9
Personal Seite 1 3/2.6 Personalentwicklung und -führung WEKA MEDIA GmbH & Co. KG Dezember 2012 3/2.6 Betriebliches Gesundheitsmanagement – auch im öffentlichen Dienst ein Muss! Die Autorin Sabine Can arbeitet im Bereich Personalentwicklung der Landeshauptstadt Mün- chen und ist hier als stellvertretende Unterabteilungsleiterin für den Bereich „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ verantwortlich. Weitere Informationen zur Autorin finden Sie am Ende des Beitrags. Sabine Can Gesundheit und Gesundheitsvorsorge ist heute nicht nur ein großes gesellschaft- liches Thema. Das betriebliche Gesundheitsmanagement als wichtige Zukunfts- aufgabe haben in den vergangenen Jahren auch immer mehr Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen angepackt. Der vorliegende Beitrag stellt die vielfältigen Facetten eines nachhaltigen Gesundheitsmanagements dar und erläu- tert, was Kommunen tun können, um das Thema Gesundheit in ihrer Verwaltung aufzunehmen oder dort, wo ein entsprechendes Management bereits vorhanden ist, dieses weiterzuentwickeln. Was versteckt sich hinter Dienstvereinbarungen, was sind Gesundheitszirkel, was können Mitarbeiterbefragungen leisten? Die Antworten auf diese und andere Fragen, Beispiele und viele Hinweise erfahren und erhalten Sie in diesem Beitrag.

Auszug Betriebliches Gesundheitsmanagement

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Auszug aus dem Artikel Betriebliches Gesundheitsmanagement

Citation preview

Personal

Seite 1

3/2.6

Personalentwicklung und -führung

WE

KA

ME

DIA

Gm

bH

& C

o. K

GD

ezem

ber

2012

3/2.6 Betriebliches Gesundheitsmanagement – auch im öffentlichen Dienst ein Muss!

Die Autorin

Sabine Can arbeitet im Bereich Personalentwicklung der Landeshauptstadt Mün-

chen und ist hier als stellvertretende Unterabteilungsleiterin für den Bereich

„Betriebliches Gesundheitsmanagement“ verantwortlich.

Weitere Informationen zur Autorin finden Sie am Ende des Beitrags.

Sabine Can

Gesundheit und Gesundheitsvorsorge ist heute nicht nur ein großes gesellschaft-

liches Thema. Das betriebliche Gesundheitsmanagement als wichtige Zukunfts-

aufgabe haben in den vergangenen Jahren auch immer mehr Unternehmen,

Organisationen und Verwaltungen angepackt. Der vorliegende Beitrag stellt die

vielfältigen Facetten eines nachhaltigen Gesundheitsmanagements dar und erläu-

tert, was Kommunen tun können, um das Thema Gesundheit in ihrer Verwaltung

aufzunehmen oder dort, wo ein entsprechendes Management bereits vorhanden

ist, dieses weiterzuentwickeln. Was versteckt sich hinter Dienstvereinbarungen,

was sind Gesundheitszirkel, was können Mitarbeiterbefragungen leisten? Die

Antworten auf diese und andere Fragen, Beispiele und viele Hinweise erfahren

und erhalten Sie in diesem Beitrag.

Seite 2

Personal3/2.6

Personalentwicklung und -führung

Einführung

Die Basis für eine leistungsstarke, innovative und zukunftsfähige öffentliche Verwaltung sind gesunde und motivierte Mitarbeiter. Heute wissen wir: Die Beschäftigten sind die wichtigste Ressource in jeder Organisation. Die Mitar-beiter in ihrer Gesundheit zu fördern ist deshalb eine äußerst lohnende Inves-tition, insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels.

Immer mehr Unternehmen und Verwaltungen sind sich hierbei der Tatsache bewusst, dass die Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz nicht aus-schließlich Privatangelegenheit der Mitarbeiter ist, dies vor allem vor dem Hintergrund eines wachsenden Drucks auf viele Arbeitsplätze. Die stetig stei-genden Anforderungen in der Arbeitswelt können die vorhandenen Ressour-cen der Mitarbeiter aus dem Lot bringen. Unter ständiger Erreichbarkeit müssen immer mehr Aufgaben in immer kürzerer Zeit mit tendenziell gerin-geren Ressourcen erledigt werden. Unternehmen und selbstverständlich auch öffentliche Verwaltungen müssen daher neben dem „klassischen“ Arbeits-schutz – Verhütung von Arbeits- bzw. Dienstunfällen und Berufskrankheiten – ihr Hauptaugenmerk vermehrt auf die arbeitsbedingten Belastungen legen, die psychische Beeinträchtigungen hervorrufen können. Diese sind z.B.:

n hoher Zeitdruck n wachsende Komplexität der Arbeit n Überforderung durch die Arbeitsmenge n zunehmende Verantwortung n zu geringe Handlungsspielräume n Ärger oder Konflikte mit Kunden, Kollegen oder Vorgesetzten

(Badura, Hehlmann 2003: 64)

Gliederung n Einführung 2

n Was ist betriebliches Gesundheitsmanagement? 4

n Definition und Abgrenzung 4

n Qualitätsstandards eines betrieblichen Gesundheitsmanagements 6

– Formulierung einer klaren inhaltlichen Zielsetzung 6

– Abschluss schriftlicher Vereinbarungen – Notwendigkeit einer Dienst-

vereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement 7

• Beispiel „Powernap“ 8

– Einrichtung eines Lenkungsausschusses bzw. Arbeitskreises Gesundheit 9

– Durchführung der vier Kernprozesse 10

• Mitarbeiterbefragungen 11

• Gesundheitszirkel 12

• Planung/Intervention/Evaluation 14

– Effekte von betrieblichem Gesundheitsmanagement 15

• Bedeutung von Fehlzeiten 15

– Akteure im betrieblichen Gesundheitsmanagement 15

• Rolle der Führungskräfte 16

• Zusammenarbeit mit externen Dritten 17 n Fazit 18

Personal

Seite 3

3/2.6

Personalentwicklung und -führung

WE

KA

ME

DIA

Gm

bH

& C

o. K

GD

ezem

ber

2012

Speziell für den öffentlichen Dienst nennt das „Deutsche Netzwerk für Betrieb-liche Gesundheitsförderung“ die folgenden gesundheitsrelevanten Herausfor-derungen:

n gesundheitliche Belastungen durch Veränderungsprozesse n altersgerechtes Arbeiten – berufliche Perspektiven und Arbeitsplatzgestal-

tung n für ältere Beschäftigte (hoher Alterdurchschnitt der Verwaltungsmitarbei-

ter) n psychische Belastungen durch Stress verursacht durch Arbeitsdichte,

Arbeitsabläufe n Zeitdruck und Doppelbelastung n Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und privater Lebenswelt (Work-Life-

Balance) n Bewegungsmangel durch Bildschirmtätigkeit n Betriebsklima (mangelnde Kooperation, „Seilschaften“, Mobbing) n Führung und Gesundheit n Arbeitsgestaltung (Ergonomie, Arbeitszeitgestaltung) n Einbindung von BGF in integrierte Qualitätsmanagementsysteme n Fehlzeiten n neue Arbeitsformen (Telearbeit/Callcenter)

(aus: Deutsches Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung, Positionspa-pier Forum Öffentlicher Dienst/Stand 02.04.2009)

Das körperliche und seelische Wohlbefinden der Beschäftigten rückt also zunehmend in das Bewusstsein von Unternehmen und Verwaltungen. So defi-nierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits vor Jahrzehnten den Begriff „Gesundheit“ als Zustand sozialen, psychischen und körperlichen Wohlbefindens. Die Vision betrieblicher Gesundheitspolitik ist die gesunde Arbeit in gesunden Organisationen mit dem Ziel, Wohlbefinden und Produkti-vität der Beschäftigten zu fördern (vgl. auch Badura 2010). Dies erfolgt im Wesentlichen durch die Schaffung gesundheitsförderlicher Strukturen und Rahmenbedingungen.

Zwar gilt dies für die Privatwirtschaft und den öffentlichen Dienst gleicherma-ßen. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass sich die Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst dennoch in vielerlei Hinsicht von denen in der Privat-wirtschaft unterscheiden.

Hierzu gehört insbesondere der seit Jahren unvermindert andauernde Moder-nisierungsdruck, der sich in erster Linie aus der Kritik an der Struktur und der Größe sowie der zunehmenden Skepsis bezüglich Qualität und Effektivität der Leistungen des öffentlichen Dienstes ergibt (Sachert 2003: 13). Dieser Modernisierungsdruck trifft alle Verwaltungen im öffentlichen Dienst gleicher-maßen. Parallel hierzu verringern sich die finanziellen und damit auch die personellen Ressourcen. Einerseits sieht sich der öffentliche Dienst verpflich-tet, hochwertige Leistungen für seine Bürger zu erbringen, andererseits jedoch steht er unter einem enormen Sparzwang.

Auf die Beschäftigten wirkt sich diese Problematik u.a. durch Arbeitsverdich-tung und höhere Anforderungen aus. Es genügt nicht mehr, dass sie „nur“ ihre Arbeit erledigen. Vielmehr werden heute von allen Mitarbeitern eine hohe Motivation, ein überdurchschnittliches Verantwortungsbewusstsein sowie vol-ler Einsatz und Kreativität verlangt, um den geänderten Leistungsansprüchen und Kundenerwartungen gerecht zu werden.

Herausforderungen im öffentlichen Dienst

Modernisierungs-druck und Leis-tungsverdichtung

Seite 6

Personal3/2.6

Personalentwicklung und -führung

Qualitätsstandards eines betrieblichen Gesundheitsmanagements

Für die nachhaltige Einführung und Umsetzung eines betrieblichen Gesund-heitsmanagements innerhalb der jeweiligen Organisation spielt die Entwick-lung und Festlegung sog. Standards eine wichtige Rolle.

Jedoch lässt insbesondere für den öffentlichen Dienst, der sich wie kein ande-rer Bereich durch eine extreme Heterogenität hinsichtlich seines Aufgaben-spektrums auszeichnet, kein standardisiertes Konzept für die nachhaltige Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements beschreiben. Dennoch können diverse Mindeststandards benannt werden, die für ein erfolg-reiches Handeln im betrieblichen Gesundheitsmanagement grundsätzlich unabdingbar sind:

n Formulierung einer klaren, inhaltlichen Zielsetzung n Abschluss schriftlicher Vereinbarungen n Einrichtung eines Lenkungsausschusses bzw. Arbeitskreises Gesundheit n Bereitstellung von Ressourcen n Festlegung personeller Verantwortlichkeiten n Qualifizierung von Experten und Führungskräften n Beteiligung und Befähigung der Mitarbeiter n betriebliche Gesundheitsberichterstattung n Durchführung der vier Kernprozesse

(vgl. hierzu auch Walter 2010)

Nachfolgend werden ausgewählte Mindeststandards (oben fett markiert) etwas ausführlicher dargestellt:

Formulierung einer klaren inhaltlichen Zielsetzung

Am Anfang eines jeden Wegs steht das Ziel. Wie jedes professionelle Handeln erfordert auch die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements eine klare inhaltliche und vor allem messbare Zielsetzung. Das heißt, es ist zunächst genau zu überlegen, welche Ziele mit betrieblichem Gesundheitsma-nagement – orientiert an der Gesamtstrategie der Verwaltung – verfolgt wer-den sollen.

Grundlegendes Ziel eines betrieblichen Gesundheitsmanagements ist es, gesundheitsförderliche Strukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen und damit die Gesundheitssituation der Beschäftigten zu verbessern.

Merke Für die nachhaltige Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanage-

ments innerhalb eines Unternehmens bzw. einer Verwaltung ist es unerlässlich,

konkrete, zwischen der Verwaltungsleitung, den Führungskräften und der Per-

sonalvertretung vereinbarte Ziele zu definieren.

Die Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen empfiehlt, sich schon zu Beginn Klarheit über bestehende Problemlagen zu verschaffen und dann gemeinsam zu entwickeln, was sich mit einem Gesundheitsmanagement ver-ändern soll: „Denn jeder hat zunächst etwas anderes im Kopf, wenn es um Betriebliches Gesundheitsmanagement geht. Der Eine denkt an Entspan-nungsübungen und Rückenschule, der Andere an die Arbeitszufriedenheit und

Mindestanforderun-gen an betriebliches Gesundheits-management

Was soll verändert werden?

Personal

Seite 7

3/2.6

Personalentwicklung und -führung

WE

KA

ME

DIA

Gm

bH

& C

o. K

GD

ezem

ber

2012

die Verbesserung des Betriebsklimas. Bevor man darüber diskutieren kann, was für das eigene Haus wichtig wäre, sollte man also einen gleichen Informa-tionsstand schaffen.“ Empfohlen wird, sich z.B. zunächst einen Experten ein-zuladen, der darüber informiert, was ein systematisches und ganzheitliches Gesundheitsmanagement umfasst und unter welchen Bedingungen es was leisten kann (in: Betriebliches Gesundheitsmanagement in öffentlichen Ver-waltungen, Hannover 2009, www.gesundheit-nds.de).

Die in Dienstvereinbarungen von Unternehmen und Organisationen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement am häufigsten niedergeschriebenen Ziele lauten:

n Reduzierung der arbeitsplatzbedingten Belastungsfaktoren n Verbesserung des Gesundheitszustands der Beschäftigten n Förderung der Gesundheitskompetenz n Steigerung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit n Verbesserung von Information und Kommunikation n Steigerung der Arbeitszufriedenheit und -motivation n Förderung eines positiven Betriebsklimas n Senkung der Kosten durch Krankheit und arbeitsplatzbedingte Beeinträch-

tigungen

Zwar sollte der reine Kostenaspekt in Form von „Senkung der Fehlzeiten um xx Prozent“ nicht im Vordergrund eines betrieblichen Gesundheitsmanage-ments stehen, dennoch sollte er bei der Implementierung eines solchen (mit-)bedacht werden.

Merke

Grundsätzlich gilt immer: Jede Verwaltung muss die konkreten Ziele ihres

betrieblichen Gesundheitsmanagements für sich selbst definieren.

Abschluss schriftlicher Vereinbarungen – Notwendigkeit einer Dienstvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement

Eine nachhaltige Implementierung von betrieblichem Gesundheitsmanage-ment ist nur möglich, wenn es von ganz oben als Führungsaufgabe verstanden und wahrgenommen sowie in Kooperation mit der Personalvertretung aktiv und dauerhaft unterstützt wird (vgl. auch Rudow 2004).

WichtigDer Abschluss einer Dienstvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanage-

ment ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Ziel einer entsprechenden Dienstvereinbarung zum betrieblichen Gesund-heitsmanagement sollte sein, das Thema dauerhaft in den Strukturen zu verankern, die Rahmenbedingungen festzulegen, die jeweiligen Rollen zu klä-ren. Damit werden einheitliche Voraussetzungen für die Einführung und Umsetzung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements in der jeweiligen Verwaltung geschaffen (vgl. hierzu Dienstvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement bei der Landeshauptstadt München).

Ziele für Dienst-vereinbarungen

Seite 8

Personal3/2.6

Personalentwicklung und -führung

Hierbei muss das Rad nicht immer neu erfunden werden. Mittlerweile gibt es deutschlandweit etliche Verwaltungen, die betriebliches Gesundheits-management als wichtiges Thema für sich erkannt und entsprechende Dienst-vereinbarungen abgeschlossen haben. Einige Verwaltungen haben ihre Dienstvereinbarungen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement auch auf ihrer Homepage veröffentlicht. Beispiele hierfür sind die Städte Dortmund, Bremen, Aachen und München.

Internet-Tipp www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Personal-und-Organisationsreferat/

Gesundheit/Dienstvereinbarung-Betriebliches-Gesundheitsmanagment-.html

www.betrieblichegesundheitsfoerderung.dortmund.de/project/assets/

template1.jsp?tid=52642&smi=1.0

www.hs-bremen.de/mam/hsb/personalrat/dv_bgm-broschuere.pdf

www.aachen.de/DE/stadt_buerger/politik_verwaltung/gesuv/gesuv_dokumente/

dienstvereinbarung_betriebliches_gesundheitsmanagement.pdf

Weitere interessante Beispiele für im öffentlichen Dienst geschlossene Dienst-vereinbarungen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement finden sich auf der Homepage des Deutschen Netzwerks für Betriebliche Gesundheitsförde-rung unter www.dnbgf.de/downloads/dienstvereinbarungen-zum-getriebli-chen-gesundheitsmanagement.html#c805.

Ein mutiges und auf den ersten Blick ungewöhnliches Beispiel einer erfolgrei-chen kommunalen Gesundheitsaktion für alle Beschäftigten hat die Stadtver-waltung Vechta gegeben:

Praxisbeispiel

Fit nach der Mittagspause: Stadt Vechta macht „Powernap!“

Beispiel „Powernap“

Schlafforscher predigen schon seit Jahrzehnten den Mittagsschlaf als wohltu-ende Pause für den menschlichen Organismus bei Stress und Anforderungen. Der Arbeitswissenschaftler Martin Braun vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation geht davon aus, dass die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland auch während der Arbeit an Übermüdung leidet. Der Mittagsschlaf aber ist in vielen deutschen Unternehmen ein Tabuthema, denn er klingt nach Behaglichkeit. Das Nickerchen heißt deshalb schon seit einigen Jahren „Powernap“ – zu Deutsch Energieschlaf. Die einfache Formel lautet: Investiere Schlaf, gewinne Leistung!

In den USA, Japan oder China ist der Powernap schon längst eine Selbstver-ständlichkeit. Und wir alle wissen: Auch Südländer halten Siesta. Die gute Nachricht: Vorreiter beim Powernap in Deutschland ist eine Kommune! Die Stadtverwaltung Vechta in Niedersachsen gönnt ihren Mitarbeitern schon seit vielen Jahren, sich in der Mittagszeit „rekreativ zu betätigen“. Vechta ist bun-desweit die einzige Stadtverwaltung, die ihren Mitarbeitern ein mittägliches Schläfchen an der Dienststelle gönnt. Dafür gab es viel Lob von Arbeitsfor-

Die Erfahrungen anderer nutzen!

Personal

Seite 9

3/2.6

Personalentwicklung und -führung

WE

KA

ME

DIA

Gm

bH

& C

o. K

GD

ezem

ber

2012

schern, aber zunächst auch Häme von Medien über „schläfrige Beamte“. Diese Häme ist mittlerweile verstummt. Das Frauenhofer-Institut bestätigte Vechta 2007, dass es in keiner vergleichbaren Kommune Niedersachsens eine so hohe Arbeitsproduktivität gibt wie in Vechta. Hintergrund der Powernap-Initiative der Verwaltung war auch die Ausgangslage, dass Vechta mit außer-gewöhnlich wenig Personal außergewöhnlich viel leisten muss. Denn die Stadt gehört niedersachsenweit zu den Kommunen mit den geringsten Beschäftig-ten pro tausend Einwohner. Mit Powernap schaffte es die Gemeinde Vechta nach eigenen Angaben, auf intelligente Art den hohen Output der Beschäftig-ten dauerhaft zu erhalten, und natürlich deren Gesundheit insgesamt zu för-dern. Eine klassische Win-Win-Situation.

Wie sieht Powernap in Vechta konkret aus? Gut die Hälfte der knapp 200 Mit-arbeiter der Stadtverwaltung nutzt den kreativen Mittagsschlaf. Alle Teil-nehmer des Programms wurden vorab in der Übung „Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen“ geschult. Die Beteiligten ziehen sich nach dem Mittagessen in ihr Büro zurück, stellen das Telefon in der Regel auf Kollegen um und führen die Übung etwa 15 bis 20 Minuten aus. Das geht im Sitzen oder im Bürostuhl. Am Ende fühlt man sich erfrischt und fit – so die einhellige Einschätzung aller. Wie wichtig der Stadt Vechta diese Initiative war, zeigt auch die Tatsache, dass die neuen Ruhepausen sogar in einer Dienstvereinbarung festgeschrieben sind.

Einrichtung eines Lenkungsausschusses bzw. Arbeitskreises Gesundheit

Im betrieblichen Gesundheitsmanagement fungiert der Lenkungsausschuss bzw. Arbeitskreis Gesundheit als Steuerungs- bzw. Entscheidungsgremium. Hierin sollten idealerweise die Verwaltungsleitung sowie die unter Ziffer 4.6 aufgeführten Akteure vertreten sein. Um Synergien zu nutzen, können bei ordnungsgemäßer Zusammensetzung die nach § 11 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) vorgeschriebenen Arbeitsschutzausschüsse als Lenkungsausschuss bzw. Arbeitskreis Gesundheit fungieren. Zu den Aufgaben des Lenkungsaus-schusses bzw. Arbeitskreises Gesundheit gehören im Wesentlichen:

n Planung und Steuerung des bereichsbezogenen Gesamtprozesses n Definition von Zielen und Zielgrößen (Was wollen wir erreichen?) n Planung der Analyseschritte bzw. Istanalyse n Einrichtung von Gesundheitszirkeln n Entgegennehmen und Bearbeiten der Analyseergebnisse n Festlegung von Schwerpunkten und Prioritäten n Entscheidung über die Umsetzung von geeigneten Maßnahmen n Begleitung der Umsetzung n Controlling der Maßnahmen und Ergebnisse n Entwicklung von Vorschlägen zur Sicherung der Nachhaltigkeit

(vgl. hierzu auch Dienstvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanage-ment bei der Landeshauptstadt München)

Was leistet ein Lenkungsausschuss?

Personal

Seite 15

3/2.6

Personalentwicklung und -führung

WE

KA

ME

DIA

Gm

bH

& C

o. K

GD

ezem

ber

2012

Effekte von betrieblichem Gesundheitsmanagement

Bedeutung von Fehlzeiten

Die Kennziffer „Krankenstand“ hat bedauerlicherweise nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Es würde jedoch definitiv zu kurz greifen, den Erfolg des betrieblichen Gesundheitsma-nagements ausschließlich an der Reduzierung des Krankenstands oder auch am Rückgang der Unfallzahlen zu messen.

Merke

Fehlzeiten sind sog. Spätindikatoren, die wenig über den tatsächlichen Gesund-

heitszustand einer Organisation aussagen.

Dem Grunde nach setzt die Kennzahl „Fehlzeiten“ auch zu spät an; denn hier ist „das Kind schon in den Brunnen gefallen“ (vgl. auch Ueberle, Greiner 2010). Oft stellen die Krankenstandszahlen lediglich „die Spitze des Eisbergs“ dar. Unter der Oberfläche verbergen sich häufig Probleme in Form von Unzu-friedenheit, innerer Kündigung oder permanent belastenden Stressoren. Sie führen auch nicht zu einem unmittelbaren Ausfall durch Krankheit, können sich aber zu gestörten Arbeitsabläufen sowie mangelnder Qualität und Quan-tität des Outputs in Unternehmen und Verwaltungen verdichten.

Es wäre also die falsche Strategie, sich als Unternehmens- oder Verwaltungs-leitung – bei einer durchschnittlichen Fehlzeitenquote von ca. 5 % – aus-schließlich auf die abwesenden Beschäftigten zu konzentrieren und mittels eines sog. Fehlzeitenmanagements zwanghaft zu versuchen, den Kranken-stand zu senken. Im Fokus müssen insbesondere auch Gesundheit und Wohl-befinden der 95 % Anwesenden stehen; denn mittel- bis langfristig wird es darum gehen, die Belastungen für die Beschäftigten insgesamt zu mindern, die Ressourcen zu stärken und damit der weiteren Entstehung von Fehlzeiten entgegenzuwirken.

Akteure im betrieblichen Gesundheitsmanagement

Die nachhaltige Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmana-gements in die Strukturen und Prozesse vor Ort kann nur gelingen, wenn betriebliches Gesundheitsmanagement von ganz oben gewollt ist und alle „gesundheitsrelevanten“ Stellen der jeweiligen Organisation zusammenarbei-ten. Hierzu gehören in erster Linie:

n Personalabteilung, Personalentwicklung n betriebsärztlicher Dienst n Fachdienst für Arbeitssicherheit n Sozialberatung n betriebliches Eingliederungsmanagement n Personalvertretung

Nicht nur auf Fehlzeiten konzentrieren

Möglichst viele mit einbeziehen!

Seite 16

Personal3/2.6

Personalentwicklung und -führung

Rolle der Führungskräfte

Durch die rasanten Entwicklungen in der Arbeitswelt sind vor allem an Qualifikationen und soziale Kompetenzen von Führungskräften auch in öffent-lichen Verwaltungen erhöhte Anforderungen gestellt. Wissenschaftlich un umstritten ist mittlerweile, dass gute Führung maßgeblich zum Erhalt der Gesundheit von Beschäftigten beiträgt. Führungskräfte spielen eine besondere Rolle wenn es um die Gesundheit und Zufriedenheit von Mitarbeitern und um die Gestaltung des Gesundheitsmanagements geht. Sie sind einerseits auf-grund ihrer Führungsaufgabe Gestalter von Arbeitsbedingungen und beein-flussen durch ihre Art zu führen die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter.

Andererseits sind sie selbst eine wichtige Zielgruppe des Gesundheitsmanage-ments. Aufgrund ihrer Führungsrolle sind sie meist besonderen Stressoren ausgesetzt und selbst stark belastet. Es ist wichtig, Führungskräfte möglichst früh in die Entwicklung und Vorbereitung des betrieblichen Gesundheitsma-nagements einzubinden.

Praxis-Tipp Für Führungskräfte: Kein Stress mit dem Stress!

Die „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ des Bundesministeriums für Arbeit und

Soziales unterstützt Führungskräfte und Unternehmen/Verwaltungen mit Infor-

mationen, Beispielen und Handlungshilfen und Tipps bei der Bewältigung von

psychischen Belastungen im Arbeitsalltag.

Ein praxisorientierter Sammelordner „Kein Stress mit dem Stress“ zeigt auf, was

Vorgesetzte tun können, um Umfang und Ursachen psychischer Belastungen zu

identifizieren. Neben Daten und Fakten zum Thema werden auch verschiedene

Tests angeboten: Wie belastet bin ich? Wie belastet sind meine Mitarbeiter? Was

können wir tun? Welche Erfahrungen haben andere Unternehmen gemacht?

Unter zehn Schlagwörtern – von Burnout über Arbeitsverdichtung bis hin zu

Work-Life-Balance – bietet das Werk (kostenlos!) über 200 konkrete Tipps und

Lösungsansätze, wie die psychische Gesundheit von Beschäftigten in Unterneh-

men durch einen gesundheitsgerechten Führungsstil gefördert werden kann.

Der äußerst interessante und hilfreiche Sammelordner kann unter www.psyga-

transfer.de/praxishilfen/handlungshilfen/ – auch in Einzelkapiteln – herunterge-

laden werden.

Und was die Belastungen von Führungskräften durch wachsende Anforderun-gen betrifft, so kann auch Coaching Führungskräfte dabei unterstützen, solche Belastungen zu erkennen und ggf. kritisch eigene Verhaltensmuster und Gewohnheiten zu reflektieren.

Psychische Störungen bilden heute in Unternehmen und Verwaltungen schon die vierthäufigste Krankheitsgruppe. Vor allem kleinere und mittelgroße Ver-waltungen und deren Führungskräfte brauchen handhabbare Lösungen für ihren betrieblichen Alltag, um psychisch bedingte Erkrankungen und Ausfall-zeiten zu reduzieren bzw. durch betriebliches Gesundheitsmanagement und gute Führung erst gar nicht entstehen zu lassen!

Auch in öffentlichen Verwaltungen liegen Schutz und Förderung der psychi-schen Gesundheit der Beschäftigten zu einem erheblichen Teil in der Verant-wortung von Führungskräften, d.h. vor allem bei den unmittelbaren Vorgesetzten sowie bei Team- und Projektleitern. In Verwaltungen gibt es in

Auch Führungs-kräfte sind belastet!

Coaching