praktisch immerdiagnostisch zielführend [57].

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