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Pastor R. L. Tafel, A. M. Ph. D., Autorität in der Neuen Kirche Aus dem Englischen übersetzt von J. W. Türk, Pastor der Neu Jerusalems Kirche, Berlin, Ontario, Kanada * Im Verlag des Deutschen Missions-Vereins der Neuen Kirche in Amerika, 1011 Arch Straße, Philadelphia, Pa. 1881. * * *

Autoritaet in der Neuen Kirche

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Page 1: Autoritaet in der Neuen Kirche

Pastor R. L. Tafel, A. M. Ph. D.,

Autorität in der Neuen Kirche

Aus dem Englischen übersetzt von J. W. Türk, Pastor der Neu Jerusalems Kirche, Berlin, Ontario, Kanada

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Im Verlag des Deutschen Missions-Vereins der Neuen Kirche in Amerika,1011 Arch Straße, Philadelphia, Pa.

1881.

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Vorrede

Der größte Teil dieser Abhandlung wurde der Konferenz der Neukirchlichen Geistlichen in Amerika, bei ihrer Versammlung bei Frankford bei Philadelphia, in der ersten Woche im Juni 1876, vorgelesen. Nach Vorlesung derselben, wurde von der Konferenz Beschluß gefaßt:"Nachdem die Konferenz der Geistlichen mit viel Interesse und großer Auf-merksamkeit der Vorlesung eines großen Teils der Abhandlung des Dr. Tafel über »Autorität in der Neuen Kirche« zugehört, wurde einstimmig beschlossen, daß die Glieder der Konferenz dem Dr. R. L. Tafel ihren herzlichen Dank abstat-ten für seine so gründliche Abhandlung über »Autorität in der Neuen Kirche«; und, indem sie bedauern, daß die Zeit es nicht erlaubt, das Ganze anzuhören, drücken sie das ernstliche Verlangen aus, daß diese Abhandlung durch die Her-ausgabe derselben vor die gesamte Kirche gebracht werden möge; und, daß Dr. Tafel Zeit finden möge, dieselbe mit einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis drucken zu lassen."

Durch einen darauf folgenden Beschluß, wurde ein Komitee von Dreien ernannt, um den obigen Beschluß in Ausführung zu bringen. — Dieses Komitee legte der Konferenz den folgenden Beschluß vor:"Nach Erwägung des ihnen übergebenen Gegenstandes, ist das Komitee zu dem Schluß gekommen, daß die Abhandlung des Dr. Tafel, in Anbetracht ihrer Wichtigkeit, der Publikations-Behörde, zur Herausgabe anempfohlen werde. Sie bitten daher um die Unterschriften der Konferenz-Mitglieder zu dem beigefüg-ten Gesuche."

(Gezeichnet) Komitee: J. R. Hibbard

Joseph PetteeT. A. Planz

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Dem Gesuche des Komitees gemäß wurde das folgende Gesuch an die Publika-tions-Behörde gestellt:"Wir, die unterzeichneten Mitglieder der Geistlichen-Konferenz, empfehlen der Publikations-Behörde, achtungsvollst die Abhandlund des Pastors R. L. Tafel, über »Autorität der Neuen Kirche«, zur Herausgabe."

(Unterzeichnet)Wm. B. Hayden Gabin HoughJoseph A. Lamb F. H. HemperleyN. C. Burnham Jabez FoxL. B. Mercer S. S. SewardChauncey Giles Saml. M. WarrenWillard G. Day Geo. F. StearnsA. F. Frost Chas. HardonW. F. Pendleton J. E. BowersW. H. Mayhew J. W. LeverJ. P. Stuart Wm H. BenadeE. C. Mitchell W. H. HinkleyWm. M. Goodner F. W. TürkL. H. Tafel Saml. Beswick

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Vorwort des Übersetzers

Das vorliegende Werk, das hiermit der Deutschen Neuen Kirche überreicht wird, hat sich schon in seiner englischen Gestalt als ein Epoche machendes Werk erwiesen. In klarer Beweisführung zeigt es, daß die Lehren des Neuen Jerusalems uns vom Herrn gegeben sind, daß der Herr dadurch Seine Zweite Ankunft auf Erden gemacht hat, und daß dieselben, ins Gemüt und Leben aufge-nommen, "die Hütte Gottes unter den Menschen" bilden.Wir glauben, daß diese Abhandlung dazu dienen wird, dem Einfluß der eigenen Einsicht zu steuern, und dazu beitragen, daß dem Herrn alle Gewalt und Autori-tät in der Kirche gegeben werde, damit Er allein darin herrsche. Wohl kein auf-richtiges Glied der Kirche kann dieses Werk lesen, ohne mit einem besseren Verständnis der himmlischen Lehre, und mit tieferer Verehrung und Liebe für dieselben gesegnet zu werden.Möge es denn mit des Herrn Beistand dazu beitragen, die unsicheren, schwan-kenden, die rechte Bedeutung der Lehren noch nicht kennenden Neukirchenleute zu einer volleren Anerkennung des Herrn in Seiner Zweiten Ankunft zu führen, und sie dadurch inniger mit dem Herrn zu verbinden. Mit der Hoffnung, daß die-ses Werk eine weite segensreiche Verbreitung in der Deutschen Neuen Kirche finden möge, zeichnet sich.

der Übersetzer F. W. Türk

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Abkürzungen

Wir gebrauchen in dieser Abhandlung die folgenden Abkürzungen für die Titel der Schriften Swedenborgs:

E. L. Eheliche LiebeE. O. Enthüllte OffenbarungE. W. Erdkörper im WeltallF. J. G. Fortsetzung über das Jüngste GerichtGl. Lehre vom GlaubenG. L. W. Göttliche Liebe und WeisheitG. V. Göttliche VorsehungH. G. Himmlische GeheimnisseH. H. Himmel und HölleH. S. Lehre von der Heiligen SchriftJ. G. Das Jüngste GerichtN. J. Das Neue Jerusalem und seine himmlischen LehrenW. C. R. Wahre Christliche Religion

Die folgenden Abkürzungen für die Titel solcher Schriften, die noch nicht ins Deutsche übersetzt sind, geben wir, um dies anzudeuten, mit römischen Buchstaben:

Ad. Aversaria, Notizen über Bücher des Alten TestamentA. E. Apocalypsis Explicata, Die erklärte OffenbarungC. Coronis, Anhang zur Wahren Christlichen ReligionD. S. Diarium Spirituale, Geistiges TagebuchDiv. Sap. Divina Sapientia, Göttliche Weisheit, Auszug aus A.E.Inv. Invitatio ad Novam Ecclesiam, Einladung zur Neuen Kir-

che, Auszug aus D.S.V. De Verbo, Über das Wort, Auszug aus D.S.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 – Über Autorität im Allgemeinen.....................................................7

Kapitel 2 – Die Lehren Göttlich, nicht menschlich........................................15

Kapitel 3 – Die Lehren und das Wort.............................................................19

Kapitel 4 – Die Lehren und die menschliche Vernunft..................................27

Kapitel 5 – Die Lehren und die Naturwissenschaft........................................33

Kapitel 6 – Inspiration Swedenborgs.............................................................38

Kapitel 7 – Swedenborg als Übersetzer der Schrift......................................107

Kapitel 8 – Die Lehren und die menschliche Freiheit..................................119

Kapitel 9 – Die Lehre zweifach....................................................................135

Kapitel 10 – Der wahre Gebrauch der Vernunft............................................152

Anhang – Die Ankunft des Herrn...............................................................177

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Kapitel 1 – Über Autorität im Allgemeinen

Über Autorität im Allgemeinen

Autorität ist eine notwendige, ja eine unvermeidliche Folge der Ordnung, denn Ordnung ist eine harmonische Verbindung von Teilen, von denen die, welche sich gleichartig sind, zusammengestellt oder beigeordnet, und die, welche nied-riger stehen, den höherstehenden untergeordnet sind.Das vollkommene Ordnungssystem, und daher auch die vollkommenste Anord-nung der Teile ist dargestellt im menschlichen Körper, wo die gleichartigen Teile so zusammengestellt oder zusammengeordnet sind, daß sie die verschiede-nen Organe des Körpers bilden, und wo die Gliedmaßen dem Rumpfe oder dem eigentlichen Körper, und dieser wieder dem Haupte untergeordnet sind. Und da wir belehrt werden, daß sowohl im natürlichen wie im geistigen Weltall, alles auf den Menschen, und somit auf die menschliche Form Bezug hat, so folgt, daß überall, sowohl in der materiellen, als in der geistigen Welt, gleichartige Teile sich beigeordnet, und niedrigere den höheren untergeordnet sind; woraus weiter folgt, daß das Prinzip der Beiordnung und Unterordnung dem Wesen der Dinge angehört, und daß ohne dieses Prinzip die Schöpfung, und somit die materiellen und geistigen Welten eine Unmöglichkeit wären.Ordnung, und mit ihr das Prinzip der Bei- und Unterordnung, ist daher im wah-ren Sinne des Wortes die Bedingung unserer Erschaffung und unserer Fortexis-tenz. Dieses Prinzip, welches eine Anerkennung des Prinzips der Autorität ein-schließt, ist seit undenklichen Zeiten als unerläßlich zum Wohlergehen des Men-schengeschlechts betrachtet worden; denn überall, in allen Verhältnissen des Lebens, wo eine Arbeit verrichtet, eine Gefahr vermieden, oder die Wohlfahrt des Menschen auf eine sichere Grundlage gestellt werden soll, führen die Men-schen instinktmäßig eine Ordnung ein, nach welcher ein Teil mit der Pflicht oder dem Recht zu regieren, und ein anderer teil mit der Pflicht des Gehorchens betraut wird. Das Prinzip der Autorität ist somit von allen Völkern, und zu allen Zeiten, als unerläßlich zu ihrem Wohlergehen und als einziges Mittel zur Befrei-ung von Anarchie und von Unordnung sowohl im öffentlichen, als im Privatle-ben, anerkannt worden. Von der Ordnung endlich, und somit von der richtigen Bei- und Unterordnung der Teile im natürlichen und im geistigen Weltall hängt die Gegenwart des Herrn in unserer Mitte ab; denn wir lesen:(1.) "Der Herr ist die Ordnung selbst, deshalb ist auch Ordnung, wo Er

gegenwärtig ist, und anderseits wo Ordnung ist [d.h. wo ein gerechtes Prinzip von Bei- und Unterordnung herrscht] da ist der Herr gegenwär-tig." (H.G.5703)

Das Prinzip der Autorität ist somit ein himmlisches und Göttliches Prinzip, und

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gehört derselben Ordnung an, nach welcher das Weltall erschaffen worden ist. Von dieser Ordnung hängt die Wohlfahrt des Reiches Gottes im Himmel und auf Erden, und somit die der Kirche auf Erden, und so auch im Besonderen die der Neuen Kirche des Herrn ab. — Es ist daher zur Begründung und zum Gedei-hen der Neuen Kirche des Herrn auf Erden notwendig, daß sie eine bestimmte Autorität besitze, unter welche sich alle Teile derselben, d.h. alle ihre Glieder beugen; und ihre Wohlfahrt und ihr Gedeihen hängt gänzlich von dem Gehor-sam ab, welchen die Teile oder Glieder dieser Autorität leisten.Sowie im Himmel Ein Haupt Eine Quelle der Autorität ist, welcher sich alle Teile des Himmels, d.h. alle Engel beugen, so muß auch in der Kirche auf Erden Eine Autorität sein, unter die sich alle Glieder der Kirche beugen; und in dem Verhältnis, wie sie sich unter diese Autorität beugen, sind sie in einem Zustande der Ordnung; der Herr kann bei ihnen sein und die Kirche durch sie gründen und stärken.Während die Notwendigkeit einer feststehenden Autorität in der Kirche aner-kannt wird, mag hier erwidert werden, daß die Kirche, welche der Herr unter den Menschen gegründet, ein innerlicher Zustand ist; daß es die Verbindung des Guten und Wahren im Herzen des Menschen ist, die aus einer richtigen Unter-ordnung des Menschen unter seinen Schöpfer herrührt; daß dies aber nichts zu tun habe mit einer äußerlichen Organisation von Menschen in dieser Welt, wel-che sich eine Kirche heißt, oder den Namen der Neuen Kirche des Herrn für sich beansprucht.Eine vollkommene Antwort auf diesen Einwurf wird uns durch das analoge Ver-hältnis des Reiches Gottes im Himmel gegeben. Denn der Himmel ist auch ein innerlicher Zustand, der den Worten des Herrn gemäß "in uns" ist; und nach den Lehren der Neuen Kirche ist dieser innerliche Zustand eine Vereinigung des Guten und Wahren. Obgleich aber der Himmel ein innerlicher Zustand ist, so ist er gleichzeitig auch eine äußerliche Organisation; weshalb Swedenborg den Himmel als aus Engeln bestehend beschreibt (H.H.1) und dadurch Engel als teile erklärt, woraus der Himmel als Ganzes besteht.Nach demselben Prinzip behaupten wir, daß die Kirche, obgleich sie als innerli-cher Zustand beschreiben wird, der von der Verbindung des Guten und Wahren herrührt, zu gleicher Zeit auch eine äußerliche Organisation ist. Wir schließen daher, daß, wie der Himmel äußerlich aus Engeln besteht, so die Kirche oder das Reich Gottes auf Erden äußerlich aus Menschen besteht. Doch so wie die Beschaffenheit der Menschen, so wird die Beschaffenheit der äußeren Kirchen-organisation sein, welche sie bilden, gemäß den folgenden Worten:(2.) "Der geistige Mensch ist die Kirche im Besondern, sowie Mehrere

zusammen die Kirche im Allgemeinen sind; wenn der Mensch nicht im Besondern eine Kirche wäre, so gäbe es auch keine Kirche im Allgemei-nen; es ist die Gemeinde im Allgemeinen, welche in gewöhnlicher Rede Kirche genannt wird, aber Jeder in dieser Gemeinde muß so beschaffen

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sein, damit eine Kirche bestehe; alles Allgemeine schließt ihm gleichar-tige Bestandteile in sich." (H.G.4292)

Dieser Auszug lehrt uns, daß die Kirche nicht nur ein innerlicher Zustand in den Individuen, sondern auch, daß sie eine äußerliche Organisation ist, die aus einer Mehrheit von Individuen besteht. Die Individuen müssen jedoch, um ein Teil der allgemeinen Kirche zu sein, die Kirche in sich tragen, das ist, sie müssen mit dem Herrn, dadurch daß sie Ihn als ihre Autorität anerkennen, verbunden sein, indem sie ihr eigenes Leben dem Leben des Herrn unterordnen.In Beziehung auf die Kirche im Allgemeinen lesen wir, daß sie in den Augen des Herrn als Ein Mensch erscheint, woraus hervorgeht, daß alle Prinzipien, die auf die Kirche im Einzelnen ihre Anwendung finden, sich ebenso wohl auf die Kirche im großen anwenden lassen. Es folgt ferner hieraus, daß sowie die Kir-che im Einzelnen, durch Anerkennung des Herrn als Autorität, und durch Unter-ordnung des eigenen Lebens unter das Leben des Herrn gegründet werden muß, es auch absolut notwendig ist, um eine Kirche im Großen zu bilden, daß deren Glieder eine feste und endgültige Autorität haben, zu der Alle aufblicken, und von der sie Willens sind sich richten zu lassen. Diese wird dann zu einem allge-meinen Band, welches die Glieder der Kirche in eine gleichartige Brüderschaft vereint.Die Frage entsteht jetzt: Wo und Was ist die äußerliche Autorität, zu welcher alle Glieder der Kirche des Herrn im Allgemeinen, und die Glieder der Neuen Kirche im Besondern aufblicken, und von welcher sie Willens sein sollten, sich richten zu lassen?Es ist nicht populär, von einer Autorität zu sprechen, die Neukirchenleute als solche anerkennen sollten. Diese Anerkennung einer Autorität steht in den Augen Einiger im Widerspruch mit dem Grundsatz der geistigen Freiheit, wel-che in der Neuen Kirche obwalten sollte, und welche sie zu finden meinen in dem Losungswort: "Nun ist's erlaubt vernunftmäßig in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen." Und dennoch, es sei denn, daß die Glieder der Neuen Kirche eine bestimmte äußerliche Autorität anerkennen, und das Leben ihres Willens und Verstandes mit dieser Autorität in Übereinstimmung zu bringen suchen, so wird die Neue Kirche, weder in ihnen selbst, noch in den allgemeinen Körpern, noch in der äußerlichen Organisation, welche sie in Gemeinschaft mit Andern bilden, wachsen und zunehmen.Die große Macht und Stärke der römisch-katholischen Kirche liegt in dem Umstand, daß sie eine gemeinsame Autorität besitzt, unter welche sich Alle beu-gen, wodurch alle Glieder derselben, Soldaten Einer großen Armee, zur Erhal-tung und Verbreitung ihrer Religion unter der Menschheit, werden.Die Ursache, warum wir hier auf die Stärke und Macht der römisch-katholischen Kirche hinweisen, ist eine doppelte; denn auf der einen Seite zeigt sie uns, welch' eine Macht eine Kirche gewinnt, wenn sie eine bestimmte äußere Autori-

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tät anerkennt; und auf der andern gibt sie uns eine Erklärung des Widerwillens und der Abneigung Einiger in der Neuen Kirche gegen eine bestimmte, endgül-tige Autorität in der Kirche.Die endgültige Autorität in Sachen der Kirche ist bei den Römisch-Katholischen ein menschliches Wesen, dessen Aussprüche in Bezug auf die Kirche als unfehl-bar und so von göttlicher Autorität erklärt werden; und dies wird als eine nötige und unvermeidliche Folge des Glaubens an eine endgültige äußere Autorität in allen Sachen, die zur Kirche gehören, betrachtet. Dies ist auch der Grund, warum sich in letzter Zeit eine so bestimmte Abneigung gegen eine regelmäßig ordinierte Geistlichkeit in der äußern Neuen Kirche zeigt; indem jeder ordinierte Geistliche als ein verkappter oder angehender Papst angesehen wird.Diese Abneigung entsteht jedoch, wie wir glauben, nur durch Mißverständnis über das Wesen einer solchen endgültigen Autorität in der Kirche. Man setzt voraus, daß diese endgültige Autorität der Person der ordinierten Geistlichen der Kirche verliehen wird. Wird geben zu, daß in der römisch-katholischen Kirche, und auch teilweise in der anglikanischen Kirche, durch das Dogma von der Apo-stolischen Nachfolge, solche Ansprüche gemacht werden; behaupten aber, daß dies eine Verdrehung der wahren Lehre über die Autorität in der Kirche ist, und, daß diese verkehrte Lehre ganz und gar nichts mit der wahren Lehre zu tun hat.Die wahre Lehre von der Autorität in der Kirche führt deren Glieder in geistige Freiheit, und nicht in geistige Sklaverei. Die wahre Autorität der Kirche ist die stärkste Schanze gegen den Mißbrauch ihrer Autorität von Seiten Derer, welche die Verwaltung der Kirche in der Welt führen.Wir sehen daher, daß es sowohl eine wahre als eine verkehrte Ordnung in der Kirche geben kann, und somit ein wahres Prinzip von Unterordnung und Autori-tät, oder ein verkehrtes. Diesen Unterschied werden wir uns jetzt bemühen dar-zustellen.Alle Autorität in dieser Welt wird durch Personen ausgeübt; so lesen wir:(3.) "Ordnung kann in der Welt nicht erhalten werden ohne Vorgesetzte, wel-

che Alles überwachen sollen, was der Ordnung gemäß, und was der Ord-nung zuwider geschieht." Und ferner: "Unter den Vorgesetzten soll wie-der eine Ordnung sein, damit nicht irgend Einer aus Willkür, oder aus Unkunde Böses wider die Ordnung zulasse, und so diese zerstöre; wofür gesorgt wird, wenn es höhere und niedere Vorgesetzte gibt, zwischen welchen Unterordnung stattfindet." Und endlich: "Die Vorgesetzten über diejenigen Dinge bei den Menschen, welche den Himmel betreffen, oder über das Kirchliche, heißen Priester, und ihr Amt heißt das Priestertum" (N.J.312-314; H.G.10'790-10'793). In gleicher Weise lesen wir: "Die Vorgesetzten über die Dinge beim Menschen, die der Welt angehören, oder über Zivildinge, heißen Obrigkeiten, und der Höchste, wo solche Regierungsform besteht, heißt König" (N.J.314).

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Folgt denn hieraus, daß die Priester die Quelle der Autorität und Macht in der Kirche, und Könige und Obrigkeiten die Quelle derjenigen im Staate sind? Oder folgt hieraus, daß der Wille und Gedanke des Priesters die oberste Autorität in der Kirche, und der Wille und Gedanke der Obrigkeit und des Königs die im Staate ist? Diese Frage wird von den Römisch-Katholischen, welche an die Unfehlbarkeit des Papstes glauben, dessen Wille und Gedanke ihre Autorität in allen Sachen der Kirche ist, bejahend beantwortet. Sie wird auch von Denen bejahend beantwortet, welche glauben, daß Bischöfe und Priester, wenn in Kon-ventionen oder Zusammenberufungen solcher Konzilien die endgültige und letzte Autorität in der Kirche bilden.Diese Frage wird auch von Solchen auf dem politischen Gebiete bejahend beant-wortet, welche eine persönliche despotische Regierungsform lehren und vertei-digen; welche glauben, daß der Wille und Gedanke des Kaisers oder Königs die endgültige Autorität in bürgerlichen und politischen Sachen bildet.Diese Frage wird aber von den Schriften der Neuen Kirche, sowie von Allen, welche glauben, was diese Schriften lehren, in verneinender Weise beantwortet. Ebenso wird sie von Denen verneinend beantwortet, welche glauben, daß das Gesetz und die Konstitution eines Landes eine höhere Autorität besitzen als die obrigkeitlichen Personen und die politischen Führer eines Landes; so daß die Gesetze und die Konstitution eines Landes die letzte und endgültige Autorität sind, unter welche sich jeder Beamte des Staates und jeder Regent des Landes beugen muß.Das Gesetz und die unverbrüchliche Beobachtung desselben sind das Heil eines Landes; und wo die Gesetze eines Landes gerecht, ehrlich und energisch ausge-führt werden, da leben die Bürger in frieden, da wird die Macht der Übeltäter und Verbrecher gebrochen und vernichtet. Aber wo die Gesetze nicht geachtet, und die Waage der Gerechtigkeit sich in den Händen prinziploser, unwissender Menschen befindet, da nimmt das Verbrechen zu, und das allgemeine Interesse wird dem Interesse der Einzelnen hingeopfert. In einem solchen Lande ist die Ordnung umgekehrt: der Diener wird zum Herrscher, und der Herrscher zum Diener: Denn, wenn wahre Ordnung im Lande herrschen soll, so muß das Gesetz herrschen, und die Regenten und Vorgesetzten sind die Diener und Voll-strecker der Gesetze; aber wenn die wahre Ordnung im Lande verkehrt ist, dann werden die Beamten und Regenten die Beherrscher und die Gesetze ihre Diener, durch welche sie ihren Willen durchführen.Dasselbe ist in der Kirche geschehen, und kann wieder darin geschehen; denn auch in der Kirche wird, wie wir gesehen haben, Macht und Autorität durch Per-sonen und Individuen ausgeübt. Wenn diese Personen das Gesetz der Kirche höher achten als sich selbst, und in allen Sachen der Kirche dies Gesetz befragen und nach demselben handeln, ohne zur Rechten oder Linken zu sehen, dann sind sie gute und getreue Diener des Herrn, und der Herr läßt das Werk ihrer Hände

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gelingen, und segnet alle ihre Bemühungen beim Aufbau Seiner Kirche auf Erden.Wenn aber die Diener, d.h. die Priester sich selber über das Gesetz der Kirche stellen, indem sie entweder ein solches Gesetz leugnen, untergraben, oder des-sen Autorität wegdisputieren, dann wird die Ordnung der Kirche verkehrt, der Diener wird Herrscher und der Herrscher — das ist, das Gesetz der Kirche — wird nur ein Werkzeug in den Händen der Priester, durch welches sie ihre Herr-schaft über die Glieder der Kirche zu begründen suchen. Solches war der Fall in der ersten christlichen Kirche; sie ist verkehrt und zerstört worden, weil ihre Geistlichen und Priester sich über das Gesetz der Kirche gestellt und dasselbe so verdreht haben, daß dadurch ihre eigene Autorität über die Gewissen der Men-schen gesetzt wurde. Solches wird auch eine unvermeidliche Folge in der Neuen Kirche sein, wenn sie nicht ein Gesetz anerkennt, welches höher, oder über den Personen steht, welche die Kirche bilden; und ihr Fall wird beschleunigt, wenn ihre Vorgesetzten und Führer nicht ein solches Gesetz anerkennen und sich demselben unterwerfen.Jetzt ersteht die Frage: Gibt es solch' ein Gesetz in der Neuen Kirche, dem sich sowohl die Geistlichen wie die Laien beugen müssen?Wenn wir dem natürlichen Menschen diese Frage vorlegen, so wird er sofort antworten, daß er kein Gesetz anerkenne, wodurch die Gewissen der Menschen gebunden werden sollten; denn der natürliche Mensch ist kein Freund von Beschränkung, er läßt sich nicht gern in der Befriedigung seiner natürlichen Lie-besneigungen der Selbst- und der Weltliebe einschränken. O nein, sondern, um zu beweisen, daß das Gewissen des Menschen frei ist, geht der natürliche Mensch zu den Schriften der Kirche und verschanzt sich mit den, in letzter Zeit so oft gebrauchten Worten: "Nunc licet!" — "Nun ist's erlaubt verständiger Weise in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen."Wenn wir aber den geistigen Menschen fragen, der bei allen Fragen über Lehr-punkte, d.h. bei allen Punkten, welche die Kirche und des Menschen geistiges Heil betreffen, zu den Schriften der Kirche geht, so bekommen wir eine ganz verschiedene Antwort.Zuerst beweist er die Notwendigkeit eines Gesetzes als endgültige Autorität in der Kirche, durch Hinweisung auf W.C.R.55, wo wir lesen:(4.) "Wer sieht nicht, daß es keinen Kaiserstaat, kein Königreich, kein Her-

zogtum, keinen Freistaat, keine Stadt und kein Haus gibt, die nicht durch Gesetze zusammengehalten werden, welche die Ordnung und so die Form ihrer Regierung bilden. In jedem einzelnen derselben nehmen die Gesetze der Gerechtigkeit die oberste Stelle ein, die administrativen die zweite, und die ökonomischen Gesetze die dritte; und wenn diese mit dem Menschen verglichen werden, so bilden die Gesetze der Gerechtig-keit sein Haupt, die administrativen seinen Leib, und die ökonomischen

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Gesetze die Kleider, weshalb auch diese, wie die Kleider, gewechselt werden können. Was aber die Ordnung betrifft in welche die Kirche von Gott eingesetzt wurde, so ist sie die, daß Gott in Allem und Jedem der-selben sei; und der Nächste der sei, gegen den die Ordnung beobachtet werden soll; der Gesetze dieser Ordnung sind ebenso viele als der Wahr-heiten im Worte; die Gesetze welche Gott betreffen, sollen ihr Haupt ausmachen, die Gesetze, welche den Nächsten betreffen, sollen ihren Leib, und die Gebräuche, die Kleider bilden; denn wofern jene nicht von diesen in Ordnung zusammengehalten würden, so wäre es, wie wenn der Leib entblößt, und der Hitze im Sommer und der Kälte im Winter ausge-setzt würde, oder wie wenn dem Tempel Wände und Decken wegge-nommen, und so das innere Heiligtum, der Altar und die Kanzel unter freiem Himmel den mancherlei Gewalttätigkeiten preisgegeben wären."

Aus dieser Stelle lernen wir, daß es keine Ordnung geben kann ohne Gesetze, und daß folglich in der Kirche keine Ordnung existieren kann ohne Gesetze. Ferner lernen wir daraus, daß die Gesetze der Kirche sich einerseits auf den Herrn und den Nächsten, und somit auf den innerlichen Gottesdienst, anderer-seits aber auf die Gebräuche (ceremonies) und den äußeren Gottesdienst bezie-hen. Weiter lernen wir, daß es so viele Gesetze der Ordnung in der Kirche gibt, als da Wahrheiten im Worte sind.Wir lesen auch, daß:(5.) "Wie die Priester vorgesetzt sind, um die das Göttliche Gesetz und den

Gottesdienst betreffenden Dinge zu verwalten, so die Könige und die Beamten, zur Verwaltung des bürgerlichen Gesetzes und Rechtes." Und wiederum: "Das Königtum besteht im Verwalten nach den Gesetzen des Königreichs und im Rechtsprechen nach diesen, aus der Gerechtigkeit. Ein König, welcher die Gesetze über sich sieht, ist weise, ein solcher aber, der sich über den Gesetzen sieht, ist nicht weise. Ein König, der die Gesetze über sich sieht, setzt das Königtum in das Gesetz und das Gesetz herrscht über ihn; denn er weiß, daß das Gesetz die Gerechtigkeit ist, und alle Gerechtigkeit, welche wirklich Gerechtigkeit ist, ist Göttlich. Ein König aber, der sich über den Gesetzen sieht, setzt das Königtum in sich und glaubt entweder, er selbst sei das Gesetz, oder das Gesetz, welches die Gerechtigkeit ist, komme aus ihm. Er maßt sich daher das an, was Göttlich ist, während er doch unter diesem stehen sollte" (N.J.319,322).

Zwischen dem Göttlichen Gesetz, oder dem Gesetz der Kirche, und den Geistli-chen besteht genau dasselbe Verhältnis als zwischen diesem und den andern Gliedern der Kirche. Das Gesetz der Kirche lehrt sie Alles in Beziehung auf den innerlichen und äußerlichen Gottesdienst; und ihre Pflicht als Glieder der Kirche besteht darin, daß sie dieses Gesetz ausführen und demselben gehorchen; und sie sollten sich nicht über die Gesetze der Kirche stellen, noch behaupten, daß ihr Wille das Gesetz der Kirche sei, noch daß das Gesetz der Kirche von ihnen aus-

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gehe. Oder mit anderen Worten: Die Glieder der Kirche, und besonders ihre Geistlichen, sollen glauben, daß Alles, was den innern und den äußern Gottes-dienst betrifft, von Gott aus dem Himmel geoffenbart worden ist, und daß nichts, dem innern und äußern Gottesdienst Angehöriges, von ihnen selbst kom-men darf.Der Verfall der ersten christlichen Kirche wurde durch Mensch und besonders durch Geistliche der Kirche verursacht, die sich über die Gesetze der Kirche, die alle sind Wahrheiten aus dem Worte, stellten und behaupteten sie, d.h. die Geist-lichkeit der Kirche, stehen an Stelle des Gesetzes derselben, und daß alle Gesetze der Kirche von ihnen herkommen müßten. Solcher Gefahr würde die Kirche des Neuen Jerusalems ausgesetzt sein, durch Nichtanerkennung eines höheren über ihr stehenden Gesetzes, d.h. eines Gesetzes, welches nicht von Menschen gemacht, sondern von Gott aus dem Himmel geoffenbart ist.Die Frage entsteht jetzt: Wo ist das Gesetz, welches sowohl die Geistlichen als die Laien der Kirche des Neuen Jerusalems anerkennen sollten?Die Antwort auf diese Frage ist: Das Gesetz des Neuen Jerusalems "im Bezug auf den Herrn, in Bezug auf den Nächsten, und in Bezug auf die Gebräuche der Kirche," sind die Lehren des innern Sinnes der heiligen Schrift, welche vom Herrn, bei Seiner Zweiten Ankunft, zum besondern Nutzen dieser Kirche, geof-fenbart worden, und in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs ent-halten sind.Dies ist das Gesetz, welches die Kirche des Neuen Jerusalems als eine äußerli-che Organisation anerkennen muß, und unter welches sich alle Vorgesetzten darin beugen müssen.Lasset uns dafür dankbar sein, daß wir ein solches Gesetz in unserer Kirche haben, ein Gesetz, aus dem wir zur Ausübung unserer Pflichten gegen Gott und den Nächsten, Licht schöpfen können; und ein Gesetz, aus welchem wir Beleh-rung über alles, den äußern Gottesdienst, oder die Gebräuche der Kirche, Betref-fende erlangen können; denn bei Offenbarung dieses Gesetzes für die Neue Kir-che hat der Herr Alles bedacht, was Sein Volk nötig hat; und wer da sucht, der wird sicherlich auch finden, was er bedarf.Wir wissen wohl, daß wir uns durch die Behauptung, daß die Lehren des innern des Wortes, wie diese in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthalten sind, eine Autorität und Gesetz seien, Kritiken und Einwürfen von ver-schiedenen Seiten her aussetzen. Wir werden uns aber bestreben, diese Einwürfe in gehöriger Ordnung zu widerlegen.

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Kapitel 2 – Die Lehren Göttlich, nicht menschlich

Die Lehren der Neuen Kirche nicht menschlich, sondern Göttlich

Der erste Einwurf ist: Durch die Erklärung, daß die Lehren der Neuen Kirche, wie sie in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthalten sind, das Gesetz, und daher die endgültige Autorität in der Neuen Kirche seien, macht man sie dem Worte Gottes gleich, und somit von Göttlicher Autorität.Auf dies antworten wir ohne bedenken: Wir glauben und bekennen, daß die Lehren der Neuen Kirche, so wie sie in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthalten sind, Göttliche Autorität besitzen; und wir glauben und bekennen, daß sie diese Göttliche Autorität besitzen, weil der Herr durch diese Lehren Seine Zweite Ankunft auf Erden bewerkstellig hat. Wir glauben ferner, daß die in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthaltenen Leh-ren die Lehren des innern Sinnes der Heiligen Schrift sind. Ja, wir glauben, daß diese Lehren der innere Sinn der Heiligen Schrift sind, in einer Form, wie sie dem vernünftigen Verständnis der Menschheit angemessen sind.Damit die Lehren des innern Sinnes der Heiligen Schrift dem vernünftigen Ver-ständnis angemessen seien, offenbarte der Herr diese Lehren dem vernünftigen Gemüte Swedenborgs; und, damit er fähig sei diese Lehren von Herrn zu emp-fangen, wurde Swedenborg seinem eigenen Bekenntnis gemäß, "von Jugend auf vom Herrn für dieses Werk vorbereitet" (W.C.R.850).Nachdem Swedenborg die Lehren des Neuen Jerusalems, oder die Lehren des innern Sinnes der Heiligen Schrift, in sein vernünftiges Gemüt aufgenommen hatte, wurde er vom Herrn beauftragt, dieselben der Welt durch die Presse bekannt zu machen. Dies wird uns in den folgenden Worten gelehrt:(6.) "Da der Herr Sich nicht in Person offenbaren kann, und doch vorausge-

sagt hat, daß Er kommen und eine neue Kirche, welches das Neue Jeru-salem ist, gründen werde, so folgt, daß Er dies tun wird durch einen Menschen, der die Lehren dieser Kirche nicht bloß mit dem Verstande auffassen, sondern sie auch durch den Druck bekannt machen kann." Und dieser Mann, wie das ferner gesagt wird, war Swedenborg selbst (W.C.R.779).

Aus diesem geht hervor, daß die Zweite Ankunft des Herrn durch einen Men-schen bewerkstellig wurde — ja, durch den Menschen Swedenborg; und, daß diese Zweite Ankunft des Herrn dadurch bewerkstellig wurde, daß Swedenborg "die Lehren des Neuen Jerusalems mit dem Verstande aufgefaßt und sie durch

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den Druck bekannt gemacht hat." So daß der Herr Seine Zweite Ankunft in die-sen Werken und durch sie vollbracht hat, welche dann von Emanuel Sweden-borg durch den Druck veröffentlicht wurden. Daß dies unter der Herabkunft des Neuen Jerusalems aus dem Himmel in der Offenbarung verstanden wird, wird durch die Überschriften der Paragraphen 779 und 781 in der W.C.R. bewiesen, wenn man sie in aufeinanderfolgender Ordnung liest:(7.) "Die Zweite Ankunft des Herrn geschieht durch einen Menschen, vor

dem Er sich in Person geoffenbart und den Er mit Seinem Geiste erfüllt hat, die Lehren der Neuen Kirche durch das Wort aus Ihm zu lehren. Dies wird unter dem neuen Himmel und der neuen Erde und dem von da herabkommenden Neuen Jerusalem in der Offenbarung verstanden."

Hieraus folgt, daß Swedenborg, während er seine Werke, die er nachher heraus-gab, vom Geiste Gottes erfüllt und somit inspiriert war, so daß das, was er schrieb, vom Herrn und nicht von ihm selbst war. Es folgt daraus ebenfalls, daß die in den theologischen Schriften Swedenborgs enthaltenen Lehren unter der "Heiligen Stadt, dem Neuen Jerusalem, das von Gott aus dem Himmel herab-stieg", in der Offenbarung zu verstehen sind. Und ferner folgt daraus, daß der Inhalt dieser Schriften mit Göttlicher und nicht mit menschlicher Autorität zu uns kommt, und daß die Bekanntmachung dieser Schriften auf Erden, die Zweite Ankunft des Herrn, wie sie im Buchstaben des Wortes verheißen war, bildet. Daß Swedenborg seine theologischen Werke unter Inspiration schrieb, wird in der Überschrift der »Coronis, 18«, gelehrt, wo es heißt:(8.) "Aus diesem neuen Himmel leitet der Herr Jehovah eine neue Kirche auf

Erden ab und bildet sie, was vermöge einer Offenbarung der Wahrheiten aus Seinem Munde oder aus Seinem Worte und durch Inspiration geschieht."

Ebenso in der folgenden Stelle:(9.) "Der innere Sinn weicht ganz und gar vom Buchstabensinn ab; denn

jener handelt von geistigen und himmlischen Dingen, dieser aber von weltlichen und irdischen. Daß aber der innere Sinn so ist, wie er darge-legt worden, erhellt aus dem Einzelnen, das erklärt wurde, und besonders daraus, daß dieser Sinn mir aus dem Himmel diktiert worden ist (Quod ille e coelo mihi dictatus fuerit" (A.C.6597).

Deshalb schrieb auch Swedenborg in einem »Umriß der Geschichte der Neuen Kirche« (photolithographische Ausgabe seiner Manuskripte, VIII. Band, S.1), wie folgt:(10.) "Die Bücher welche vom Herrn durch mich (a Domino per me) vom

Anfang an bis auf diesen Tag geschrieben worden sind, sollen aufgezählt werden."

Daß unter der Herabkunft der Heiligen Stadt, des Neuen Jerusalems, die Veröf-fentlichung der Lehren der Neuen Kirche und die Errichtung einer Neuen Kirche

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durch diese Lehren zu verstehen ist, wird deutlich in der »Coronis,18 und 20«, gelehrt, wo es heißt:(11.) "Wir lesen, daß Johannes die Heilige Stadt, das Neue Jerusalem, von

Gott aus dem Himmel herabsteigen sah, zubereitet wie eine Braut, für ihren Mann geschmückt" (Off.21,2). Unter der Heiligen Stadt dem Neuen Jerusalem wird die Lehre der Neuen Kirche verstanden, somit die Kirche in Bezug auf die Lehre; und unter dem, daß das Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabkommen soll, wird verstanden, daß die wahre Lehre nicht anderswoher kommt. Die Lehre kommt herab, weil die Kirche aus der Lehre und gemäß derselben Kirche ist; ohne dieselbe ist eine Kirche nicht mehr Kirche als ein Mensch ohne Glieder, und ohne Eingeweide und Organe, und so aus einer bloßen Hautfülle, die seine äußerliche Figur nachahmt, Mensch wäre; und so wenig als ein Haus Haus ist, ohne Gemächer, Zimmer und Hausgeräte, zum Gebrauch inner-halb desselben; also ein bloßes, kahles Gemäuer und Dach. Ebenso ist es mit der Kirche ohne Lehre.""Vor dem Letzen Gericht konnte keine Lehre der Kirche vom Herrn durch die Himmel herab auf die Erde zu den Menschen gelangen. Aber seit dem letzen Gericht ist der Mensch mit einem freien und willigeren Geiste begabt, Falschheiten abzuwerfen, und Wahrheiten anzunehmen. Bei Solchen, welche sich anpassen und sich vom Herrn leiten lassen, wird die Lehre des Neuen Himmels dann hergeleitet und eingeführt; diese ist die Lehre des Guten und Wahren, die wie Tau in der Morgen-dämmerung vom Himmel fällt, wodurch die Grashalme geöffnet und deren Pflanzensaft versüßt wird. Diese Lehre ist auch wie die Regen-schauer, welche die Erstlinge des Feldes erfrischen und sie sprossen las-sen; sie ist auch wie der Wohlgeruch der von Feldern, Gärten und Blu-menauen ausduftet, welcher mit Wohlbehagen und Frohsinn von der Brust eingesogen wird."

Durch diese Stelle wird auch klar bewiesen, daß das Neue Jerusalem nicht unmerklich ins Innere der Menschen dringt, und diese somit nicht allmählich durch einen innerlichen Vorgang in Glieder des Neuen Jerusalems verwandelt werden; denn es wird hier ausdrücklich gesagt, daß durch das Herabkommen des Neuen Jerusalems das Herabkommen der Lehre verstanden wird, und daß durcch diese Lehre das Neue Jerusalem auf Erden gegründet wird.Daß die Lehren der Neuen Kirche, wie sie in den theologischen Schriften Ema-nuel Swedenborgs enthalten sind, mit der Autorität des Herrn, und nicht mit der Autorität Emanuel Swedenborgs, zu uns kommen, und daß der Herr in diesen Schriften Seine Zweite Ankunft bewerkstellig, wird im 19. Kapitel der Offenba-rung in folgenden Worten gelehrt: "Und ich sah den Himmel offen und siehe ein weißes Pferd; und Er, der darauf saß, heißt 'Treu und Wahrhaftig', … und Sein Name heißt: 'Das Wort Gottes'." Diese Worte werden folgendermaßen in der

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»Enthüllten Offenbarung« erklärt:(12.) "Durch diese Worte wird bezeichnet, daß der geistige Sinn des Wortes

vom Herrn geoffenbart worden ist, und daß dadurch ein inneres Ver-ständnis des Wortes enthüllt worden ist, welches auch die Ankunft des Herrn ist. … Daß der geistige Sinn des Wortes jetzt geoffenbart worden ist, … kann man ersehen in den »Himmlischen Geheimnissen«, in wel-chen zwei Bücher Moses, 'Genesis' und 'Exodus', diesem Sinn gemäß ausgelegt sind; ferner, in der »Lehre des Neuen Jerusalems von der Hei-ligen Schrift, 5 bis 26« ; in dem Werkchen vom »Weißen Pferd«, von Anfang bis zu Ende, und in den darin gesammelten Stellen aus den »Himmlischen Geheimnissen« über die Heilige Schrift; und noch weiter, in den gegenwärtigen Erklärungen der Apokalypse, in welcher nicht ein einziges Verschen ohne den geistigen Sinn verstanden werden kann" (E.O.820).

Als fernerer Beweis, daß der Herr Seine Zweite Ankunft durch die theologi-schen Schriften Swedenborgs bewerkstelligt, mag die folgende Erklärung Swe-denborgs aus seinem »Umriß der Geschichte der Neuen Kirche«, auf den wir schon hingewiesen haben, dienen:(13.) "Auf alle meine Bücher in der geistigen Welt war geschrieben »Die

Ankunft des Herrn (Adventus Domini)«. Auf Befehl schrieb ich dasselbe auch auf zwei Exemplare in Holland" (Phot. MSS., Vol. VIII, p.1).

Aus all' diesem geht hervor, daß die in den theologischen Schriften Sweden-borgs enthaltenen Lehren mit Göttlicher Autorität zu uns kommen, und daß diese Lehren der geistige Sinn des Wortes sind, worin und durch welchen der Herr seine Zweite Ankunft bewerkstelligt.

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Kapitel 3 – Die Lehren und das Wort

Die Lehren der Neuen Kirche in Verhältnis zum Worte

Der zweite Einwurf den man gegen unsere Aufstellung macht, daß die in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthaltenen Lehren das endgül-tige Gesetz der Neuen Kirche des Herrn seien, ist der folgende: Dadurch, daß man die Lehren des innern Sinnes, oder die Lehren welche in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs gelehrt werden, zum Gesetz in der Kirche macht, setzt man den inspirierten Buchstaben des Wortes Gottes hintan und setzt ihn beiseite, denn es kann nur eine, nicht aber zwei Autoritäten in der Kirche geben.Indem wir die Lehren des innern Sinnes als das Gesetz der Neuen Kirche aner-kennen, erkennen wir den Herrn in Seiner Zweiten Ankunft , als die Autorität in der Neuen Kirche an. So wie aber die Zweite Ankunft des Herrn Seine Erste Ankunft nicht bei Seite setzt, so setzen auch wir die Autorität des Buchstabens des Wortes, durch die Anerkennung der Autorität der Lehre des geistigen Sin-nes, keineswegs bei Seite. Der Buchstabe ist der Leib, der innere Sinn ist die Seele (siehe H.G.4857, 8943; H.H.307); und der Buchstabe des Wortes und des-sen innerer Sinn sind so sehr Eins, wie Leib und Seele Eins sind. Während wir die Seele des Wortes als vollgültig erklären, bestreiten wir keineswegs die Auto-rität des Leibes des Wortes, denn die Seele wohnt im Leibe und ruht darauf, und alle Macht der Seele wird durch den Leib ausgeübt. Wenn der Seele der Leib in dieser Welt weggenommen wird, so ist all' ihre Macht dahin. Wenn wir die Leh-ren des innern Sinnes als in der Kirche machthabend erklären, so nehmen wir uns gleichwohl sehr in Acht, daß wir diese Lehren nicht vom Buchstaben des Wortes trennen. Wir erkennen den Buchstaben des Wortes als das Gefäß und die Basis des geistigen Sinnes an, und verehren ihn deshalb. So wie aber der ganze Wert des Gefäßes von dessen Inhalt herkommt, so kommt der ganze Wert des Buchstabens des Wortes vom geistigen Sinne desselben her. Über diesen Gegen-stand lesen wir in den »Himmlischen Geheimnissen« Folgendes:(14.) "Ohne ein solches Leben [d.h. ohne den geistigen und den himmlischen

Sinn, wie diese im Innern des Wortes enthalten sind], ist das Wort in Ansehung des Buchstabens tot; es verhält sich nämlich mit dem Worte wie mit dem Menschen, der, wie in der Christenheit bekannt ist, ein äußerer und ein innerer ist. Der äußere Mensch getrennt vom innern, ist der Leib, und somit tot; der innere aber ist's welcher lebt und dem äußern Leben gibt. Der innere Mensch ist dessen Seele: So ist das Wort bloß dem Buchstaben nach genommen, wie ein Leib ohne Seele" (H.G.3;

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siehe auch H.G.775; H.G,77).Indem wir den geistigen Sinn als in der Kirche machthabend erklären, beanspru-chen wir die Autorität für das lebendige und nicht für das tote Prinzip im Worte Gottes; wir beanspruchen aber auch Autorität für den Buchstaben des Wortes, doch nur wenn der Buchstabe von dem Geiste belebt ist und daher nur in dem Verhältnis, als der Buchstabe der Behälter und Träger des Sinnes ist. Wir lesen ferner:(15.) "Zu dem Ende, daß der Herr beständig gegenwärtig sein könnte, hat Er

mir den geistigen Sinn Seines Wortes, in dem das Göttlich-Wahre in sei-nem Lichte ist, enthüllt, und in diesem ist Er fortwährend gegenwärtig, denn Seine Gegenwart im Worte findet durch nichts Anderes statt, als durch den geistigen Sinn, durch dessen Licht Er in den Schatten über-geht, in dem der Buchstabensinn ist" W.C.R.780).

Durch die Anerkennung, daß die Lehren des innern Sinnes in der Neuen Kirche machthabend sind, erkennen wir daher an, daß der Herr, mit Licht umgeben, die Autorität in der Neuen Kirche ist, während die, welche den Buchstaben des Wortes als endgültig betrachten, den Herrn mit Schatten umgeben, zur Autorität haben; und in dem Maße, als diese nicht nur die Autorität des Buchstabens aner-kennen, sondern auch zu gleicher Zeit die Autorität der Lehre des innern Sinnes verleugnen, sind sie zwar in Anerkennung der Ersten Ankunft des Herrn, leug-nen aber Seine Zweite Ankunft.Während wir daher behaupten, daß der innere Sinn des Wortes in der Neuen Kirche Autorität ist, leugnen wir die Autorität des Buchstabens keineswegs; aber wir leugnen und verwerfen die Idee, daß der bloß buchstäbliche Sinn, wie er von fehlbaren Menschen erklärt wird, in der Neuen Kirche als Autorität über die Lehre des geistigen Sinnes gesetzt werden dürfe. Das Innere ist immer der Herr, und das Äußere der Diener, und nicht umgekehrt. Solches ist der Fall mit dem Innern und dem Äußern in der Kirche, und ebenso im Menschen; solches muß auch der Fall sein mit dem Innern und dem Äußern des Wortes, denn die Göttli-che Ordnung ist überall dieselbe. Wir lesen in Bezug hierauf:(16.) "Das Äußere der Kirche ohne das Innere ist nichts, sondern vom Innern

her hat es, daß es ist, und es ist so beschaffen wie das Innere; es verhält sich damit wie mit dem Menschen, sein Äußeres oder Leibliches ist an sich ein Nichts, wenn nicht ein Inneres da ist, das beseelt und belebt; wie daher das Innere so ist das Äußere beschaffen, oder wie die Seele und das Gemüt beschaffen, so ist Alles anzusehen, was durch das Äußere oder Leibliche zur Erscheinung kommt; was des Herzens ist macht den Menschen, nicht aber was Sache des Mundes und der Gebärden ist; so auch das Innere der Kirche. Gleichwohl verhält sich das Äußere der Kir-che wie das Äußere des Menschen, daß es nämlich versogt und verwaltet (prucurent et administrent) " (H.G.1795).

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In gleicher Weise dient auch der Buchstabe, oder der buchstäbliche Sinn dem geistigen Sinn, und verwaltet ihn, und nicht umgekehrt. Der Dienst und die Ver-waltung, welche der buchstäbliche Sinn dem geistigen Sinne leistet, ist, daß der-selbe das Gefäß ist, aus welchem die Lehre des inneren Sinnes genommen wird, und nachdem sie herausgenommen worden ist, wird diese Lehre durch den buchstäblichen Sinn bestärkt, weshalb der buchstäbliche Sinn die Basis des geis-tigen Sinnes ist. Dies wird deutlich gelehrt in der »Lehre von der Heiligen Schrift«, wo wir lesen:(17.) "Die Lehre soll nicht bloß aus dem buchstäblichen Sinne des Wortes geschöpft, sondern auch durch denselben bestätigt werden; denn wenn sie nicht durch ihn bestätigt wird, so scheint es als ob das Wahre der Lehre bloß die Ein-sicht des Menschen, und nicht die Göttliche Weisheit des Herrn sei. So wäre dann die Lehre wie ein Haus in der Luft, und nicht auf der Erde, und somit nicht gegründet" (H.G.54).Indem wir aufstellen, daß die Lehre des innern Sinnes die Seele ist, und der Buchstabe die Stelle des Körpers vertritt, oder, daß der innere Sinn der Regent und der buchstäbliche Sinn der Diener und Verwalter ist, beantworten wir zugleich den Einwurf derer, welche behaupten, daß wir durch die Forderung einer Göttlichen Autorität für die Lehren der theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs diesen die Bedeutung eines dritten Wortes beilegen, da doch der Herr deutlich erklärt habe, "kein Zusatz zum Worte gemacht werden solle."Es ist wahr, daß der Herr gesagt hat: "Wenn Jemand dazu setzt zu den Weissa-gungen dieses Buches, so wird Gott zusetzen über ihn die Plagen die in diesem Buche geschrieben stehen." Und doch lesen wir in demselben Buche, daß "dies Buch geöffnet und dessen Siegel gelöst werden sollen." Ferner lesen wir, daß nach der Eröffnung des ersten Siegels Johannes "ein weißes Pferd sah," durch welches "das innere Verständnis und somit der geistige Sinn des Wortes bezeichnet wird." (E.O.320). Hieraus sehen wir, daß der geistige Sinn des Wor-tes von Anfang an einen unverständlichen Teil des Wortes bildete, der nur "ver-siegelt" war. Durch Offenbarung dessen aber, was von Anfang an zum Worte gehört, wird kein Zusatz zu demselben gemacht. Wenn aber etwas von dem, das von Anfang an dem Worte angehörte und einen Teil desselben bildete, hinweg-genommen wird; wenn das Göttliche der Lehren des innern Sinnes, welche im Buchstaben enthalten sind, und vom Herrn bei Seiner Zweiten Ankunft geoffen-bart wurden, geleugnet wird, dann treten die folgenden Worte des Herrn in der Offenbarung in Kraft: "Und wenn Jemand wegnimmt von den Worten des Buches dieser Weissagung, so wird Gott wegnehmen sein Teil vom Buche des Lebens und von der heiligen Stadt, und von dem, was in diesem Buche beschrie-ben ist." Daß dies die geistige Bedeutung dieser Stelle ist, wird deutlich in den folgenden Worten der »Enthüllten Offenbarung« gelehrt:(18.) "Damit man wisse, daß hier nicht verstanden werde: wer wegnimmt von

den Worten dieses Buches, so wie es im Buchstabensinn geschrieben ist,

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sondern wer wegnimmt von den Wahrheiten der Lehre, welche in sei-nem geistigen Sinne sind, so will ich sagen woher dieses kommt. Das Wort, welches vom Herrn diktiert worden ist, drang durch die Himmel Seines himmlischen Reiches und durch die Himmel Seines geistigen Reiches hindurch, und kam so zu dem Menschen, durch den es geschrie-ben wurde; weshalb das Wort in seinem ersten Ursprunge rein Göttlich ist, indem es aber durch die Himmel des himmlischen Reiches des Herrn hindurch ging, wurde es Himmlisch-Göttlich; und indem es durch die Himmel des geistigen Reiches des Herrn hindurch ging, wurde es Geis-tig-Göttlich, und als es zum Menschen kam, wurde es Natürlich-Gött-lich; daher kommt es, daß der natürliche Sinn des Wortes einen geistigen Sinn in sich schließt, und dieser einen himmlischen Sinn, und beide den rein Göttlichen Sinn, der keinem Menschen und nicht einmal einem Engel offenbar ist. Dies ist angeführt worden, damit man sehen könne, daß unter den Worten, es soll zu dem, was in der Offenbarung geschrie-ben steht, nichts hinzugesetzt und nichts davon weggenommen werden, im Himmel verstanden wird: es solle zu den Wahrheiten der Lehre vom Herrn und vom Glauben an Ihn, und vom Leben nach Seinen Geboten nichts hinzugesetzt oder davon weggenommen werden; denn dieser Sinn ist es, wie gesagt, aus dem der Sinn des Buchstabens abstammt" (E.O.959).

Durch die Worte: "Nichts zusetzen und nichts wegnehmen von den Weissagun-gen dieses Buches", wird verstanden, daß die Lehren des inneren Sinnes des Wortes, welche vom Herrn bei Seiner Zweiten Ankunft geoffenbart worden sind, das Gesetz, die Autorität und das Panier der Wahrheit im Neuen Jerusalem sein sollen, und daß dieser Autorität nichts weder zugesetzt noch weggenommen werden darf.Solche sind mit dem Verlangen erfüllt, den Lehren des innern Sinnes hinzuzu-setzen, welche sagen daß diese Lehren nicht vollständig seien, was gleichbedeu-tend ist mit der Erklärung, daß die Zweite Ankunft des Herrn durch die Vermitt-lung Swedenborgs nicht vollständig sei; und diese Behauptung gründet sich dar-auf, daß der Herr durch Swedenborg nicht den ganzen innern Sinn des Wortes offenbarte, sondern nur einen Teil desselben. Diese möchten gerne ihre Mitge-nossen in der Kirche glauben machen, daß der Herr Seine Zweite Ankunft ver-vollständigen werde, indem Er andere Menschen mit Seinem Geiste erfülle, um das fehlende in den jetzigen Lehren des innern Sinnes zu ergänzen. Um für die Lehren solcher Leute die Autorität der Zweiten Ankunft des Herrn zu beanspru-chen, lehrt man, daß der Herr nicht ein für allemal Seine Zweite Ankunft vermit-telst Emanuel Swedenborg bewerkstelligt habe, sondern, daß Sein Zweites Kommen fortschreitend sei, und in dem Maße stattfinde, als die Hauptlehren der Neuen Kirche im Allgemeinen von der Menschheit angenommen werden, und in dem Verhältnis, als das am innern Sinne Fehlende vermittelst erleuchteter Men-schen ergänzt wird.

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Diesem gegenüber erklären wir, daß die Lehren des innern Sinnes ein unzer-trennliches Ganze bilden, und daß sie "aus dem buchstäblichen Sinne geschöpft und darin und durch denselben bestätigt worden sind." Daß die Lehre, wie sie in Swedenborgs theologischen Werken enthalten ist, aus dem Ganzen des buch-stäblichen Sinnes geschöpft wurde, und nicht nur aus den Büchern »Genesis«, »Exodus« und der »Offenbarung«, ist deutlich zu ersehen an den vielen Stellen des Buchstabens des Wortes womit diese Lehren bestätigt werden, die aus allen Teilen des Buchstabens des Wortes genommen sind, wie das eine bloße Ansicht des J.F.E. le Boys des Guays herausgegeben wertvollen Werkes beweist, beti-telt: "Allgemeines Verzeichnis der Stellen des Göttlichen Wortes, wie solche in den Werken Emanuel Swedenborgs zitiert sind". — Wenn eingewendet wird, daß dieses Verzeichnis zeige, daß nicht alle Stellen der Heiligen Schrift nach deren geistiger Bedeutung erklärt worden sind, so antworten wir, daß, obgleich es Tatsache ist, daß Swedenborg nicht alle Schriftstellen namhaft gemacht hat, als solche, aus welchen die Lehre des innern Sinnes geschöpft wurde, es keines-wegs folgt, daß diese Lehren nicht aus dem Ganzen des Buchstabens des Wortes geschöpft worden sind; denn es werden in den »Himmlischen Geheimnissen«; in »Himmel und Hölle«; in der »Göttlichen Liebe und Weisheit«; in der »Göttli-chen Vorsehung«; in der »Wahren christlichen Religion« und in allen andern Lehrschriften Swedenborgs unzählige Lehrpunkte dargestellt, ohne daß die besondern Schriftstellen angegeben worden wären, aus denen diese Lehren geschöpft sind; und doch müssen alle diese Lehrpunkte, weil sie zu den Lehren der Neuen Kirche gehören, welche mit dem innern Sinne des Wortes identisch sind, auf verschiedene Stellen des Wortes gegründet und aus ihnen genommen worden sein. Der Einwurf, daß die Offenbarung durch Swedenborg nicht voll-ständig sei, bedeutet daher nichts weiter, als daß nicht alle Stellen des Buchsta-bensinnes des Wortes zur Bestätigung der Lehre des innern Sinnes benützt wor-den sind, während nicht der geringste Beweis geliefert werden kann, daß die Lehren selbst nicht vollständig seien. Im Gegenteil, so wie der Buchstabe des Wortes, welchen der Herr bei Seiner Ersten Ankunft erfüllte, ein Ganzes ist, so haben wir Ursache zu Glauben, daß die Lehre des innern Sinnes, durch welche Er Seine Zweite Ankunft bewerkstelligte, auch ein Ganzes bilden, und daß, weil nicht ein Jota am Buchstaben des Wortes fehlt, so auch nicht ein Jota an diesen Lehren, welche den innern Sinn des Wortes bilden, fehlt. Wo aber nichts fehlt, da ist auch keine Ursache da Etwas hinzufügen.Auf der andern Seite aber sollten sich die Glieder der Neuen Kirche vorsichtig enthalten irgend Etwas "wegzunehmen" von diesen Lehren, durch Leugnung der Autorität irgend eines Teiles der Lehren, wie sie in den theologischen Schriften Swedenborgs enthalten sind. Dies aber tun die, welche sagen, daß sie durch das Licht ihrer Vernunft im Stande seien, zu erkennen, daß einige Teile derselben nicht Göttlich seien, welche daher Swedenborg selbst und nicht vom Herrn ein-gefügt worden seien. Die verschiedenen Versuche der Autorität der Lehren, wie sie in den theologischen Schriften Swedenborgs enthalten sind, Abbruch zu tun,

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oder sie zu beschränken, sollen in einem folgenden Teile unserer Abhandlung gründlich geprüft werden. Wir fügen daher hier noch einige bestätigende Zeug-nisse bei, welche zeigen, daß die Lehren der Kirche der innere Sinn des Wortes sind.Es ist bekannt, und wird in der Kirche allgemein geglaubt, daß der Buchstabe des Wortes nur vermöge der Lehre, welche dem Menschen der Kirche als eine Leuchte dient, recht verstanden werden kann (Siehe H.G.10'324; 10'584; N.J.254). Diese Lehre aber, welche dem Verstande als Leuchte zum rechten Verständnis des Wortes dienen soll, ist identisch mit dem innern Sinne, wie aus folgender Stelle der »Himmlischen Geheimnisse« deutlich hervorgeht:(19.) "Die Lehre, welche dem Menschen zur Leuchte dienen soll, ist die, wel-

che der innere Sinn des Wortes lehrt, und daher ist sie der innere Sinn selbst" (H.G.10'400).

Andere Stellen sind:(20.) "Die Lehre des Glaubens ist das Gleiche, was das Verständnis des Wor-

tes in Betreff des Inwendigen, oder der innere Sinn" (H.G.2762).(21.) "Die wahre Lehre der Kirche wird hier der innere Sinn genannt; denn in

dem innern Sinn sind solche Wahrheiten, wie sie bei den Engeln des Himmels sind" (H.G.9025).

(22.) "Diejenigen, welche bei dem buchstäblichen Sinne des Wortes allein ste-hen bleiben und keine Lehre daraus entnehmen, sind geschieden vom innern Sinn, weil der innere Sinn die eigentliche Lehre ist. Die Verbin-dung des Herrn mit dem Äußeren des Wortes wird durch das Innere des-selben vermittelt" (H.G.9380).

(23.) "Die Lehre der Liebetätigkeit und des Glaubens bildet das Innere des Wortes und der Buchstabensinn ist sein Äußeres … Aus dieser Lehre weiß man auch den innern Sinn des Wortes, weil der innere Sinn des Wortes die Lehre der Liebe zum Herrn und der Liebtätigkeit gegen den Nächsten selbst ist, was auch der Herr lehrt, wenn er sagt, daß von die-sen zweien Geboten das ganze Gesetz und alle Propheten abhängen. (Matth.22,37.38)" (H.G. 9409).

(24.) "Die wahre Lehre des Wortes ist das Innere des Wortes" (H.G.9510).(25.) "Durch die echten Lehren der Kirche in Ansehung des Glaubens und des

Lebens, wird alsdann der innere Sinn des Wortes sowohl dem Verstande des Menschen als seinem Willen eingeschrieben, seinem Verstande durch den Glauben und seinem Willen durch das Leben" (H.G.9430).

(26.) "Daß sie Jehovah von hinten sehen und nicht Sein Angesicht, wird von Denen gesagt, welche das Wort glauben und anbeten, aber bloß das Äußere desselben, welches sein Buchstabensinn ist, und nicht tiefer hin-ein gehen, wie Diejenigen welche erleuchtet sind, und sich eine Lehre

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aus dem Wort machen, um durch sie seinen echten Sinn, somit den innern Sinn zu sehen; das Wort kann ohne Lehre nicht begriffen werden, und die Lehre aus dem Worte, die von einem Erleuchteten gemacht ist, muß dem Verstande zu einer Leuchte dienen, und der innere Sinn lehrt diese Lehre" (H.G.10'584).

In den Werke »Von dem Neuen Jerusalem und seiner Himmlischen Lehre«, fin-den wir folgende Worte:(27.) "Was im Besonderen die Lehre betrifft, welche jetzt hier folgt, so ist

auch sie aus dem Himmel, weil sie aus dem geistigen Sinne des Wortes ist; und der geistige Sinn des Wortes ist ein und dasselbe mit der Lehre, die im Himmel ist … Ich will nun aber zur Lehre selbst schreiten, wel-che für die Neue Kirche ist, welche, weil sie mir aus dem Himmel geof-fenbart worden ist, die Himmlische Lehre genannt wird; denn diese zu geben ist die Aufgabe dieses Werkes" (N.J.7).

Wir sehen daher, daß die echten Lehren der Kirche und somit die Lehren Ema-nuel Swedenborgs, welchen "der Herr zu dem Zwecke mit Seinem Geiste erfüllt, daß er die Lehren der Neuen Kirche aus dem Worte von Ihm lehre" (W.C.R779), nichts anderes als der innere Sinn des Wortes sind, und daß diesel-ben mit der ganzen Autorität des innern Sinnes des Wortes zu uns kommen, und dieser ist das wesentliche Wort Gottes (H.G.1540, 3432), ja, er ist, den folgen-den Worten gemäß, der Herr Selbst: "Der innere Sinn ist die Seele des Wortes und ist das Göttlich-Wahre selbst, das vom Herrn ausgeht, somit der Herr Selbst" (H.G.9349). Wenn daher Swedenborg in H.G.6597, versichert, daß "der innere Sinn ihm aus dem Himmel diktiert worden ist", so bedeutet dies nichts mehr und nichts weniger, als daß ihm das Ganze der Lehre der Neuen Kirche, und Alles was dazu gehört, und somit der Inhalt aller seiner Werke, die er als der Diener des Herrn Jesu Christi herausgab, vom Himmel diktiert worden ist. Daher erklärt er auch aufs Nachdrücklichste, daß er diese Werke unter Inspira-tion geschrieben, und daß sie die Werke des Herrn und nicht seine eigenen sind, und, daß sie deshalb mit Göttlicher und nicht mit menschlicher Autorität zu den Gliedern der Neuen Kirche kommen. Jedoch setzen diese Lehren den Buchsta-ben des Wortes keineswegs hintenan, noch verringern sie dessen Wert; denn wir lesen ferner:(28.) "Der Buchstabensinn des Wortes wird keineswegs durch den innern Sinn

vernichtet, sondern vielmehr bekräftigt; und jedes einzelne Wort des Buchstabens bekommt Gewicht und Heiligkeit von dem innern Sinne der darinnen liegt; denn der Buchstabensinn ist die Grundlage und Stütze worauf der innere Sinn ruht und mit welchem er aufs Engste zusammen-hängt, so daß nicht einmal ein Jota oder eine Spitze, oder ein Häkchen im Buchstaben des Wortes ist, welches nicht Heilig-Göttliches enthielte" (H.G. 9349).

Einige mögen glauben, daß die Lehren der Neuen Kirche nicht der innere Sinn

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des Wortes sein können, weil sie von Swedenborg in so vielen abgesonderten Bänden herausgegeben worden sind, und sie daher deutlich, ein vom Worte Got-tes getrenntes Ganze bilden. Allein es ist ja ebensowenig das Papier, die Tinte und der Einband, welche die Lehren der Neuen Kirche ausmachen, als dieses Material, die Bibel oder das Wort Gottes ausmacht. Wegen des Vorhandenseins dieser unwesentlichen Dinge, sind sowohl die Schriften, welche den innern Sinn des Wortes Gottes enthalten, wie auch das Buch, welches deren Buchstabensinn enthält, tot, und werden nicht eher belebt, bis sie ins Gemüt des Menschen auf-genommen werden (H.G.1776). Aber in den Gemütern der Menschen werden diese Lehren der innere Sinn des Wortes Gottes, weil sie das innere Verständnis werden, welches in ihren Gemütern mit dem Buchstabensinne der Schrift ver-bunden ist; und, in dem Maße, wie diese Lehren, in den Gemütern der Glieder der Neuen Kirche, auf den Buchstabensinn der Schrift gegründet worden, ist der Herr selbst bei ihnen gegenwärtig, und erleuchtet ihr Verständnis des innern Sin-nes. Denn die Verbindung mit dem Himmel, und die Gegenwart des Herrn daher, wird durch den Buchstaben des Wortes, das in Entsprechungen geschrie-ben ist, bewirkt; nicht aber durch den geistigen Sinn, oder durch die Lehren des geistigen Sinnes, unabhängig vom Buchstaben, weil diese Lehren in gewöhnli-cher, menschlicher Sprache, und zwar in der Sprache Swedenborgs, den der Herr dabei als Werkzeug zu deren Mitteilung benutzte, geschrieben sind. Lasset uns daher immerhin fortfahren den Buchstaben des Wortes Gottes als das Mittel der Verbindung zwischen Himmel und der Erde, und als das einzige Mittel, durch welches der Herr den Menschen in dem wahren Verständnis des innern Sinnes der Schrift erleuchten kann, zu schätzen und zu verehren.

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Kapitel 4 – Die Lehren und die menschliche Vernunft

Die Lehren der Neuen Kirche in Bezug auf die menschliche Vernunft

Die dritte Einwendung, die gewöhnlich gegen unsere Aufstellung, daß sie in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthaltenen Lehren, das Gesetz in der Neuen Kirche des Herrn sein sollen, gemacht wird, kommt von Denen welche sagen: Wir geben die Autorität der Lehren der Neuen Kirche zu, aber wir behaupten, daß die Lehren der Neuen Kirche in den Schriften Swedenborgs mit seinen eigenen Ideen und Ansichten vermischt sind, weshalb wir behaupten, daß die Glieder der Neuen Kirche von ihrer Vernunft Gebrauch machen müssen, um das, was menschlich ist, vom Göttlichen, und das Fehlerhafte vom Unfehlbaren in diesen Schriften zu unterscheiden.Diejenigen welche dieser Ansicht huldigen, glauben an eine gemischte Autori-tät, oder vielmehr, sie behaupten, daß es zwei Autoritäten in der Kirche gebe. Eine dieser Autoritäten ist, was sie die Lehren der Neuen Kirche nennen, welche nach ihrer Ansicht, so in den Schriften Swedenborgs enthalten sind, wie Gold mit Schlacken vermischt in der Erde enthalten ist. — Die zweite Autorität ist ihre eigene Vernunft, durch welche sie die Schlacken vom Golde scheiden, oder durch welche sie erklären, welche Teil der Schriften Swedenborgs zu den Leh-ren der Kirche gehört, und somit bindend ist, und welcher Teil derselben Swe-denborgs eigene menschliche Zusätze enthält, und somit ohne Autorität in der Kirche ist. Diese stellen ihre eigene Vernunft als Schiedsrichter in der Kirche auf und erklären, daß ihre Vernunft über das zu entscheiden hat, was maßgebend in der Kirche ist, und was nicht. Ist es aber nicht klar, daß alle Diejenigen, wel-che solche Meinungen hegen, ihre eigene Autorität in der Kirche aufstellen und die Autorität der Lehren, welche in den Schriften Swedenborgs enthalten sind, verleugnen, und hiermit auch die Autorität des Herrn in Seiner Zweiten Ankunft verwerfen? Denn eine fragliche Autorität, oder eine Autorität welche einer andern Autorität untergeordnet ist, ist keine Autorität. Es ist dies eine Autorität unter einer andern Autorität, und die andere Autorität handelt durch sie und spricht ihr somit irgend eine von ihr unabhängige Autorität ab. Ebenso klar ist es auch, daß Der, welcher die Autorität der Lehren vom Zufall der Zustimmung oder Abneigung seiner Vernunft abhängig macht, diese Lehren sich selbst unter-wirft und "sich selbst als das Gesetz" der Kirche erklärt, und lehrt, daß "das Gesetz der Kirche aus ihm selbst stamme". Es wird dieser Sache auch dadurch nicht abgeholfen, daß ein Solcher für sich allein keine solche Autorität bean-sprucht, sondern nur wenn er mit Andern in Konferenz oder Konvention sitzt; denn in diesem Falle überträgt er die Autorität von dem Einzelnen auf Viele und

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fährt somit fort, menschliche Autorität der Autorität Gottes entgegenzusetzen.Es könnte erwidert werden, daß Derjenige, welcher die Lehren der Schriften der Kirche der Entscheidung seiner Vernunft unterwirft, sie dadurch noch nicht der Autorität seines Eigenen, oder seines Propriums unterwerfe, weil das Vernunfts-vermögen vom Herrn kommt, und weil, wenn er durch den Gebrauch seiner Vernunft über die Fehlbarkeit oder Unfehlbarkeit irgend eines Teils der theolo-gischen Schriften Swedenborgs entscheide, er dies im Zustande der Erleuchtung oder Wahrnehmung vom Herrn tue. Aber wer soll denn entscheiden, ob Jemand im Zustande der Erleuchtung oder Wahrnehmung ist, wenn er irgend einen Teil der Schriften der Kirche für wahr oder unwahr erklärt? Im ersten Falle setzt die Gabe der Wahrnehmung und Erleuchtung vom Herrn, durch welche der Mensch die Wahrheit nicht von sich selbst, sondern vom Herrn aus sieht, einen Zustand voraus, in welchem der Mensch nicht nur die sechste sondern auch die siebente Stufe der Wiedergeburt erreicht hat, von der Swedenborg sagt, daß "kaum Jemand diese Stufe je erreicht" (H.G.13). Ist Jemand, angesichts dieser Erklä-rung, bereit zusagen, daß er Einer von diesen Ausnahmefällen sei, und diesen siebenten Zustand erreicht habe? Die Schlußfolgerung ist daher die, daß ein Sol-cher sich nicht des Innewerdens eines himmlischen Menschen, ja kaum der Erleuchtung eines geistigen Menschen erfreut, von der wir lesen, daß "sie in einem gewissen Beistimmen und in einer Geneigtheit aus dem Innern anzuer-kennen, daß Etwas wahr ist, und in einer ungünstigen Stimmung, wenn es nicht wahr ist, besteht" (H.G.8694). Solch' eine "günstige oder ungünstige Stimmung", von welcher Swedenborg an derselben Stelle sagt, daß sie "keine ganz deutliche und auch keine ganz verborgene ist", ist aber noch nicht hinrei-chend, den Menschen der Kirche, sei er nun ein Laie oder ein Geistlicher, in den Stand zu setzen, zu entscheiden ob eine Darstellung in den Schriften, Gegen-stand der Lehre ist, oder nicht. Im Gegenteil, es liegt die Vermutung sehr nahe, daß seine Wiedergeburt als ein geistiger oder himmlischer Mensch noch nicht vollendet ist, und daß seine Vernunft von der Art ist, von welcher wir in der »Göttlichen Vorsehung« lesen, wo es heißt:(29.) "Jeder Mensch hat ein Vermögen zu wollen, welches Freiheit genannt

wird, und ein Vermögen zu erkennen, welches Vernunft heißt … Allein es ist ein Anderes, aus freiem Willen seiner Vernunft gemäß handeln, und ein Anderes aus wahrer Freiheit der wahren Vernunft gemäß han-deln. Aus wahrer Vernunft, der wahren Freiheit gemäß, handeln nur Die-jenigen, welche sich vom Herrn haben zur Wiedergeburt bringen lassen, die Übrigen aber handeln aus freiem Willen nach einem Denken, wel-ches sie zur Schein-Vernunft machen (quam instar rationis faciunt)" (G.V.98).

Es ist daher klar, daß wenn die Vernunft des Menschen der Kirche über die Fehlbarkeit oder Unfehlbarkeit einer Stelle in den Schriften entscheiden soll, alle Autorität in der Kirche, und somit alle Anerkennung der Wahrheit in der Kirche zu Ende ist. Denn, wenn das Wort Vernunft bei Allen, deren Wiederge-

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burt noch nicht vollendet ist, oder noch gar nicht angefangen hat, nur ein Aus-druck für ihre eigenen Gedanken ist; und wenn, wie gewöhnlich angenommen wird, die Gedanken eines jeden Menschen, von denen eines andern Menschen verschieden sind, so würden in diesem Falle so viele Quellen der Autorität in der Kirche sein, als Menschen darin sind, welches gleichbedeutend wäre mit gar keiner Autorität.Während wir die Autorität des Wortes, und somit die des Herrn, für die Lehren in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs beanspruchen, und die Autorität der menschlichen Vernunft über die durch dieses Werkzeug geoffen-barten Lehren verwerfen, sind wir weit davon entfernt, zu einem blinden Glau-ben an diese Schriften aufzufordern, oder zu verlangen, daß der Mensch seine Vernunft in Sachen der Lehre nicht gebrauchen solle. Es ist ein Ding, der menschlichen Vernunft Unfehlbarkeit zuzusprechen, indem man sie über die geoffenbarte Wahrheit als eine Autorität mit der Vernunft aufzunehmen, und durch Hülle dieser Autorität zwischen Wahrem und Falschem zu unterscheiden. Im ersten Falle erkennt die menschliche Vernunft kein höheres Gesetz als sich selber an, sondern ist sich selbst ein Gesetz und erklärt, daß jedes Gesetz von ihr ausgehe. Im letzten Falle aber erkennt die menschliche Vernunft ein höheres Gesetz über sich an und entscheidet, vermöge dieses Gesetzes, zwischen dem Rechten und Unrechten, und zwischen dem Wahren und dem Falschen.Die Frage, ob die Vernunft in Sachen des Glaubens zu Rate gezogen werden solle, wird in den »Himmlischen Geheimnissen« ausführlich behandelt; ja, wir lesen sogar, daß der Herr auf Erden, als er jung war, und sah, daß der Mensch nur das aufnehmen kann, wovon er sich eine vernünftige Vorstellung machen kann, anfing nachzudenken, ob man nicht die Vernunft über die Lehre stellen sollte; Er sah aber, daß dies nicht geschehen dürfe, weil sonst die Lehre zerstört würde" (siehe H.G.2519, 2588).Die Lehre der Neuen Kirche über diesen Gegenstand ist wie folgt:(30.) "Es ist etwas ganz Anderes, von den Vernunfterkenntnissen (rationali-

bus) auf die Lehre des Glaubens hinsehen, und ein Anderes, aus der Lehre des Glaubens auf die Vernunfterkenntnisse hinsehen. Von den Vernunfterkenntnissen aus auf die Lehre des Glaubens hinsehen, heißt dem Worte, oder der Lehre aus demselben, nicht eher glauben, als bis man aus Vernunftgründen überzeugt wird, daß es so ist; hingegen aus der Lehre des Glaubens auf die Vernunfterkenntnisse hinsehen, heißt zuerst dem Worte oder der Lehre aus demselben glauben, und nachher eben dasselbe durch Vernunfterkenntnisse begründen. Jenes ist die umgekehrte Ordnung und macht, faß man nichts glaubt, dieses aber ist die rechte Ordnung und macht, daß man besser glaubt. …"Es gibt daher zwei Prinzipien: eines, das zu allem Unverstand und Unsinn führt, und ein anderes, das zu aller Einsicht und Weisheit führt. Jenes Prinzip ist, Alles zu verneinen, oder in seinem Herzen zu sagen,

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man könne es nicht glauben, bevor man durch Solches, was man begrei-fen oder empfinden kann, überführt wird. Dieses Prinzip ist es, welches zu allem Unverstand und Unsinn führt, und ist das verneinende Prinzip zu nennen. Das andere Prinzip ist, Dasjenige bejahen, was zur Lehre aus dem Worte gehört, oder bei sich denken und glauben, daß es Wahrheiten sind, weil es der Herr gesagt hat. Dieses Prinzip ist dasjenige, das zu aller Einsicht und Weisheit führt, und ist das bejahende Prinzip zu nen-nen. Je mehr Diejenigen, welche aus dem verneinenden Prinzip denken, Vernunftmäßiges, je mehr sie Wissenschaftliches, und je mehr sie Philo-sophisches zu Rate ziehen, desto mehr werfen und stürzen sie sich in Finsternis, bis dahin, daß sie endlich Alles leugnen. Die Ursachen hier-von sind, daß Niemand aus den niedrigen Dingen die höheren, das heißt, aus jenen die geistigen und himmlischen, noch weniger die Göttlichen begreifen kann, weil sie alles Verständnis übersteigen und außerdem als-dann das Einzelne von dem Prinzip aus in Verneinendes eingehüllt wird. Umgekehrt aber können sich die, welche aus dem Prinzip der Bejahung denken, durch alle möglichen Vernunftgründe und durch alles mögliche Wissenschaftliche, ja durch Philosophisches, durch welches sie irgend können, bestärken, denn Alles das ist für sie bestätigend und gibt ihnen eine vollständige Vorstellung von der Sache" (H.G.2568).

Was Swedenborg hier ein bejahendes Prinzip nennt, bedeutet in der Tat, die vom Herrn geoffenbarte Wahrheit als Autorität anerkennen; und was er das vernei-nende Prinzip nennt, ist so viel als, die Autorität der geoffenbarten Wahrheit ent-weder ganz leugnen, oder nur so viel davon als Lehre der Kirche annehmen, als die menschliche Vernunft für gut findet.Die Stellung, welche Diejenigen einnehmen die behaupten, daß die Lehren der Neuen Kirche in den Schriften Emanuel Swedenborgs mit dessen eigenen Ideen vermischt seien und daß die menschliche Vernunft zu entscheiden habe, wie viel oder wie wenig aus diesen Schriften die Lehren der Neuen Kirche ausmacht, ist wenigstens der Stellung Derer, von welchen Swedenborg sagt, daß sie von einem verneinenden Prinzip regiert werden, ähnlich; Diejenigen aber, welche die theologischen Schriften Swedenborgs, die er als Diener des Herrn Jesu Christi geschrieben, als Gesetz der Neuen Kirche anerkennen und sich in allen Fragen in Betreff des innern und des äußern Gottesdienstes von den darin ent-haltenen Lehren leiten lassen, werden von dem bejahenden Prinzip beseelt.Aus dieser Belehrung Swedenborgs folgt ferner, daß die Neue Kirche dadurch, daß sie die theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs als Gesetz und end-gültige Autorität annimmt, in alle Einsicht und Weisheit geleitet wird; während sie dadurch, daß sie auf Diejenigen hört, die Zweifel in deren Autorität setzen und die Lehren des innern Sinnes des Wortes Gottes dem Urteil ihrer eigenen Vernunft unterwerfen, in Unverstand und Unsinn geführt wird.Unter Denen, welche die Schriften der Neuen Kirche für ein gemischtes Erzeug-

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nis des Herrn und Swedenborgs halten, herrscht eine große Verschiedenheit der Ansichten, wie viel in diesen Schriften vom Herrn und wie viel von Swedenborg sei. Da sich jedoch Alle ziemlich einig darüber sind, daß was er über die Dinge, welche er in der geistigen Welt sah und hörte, berichtet, was auch die Visionen in den »Himmlischen Geheimnissen«, im Werke von »Himmel und Hölle« und in den »Denkwürdigkeiten« mit einschließt, daß diese, nämlich Swedenborgs Eigenes, nicht aber des Herrn seien, so bringen wir hiermit Swedenborgs eige-nes Zeugnis, daß es seine Mission war, der Menschheit nicht allein den innern Sinn der Schrift, sondern auch die Geheimnisse des Himmels zu offenbaren:(31.) "Die Worte des Herrn im 24-sten Kapitel Matthäi, Vers 29 bis 31, bedeu-

ten, daß am Ende der Kirche, wann keine Liebe und darum auch kein Glaube mehr da ist, der Herr das Wort und dessen innern Sinn aufschlie-ßen und die Geheimnisse, oder die verborgenen Dinge des Himmels offenbaren werde. Die Geheimnisse des Himmels, die in Nachstehendem geoffenbart werden, handeln von dem Himmel und der Hölle und zugleich vom Leben des Menschen nach dem Tode" (H.H.1).

Aus dieser Stelle ersehen wir, daß es der Herr war und nicht Swedenborg, wel-cher der Menschheit die Geheimnisse des Himmels in dem Werke über Himmel und Hölle offenbarte. Zur Bestätigung desselben erklärt Swedenborg im letzten Teile seines »Geistigen Tagebuches« (Teil III, Band II, Seite 205) deutlich, daß das Werk über »Himmel und Hölle«, nicht sein, sondern des Herrn Werk ist, "welcher die Natur des Himmels und der Hölle, des Menschen Leben nach dem Tode, und Dinge in Betreff des letzten Gerichtes offenbaren wollte." Woraus hervorgeht, daß Swedenborg selbst, wenn er von den Lehren des Neuen Jerusa-lems spricht, welche er vom Herrn offenbarten sollte, immer die Dinge, welche er im Himmel sah und hörte, einschließt, so daß der Unterschied, welcher zwi-schen den »Himmlischen Geheimnissen« oder der »Enthüllten Offenbarung« auf der einen Seite, und »Himmel und Hölle« auf der andern Seite, gemacht wird, nur in den Köpfen der Leser Swedenborgs, nicht aber bei Swedenborg selbst existiert.Was nun die Denkwürdigkeiten betrifft, bei denen einige Leser der Schriften der Neuen Kirche so große Ausnahme machen, während Andere sie als den schöns-ten und erhabensten Teil seiner Schriften betrachten, so werden dieselben von Swedenborg selbst als ein wesentlicher Bestandteil seiner Schriften erklärt, wie das aus seiner Antwort an den Grafen Höpken hervorgeht, welcher in einem Briefe an einen Freund sagt:*(32.) Einst fragte ich Swedenborg, warum er die Denkwürdigkeiten publiziert

habe, die, wie es scheine sonst so vernünftigen Lehren so lächerlich machen, und ob es nicht besser für ihn wäre, diese für sich zu behalten, anstatt sie der Welt preis zu geben? Aber er antwortete, daß er Befehl vom Herrn erhalten habe, sie mitzuteilen, und daß die, welche ihn darum lächerlich machen wollten, ihm Unrecht täten; denn sagte er: warum

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sollte ich, ein Mann von Jahren, mich um Phantasien und Unwahrheiten willen lächerlich machen?"

(*) Siehe Urkunden über Swedenborg, herausgeben von Dr.R.L.Tafel, Band II, Seite 416.)

Und warum sollten wir, mögen wir hinzusetzen, die wir den Zeugnissen Swe-denborgs glauben, uns fürchten, oder schämen, unsern Glauben an die »Denk-würdigkeiten« zu bekennen, von denen Swedenborg selbst erklärt, daß er sie "auf "Befehl des Herrn mitgeteilt habe?" — Die »Denkwürdigkeiten« in seinen Werken dienen ohne Zweifel als eine Sicherheitswache gegen eine teilweise Aufnahme der Lehren der Neuen Kirche; und es ist vielleicht besser, daß solche Personen, welche den Unwillen der Welt fürchten, und sich scheuen ihren Glau-ben an die »Denkwürdigkeiten« Swedenborgs zu bekennen, nicht tiefer in die Erkenntnis der von ihm bekanntgemachten Wahrheiten der Lehre eingeführt werden, als sie auch für alle kommende Zeiten darin erhalten werden können.

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Kapitel 5 – Die Lehren und die Naturwissenschaft

Die Lehren der Neuen Kirche in ihrem Verhältnis zur Naturwissenschaft

Der vierte Einwurf gegen unsern Standpunk, daß die in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthaltenen Lehren das Gesetz in der Neuen Kirche des Herrn sind, kommt von Denen welche sagen: Wir nehmen als Auto-rität an, was Swedenborg in geistigen Dingen offenbart, entweder in der Form von Lehren aus dem Worte, oder in den Dingen welche er in der geistigen Welt sah und hörte, können aber seinen Erklärungen über die Dinge dieser Welt nicht dieselbe Autorität zuerkennen.Diese Stellung erscheint vernünftig und orthodox und auch sicher; und wir glau-ben, daß sie in gutem Glauben von Leuten eingenommen wird, die sich scheuen würden ein Urteil über Fehlbarkeit oder Unfehlbarkeit, irgend einer Stelle in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs, über innern oder äußern Gottes-dienst und somit, ihrer Meinung nach, über das Gesetz der Kirche zu fällen. Indem sie auf diese Weise das Feld offen halten, welches Swedenborg mit der Naturwissenschaft gemein hat, glauben diese Leute, der Kirche die Mühe und Unannehmlichkeit, sowie den Nachteil sparen zu müssen, welche möglicher-weise aus einer Nichtübereinstimmung der Wissenschaft Swedenborgs mit der Wissenschaft unserer Zeit entstehen können.Aus der gutgemeinten Opposition, die auf diese Weise von einigen Neukirchen-leuten gegen die Naturwissenschaft, welche in den Schriften der Neuen Kirche enthalten ist, gemacht wird, könnte man leicht schließen, daß unter diesen Schriften einige seien, die sich besonders mit dem Studium der Naturwissen-schaft befaßten, und die deshalb leicht von den andern Werken ausgeschieden werden könnten. Dies ist aber keineswegs der Fall. Die Tatsachen und Theorien der Naturwissenschaft darin haben alle den Zweck, geistige Wahrheiten zu begründen und zu bestärken; sie dienen diesen Wahrheiten daher als natürliche Grundlage. Außerdem sind die dort erklärten natürlichen Dinge oft so sehr mit der Auslegung der geistigen Dinge verwoben und logisch verbunden, und die geistigen Grundsätze, welche dort dargestellt werden, dringen gewöhnlich so vollständig und so tief in die natürlichen Dinge ein, daß es oft ganz unmöglich ist, die zwei von einander zu trennen; und wenn es auch gelingt, sie zu trennen, so geht die geistige Wahrheit verloren, weil sie ihrer natürlichen Grundlage, worauf sie ruht, beraub wird.Daß eine solche Verbindung zwischen natürlichen und geistigen Dingen besteht, und daß die Darstellung geistiger Dinge, in dieser Welt, nicht ohne Hülle der natürlichen Dinge stattfinden kann, geht deutlich aus folgenden Stellen in den

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»Himmlischen Geheimnissen« hervor:(33.) "Das dem Natürlichen angehörige Wißtümliche ist das Letzte der Ord-

nung; das Erste muß im Letzten sein, auf daß es in dieser Sphäre da sei und erscheine; und überdies zielt alles Erste auf sein Letztes als auf seine Grenzen oder Endpunkte, und existiert darin beisammen, als in seinen Gefäßen. Das dem Natürlichen (Gemüte) angehörige Wißtümliche ist solches Letzte; daher kommt es, daß die geistige Welt sich abschließt im Natürlichen (Gemüte) des Menschen, worin das, was der geistigen Welt angehört, sich vorbildlich darstellt. Wenn geistige Dinge nicht im Natür-lichen vorbildlich, somit durch Solches, was in der Welt ist, dargestellt würden, so können sie keineswegs begriffen werden" (H.G. 5373).

Wiederum lesen wir:(34.) "Der geistige Sinn ist für den Menschen nicht wahrnehmbar, außer nur

insoweit als er dargestellt und erklärt werden kann durch solches, was der Welt und der Natur angehört" (H.G. 6996).

Hieraus sehen wir, daß die geistigen Wahrheiten, welche der Herr bei Seiner Zweiten Ankunft, der Welt durch die theologischen Schriften Emanuel Sweden-borgs offenbarte, "vorbildlich dargestellt" sind durch Dinge der natürlichen Welt, oder durch die natürlichen Wahrheiten, welche diese Schriften enthalten. Und sobald diese natürlichen Dinge daraus entfernt werden, werden die geisti-gen Dinge sofort unbegreiflich, denn, "wenn die geistigen Dinge nicht im Natür-lichen vorbildlich, somit durch Solches, was in der Welt ist, dargestellt würden, so können sie keineswegs begriffen werden."Wir sehen daher, daß die geistigen Dinge, in den theologischen Schriften Ema-nuel Swedenborgs, wie die Seele sind, während die natürlichen Dinge, oder die natürlichen Wahrheiten darin, die Stelle des Körpers vertreten, und daß deren Verbindung so eng ist, als die, welche zwischen Seele und Leib besteht. Ja, noch mehr, daß, sowie die Seele alle ihre Funktionen in der Welt durch den Leib aus-übt, und durch die Entfernung des Körpers ganz und gar unvermögend wird, so die geistigen Wahrheiten in den Schriften der Neuen Kirche ihre Kraft ganz und gar durch die natürlichen Dinge erhalten, durch welche sie "vorbildlich darge-stellt" sind, oder in welchen sie wie in einem Bilde erscheinen. Dies ist die Ursa-che, warum Swedenborg in seinen theologischen Schriften so viele Illustrationen gebraucht; derselben Ursache wegen sind auch so viele Denkwürdigkeiten aus der andern Welt in denselben enthalten. Diese Illustrationen und Denkwürdig-keiten waren notwendig, um die geistigen Wahrheiten wie in einem Spiegel erscheinen zu lassen, damit sie dadurch in die Sphäre der Menschen dieser Welt gebracht würden. Man mag wohl erwidern, daß diese natürlichen Wahrheiten, oder diese natürlichen Tatsachen, Swedenborgs Tatsachen und nicht die des Herrn sind, weil sie in Swedenborgs Gemüte existierten, und er sie sich zum größten Teil erworben hatte, ehe er vom Herrn zu diesem Amte berufen wurde.

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Diese Tatsachen existierten in der Tat in Swedenborgs Gemüte, ehe ihn der Herr zu seinem Amte berief, ebensowohl wie der Mann Swedenborg existierte, ehe er zu seinem Werke berufen wurde. Aber so wie der Herr den Mann Swedenborg annahm und gebrauchte, um durch ihn, oder durch seine Instrumentalität, Seine Zweite Ankunft zu machen, so nahm der Herr auch an, und gebrauchte die natürlichen Wissenschaften, welche in seinem Gemüte lagen. Ja, so wie Swe-denborg "von seiner frühesten Jugend auf", wie wir lesen (W.C.R.850), vom Herrn vorbereitet wurde, daß "er die Lehren des Neuen Jerusalems mit seinem Verstande aufnehmen könne" (W.C.R.779), so wurde auch sein Verstand "von frühester Jugend auf" mit solchen natürlichen Tatsachen und Wahrheiten ausge-rüstet, durch welche er die geistigen Lehren, die er vom Herrn empfangen sollte, "vorbildlich darstellen" konnte, damit die Menschheit im Stande wäre, diese geistigen Lehren zu verstehen. Nachdem aber der Herr diese natürlichen Tatsa-chen angenommen, und sie zu äußerlichen Gefäßen gemacht, in denen der innere Sinn des Wortes vom Himmel herab zu den Menschen gebracht wurde, hörten sie auf, Tatsachen Swedenborgs zu sein, und wurden des Herrn; weshalb sie die fehlbare Beschaffenheit Swedenborgs ablegten und die unfehlbare Beschaffenheit Gottes annahmen.Alle natürlichen Tatsachen in Swedenborgs theologischen Schriften haben daher die Gültigkeit und Kraft natürlicher Wahrheiten gewonnen; und vermöge dieser natürlichen Wahrheiten kann das ganze Feld der Naturwissenschaft umgebildet und wiedergeboren werden; so wie auch das ganze Feld der Philosophie und Theologie durch die vernünftigen und geistigen Wahrheiten, welche in seinen theologischen Schriften enthalten sind, umgebildet und wiedergeboren wird.Dies erklärte der Herr durch den Mund Johannis, als Er nach der Herabkunft der Heiligen Stadt, des Neuen Jerusalems, durch welche typisch die Herabkunft der Lehren der Neuen Kirche vorgebildet wird, sagte: "Siehe, Ich mache alles neu!"Dasselbe bezeugt Er durch den Propheten Jesajas, wenn er sagt: "An jenem Tage wird eine Bahn von Ägypten nach Aschur sein, und Aschur nach Ägypten, und Ägypten nach Aschur kommen, und der Ägypter dem Aschur dienen. An jenem Tage wird Israel der Dritte sein mit Ägypten, und Aschur, ein Segen inmitten des Landes."So wie alle Kraft im Letzten (ultimates) ist, so ist die Stärke und Kraft der geisti-gen Wahrheiten der Schriften der Neuen Kirche in den natürlichen Dingen ent-halten, welche angewandt worden sind, und der Menschheit die geistigen Wahr-heiten "vorbildlich darzustellen", wodurch sie befähig wird, die Wahrheiten zu begreifen. Da nun aber viele dieser natürlichen Dinge aus dem Bereich des äußerlich Sinnlichen genommen sind, und somit durch sinnliches Denken erfaßt, kritisiert und beurteilt werden können, so richten diejenigen, welche die Autori-tät der Lehren der Neuen Kirche anfechten, und die Zweite Ankunft des Herrn durch diese Schriften leugnen, ihre Aufmerksamkeit auf diese natürlichen Dinge, und haben sich stets bemüht, irgend einen Widerspruch zwischen Swe-

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denborgs Wissenschaft und der Naturwissenschaft unserer Tage zu entdecken; und wo sie, wie es ihnen schien, glücklich genug waren eine Verschiedenheit zu entdecken, da haben sie es in ein Argument gegen die Autorität der theologi-schen Schriften Swedenborgs geschmiedet. Als schlaue Angreifer, richten sie ihren Sturm aber nicht gleich gegen die Zitadelle des Neuen Jerusalems, nicht gegen die geistigen Wahrheiten, oder die Lehren des innern Sinnes, wie dieser in den Schriften Swedenborgs gelehrt wird, weil ihre Pfeile an den geistigen Schil-den derer, welche aufrichtig und fest an die Zweite Ankunft des Herrn glauben, sogleich abprallen würden. Sie greifen daher nicht die Seele oder die Substanz der Lehre des Neuen Jerusalems an, sondern den Leib oder die Form, in welcher diese Lehren der Menschheit gegeben worden sind, wohl wissend, daß, wenn der Leib zerstört ist, auch die Kraft, oder die Autorität der Seele aufhört.Wie die Schlange im Garten Eden, so haben sie die Neue Kirche, d.h. die Neue Kirche in den Gemütern derer, die an die Zweite Ankunft des Herrn glauben, an der Ferse, an ihrem sinnlichen Teile, welcher aus den sinnlichen Wahrheiten der neuen Dispensation gebildet ist, angegriffen. Und da diese Wahrheiten ein unzertrennliches Ganze bilden mit den geistigen Wahrheiten, welche durch sie "vorbildlich dargestellt" werden, so hat sich das Gift allmählich von der Ferse hinauf in die innerlichen Teile des Systems verbreitet, so daß der Glaube an die Göttlichkeit und Unfehlbarkeit der in den theologischen Schriften Swedenborgs enthaltenen Lehren, und somit der Glaube, daß der Herr durch diese Schriften Seine Zweite Ankunft bewerkstellig hat, von Vielen, die es besser wissen soll-ten, als eine gefährliche Lehre bezeichnet wird, die in dieselbe Kategorie zu set-zen sei mit der Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes.Was soll aber ein Glied der Neuen Kirche tun, wenn Versuche gemacht werden, nicht allein Widersprüche zwischen der Wissenschaft Swedenborgs und der Wissenschaft unserer Tage zu finden, sondern auch Widersprüche in den Lehr-sätzen enthaltenen Teilen nachzuweisen? Wenn ein gewissenhaftes Glied der Neuen Kirche solche Anschuldigungen gegen die Göttlichkeit und Unfehlbarkeit der Seele, oder des Leibes der Lehren des Neuen Jerusalems hört, so muß es sich sogleich auf die Seite der Unzweideutigen Erklärung stellen, die in diesen Leh-ren gemacht wird, daß der Herr in und durch die Schriften, welche von Emanuel Swedenborg als Seinem Diener herausgegeben worden sind, Seine Zweite Ankunft gemacht, daß deshalb diese Anschuldigungen nicht wahr sein können. Um zu beweisen, daß dies das rechte Verfahren bei der Sache ist, lese solch' ein Glied die folgende Stelle aus den «Himmlischen Geheimnissen«:(35.) "Einige nicht sehr redlichen Geister, welche eine Zeitlang bei mir waren,

flößten fortwährend aus Sinnestäuschungen Zweifel dagegen ein, daß Alles aus Einer Quelle, und somit vom Herrn einfließen könne; es wurde ihnen jedoch gesagt, daß so viele Zweifel nicht in kurzer Zeit entfernt werden können, wegen der Sinnestäuschungen welche man zuerst besei-tigen muß, und wegen der unzähligen unbekannten Dinge, welche man zuvor wissen muß; ja, daß bei Denen, welche in der Verneinung sind,

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d.h. bei Denen der Geist der Verneinung allgemein herrschend ist, die Zweifel gar nicht entfernt werden können, denn bei ihnen gilt Ein kleines Bedenken mehr, als tausend Bestätigungen; denn ein leises Bedenken ist bei ihnen wie ein Sandkörnchen, welches nahe vor dem Augapfel liegt, und obwohl es nur ein einziges und ein winziges ist, dennoch dessen ganze Sehkraft hemmt. Diejenigen aber, welche in der Bejahung sind, d.h. bei denen die Bejahung allgemein herrscht, verwerfen diese aus Sin-nestäuschung hervorgehende Zweifel gegen die Wahrheiten, und wenn sie irgend etwas nicht begreifen können, stellen sie es bei Seite und sagen, daß sie es noch nicht verstehen, bleiben aber dennoch im Glauben an die Wahrheit. Jene Geister aber achteten wenig hierauf, weil sie in der Verneinung waren" (H.G.6479).

So auch, wenn Anschuldigungen gegen die Lehren der theologischen Werken Swedenborgs gemacht werden, durch welche bewiesen werden soll, daß der Herr nicht Seine Zweite Ankunft durch dieselben gemacht, und sie somit nicht Göttliche, sondern nur menschliche Autorität besitzen; und, wenn ein Glied der Kirche, welches an die Göttliche Autorität der Schriften glaubt, nicht sogleich die Richtigkeit solcher Anschuldigungen beweisen kann, so sagt er, daß "er es noch nicht verstehe", oder die Grundlosigkeit dieser Anschuldigung noch nicht einsehen könne, daß er sie nichtsdestoweniger bei Seite setze, und an der Göttli-chen Autorität der Lehren der Kirche festhalte, und versichert sei, daß früher oder später, "wenn die vielen Sinnestäuschungen, die noch zu entfernen sind", einmal entfernt sind, und die "unzähligen dinge, welche man zuvor wissen muß", bekannt sind, dann auch die Grundlosigkeit all dieser Anschuldigungen offenbar werden müsse. Zu diesem können wir jedoch hinzufügen, daß die Anklagen von Nichtübereinstimmung oder von Widerspruch, welche bisher gegen die Schriften der Neuen Kirche gemacht worden sind, alle von solcher Art waren, daß deren Unvernünftigkeit und Grundlosigkeit, durch die Kenntnisse, welche man bis jetzt aus diesen Schriften geschöpft hatte, von den Verteidigern der Göttlichkeit dieser Offenbarungen gründlich nachgewiesen werden konnte.

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Kapitel 6 – Inspiration Swedenborgs

Die Beschaffenheit der Inspiration Swedenborgs

Der fünfte Einwurf gegen die Göttliche Autorität der Schriften der Neuen Kir-che, kommt von Solchen, welche Swedenborg gerne einen hohen Zustand von Erleuchtung zuschreiben, seine beanspruchte Inspiration aber nicht anerkennen wollen. Sie sagen, wir geben zu, daß Swedenborg beim Schreiben seiner theolo-gischen Werke sich eines hohen Grades von Erleuchtung oder Illustrationen erfreute; wir geben sogar gerne zu, daß der Grad seiner Erleuchtung, den aller Andern, deren Werke über theologische oder philosophische Dinge auf uns gekommen sind, übertraf; doch behaupten wir, daß seine Erleuchtung, sich von der Erleuchtung anderer guten Menschen bloß dem Grade, nicht aber der Art nach, unterscheidet. Diese sehen daher Swedenborgs theologische Werke in jeder Beziehung als seine eigenen an, und leugnen, daß mehr Göttliche Autorität darin enthalten ist, als in den Werken und Predigten eines andern erleuchteten Schriftstellers. Sie leugnen daher auch, daß der Herr Seine Zweite Ankunft durch Swedenborg als Werkzeug bewirkt hat, und bekennen sich zu der Theorie auf die wir schon hingewiesen haben, nämlich; daß des Herrn Zweite Ankunft und die Herabkunft des Neuen Jerusalems fortschreitend sei und allgemein in den Gemütern der Menschen stattfinde, ob sie sich dessen nun bewußt sein mögen oder nicht.Die Theorie derer, welche solche Ansichten hegen, ist jüngst in folgender Schlußfolgerung gegeben worden: — "Erstens, die Göttliche Weisheit ist unend-lich und unergründlich; zweitens, jeder Engel oder Mensch kann nur teilweise, und in dem Grade aus dieser Göttlichen Fülle aufnehmen, in welchem sein Gemüt dafür geöffnet ist; drittens, diese Göttliche Weisheit nimmt durch Mittei-lung an irgend ein aufnehmendes Gemüt, eine Färbung und Form von den Eigentümlichkeiten des Gemüts, in das sie einfließt, an, wie auch von der vor-hergegangenen Erziehung, den Gewohnheiten des Denkens und der Individuali-tät der Gefühle; viertens, muß bei der Darstellung der Göttlichen Weisheit, die ein Gemüt empfängt, die Gewohnheit des Ausdrucks, die Art der Anordnung, und der Styl der Beweisführung, die einem solchen Gemüte eigen sind, notwen-diger Maßen deren Methode und Weise bestimmen." Dann faßt der Schreiber diese Folgerung (die er Swedenborg zuschreibt, die wir aber ihm selbst und nicht Swedenborg zuschreiben müssen), in folgende Worte zusammen: "(1) Göttliche Wahrheit, irgend einem Gemüte mitgeteilt, wird dem Vermögen des Empfängers angepaßt; (2) Göttliche Wahrheit, im Gemüte wahrgenommen, wird durch den Verstandes-Charakter des Wahrnehmenden modifiziert; (3) Göttliche

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Wahrheit, von irgend einem Gemüte ausgedrückt, folgt dem gewöhnlichen Style, der dem Gemüt eigen ist. Die einzige Ausnahme von diesen drei Grund-sätzen macht eine persönliche und vollständige Inspiration, in welcher der Ver-fasser nichts weiter als der Niederschreiber (amanuensis) der Göttlichen Weis-heit, und die Worte, welche er schreibt, die eigenen Worte des Herrn sind. Sol-cher Art war die Inspiration des Wortes, zu welchem aber nie mehr ein Zusatz gemacht werden wird."*(*) Verhandlungen der General-Konferenz der Neuen Kirche in Großbritannien, 1873)

Aus dieser Darstellung sehen wir, daß Die, welche diese Meinung hegen, behaupten, daß es nur Eine Art von Inspiration gebe, nämlich die, wodurch der Buchstabe des Wortes gegeben wurde, "zu welchem aber," wie sie sagen, "nie mehr ein Zusatz gemacht werden wird". Wir sehen auch, daß der Verfasser, der dies niederschrieb, behauptet: (1) daß die Lehren des innern Sinnes, die der Herr dem Swedenborg mitteilte, von Ihm dem Zustande Swedenborgs angepaßt wur-den; (2) daß diese Lehren, während sie von Swedenborg "wahrgenommen wur-den, durch seinen Verstandes-Charakter modifiziert wurden", worunter der Schreiber versteht, daß diese Lehren, indem sie durch Swedenborgs Gemüt gin-gen, "eine Färbung und Form von seiner vorhergehenden Erziehung, der Gewohnheit seines Denkens und der Individualität seiner Gefühle annahmen"; (3) daß Swedenborg bei der Darstellung dieser Lehren dem gewöhnlichen Styl folgte, der seinem Gemüte eigen war, worunter der Schreiber abermals versteht, daß "die Gewohnheit des Ausdrucks, die Art der Anordnung, und der Styl der Beweisführung, wie dieselben dem Swedenborg eigen waren, notwendiger Maßen die Methode und Weise bestimmten" in welcher diese Lehren von ihm dargestellt wurden.Wie man beim Hinblick auf sein Argument sehen kann, hat der Schreiber dieses nicht auf Swedenborg besonders, sondern auf alle Menschen angewandt, "mit der einzigen Ausnahme" derer, welche "persönlich und vollständig inspiriert" waren, als sie den Buchstaben des Wortes schrieben. Da aber Swedenborg kei-ner von Denen war, die den Buchstaben des Wortes schrieben, so muß er logi-scher Weise zu allen andern Menschen auf der andern Seite gerechnet werden, auf welche die Beschränkungen in der Aufnahme der Göttlichen Weisheit, die sein Argument angibt, anzuwenden sind.Es ist offenbar, daß der Schreiber in dem obigen Argumente, hiermit die Ansicht derer ausgedrückt hat, welche behaupten, daß Swedenborg beim Herabbringen der Lehren des Neuen Jerusalems für die Menschheit, in einem ähnlichen Zustande der Erleuchtung war, wie alle guten, vom Herrn wiedergeborenen Menschen es sind, und daß der Unterschied seiner Erleuchtung nicht in der Art, sondern nur im Grade, d.h. in dem Grade von mehr oder weniger bestand.Diejenigen, welche Swedenborg zwar einen hohen Grad von Erleuchtung zuschreiben, ihm aber Inspiration absprechen, stellen seine Erleuchtung so hoch, daß es fast scheint, als glaubten sie an seine Inspiration. So sagt der Schreiber,

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den wir angeführt haben, unmittelbar vor seinem Argumente: "Damit Sweden-borg wissen und verstehen könne, wurde ihm erlaubt die Tatsachen der geistigen Welt zu schauen; um sein Gemüt aber vor den Eindrücken der Geister zu bewahren, kam die Leitung und Erleuchtung seines Gemüts vom Herrn allein; die Art dieser Erleuchtung war eine vernünftige Wahrnehmung in seinem Gemüte; und die Zeitpunkte, wann ihm diese Erleuchtung zu Teil wurde, waren, als er andächtig das Wort las."Wenn der Schreiber nur diese Angabe gemacht, und nichts vorher noch nachher gesagt hätte, so würden selbst die eifrigsten Verteidiger der Göttlichkeit der in den theologischen Schriften Swedenborgs enthaltene Lehre, ihn als den Darstel-ler ihres eigenen Glaubens angesehen haben, denn wenn es "Swedenborg erlaubt war, die Tatsachen der geistigen Welt zu schauen", und wenn "er eine vernünf-tige Wahrnehmung vom Herrn in seinem Gemüt hatte, während es das Wort las", dann haben wir nichts als die Wahrheit, und die Wahrheit allein in seinen Schriften; und Wahrheit ist Göttlich und unfehlbar. Die Eigenschaft der Gött-lichkeit und der Unfehlbarkeit, welche der Schreiber scheinbar hier den Lehren Swedenborgs zuerkennt, leugnet er jedoch im nächsten Paragraphen wieder, indem er erklärt, daß der Buchstabe des Wortes allein, "zu welchem nie mehr ein Zusatz gemacht werden wird", inspiriert und somit unfehlbar und von Göttli-cher Autorität sei.Wir glauben gerne, daß diese Argumente in gutem Glauben vorgebracht wurden und daß der Schreiber und die, welche seinen Anschauungen huldigen, kein Verlangen tragen, die Autorität der Schriften der Neuen Kirche zu zerstören. Doch ist es klar, daß die "Erleuchtung" und "Inspiration" einer weiteren ver-nünftigen Aufklärung bedarf, um die Glieder der Neuen Kirche in den Stand zu setzen, deutlich sehen zu können, worin sich die Erleuchtung Swedenborgs, von derjenigen anderer guten Menschen in der Kirche, und worin seine Inspiration sich von derjenigen der Personen, durch welche der Buchstabe des Wortes geschrieben wurde, unterscheidet.Beides, sowohl die "Erleuchtung" als die "Inspiration" geschehen durch des Herrn Gegenwart beim Menschen und durch Seinen Einfluß in ihm; da aber der Herr beim Menschen gegenwärtig ist und mit Seinem Heiligen Geiste, oder Sei-ner Göttlichen Einwirkung, welche in den Schriften der Neuen Kirche das Gött-lich-Wahre genannt wird, einfließt, so ist es nötig, daß wir vor Allem zuerst einen klaren Begriff von dem Göttlich-Wahren haben. Lasset uns daher die Leh-ren der Kirche über diesen Gegenstand kurz darstellen:(36.) "Das Göttlich-Wahre, das vom Herrn ausgeht, ist das Einzige aus wel-

chem Alles besteht; denn das, was das Erste ist, das ist auch in dem Fol-genden und Abgeleiteten das Einzige, weil aus Ihm Alles ist und her-kommt" (H.G.9407). "Daß das Göttlich-Wahre der Herr im Himmel ist, beruht darauf, daß der Herr das Gute und das Wahre selbst ist; denn bei-des geht von Ihm aus, und was von Ihm ausgeht, das ist Er selbst. Daher

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kommt es, daß der Herr der Himmel ist, denn das Göttlich-Wahre das von Ihm kommt und von den Engeln aufgenommen wird, macht den Himmel aus" (H.G.9503).

(37.) "Das Göttlich-Wahre geht vom Herrn, sowohl unmittelbar als auch mit-telbar aus; das, welches unmittelbar ausgeht, ist über allem Verständnis der Engel erhaben; Dasjenige aber, welches mittelbar ausgeht, ist den Engeln in den Himmeln angemessen und auch den Menschen; denn es geht durch den Himmel hindurch und nimmt dadurch eine engelische und menschliche Beschaffenheit an; aber in dieses Wahre fließt der Herr auch unmittelbar ein; und so führt Er die Engel und Menschen, sowohl mittelbar als unmittelbar; denn das Ganze und das Einzelne kommt vom Ersten Sein, und die Ordnung ist so eingerichtet, daß das Erste Sein in den abgeleiteten Dingen mittelbar und unmittelbar gegenwärtig sein kann, somit in gleicher Weise im Letzten der Ordnung wie im Ersten derselben" (H.G.7004).

Die Ordnung in welcher das mittelbar Göttlich-Wahre vom unmittelbaren Gött-lich-Wahren abgeleitet wird, ist folgende:(38.) "Da das Wahre, das unmittelbar vom Herrn ausgeht, weil es aus dem

Göttlich-Unendlichen Selbst kommt, durchaus nicht von irgend einem lebendigen Wesen, welches endlich ist, somit auch nicht von einem Engel aufgenommen werden kann; deshalb hat der Herr aufeinander fol-gende Sphären geschaffen, als Mittel, durch welche das unmittelbar aus-gehende Göttlich-Wahre mitgeteilt werden könnte; aber das erste aus diesem Hervorgehende ist noch zu voll vom Göttlichen, als daß es schon von irgend einem lebendigen Wesen das endlich ist, somit von irgendei-nem Engel aufgenommen werden könnte; deswegen schuf Er noch ein darauf Folgendes, mittelst dessen das unmittelbar ausgehende Göttlich-Wahre einigermaßen aufnehmbar werde; dieses darauf Folgende ist das Göttlich-Wahre das im Himmel ist. Die beiden ersten sind über den Himmeln und sind gleichsam Strahlengürtel aus dem Flammenden, wel-che die Sonne umgeben, die der Herr ist. So beschaffen ist die aufeinan-derfolgende Ordnung bis zu dem Himmel, welcher dem Herrn am nächs-ten, und der dritte Himmel ist, wo diejenigen sind, welche unschuldig und weise sind; von da aus setzen sie sich in aufeinanderfolgender Ord-nung fort bis zum letzten Himmel, und vom letzten Himmel bis zum Sinnlichen und Leiblichen des Menschen, das den Einfluß zuletzt auf-nimmt. Hieraus ergibt sich, daß ununterbrochene Aufeinanderfolgen stattfinden, vom Ersten, das heißt vom Herrn, bis zum Letzten, welches beim Menschen ist, ja sogar bis zum Letzten, das in der Natur ist; das Letzte beim Menschen, wie auch in der Natur, ist beziehungsweise träge, und daher kalt, und verhältnismäßig allgemein, und daher dunkel; hieraus geht auch hervor, daß durch jene Aufeinanderfolgen ein ununter-brochener Zusammenhang aller dinge mit dem Ur-Sein stattfindet. Die-

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sen Aufeinanderfolgen gemäß, verhält sich der Einfluß; denn das Gött-lich-Wahre, das unmittelbar vom Göttlich-Guten ausgeht, fließt in auf-einanderfolgender Ordnung ein; und auf seinem Wege, d.h. bei jeder neuen Stufe, wird es allgemeiner, somit gröber und dunkler, auch wird es langsamer, somit träger und kälter. Hieraus erhellt, wie beschaffen die Göttliche Ordnung der aufeinanderfolgenden Dinge und der aus ihnen hervorgehenden Einflüsse ist. Es ist aber wohl zu merken, daß das Gött-lich-Wahre, das in den dritten Himmel, der dem Herrn am nächsten ist, einfließt, zugleich auch ohne eine aufeinanderfolgende Gestaltung, bis in das Letzte der Ordnung einfließt, und hier vom Ersten aus unmittelbar auch das Ganze und Einzelne regiert und besorgt; dadurch werden die aufeinanderfolgenden Dinge in ihrer Ordnung und in ihrem Zusammen-hang erhalten" (H.G.7270).

Die verschiedenen Grade des mittelbar Göttlich-Wahren, welche auf diese Weise gebildet werden, werden in der »Erklärten Offenbarung« folgendermaßen beschrieben:(39.) "Das Göttlich-Wahre fließt in Graden herab, vom Obersten oder Inners-

ten bis zum Untersten oder Letzten. Das Göttlich-Wahre im obersten Grade ist wie das Göttliche, welches unmittelbar vom Herrn ausgeht; somit solches, wie das Göttlich-Wahre über den Himmeln ist; da dieses unendlich ist, so kann es von keinem Engel wahrgenommen werden. Das Göttlich-Wahre des ersten Grades aber ist das, welches von den Engeln des innersten oder dritten Himmels wahrgenommen wird; dies wird Himmlisch-Göttlich-Wahres genannt, und hieraus ist die Wahrheit dieser Engel. Das Göttlich-Wahre des zweiten Grades ist das, welches von den Engeln des mittleren oder zweiten Himmels wahrgenommen wird und deren Weisheit und Einsicht bildet, und wird das Geistig-Göttlich-Wahre genannt. Das Göttlich-Wahre des dritten Grades ist das, welches von den Engeln des untersten oder ersten Himmels aufgenommen wird und deren Einsicht und Kenntnis macht, und wird das Himmlisch-Natürliche und Geistig-Natürliche Göttlich-Wahre genannt. Aber das Göttlich-Wahre im vierten Grade ist das, welches von den Menschen der Kirche, die in die-ser Welt leben, wahrgenommen wird und ihnen Einsicht und Kenntnis gibt. Dies wird das Natürliche Göttlich-Wahre genannt. Das Äußerste oder Letzte desselben heißt das Sinnliche Göttlich-Wahre. Diese ver-schiedenen Arten das Göttlich-Wahren sind in ihrer Ordnung und nach ihren Graden, im Worte; und das Göttlich-Wahre des letzten Grades, oder im Letzten der Ordnung, ist solcher Art wie das Göttlich-Wahre das im buchstäblichen Sinne für Kinder und für die Einfältigen unter den Menschen, welche sinnlich sind, enthalten ist" (A.E.627; vergleiche auch H.G.8443).

Aus diesen Stellen lernen wir, daß das Göttlich-Wahre in der Tat unendlich und ewig, oder "unendlich und unerschöpflich" ist. Dies sind die Eigenschaften des

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Göttlich-Wahren, so wie es unmittelbar vom Herrn ausgeht; aber weil das Gött-lich-Wahre "von keinem lebendigen Wesen, welches endlich ist, und somit von keinem Engel" noch Menschen aufgenommen werden kann, darum hat der Herr Sein Göttlich-Wahres der Aufnahmefähigkeit der Engel und Menschen ange-paßt, durch Erschaffung von "aufeinanderfolgenden" Sphären, mit welchen Er das Göttlich-Wahre, so wie es von Ihm unmittelbar ausgeht, umkleidet oder umschließt. Daher kommt das Göttlich-Wahre, welches mittelbar von Ihm aus-geht. Ferner lernen wir, daß in diesem mittelbar Göttlich-Wahren verschiedene Grade sind, und daß diese vom höchsten Himmel bis zur Stufe der natürlichen Existenz des Menschen in der Welt herab reichen. Auf diese Weise wird das Göttlich-Wahre der Aufnahme der Engel eines jeden der drei Himmel, der Geis-ter in der Geisterwelt, und der Menschen in der natürlichen Welt angepaßt. Und, da der Mensch sowohl in das Bild der geistigen, wie in das natürlichen Welt geschaffen worden ist, so folgt, daß in seinem Gemüte so viele Grade sind, wie im Himmel, in der Welt der Geister, und in der natürlichen Welt zusammenge-nommen, und daß jeder dieser Grade von einem verschiedenen Grade des Gött-lich-Wahren, welches vom Herrn ausgeht, gebildet und belebt wird.Dies ist eine wichtige Wahrheit, die viel mit der Sache die vor uns liegt, zu schaffen hat, nämlich, daß das Göttlich-Wahre jeder Stufe des menschlichen Denkens angemessen ist, selbst ehe es in sein Gemüt eingeht, und da das Gemüt des Menschen aus dem Göttlich-Wahren, das mittelbar vom Herrn ausgeht, geschaffen worden ist, so folgt, daß er durchaus zum Empfang des Göttlich-Wahren vorbereitet und eingerichtet ist, und daß es keineswegs nötig ist, daß das Göttlich-Wahre eine Färbung erhalte, oder daß dessen Göttliche Beschaffenheit im Geringsten dadurch entstellt werden müßte, wenn sie vom Menschen aufge-nommen wird. Es mag eine Färbung erhalten, und seine göttliche Beschaffenheit mag entstellt werden, aber das ist nicht notwendigerweise der Fall.Diese Anpassung des Göttlich-Wahren an jeden Zustand des menschlichen Lebens, und somit an jeden seines Denkens, ist auch eine vollkommene Wider-legung jener Anklage des Skeptizismus, welcher in der Annahme liegt, daß das Göttlich-Wahre eine Färbung erhalte, oder verdreht werde, sobald es in das Gemüt eines Engels oder eines Menschen eingehe; woraus folgen würde, daß der Mensch nie die echte Wahrheit, wie sie vom Herrn ausgeht, erhalten könnte, sondern nur eine Annäherung daran, während das echte Wahre wie ein Phanta-sie-Gebilde sich ihm stets entzöge. Diese Anschuldigung des Skeptizismus wird in der Tat gegen Swedenborg von dem Schreiber der oben angeführten Argu-mente gemacht, denn er erklärt, daß "Swedenborgs ganze Philosophie" gerade diesen Skeptizismus "einschärfe".Wenn die Göttliche Weisheit oder das Göttlich-Wahre notwendiger Weise "gefärbt" oder verdreht wird, "wenn dieselbe einem aufnehmenden Gemüte angepaßt wird", so muß dieses Gemüt diese Eigenschaft behalten, sogar bei der Aufnahme von Wahrheiten aus dem Buchstaben des Wortes, welcher, wie der Schreiber zugibt, das Erzeugnis einer echten und vollständigen Inspiration ist.

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Ja, das menschliche Gemüt muß diese Beschaffenheit sogar bei der Aufnahme von Darstellungen natürlicher Wahrheit, oder den Äußerungen von Ansichten von endlichen, menschlichen Wesen beibehalten; denn wenn der Buchstabe des Wortes, beim Eintritt in das menschliche Gemüt eine Färbung erhält, dann müs-sen die Worte und Ideen eines jeden Menschen eine solche Färbung erhalten, und mehr oder weniger verdreht werden beim Eingehen in den Verstand eines jeden andern Menschen; so daß wir nie sicher sein können, daß unsere Worte von Andern richtig aufgenommen und verstanden werden.Lasset uns dankbar dafür sein, daß der Mensch im Stande ist, das Göttlich-Wahre in der Form, in welcher es mittelbar vom Herrn ausgeht, aufzunehmen, und daß er es in dieser Form vom Herrn aufnehmen kann, ohne daß es notweni-ger Weise von seiner unvollkommenen, endlichen Natur eine Färbung anneh-men muß.Wir lesen ferner, daß das Göttlich-Wahre, welches mittelbar vom Herrn ausgeht, im Worte Gottes "seinen verschiedenen Graden nach" enthalten ist; daß deshalb im Worte Gottes ein Grad ist, der den Engel des dritten Himmels, ein anderer, der den Engeln des zweiten, ein dritter, der den Engeln des ersten Himmels angepaßt ist, und ein äußerster Grad, der für die Aufnahme der Menschen auf Erden geeignet ist; und da das Gemüt des Menschen nach der Form des Him-mels geschaffen worden ist, so folgt, daß ein Grad in seinem Gemüte sein muß, der fähig ist, den innern natürlichen, ein anderer, den geistigen, und ein dritter den himmlischen Sinn des Wortes aufzunehmen, und daß der Mensch diese ver-schiedenen Sinne des Wortes aufnehmen kann, ohne daß sie notwendiger Weise in seinem Gemüte gefärbt oder verdreht werden müssen. Hieraus folgt nun, daß Swedenborg im Stande war, vom Herrn die Lehren des himmlischen und geisti-gen Sinnes des Wortes zu empfangen, ohne das diese Lehren beim Eintritt in sein Gemüt eine "Färbung" oder "Verdrehung" erlitten hätten; ja, daß diese Leh-ren vom Herrn der Menschheit durch Swedenborg mitgeteilt werden könnten, ohne daß es im Geringsten nötig war, daß die "Methode und Weise", in welcher sie gegeben wurden, "durch die Gewohnheit des Ausdrucks, die Art der Anord-nung, und den Styl der Beweisführung, der Swedenborg eigen war", bestimmt worden wäre.Da der Herr aber den Menschen mit dem Vermögen der Freiheit und der Ver-nünftigkeit begabt hat, so hat Er ihm damit auch die Kraft verliehen, das Gött-lich-Wahre, oder das Göttliche Leben in der Form aufzunehmen, wie es von Ihm ausgeht, oder es in irgend eine beliebige Form zu bringen; woraus folgt, daß die Aufnahmeformen des menschlichen Gemütes den Charakter und die Beschaf-fenheit des Göttlich-Wahren, das der Mensch vom Herrn empfängt, bestimmen. Dieses mag erscheinen, als ob es den Schluß bestätigte, daß das Göttlich-Wahre oder die Göttliche Weisheit, durch Eintritt ins menschliche Gemüt dennoch eine "Färbung" erhielte und in des Menschen Ebenbild verwandelt würde. Solches mag der Fall sein, aber es ist keine notwendige Folge, denn durch das Vermögen der Freiheit und der Vernünftigkeit, welches der Herr in jedem menschlichen

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Wesen bewahrt, gibt Er ihm die Kraft, das Göttlich-Wahre des Herrn, d.h. Gött-lich-Wahres, welches mittelbar vom Herrn ausgeht, rein und unverletzt zu emp-fangen. Und wenn er sich vom Herrn wiedergebären läßt, so wird er mit der Zeit, seinem innerlichen und seinem äußerlichen Menschen nach, ein reines Gefäß für das Göttlich-Wahre, wie es vom Herrn mittelbar ausgeht, in welchem es keine "Färbung" oder Abänderung erleidet. Da der Mensch jedoch immer endlich bleibt, so kann er niemals das Ganze der Göttlichen Weisheit in sein Gemüt aufnehmen; doch kann dieses den Herrn nicht hindern ein menschliches Wesen zu einem Mittel zu machen, wodurch Er so viel von Seinem mittelbar Göttlich-Wahres mitteilt, als die Menschen aufzunehmen fähig sind. Und, da von allen gläubigen Christen zugegeben wird, daß der Herr menschliche Werk-zeuge gebraucht hat, den Menschen das Ganze seines sinnlich Göttlich-Wahren, welches im Buchstaben, oder dem buchstäblichen Sinne der Schrift enthalten ist, mitzuteilen, so müssen die, welche an den geistigen Sinn der Schrift glauben, d.h. die welche glauben, daß das mittelbar Göttlich-Wahre des Herrn auch im natürlichen, geistigen und himmlischen Himmel ist, daß der Herr auch ein menschliches Werkzeug benutzen konnte, um der Menschheit das Göttlich-Wahre, wie es im Himmel ist, zu offenbaren, d.h. so viel davon, als das Men-schengeschlecht auf dieser Welt aufzunehmen fähig ist.Wir haben bisher gesehen, daß der Mensch fähig ist, das Göttlich-Wahre, wie es mittelbar vom Herrn ausgeht, ohne Verdrehung und ohne ihm eine Färbung zu geben, aufzunehmen. Wir werden nun die Bedingungen unterstreichen, unter welchen er im Stande ist das Göttlich-Wahre rein und in einer unbefleckten Form aufzunehmen. Um aber diese Untersuchung auf einen festen vernünftigen Grund zu stellen, müssen wir fortfahren die Schriften der Neuen Kirche über mittelbares und unmittelbares Göttlich-Wahre zu befragen und den Einfluß die-ser beiden Arten der Wahrheit in das menschliche Gemüt zeigen:(40.) "Es gibt drei Gattungen von Gutem, welche die drei Himmel machen: (1)

Das Gute der Liebe zum Herrn, welches das Himmlisch-Gute genannt wird; dieses macht den innersten Himmel; (2) das Gute der Liebtätigkeit gegen den Nächsten, welches das Geistig-Gute genannt wird, und den zweiten Himmel macht; und (3) das Gute des Glaubens, welches das Geistig-Natürlich-Gute genannt wird; dieses macht den letzten Himmel. In das Himmlisch-Gute, welches dem innersten Himmel angehört, fließt der Herr aus dem Göttlich-Menschlichen unmittelbar ein; ins Geistig-Gute, welches dem zweiten Himmel angehört, fließt der Herr aus dem Göttlich-Menschlichen ein, und auch mittelbar durch das Himmlisch-Gute; und ins Natürlich-Gute, das geistig ist und dem letzten Himmel angehört, fließt der Herr aus dem Göttlich-Menschlichen ein, und auch wieder mittelbar. Es wird gesagt "auch mittelbar", weil der Herr ins Gute dieser Himmel nicht nur mittelbar einfließt, sondern auch unmittelbar" (H.G.10'270).Ferner lesen wir: "was unmittelbar einfließt, das bringt in Ordnung, und

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was mittelbar einfließt, wird in Ordnung gebracht; so ist es im äußern Vernünftigen (oder geistigen Grade) und so auch im Natürlichen" (H.G.5150).

Da der Mensch ein Himmel im Kleinsten ist, und sein Gemüt daher in drei Grade organisiert ist, welche den drei Himmeln entsprechen, so folgt aus dem Obigen, daß der Herr unmittelbar in den himmlischen Grad seines Gemütes ein-fließt, und daß Er zugleich mittelbar und unmittelbar, erstes in den geistigen, zweitens in den natürlichen, und endlich in den sinnlichen oder körperlichen Grad einfließt, durch welches Letztere er fähig wird, als ein menschliches Wesen in der natürlichen Welt zu leben.Wie wir hier sehen, fließt der Herr unmittelbar aus Seinem Göttlich-Menschli-chen in jeden Grad der geistigen Natur des Menschen ein. Jeder Grad, der zur geistigen Natur des Menschen gehört, wurde vom Herrn in Seinem Göttlich-Menschlichen verherrlicht. Somit befinden sich im Göttlich-Menschlichen des Herrn ein himmlischer, ein geistiger, ein natürlicher und ein körperlicher Grad, und aus diesen Graden kann der Herr unmittelbar in den himmlischen, geistigen, natürlichen und körperlichen Grad beim Menschen einfließen; der Herr fließt aber in jeden Grad, den himmlischen ausgenommen, mittelbar durch die Him-mel ein.Diese beiden Einflüsse durchdringen einander und verhalten sich gegen einander wie Wärme und Licht; jedoch ist der Mensch sich dieses unmittelbaren Einflus-ses nicht bewußt, weil dieser Göttlich-Menschlich ist; aber des mittelbaren Ein-flusses vom Herrn, durch den Himmel wird er sich bewußt, weil dieser eine himmlische und somit menschliche Form angenommen hat. Dies geht aus fol-genden Stelle hervor:(41.) "Das vom Göttlich-Menschlichen des Herrn ausgehende Göttlich-Wahre,

kann von keinem Menschen und nicht einmal von einem Engel gehört und vernommen werden; deswegen muß eine Vermittlung stattfinden, auf daß es gehört und vernommen werde; diese Vermittlung geschieht durch den Himmel, und nachher durch Engel und Geister beim Men-schen. Dies kann man offenbar daraus abnehmen, daß der Mensch nicht einmal die Geister, die bei ihm sind, miteinander reden hören kann, und wenn er sie hören würde, so würde er sie nicht verstehen können, aus dem Grunde, weil die Rede der Geister keine menschliche Worte hat, und alle Sprachen umfaßt; ferner können auch die Geister die Engel nicht hören, und wenn sie dieselben hörten, würden sie sie nicht verste-hen; denn die Rede der Engel ist noch umfassender; ja, die Engel des innersten Himmels können noch weniger gehört und verstanden werden, weil ihre Rede keine Rede ist die aus Vorstellungen Besteht, sondern aus Gefühlen, welche der himmlischen Liebe angehören. Wenn diese Reden dem Menschen so ferne stehen, daß sie von ihm gar nicht gehört und vernommen werden können, wie viel mehr die Göttliche Rede, welche

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die Reden in Himmel unendlich übertritt! Göttliche Rede wird gesagt, es wird aber das vom Göttlich-Menschlichen des Herrn ausgehende Gött-lich-Wahre verstanden. Da es so ist, so kann man erkennen, daß das vom Herrn ausgehende Göttlich-Wahre, um gehört und vernommen zu wer-den, zum Menschen durch Vermittlungen gelangen muß; die letzte Ver-mittlung geschieht durch den beim Menschen befindlichen Geist, der entweder in das Denken desselben, oder durch eine vernehmbare Stimme einfließt.""Daß das vom Herrn unmittelbar ausgehende Göttlich-Wahre nicht gehört und nicht vernommen werden kann, wird auch klar aus den Ent-sprechungen und den daher stammenden Vorbildungen ersehen, sofern nämlich das, was der Mensch redet, ganz anders bei den Geistern darge-stellt wird, und was die Geister reden, ganz anders bei den Engeln, wie das dem geistigen Sinn des Wortes und seinem buchstäblichen Sinn erhellen kann, indem der buchstäbliche Sinn, der dem Menschen ange-messen ist, die im geistigen Sinn enthaltenen Dinge bezeichnet und vor-bildet. Wenn nun dieser Sinn für den Menschen nicht vernehmbar ist, außer nur, soweit er dargestellt und erklärt werden kann durch solches, was der Welt und der Natur angehört, und noch weniger der für die Engel bestimmte Sinn, wie viel weniger noch das vom Göttlichen des Herrn unmittelbar ausgehende Göttlich-Wahre, das unendlich weit über den Verstand der Engel hinausgeht, und im Himmel nicht vernehmbar ist, außer insofern es durch den Himmel hindurchgeht, und so, eine dem Innewerden derer, die dort sind, angemessene und entsprechende Form annimmt, was durch einen wunderbaren und für Niemand begreiflichen Einfluß geschieht" (H.G.6996).

Es findet also ein unmittelbarer Einfluß vom Göttlich-Menschlichen des Herrn in den Menschen statt, dessen er sich nicht bewußt ist, und ein mittelbarer Ein-fluß von Ihm durch die Himmel, welcher dem Zustande des Bewußtseins des Menschen angemessen ist, und diese beiden Einflusse finden in alle Grade, aus denen des Menschen geistige Natur besteht, statt. Lasset uns nun untersuchen, wo in jedem dieser Grade die Aufnahmegefäße für den unmittelbaren und wo sie für den mittelbaren Einfluß sind. Auf diese Frage erhalten wir die folgende Ant-wort:(42.) "Das vom Göttlichen unmittelbar ausgehende Wahre, geht in den Willen

des Menschen ein, das ist der Weg; hingegen das Wahre das vom Göttli-chen mittelbar ausgeht, geht in den Verstand des Menschen ein" (H.G.7056).

Wir sehen daher, daß der Herr durch Seinen unmittelbaren Einfluß im Willen des Menschen und durch Seinen mittelbaren Einfluß im Verstande des Men-schen gegenwärtig ist; durch die Gegenwart im Willen des Menschen bewirkt Er dessen Willensfreiheit (G.L.W.264), und durch Seine Gegenwart im Verstande

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des Menschen dessen Vernunftsvermögen oder seine Vernünftigkeit (H.G.5668).Solches ist die Lehre der Neuen Kirche über den unmittelbaren und mittelbaren Einfluß des Herrn und dessen Aufnahme von Seiten des Menschen. Der leich-teren Bezugnahme wegen, wollen wir diese Lehren jetzt zusammenfassen:1.- Das Göttlich-Wahre, das unmittelbar vom Göttlich-Menschlichen des Herrn ausgeht, wird unter dem unmittelbaren Einfluß verstanden. Dieser Einfluß findet statt aus den verschiedenen Graden des Göttlich-Menschlichen des Herrn, vermöge dessen der Herr unmittelbar in den himmlischen, den geistigen, den innerlich natürlichen und den äußerlich sinnlichen Grad der geistigen Natur des Menschen einfließt. Dieser Einfluß, dessen sich der Mensch ganz und gar nicht bewußt ist, wird von ihm in seinem Willen aufgenommen und bewirkt in ihm seine Willensfreiheit.2.- Das Göttlich-Wahre, das mittelbar vom Göttlich-Menschlichen des Herrn ausgeht, wird unter dem mittelbaren Einfluß verstanden. Diese Form des Gött-lich-Wahren wird vom Herrn mit verschiedenen aufeinander folgenden Vermitt-lungen umgeben, ehe es die Himmel erreicht; dann werden noch mehr Vermitt-lungen hinzugefügt, so wie es vom höchsten Himmel zum niedrigsten und end-lich zum Menschen herniedersteigt. Dieser Einfluß wird vom Menschen in sei-nen Verstand aufgenommen, und durch diesen Einfluß hat er sein Vernunftsver-mögen oder seine Vernünftigkeit.Hier fügen wir eine kurzgefaßte Übersicht anderer Teile dieser Lehre mit Bezie-hung auf die Schriften der Neuen Kirche bei, nämlich:3.- Mittelbarer Einfluß ist zweifacher Natur, denn er kann entweder allge-mein oder besonders sein. Der allgemeine Einfluß ist vom Himmel als dem Größten Menschen; der besondere Einfluß von den Engeln und Geistern, welche dem Menschen beigesellt sind (H.G.5850,5862). Der besondere Einfluß durch die Engel ist vom Herrn und wird vom Herrn bestimmt; der besondere Einfluß durch die Geister aber, wird vom Menschen selbst bestimmt (H.G.4067,4073).4.- Vor der Wiedergeburt und Anfang derselben, ist der Mensch in Gesell-schaft mit Geistern in der Geisterwelt, die meistens böse sind; der Einfluß dieser Geister findet statt in den Verstand des Menschen und durch den Verstand in seinen Willen, und dieser Einfluß wird wunderbar vom Herrn gemildert, und geleitet durch Seinen unmittelbaren Einfluß in des Menschen Willen (H.G.9683). Daher kommt es, daß der Mensch vor und während seiner Wieder-geburt durch den unmittelbaren Einfluß des Herrn regiert wird (H.G.8685).5.- Wenn die Wiedergeburt des Menschen vollendet ist, dann regiert er sich nicht mehr selbst, sondern wird regiert vom Herrn; dann regiert ihn der Herr, nicht nur durch den unmittelbaren Einfluß in seinem Willen, sondern auch durch den mittelbaren Einfluß in seinen Verstand. Dann sind Wille und Verstand,

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Gutes und Wahres, mittelbarer und unmittelbarer Einfluß, verbunden (H.G.7056).Nach dieser vorläufigen Untersuchung der Beschaffenheit des unmittelbaren und des mittelbaren Einflusses, sind wir nun im Stande uns der Erörterung der »Offenbarung«, »Inspiration« und »Erleuchtung« mit Einsicht zu nähern; und hier müssen wir zuerst die Aufmerksamkeit des Menschen der Kirche auf die zweifache Beschaffenheit der Offenbarung richten, welche in folgender Stelle klar beschrieben wird:(43.) "Offenbarungen kommen entweder aus dem Innewerden, oder aus der

Rede mit Engeln, durch welche der Herr redet. Man muß wissen, daß diejenigen, welche im Guten, und daher im Wahren sind, hauptsächlich die, welche im Guten der Liebe zum Herrn sind, eine Offenbarung aus dem Innewerden haben, daß hingegen die, welche nicht im Guten und im Wahren sind, zwar Offenbarungen haben können, aber nicht aus dem Innewerden, sondern durch eine lebendige in ihnen gehörte Stimme, somit durch Engel vom Herrn; diese Offenbarung ist eine äußere, jene eine inwendige. Eine Offenbarung aus dem Innewerden haben die Engel, hauptsächlich die himmlischen, eine solche hatten auch die Menschen der Uralten Kirche, und auch einige von den Alten, aber heutzutage kaum irgend Einer; aber Offenbarungen aus der Rede, ohne Innewerden, hatten sehr Viele, auch welche, die nicht im Guten waren, ebenso durch Gesichte oder durch Träume. Solcher Art waren die meisten Offenbarun-gen der Propheten in der Jüdischen Kirche; sie hörten eine Stimme, sahen ein Gesicht und träumten einen Traum; weil sie aber kein Inne-werden hatten, so waren es eben nur wörtliche oder gesichtliche Offen-barungen, ohne Innewerden dessen was sie bedeuten, denn das echte Innewerden erfolgt durch den Himmel vom Herrn und regt das Verstän-dige geistig an und führt es vernehmbar zum Denken wie sich die Sache verhält, mit einer innern Zustimmung, von der der Mensch nicht weiß, woher sie kommt; er meint, daß sie in ihm sei, und daß sie sich aus dem Zusammenhang der Dinge ergebe, allein es ist eine Einsprache durch den Himmel vom Herrn in das Innwendige des Denkens, das einfließt in Beziehung auf solche Dinge, welche über dem Natürlichen und Sinnli-chen sind, d.h. in Beziehung auf solche Dinge, welche der geistigen Welt oder dem Himmel angehören. Hieraus kann erhellen, was die Offenba-rung aus Innerwerden ist" (H.G.5121).

Hieraus sehen wir, daß es zwei Arten von Offenbarungen gibt; eine innerliche Offenbarung oder "Offenbarung aus dem Innewerden", und eine äußerliche Offenbarung oder eine "Offenbarung aus der Rede, auch durch Gesichte oder Träume, ohne Innewerden". Wir ersehen ferner, daß innerliche Offenbarung bestand "bei den Menschen der Uralten Kirche, bei Einigen von der Alten, aber kaum bei irgend Einem heutzutage", während äußerliche Offenbarung stattfand bei den "Propheten der Jüdischen Kirche". Es wird hier deutlich dargetan, daß

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die innerliche Offenbarung nicht ausschließlich der Uralten Kirche angehörte, sondern daß sie auch bei "Einigen der Alten Kirche" stattfand, und die Möglich-keit wird zugegeben, daß solche heute noch existieren könne, obwohl gesagt wird, "sie existiert kaum bei Jemand heutzutage".In dieser Stelle wird auch die äußerliche Offenbarung nicht über die innerliche Offenbarung gestellt. Es wird auch nicht gesagt, daß die Offenbarung an die Jüdische Kirche, der Offenbarung an die Uralte Kirche vorzuziehen sei, noch daß das Göttlich-Wahre, durch innerliche Offenbarung an den Menschen, eine Färbung erlitte, und durch die Eigentümlichkeiten des Gemütes, in das sie ein-fließt, durch dessen vorhergegangene Erziehung, Gewohnheit des Denkens und Individualität der Gefühle, eine andere Form annehme und daß sie vor dieser Modifikation bewahrt bliebe, wenn sie dem Menschen äußerlich offenbart würde, d.h. durch "eine persönliche, vollständige Inspiration, bei welcher der Schreiber nichts mehr als der Niederschreiber der Göttlichen Weisheit ist, und die Worte selbst, welche er niederschreibt, die eigenen Worte des Herrn sind". Kein solcher Unterschied wird in der bezüglichen Stelle gemacht, auch ist nicht der geringste Grund da, aus dem wir schließen könnten, daß eine innerliche Offenbarung hinter einer äußerlichen Offenbarung zurückstände, oder daß sie weniger Göttlich wäre.Durch solche innerliche Offenbarung geschah es, daß die Lehren des innern Sin-nes des Wortes Gottes vom Herrn dem Emanuel Swedenborg geoffenbart wur-den, und auf diesen Grund hin behaupten wir, daß die Offenbarung der Göttli-chen Wahrheit durch ihn gemacht, so vollkommen Göttlich ist, und mit dersel-ben Kraft der Göttlichen Autorität zu uns kommt, wie der Buchstabe des Wortes Gottes, welcher durch äußerliche Offenbarung gegeben worden ist.Und wiederum, wenn die Schreiber des Buchstabens des Wortes, welche durch äußerliche Offenbarung belehrt wurden, von Gott inspiriert waren was sie schreiben sollten, und wenn sowohl die innerliche wie die äußerliche Offenba-rung Göttlichen Ursprungs und von gleicher Autorität ist, so folgt, daß auch Swedenborg vom Herrn inspiriert war, als er die Lehren des innern Sinnes des Wortes Gottes schrieb; daß aber während die Propheten und Evangelisten äußer-lich inspiriert waren, Swedenborg dagegen innerlich inspiriert war.Wir behaupten daher, daß Swedenborgs Inspiration eine innerliche, während die der Schreiber des Buchstabens des Wortes eine äußerliche war. Die Beschaffen-heit und Bedingungen dieser innerlichen Inspiration werden von ihm in dem Abschnitte, den wir soeben angeführt haben, in den folgenden Worten beschrie-ben: "Man muß wissen, daß Diejenigen, welche im Guten sind und daher im Wahren, hauptsächlich die welche im Guten der Liebe zum Herrn sind, eine Offenbarung aus dem Innewerden haben … Das echte Innewerden erfolgt durch den Himmel vom Herrn und regt das Verständnis geistig an und führt es ver-nehmbar zum Denken wie sich die Sache verhält, mit einer inneren Zustim-mung, von der ein Solcher nicht weiß woher sie kommt; er meint daß sie in ihm

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sei und daß sie sich aus dem Zusammenhang der Dinge ergebe, allein es ist eine Einsprache durch den Himmel vom Herrn in das Innewerden des Denkens, das einfließt in Beziehung auf solche dinge, welche über dem Natürlichen und Sinn-lichen sind, d.h. in Bezug auf solche Dinge, welche der geistigen Welt oder dem Himmel angehören."Wir behaupten, daß Swedenborg hier einen seiner eigenen Zustände beschreibt, und behaupten ferner, daß wenn er nicht in diesem Zustande gewesen wäre, er ihn nicht hätte beschreiben können.Wir wollen uns aber bestreben, noch mehr Licht auf diesen Gegenstand der innerlichen Offenbarung oder der innerlichen Inspiration zu werfen; dies können wir durch Anwendung der Lehre von dem mittelbaren und unmittelbaren Ein-flusse und besonders durch das Prinzip, das in Nr. 5 unserer kurzgefaßten Dar-stellung dieser Lehre enthalten ist, welches heißt: Wenn die Wiedergeburt des Menschen vollendet ist, dann regiert der Mensch sich nicht mehr selbst, sondern wird vom Herrn regiert; dann regiert ihn der Herr nicht nur durch den unmittel-baren Einfluß in sein Willen, sondern auch durch den mittelbaren Einfluß in sei-nen Verstand. Dann sind Wille und Verstand, Gutes und Wahres, mittelbarer und unmittelbarer Einfluß bei ihm verbunden." Denn, wie wir gleich sehen wer-den, ist die Verbindung des mittelbaren und des unmittelbaren Einflusses in dem Menschen, nur ein anderer Ausdruck für die Bedingungen unter welchen er im Stande ist, vom Herrn "Offenbarung durch Innewerden" oder innerliche Inspira-tion zu empfangen. Außerdem, wenn wir einen klaren Begriff von dem Zustande haben, in welchem diese beiden göttlichen Einflüsse verbunden, und wo sie im Menschen nicht verbunden sind, so werden wir im Stande sein, genauer zwi-schen innerlicher und äußerlicher Inspiration zu unterscheiden, und somit in ver-nunftmäßiger Weise den Zustand festzustellen, in welchem der Mensch weder innerlich noch äußerlich inspiriert ist. Wir lesen:(44.) "Diejenigen, welche der bei ihnen begründeten Lehre ihrer Kirche

gemäß denken und lehren, und die nicht wissen, ob sie Wahrheiten sind, außer weil sie aus der Lehre der Kirche stammen und von Gelehrten und erleuchteten Männern gelehrt wurden, können das mittelbar vom Göttli-chen ausgehende Wahre haben, dennoch aber ist es bei ihnen nicht mit dem Wahren, das unmittelbar vom Göttlichen ausgeht, verbunden; denn wenn es verbunden wäre, dann hätten sie die Neigung, das Wahre zu erkennen, um des Wahren willen und hauptsächlich um des Lebens wil-len; dadurch wären sie auch mit dem Innewerden begabt, ob die Lehren ihrer Kirche wahr sind, ehe sie dieselben bei sich begründen, und wür-den im Einzelnen sehen, ob die Gründe dafür auch mit der Wahrheit selbst übereinstimmen.""Die Propheten, durch welche das Wort geschrieben wurde, können als Beispiel dienen; sie schrieben es so, wie der Geist vom Göttlichen es ihnen vorsagte, denn die Worte selbst, welche sie schreiben sollten, wur-

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den ihnen hörbar verkündigt; bei ihnen war das mittelbar vom Göttli-chen, d.h. durch den Himmel ausgehende Wahre, aber nicht so das Wahre das unmittelbar vom Göttlichen ausgeht; denn sie hatten kein Innewerden, was das Einzelne im innern Sinn bedeutete, denn, wenn diese beide verbunden sind, dann findet, wie gesagt, ein Innewerden statt.""Diese Verbindung findet sich sehr selten bei einem Menschen, aber sie findet sich bei allen die im Himmel, besonders bei denen die im inners-ten oder dritten Himmel sind; sie findet sich bei dem Menschen nur dann, wenn er insoweit wiedergeboren ist, daß er vom Sinnlichen bis zu seinem Vernünftigen erhoben werden, und so im Lichte des Himmels, wo die Engel sind, verweilen kann.""Bei einem jeden Menschen findet zwar sowohl ein unmittelbarer als ein mittelbarer Göttlicher Einfluß statt, aber eine Verbindung derselben nur bei denjenigen, welche ein Innewerden des Wahren aus dem Guten haben; denn diejenigen, bei welchen der unmittelbare Göttliche Einfluß mit dem mittelbaren verbunden ist, lassen sich vom Herrn führen, die aber, bei welchen diese Einflusse nicht verbunden sind, führen sich selbst, und lieben es so" (H.G.7055).

Diese Stelle ist wichtig, weil Dr. Beyer, ein persönlicher Freund Swedenborgs, in seinem wertvollen Index zu Swedenborgs theologischen Werken (Band 1, Seite 466), auf sie hinweist, um die Beschaffenheit des Innewerdens Sweden-borgs dadurch zu erklären.Aus dieser Stelle lernen wir einerseits, daß diejenigen, bei welchen der mittel-bare und der unmittelbare Einfluß miteinander verbunden sind, "in der Neigung sind, das Wahre zu erkennen um des Wahren willen, und hauptsächlich um des Lebens willens," und daß "sie sich vom Herrn führen lassen"; und andererseits lernen wir, daß "diese Verbindung bei Allen im Himmel, und besonders bei denen im innersten oder dritten Himmel stattfindet," auch daß sie "beim Men-schen stattfindet, aber nur dann, wenn er insoweit wiedergeboren ist, daß er im Licht des Himmels, wo die Engel sind, verweilen kann."Aus diesem folgt, daß die Verbindung des mittelbaren und des unmittelbaren Einflusses, welches den Zustand des Innewerdens macht, durch die Wiederge-burt herbeigeführt wird; und während hieraus hervorgeht, daß Dr. Beyer, indem er diese Stelle auf Swedenborg anwendet, diesem einen hohen Grad von Wie-dergeburt zuschreibt, so beweist diese Stelle nichtsdestoweniger auch, daß bei allen Wiedergeborenen ebenfalls eine Verbindung des mittelbaren und unmittel-baren Einflusses stattfindet; hieraus scheint zu folgen, daß sie ebenfalls in einen ähnlichen Zustand des Innewerdens gelangen können.Wir geben gerne zu, daß diese Stelle zu einer solchen Schlußfolgerung zu berechtigen scheint; wenn jedoch diese Verbindung "bei Allen im Himmel exis-

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tiert", dann muß ein Unterschied in dieser Verbindung sein. Jedenfalls muß diese Verbindung im ersten, zweiten und dritten Himmel verschieden sein; denn das Göttlich-Wahre, welches mittelbar, und das, welches unmittelbar vom Herrn ausgeht, ist verschieden in jedem Himmel (siehe Nr. 39 und 40); ebenso ist das Gute, wodurch diese Verbindung geschieht (H.G.7056), in jedem Himmel ver-schieden. Wenn nun die Verbindung, welche das Innewerden in jedem der Him-mel verursacht, verschieden ist, so folgt, daß auch das Innewerden daher den Graden nach verschieden sein muß.Wenn aber die Verbindung des mittelbaren und unmittelbaren Einflusses bei den Engeln des Himmels so sehr verschieden ist, so muß sie bei den Menschen auf Erden, welche sich vom Herrn wiedergebären lassen, ebenso verschieden sein. Ein Mensch wird daher mit einem verschiedenen Grade von Innewerden begabt werden, je wie sein Gemüt durch die Wiedergeburt bis zu dem ersten, zweiten oder dritten Grad geöffnet worden ist, und er durch Wiedergeburt den Engeln des ersten, zweiten oder dritten Himmels beigesellt wird.Nur dann, wenn er im himmlischen Grade wiedergeboren ist, und somit nicht mehr durch die geistige, sondern durch die himmlische Liebe belebt wird, ist er in dem Zustande, daß er "innerlich inspiriert" werden, oder die "Offenbarungen durch Innewerden" erhalten kann. Wenn er nur im geistigen Grade wiedergebo-ren ist, und somit die Wahrheit der Wahrheit wegen und nicht des Guten wegen liebt, dann ist er im Zustande der Erleuchtung, aber nicht im Zustande des Inne-werdens; und Offenbarung, welche er dann empfängt, ist eine "Offenbarung aus Erleuchtung", aber keine "Offenbarung aus dem Innewerden", was eine ganz andere Sache ist. Daß es einen solchen Unterschied zwischen Erleuchtung und Innewerden gibt, ist klar aus folgender Stelle:(45.) "Diejenigen, welche die Wahrheit der Wahrheit wegen lieben, sind in der

Erleuchtung, und die, welche die Wahrheit des Guten wegen lieben, sind im Innewerden" (H.G.10'290).

Daß derselbe Unterschied zwischen "Offenbarung durch Erleuchtung" und "Offenbarung durch Innewerden" existiert, erhellt aus einer vernünftigen Betrachtung der folgenden Stellen:(46.) "Es gibt eine Offenbarung welche nicht mit lauter Stimme geschieht,

sondern inwendig im Menschen. Diese Offenbarung geschieht durch die Erleuchtung des innern Gesichts, d.h. des Verstandes, wenn der Mensch, welcher in der Neigung zum Wahren aus dem Guten ist, das Wort liest. Diese Erleuchtung kommt dann aus dem Lichte des Himmels, welches vom Herrn als der Sonne daselbst ausgeht; durch dieses Licht wird der Verstand ebenso erleuchtet wie das äußere Gesicht, welches das des Auges ist, von dem Lichte aus der Sonne der Welt. Wenn der Verstand von diesem Göttlichen Lichte erleuchtet wird, dann wird er als Wahrheit inne, was wahr ist, erkennt es innerlich an und sieht es gleichsam; so ist die Offenbarung bei Denen die in der Neigung zum Wahren aus dem

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Guten sind, wenn sie das Wort lesen. Diejenigen dagegen, welche in der Neigung zum Wahren aus dem Bösen sind, d.h. die nur um der Ehren-stellen, des Gewinnes, des guten Rufes, und ähnlicher Dinge willen, die Wahrheit zu wissen begehren, sehen sie nicht, sondern sehen nur das, was die Lehre ihrer Kirche bestätigt, sei es nun wahr oder falsch" (H.G.8780).

Die Offenbarung, welche bei dem Menschen existiert, dessen geistiger Grad geöffnet ist, und der von der Liebe zur Wahrheit der Wahrheit wegen beeinflußt wird, ist in der folgenden Stelle beschrieben:(47.) "Wie bei Denen, die im Guten, und aus demselben in der Neigung zum

Wahren sind, die Offenbarung beschaffen ist, kann nicht beschrieben werden; es ist keine ganz deutliche und auch keine ganz verborgene; sie besteht aber gleichsam in einem Beistimmen und in einer Geneigtheit, aus dem Innern anzuerkennen, daß etwas wahr sei, und in einer ungüns-tigen Stimmung, wenn es nicht wahr ist. Wenn eine Beistimmung da ist, dann beruhigt und erheitert sich das Gemüt, und in diesem Zustande ist der Mensch in der Anerkennung dessen, was Sache des Glaubens ist. Die Ursache hiervon ist aus dem Einflusse des Himmels vom Herrn, denn durch den Himmel vom Herrn kommt Licht, welches den Verstand, der das Auge des innern Gesichtes ist, erfüllt und erleuchtet; was dann in diesem Lichte erscheint, ist wahr; denn dieses Licht selbst ist das Gött-lich-Wahre, welches vom Herrn ausgeht" (H.G.8694); vergleiche auch W.C.R.231).

Aus dieser Stelle lernen wir, daß die, welche Offenbarung durch Erleuchtung haben, im Stande sind "durch ihren Verstand wahrzunehmen was wahr ist, es innerlich anzuerkennen, und es in gewissem Grade zu sehen"; wir sehen auch, daß diese Offenbarung besteht in "einer Beistimmung und Geneigtheit, aus dem Innern anzuerkennen, daß etwas wahr sei, und in einer ungünstigen Stimmung, wenn es nicht wahr ist". Dieser Zustand ist identisch mit dem Glauben im wah-ren Sinne. Jeder, welcher im Guten ist, und die Wahrheit der Wahrheit wegen liebt, kommt in einen solchen Zustand der Erleuchtung, und erhält vom Herrn die "Offenbarung" welche in diesen beiden Stellen beschrieben worden ist. Swe-denborg erklärt aber ganz ausdrücklich, daß: "Der Herr Jeden durch das Wort belehrt, und, daß Er ihn lehrt durch die Erkenntnisse, die bei dem Menschen sind, und ihm nicht unmittelbar neue Erkenntnisse eingießt" (W.C.R.208); ver-gleiche auch H.G.3508, 10'400; A.E.825).Wir sehen hieraus, daß der Zustand der Erleuchtung, welchen die Menschen der Kirche im Allgemeinen erlangt haben, wenn sie im Guten, und daher in der Liebe zum Wahren sind, sie noch nicht befähigt, neue Wahrheiten vom Herrn zu empfangen.Sie werden dadurch noch nicht in den Stand gesetzt, Zusätze zu den Lehren des innern Sinnes des Wortes zu machen, noch würde Swedenborg im Stande gewe-

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sen sein, die Lehren des Neuen Jerusalems vom Herrn zu empfangen, wenn er nur diese Art der Erleuchtung besessen hätte.Swedenborg erfreute sich daher eines höheren Zustandes von Erleuchtung, ja, er erfreute sich des Innewerdens vom Herrn, und die Offenbarung die ihm vom Herrn verliehen wurde, war "die Offenbarung des Innewerdens", welche oben beschrieben worden ist. Bei Swedenborg war daher das Göttlich-Wahre, wel-ches mittelbar vom Herrn ausgeht, mit dem Göttlich-Wahren, welches unmittel-bar von Ihm ausgeht, verbunden, in derselben Weise und in demselben Grade, wie es bei den Engeln des dritten Himmels verbunden ist; daher erfreute er sich des Innewerdens, wie es in folgender Stelle beschrieben ist:(48.) "Unterweisung im Einzelnen der Lehre findet statt, wenn das vom Gött-

lichen des Herrn unmittelbar ausgehende Wahre verbunden wird mit dem Wahren, das mittelbar ausgeht, denn alsdann findet ein Innewerden statt. Diese Verbindung findet hauptsächlich bei den Engeln statt, welche im innersten oder dritten Himmel sind, und himmlische genannt werden; diese haben das vorzüglichste Innewerden von beiderlei Arten des Wah-ren, und daher von der Gegenwart des Herrn. Der Grund ist, weil sie mehr als Andere im Guten sind; denn sie haben das Gute der Unschuld, deswegen sind sie dem Herrn am nächsten und in einem strahlenden und gleichsam flammenden Lichte, denn sie sehen den Herrn als Sonne, deren Lichtstrahlen solcher Art sind, in Folge der Nähe" (H.G.7058).

Aus dieser Stelle, in Verbindung mit unserer früheren Nummer über diesen Gegenstand (Nr.44), lernen wir, daß der Mensch, um "Unterweisung in jedem Einzelnen der Lehre, durch Innewerden vom Herrn zu haben", die folgenden Erfordernisse besitzen muß:

(a) Er muß im Guten sein (Nr.48).(b) Er muß das vorzüglichste Innewerden von beiderlei Arten des Wahren,

von dem mittelbaren und dem unmittelbaren Wahren, und daher von der Gegenwart des Herrn haben (Nr.48).

(c) Er muß den Herrn als Sonne sehen können (Nr.48).(d) Er muß so weit wiedergeboren sein, daß er über sein Sinnliches bis zu sei-

nem Verständigen erhoben werden und somit beständig in dem Lichte sein kann, in dem die Engel sind (Nr.44).

Unser Zweck ist jetzt zu beweisen, daß alle diese Bedingungen in Swedenborg erfüllt waren.

(a) Swedenborg war in einem Zustande des Guten.(49.) "Es wurde bemerkt und mir beigebracht, daß Alles, was der Mensch im Leben des Körpers getan hat, im andern Leben wiederkehrt; denn dort gibt es fortwährende Veränderungen der Zustände in die der Mensch eingeführt wurde; so daß es keinen einzigen Zustand des Lebens im Körper gibt, welcher im

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andern Leben nicht wiederkehrte; folglich auch Gefühle des Hasses und derglei-chen, nicht nur solche, die der Mensch getan, sondern auch solche die er bloß gedacht hatte … Es ist aber zu bemerken, daß bei Denen, die im Bösen waren, alles Böse, daß sie getan und gedacht haben, in der lebendigsten Weise wieder-kehrt, nicht so bei Denen, welche im Guten und im Glauben sind; denn bei die-sen kehrten alle Zustände des Guten, der Freundschaft und der Liebe, mit der größten Wonne und Seligkeit wieder zurück. Erfahrungsbeweis, daß kein Böses bei mir war" (D.S.4109).

(b) Swedenborg hatte das vorzüglichste Innewerden des Göttlich-Wahren, das mittelbar, und dessen, welches unmittelbar vom Herrn ausgeht, und somit von der Gegenwart des Herrn.Das besondere Innewerden, dessen sich Swedenborg erfreute, während er das Wort las und während er sich seinem Geiste nach in der geistigen Welt befand, wird hernach genauer beschrieben werden; für jetzt werden die folgenden Stel-len genügen diesen Satz bestätigen:(50.) "Es wurde mir gegeben, genau wahrzunehmen, was vom Herrn [durch

unmittelbaren Einfluß] und was von den Engeln [durch mittelbaren Ein-fluß] kam. Was vom Herrn kam, schrieb ich nieder, und was von den Engeln kam, schrieb ich nicht nieder" (A.E.1183).

(51.) "Durch eine stundenlange Erfahrung wurde mir gezeigt, wie alle Gedanke vom Herrn regiert werden; der Einfluß war wie eine sehr gelinde und fast unmerkliche Strömung, deren Triebkraft nicht sichtbar ist, die aber dennoch führt und zieht. Das, was vom Herrn einfloß, leitete die ganze Reihe meiner Gedanken in solcher Folgerichtigkeit, und zwar in gelinder, aber dennoch kräftiger Weise, daß ich nicht zu anderen Gedanken abweichen konnte, was ich auch versuchen durfte, aber es war vergeblich" (H.G.6474).

(c+d) Swedenborg konnte den Herrn als Sonne sehen, und er war soweit wie-dergeboren, daß er über sein Sinnliches, ja bis zu seinem Vernünftigen erho-ben werden und somit beständig in dem Lichte sein konnte, in dem die Engel sind.Daß Swedenborg "über den sinnlichen Grad bis in den vernünftigen erhoben werden und somit beständig in dem Lichte sein konnte, in dem die Engel sind", wird klar bewiesen durch seine Aussage in W.C.R.851, dem wir leicht noch Mehreres aus andern Teilen seiner Schriften beifügen könnten, nämlich: "Es wurde mir gegeben, in der geistigen Welt bei den Engeln zu sein, siebenund-zwanzig Jahre hindurch". Die Art und Weise seines Verkehrs mit den Engeln des Himmels und die Beschaffenheit des Lichtes, dessen er sich dort erfreute, wird von ihm folgendermaßen beschrieben:

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(52.) "Ich habe Unterredung mit Geistern und Engeln nun schon viele Jahre hindurch gehabt, aber kein Geist wagte es und kein Engel wünschte es, mir etwas zu sagen, noch weniger Belehrungen zu geben über etwas im Worte, oder über eine Lehre aus dem Worte, sondern es lehrte mich allein der Herr, der Sich mir offenbarte, und hernach als die Sonne, in welcher Er Selbst ist, beständig vor meinen Blicken erschien und noch erscheint, wie Er den Engeln erscheint, und mich erleuchtete" (G.V.135).

Endlich, daß Swedenborg in einem himmlischen Zustande war und sich somit des Innewerdens der Wahrheit erfreute, das diesem Zustande eigen ist, erklärt er selbst mit so vielen Worten auf einem Flugblatte seines Biblischen Indexes, wo er das Datum angegeben hat, wann er in diesen Zustand eingeführt wurde. Diese denkwürdige Stelle, welche auf der letzten Seite, in Band X seiner photo-litho-graphischen MSS. wiedergegeben ist, lautet wie folgt: "1747, August den 7-ten, alter Styl [der Zeitrechnung]: Es war eine Veränderung des Zustandes in mir, in das himmlische Reich, in einem Abbilde" (mutatio status in me, in coeleste reg-num, in imagine).Aber was meint Swedenborg damit, daß "eine Veränderung des Zustandes in ihm, in das himmlische Reich, in einem Abbilde", stattgefunden habe? Eine Antwort darauf findet sich auf der letzten Seite einer Abhandlung, woran er kurze Zeit vor seinem Tode beschäftig war und welche den vollen Plan seiner unvollendeten »Coronis« enthält. Dieselbe wurde von Dr. Immanuel Tafel im Anhange I, zu der lateinischen Herausgabe des »Geistigen Tagebuches« gedruckt. Da heißt es:(53.) "Anstatt der Wunder, welche in der Kirche vor der Ankunft des Herrn

geschahen, ist heutzutage eine Erscheinung des Herrn Selbst und eine Einführung in die geistige Welt geschehen, und dort, durch unmittelba-res Licht vom Herrn, eine Erleuchtung in solchen Dingen, welche das Innere der Kirche bilden; besonders aber eine Eröffnung des geistigen Sinnes des Wortes, in welchem der Herr in Seinem Göttlichen Lichte ist. Diese Offenbarungen sind keine Wunder, denn jeder Mensch ist seinem Geiste nach in der geistigen Welt, doch ohne von seinem Körper in der natürlichen Welt getrennt zu sein. In meinem Falle jedoch mit einer gewissen Trennung, doch nur dem verständigen Teile meines Gemütes, nicht aber meinem Willensteile nach" (Seiten 168, 169).

Dem verständigen Teile nach, war Swedenborg also den Fesseln von Raum und Zeit überhoben, aber nicht seinem Willensteile nach; durch dies wird verstan-den, daß obgleich sein Willensteil, dem himmlischen Grade nach, wiedergebo-ren war, derselbe dennoch eben so sehr an den Körper auf Erden gebunden blieb, wie der Wille aller Solcher auf Erden, welche bis zum himmlischen Grade ihres Gemütes wiedergeboren werden, oder wiedergeboren sind. Wie sehr dies an den Körper auf Erden Gebundensein, den geistigen Zustand derer beeinflußt,

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welche in diesem Leben wiedergeboren werden, wird in folgender Stelle gezeigt:(54.) "Die Erleuchtung des natürlichen Gemütes [d.h. des Menschen in der

natürlichen Welt] steigt nicht durch gesonderte Grade auf, sondern nimmt zu in der Weise des stetig fortlaufenden Grades, und so wie es zunimmt, wird es von innen heraus dem Lichte der beiden oberen Grade erleuchtet. … Das natürliche Gemüt kann bis zu dem Lichte des Him-mels, in dem die Engel sind, erhoben werden, so daß es in natürlicher Weise fassen kann was die Engel geistig fassen, doch nicht so vollstän-dig, indem gleichwohl das natürliche Gemüt des Menschen nicht in das Engelslicht selbst erhoben werden kann. Wenn das Gemüt des Menschen in das Licht des Himmels erhoben ist, so kann er mit den Engeln denken, ja, selbst mit ihnen reden, wobei jedoch das Denken und Reden der Engel in das natürliche Denken und Reden des Menschen einfließt, und nicht umgekehrt, weshalb die Engel mit dem Menschen in der natürli-chen Sprache reden, welche des Menschen Muttersprache ist. Dies geschieht durch einen geistigen Einfluß in das natürliche Gemüt und nicht durch ein natürliches Einfließen in das geistige Gemüt. Die menschliche Weisheit, welche natürlich ist, solange der Mensch in der natürlichen Welt lebt, kann durchaus nicht in die Engelsweisheit erhoben werden, sondern nur in eine Art Abbild derselben" (GLW.256,257).

Aus all diesem ersehen wir, daß da Swedenborg seinem verständigen Teile nach von dem natürlichen Körper getrennt werden konnte, er vom Herrn, durch Inne-werden, über "jeden Punkt der Lehre Unterricht erhalten konnte", sowie dies der Fall ist, bei den Engeln des höchsten Himmels, die im Innewerden vom Herrn sind (siehe Nr.48); und er konnte somit vom Herrn die innerliche Offenbarung erhalten, welche in "einer Einsprache besteht, die vom Herrn durch Himmel in das Innere der Gedanken einfließt und Unterricht über solche Dinge gibt, die über dem Natürlichen und Sinnlichen stehen, d.h. über solche Dinge, die der geistigen Welt und dem Himmel angehören" (siehe Nr.43).Niemand in dieser Welt kann in solchen Zustand des Innewerdens gelangen, sollte er auch in so hohem Grade wiedergeboren sein, wie Swedenborg, außer sein Verstandesteil werde von seinem natürlichen Körper in der Weise getrennt, wie das bei Swedenborg der Fall war. Dies war aber ein solch' ausnahmsweiser Zustand, daß vermutlich Niemand nach ihm in denselben kommen wird, wie auch Niemand vor ihm je in demselben war. Dies wird von ihm selbst in den fol-genden klaren Worten bezeugt:(55.) "Die Erscheinung des Herrn und die Einführung in die geistige Welt,

übertritt alle Wunder. Dieses ist seit der Schöpfung Niemanden wie mir zu Teil geworden. Die Menschen des goldenen Zeitalters haben zwar mit den Engeln geredet; aber es wurde ihnen nicht gegeben in einem andern, als im natürlichen Lichte zu sein; mir aber wurde gegeben zu gleicher

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Zeit im natürlichen und im geistigen Lichte zu sein. Dadurch wurde mir gegeben die wunderbaren Dinge des Himmels zu sehen, unter den Engeln zu sein wie Einer von ihnen, und zugleich Wahrheiten im Lichte zu schöpfen, sie so wahrzunehmen und sie zu lehren, und folglich, vom Herrn geführt zu werden" (Invitatio ad Novam Ecclesiam, Nr. 52, im »Geistiges Tagebuch, Anhang I, Seite 157).

Dieser Ausnahmezustand wurde vom Herrn nur dem Swedenborg verliehen, weil es das Werkzeug sein sollte, wodurch der Herr Seine Zweite Ankunft bewirken wollte. — Während Swedenborg in dieser Weise, seinem Verständi-gen nach, vom natürlichen Körper getrennt, mit Engeln des Himmels zusammen sein und sich ihres Innewerdens erfreuen konnte, so war er seinem Willensteile nach, nicht vom natürlichen Körper getrennt. In Beziehung seines Guten, blieb er doch den Schranken der natürlichen Welt unterworfen. Seinem Verständigen nach war er aber Banden der Natur überhoben und bei den Engeln als Einer von ihnen, aber seinem Willensteile nach blieb er auf Erden und war ein Mensch unter Menschen. In Bezug auf die Wahrheiten und die Lehren, war er im Stande in das Allereinzelnste einzudringen, wie die Engel des höchsten Himmels, aber seinem Guten nach blieb er im Allgemeinen. Deswegen sagt er auch: "Es war eine Veränderung des Zustandes in mir, in das himmlische Reich, in einem Abbilde", wie wir auch lesen, daß menschliche Weisheit, solange der Mensch in dieser Welt lebt, d.h. solange als sein Vernünftiges an den natürlichen Körper gebunden ist, "durchaus nicht in die Engelsweisheit erhoben werden kann, son-dern nur in eine Art von Abbild derselben" (Nr.54).Wenn daher Swedenborg, seinem Willensteile nach, oder seinem Guten nach, in dem Allgemeinen blieb, das dieser Welt angehört, obwohl dieses allgemeine Gute das Abbild des höchsten himmlischen Guten war, so ist es unvernünftig zu behaupten, daß die Wahrheiten, welche er im Stande war zu sehen, dem Zustande des Guten in ihm entsprochen, oder, daß der Zustand seiner Erleuch-tung von seiner Wiedergeburt abgehangen hätte.Wenn aber im Gegenteil, die Wahrheit, welche Swedenborg zu sehen im Stande war, nicht dem Zustand seines Guten entsprach, oder wenn seine Wahrheit nicht der Form seines Guten war, dann konnte diese Wahrheit ihm nur vom Herrn Selbst beigebracht und ihm nur durch eine innerliche Offenbarung oder eine innerliche Inspiration mitgeteilt worden sein.Wir sehen daher, daß die Behauptung Vieler, welche Swedenborgs Erleuchtung und Inspiration von seiner Wiedergeburt abhängig machen, und sie, durch sein Gutes modifiziert und bestimmt wissen wollen, Unrecht haben; und daß die andere Ansicht, welche ebenfalls vorgebracht worden ist, nämlich, daß sie gänz-lich von seinem verständigen Gemüte der Wahrheit nach abhängig gewesen sei, und somit nicht dem Zustand seines Guten, mehr Wahrheit für sich hat. Doch wird diese zweite Ansicht in dem Verhältnis unrecht und falsch, in dem Diejeni-gen, die sie hegen, behaupten, daß Swedenborgs Inspiration gänzlich vom

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Zustande seiner Wiedergeburt unabhängig gewesen sei. Denn, wie wir schon zu zeigen Gelegenheit gehabt haben, war Swedenborgs Wiedergeburt, oder der Zustand seines Guten, ein sehr wichtiges Mittel, ihn in den Zustand der Inspira-tion zu bringen. Der genaue Anteil aber, den das Gute in allen Fällen an Erleuchtung, Innewerden, und Inspiration hat, wird uns bei Betrachtung der fol-genden Stellen erscheinen:(56.) "Erleuchtung und Wahrnehmung ist unmöglich, wenn keine Neigung

oder Liebe da ist, welche die geistige Wärme ist, und Demjenigen Leben gibt, was durch das Licht erleuchtet wird; vergleichsweise so wie das Licht der Sonne den Gewächsen nicht Leben gibt, sondern die Wärme, welche im Lichte ist, wie aus den Jahreszeiten erhellt" (H.G.3138). "Wenn der Mensch im Guten ist, und aus dem Guten in den Wahrheiten, dann wird er in das Göttliche Licht erhoben, und je nach dem Maße und der Beschaffenheit des Guten in ein mehr inneres Licht; dadurch wird ihm eine allgemeine Erleuchtung zu Teil, in welcher er vom Herrn unzählige Wahrheiten sieht, die er aus dem Guten inne wird, und alsdann wird er vom Herrn zur Wahrnehmung und Aufnahme dessen geführt, was ihm angemessen ist, und zwar in den einzelnsten Dingen der Ord-nung gemäß, wie es für sein ewiges Leben erforderlich ist" (H.G.9407). "Das Licht des Wahren verhält sich beim Menschen ganz dem Zustand seiner Liebe gemäß; inwieweit die Liebe entzündet wird, insoweit leuch-tet das Wahre; denn das Gute der Liebe ist das eigentliche Lebensfeuer, und das Wahre des Glaubens ist das eigentliche Verstandeslicht, welches Einsicht und Weisheit ist; jene beiden halten gleichen Schritt" H.G.10'201).

(57.) "Alle Erleuchtung ist aus dem Guten, denn das Gute welches der Liebe angehört ist vergleichsweise wie die Sommerflamme, aus welcher Wärme und Licht kommt; das Wahre aber ist wie der Gegenstand, durch welchen die Flamme hindurch scheint, daher vom Lichte die Erleuch-tung; aber wie das Licht von daher, so beschaffen ist die Erleuchtung; das Gute wird allein von dem Wahren aufgenommen, aber wie das Wahre, so beschaffen ist die Aufnahme und so beschaffen daher ist die Erleuchtung. Wann daher durch das Wahre die Erleuchtung geschieht, dann scheint die Erleuchtung vom Wahren auszugehen, wie wenn sie diesem angehörte, wiewohl sie dem Guten angehört, das so durch das Wahre hindurch scheint" (H.G.3094).

(58.) "Der Herr fließt bei dem Menschen ein und ist bei ihm gegenwärtig, in dem Guten, welches er vom Herrn empfängt, denn das Gute macht den Menschen selbst, und ein Jeder ist so beschaffen, wie sein Gutes ist. Unter Gutem wird die Liebe verstanden, denn Alles, was geliebt wird, das heißt gut. Man glaubt, der Herr sei gegenwärtig in dem Wahren, das man Glaubenswahres nennt; allein Er ist nicht gegenwärtig in dem Wah-ren ohne das Gute; wo aber Gutes ist, da ist Er im Wahren gegenwärtig

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durch das Gute; und nur soweit im Wahren, als es zum Guten hinführt und vom Guten ausgeht" (H.G.10'153).

Da der Herr bei dem Menschen im Guten gegenwärtig ist, und da Er in das Gute bei ihm einfließt, und durch das Gute in sein Wahres, und da die Beschaffenheit und der Grad seiner Erleuchtung, und somit auch das Innewerden welches er vom Herrn empfängt, gemäß der Beschaffenheit seines Guten ist, so folgt, daß der Herr auch bei Swedenborg in seinem Guten gegenwärtig war und daß Er durch das Gute bei ihm einfloß, und daß gemäß der Vortrefflichkeit des Guten in Swedenborg auch die Vortrefflichkeit seiner Erleuchtung war, die er vom Herrn zu empfangen befähig war. Es war daher nicht nur wichtig, sondern es war abso-lut notwendig, daß Swedenborg in seinem höchst vorgerückten Grade der Wie-dergeburt stand, um vom Herrn die möglichst höchste Erleuchtung zu erhalten, die Er menschlichen Gemütern verleihen kann.Außerdem findet die Verbindung des mittelbaren und unmittelbaren Einflusses, welche von Dr. Beyer Swedenborg zugeschrieben wird, und welche die unerläß-liche Bedingung ist, wodurch Engel und Menschen in den Zustand des Innewer-dens vom Herrn kommen können, ausschließlich nur im Guten statt; wie wir in der folgenden Stelle lesen:(59.) "Die Verbindung des unmittelbaren vom Göttlichen ausgehenden Wah-

ren, mit dem Wahren das mittelbar ausgeht, kann nur stattfinden im Guten; folglich nur wenn der Mensch vom Wahren angeregt wird um des Wahren willen, hauptsächlich um des Guten, somit um des Lebens willen; denn alsdann ist der Mensch im Guten. Wie es sich mit dieser Verbindung verhält, kann man ferner aus Folgendem erkennen: Das unmittelbar vom Göttlichen ausgehende Wahre geht in den Willen des Menschen ein, das ist sein Weg; hingegen das Wahre, das vom Göttli-chen mittelbar ausgeht, geht in den Verstand des Menschen ein; deshalb kann keine Verbindung statt finden, wenn der Wille und der Verstand nicht zusammenwirken, nämlich wenn nicht der Wille das Gute will, und der Verstand es durch Wahre bestätigt; daher erscheint, wenn die Ver-bindung vollzogen ist, der Herr als gegenwärtig; Seine Gegenwart wird auch empfunden. Wenn aber keine Verbindung da ist, dann ist der Herr gleichsam abwesend; aber Seine Abwesenheit wird nicht empfunden, wenn man nicht aus einigem Innewerden weiß, was Seine Gegenwart ist" (H.G.7056).

Swedenborgs Wiedergeburt, oder sein Zustand des Guten, hatte daher sehr viel mit seiner Inspiration zu tun; denn sie befähigte ihn den Einfluß des Herrn zu empfangen und ihn wahrzunehmen; und doch bestimmte sie das Maß seiner Inspiration nicht; denn er war seinem Verständigen nach von seinem natürlichen Körper getrennt, welches durch einen besonderen Akt der Vorsehung geschah, so daß sein Verstandesvermögen nicht vom Zustande seines Guten anhängig war. Außerdem ist das Maß der Erleuchtung beim Menschen im Allgemeinen,

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wirklich von den Wahrheiten und Kenntnissen der Wahrheit die in seinem Ver-stande sind, und welche die äußeren Gefäße im Gemüte bilden, die den Göttli-chen Einfluß aufnehmen, abhängig. Dies ist ein anderer, sehr wichtiger Punkt, welcher von denen nicht genug beachtet wird, die behaupten, daß die Lehren des innern Sinnes des Wortes, in ihrem gegenwärtigen Zustande nicht vollständig seien, und daß sie durch andere Menschen, welche fähig sind in einem ähnlichen Zustand der Erleuchtung mit Swedenborg zu kommen, vervollständigt werden müssen. Denn, um Swedenborgs Werke vervollständigen zu können, müssen sie sich nicht nur in einem ähnlichen Zustande des Guten, sondern auch in einem ähnlichen Zustande des Wahren, oder der Kenntnisse befinden. Sie müßten sich daher dieselbe ungeheuere Menge von Kenntnissen erweben, die sich Sweden-borg während der ersten siebenundfünfzig Jahre seines Lebens gesammelt hatte; und obendrein noch alle übernatürlichen Kenntnisse, die er sich während der achtundzwanzig oder neunundzwanzig Jahre, währen sein geistiges Gesicht geöffnet war, erwarb.Daß das Maß der Erleuchtung eines Menschen von den Kenntnissen der Wahr-heit bei ihm abhängig ist, wird in Nr. 57 bewiesen, wo es heißt: "Alle Erleuch-tung ist aus dem Guten," d.h. daß Derjenige, welcher nicht im Guten ist, auch nicht in der Erleuchtung sein kann; wo aber dieser Satz zugleich durch die fol-gende Erklärung bestimmt wird: "Das Wahre allein ist es, welches das Gute auf-nimmt, aber wie das Wahre, so ist auch die Aufnahme beschaffen, und so beschaffen ist daher die Erleuchtung."Da die Wichtigkeit der Kenntnisse oder der Aufnahmegefäße für die Erleuch-tung oder das Innewerden in der Kirche gewöhnlich unterschätzt, der ganz bei Seite gesetzt wird, so wollen wir die Lehren der Kirche über diesen Gegenstand hier in extenso geben:(60.) "Ohne Erkenntnisse des Guten und Wahren kann das Natürliche vom

Vernünftigen nicht erleuchtet, somit nicht wiedergeboren werden. Die Erkenntnisse sind die aufnehmenden Gefäße des Guten und Wahren, das vom Vernünftigen einfließt; je wie und in welchem Maß die Gefäße auf-nehmen, in solchem Maße werden sie erleuchtet" (H.G.3508).

(61.) "Durch Unterricht wird das Inwendigere, und so das Innere gebildet, und zur Aufnahme des Guten der Liebe und der Glaubenswahrheiten, und so zum Innewerden des Guten und Wahren befähigt. Niemand kann inne-werden, was er nicht weiß und glaubt, somit kann er nicht mit dem Ver-mögen, das Gute der Liebe und das Wahre des Glaubens inne zu werden, begabt werden, außer durch Kenntnisse" (H.G.1802).

(62.) "Der Herr lehrt Jeglichen durch das Wort, und zwar lehrt Er ihn durch die Erkenntnisse, die bei dem Menschen sind, und gießt ihm nicht unmit-telbar neue ein" (WCR.208)."Der Mensch, welcher vom Herrn geführt wird, wird von Tag zu Tag

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belehrt was er zu tun und zu sprechen hat, und auch was er zu predigen und zu schreiben hat; denn, wenn da Böse fortgeschafft ist, so ist er beständig unter des Herrn Einfluß, und erfreut sich der Erleuchtung. Aber er wird nicht unmittelbar durch eine Einsprache oder eine wahr-nehmbare Inspiration, sondern durch den Einfluß in seinen geistigen Lustreiz vom Herrn geführt und wird belehrt, woher er ein Innewerden hat, gemäß den Wahrheiten aus welchen sein Verstand zusammengesetzt ist" (H.G.825).

Ferner, daß das Maß der Lehre des innern Sinnes, das der Mensch fähig ist vom Herrn zu empfangen, ganz und gar "von dem Lichte anhängt, in welchem er aus den Erkenntnissen ist, die bei ihm sind", wird sehr klar in der folgenden Stelle gelehrt:(63.) "Die Lehre, welche zur Leuchte dienen muß, damit der Mensch die Gött-

lichen Wahrheiten des Wortes sehen kann, ist die welche der innere Sinn lehrt, somit ist sie der innere Sinn selbst, welcher gewissermaßen einem Jeden offen steht, wenn er auch nichts vom innern Sinne weiß, wenn er im Äußern ist vom Innern her, d.h. wenn ihm der innere Mensch geöff-net ist; denn der Himmel, welcher im innern Sinne des Wortes ist, fließt bei einem solchen Menschen ein, wenn er das Wort liest, erleuchtet ihn und gibt ihm ein Innewerden und belehrt ihn dadurch; ja, wenn man's glauben will, der innere Mensch beim Menschen ist von selbst im innern Sinne des Wortes, weil er ein Himmel in kleinstem Abbild und daher bei den Engeln im Himmel ist, wenn er (der innere Mensch) geöffnet ist; daher ist er auch in einem ähnlichen Innewerden mit ihnen, was auch daraus erhellen kann, daß die innern Vorstellungen des Menschen nicht von solcher Art sind, wie seine natürlichen Vorstellungen, welchen sie jedoch entsprechen; welcher Art sie aber sind, weiß der Mensch nicht, solange er im Leibe lebt; er kommt aber von selbst in dieselben, wenn er ins andere Leben kommt, weil sie ihm eingepflanzt sind; und durch sie ist er sogleich in Genossenschaft mit den Engeln. Hieraus erhellt, daß der Mensch, bei welchem das Innere geöffnet ist, im innern Sinne des Wortes ist, obgleich er es nicht weiß. Von daher wird ihm Erleuchtung zu Teil, wenn er das Wort liest, aber gemäß dem Lichte, welches er ver-mittelst der Erkenntnisse, die sich bei ihm finden, haben kann" (H.G.10'400).

Dies ist eine äußerst wichtige Stelle, denn sie bezeugt: Erstens, daß die Erleuch-tung, in der Jemand sein mag, obgleich sie inwendig von dem Zustand seines Guten abhängt, dennoch ihre äußere Beschaffenheit durch "die Erkenntnisse, die bei ihm sind", erlangt, so daß, um derselben Erleuchtung wie Swedenborg teil-haftig zu werden, er nicht nur in demselben Grade des Guten wie dieser sein muß, sondern auch alle seine Erkenntnisse besitzen muß. Unter Erkenntnissen werden hier die Erkenntnisse aus dem Worte Gottes, und auch die Erkenntnisse verstanden, welche Swedenborg durch Öffnung seines geistigen Gesichtes

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erlangte. Und Zweitens, lernen wir hieraus, daß obgleich Jedem der innere Sinn geöffnet wird, der "im Äußern ist vom Innern her", d.h. Jedem der wiedergebo-ren ist, so bleibt er doch unbekannt mit der Beschaffenheit des innern Sinnes, "solange er im Körper lebt", während er von selbst hinein kommt, wenn er ins andere Leben tritt. In der natürlichen Welt "hat er Erleuchtung, während er das Wort ließt", aber diese Erleuchtung ist ganz allgemein, solange sein Verstand von dem natürlichen Körper umgeben und daran gebunden ist; sobald aber sein Verstand aus dem Gefängnis dieses materiellen Körpers und von den Fesseln von Zeit und Raum befreit ist, kommt er von selbst in die Erkenntnis der "Beschaffenheit" des innern Sinnes, und ist somit im Stande ihn zu beschreiben.Wir sehen, daher, daß, um die Beschaffenheit des innern Sinnes beschreiben zu können, d.h. um nicht nur das Allgemeine, sondern auch die Einzelheiten des innern Sinnes beschreiben zu können, es nicht genug ist, im Zustande des Guten durch die Wiedergeburt zu sein, und den Verstand reichlich mit Erkenntnissen angefüllt zu haben, sondern, daß auch das Verstandesvermögen von Zeit und Raum entbunden sein muß, damit das Gesicht seines Geistes geöffnet, und er, seinem Verständigen nach, unter Engeln sein kann. Gesetzt der Fall, ein Mensch könnte in dieser Welt in denselben Zustand des Guten und der Erkenntnisse kommen, in dem Swedenborg war, und er wäre sei-nem Verstandesvermögen nach, nicht in derselben Weise wie Swedenborg vom Körper getrennt, so würde er nicht im Stande sein die Einzelheiten, sondern nur das Allgemeine des innern Sinnes der Schrift zu sehen; er würde daher auch den innern Sinn, in Bezug auf dessen Beschaffenheit, nicht beschreiben, und somit auch keine eingebildete Unvollkommenheit der Lehre des innern Sinnes verbes-sern können.Sollte aber dennoch Jemand darauf bestehen, daß bei Jedem das geistige Gesicht geöffnet werden könne, so antworten wir, daß Swedenborg selbst in Nr. 55 erklärt, daß diese Gabe in seinem Falle ein Ausnahmefall war; daß es "dem Menschen des Goldenen Zeitalters nicht gegeben war", und daß "dieses seit der Schöpfung Niemand zu Teil geworden" als ihm.Wir sehen hieraus, daß die Beschaffenheit und der Grad von Swedenborgs Erleuchtung, oder seiner Inspiration, nicht vom Zustande seines Willens oder seines Guten allein, noch vom Zustande seiner vernünftigen Einsicht oder seiner Erkenntnisse allein, noch von der Wiedergeburt seines Willens, verbunden mit einer gründlichen Entwicklung seines Verstandes durch Ausstattung mit Erkenntnissen, abhängig war, – denn, diesen Zustand, obwohl für Swedenborg unerläßlich, konnte er doch mit andern Gliedern der Kirche, die möglicherweise einen ähnlichen Zustand des Unterrichts und Studiums durchgemacht und einen ebenso hohen Zustand der Wiedergeburt erreicht haben mögen, gemein haben; – aber der unterscheidende Zug seiner Inspiration bestand in der Tatsache, daß sein Verstandesteil von seinem natürlichen Körper geschieden war, wodurch er in den Stand gesetzt wurde, das Göttlich-Wahre vom Herrn in demselben Lichte

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zu sehen, in dem es die Engel des höchsten Himmels aufnehmen und inne wer-den.Da die Wichtigkeit, welche die Öffnung des geistigen Gesichtes Swedenborgs hatte, in Bezug auf seine Befähigung "die Lehren der Neuen Kirche in seinem Verstande aufzunehmen", (W.C.R.779), von Gliedern der Neuen Kirche gewöhnlich nicht genug beachtet wird, und Einige sogar glauben, daß die Bedin-gung, auf welcher seine Erleuchtung beruhte, nicht innerlicher sondern nur äußerlicher Beschaffenheit war, und, daß er nur "zu den Zeiten, als er andächtig "das Wort las", mit seiner besondern Erleuchtung begabt war",* so ist es wohl notwendig, diesen Gegenstand ausführlicher zu betrachten(*) Siehe Verhandlungen der Englischen Konferenz der Neuen Kirche, 1873, S. 49)

Den ersten Nutzen, welchen die Öffnung des geistigen Gesichtes Swedenborgs hatte, war, wie wir gesehen, in seinem Verstande die nötigen Gefäße oder Erkenntnisse zur Aufnahme der Lehren des innern Sinnes, d.h. des Göttlich-Wahren, welches mittelbar vom Herrn ausgeht, wie es sich in den Himmeln befindet, zu bereiten. Daß Swedenborg durch diese Erfahrung in der andern Welt befähigt wurde, das Göttlich-Wahre, und somit die Lehre des innern Sin-nes in sein vernünftiges Gemüt aufzunehmen, und dadurch ein vernünftiges Ver-ständnis derselben zu erlangen, wird von ihm selbst in folgender Stelle deutlich dargetan:(64.) "Viele der innerlichen Dinge des Wortes des Gott-Messias können nicht

aus der Erfahrung dieses Menschengeschlechts erlernt werden, sondern müssen aus der Erfahrung des früheren Menschengeschlechts und der der Geister erlernt werden.""Es kommen viele Dinge im Worte des Gott-Messias vor, sowohl im Alten als im Neuen Testamente, welche unverständlich sein müssen. Die Ursache davon ist jedoch, daß das gegenwärtige Menschengeschlecht ganz anders ist als das, welches in der Alten, und nachher in der ursprünglichen christlichen Kirche lebte. Hätten sie noch gelebt, so hät-ten sie dasselbe sehr gut aus der Erfahrung und aus der Offenbarung in sich selbst wissen können; doch kann man dies immer noch besser aus dem Zustand der Geister oder der Menschenseelen wissen, welche jetzt die unterste Sphäre des Himmels erfüllen. Dies ist auch die Ursache, warum es mir erlaubt ist, von ihnen Erfahrungen anzuführen, von Din-gen die heutzutage, sozusagen vermischt sind, und somit dem Zustand der Unwissenheit abzuhelfen." (D.S.200).

Der Nutzen dieser Erfahrungen, oder der Erkenntnisse der andern Welt, welche Swedenborg vermöge der Öffnung seines geistigen Gesichts sammeln konnte, war nicht nur, ihn zu befähigen, "die Lehren des innern Sinnes in seinem Ver-stand aufzunehmen", sondern auch uns, seine Leser, zu befähigen, ein vernünfti-ges Verständnis dieser Lehren zu bekommen. Dies ersehen wir aus dem Folgen-den:

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(65.) "Da mir vermöge der Göttlichen Barmherzigkeit des Herrn verliehen worden ist, den innern Sinn des Wortes zu wissen, und, da in diesem die tieferen Geheimnisse enthalten sind, die nie zuvor in Jemandes Erkennt-nis gekommen sind, und auch nicht kommen können, wenn man nicht weiß, wie sich die Dinge im andern Leben verhalten (denn das Meiste, das im innern Sinn des Wortes enthalten ist, bezieht sich darauf, beschreibt sie, und schließt sie ein); so ist mir gestattet worden, zu eröff-nen, was ich nun etliche Jahre hindurch, während welcher mir verliehen war, mit Geistern und Engeln umzugehen, gehört und gesehen habe" (H.G.67).

Die Hauptsache jedoch, warum Swedenborgs Verstandes-Wesen von seinem natürlichen Körper getrennt wurde, und der Herr sein geistiges Gesicht, oder das Gesicht seines innern Verständnisses öffnete war, damit er die Einzelheiten des innern Sinnes, wie diese von den Engeln des Himmels gesehen und verstanden werden, sehen und beschreiben möge, und daß er auf diese Weise, aus dem äußern sinnlichen Lichte, in welchem die Lehren des innern Sinnes dem Men-schen auf Erden erscheinen (vergl. Nr.54), entfernt werden könne. Dies wird hauptsächlich in folgender Stelle von Swedenborg dargetan:(66.) "Der innere oder geistige Sinn, und die Geheimnisse des Zustandes der

Kirche in den Himmeln und auf den Erden, welche in diesem Sinne ent-halten sind, kann Niemand geoffenbart werden, wenn er nicht diesen Sinn kennt, und ihm zugleich gegeben wird, Umgang mit den Engeln zu haben, und geistig mit ihnen zu reden" (J.G.42).

Doch war es nicht nur die Tatsache, daß sein Verstand durch seinen Zusammen-hang mit dem Körper auf die allgemeinen Grundsätze der natürlichen Welt beschränkt war, welche ihn verhinderte, die Lehren des innern Sinnes wahrzu-nehmen; denn diese Lehren hätten ihm in einem allgemeinen Lichte erschienen können, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, welche die Glieder der Neuen Kirche im Besitz seiner Lehre haben, oder wenn seine Gemütsbeschaffenheit wie die der Menschen der Ältesten Kirche gewesen wäre (siehe H.G.4493), obwohl bei ihnen ihr Verstandes-Wesen nicht vom natürlichen Körper getrennt war, und sie das Göttlich-Wahre nur im allgemeinen Lichte der natürlichen Welt und nicht im besonderen Lichte der geistigen Welt sehen könnten (siehe Nr. 55). Eine fernere Ursache, warum es nötig war, daß Swedenborg, seinem Verstande nach, vom Körper getrennt wurde, gibt er an, wenn er sagt:(67.) "Damit die wahre christliche Religion bekannt gemacht werde, war es

unbedingt notwendig, daß Jemand in die geistige Welt eingeführt werde, und aus dem Munde des Herrn echte Wahrheiten aus dem Worte schöpfe; … denn es ist heutzutage ebenso unmöglich auch nur eine ein-zige echte Wahrheit aus dem Worte zu sehen, die nicht mit Falschem umgeben, oder damit befleckt wäre, und die nicht mit Falschem zusam-menhinge, als nach den Plejaden (dem Siebengestirn) zu fahren, oder das

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Gold, das in der Mitte der Erde ist, herauszugraben" (Invitatio ad Novam Ecclesiam, Nr. 38).

Swedenborgs geistiges Gesicht wurde daher geöffnet, und ihm vom Herrn gege-ben, Umgang mit Geistern und Engeln zu haben, damit er den verkehrten Lehren der Kirchen auf Erden entgehen könne; weshalb es auch, strenggenommen wahr ist, daß die Lehren der Neuen Kirche durch Swedenborg vom Himmel auf die Erde herabgebracht worden sind, oder, wie es in der Offenbarung heißt (Kap.21,2): "Ich Johannes, sahe die heilige Stadt, das Neue Jerusalem, vom Gott aus dem Himmel herabkommen." Jedoch, da der innere Sinn das Wort Gottes ist, so wie es bei den Engeln im Himmel ist, so war es notwendig, um die Leh-ren des innern Sinnes aus dem Himmel herabzubringen, daß Swedenborg diese Lehren in demselben Lichte sah, in welchem sie von den Engeln wahrgenom-men werden; weshalb wir in Nr. 53 lesen, daß Swedenborg "in die geistige Welt eingeführt wurde", und daß er da "durch unmittelbares Licht vom Herrn in sol-chen Dingen erleuchtet wurde, die das Innere vom Herrn in solchen Dingen erleuchtet wurde, die das Innere der Kirche bilden"; dies bestätigt er in dem Fol-genden:(68.) "Um den Weg zum Himmel und ebenso die Wahrheiten der Kirche aus

dem Worte zu lehren, hat es dem Herrn gefallen, mich von meiner frühe-sten Jugend auf zum Innewerden des Wortes vorzubereiten. Er führte mich in die geistige Welt ein, und erleuchtete mich in größerer Nähe mit dem Lichte Seines Wortes" (Invitatio ad Novam Ecclesiam, Nr. 55).

Swedenborgs "Vorbereitung von frühesten Jugend auf, zum Innewerden des Wortes", bestand, ohne Zweifel in der Wiedergeburt seines Willens und in der Entwicklung seines vernünftigen Gemütes, durch das Studium des Wortes und der Naturwissenschaften; doch unterging er auch einer gewissen Vorbereitung zur Trennung seines Verstandesvermögens von dem natürlichen Körper, durch welche er in den Stand gesetzt werden sollte, beständig im Umgang mit den Geistern und Engeln zu sein. Diese Vorbereitung wird von ihm in der folgenden Stelle beschrieben, wo es nach Aufzählung der verschiedenen Arten des Atem-holens, welche in der Geisterwelt und im Himmel vorherrschend sind, fortfährt:(69.) "Ich kam zuerst in die Gewohnheit dieses Atmens in meiner Kindheit,

während ich meine Morgen- und Abend-Gebete betete, und auch manch-mal nachher, während ich die übereinstimmende Bewegungen des Her-zens und der Lunge erforschte, und besonders als ich aus meinem Gemüte die Dinge niederschrieb, welche veröffentlicht worden sind. Damals bemerkte ich verschiedene Jahre hindurch, daß es ein stilles Atmen gibt, welches kaum bemerkbar ist; auch über dieses wurde mir nachher zu denken und zu sprechen gegeben. In dieser Weise wurde ich mehrere Jahre lang von Kindheit an in dieses Atmen eingeführt, beson-ders aber durch gespanntes Nachdenken, bei welchem das Atmen ruht; denn auf keine andere Weise kann ein gespanntes Nachdenken über

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Wahrheiten geschehen; und später, als mir der Himmel geöffnet wurde, daß ich mit Geistern sprechen konnte, wurde ich so sehr in dieses Atmen versetzt, daß ich während fast einer Stunde nicht einen einzigen Atem-zug tat; es wurde nur so viel Luft eingezogen, daß ich daher denken konnte. In dieser Weise wurde ich vom Herrn in innerliche Atemsweisen eingeleitet. Vielleicht auch in meinen Träumen, denn ich bemerkte wie-der und wieder, daß, nachdem ich in den Schlaf verfiel, mir das Atmen fast gänzlich entzogen wurde, so daß ich beim Erwachen nach Luft schnappen mußte. Diese Art Atmen hört jedoch auf, wenn ich solche Dinge nicht beobachte, schreibe, oder denke, und nur denke, daß ich diese Tatsachen glaube, und daß sie in unzähligen Weisen stattfinden. Früher konnte ich diese Verschiedenheiten nicht sehen, weil ich nicht über sie nachdenken konnte; jetzt aber kann ich es, so auch daß jeder Zustand, jede Sphäre, und auch jede Gesellschaft, besonders die innerli-chen in mir ein angemessenes Atmen haben, in welches ich, ohne Nach-denken, verfalle. Durch dieses Mittel wurde mir auch gegeben, bei den Geistern und Engeln gegenwärtig zu sein" (D.S.3464).

Wir sehen daher, daß jedes Vermögen in Swedenborg, sein Wille, sein Verstand, und sogar sein Körper, vom Herrn von seiner frühesten Kindheit an vorbereitet werden mußte, so daß ihn der Herr in späteren Jahren "mit Seinem Geiste erfül-len, und ihn befähigen konnte, die Lehren der Neuen Kirche, durch das Wort, von Ihm zu lehren" (W.C.R.779).Da das Öffnen des geistigen Gesichtes bei Swedenborg von der Trennung seines Verstandesvermögens vom natürlichen Körper abhing, und da sein Verstand nur stufenweise von den Einschränkungen des Körpers befreit, und in der Atmo-sphäre des Himmels zu atmen und im Lichte des Himmels zu sehen gewöhnt werden konnte, darum sind auch verschiedene Zeitabschnitte von Swedenborg selbst, in Bezug des Öffnens seines geistigen Gesichtes, aufgezeichnet worden. Die erste deutliche Trennung seines Verstandesvermögens von seinem Körper, und somit die erste Periode, in welcher er geistige Offenbarungen hatte, war im Jahr 1743.*(*) Die geistige Offenbarungen, welche Swedenborg erfuhr, ehe das Innere seines Gemütes so weit geöffnet war, daß er mit Geistern reden konnte, werden von ihm selbst in der folgenden Stelle beschrieben: "Ehe mein Gemüt so weit geöffnet war, daß ich mit Geistern reden und mich somit durch lebendige Erfahrung überzeugen konnte, existierten bei mir verschiedene Jahre lang solche augen-scheinlichen Beweise, daß ich mich jetzt wundere, daß ich damals nicht überzeugt wurde, daß der Herr durch Geister regiert; denn ich hatte nicht nur mehrere Jahre lang Träume, in denen ich über die Dinge unterrichtet wurde, welche ich schrieb, sonder ich erfuhr auch Zustandsveränderungen während ich schrieb, und es war ein gewisses ungewöhnliches Licht in dem, was ich geschrieben. Nachher hatte ich viele Gesichte bei verschlossenen Augen, und es wurde mir auf wunderbare Weise Licht gegeben; es fand auch ein Einfluß von den Geistern in einer fühlbaren Weise statt, ja die Empfindung war so klar, als ob sie durch die körperlichen Sinne stattgefunden hätte. Oft gab es auch Anfechtungen von Bösen Geistern, wenn ich in Versuchungen war; und später, wenn ich etwas schrieb, das den Geistern nicht gefiel, wurde ich fast von ihnen besessen, so daß mich ein Schaudern ankam. Ich hörte auch Jemanden früh Morgens sprechen, und viele andere Dinge, bis mich endlich ein Geist in einigen Worten anre-dete, wobei ich sehr erstaunt war, daß er meine Gedanken wahrnahm. Später war ich gleichfalls

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erstaunt, als mein Gemüt so weit geöffnet wurde, daß ich mich mit den Geistern unterhalten konnte; und die Geister selbst waren überrascht, als sie mein Erstaunen sahen. So schwierig ist es für den Menschen zu glauben, daß er vom Herrn durch Geister regiert wird; und so schwierig ist es auch für ihn, den Glauben aufzugeben, daß er aus sich selbst lebe, ohne Vermittlung von Geistern" (D.S.2951).

Im Jahre 1744 fing er an die Annäherungen und Entfernungen von Geistern, und die Beschaffenheit ihres Einflusses zu untersuchen;* aber es war erst im Jahre 1745, daß diese Trennung so weit gediehen war, daß ihm ein gewöhnlicher Umgang mit Engeln und Geistern zu Teil wurde, während die endliche Verände-rung, von der er selbst sagt, daß "eine Veränderung des Zustandes in ihm geschehen sei, in das himmlische Reich im Abbilde", erst im Jahre 1747 statt-fand.(*) Am 31. August 1747 schrieb Swedenborg in sein Geistiges Tagebuch: "Seit beinahe drei Jahren [ungefähr um die Mitte des Jahres 1744] ist es mir erlaubt die Einwirkungen von Geistern wahrzuneh-men, nicht durch eine Art des innerlichen Gesichtes, sondern durch eine Empfindung welche mit einem dunklen Sehen verbunden ist, wodurch ich deren verschiedenartige Gegenwart gewahrte, ihre Annäherung und ihre Entfernung, nebst vielen anderen Dingen" (D.S.192).

Daß die Trennung des Innern seines Verstandes von seinem Körper, und somit seine Erhebung in das Licht des Himmels stufenweise erfolgte, berichtet er deut-lich in folgenden Worten:(70.) "Ich wurde stufenweise in das Licht des Himmels erhoben, und wie ich

erhoben wurde, so wurde mein Verstand erleuchtet, bis ich zuletzt wahr-nahm, was ich früher nicht wahrgenommen hatte, und am Ende selbst Solches, das ich gar nicht mit Gedanken aus dem Naturlichte erfassen konnte" (H.G.130).

Da es solche bemerkbare Stufen in der Öffnung des geistigen Gesichtes Swe-denborgs gab, so müssen auch die Data, je nachdem man den ersten oder den mehr vorgeschrittenen Zustand in Betrachtung zieht, verschieden sein. Sweden-borg selbst entscheidet sich bis zum Jahre 1753, gleichmäßig für das Jahr 1745;1

von 1753 bis 1757, entscheidet er sich ebenso gleichmäßig für das Jahr 1744,2

und von 1767 bis zu seinem Tode bezeichnet er das Jahr 1743.3

(1) Cf. Adversaria, I, 943, 1003; II, 88, 135, 1285, 1684, 1957; III, 1129, 3102; IV, 4682, 7572; »Geistiges Tagebuch«, Nr. 821, 1166, 1974, 2099, 2739, 3058, 4228.

(2) (a) Im »Geistigen Tagebuch«, Nr. 4618, lesen wir: "Seit acht bis neun Jahren war ich in beständigem Umgang mit Geistern und Engeln." Nr. 4573 wurde am 6. August 1752 geschrie-ben, so daß Nr. 4618 sehr nachher, entweder im Jahre 1752 oder 1753 geschrieben worden sein muß, welches das Jahr 1744 ergeben würde.

(b) In H.G.6200 (im V. Bande, welcher 1753 herausgegeben wurde) wird gesagt: "Neun Jahre lang war ich ununterbrochen in Gesellschaft von Geistern Und Engeln." Da sich diese Stelle im letzten Teile dieses Bandes befindet, so können wir annehmen, daß sie in demselben Jahre geschrieben, als sie gedruckt wurde, welches das Jahr 1744 ergeben würde.

(c) H.H.1: "Dreizehn Jahre lang ist mir erlaubt gewesen mit den Engeln zu sprechen." Da der letzte Band der »Geheimnisse« im Jahre 1756 vollendet worden, obwohl es erst im Jahre 1758 herausgegeben wurde, welches wieder das Jahr 1744 ergeben würde.

(d) E.W.1: "Seit zwölf Jahren ist mir erlaubt gewesen mich täglich mit Geistern zu unterhal-ten." Dies Werk ist ein Abdruck der »Denkwürdigkeiten« die von Swedenborg in den »Himm-

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lischen Geheimnissen« von 1753 bis 1756 herausgegeben wurden. Aus diesem Werke wurde es ohne Zweifel von Swedenborg im Jahre 1756 zusammengesetzt, obwohl es nicht vor 1758 von ihm herausgegeben wurde, welches wieder das Jahr 1744 ergibt.

(e) Div. Sap. (A.E.), VII, 2, enthält die folgende bestätigende Stelle: "Ich hatte täglichen Umgang mit Engeln und abgeschiedenen Menschen, vom Jahre 1744 an." Es kann gar kein Zweifel über die Echtheit dieser Zahl stattfinden; da man sie in den Photo-lithographierten MSS. Swedenborgs nachschlagen kann, wo diese Stelle im VIII. Bande, S. 42. in der fünften Zeile von unten vorkommt.

(f) G.L.W.255: "Ich habe den Einfluß aus der Geistigen Welt, in einer fühlbaren und empfind-baren Weise, seit neunzehn Jahren beständig wahrgenommen." Diese Stelle befindet sich am Ende des IV. Teiles und ist daher vermutlich in demselben Jahre geschrieben, in dem es her-ausgegeben wurde, nämlich im Jahre 1763, welches wieder das Jahr 1744 ergibt.

(g) F.J.G.35: "Es hat dem Herrn gefallen, die Augen meines Geistes zu öffnen und sie diese neunzehn Jahre offen zu halten." Es ist kein Zweifel, daß dieses Werkchen von Swedenborg im selben Jahre geschrieben wurde, in welchem es auch herausgegeben wurde, nämlich in 1763, welches das Jahr 1744 ergeben würde.

(h) Im Jahre 1763 erklärte Swedenborg dem Königlichen Bibliothekar, C. C. Gjörwell, daß "der Herr ihm im Mai 1744, während er in London war, erschienen sei."

(i) In seinem Brief an den Prälaten Oetinger, datiert den 11. November 1766, sagt Sweden-borg: "Ich habe zweiundzwanzig Jahre lang mit Engeln gesprochen," und fügt nachher hinzu: "Der Himmel ist mir seit 1744 geöffnet gewesen."

(3) (a) G.L.1: "Der Herr hat das Innere meines Gemütes geöffnet nun fünfundzwanzig Jahre lang."

(b) G.L.419: "Ich habe den Einfluß aus der geistigen Welt in einer fühlbaren und empfindba-ren Weise nun fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen wahrgenommen." Wenn wir das Jahr der Herausgabe dieses Werkes annehmen, so ergibt sich das Jahr 1743.

(c) In seinem Briefe an den Ehrw. T. Hartley, welcher 1769 geschrieben und im Jahr 1770 von Hrn. Hartley herausgegeben wurde, sagt Swedenborg, daß "der Herr ihm 1743 erschienen sei."

(d) In seinem Briefe an den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, geschrieben im Jahr 1771, sagt Swedenborg: "Der Herr offenbarte Sich mir in Person im Jahre 1743, und sandte mich dieses Amt zu versehen."

(e) W.C.R.157: "Ich bin nun schon sechsundzwanzig Jahre hindurch im Geiste und zugleich im Körper gewesen."

(f) W.C.R.851: "Das Innere meines Gemütes ist nun seit siebenundzwanzig Jahren geöffnet gewesen." Wie Swedenborg zeigt (W.C.R.791), wurde dieses Werk am 19. Juni 1770 been-digt. Daraus folgt, daß der erste Teil dieses Werkes in 1769 und der letzte in 1770 geschrieben wurde, welches in beiden Fällen das Jahr 1743 ergibt.

(g) Im Jahre 1776 schon zweifelten einige Gläubigen der Lehren der Neuen Kirche, ob 1743 das rechte Jahr sei, in welchem Swedenborgs geistiges Gesicht geöffnet worden; und C.F. Nordensköld schrieb deshalb an Dr. Beyer und fragte ihn, ob in dieser Zahl nicht etwa ein Schreibfehler sei? Dr. Beyer antwortete in einem Briefe, datiert den 23, März 1776: "Es ist kein Schreibfehler in der Zahl 1743, denn sie stimmt mit allen Daten in den Büchern überein."

Da Swedenborg, im Verhältnis zu der Zunahme seines geistigen Lichtes, die Zeit der Öffnung seines geistigen Gesichtes zurückdatiert, so scheint es uns nur angemessen und recht zu sein, daß wir, seinem Endurteil in dieser Sache fol-gend, uns auch für das Jahr 1743 erklären, mit dem Verständnis jedoch, daß die Öffnung seines geistigen Gesichtes stufenweise erfolgte, so daß im Jahre 1744 ein bestimmter Schritt von ihm gemacht wurde; im Jahre 1745 ein anderer, und

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wieder ein anderer im Jahre 1747, von welcher Zeit an er die Herausgabe seiner theologischen Schriften datiert, und zwar in dem einzigen Gedruckten Verzeich-nis, das er von diesen Schriften veröffentlich hat (siehe E.L., Lat. Originalaus-gabe, S. 328).Lasset uns genau untersuchen, welche Wirkung die Öffnung des geistigen Gesichtes Swedenborgs und die Trennung seines Verstandesvermögens von sei-nem Körper auf die Beschaffenheit seines Innewerdens hatte.Nr. 43 beschreibt die "Offenbarung des Innewerdens", dessen sich die Menschen "der Ältesten Kirche, und einige der Alten Kirche erfreuten, aber kaum Jemand heutzutage". Diese "Offenbarung durch das Innewerden", welche innerlich und nicht äußerlich ist, wie wir bewiesen haben, erhielt Swedenborg vermöge seiner Wiedergeburt, und vermöge der Ausstattung mit den Erkenntnissen aus dem Worte, und mit den Kenntnissen die er sich durch das Studium der Naturwissen-schaften erworben.Dies Innewerden war im Wesentlichen der Zustand seiner Wahrnehmung vor der Öffnung seines geistigen Gesichtes, jedoch war er damals noch unfähig in dies Innewerden einzutreten, weil ihm die nötigen Erkenntnisse der wahren Leh-ren des Wortes fehlten (siehe Nr. 66).Die erste Wirkung, welche die Öffnung des geistigen Gesichtes auf die Beschaf-fenheit seines Innewerdens hatte, war daher sein vernünftiges Gemüt mit den nötigen Erkenntnissen der Lehre des innern Sinnes des Wortes auszurüsten (siehe Nr. 64, 65); und die nächste Wirkung war, daß er die Quelle des Einflus-ses wahrnahm, aus welcher er dies Innewerden erhielt; und in Diesem unter-scheidet sich sein Innewerden von Dem eines jeden anderen menschlichen Wesens.Daß Swedenborg dieses Vermögen besaß, erhellt deutlich aus den Nummern 50 und 51, und auch aus den folgenden Stellen:(71.) "Es wurde mir zu bemerken gegeben, wann ich in meinem Eigenen oder

Proprium, und wann ich nicht in meinem Eigenen war; und wann ich in meinem Eigenen war, dann war ich nichts wert; daher wurde ich so viel wie möglich vom Herrn von demselben entfernt" (D.S.5464).

(72.) "Ich denke innerlich, und nehme wahr was in meine äußeren Gedanken einfließt, ob es vom Himmel oder aus der Hölle ist; das Letztere ver-werfe ich und das Erstere nehme ich an; und doch erscheint es mir, als ob ich von mir selbst denke und wolle" (G.V.290).

Die Art des Innewerdens, dessen sich Swedenborg erfreute, wird auch in dem Folgenden beschrieben:(73.) "Diejenigen, welche vom Herrn mit dem Innewerden begabt worden

sind, können wissen und erkennen, wer in einer Gesellschaft und wer außer einer Gesellschaft in ihre Gedanken und ihre Rede einfließt; und in

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der Tat, in verstrefflicher Weise gemäß dem Wohlgefallen des Herrn" (D.S.2100).

(74.) "Die, welche vom Herrn geführt werden, haben ein gewisses innerliches Innewerden, oder eine Einsprache, in Betreff der Dinge, welche getan werden sollen, besonders während des Tuns; welches Innewerden bei Denen, die vom Herrn geführt werden, so klar ist, daß sie im Besondern nichts tun, außer gemäß des Herrn Wohlgefallen, oder gemäß Seiner Erlaubnis, oder gemäß Seiner Zulassung; diese Dinge sind ganz von ein-ander verschieden, und es wird ihnen gegeben, sie verschieden wahrzu-nehmen. Dies kann aber nur von Jemand begriffen werden, der im ähnli-chen Zustande ist; die Andern verstehen und glauben es nicht, wenn es ihnen auch mit allen Umständen dabei beschrieben wird" (D.S.892).

Wir müssen jedoch nicht glauben, daß bei Swedenborg, weil sein Verstandes-vermögen vom Körper getrennt, und er dadurch befähig war, in den verschiede-nen Himmeln gegenwärtig zu sein und sich mit Engeln zu unterhalten, auch sein Denken gänzlich der Existenzstufe des Daseins der Menschen auf Erden ent-rückt worden sei, und daß er daher ganz und gar nur in einer engelischen, nicht aber in einer menschlichen Weise gedacht und gesprochen habe. Dies war nicht der Fall. Swedenborg fuhr in seinem früheren Zustande fort. Er dachte und wollte wie andere Menschen; aber seiner äußerlichen menschlichen Stufe des Denkens wurde eine innerliche beigefügt, welche er mit den Engeln des Him-mels gemein hatte, und die ihn befähigte bei den Engeln des innersten Himmels zu sein, und mit ihnen zu denken und zu atmen; und diese innere Gedankenstufe war es, durch die er vom Herrn erleuchtet wurde und seine Offenbarungen emp-fing. Solch' eine Gedankenstufe wird mehr oder weniger bei allen Menschen, welche vom Herrn wiedergeboren werden, entwickelt, sie sind sich aber dessen nicht bewußt, und sie äußert sich nur in der allgemeinen Weise, die in Nr. 46 und 47 beschrieben wurde; und die Ursache hiervon ist, daß ihre innerliche Gedankenstufe nicht vom Körper und dem natürlichen Gemüte getrennt, son-dern damit verbunden und allen Einzelheiten nach davon umschlossen ist. Bei Swedenborg war aber diese innere Gedankenstufe vom Körper, und somit vom natürlichen Gemüte getrennt; und weil es in dieser Weise getrennt war, so wurde er sich dessen klar bewußt. Daher sagt er in Nr. 72: "Ich denke innerlich und nehme wahr, was in meine äußern Gedanken einfließt, ob es aus dem Himmel oder aus der Hölle ist."Diese doppelte Gedankenstufe in Swedenborg wird von Ihm in folgender Stelle aufs Genaueste beschrieben:(75.) "Ich bin mit einem doppelten Denken begabt; eines, welches mehr inner-

lich, und ein anderes, welches mehr äußerlich ist. Wenn ich daher im Verkehr mit bösen Geistern bin, so kann ich zur selben Zeit auch im Verkehr mit guten Geistern sein und somit wahrnehmen welcher Art die Geister sind, die mich zu leiten wünschen; und dies geschieht sehr oft

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mit Wahrnehmung. Wenn ich nicht wahrnähme, daß ich in Gesellschaft von bösen Geistern bin, und daß sie es sind, die so denken und mich anregen, so wüßte ich nicht anders, als daß ich selbst von solcher Beschaffenheit sei und solchen Dingen nachhänge" (D.S.484).

Wiederum sagt er, in Bezug auf dieses doppelte Denken: (76.) "Ich sprach mit den Geistern über das innerliche Denken, und damit ich

dessen Beschaffenheit kennen möchte, wurde mir das äußerliche Denken weggenommen, so daß ich nichts mehr aus dem Objektiven (d.h. aus den Dingen die vor Augen sind] dachte, so daß ich kaum an irgend Etwas wirklich dachte; dennoch hörte ich in diesem Zustande was sie sagten, aber ohne darüber nachzudenken. Es wurde mir zur Erinnerung gebracht, daß ich einst längere Zeit in solchem Zustande, d.h. im innern Denken gewesen, während ich über das was ich geschrieben hatte, nachdachte, auf der Straße, am Tische, und manchmal wenn ich mit Andern in Unter-redung war, in welchem Zustande ich es selbst nicht bemerkte. Später wurde dieses doppelte Denken deutlich von mir bemerkt und vor mir dargestellt, nämlich: ein innerliches Denken über Dinge die vor den Ver-stand gebracht und zu den Objekten der Sinne gehören; wie z.B. beim Lesen des Wortes Gottes bemerkte ich dieses doppelte Denken klar, und eine lange Zeit; ebenso in dem Zustande in dem ich jetzt bin, während dem Schreiben, und sehr oft während ich lese, wenn ich die Geister mit mir sprechen höre; zu solchen Zeiten wird das innere Denken deutlich von mir bemerkt; auch wurde es von den Geistern bemerkt. Der, welcher ein inneres Denken hat, hat auch ein äußeres Denken" (D.S.2900).

In diesem innern Denken war der Herr beständig bei Swedenborg gegenwärtig, und daher diktierte Er ihm, was er schreiben, sprechen und tun sollte. In Bezug hierauf sagt Swedenborg in seinem »Geistigen Tagebuche« Nr. 1647: "Was ich aus Vorbildungen, Gesichten und aus Unterredungen mit Geistern und Engeln gelernt habe, ist vom Herrn allein." Das Ganze dieser interessanten Stelle heißt wie folgt:(77.) "So oft eine Vorbildung, ein Gesicht oder eine Unterredung stattfand, so

wurde ich innerlich und noch innerlicher im Nachdenken über diese Dinge gehalten, was für Nutzen und was für Gutes daraus flöße, und was ich daraus erlernen könnte. Von denen, welche die Vorbildungen und Gesichte darstellten und welche sprachen, wurde diesem meinem Nach-denken keine große Aufmerksamkeit geschenkt; manchmal aber wurden sie aufgebracht wenn sie bemerkten, daß ich nachdachte. Ich wurde so belehrt, folglich von keinem Geiste und von keinem Engel, sondern vom Herrn allein, von welchem alles Gute und Wahre kommt. Ja, wenn sie mich in manchen Sachen unterrichten wollten, so war kaum etwas ande-res als Falsches darinnen; weshalb es mir verboten wurde, irgend etwas von dem von ihnen Gesagten zu glauben, noch wurde ihnen erlaubt mir

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etwas von ihrem Eigenen beizubringen. Mehr noch, wenn sie sich der Überredung bedienen wollten, so nahm ich durch eine innere und eine noch innerlichere Überredung wahr, daß sich die Sache so verhalte, und nicht wie sie mich glauben machen wollten; worüber sie sich sehr wun-derten. Dieses Innewerden war sehr klar, aber es kann der Fassungskraft des Menschen nicht leicht beschrieben werden" (D.S.1647).

Bei Hinweisung auf diese Stelle in seinem Index (Reflectere, 1647), sagt Swe-denborg: "Es wurde mir vom Herrn ein inneres Nachdenken oder Innewerden gegeben, wenn ich mit Geistern sprach oder Vorbildungen sah."Wir sehen hieraus, daß Swedenborg sich dieses doppelten Denkens erfreute, nicht nur "wenn er das Wort Gottes las" (siehe Nr. 76), sondern auch "wenn er mit Geistern sprach und Vorbildungen sah"; und wir sehen ferner, daß Sweden-borg "vom Herrn allein unterrichtet wurde", nicht nur "während er das Wort Gottes las", sondern auch während er sein Gemüt mit "den Dingen bereicherte, die er in der geistigen Welt hörte und sah". Da der Herr beständig bei Sweden-borg im innern Denken gegenwärtig war, und da Er mit dem Göttlich-Wahren, welches unmittelbar von Seinem Göttlich-Menschlichen ausgeht, in sein Denken einfloß; und da sich Swedenborg der Gegenwart des Herrn und Seines Einflus-ses bewußt war, so erklärt er (siehe Nr. 50): "Es wurde mir gegeben, genau wahrzunehmen, was vom Herrn kam und was von den Engeln – was vom Herrn kam schrieb ich nieder, was aber von den Engeln kam schrieb ich nicht nieder."Um zu zeigen, daß Swedenborg sich hier nicht auf einen besonderen Fall bezieht, sondern seinen gewöhnlichen Zustand des Innewerdens, mit dem er vom Herrn begabt war, beschreibt, lassen wir diese Stelle hier ganz folgen:(78.) "Die, welche in der geistigen Neigung zum Wahren sind, werden in das

Licht des Himmels erhoben, sogar so, daß sie ihre Erleuchtung wahrneh-men. Es wurde mir diese Erleuchtung zu sehen gegeben, und aus dieser Erleuchtung klar wahrzunehmen, was vom Herrn kommt, und was von den Engeln; was vom Herrn kam wurde niedergeschrieben, und was von den Engeln kam wurde nicht geschrieben. Außerdem wurde mir gegeben mit den Engeln wie ein Mensch mir dem andern zu sprechen, und auch die Dinge die in den Himmeln sind, sowie die, welche in den Höllen sind, zu sehen. Die Ursache hiervon ist, daß das Ende der gegenwärtigen Kirche gekommen ist, und der Anfang der Neuen Kirche, die das Neue Jerusalem heißt, bevorsteht, in welcher geoffenbart wird, daß der Herr das Weltall, den Himmel, sowohl als die Welt regiert; daß es einen Him-mel und eine Hölle gibt, und wie sie beschaffen sind; daß die Menschen auch nach dem Tode als Menschen fortleben, daß die, welche vom Herrn geführt wurden, im Himmel, und die, welche sich selbst geführt haben, in der Hölle sind; daß das Wort, das Göttliche Selbst des Herrn, auf Erden ist, so auch, daß das letzte Gericht gehalten worden ist, damit der Mensch es nicht bis in Ewigkeit in seiner Welt erwarte; nebst vielen

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andern Dingen die zu dem Lichte gehören, welches jetzt nach der Fins-ternis aufgeht" (A.E.1183).

Die größte Schwierigkeit in der Erlangung einer vernünftigen Ansicht der Inspi-ration Swedenborgs besteht in der Vereinbarung der Freiheit und der Vernünf-tigkeit, deren er sich augenscheinlich erfreute, mit der Tatsache, daß er, indem er seine Werke schrieb, nur die Worte des Herrn, und nicht seine eigenen gab. Doch werden wir durch eine vernunftmäßige Betrachtung seines doppelten Den-kens im Stande sein, eine genügende, vernünftige Belehrung darüber zu erlan-gen.In der Stelle, auf welche uns Dr. Beyer ebenfalls hinweist (siehe seinen Index, Band 1, S. 466), um das besondere Innewerden, dessen sich Swedenborg erfreute, darzutun, lesen wir wie folgt:(79.) "Zu welchem Gebiete die Engelsgesellschaft gehören, kann man im

andern Leben aus ihrer Lage im Verhältnis zum menschlichen Körper erkennen, sodann auch aus ihrer Wirkung und ihrem Einfließen; denn sie fließen und wirken auf dasjenige Organ und auf dasjenige Glied ein, in welchem sie sind; aber ihr Einfließen und Wirken kann nur von Denen empfunden werden, welche im andern Leben sind, und nur von dem Menschen, welchem das Innwendigere so weit geöffnet ist, und nicht einmal von einem solchen, wenn ihm nicht vom Herrn ein empfindsames Nachdenken gegeben wird [d.h. ein Nachdenken über das, was durch die Sinne eingeht] und mit diesem ein Innewerden verknüpft ist" (H.G.5171).

Dieses "empfindsame Nachdenken", oder dieses Nachdenken über das, was durch die äußern Sinne in die äußern Gedanken einfließt, hing bei Swedenborg von dem Gebrauch seiner eigenen Freiheit und Vernünftigkeit ab; aber das "Innewerden, welches damit verknüpft war", wurde durch den unmittelbaren Einfluß des Herrn in die innern Gedanken Swedenborgs bewirkt. Dieses Inne-werden kam vom Herrn allein, und war unbeeinflußt von Swedenborgs Freiheit und Vernünftigkeit, weshalb wir auch lesen, daß sie dem Zustande seines Nach-denkens beigefügt wurde.Der Umfang, in dem Swedenborgs Freiheit und Vernünftigkeit, durch den Ein-fluß des Herrn in sein inneres Denken regiert wurde, und die Art und Weise in welcher dieser Einfluß von ihm empfunden wurde, beschreibt er selbst in fol-gender Stelle:(80.) "Wie die, welche vom Herrn geführt werden, inne werden was sie tun

sollen, und zwar in einer Weise die Andern unverständlich ist, so werden sie auch von dem, was sie wissen sollen, überzeugt, ebenfalls in einer geistigen Weise die Andern unverständlich ist. Wenn daher Dinge vor-kommen, die im höchsten Grade wahrscheinlich sind, so daß fast gar nichts widerspricht, sondern im Gegenteil Alles nur bestätigt, so werden

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sie auch dann nicht eher überzeugt, bis die geistige Überzeugung, welche die des Glaubens ist, da ist" (D.S.1405).

So schrieb auch Swedenborg, der sehnlichst wünschte vom Herrn und nicht von sich selbst geführt zu werden, niemals etwas über irgend einen Lehrpunkt aus seinem eigenen Nachdenken, oder aus dem Zustande seines äußern Denkens, und somit nicht aus seiner eigenen Vernunft, nieder, obgleich diese Dinge "im höchsten Grade wahrscheinlich" gewesen sein mögen, und obgleich "kaum etwas widersprach, sondern Alles nur bestätigte". Eher er etwas in Bezug auf die Lehren des Neuen Jerusalems, oder die Lehren des innern Sinnes niederschrieb, wartete er immer vorher auf die Stimme des Herrn, die durch einen Einfluß in sein inneres Denken kam. Es wurde aber nicht bloß Swedenborgs inneres, sondern auch sein äußeres Den-ken, oder das Denken worin es sein Nachdenken ausübte, oder sein Vermögen der Freiheit und Vernünftigkeit, vom Herrn regiert, und zwar vom Herrn durch Seinen mittelbaren Einfluß, durch den Größten Menschen des Himmels im All-gemeinen, und durch die Engel und Geister, welche den Größten Menschen bil-den, im Besondern, so daß sogar die Tätigkeit der Freiheit und Vernünftigkeit Swedenborgs vollständig vom Herrn kontrolliert wurde. Über den Einfluß des Herrn durch den Größten Menschen in Swedenborg, sagt er im Jahre 1748:(81.) "Seit drei Jahren nehme ich jetzt in fühlbarer Weise wahr, daß ich in der

Sphäre des Glaubens gehalten werde, doch so, daß es mir scheint, als denke und handle ich von mir selbst" (D.S.2739).

Die Wirkung dieser Sphäre des Glaubens auf ihn beschreibt Swedenborg wie folgt:(82.) "Der ganze Himmel und die Erde, im Allgemeinen und im Besondern,

werden durch eine Sphäre regiert, die vom Herrn ausgeht. … Wenn ich in dieser Sphäre spreche, oder in ihr denke, wie ich jetzt tue, da ich schreibe, so ist Alles und Jedes in Übereinstimmung mit dieser Sphäre, und nichts kann gesagt, gedacht, oder geschrieben werden, nicht einmal das kleinste Jota, das nicht in Übereinstimmung mit dieser Sphäre wäre" (D.S.1844,1845).

(83.) "Durch öftere und tägliche Erfahrung ist es mir seit drei Jahren zu wissen gegeben worden, daß Menschen und Geister gezwungen werden zu den-ken und zu sprechen, wie es der Herr erlaubt oder zuläßt, denn ob ich wollte oder nicht, so mußte ich [in einer gewissen Weise] denken und reden. Geister werden auch gezwungen das Gegenteil von dem zu spre-chen, was sie denken; auch ist es ihnen nicht möglich zu widerstehen, denn sie werden in die Gesellschaft anderer gebracht, und somit gleich-sam von einem Strome des Denkens und Redens dahingerissen" (D.S.2099).

Die Beschaffenheit des Stromes in welchem Swedenborgs Gedanken geleitet

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wurden, ist in Nr. 51 folgendermaßen beschrieben worden: "Das was vom Herrn einfloß, leitete die ganze Reihe meiner Gedanken in voller Folgerichtigkeit, zwar gelinde, aber durchaus kräftig, und zwar so, daß ich keineswegs in andere Gedanken kommen konnte, was ich auch versuchen durfte, aber es war vergeb-lich."Wir sehen daher, daß ein allgemeiner Einfluß vom Herrn auf Swedenborg ein-wirkte, durch welchen die Tätigkeit seiner Freiheit und Vernünftigkeit, in sol-cher Weise regiert wurde, daß er dachte und sprach und folglich schrieb, wie der Herr es wünschte, daß er denken, sprechen uns schreiben sollte. Dieses geschah durch den mittelbaren Einfluß des Herrn in Swedenborgs Verstand, durch den Größten Menschen oder den Himmel im Allgemeinen. Lasset uns jetzt die Beschaffenheit dieses allgemeinen Einflusses in Swedenborg genauer bestim-men.Erstens, wurde ihm durch diesen Einfluß das Licht der Vernunft mitgeteilt, wodurch er fähig wurde, über die Dinge , welche von Außen in seine Gedanken eingingen, nachzudenken. Diese Wirkung des allgemeinen Einflusses des Herrn durch den Himmel, wird klar in dem Folgenden gelehrt:(84.) "Der allgemeine Einfluß des Wahren ist die Erleuchtung, welche das

Vermögen mitteilt, das Wahre aufzunehmen und es zu verstehen. Diese Erleuchtung ist aus dem Lichte des Himmels, welches vom Herrn ist, und dieses Licht ist nichts Anderes als das Göttlich-Wahre" (H.G.5668).

Zweitens, wurde Swedenborg durch diesen allgemeinen Einfluß in einem beja-henden Gemütszustand gehalten; und solange er in diesem bejahenden Gemüts-zustande war, war es seine Lust so zu denken, zu handeln, zu sprechen und zu schreiben, wie der Herr es von ihm wünschte, und somit zu denken und spre-chen gleichwie die Engel des Himmels. Diese Wirkung des mittelbaren Einflus-ses des Herrn durch den Himmel wird in den Nummern 81, 82 und 83 gelehrt.Die Wirkung des mittelbaren Einflusses des Herrn durch den Himmel im Allge-meinen, war jedoch bei Swedenborg nicht auf seinen Verstand allein beschränkt, denn dieser Einfluß war bei ihm mit dem unmittelbaren Einflusse des Herrn in seinen Willen verbunden (siehe Nr. 44, 48); und eine der Wirkungen dieser Ver-bindung beider Einflüsse war, daß Swedenborg, vom Herrn, außerhalb seines Bösen, d.h. außerhalb seines Eigenen, gehalten wurde. Daß er in einem Zustande des Guten war, wird freimütig von ihm selbst in Nr. 49 bekannt; daß dies aber dem zuzuschreiben ist, daß er in der Himmelsphäre, und somit in der Sphäre des Göttlich-Wahren, welches mittelbar vom Herrn ausgeht, gehalten wurde, wird von ihm in dem Folgenden gelehrt:(85.) "Es wurde mir durch Erfahrung zu wissen gegeben, daß der Herr mich

vom Bösen abhält welches mich anficht; so daß wenn Er diesen Halt im Geringsten nachließe, ich gleich in Böses fallen und der Gefahr ausge-setzt würde, Böses zu denken und zu tun. Es erscheint mir daher, als ob

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ich über dem Bösen gehalten würde, welches unten ist, in Folge dessen ich in einer innern Sphäre bin, wenn die böse Geisterwelt Böses beab-sichtigt. Es wurde mir somit gegeben zu wissen, wie gute Engelsgeister und Engel gleichsam über oder innerhalb des Bösen [d.h. in einem mehr innerlichen Grade] gehalten werden, so daß dasselbe sie nicht erreichen kann. Auf dieser Weise werden böse Geister auch verhindert in den Menschen einzufließen, während er in den Erkenntnissen des Glaubens erhalten wird; dies weiß der Mensch selbst aber nicht" (D.S.3085).

Die Leitung Swedenborgs durch den Herrn war jedoch in Bezug auf daß Äußere seines Gemütes nicht beschränkt auf die Leitung seiner äußern Gedanken durch den mittelbaren Einfluß des Göttlich-Wahren durch den Himmel im Allgemei-nen, noch war der unmittelbare Einfluß des Herrn in Swedenborgs Neigungen, oder in seinen Willen, nur darauf beschränkt, ihn vom Bösen und dem Eigenen seiner angeerbten Natur zu entfernen, sondern der Herr leitete ihn durch diesen unmittelbaren Einfluß in seine Neigungen auch in Allem, das seine besondere Mission, oder sein besonderes Amt, zu dem er vom Herrn berufen wurde, betraf. Dies wird deutlich in dem Folgenden gelehrt:(86.) "Aus meinem vergangenen Leben konnte ich sehen, daß Alles in demsel-

ben, vom Herrn, vermittelst der Dinge, die von mir gemacht oder getan wurden, regiert worden war" (D.S.3177).

(87.) "Was die Handlungen meines Lebens enthielten, konnte ich zur Zeit als sie geschahen, nicht unterscheiden, aber durch die Göttliche Barmherzig-keit des Gott-Messias wurde ich über einige unterrichtet, und sogar in Bezug auf viele Einzelheiten. Dadurch wurde ich endlich in den Stand gesetzt zu sehen, daß die Göttliche Vorsehung die Handlungen meines Lebens von Jugend auf ununterbrochen so regiert und geführt hatte, daß ich, vermöge der Erkenntnisse der natürlichen Dinge, einen Zustand der Einsicht erreichen, und somit durch die Göttliche Barmherzigkeit des Gott-Messias ein Werkzeug werden könnte, um die Dinge, welche im Innern des Wortes des Gott-Messias verborgen sind, zu offenbaren. Diese Dinge werden daher jetzt kund getan, welche vorher verborgen waren" (Adv., ii, 839).

Daß Swedenborg in diesen Sachen, d.h. in der Laufbahn des Studiums und der Forschung, welche er hierin zu verfolgen hatte, nicht durch einen ihm bewußten Einfluß, oder eine Einsprache in sein Denken geleitet wurde, sondern durch einen ihm unbewußten Einfluß in seine Neigungen, und, daß dieser unbewußte Einfluß des Herrn fortdauerte, selbst nachdem er zu seinem Amte berufen wor-den war, wird von ihm in dem Folgenden erklärt:(88.) "Ich weiß von meinem eigenen Falle, daß ich in Sachen meines Amtes

nur durch Erfahrung unterrichtet werde, ohne Erinnerung der Einzelhei-ten" D.S.888).

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Hiermit meint Swedenborg, daß in Allem was sein Amt betrifft, d.h. "indem er die Lehren der Neuen Kirche durch das Wort vom Herrn Lehrte" (W.C.R.779), er nicht von seinem eigenen Gedanken über die Dinge in seinem natürlichen Gedächtnisse, das er in dem »Geistigen Tagebuche« "das Gedächtnis der Einzel-heiten" nennt, geleitet wurde, sondern, daß er vom Herrn durch einen Einfluß in seinen Willen regiert wurde, was ihm unbewußt blieb, bis es ihm durch "Erfah-rung" oder durch die Handlungen seines Lebens kund gemacht wurde.Durch diesen unmittelbaren Einfluß in Swedenborgs Neigungen regierte der Herr auch die Einzelheiten seiner Gedanken; ja, Er regierte sogar die Dinge, welche von außen her in sein Denken einflossen, und somit regierte Er auch den besondern Einfluß, welchen Swedenborg von den Geistern in der Geisterwelt und von den Engeln des Himmels empfing. Denn Swedenborg war allen andern Menschen darin gleich, daß er den Einfluß nicht nur vom Himmel, oder aus dem Größten Menschen im Allgemeinen empfing, sondern auch im Besondern, von den Geistern und Engeln, mit welchen er seinem Geiste nach zusammengesellt war. Swedenborg war aber von allen andern Mensch darin verschieden, daß sein innerliches Denken oder das Innerste seines Verstandes von seinem äußerlichen Denken oder seinem Körper getrennt war, und daß er vermöge seines innern Denkens, oder durch den Einfluß des Herrn in sein inneres Denken, Alles sehen und verstehen konnte, was durch besondern Einfluß von Engeln und Geistern in sein äußeres Denken einging. Die Beschaffenheit des besondern Einflusses, wel-chen Swedenborg von besondern Engeln und Geistern empfing, wird von ihm in den folgenden Worten beschrieben:(89.) "Daß der Mensch durch Engel und Geister vom Herrn regiert wird,

wurde mir aus so deutlicher Erfahrung zu wissen gegeben, daß mir dar-über nicht einmal der geringste Zweifel bleibt; denn alle meine Gedan-ken und alle meine Neigungen, bis auf das Allereinzelnste, sind nun schon seit vielen Jahren [Swedenborg schrieb dies im Jahre 1753] ver-mittelst der Geister und Engel eingeflossen. Dies wurde mir so augen-scheinlich zu empfinden gegeben, daß nichts augenscheinlicher sein kann, denn ich wurde inne, sah und hörte, wer sie waren, wie beschaffen und was sie waren; und wenn in mein Denken oder Willen etwas Widri-ges eindrang, so sprach ich darüber mit ihnen und machte ihnen Vor-würfe; auch habe ich bemerkt, das die Macht solche Dinge einzuflössen, von den Engeln in Schraken gehalten wird, und auch, wie dies geschieht, wie auch öfters, daß sie weggetrieben wurden, und daß, wenn sie wegge-trieben wurden, statt ihrer neue zugegen waren, von denen wiederum ein Einfluß ausging; ferner wurde mir gegeben, wahrzunehmen, woher die-ser Geister, oder von welchen Gesellschaften sie Träger waren; auch wurde mir oft gestattet, mit diesen Gesellschaften selbst zu reden; und obgleich Alles, bis auf das Einzelnste meiner Gedanken und Neigungen, durch Geister und Engel einfloß, dachte und wollte ich doch wie früher, und verkehrte mit den Menschen wie vorher; von Niemand wurde irgend

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ein Unterschied von meinem früheren Leben bemerkt; wohl weiß ich, daß kaum irgend Jemand dieses glauben wird, aber es ist dennoch eine ewige Wahrheit" (H.G.6191).

Die Beschaffenheit des besondern Einflusses in Swedenborg wird ferner von ihm in dem Folgenden beschrieben:(90.) "Durch eine deutliche Erfahrung, die sich auf mehrere Jahre erstreckt,

weiß ich aufs Bestimmteste, daß die Gedanken des Menschen, welcher im Glauben steht, nicht seine eigenen sind; daß, wenn sie böse sind, sie von bösen Geistern herkommen, welche glauben, daß sie von sich selbst denken, weshalb sie ihnen auch zugerechnet werden, wie den Menschen, die dasselbe glauben; wenn sie aber gut sind, so kommen sie vom Herrn allein. Dies wurde mir durch lange und tägliche Erfahrung und Nachden-ken aufs Bestimmteste zu erkennen gegeben.""Als ich endlich damit vertraut wurde, daß ich nichts aus mir selbst denke, da machte es mir sozusagen Vergnügen, denn ich konnte nun über die Dinge, welche in meine Gedanken eingeflößt wurden, nachden-ken, und sehen, daß ich selbst von solchen bösen Gedanken frei war. Es wurde mir sogar zu wissen gegeben, wer diese Geister waren und von woher sie kamen, welche mir die bösen Gedanken einflößten, und ich sprach oft mit ihnen darüber. Es wurde mir erlaubt sogar zu wissen, von wem und woher das Kleinste der Gedanken kam, so daß diese Reflektio-nen mir Vergnügen machten."Die Geister selbst aber, welche die bösen Gedanken einflößten, mein-ten, daß ich selbst somit nichts dächte, worüber ich oft mit ihnen redete; dieser Ursache wegen wünschten sie nicht zu sein wie ich, denn sie glaubten, daß sie dann alles Eigene verlieren, und so nichts mehr sein würden; was sie fürchten und scheuen, obwohl es ganz und gar anders ist" (D.S.1910-1912).

Wir sehen daher, daß Swedenborg, obwohl er vom Herrn, nicht nur durch den allgemeinen, sondern auch durch den besondern Einfluß regiert wurde, sich doch immer seiner Freiheit und Vernünftigkeit erfreute, und es ihm schien, als ob er von sich selbst denke und handle, obwohl er sehr gut wußte, daß alle seine Gedanken von Geistern kamen, und daß jedes Kleinste seiner Gedanken vom Herrn regiert und geleitet wurde. Die deutlichste Darstellung davon macht Swe-denborg in folgender Stelle:(91.) "Als mir vom Herrn gegeben wurde, mit Geistern und Engeln zu reden,

wurde mir dieses Geheimnis sogleich entdeckt. Es wurde mir nämlich aus dem Himmel gesagt, daß ich wie die Andern im Glauben stände, ich denke und wolle aus mir selbst, während doch nichts aus mir komme, sondern wenn ich Gutes denke, es aus dem Herrn, und wenn Böses, es aus der Hölle stamme. Daß dem so sei, wurde mir mittelst verschiedener

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beigebrachten Gedanken und Neigungen durch lebendige Erfahrung bewiesen, und nach und nach wahrzunehmen und zu empfinden gege-ben. Sobald daher in der Folge etwas Böses in meinen Willen, oder etwas Falsches in mein Denken eingedrungen war, untersuchte ich, woher es komme, und es wurde mir entdeckt, und auch gegeben, mit jenen Geistern zu reden, sie zu überweisen und zu nötigen, daß sie sich entfernten, und so ihr Böses und Falsches zurückzogen und es bei sich behielten, und nichts dergleichen mehr meinem Denken eingossen. Dies ist tausendmal geschehen, und in diesem Zustande bin ich nun mehrere Jahre hindurch geblieben, und verbleibe immer noch in demselben, und dennoch kommt es mir vor, als ob ich aus mir denke und wolle, gerade wie es auch den Andern vorkommt, ohne allen Unterschied; denn von der Göttlichen Vorsehung des Herrn kommt es her, daß es Jedem so scheint, wie dies oben in seinem Abschnitt gezeigt worden ist. Die neu angekommenen Geister wundern sich über diesen meinen Zustand, da sie nicht anders sehen, als daß ich nichts aus mir denke und wolle, und deshalb wie etwas Leeres sei; allein ich eröffnete ihnen das Geheimnis, und noch dazu, daß ich auch noch innerlicher denke und wahrnehme, was in mein äußeres Denken einfließt, ob es aus dem Himmel oder aus der Hölle sei, und daß ich dieses verwerfe, jenes aber annehme, und es mir dennoch so gut wie ihnen vorkommen, als ob ich aus mir denke und wolle" (G.V.290).

Es ist uns schwer zu glauben, daß sich Swedenborg seiner Freiheit und Vernünf-tigkeit erfreute, und dessen ungeachtet, nicht nur seinem innern, sondern auch seinem äußern denken nach, vom Herrn geführt wurde. Diese Schwierigkeit ver-schwindet jedoch, sobald wir einen rechten Begriff von dem Wesen der Freiheit und Vernünftigkeit des Menschen, vor und nach der Wiedergeburt, bekommen; denn Swedenborg war, während er seine theologischen Schriften verfaßte, nicht im gewöhnlichen Zustande der Freiheit und Vernünftigkeit, in welchem die Menschen vor ihrer Wiedergeburt sind, sondern er war in den Zuständen der Freiheit selbst und der Vernünftigkeit selbst, in denen die Menschen nach der Wiedergeburt und auch die Engel des Himmels sind. In diesen Zuständen ver-langt der Mensch nicht mehr sich selbst zu regieren, sondern begehrt vom Herrn allein geführt zu werden; zudem wünscht er das Wahre nicht mehr von sich aus zu erforschen, sondern er hofft und strebt vom Herrn im Wahren erleuchtet und unterrichtet zu werden. Da ein solcher Unterschied stattfindet zwischen dem gewöhnlichen Zustande von Freiheit und Vernünftigkeit, und der Freiheit selbst, und der Vernünftigkeit selbst, wird deutlich in den folgenden Worten gelehrt:(92.) "Aus freiem Willen der Vernunft gemäß oder aus der Freiheit und Ver-

nünftigkeit handeln, ist dasselbe als, aus dem Willen und aus dem Ver-stande handeln. Aber es ist Ein Ding, aus freiem Willen der Vernunft gemäß, der aus der Freiheit und Vernünftigkeit handeln, und ein anderes, aus der Freiheit selbst und der Vernünftigkeit selbst handeln; denn ein

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Mensch, welcher das Böse aus Liebe zum Bösen tut, und es bei sich begründet, handelt zwar aus freiem Willen nach seiner Vernunft, aber dennoch ist sein freier Wille nicht an sich frei, oder die Freiheit selbst; sondern es ist ein höllischer freier Wille, welcher an sich Knechtschaft ist, und seine Vernünftigkeit ist nicht die Vernünftigkeit selbst, sondern entweder eine unechte oder eine falsche Vernünftigkeit, oder eine, die in Folge von Begründungen als solche erscheint. … Aus Freiheit selbst, gemäß der Vernünftigkeit selbst, handeln nur Diejenigen, welche sich vom Herrn haben wiedergebären lassen, die Übrigen aber handeln aus freiem Willen nach einem Denken, welches sie zur Schein-Vernunft machen" (G.V.97,98).

Hier wird denen eine Antwort geboten, welche in dem Glauben, daß Sweden-borg bei der Mitteilung der Lehren der Neuen Kirche an die Menschheit vom Herrn inspiriert war, eine Schwierigkeit darin erblicken, daß während er die Werke schrieb, welche diese Lehren enthalten, er offenbar nicht von dem Gebrauch seiner Freiheit und Vernünftigkeit ausgeschlossen war; denn Inspira-tion vom Herrn, d.h. das Göttlich-Wahre des Herrn vom Herrn her zu schreiben, scheint ihnen unvereinbar mit einer Fortdauer der Freiheit und Vernünftigkeit des Menschen.Es gibt eine solche Unverträglichkeit zwischen der Erhaltung der Freiheit und Vernünftigkeit des Menschen und einer äußerlichen Inspiration, wie die bei den Propheten und Evangelisten, welche die Göttliche Inspiration in ihr äußeres Denken empfingen; den wenn der Herr des Menschen äußere Gedanken in Besitz nimmt, dann kann der Mensch selbst keinen Gebrauch mehr von seinem äußerlichen Denken, durch seine Freiheit und Vernünftigkeit machen.Es findet aber keine solche Unverträglichkeit zwischen der Einschränkung der Freiheit und Vernünftigkeit des Menschen, und einer innerlichen Inspiration statt, wie die war, deren sich Swedenborg erfreute; denn während der Herr seine innerliche Gedankenstufe in Besitz nahm, und ihm somit diktierte was er denken und schreiben sollte, so behielt Swedenborg dennoch den Gebrauch seiner äußerlichen Gedanken, und somit erfreute er sich fortwährend seiner Freiheit und Vernünftigkeit. Swedenborg war daher seinem äußeren Denken nach, in einem Zustande des "empfindsamen Nachdenkens", und mit diesem Nachden-ken seiner äußeren Gedanken, war ein "Innewerden" vom Herrn, durch den Ein-fluß in sein inneres Denken verbunden. So gibt es auch wiederum eine Unver-träglichkeit zwischen Inspiration und dem Gebrauch der Freiheit und Vernünf-tigkeit des Menschen, wie diese vor der Wiedergeburt beschaffen sind; denn vor der Wiedergeburt und im Anfange der Wiedergeburt will der Mensch sich selbst durch den Gebrauch seiner Freiheit gemäß seiner eigenen Kraft führen, und er erkennt keine innere Stufe des Gewissens und kein Innewerden, von wo aus der Herr seine Gedanken und Handlungen zu leiten versucht, an; solch' ein Gedanke belästigt und beängstigt ihn alsdann. Es gibt aber keine solche Unverträglichkeit zwischen Inspiration und der Freiheit selbst und der Vernünftigkeit selbst, wie

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sie die Engel des Himmels und die Menschen nach der Wiedergeburt besitzen; denn diese lieben in allen Dingen vom Herrn geführt zu werden, und der Gedanke, daß sie sich selbst aus ihrem eigenen Proprium führen und regieren sollten, beängstigt sie.Weil es jedoch schwierig ist, einen solchen Zustand aus unserm eigenen Denken zu begreifen, so ist es nötig, diese Wahrheit, durch fernere Anführungen aus den Schriften der Kirche zu bestätigen:(93.) "Seelen und Geister können nicht im Geringsten wahrnehmen, daß der

Mensch von dem was er denken, reden und tun soll, vom Herrn inne werden und überzeugt werden kann; denn sie glauben, daß kein anderes Innewerden stattfinden könne, als das, welches aus des Menschen Eige-nem, oder seinem Proprium stammt, so daß auch die, welche bei ihrem Leben im Körper scharfsichtiger und talentvoller waren, und es auch im andern Leben sind, und die sich fähig dünken in Alles und jedes Ein-zelne einzudringen und es zu verstehen, ganz und gar unwillens sind die Existenz eines solchen Innewerdens anzuerkennen. So oft als dies Inne-werden, oder diese Überredung der Gegenstand unserer Unterhaltung war, konnten sie nicht anders begreifen, als daß ihr Eigenes oder ihr Selbst (proprium seu suum) abwesend sei und daß sie nicht mehr exis-tierten, sondern daß ein Anderer durch sie denke, spreche und handle, sie aber nur eine Art von Werkzeug seien, in welchem nichts Lebendiges sei, oder daß sie wie eine hölzerne Maschine seien; denn sie können nicht fassen, daß es ein anderes Leben als ihr eigenes, oder das, welches ihnen angehört, geben könne, und wenn dieses weggenommen wird, so scheint es ihnen, als ob sie nichts Lebendiges wären, daß es nimmermehr eine Seele oder ein Geist sein könnte."Obgleich diese Seelen oder diese Geister in andern Dingen scharfsichtig sind, und sie wahrnehmen können, so sind sie doch diesem [d.h. in Bezug auf das Innewerden vom Herrn] so verkehrt, daß sie nicht zwei-feln, sondern sogar leugnen, aus oben besagten Grunde, weil sie glauben, daß wenn ihr Eigenes oder ihr Selbst ihnen entzogen werde, ihnen nichts anderes übrig bleibe, als was sie verwerfen. Worauf ich ihnen sagte, daß derselbe Unterschied stattfinde zwischen dem Leben derer, die sich die-ses Innewerden nicht erfreuen und derer, die sich dessen erfreuen, wie zwischen einer Finsternis, die so finster ist, daß es nichts ist, und dem Himmel, oder zwischen Finsternis und Licht, und sogar wie zwischen dem, was von den untersten Teilen des Menschen oder dem Darmkanal kommt, und dem was vom ganzen Himmel herabkommt. …"Denn es gibt zwei Wege zum Verstande des Menschen, nämlich: ein Weg durch die Sinne, welches der untere Weg ist, dadurch wird der menschliche Verstand geboren; und ein Weg durch den Himmel vom Herrn, welches der obere Weg ist. Was durch den unteren Weg geboren

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wird, ist körperlich und materiell, was aber durch den oberen Weg gebo-ren wird, ist geistig und himmlisch. Es sei denn, daß diese obere Tür vom Herrn geöffnet wird, so kann der Mensch nie glauben, daß solch' eine Verbinddung existiert, daß er Mensch inne wird und überzeugt wird. Aber nichts desto weniger gibt es bei vielen Personen ein Gewis-sen aus dieser Quelle; dies Gewissen erstreck sich jedoch meistens auf Handlungen und wird durch Kenntnisse solcher Dinge gebildet, in wel-che der Mensch seinen Gottesdienst und seine Pflicht setzt, und somit ist es kein wahres Gewissen. Bei einigen guten Menschen und Geistern ist jedoch ein dunkles, und bei den Engeln anderseits ein klares Gewissen, so daß sie wissen, wahrnehmen und verstehen, daß sich eine Sache so verhält, und daß ohne solches offenbare Gewissen und Überzeugung der Dinge, welche sich auf verschiedene Weise kund tun, kein Leben existie-ren kann."Sie verwunderten sich in hohem Grade so oft ich ihnen sagte, daß ich nichts aus mir selbst tun könne, da sie doch oft Dinge von mir getan sahen. Wenn ich ihnen wiederum sagte, daß diese Dinge nicht von mir, sondern durch mich geschähen, so daß es mir wohl so schiene als ob ich sie tue, sondern der Herr es tut, dann verwunderten sie sich noch mehr. Dies dünkte ihnen seltsam, und doch ist es eine Wahrheit, der nicht widersprochen werden kann, und welcher von keinem Engel widerspro-chen, sondern die von ihnen bestätigt wird. Als sie die Bestätigung aus dem Himmel hörten, kam es ihnen vor als ob sie glaubten, daß es so sei, aber sie glaubten es doch nicht, weil sie es weder wahrnahmen noch ver-standen."Solche Wahrnehmungen und Überzeugungen können nie ohne Glauben an den Herrn erlangt werden, denn sie sind des Herrn und folglich Seine Gabe; und gar nichts davon gehört weder einem Menschen, einer Seele, einem Geiste, oder einem Engel an" (D.S.897-902).

Hier wird uns die Schwierigkeit an eine innere Inspiration und an ein Innewer-den, oder an einen Zustand der Freiheit selbst und der Vernünftigkeit selbst, zu glauben, wo Alles, was der Mensch spricht und handelt, vom Herrn, und nicht von den Menschen selbst ist, in der klaren Weise durch das Beispiel einiger See-len oder Geister im andern Leben gezeigt. Dieselbe Schwierigkeit aber existiert bei allen Menschen in dieser Welt, welche den Unterschied zwischen der Frei-heit und Vernünftigkeit, vor und nach der Widergeburt nicht sehen können. Daher fühlen wir uns gedrungen, den schon angeführten Zeugnissen über diesen Gegenstand noch die folgenden bestimmten Erklärungen beizufügen:(94.) "Einige Geister sagten, daß ich nicht sei, weil ich von Andern bewegt

werde zu denken, zu sprechen und zu allem Andern, und somit nichts von mir da sei, welches Viele klar bemerken; denn seit vier Jahren bin ich so, daß ich nichts von mir selber denke oder spreche; aber auf Unter-

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suchung werden Diejenigen sogleich entdeckt, welche diese Dinge bei-bringen. Diesen Morgen sprach ich mit solchen Geistern, und nachdem sie ihr Erstaunen kund gegeben, wurde mir erlaubt ihnen zu sagen, daß es so gut sei; denn, wenn jetzt Böses gedacht oder gesprochen wird, so ist es nicht von mir, sondern von den bösen Geistern, daher es mir nicht angeeignet wird. Aber wenn ich glaubte, daß das Böse von mir sei, so würde es mir angeeignet werden und ich würde somit wirkliches Böse dem wirklichen Bösen hinzufügen. Gutes hingegen ist dann vom Herrn, so rechne ich mir dann kein Verdienst zu aus dem Denken, Sprechen und Tun des Guten, so begehe ich auch keine Sünde" (D.S.4228).

Aus all' diesem geht hervor, daß Swedenborg, nachdem er seine Mission ange-treten, vom Herrn geführt wurde, nicht nur seinem Innern, sondern auch seinem äußern Denken, daß somit alle seine Gedanken und Handlungen und daher Alles was er schrieb, vom Herrn geleitet und beaufsichtigt wurde; obgleich er anderer-seits seine Freiheit und Vernünftigkeit genoß wie jedes andere menschliche Wesen, jedoch nicht die Freiheit und Vernünftigkeit, welche der Mensch vor seiner Wiedergeburt genießt, sondern die andere, höhere Freiheit und Vernünf-tigkeit, welche die Engel des Himmels genießen, bei welchem alles Eigene, und somit alles ihres Propriums, von ihren Gedanken und Neigungen, und somit von ihrer Rede und ihren Handlungen los getrennt ist. Es ist schwer, und fast unmög-lich für uns, einen solchen Zustand zu verstehen, und doch können alle die, wel-che sich durch das geistige Licht erleuchten lassen, vernünftiger Weise die Mög-lichkeit eines solchen Zustandes einsehen, und sind daher fähig, das was unsere Lehren darüber lehren, im bejahenden Zustande aufzunehmen. So können auch Alle, welche den Zustand des Menschen, in welchem er von seinem Eigenen oder von seinem Proprium losgetrennt ist, und in welchem er vom Herrn und nicht mehr von sich selbst denkt und handelt, begreifen, auch verstehen, daß Swedenborg in Allem, das er in Betreff der Lehren des Neuen Jerusalems schrieb, vom Herrn inspiriert sein konnte, so daß Alles, was er schrieb, vom Herrn und nicht von ihm selbst kam, und daß er dessen ungeachtet zu gleicher Zeit seine Freiheit und Vernünftigkeit genießen, und somit vernünftiger Weise Alles verstehen konnte, was er vom Herrn schrieb.Wir haben nun gesehen, daß sich Swedenborg eines doppelten Denkens erfreute, eines innerlichen und eines äußerlichen, und daß beide vom Herrn regiert und geführt wurden; wir haben auch gesehen, daß er fortfuhr, seinem äußerlichen Denken nach, seine Freiheit und Vernünftigkeit zu genießen. Wir haben ferner gesehen, daß Swedenborgs äußerliches Denken ein Zustand des Nachdenkens war; denn es wurde ihm vom Herrn erlaubt, über Alles nachzudenken, was in sein Gemüt entweder durch die körperlichen oder die geistigen Sinne einfloß. Diesem Nachdenken wurde vom Herrn, durch den Einfluß vom Herrn in Swe-denborgs inneres Denken, ein Innerwerden beigefügt; und dieser Einfluß befä-higte ihn wahrzunehmen, was in seinen äußern Gedanken von ihm selbst, was von Geistern und was von Engeln und was vom Herrn kam. Das, was vom Herrn

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kam, "schrieb er nieder", was aber von ihm selbst, von den Geistern und von Engeln kam, "schrieb er nicht nieder" (siehe unsere Nr. 50).Wir sind jetzt im Stande klar zu sehen, daß die Aufnehme der Lehren des innern Sinnes vom Herrn, in das Gemüt Swedenborgs, zwei verschiedene Vorgänge erforderte, welche in der folgenden Stelle bezeichnet werden:(95.) "Niemand kann sehen, was im geistigen Sinne der Apokalypse enthalten

ist, ausgenommen Der, welchem es aus dem Himmel geoffenbart wird, und welchem zu gleicher Zeit gegeben wird, den innern oder geistigen Sinn zu kennen" (J.G.41).

Hier wird ein Unterschied gemacht zwischen der Offenbarung des innern Sinnes und der Erwerbung der Erkenntnis desselben. Die Erkenntnis des innern Sinnes erwarb sich Swedenborg durch sein äußeres Denken; aber die Offenbarung des-selben empfing er unmittelbar vom Herrn in sein inneres Denken. Bei Erwer-bung der Erkenntnis des geistigen Sinnes handelte Swedenborg wie von sich selbst, mit dem vollen Gebrauch seiner Freiheit und Vernünftigkeit; aber die Offenbarung des geistigen Sinnes in sein inneres Denken erhielt er unmittelbar vom Herrn, ohne Vermittlung seiner Freiheit und Vernünftigkeit. Durch diese Offenbarung des innern Sinnes wurde Swedenborgs Vernunft in der Tat in ein übernatürliches Licht erhoben, und sein Wille wurde mit einem unwiderstehli-chen Verlangen erfüllt, nur des Herrn Willen und nicht seinen eigenen zu tun.Die Erwerbung der Erkenntnis des innern Sinnes bestand bei Swedenborg zum großen Teil in Erwerbung der Kenntnis der Entsprechungen, denn diese sind das Mittel, durch welche der geistige Sinn gegeben wird (siehe W.C.R.207). Diese Kenntnis erhielt Swedenborg teilweise in der natürlichen und teilweise in der geistigen Welt. In der natürlichen Welt erhielt er sie durch fortwährendes Stu-dium des Buchstabens des Wortes, und in der geistigen Welt durch Unterredun-gen mit den Engeln, welche in dieser Erkenntnis stehen. Über diesen Gegen-stand sagt er in einem seiner Briefe an Dr. Beyer:(96.) "Als mir der Himmel geöffnet wurde, war es zuerst notwendig für mich

die hebräische Sprache zu lernen, sowie die Entsprechungen, aus wel-chen die ganze Bibel zusammengesetzt ist, welches mich dahin führte, das Wort Gottes viele Male durchzulesen; und da das Wort Gottes die Quelle ist, aus welcher alle Theologie geschöpft werden muß, so wurde ich dadurch befähigt vom Herrn, der das Wort ist, Unterricht zu empfan-gen."

Daß aber die Erkenntnis des innern Sinnes von Swedenborg auch in der geisti-gen Welt erlangt wurde, wird in dem Folgenden klar gezeigt:(97.) "Weil auf diese Wiese ein innerer oder geistiger Sinn in jedem Worte in

der Offenbarung ist, und weil dieser Sinn die Geheimnisse des Zustandes der Kirche im Himmel und auf Erden enthält, und diese Niemand geof-fenbart werden können, der diesen Sinn nicht weiß, und dem nicht

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zugleich gegeben ist, mit den Engeln Umgang zu haben, und geistig mit ihnen zu sprechen, so ist, damit das, was in ihr geschrieben steht, nicht vor dem Menschen [immer] verborgen bleiben und in der Folge wegen des Nichtverständnisses aufgegeben werden möchte, das darin Enthal-tene mir entdeckt worden" (J.G.42).

Bei Erwerbung der Erkenntnis des geistigen Sinnes in der natürlichen und in der geistigen Welt, wurde Swedenborg in wunderbarer Weise vom Herrn geführt; und sobald diese Erkenntnis in sein Gemüt einging, wurde Alles von ihr ent-fernt, was von seinem Eigenen, oder von Geistern und Engeln abgeleitet war, und sie nahm die Beschaffenheit des Wahren vom Herrn an; denn so oft eine Erkenntnis, die zum innern Sinne gehörte, in Swedenborgs äußeres Denken ein-ging, und während er aufmerksam deren verborgene Bedeutung verfolgte, so brach Licht aus seinem innern Denken hervor, und es wurde ihm vom Herrn eine Offenbarung des innern Sinnes zu Teil; wie in Folgendem gelehrt wird:(98.) "Göttlich-Wahres, d.h. das Wahre, welches unmittelbar vom Herrn aus-

geht, weil es das rein Göttliche ist, fließt in alle Glaubenswahrheiten ein und macht daß sie Wahrheiten sind" H.G.8595). Und wiederum: "Die Erkenntnisse des Wahren werden zu Wahrheiten bei dem Wiedergebore-nen" (Gl.33).

Wenn eine Erkenntnis oder eine Lehre jedoch eine Wahrheit wird, so legt sie alle menschliche Beschaffenheit ab, und scheint im Lichte des Himmels, und somit als Göttlich-Wahres. Dieser Vorgang wird in dem Folgenden beschrieben:(99.) "Mit der Lehre hat es die Bewandtnis: so viel Menschliches, d.h. Sinnli-

ches, Wissenschaftliches und Vernunftmäßiges da ist, auf welches hin man glaubt, daß es so sei, insoweit ist die Lehre nichts; inwieweit aber das Sinnliche, Wissenschaftliche und Vernunftmäßige entfernt, d.h. inwieweit die Lehre ohne dasselbe geglaubt wird, insoweit lebt die Lehre, denn insoweit fließt das Göttliche ein. Es ist des Menschen Eige-nes, das den Einfluß hindert" (H.G.2538).

Die äußerlichen Gefäße zur Aufnahme der Lehren des innern Sinnes in Sweden-borgs Gemüt waren die natürlichen Wahrheiten, welche er sich erworben hatte, ehe sein geistiges Gesicht geöffnet wurde. Über diesen Gegenstand schrieb er im Jahr 1766 an den Prälaten Oetinger:(100.) "Zuerst wurde ich vom Herrn in die natürlichen Wissenschaften einge-

führt, und somit vorbereitet. Dies geschah vom Jahr 1710 bis 1744, wo mir der Himmel geöffnet wurde; denn Jeder wird durch natürliche zu geistigen Wahrheiten geführt. Der Mensch wird nämlich natürlich gebo-ren; er wird erzogen, daß er moralisch wird; und endlich vom Herrn gezeugt, damit er geistig werde. Nebenbei wurde mir vom Herrn gege-ben, daß Wahre in einer geistigen Weise zu lieben, d.h. nicht um der Ehre und des Gewinnes, sondern um des Wahren selbst willen; denn

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Der, welcher das Wahre der Wahrheit wegen liebt, sieht es vom Herrn, weil der Herr der Weg und die Wahrheit ist (Joh.14,6); wer es aber der Ehre und des Gewinnes wegen liebt, sieht es aus sich selbst; und von sich selbst aus sehen, ist gleichbedeutend mit falsch sehen."

Durch die Eröffnung des geistigen Gesichtes wurde Swedenborgs Gemüt befä-higt, mit geistigen Erkenntnissen oder geistigen Wahrheiten ausgerüstet zu wer-den, und bekam somit echte Gefäße zum Empfang der Lehren des innern Sinnes. Diese Erkenntnisse erwarb sich Swedenborg durch den Verlehr mit Geistern und Engeln; und da der Herr Selbst ihn vor 1744 in die natürlichen Wissenschaften eingeführt hatte, so führte der Herr Selbst ihn auch, nachdem er "in den Himmel eingeführt worden war", in die Erkenntnisse der geistigen Dinge, oder in die Erkenntnisse der Dinge ein, welche in der geistigen Welt existieren.Der Herr Selbst leitete und beaufsichtigte daher, Swedenborgs Verkehr mir den Geistern und Engeln in der andern Welt auf eine wunderbare Weise, indem Er ihm nur mit solchen Geistern und Engeln umzugehen erlaubte, die ihn mit den besonderen Erkenntnissen der geistigen Dinge ausrüsten konnten, deren er zur Zeit bedurfte. Da der Lauf seines Unterrichts in der andern Welt vom Herrn Selbst so sorgfältig überwacht und bestimmt wurde, so brauchen wir uns nicht zu wundern, daß die Erkenntnisse Swedenborgs von den "Dingen, die er im Himmel und in der Hölle gesehen und gehört", mit der Zeit so umfassend und allgemein wurden, und zugleich so ins Einzelne und Besondere gehend, daß der Herr dem Menschengeschlechte durch Swedenborg sogar in einer vernunftmäßi-gen Weise "die Geheimnisse des Himmels und zugleich die des Lebens des Menschen nach dem Tode" offenbaren konnte (siehe H.H.1).Der Zweck des Herrn, bei der Überwachung und Leitung der Anhäufung von geistigen Erkenntnissen in Swedenborgs Gemüte, war jedoch nicht nur ihn vor-zubereiten und zu befähigen, der Menschheit "die Geheimnisse des Himmels und des Lebens nach dem Tode" zu offenbaren, sondern auch "das "Wort dem innern Sinne nach zu öffnen" (H.H.1); denn, "der Innere Sinn kann nicht erkannt werden, ohne daß die Dinge der andern Welt bekannt gemacht werden, weil so sehr viele Dinge, welche im innern Sinne enthalten sind, sich darauf beziehen, sie beschreiben und sie einschließen" (siehe Nr. 65).Der Herr hatte daher bei der sorgfältigen Beaufsichtigung des Verkehrs Sweden-borgs mit den Geistern und Engeln auch Rücksicht auf "die Öffnung des innern Sinnes" durch ihn.Dieser beiden Ursachen wegen geschah es, daß zuerst eine Erkenntnis der allge-meinen Dinge der geistigen Welt vom Herrn dem Gemüte Swedenborgs einge-pflanzt wurde, und nachher eine Erkenntnis derer Einzelheiten; so daß mit der Zeit ein getreuer Widerschein der allgemeinen Züge der geistigen Welt in Swe-denborgs vernünftigen Gemüte erzeugt wurde, nebst einem genügenden Vorrat von Besonderem, um diesem Allgemeinen Leben und Licht mitzuteilen. In Folge dieser wunderbaren Beaufsichtigung des Herrn über Swedenborgs Ver-

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kehr mit Geistern und Engeln in der andern Welt, konnte er erklären (siehe Nr. 77), daß "das was er aus Vorbildungen, Gesichten und aus Unterredungen mit den Geistern und Engeln lernte, vom Herr allein war".Daß die Eröffnung des geistigen Gesichtes Swedenborgs eines der Mittel war, durch welches der Herr ihn befähigte sich die Erkenntnis des innern Sinnes zu erwerben, geht aus den Erfahrungen und Denkwürdigkeiten hervor, mit welchen sein erstes Werk über den innern Sinn des Wortes, genannt "Adversaria" durch woben ist.So finden wir da z.B. daß, als er zu der Geschichte Jakobs kam, daß er in der andern Welt bei dem wahren Jakob des Alten Testaments eingeführt wurde (ii, 1511); als er über Moses schrieb, sah er den Moses und hatte Unterredungen mit ihm (ii, 1779; iii, 7612); als er über David schrieb, so sprach er mit David und erfuhr von ihm in welchem Zustande er war, als er seine Psalmen schrieb (D.S.3674; und als er über den innern Sinn der Geschichte Salomos schrieb, gefiel es dem Herrn ihn mit Salomo im andern Leben bekannt zu machen (Adversaria ii, 143; iii, 5225). In ähnlicher Weise führte ihn der Herr nachher bei Paulus und den Jüngern überhaupt ein, so daß er befähigt wurde, ihren Zustand im andern Leben zu beschreiben. Da der Herr Swedenborgs Verkehr mit den Geistern und Engeln der andern Welt unmittelbar beaufsichtigte, und ihn mit einem doppelten Denken begabte, und da der Herr durch einen unmittel-baren Einfluß in Swedenborgs inneres Denken ihn befähigte in seinem äußeren Denken Wahres vom Falschen zu unterscheiden, so war Swedenborg im Stande, die Wahrheit über alle diese biblischen Persönlichkeiten einzusehen; und was er über ihren Zustand im andern Leben geschrieben hat, muß daher durchaus wahr sein. Und, da überdies durch den Einfluß des Herrn in die Erkenntnisse, welche von außen in Swedenborgs Gemüt einflossen: alles "Sinnliche, Wissenschaftli-che und Vernünftige", und somit alles Menschliche davon ausgeschieden wurde (siehe Nr. 99), und diese Erkenntnisse dadurch Wahrheiten wurden (siehe Nr. 98), so wurde alles bloß Menschliche und somit alle Sinnestäuschung von den Dingen, welche er über die biblischen Persönlichkeiten kennen lernte, wie oben bemerkt, aus Swedenborgs Gemüte entfernt; weshalb es für ihn ganz und gar unmöglich war, daß er von Geistern, die sich für die Geister jener Persönlichkei-ten ausgaben, hätte getäuscht werden können.Dieser Vorgang der Vorbereitung von Gefäßen oder Erkenntnissen für die Auf-nahme der unmittelbaren Offenbarung vom Herrn, ging beständig in Sweden-borgs Gemüt vor sich. Durch die Übung seiner äußern Gedanken führte ihn der Herr beständig in die Erkenntnisse ein, welche zur Aufnahme des innern Sinnes dienten; während durch den unmittelbaren Einfluß vom Herrn alles "Sinnliche, Wissenschaftliche und Vernünftige", und somit alles Eigene Swedenborgs, oder sein Proprium" von diesen Erkenntnissen geschieden, und sie in geistige und natürliche Wahrheiten verwandet wurden.Sobald Swedenborgs Gemüt in dieser Weise mir den erforderlichen Erkenntnis-

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sen des innern Sinnes ausgestattet und somit vorbereitet war, die Offenbarung dieses Sinnes vom Herrn zu empfangen, offenbarte der Herr ihm den innern Sinn, "während er das Wort las" (W.C.R.779); doch war die Offenbarung dieses Sinnes vom Herrn ganz der Natur der Gefäße in Swedenborgs Gemüte, und somit seiner Erkenntnis des innern Sinnes gemäß. Denn das Verständnis der Offenbarung des innern Sinnes ist immer den Erkenntnissen des innern Sinnes im Gemüte gemäß. Wenn diese Erkenntnisse spärlich und beschränkt sind, so kann auch die Offenbarung vom Herrn nur spärlich und beschränkt sein; sind diese Erkenntnisse im Überfluß vorhanden, so werden auch die Offenbarungen reichlich und im Überfluß vorhanden sein. Sind aber die Aufnahmegefäße im Gemüte gänzlich von den Wißtümlichen der natürlichen Welt abgeleitet, so wird die Offenbarung vom Herrn auf die Lehre des innern Sinnes beschränkt, welche im Buchstaben des Wortes, und somit im Lichte der Welt erscheint. Wenn aber die Gegenwart des Herrn im Worte, und somit die Göttlichkeit des Wortes vom Menschen geleugnet wird, dann kann dem Menschen keinerlei Offenbarung des innern Sinnes vom Herrn mitgeteilt werden, und er ist sodann unfähig irgend eine Lehre des innern Sinnes aufzunehmen und zu verstehen.Aus diesem Grunde können wir sehen, warum die Offenbarung des innern Sin-nes bei Swedenborg so sehr stufenweise vor sich ging. Als er im Jahre 1745 anfing das Wort zu studieren, konnte er bloß in das Verständnis des buchstäbli-chen Sinnes desselben eindringen, weshalb wir ihn im Anfang der "Adversaria", S. 1 bis 25, sich abmühen sehen, vermittelst des ersten Kapitels der Genesis, die physische Schöpfung des Weltalls zu erklären. Damals war er noch nicht fähig tiefer einzudringen und eine höhere Offenbarung vom Herrn zu empfangen, aus dem einfachen Grunde, weil damals noch keine Erkenntnisse über den innern Sinn in seinem Gemüte waren; und doch war damals schon sein geistiges Gemüt vom Herrn geöffnet, so daß er sich des Umgangs mit Geistern und Engeln in der andern Welt erfreute.Im Verhältnis aber, als sich seine Erkenntnisse über den innern Sinn mehrten, wurde er fähig, zuerst die Offenbarung des innern natürlichen, nachher die des geistigen, und endlich die des himmlischen Sinnes des Wortes vom Herrn zu empfangen.Jedoch war der Vorrat der Erkenntnisse des geistigen Sinnes im Gemüte Swe-denborgs nicht die einzige Verstandesfähigkeit, durch welche er befähigt wurde den innern Sinn im Buchstaben des Wortes zusehen, und somit das Innere des buchstäblichen Sinnes zum Nutzen der Menschen in dieser Welt zu entfalten. Zu diesem Zwecke war es auch notwendig, die Ideen seines innern Denkens in sein äußeres Denken, welches sich auf der selben Stufe mit dem buchstäblichen Sinne des Wortes Gottes befand, herabzubringen. Dieses Herabzubringen der Ideen der innern Gedanken Swedenborgs in sein äußeres Denken, erforderte jedoch seinerseits eine bedeutende Anstrengung; es bedurfte in der Tat bei ihm das angestrengteste Nachdenken über die geistige Bedeutung im Buchstaben des Wortes, und während er durch den Gebrauch seiner Freiheit und Vernünftigkeit

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in solchem Zustande des Nachdenkens war, wurde das Licht des innern Sinnes aus seinem innern Denken in sein äußeres denken herabgebracht. Zuerst erschien ihm, der Beschaffenheit seiner Erkenntnisse wegen, der Buchstabe des Wortes im allgemeinen innern Sinne, und in diesem allgemeinen Lichte konnte er den innern natürlichen oder den innern historischen Sinn des Wortes unter-scheiden; nachher, als seine Kenntnisse ausgedehnter wurden, wurde dieses Licht mehr ein besonderer, und er konnte den geistigen Sinn des Wortes erken-nen; und endlich, als die Erkenntnisse, und durch diese das Licht der kleinsten Sonderheiten des Wortes hinzukamen, so wurde er fähig den himmlischen Sinn des Wortes wahrzunehmen.Der innere Vorgang, welcher in der Seele Swedenborgs stattfand, als er die Leh-ren des innern Sinnes vom Herrn schrieb, war daher folgender: Er war im äußern Denken, als er den Buchstaben des Wortes Gottes in der natürlichen Welt las. In diesem Zustande, und mit vollem Gebrauch seiner Freiheit und Vernünftigkeit, dachte er über den geistigen Sinn, der im Buchstaben enthalten ist, nach, und nahm zu Behuf dessen, aus dem großen Vorrat seines Gedächtnisses, jede Erkenntnis, oder vielmehr jede Wahrheit, welche sich auf diese Weise anstrengte, die verborgene Bedeutung des Buchstabens des Wortes zu ergrün-den, wurde ihm der innere Sinn durch den Einfluß des innerlichen in das äußerli-che Denken geoffenbart und diesem Zustande des Nachdenkens beigefügt, und dann sah Swedenborg den innern Sinn klar vom Herrn her und nicht von sich selbst. Und während er das Erzeugnis seiner innerlichen Offenbarung nieder-schrieb, wurde der unmittelbare und der mittelbare Einfluß vom Herrn in ihm so innig verbunden, und er so vollständig "mit dem Geiste des Herrn erfüllt" (W.C.R.779), daß es ihm unmöglich wurde, anders zu schreiben als der Geist Gottes ihn anleitete.Daß Swedenborg zu solchen Zeiten so gänzlich "mit dem Geiste Gottes erfüllt", und aus seinem Eigenen oder seinem Proprium so gänzlich entfernt wurde, daß "der innere Sinn ihm aus dem Himmel diktiert wurde" (quod ille e coelo mihi dictatus fuerit), erklärt er in den »Himmlischen Geheimnissen« Nr. 6597; und in der Vorrede zu der »Enthüllten Offenbarung« berichtet er Folgendes:(101.) "Jedermann kann sehen, daß die Offenbarung durch Niemand anders

erklärt werden kann, als durch den Herrn allein, denn die einzelnen Worte derselben enthalten Geheimnisse, welche Niemand ohne beson-dere Erleuchtung und so ohne Offenbarung wissen könnte; daher es dem Herrn gefallen hat, mir das geistige Gesicht zu öffnen, und mich zu leh-ren. Man glaube also nicht, daß ich etwas aus mir selbst, oder aus irgend einem Engel genommen hätte, sondern vom alleinigen Herrn. Der Herr hat auch durch Seinen Engel zu Johannes gesagt: Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches (Kap.22,10), worunter verstanden wird, daß sie geoffenbart werden sollen" (siehe auch Nr. 52).

Einzelheiten über den Zustand in dem Swedenborg war, während er die Lehren

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des innern Sinnes schrieb, werden in dem Folgenden gegeben:(102.) "Die Bedeutung der hier geschriebenen Dinge wurde mir auf wunderba-

rer Weise geoffenbart. Ohne Offenbarung ist es unmöglich solche Dinge zu verstehen. Es wurde mir andiktiert, aber wunderbarer Weise in mei-nem Denken, das Denken wurde dabei zum Verständnis dieser Worte hingeleitet, und die Idee wurde dabei auf jedem Ausdruck festgehalten, als ob sie durch eine himmlische Gewalt darangeheftet wären. Diese Offenbarung fand somit in einer fühlbaren Weise statt."Der Vorgang ist verschieden, wenn das Denken offenbarlich durch ein gewisses Licht erleuchtet wird und wenn das Schreiben so regiert wird, daß auch nicht das geringste Wort anders geschrieben werden kann. Dies geschieht oft in einer weniger bewußten Weise, aber zu andern Zeiten so fühlbar, daß die Finger durch eine höhere Kraft geführt werden, und wenn der Mensch etwas Anderes schreiben wollte, es ihm unmöglich ist. Dies geschah nicht nur mit einem beigefügten Innewerden der Sache, sondern es geschah auch wiederholt auf verschiedene Weise ohne Inne-werden, so, daß ich den Zusammenhang nicht vor, sondern erst nach dem Schreiben wußte. Diese letzte Art von Offenbarung geschah jedoch sehr selten, und auch dann nur der Belehrung wegen und weil Offenba-rungen zuweilen auf diese Weise geschehen sind. Diese Papiere wurden jedoch zerstört, weil Gott-Messias nicht wollte, daß dieses [d.h. die Offenbarungen durch Swedenborg] auf diese Weise stattfinden sollten" (Adv. iii, 7167).

Der große Unterschied zwischen Swedenborgs Offenbarung und der der Prophe-ten unter den Juden ist daher, daß Swedenborg ein Innewerden der Bedeutung dessen hatte, was er schrieb, was die Propheten nicht hatten, und daß Sweden-borg nicht erlaubt wurde, etwas zu schreiben dem nicht auch ein Innewerden beigefügt wurde. Ein anderer Unterschied war der, daß die Propheten schrieben, wie der Herr ihnen durch Engel diktierte, die Er mit Seinem Geiste erfüllte; während Swedenborg seine Offenbarung unmittelbar vom Herrn selbst empfing, welcher ihm durch Einfluß in sein inneres Denken andiktierte, was er zu schrei-ben hattet. Swedenborg schrieb daher unter der innern Einsprache vom Herrn selbst, und nicht unter einer äußern Diktation durch Geister; und so oft Sweden-borg etwas über die Lehren des innern Sinnes schrieb, so mußten sich die Geis-ter, die um ihn her waren, gänzlich ruhig verhalten. Dies wird von ihm in den folgenden Worten berichtet:(103.) "Es wurde verboten, daß mir Etwas mit lauter Stimme diktiert werde;

obgleich eine geraume Zeit fast ununterbrochene Unterredungen mit mir in lauter Stimme stattfanden, so herrschte jedoch während des Schrei-bens Stille" (Adv. iii, 7167).

Wir sehen daher, daß Swedenborg innerlich vom Herrn selbst inspiriert war, während die Propheten äußerlich, vermittelst der Geister, die mit dem Geiste des

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Herrn erfüllt waren, inspiriert wurden. Dazu war Swedenborg nicht nur innerlich vom Herrn inspiriert, während er den Buchstaben des Wortes in der natürlichen Welt las, sondern auch während er im Umgang mit Gestern und Engeln in der andern Welt war; und da er sich eines "empfindsamen Nachdenkens" erfreute (siehe Nr. 79), während er in der geistigen Welt war, so wurde Alles was er dort sah und hörte, seinem Gedächtnis eingeprägt, so daß er sich dessen vollkommen erinnern konnte, wenn er in seinem natürlichen Denken in der Welt war; und da er innerlich vom Herrn inspiriert war, als die Eindrücke zuerst auf sein Gedächt-nis in der geistigen Welt gemacht wurden, so kehrte dieser Zustand der innern Inspiration zurück, wenn er seine geistigen Erfahrungen in der natürlichen Welt niederschrieb; deshalb schrieb er an Gjörwell, den königlichen Bibliothekar in Stockholm, im Jahr 1765:(104.) "Wenn ich nachdenke über das, was ich zu schreiben habe, und während

ich schreibe, so werde ich mit einer vollkommen Inspiration begabt; frü-her würde dies mein Eigenes gewesen sein, aber jetzt weiß ich gewiß, daß das, was ich schreibe, die lebendige Wahrheit Gottes ist" (Anmär-kningar i Svenska Historien, Vol. I, S. 223).*

(*) Siehe Documente 251, No. 7, in Band ii, der Documente über Swedenborg, herausgegeben von Dr. R.L.Tafel.

Der Zustand der Inspiration, in welchem die Propheten waren als sie den Buch-staben des Wortes Gottes schrieben, wird von Swedenborg auf das Genaueste in der folgenden interessanten Stelle beschrieben, welche auch weiteres Licht auf den Zustand seiner eigenen Inspiration wirft:(104.) "Wenn ein Engel einen Propheten, oder Denjenigen, durch welche die

Worte der Inspiration ausgesprochen werden sollen, Worte inspiriert oder einhaucht, so ist er nur in geistigen Dingen; wenn er aber auf das Gemüt Dessen einwirkt, den er inspiriert, so regt er ein Denken an, wel-ches in gewöhnlicher Weise in menschliche Ausdrücke fällt. Diese Aus-drücke sind solcher Art, wie bei dem Propheten vorhanden sind, und sei-ner Auffassung und seiner besondern Form gemäß. Dies ist die Ursache, warum der Styl der Propheten so verschieden ist, und warum es bei jedem Inspirierten der analytischen Form seines Denkens gemäß ist, wel-che vorher schon erworben worden war. Nichts desto weniger bin ich im Stande in der feierlichsten Weise zu erklären, daß bei dem Inspirierten nicht das Geringste, ja nicht einmal ein Jota ist, das nicht inspiriert wäre, obgleich es den Gaben dessen gemäß, welcher die Inspiration ausspricht, ein wenig verschieden ist, jedoch so, daß sogar dann kein Jota ist, das nicht inspiriert wäre."Auf dieser Weise waren die Lobgesänge in den Büchern Mosis, in denen der Richter und in den Psalmen, welche von David, der dies auch bemerkte, gesungen wurden, inspiriert, sowie auch die, welche in den Propheten vorkommen. Aber wo es heißt: "Jehovah hat es gesprochen",

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da fand die Inspiration, wie oben gesagt, mit lauter Stimme statt. Diese laute Stimme ist wie wenn ein Mensch aus verschiedenen Entfernungen spräche; ferner und wieder nahe, so daß man die Richtung, aus der die Stimme kommt, erkennen kann. Dies ist mir so wohl bekannt, daß ich nichts besser weiß; sie kann sogar von einem Turme, von einem Hügel, oder aus einer Richtung über dem Haupte. … Obgleich aber diese Stimme so klar und laut erschallt, als ob ein Mensch mit sich spräche, da sie sogar, wenn Andere sprechen, gehört werden kann, so dringt sie doch nicht von außen in das Ohr ein, sondern kommt von innen her in das Ohr, weshalb sie von andern Personen, die gegenwärtig sind, nicht gehört wird. Dessen ungeachtet meinten einige Geister, daß die Worte auch von den Personen, welche bei mir waren, gehört worden seien, weil die Worte, welche ich mit diesen Personen sprach, von ihnen (den Geis-tern) fast in derselben Weise gehört wurden, wie ich die ihrigen hörte. Meine Sprache mit ihnen war von derselben Art, denn auch sie tönte in ihren Ohren" (Adv. iii, 6965, 6966).

Aus dieser Stelle geht hervor, daß wenn der buchstäbliche Sinn des Wortes den Propheten inspiriert oder eingehaucht wurde, derselbe "ein weinig verändert" wurde durch ihren intellektuellen Charakter. Hieraus müssen wir schließen, daß die Lehren des innern Sinnes, indem sie vom Gemüte Swedenborgs aufgenom-men wurden, auch durch seinen intellektuellen Charakter "einwenig verändert" wurden. So wie diese "Veränderung" aber nicht im Geringsten der Kraft und Macht der Göttlichen Inspiration des Buchstabens des Wortes Eintrag tat, und da nichts desto weniger "kein Jota im Buchstaben des Wortes ist, der nicht inspi-riert wäre", so macht auch die Tatsache, daß die Lehren des innern Sinnes "ein wenig" durch den intellektuellen Charakter Swedenborgs "verändert wurde, sie nicht im Geringsten weniger inspiriert; und streitet eben so wenig gegen die Tat-sache an, daß in diesen Schriften, welche die Lehren des innern Sinnes des Wor-tes Gottes enthalten, nicht ein einziger Ausdruck vorkommt, der nicht "vom Herrn durch Swedenborg" geschrieben worden wäre und der nicht mit Göttli-cher Autorität zu uns käme. Aus dieser Stelle geht auch hervor, daß, zwar der Ausdruck des Wahren "ein wenig" durch den intellektuellen Charakter des Emp-fängers "verändert" wird; es wird aber nicht gesagt, daß derselbe auch durch die "Individualität der Gefühle", oder durch den Willens-Charakter des Empfängers beeinflußt wurde, wie dies in dem Argumente welches auf Seite 67 angeführt ist, behauptet wird.Daß die Inspiration Swedenborgs nicht nur aus seinem innern Denken in sein äußeres herabreichte, sondern sogar bis in die Ausdrücke seiner natürlichen Sprache fortgesetzt wurde, wird in folgender Stelle klar bewiesen:(106.) "Heute wurde mir zu wissen gegeben, daß … die Sprache aus dem Den-

ken folgt, gemäß den Ideen des Denkens, und daß "die Sprache eine natürliche Folge ist, die sich der Ordnung gemäß fortsetzt" D.S.2799).

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Wenn daher "die Sprache aus dem Denken folgt, gemäß den Ideen des Denkens", und "die Sprache, eine natürliche Folge ist, die sich der Ordnung gemäß fortsetzt", so muß Solches auch bei Swedenborg der Fall gewesen sein; und wenn der Herr durch Seinen mittelbaren und unmittelbaren Einfluß nicht nur Swedenborgs inneres, sondern auch sein äußeres Denken regierte und bestimmte; und wenn Swedenborgs Sprache, "den Ideen seines Denkens gemäß", als "eine natürliche Konsequenz derselben" folgte, so muß die Inspira-tion des Herrn, sogar bis in die Worte, die Swedenborg schrieb, fortgesetzt wor-den sein, so daß er mit voller Wahrheit sagen könnte: "Die Bücher welche vom Herrn durch mich (a Domino per me) geschrieben wurden, vom Anfang bis an den heutigen Tag, sollen aufgezählt werden (siehe Nr. 10); und daß er in Bezug auf das Werk über »Himmel und Hölle« erklären konnte:(107.) "Es wurde dem Bischof gesagt, daß dies nicht mein Werk, sondern das

Werk des Herrn sei, welcher wünschte, die Beschaffenheit des Himmels und der Hölle, und das Leben des Menschen nach dem Tode zu offenba-ren, und die Dinge über das letzte Gericht zu lehren, und auch daß die theologischen Gegenstände den menschlichen Verstand nicht überstei-gen" (D.S., Band III, Teil 2, S. 205).

Zuweilen wird der Einwurf gemacht, die Schriften Swedenborgs können nicht inspiriert sein, weil sie nicht in der Sprache der Entsprechungen geschrieben sind. Dieser Einwurf scheint etwas für sich zu haben; er kann aber sehr leicht widerlegt werden.Erstens, ist die Sprache der Entsprechungen nicht notwendiger Weise inspiriert; denn es gibt Bücher, welche in Entsprechungen geschrieben, und dennoch nicht Göttlich inspiriert sind; solche gibt es unter den Büchern der Bibel, wie sie von den Christen im Allgemeinen angenommen wird, wie das Buch Hiob und das Hohelied Salomos. Hierüber sagt Swedenborg:(108.) "Die älteste Schreibweise war eine vorbildliche, in welcher Sachen durch

Personen vorgebildet wurden und worin Ausdrücke gebraucht wurden, unter welchen ganz andere Dinge verstanden wurden. Die weltlichen Schriftsteller kleideten in dieser Weise ihre Geschichtswerke ein; selbst die Dinge, welche sich auf das bürgerliche und das sittliche Leben bezo-gen, wurden so behandelt, und zwar so, daß nichts ganz so war, wie es in dem Buchstaben geschrieben erschien, sondern etwas Anderes darunter verstanden wurde, und dies bis dahin, daß sie allerlei Neigungen als Göt-ter und Göttinnen darstellten, welchen die Heiden nachher einen Gottes-dienst weihten; dies kann jedem wissenschaftlich Gebildeten bekannt sein, denn es sind noch solche alte Bücher vorhanden; diese Schreib-weise hatten sie von den Uralten her, welche vor der Sündflut lebten und die sich die himmlischen und göttlichen Dinge durch Solches, was auf Erden und in der Welt sichtbar war, vorbildeten, und so das Gemüt und die Seele mit lieblichen und wonnigen Gefühlen erfüllten, wenn sie die

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Gegenstände des Weltalls betrachteten, hauptsächlich solche, welche von ihrer Form und Ordnung her schön waren; daher sind alle Bücher der Kirche jener Zeiten so geschrieben; von dieser Art ist das Buch Hiobs; als denselben nachgebildet, ist von dieser Art auch das Hohelied Salomos, … außer vielen, welche verloren gegangen sind" (H.G.1756).

Außerdem ist es sehr klar, daß die Sprache der Entsprechung nicht von der gewöhnlichen Sprache des Menschen verschieden ist; denn der Buchstabe des Wortes ist in gewöhnlicher menschlicher Sprache geschrieben. Der Unterschied ist daher nicht in der Sprache, sondern in der Form der Gedanken, welche durch die Sprache ausgedrückt werden.Wir werden belehrt, daß das, was vom höchsten Himmel in den äußeren oder letzten Himmel einfließt, in diesem Himmel einen vorbildenden Charakter annimmt (siehe H.G.10'276). Wenn daher das Göttlich-Wahre durch die höchs-ten Himmel in den untersten einfließt und dort von dem Geiste, welcher zur Ver-mittlung dient, um das Göttlich-Wahre aus diesem Himmel zu dem Menschen herabzubringen, aufgenommen wird, so nimmt dieses Göttlich-Wahre in dem Gemüte dieses Geistes die Form einer vorbildenden Sprache an, und wird in die-ser Form von jenem Geiste dem Menschen mitgeteilt, dem er beigesellt ist. Der Mensch aber erhält diese vorbildende Sprache in seiner eigenen Muttersprache.Aus der Tatsache jedoch, daß die Sprache der Engel, indem sie aus einem höhe-ren Himmel in einen niedrigeren herabkommt, dort vorbildlich wird und in der Sprache der Entsprechungen mitgeteilt wird, folgt nicht, daß die Engel oder Geister, während sie unter sich miteinander sprechen, solch eine Sprache führen. Swedenborg sagt zwar (H.G.1641), daß die Sprache der Geister mit Vorbildun-gen begleitet ist; aber er sagt nirgends, daß ihre Sprache selbst von solcher Beschaffenheit sei. Er beschreibt die Sprache der Geister und Engel als eine Sprache von Ideen, die so vortrefflich und vollkommen ist, daß sie keinerlei ent-sprechender Bilder bedürfen, um Andern ihre Ideen mitzuteilen. Die Entspre-chungen des buchstäblichen Sinnes des Wortes, welche in den Gemütern der Menschen von den Engeln des geistigen Himmels wahrgenommen werden, wer-den daher in ihren Gemütern nicht wieder in Entsprechungen umgewandelt, son-dern der natürliche oder buchstäbliche Sinn wird bei ihnen in den geistigen Sinn verwandelt, d.h. sie nehmen die Lehren wahr, welche im buchstäblichen Sinne vorgebildet sind; und das Wort, im geistigen Sinne, besteht aus nichts als Leh-ren. Diese Lehren, und somit dieser geistige Sinn, wurde von Swedenborg mit seinem natürlichen Denken aufgefaßt; und, so viel als von diesen Lehren der Auffassung des Menschen angepaßt werden konnte, wurde von ihm in die natür-liche Welt herabgebracht, und da in der natürlichen Sprache der Menschen aus-gedrückt. In Swedenborgs Falle kam die Sprache der Engel der höheren Himmel nicht in den untersten Himmel herab, und wurde nicht von daher durch einen Geist in Swedenborgs Ohren gesprochen, sondern im Gegenteil, die menschli-che Sprache wurde gleichsam von ihm in die höheren Himmel gebracht, d.h. sie begleitete ihn zu den Engeln des Himmels, als der Herr ihn dort einführte,

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obgleich er seinem Geiste nach mit dem Körper verbunden blieb, so daß er das, was er dort von den Engeln lernte, in sein äußeres Denken aufnahm,* und in natürlicher Sprache ausdrückte, ehe es aus diesen Himmeln in den untersten Himmel floß, und dort in Vorbildliches und Entsprechendes verwandelt wurde. (*) Die Engel und Geister unterhielten sich mit Swedenborg in seiner Muttersprache in der andern Welt, somit in natürlicher, und nicht in geistiger Sprache. Siehe E.L.326 und W.C.R.280; so auch D.S.2137, 2309. Vergleiche auch H.H.246.)

In den theologischen Schriften Swedenborgs haben wir daher das Wesentliche dessen, was die Engel der höheren Himmel in den Vorbildungen und Entspre-chungen wahrnehmen, wenn es von dem Menschen auf Erden gelesen wird; das heißt, wir haben hier die Weisheit der Engel des Himmels, soweit sie vom Herrn Selbst durch die Instrumentalität Swedenborgs ausgedrückt werden konnte, in der natürlichen Sprache des Menschen vor uns.Wir wissen wohl, daß wir uns durch die Erklärung, daß Swedenborgs Schriften inspiriert seien, obgleich sie nicht in Entsprechungen geschrieben sind, einer technischen Einwendung aussetzen, auf den Grund hin, daß der Ausdruck "Inspiration" in den Lehren der Neuen Kirche für das gebraucht wird, was "vom Herr kommt, und zwar durch den Engelhimmel und durch die Geisterwelt, bis es den Menschen erreicht, dem es gegeben wird, wie es im Buchstaben des Wortes ist" (H.G.1887; siehe auch H.G.4373 und 9094).Dennoch aber erschöpft diese Begriffserklärung keineswegs den Sinn, in wel-chem das Wort "Inspiration" in den Schriften der Neuen Kirche gebraucht wird; in H.G.9229 lesen wir: "Der Herr allein ist heilig, und was heilig ist, geht von Herrn aus … Deshalb hauchte der Herr seine Jünger an (inspiravit), als Er nach der Auferstehung mit ihnen redete, und sprach zu ihnen: "Nehmet hin den Heili-gen Geist." Dieser Ursache wegen wird auch gesagt, daß das Wort inspiriert ist, weil es vom Herrn ist; und die werden inspiriert genannt, welche das Wort geschrieben haben". In WCR.140 wird dieselbe Stelle der Schrift folgenderma-ßen erklärt: "Daß der Herr die Jünger anhauchte und sagte: "Nehmet hin den Heiligen Geist," war darum, weil das Anhauchen (adspiratio) ein vorbildliches äußeres Zeichen der Göttlichen Inspiration war. Inspiration aber ist eine Verset-zung in engelische Gesellschaften."Hier erhalten wir ganz andere Erklärung der Inspiration, und in der Tat, eine Erklärung der besonderen Art von Inspiration, deren sich Swedenborg vom Herrn erfreute. Denn, wenn "er über das, was er zu schreiben hatte, nachdachte, und während er schrieb" (siehe Nr. 140), ob nun in der geistigen Welt oder in der natürlichen Welt, begabte ihn der Herr mit Inspiration, indem Er ihn in die Gesellschaft der Engel versetzte.Ein Beispiel, daß ihm auf diese Weise Inspiration verliehen wurde, gibt er in einer Denkwürdigkeit (WCR.135), wo wir lesen: "Auf Befehl des Herrn stiegen drei Engel vom Himmel herab und gesellten sich mir zu dem Ende bei, daß ich aus tieferem Innewerden mit Denen, die in der Vorstellung dreier Götter waren,

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reden möchte; … und nun sprach ich mit ihnen in Folge der mir gewordenen Inspiration".Ein anderes Beispiel zeigt, daß er auf Erden in einem Zustand der Inspiration wurde, indem ihm vom Herrn ein Engel beigesellt wurde. In den Adversaria, iii, Nr.5394, sagt er: "Was aber geschrieben worden ist, wurde von einem Engel inspiriert; ich konnte dies an dem Lichte und an andern Anzeichen wahrnehmen. Die Worte flossen unwillkürlich aufs Papier, doch ohne ein Diktieren".Andere Beispiele, welche zeigen, daß Swedenborg dadurch in einen Zustand der Inspiration kam, daß der Herr ihn in Gesellschaft von Engeln versetzte, sind die folgenden:(109.) "Während ich heute schrieb, erfuhr ich, daß ein Engel leitete was ich

schrieb, und in der Tat in solcher Weise, daß ich daher dachte, daß auch nicht das Geringste stattfinden kann, das nicht unter dem Einfluß und der Fürsorge des Gott-Messias ausgeführt wird" (D.S.446).

Daß aber die Inspiration, durch welche Swedenborg während des Schreibens seiner theologischen Werke geleitet wurde, der Art nach derjenigen ähnlich war, durch welche das geschriebene Wort Gottes auf Erden entstand, wird in folgen-der Stelle klar bewiesen, wo gezeigt wird, daß Geister, durch Wahrnehmung des Zustandes der Inspiration in welchem Swedenborg war, als er seine Werke schrieb, befähigt wurden, daraus auf das Wesen der Inspiration des Wortes zu schließen; wir lesen:(110.) "Einige, welche in den Himmel erhoben wurden, sahen besonders, daß

die Dinge, welche in Gottes Worte geschrieben stehen, inspiriert sind; denn es erschien ihnen nun die Weise und auch die große Fülle des Ein-flusses in die Dinge, welche durch mich geschrieben wurden; ja nicht allein was in den Sinn, sondern auch was in die einzelnen Worte und in die Ideen der Worte einfloß. Es schien ihnen auch, als ob Einige gleich-sam meine Hand hielten und schrieben, und dachten, sie seien es, die schrieben. Dies wurde mir auch früher durch eine geistige Idee wahrzu-nehmen, ja gleichsam zu fühlen gegeben, nämlich, daß ein solcher Ein-fluß stattfindet in das Einzelnste eines jeden Buchstabens, den ich schrieb. Hieraus wird klar, daß das Wort des Herrn jedem Buchstaben nach, inspiriert ist" (D.S.2270).

Andererseits glauben Einige, daß Swedenborgs theologische Schriften nicht inspiriert sein können, weil in seinen Manuskripten ganze Sätze und Paragra-phen ausgestrichen sind. Dieser Einwand wird von Denen gemacht, welche die innerliche mit der äußerlichen Inspiration verwechseln. Sobald aber anerkannt wird, daß Swedenborg innerlich, und nicht äußerlich inspiriert war, und somit seinem innern und nicht seinem äußern Denken nach; und daß während er sei-nem innern Denken nach inspiriert war, er seinem äußern Denken nach im Gebrauch seiner Freiheit und Vernünftigkeit verblieb, so verliert dieser Vorwurf

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seine Kraft. Die Geringfügigkeit dieses Einwurfes wird daher völlig dargetan, sobald man weiß, daß Swedenborg, während er den innern Sinn vom Herrn schrieb, im Zustande des gespanntesten Nachdenkens war, und gleich Prome-theus das heilige Feuer der Inspiration vom Himmel auf die Erde zu bringen hatte. Daher es wohl möglich ist, daß er beim Schreiben des innern Sinnes vom Herrn, in der natürlichen Welt erst allmählich in den vollen Zustand der Inspira-tion kam, in dem Verhältnis als sein Zustand des Nachdenkens gespannter wurde, und daß er sodann ausstrich, was er vorher geschrieben, um das, was er nachher vom Herr empfing, klarer und genauer auszudrücken. Andererseits ist es auch wahrscheinlich, daß sein äußeres Denken, und somit seine Hand, zuwei-len durch das herabströmende geistige Licht so sehr überwältigt wurde, daß seine Gedanken die Feder übereilten. Der besondern Natur der Inspiration Swe-denborgs wegen, welche eine innerliche und keine äußerliche war, war es des-halb notwendig, daß er zwei Kopien seiner Werke ausarbeitete; die erste als Ent-wurf und die zweite als reine Abschrift für den Drucker.Solche doppelte Kopien existieren heute noch von der »Erklärten Offenbarung«. So war auch der erste Entwurf der »Arcana«, vom 12-ten Kapitel der Genesis an, von Swedenborg unter seinen Manuskripten aufbewahrt worden, während er die reine Kopie für den Drucker, von Stockholm nach London sandte.Die Ursache der vielen Druckfehler in den von ihm herausgegebenen Schriften, wird von Swedenborgs Freunde Carl Robsahm, folgendermaßen angegeben: "Ein Ding muß in Bezug auf die meisten seiner geistigen Schriften bemerkt wer-den, daß nämlich die Probebogen sehr schlecht korrigiert worden sind, so daß sehr oft Druckfehler vorkommen. Die Ursache davon war, wie gesagt, daß der Drucker ein für allemal das Korrigieren der Probebogen, sowie das Drucken übernommen hatte" ("Documente über Swedenborg", Band 1, S. 43).Das Vorkommen dieser Druckfehler in Swedenborgs herausgegebenen Schriften verwirrt diejenigen seiner Leser nicht, die glauben, daß er innerlich inspiriert war; es ist nur für die ein Anstoß, welche nicht zwischen innerer und äußerer Inspiration unterscheiden.Diese Fehler lassen sich eben so leicht aus Swedenborgs herausgegebenen Schriften entfernen, als ähnliche Fehler im Laufe der Zeit aus dem gedruckten Texte der Bibel entfernt worden sind. Zur Zufriedenstellung der Leser Sweden-borgs können wir jedoch sagen, daß wir durch eine genaue Vergleichung der von Dr. Immanuel Tafel entdeckten errata in dem gedruckten Exemplare der »Arcana Coelestia«, mit dem ersten Entwurfe dieses Werkes, welches in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in Stockholm aufbewahrt wird, im Stande sind zu erklären, daß keiner dieser Fehler in dem von Swedenborgs eige-ner Hand geschriebenen Exemplare existiert, woraus folgt, daß diese Fehler durch die Drucker, und nicht von ihm selbst gemacht wurden.Es bleibt nun nur noch ein Einwurf zu beantworten, welcher gegen die Göttlich-keit, wenigstens einiger Lehren, in den theologischen Schriften Swedenborgs

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gemacht wird. Dieser gründet sich auf die Steigerung des Lichtes, oder der Erleuchtung, welche von eineigen seiner Leser in seinen Schriften bemerkt wird. Es wird von Einigen behauptet, daß Swedenborg, zum Beispiel, als er den ersten Band der »Arcana Coelestia« schrieb, offenbar in einem nicht so hohen Zustande der Erleuchtung war, als während er den letzten Band schrieb; weil es klar ist, daß seine Erklärungen im ersten Bande weniger voll sind als im letzten Bande. Es wird auch behauptet, daß eine der "Denkwürdigkeiten", die den Kapi-teln der »Enthüllten Offenbarung« angehängt sind, in der »Wahren Christlichen Religion« mit Veränderungen abgedruckt worden ist, welches zeigt, daß er sich, als er das letzte Werk schrieb, eines höheren Zustandes der Erleuchtung erfreute. Einige gehen so weit, daß sie dieses letzte Werk Swedenborgs "Das Eine große Werk" nennen, während sie über die zahlreichen andern Werke, welche er vor der »Wahren Christlichen Religion« schrieb, leicht hinweg gehen.Wir haben gesehen, daß die "Offenbarung" des innern Sinnes bei Swedenborg von dem Zustande der Erkenntnis dieses Sinnes abhing; weil "dieser Sinn Nie-manden geoffenbart werden kann, der ihn nicht kennt" (siehe Nr. 96); und weil "alle Erleuchtung", und somit alle Offenbarung "beim Lesen des Wortes, dem Lichte gemäß ist, in welchem Jemand durch die Erkenntnisse, die bei ihm sind, sich befindet" (siehe Nr. 63).Aus der Tatsache, daß jedes der theologischen Werke Swedenborgs von allen andern verschieden ist folgt, daß eine besondere Art von Erkenntnissen bei Swe-denborg erforderlich war, um ihn zu befähigen die Offenbarung der »Himmli-schen Geheimnisse« vom Herrn zu empfangen, und wieder eine andere Art von Erkenntnissen, um ihn zu befähigen die Offenbarung »Der Wahren Christlichen Religion« aufzunehmen. Aus der Tatsache, daß "der Herr durch Swedenborg", in den Jahren 1747 bis 1756, die »Himmlischen Geheimnisse« schrieb, sind wir zu schließen berechtigt, oder vielmehr zu schließen verbunden, daß er zu jener Zeit völlig vorbereitet war, dies Werk vom Herrn zu schreiben; und aus der Tat-sache, daß er »Die Wahre Christliche Religion« in Jahre 1770 schrieb, können wir schließen, daß er zu der Zeit mit den erforderlichen Erkenntnissen ausgestat-tet war, um vom Herrn die Lehren, welche in diesem Werke enthalten sind, empfangen zu können; aus der Tatsache, daß Swedenborg, hinsichtlich seiner Erkenntnisse eine verschiedene Vorbereitung bedurfte, um »Die Wahre Christli-che Religion« zu empfangen, als es in Bezug auf die »Himmlischen Geheim-nisse« nötig war, folgt aber keineswegs, daß die Lehren, welche in diesem Werke enthalten, weniger Göttlich sind, oder weniger Autorität haben, als die des ersteren.Dieselbe Folgerung ist auf den Unterschied anzuwenden, welche Einige zwi-schen dem ersten und dem letzten Bande der »Himmlischen Geheimnisse« bemerkt haben. Als Swedenborg vom Herrn den ersten Band dieses Werkes schrieb, war sein Gemüt mit den nötigen Erkenntnissen des innern Sinnes reich-lich versehen, um vom Herrn die Offenbarung des innern Sinnes, wie er in die-sem Bande enthalten ist, zu empfangen, obgleich sein Gemüt noch nicht hinrei-

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chend vorbereitet sein mochte, den Inhalt des letzten Bandes zu empfangen. Es war aber keinerlei Ursache vorhanden, warum Swedenborg im Jahre 1747 hätte sein müssen zu schreiben, was er erst im Jahre 1756 zu schreiben hatte.Dessen ungeachtet aber ist nicht die geringste Notwendigkeit vorhanden anzu-nehmen, daß Swedenborg im Jahre 1747 nicht vollkommen vorbereitet war, das Ganze des innern Sinnes der »Himmlischen Geheimnisse« zu schreiben, denn seinem eigenen Berichte gemäß (W.C.R.779), war er beauftragt die Lehren des innern Sinnes zu "lehren", und nicht nur sie zu offenbaren. Daher teilte er in den Werken, welche er als der Diener des Herrn schrieb, die Lehren des innern Sin-nes nicht in der Form mit, in der er selbst im Stande war sie aufzufassen, son-dern er paßte sie der Aufnahmefähigkeit seiner Leser an. Daher kommt das wun-derbare System der Steigerung und Anpassung, welches sich durch alle Schrif-ten Swedenborgs hindurch bemerklich macht. Daß er beim Schreiben seiner theologischen Werke sich dem Zustande der Menschen auf Erden anzupassen hatte, wird deutlich von ihm selbst im »Geistigen Tagebuch« Nr. 3473 berichtet, wo es heißt: "Ich hatte so zu schreiben, daß es von den Menschen verstanden werden könnte, und daß sie begreifen möchten was ich schrieb; denn wenn ich nach dem Verständnisse und dem Begriffe der Geister und Engel geschrieben hätte, so wäre es den Menschen so dunkel, daß sie kaum etwas sehen könnten, und sie sich in Mitten der Finsternis befänden."Dasselbe wird von Swedenborg in einer Vorbildung D.S.4133 bis 4135 bestä-tigt, wo er berichtet, daß die Ursache, warum in den »Himmlischen Geheimnis-sen« so viele Parallel-Stellen gegeben wurden, gänzlich im Zustande des Men-schengeschlechtes liege; wo er auch erklärt, daß bei den Menschen eine hypo-thetische Darstellung der Wahrheit einer direkten Darstellung derselben vorge-zogen wird.Diese Anpassung der Lehren des innern Sinnes an den Zustand der Aufnahmefä-higkeit des Menschengeschlechts, bestimmte Swedenborg bei der Vorbereitung aller seiner Werke, die er für die Herausgabe schrieb; und von dieser Art sind alle diejenigen Werke, in welchen er den innern Sinn des Wortes entwickelt, ob von ihm selbst herausgeben oder nicht. Zu dieser Klage gehören die »Adversa-ria« und die »Erklärte Offenbarung«. Als Swedenborg die »Adversaria« schrieb, scheint er der Meinung gewesen zu sein, daß dies das große Werk sei, welches er vom Herr beauftragt sei zu schreiben, denn es finden sich das ganze Werk hindurch, Hindeutungen auf dessen Herausgabe; und auf dem Titelblatt seines Manuskriptes der »Erklärten Offenbarung« gibt er an, daß dieses Werk zu Lon-don im Jahre 1759 herausgegeben werden sollte; auch bezieht er sich auf dessen Herausgabe im Werk von dem »Letzten Gericht«, Nr. 42.Das einzige Werk, welches Swedenborg von seinem Standpunkte der Anschau-ung aus schrieb, und in welchem er sich nicht dem Zustande seiner Leser anpaßte, waren die »Memorabilia« in den Jahren 1747 bis 1765 geschrieben, und allgemeiner unter dem Namen bekannt den Dr. Immanuel Tafel ihm gege-

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ben, nämlich »Das Geistige Tagebuch« (Diarium Spirituale).Über die Glaubwürdigkeit und Autorität dieses Werkes herrschen die verschie-denartigsten Ansichten unter Neukirchenleuten. Einige gehen so weit, daß sie es über alle von ihm geschriebenen Werke stellen; während Andere es als niedriger im Werte ansehen und sogar ihr Bedauern ausdrücken, daß es herausgegeben worden ist, und das Verfahren Derer, die sich auf dasselbe als Autorität berufen, oder eine Beweisführung auf dessen Lehren gründen, ganz und gar mißbilligen.Es ist klar, daß die Glaubwürdigkeit oder Autorität des »Geistigen Tagebuches« nur gemäß den Vernunftsgründen, nicht aber gemäß den Gefühlsgründen, ent-schieden werden kann. Die vernünftigste Beweisführung jedoch ist die Ansicht, welche Swedenborg selbst über diese Sache äußert, anzuführen, denn in diesem Falle berufen wir uns nicht auf die menschliche Vernunft, sondern auf die Leh-ren selbst. Er sagt in Bezug auf das »Geistige Tagebuch«:(111.) "Im Allgemeinen ist zu bedenken, daß Alles was in diesem Buche [d.h.

im Geistigen Tagebuche] geschrieben steht, von mir nicht anders geschrieben worden, als aus lebendiger Erfahrung aus Unterredung mit Geistern und Engeln, und mir durch ein Denken, wie ein stilles Spre-chen, während dem Schreiben mitgeteilt, aus Dingen, die von denen ein-geflößt wurden, welche bei jeder Erfahrung gegenwärtig waren und unter deren Leitung ich stand, selbst bis auf die Hand während ich dachte und schrieb; so daß Alles was in diesen drei Büchern, und ebenso in andern Stellen enthalten ist, obgleich sie manchmal nicht zusammen hängen, nichts desto weniger Erfahrungen oder Tatsachen sind, die in ihrer besonderen Weise von Geistern und Engeln herkommen" (D.S.2894).

Wenn diesem Berichte das hinzugefügt wird, was Swedenborg in Nr. 77 sagt, nämlich: "Was ich aus Vorbildungen, Gesichten und aus Unterredungen mit Geistern und Engeln gelernt habe, ist vom Herrn allein," so folgt, daß Alles, was Swedenborg im »Geistigen Tagebuch« geschrieben, Tatsachen sind und daß sie nicht aus ihm selbst, sondern vom Herrn geschrieben worden sind. An einer andern Stelle sagt er in Bezug auf den Unhalt des »Geistigen Buches«:(112.) "Dies sind die Dinge die ich jetzt seit mehreren Jahren durch lebendige

Erfahrung gelernt habe, so daß sie zu den Dingen gehören, mit denen ich durch Unterricht besser bekannt bin, als mit andern Dingen" (D.S.3788). Und wiederum sagt er: "Diese Dinge sind durch Einfluß vom Himmel, von der Weisheit der Engel daselbst geschrieben worden."

Gewiß, wenn Swedenborg selbst so hoch von dem Inhalt des »Geistigen Tage-buches« spricht, so können wir, die wir sein Zeugnis glauben, nicht weniger tun, als dessen Lehren in ähnlichem Lichte betrachten; und wenn die Ideen, welche wir uns von geistigen Dingen haben, von denen, welche im »Geistigen Tage-buch« niedergelegt sind, abweichen, so geziemt es uns demütig und gelehrig die

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Lehren dessen anzunehmen, der während dem Schreiben dieses Werkes "von keinem Geiste und von keinem Engel, sondern vom Herrn allein unterrichtet wurde" (siehe Nr. 77). Es ist auch gut in solchen Sachen die Warnung des Pau-lus wohl zu bedenken: "Es wird dir schwer werden wider den Stachel zu löcken" (Ap.Gech.9,5).Sollte aber der Einwurf gemacht werden, daß: "Wenn das »Geistige Tagebuch« durch Swedenborg vom Herrn geschrieben worden ist, warum hat er es denn nicht herausgegeben?" so antworten wir: Aus derselben Ursache aus welcher er die erste Abhandlung über die »Eheliche Liebe« nicht herausgab, welche nicht gefunden worden ist, dessen Inhaltsverzeichnis aber aufbewahrt worden ist, sowie auch die »Lehre von der Liebtätigkeit«; seine nachgelassenen Werke über »Die Göttliche Liebe und Weisheit«, über »Die Heilige Schrift«, über »Den Herrn und das Athanasiche Glaubensbekenntnis«, über »Das Letzte Gericht« und »Die Geistige Welt«, nebst verschiedenen anderen kleinen Werken, welche von Dr. Immanuel Tafel als Anhang zum »Geistigen Tagebuche« herausgegeben worden sind. Alle diese Werke mit Einschluß der »Coronis« und der »Canones«, wurden entweder von Swedenborgs eigenem Standpunkte seiner Ansichten aus geschrieben, und waren dem Zustande der Menschen seiner Zeit nicht angemes-sen, oder sie enthalten Geistige Erkenntnisse, durch welche Swedenborg für die Werke vorbereitet wurde, welche er zu seiner Zeit herausgab. Da aber alle diese Werke von Nutzen waren, Swedenborgs Gemüt für den Empfang der »Offenba-rung« der Lehren des Innern Sinnes vom Herrn vorzubereiten, so wurden diese Werke sorgfältig aufbewahrt, um uns zu befähigen eine höhere und tiefere Ein-sicht in die Werke zu bekommen, welche Swedenborg selbst herausgegeben hat.Ein besonderer Fall ist derjenige der »Erklärten Offenbarung«. Dieses Werk kommt mit derselben Beglaubigung zu uns wie das »Geistige Tagebuch«; denn es ist eines denjenigen Werke, welche Swedenborg im Manuskripte hinterließ; und dennoch ist dessen Glaubwürdigkeit und Autorität nie von der Kirche in Zweifel gezogen worden, obwohl es einen Zug enthält, welcher geeignet ist, mehr Zweifel in einem vernünftig kritischen Gemüte zu erwecken, als irgend ein Punkt im »Geistigen Tagebuche«. Wir meinen die Tatsache, daß die Auslegung des innern Sinnes der Offenbarung in der »Erklärten Offenbarung« in vielen Einzelheiten von der Auslegung in der »Enthüllten Offenbarung«, welche Swe-denborg vier Jahre später schrieb und herausgab, abweicht. Der Unterschied ist nicht von solcher Beschaffenheit, daß die Auslegung in der »Enthüllten Offen-barung« derjenigen in der »Erklärten Offenbarung« widerspräche; aber während in diesem letzten Werke die Lehren des Innern Sinnes auf die Kirche im Allge-meinen angewandt wurden, beziehen sie sich in dem ersten Werke ausschließ-lich auf die Kirche des Neuen Jerusalems; und es darf kaum daran gezweifelt werden, daß es Swedenborgs Absicht war, daß die Glieder der Neuen Kirche die Auslegung der »Enthüllten Offenbarung« als ihre Lehre gebrauchen sollten, denn diese enthält die Auslegung, welche nicht nur von ihm geschrieben, son-dern auch von ihm herausgegeben worden ist.

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Dies ist daher ein Fall, worin Swedenborg durch die Bearbeitung eines Werkes, sichtlich zum Schreiben eines andern Werkes vorbereitet wurde, und im zweiten Werke den Lehren im ersten eine besondere Anwendung gegeben hat. Die Berichte in dem »Geistigen Tagebuch« sind nicht in irgend einem andern Werke berichtigt oder besonders angewendet worden, noch sind die Textes-Auslegun-gen anderer Schriftstellen und die allgemeinen doktrinellen Erläuterungen in der »Erklärten Offenbarung« in irgend einem andern nachfolgenden Werke ver-schieden gegeben worden. Das Ganze der »Erklärten Offenbarung« ist von Swe-denborg in einem eben so hohen Grade der Erleuchtung oder Inspiration geschrieben, wie irgend ein anderes seiner Werke; die Aufnahmegefäße aber, oder der Zustand seiner Erkenntnisse war, während er die »Erklärte Offenba-rung« schrieb, von dem Zustande seiner Erkenntnisse beim Schreiben der »Ent-hüllten Offenbarung« verschieden.Die relative Stellung »der Erklärten Offenbarung« und der »Enthüllten Offenba-rung« zeigt besser als irgend etwas Anderes, daß der Herr sogar in Swedenborgs Falle seinem Gemüte keine neuen Erkenntnisse von innen her eingießen konnte und daß die Offenbarung, welche er fähig war vom Herrn zu empfangen, ganz und gar gemäß dem Zustande der Erkenntnisse bei ihm war. Der Herr über-wachte zwar bei Swedenborg die Erwerbung seiner Erkenntnisse, und führte ihn durch Seinen mittelbaren Einfluß in alle die erforderlichen Erkenntnisse ein; doch dazu gehörten Zeit und Arbeit, sogar bei Einem, dessen größte Wonne darin bestand, nicht seinen eigenen Willen, sondern den Willen des Herrn auf Erden zu erfüllen.Wir können unser Kapitel über die Beschaffenheit der Inspiration Swedenborgs mit keinen passenderen Worten schließen, als mit denjenigen, womit er selbst den wunderbaren Zustand zusammenfaßt, in welchem er durch des Herrn Göttli-che Barmherzigkeit neunundzwanzig Jahre hindurch war:(113.) "Die Offenbarung des Herrn in Person und die Einführung vom Herrn in

die geistige Welt, sowohl dem Sehen als dem Hören und Sprechen nach, geht über alle Wunder, denn es wird nirgends in der Geschichte berich-tet, daß seit der Schöpfung der Welt irgend Jemandem ein solcher Ver-kehr mit Engeln und Geistern gestattet worden wäre. Denn ich bin täg-lich daselbst bei den Engeln, wie ich bei Menschen in der Welt bin, und das nun seit siebenundzwanzig Jahren. Die Beweise eines solchen Ver-kehrs sind die von mir herausgegebenen Bücher über »Himmel und Hölle«, und auch die "Denkwürdigkeiten" über diesen Gegenstand in meinem letzten Werke, genannt »Die Wahre Christliche Religion«, und auch was darin über Luther, Melanchthon, Calvin und die Einwohner der meisten Königreiche berichtet wird; nebst den verschiedenen Zeugnis-sen, welche in der Welt bekannt sind, und andern Dingen, die teilweise wohl bekannt und teilweise nicht unbekannt sind. Sagt, wer hat je etwas gewußt über Himmel und Hölle, über den Zustand des Menschen nach dem Tode, über Geister und Engel und dergleichen?

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"Zu diesen augenscheinlichsten Beweisen gehört auch das, daß der geis-tige Sinn des Wortes vom Herrn durch mich (A Domino per me) enthüllt worden ist. Wer hat etwas von diesem Sinne gewußt sei der Offenbarung des Wortes durch die Israelitischen Schriften? Und doch ist dieser Sinn das wahre Heiligtum des Wortes; der Herr selbst ist in diesem Sinne mit Seinem Göttlichen, während Er mit seinem Menschlichen im natürlichen Sinne ist. Nicht ein einziges Jota kann von diesem geöffnet werden, außer vom Herrn allein. Dies geht über alle Offenbarungen, welche seit der Schöpfung der Welt gemacht worden sind. Durch diese Offenbarung ist ein Verkehr zwischen den Menschen und den Engeln des Himmels eröffnet; und die Verbindung beider Welten herbeigeführt worden; denn während der Mensch in dem natürlichen Sinn ist, sind die Engel in dem geistigen Sinne. Über diesen Gegenstand lese man was in dem Kapitel über die "Heilige Schrift" geschrieben steht [d.h. in der WCR.]" (Invita-tio ad Novam Ecclesiam, Nr. 43, 44).

Ehe wir den gegenwärtigen Gegenstand abschließen, ist es nötig uns gegen ein Mißverständnis zu währen, das bei gewissen Gliedern der Kirche entstand als sie hörten, daß wir eine Göttliche Autorität für die Lehren beanspruchen, welche in den theologischen Schriften Swedenborgs enthalten sind; sowie auch, als sie uns erklären hörten, daß Swedenborg während des Verfassens dieser Schriften in einem Zustande der Inspiration und nicht bloß in dem der Erleuchtung vom Herrn war; denn hiermit, sagen sie, sprechen wir unverkennbar von "der Göttli-chen Inspiration Swedenborgs", und machen ihn somit Gott gleich.Wir sprechen von der Göttlichen Autorität des Buchstabens der Heiligen Schrift und erklären die Schrift als inspiriert, erklären auch, das Moses beim Schreiben des Pentateuchs, und die Propheten bei dem Vortrage ihrer Weissagungen vom Herrn inspiriert waren, und doch spricht Niemand, so weit uns bekannt ist, von "der Göttlichen Inspiration des Moses, Jesajas, Matthäus oder Lukas" in einer allgemeinen Weise. Sie waren, in der Tat, zu der Zeit Göttlich inspiriert, als sie die Bücher schrieben, die ihre Namen tragen, aber sie waren zu keiner andern Zeit inspiriert.Ebenso auch, wenn wir erklären, daß Swedenborg, während er seine theologi-schen Werke schrieb, im Zustande der Inspiration vom Herrn war, so behaupten wir zwar, daß er dann und da vom Heiligen Geiste regiert wurde, so daß das, was er schrieb vom Herrn kam und nicht von ihm selbst; sind aber doch weit entfernt zu behaupten, daß er immer in einem solchen Zustande der Inspiration war, und somit seine menschlichen Fähigkeiten abgelegt und die Göttlichen Attribute des Heiligen Geistes angenommen hätte. So sprechen wir auch von der Göttlichen Autorität der Lehren des Neuen Jerusalems, die uns durch die Instru-mentalität Swedenborgs geoffenbart wurden, und achten es für unsere Pflicht, die Beschaffenheit der Inspiration zu untersuchen, deren er sich erfreute, als er diese Werke schrieb; wir sprechen aber niemals von "der Göttlichen Inspiration Swedenborgs" in einer allgemeinen Weise, in welcher uns dies irrtümlicher

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Weise zugeschrieben worden ist.*(*) Siehe den New Jerusalem Messenger vom 2-ten August 1876, Seite 56)

Indem wir endlich für Swedenborg das Prädikat "Inspiration" in dieser beson-dern Weise beanspruchen, stützen wir uns auf Swedenborgs eigenen Bericht an den königlichen Bibliothekar Gjörwell in Schweden, welchem er sagte: "Wenn ich denke über was ich zu schreiben habe, und während ich schreibe, werde ich mit einer vollkommenen Inspiration begabt; früher würde dies mein eigen gewe-sen sein, jetzt aber weiß ich, daß das was ich schreibe, die lebendige Wahrheit Gottes ist" (siehe Nr. 104).

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Kapitel 7 – Swedenborg als Übersetzer der Schrift

Swedenborg als Übersetzer der Schrift

Manche Kirchenleute sagen: "Wir sind Willens anzuerkennen, daß Swedenborg das von Gott erwählte Mittel zur Offenbarung der Lehren des innern Sinnes war; wir wollen ihn daher auch als endgültige Autorität in Sachen des geistigen Sin-nes der Schrift anerkennen, aber wir sind nicht Willens ihn als eine hinlängliche Autorität in der Übersetzung des Buchstabens des Wortes Gottes anzuerken-nen."Es gibt in der Tat welche, die bei der Übersetzung der theologischen Werke Swedenborgs aus dem Lateinischen mit Vorbedacht seine Übersetzung der Schrift beiseite setzen, und statt dessen die gewöhnliche englische Übersetzung einschieben.Es gibt verschiedene Gründe, welche sie zu diesem Verfahren bestimmen. Die gewöhnliche Übersetzung ist in ihren Augen das einzige zurückgebliebene Band zwischen den Gliedern der Neuen Kirche und Denen, welche die Lehren der alten Kirche bekennen; und sie glauben, daß wenn sie die gewöhnliche Überset-zung der Schrift aufgeben, sie den gemeinschaftlichen Boden fahren lassen, auf dem sie den Gliedern der alten Kirche begegnen können. Um uns den Andern anzupassen, glauben sie, daß wir die autorisierte Übersetzung der Neuen Kirche unberücksichtigt lassen und die autorisierte Übersetzung der alten Kirche anneh-men sollten.Wieder Andere, überzeugt von ihrer eigenen Unfähigkeit eine richtige Überset-zung des Wortes aus den Ursprachen herzustellen, scheinen, weil sie selbst unfä-hig sind das zu tun, zu glauben, daß auch Niemand sonst in der Neuen Kirche dazu befähigt sei. Indem sie die Gelehrsamkeit der Neuen Kirche in Zweifel stellen, scheinen sie ohne Bedenken geneigt zu sein, die Gelehrsamkeit der alten Kirche anzunehmen, und sie sogar feindlich der Gelehrsamkeit dessen gegen-über zu stellen, der "von seiner frühesten Jugend auf vom Herrn vorbereitet wor-den war" für die Mission, der Menschheit den innern Sinn der Heiligen Schrift zu offenbaren.Da solch eine Mißachtung der Ansprüche der Neukirchen-Übersetzung der Schrift nur aus Unkunde derjenigen Stellen der Schrift der Kirche, in welchen die Wichtigkeit einer echten Übersetzung der Schrift gelehrt wird, entspringen kann, so wird es unsere Pflicht, diesen ganzen Gegenstand, unter beständiger Hinweisung auf die Lehren unserer Kirche, in das gehörige Licht zu stellen.Damit wir nun befähigt werden, klar und bestimmt die Wichtigkeit einer echten Übersetzung der Heiligen Schrift einzusehen, müssen wir zuerst eine klare und bestimmte Vorstellung von dem Nutzen der Heiligen Schrift haben; und erst

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nachdem wir wissen, was der Nutzen der Heiligen Schrift ist, können wir durch Vergleichung urteilen, wie dieser Nutzen durch eine echte, und wie durch eine unechte Übersetzung erfüllt werden kann.Eine Übersetzung ist echt, wenn sie dieselben Ideen im Gemüte hervorruft, wel-che durch das Lesen des Originals hervorgerufen werden; und eine Übersetzung ist unecht, wenn sie Ideen verschieden von denen, welche im Original gegeben sind, an deren Stelle setzt.Der Nutzen der Heiligen Schrift ist zweifach: Erstens ist sie Quelle, aus welcher alle Lehren der Christlichen Kirche geschöpft werden und durch welche diese Lehren nachher bestätigt werden; wie uns das Folgende zeigt:(114.) "Die Lehre muß aus dem Sinne des Buchstabens des Wortes geschöpft

und bestätigt werden, weil der Herr in diesem und sonst nirgends beim Menschen gegenwärtig ist, und ihn erleuchtet und ihm die Wahrheiten der Kirche lehrt; der Herr wirkt nur im Vollständigen oder in der Fülle, und das Wort ist im Sinne des Buchstabens in seiner Fülle; daher folgt, daß die Lehre aus dem Sinne des Buchstabens geschöpft werden muß" (H.G.53). "Allein die wahre Lehre soll nicht bloß aus dem Sinne des Buchstabens des Wortes geschöpft, sondern auch durch ihn bestätigt werden; denn wenn sie nicht durch ihn bestätigt wird, so scheint es, als ob das Wahre der Lehre sich bloß auf menschliche Einsicht und nicht auf die Göttliche Weisheit des Herrn gründe. So wäre dann die Lehre, wie ein Haus in der Luft, und nicht auf der Erde, mithin nicht gegründet" (H.G.54).

Der zweite Nutzen der Heiligen Schrift ist, daß vermöge ihres buchstäblichen Sinnes die Verbindung des Menschen mit dem Herrn, und seine Zusammenge-sellung mit den Engeln bewirkt werde. Über diesen Gegenstand lesen wir:(115.) "Ich bin aus dem Himmel belehrt worden, daß die Urmenschen eine

unmittelbare Offenbarung hatten, weil ihr Innewerden dem Himmel zugekehrt war, und daß in Folge dessen eine Verbindung des Herrn mit dem menschlichen Geschlechte damals bestand. Daß aber nach ihren Zeiten keine solche unmittelbare Offenbarung Statt hatte, sondern eine mittelbare durch Entsprechungen; denn der ganze Gottesdienst [Späte-ren] bestand aus dergleichen, daher die Kirchen dieser Zeit vorbildlich hießen; denn sie wußten damals was Entsprechung und was Vorbildung ist, und daß Alles, was auf Erden ist, den geistigen Dingen, die im Him-mel und in der Kirche sind, entspricht, oder, was dasselbe ist, sie vorbil-det; weshalb die natürlichen Dinge, die das Äußere ihres Gottesdienstes waren, ihnen zu Mitteln dienten, geistig, also mit den Engeln zu denken. Nachdem die Wissenschaft der Entsprechungen und Vorbildungen verlo-renging, wurde das Wort geschrieben, in welchem alle Wörter und die Bedeutung der Wörter, Entsprechungen sind, und so einen geistigen oder innern Sinn enthalten, in dem die Engel sind; weshalb denn, wenn ein

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Mensch das Wort liest, und es nach dem Sinn des Buchstabens oder dem äußern Sinne versteht, die Engel es nach dem innern oder geistigen Sinne verstehen; denn jeder Gedanke der Engel ist geistig, der Gedanke der Menschen aber ist natürlich; diese Gedanken erscheinen zwar als verschieden, sind aber gleichwohl Eins, weil sie einander entsprechen. Daher kommt, daß nachdem der Mensch sich vom Himmel entfernt und das Band zerrissen hatte, vom Herrn ein Mittel der Verbindung des Him-mels mit dem Menschen durch das Wort vorgesehen wurde" (H.G.306).

Wir sehen daher, daß das Wort dem Menschen einerseits Vorschriften des Lebens darbietet, und ihn befähigt darnach zu leben, weil der Herr Selbst darin gegenwärtig ist; und es auf der andern Seite die Verbindung zwischen den Engeln des Himmels und den Menschen der Kirche auf Erden bewirkt.Die Macht des Wortes besteht nicht nur darin, daß es Vorschriften des Lebens enthält, und den Menschen befähig zwischen Gutem und Bösen zu unterschei-den; sondern dessen Macht besteht auch darin, daß Kraft der Entsprechungen, welche darinnen enthalten sind, der Herr Selbst mit den Engeln des Himmels darin gegenwärtig sein und den Menschen mit seiner allmächtigen Kraft unter-stützen kann.Die Macht des Wortes besteht in ihrer Fülle im Urtexte; denn darin haben wir die ursprünglichen Worte, auf welche der Geist Gottes in den Gemütern der Pro-pheten sich herabließ, durch welche das Wort Gottes dem Menschen mitgeteilt wurde.In Bezug auf die Macht des Wortes Gottes, in der hebräischen Ursprache, lesen wir wie folgt:(116.) "Es wurde ein Stück Papier herabgelassen, welches mit hebräischen

Buchstaben beschrieben war, wie sie in den ältesten Zeiten gemacht wurden. Sie weichen wenig von den hebräischen Buchstaben heutzutage ab, aber doch etwas. Ein Engel, der bei mir war, sagte, daß er Alles, was da geschrieben stand, aus den Buchstaben allein verstehe; und daß jeder Buchstabe eine gewisse Idee, sogar eine ganze Kette von Ideen enthalte. Er unterrichtete mich auch über die Bedeutung des ,(Jod) י ,(Aleph) א des ח (He); aber es wurde ihm nicht erlaubt die Bedeutung der übrigen Buchstaben zu geben. Er sagte auch, daß alle Dinge des Wortes so inspi-riert sind, und daß der dritte Himmel, wenn das Wort vom Menschen in der hebräischen Sprache gelesen wird, daher alles Göttlich-Himmlische wisse, das inspiriert ist; ferner, daß Alles und jedes Ding darin, im Allge-meinen und Besondern, vom Herrn handle. Dieser Sinn kann nicht erklärt werden, weil es der himmlische Sinn selbst ist; nicht einmal eine Idee desselben kann in menschlicher Sprache ausgedrückt werden. Hieraus kann man ersehen, daß das Wort, den Worten des Herrn gemäß, jedem Jota und Strichlein nach inspiriert ist. Ich besprach mich mit ihnen über den Grund dieser Sache, daß die Form der hebräischen Buchstaben

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allein schon diese Dinge vorbilde; und die Ursache wurde auf die Form der Strömung des Himmels zurück geführt, welche solcher Art ist; und da sie [die himmlischen Engel] in jener Strömung sind, welche den Grund der Ordnung ausmacht, so haben sie von daher ein solches Inne-werden" (D.S.4671).

Wiederum lesen wir:(117.) "Wenn die Juden das Wort in der Ursprache lesen, so fassen die himmli-

schen Engel aus ihren Ideen, welche aus der Form ihrer Sprache kom-men, die himmlischen Dinge, welche im Worte sind. Denn die Entspre-chung dieser Sprache, ist ihren Silben nach mit himmlischen Formen." Und dann fährt Swedenborg fort: "Hieraus geht hervor, daß das Wort Göttlich ist, nicht nur jedem Worte, sondern auch jeder Silbe und jedem Buchstaben nach; hieraus kann man wissen, was dadurch angezeigt ist, daß nicht einmal das kleinste Jota oder Strichlein umkommen soll. Hieraus kann man auch wissen, warum die Juden veranlaßt wurden jeden Buchstaben im Worte zu zählen; und warum sie glauben, daß Geheimnisse in jedem Buchstaben enthalten seien, obwohl sie nicht wußten wie" (D.S.5619,5621).

Es mag von Nutzen sein hier zu bemerken, daß das, was wir heute die hebräi-schen Buchstaben nennen, nicht die eigentlichen hebräischen Buchstaben, son-dern die chaldäischen Schriftzüge sind. In dem echten Hebräischen gibt es, wie wir belehrt werden, nicht eine einzige gerade Linie, sondern nur krumme und gewundene Linien. Die alten hebräischen Schriftzüge sind unter den Juden auf-bewahrt worden, und weil die eigentliche hebräischen Buchstaben von den hebräischen gedruckten Buchstaben abweichen, so werden in ihren Synagogen die Lektionen immer wo möglich, aus den geschriebenen Exemplaren gelesen. Swedenborg bezieht sich auf diese Tatsache in den folgenden Worten:(118.) "Die Juden sind der hebräischen Sprache wegen erhalten worden; sie

haben auch das Wort in der alten hebräischen Sprache geschrieben, wo alle Buchstaben gebogen sind, weil das Wort, wenn es mit solchen Schriftzügen geschrieben ist, eine sehr unmittelbare Verbindung mit dem Himmel hat" (D.S., Band VII, Anhang I, S. 83).

Solcher Art ist die Verbindung mit dem Himmel, wenn das Wort in der hebräi-schen Ursprache gelesen wird, und besonders wenn diese in den alten hebräi-schen Schriftzügen geschrieben ist. Wir haben auch gesehen, daß es, wenn in jener Sprache gelesen, Verbindung mit den Engeln des innersten oder dritten Himmels bewirkt. Es ist jedoch klar, daß dieses Prinzip der Verbindung gänzlich verloren geht, wenn das Wort aus der hebräischen Ursprache in eine andere übersetzt wird.Jedoch folgt hieraus nicht, daß gar keine Verbindung mit dem Himmel, durch die übersetzten Exemplare des Wortes bewirkt werde; denn wir haben gesehen,

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daß im Worte nicht nur die einzelnen Worte, sondern auch "die Bedeutung der Worte" in Entsprechungen bestehen, und Verbindung bewirken. In den übersetz-ten Exemplaren des Wortes sind daher die einzelnen Wörter, und die Häkchen, Jotas und Strichlein der Worte nicht mehr inspiriert, sondern nur die Bedeutung der Worte; dann wird die Verbindung mit dem Himmel durch die Bedeutung der Worte der Schrift bewirkt wenn sie in heiligem Zustande gelesen wird; und diese Bedeutung, scheint es, wird nicht von den himmlischen, sondern von geis-tigen Engeln des Himmels wahrgenommen, und es wird eine Verbindung mit ihnen dadurch bewirkt (siehe Nr. 116, 117).Wir sehen daher, wie wichtig es ist, daß die Bedeutung der Worte im Originale bei der Übersetzung richtig wiedergegeben wird.Die Ursache jedoch, warum es so sehr wichtig ist, daß die Bedeutung jedes Wortes des Originals richtig wiedergegeben, und nichts weggelassen noch hin-zugefügt werde, ist des innern Sinnes wegen, damit dieser nicht verstümmelt werde, noch Gewalt leide. Und, daß Gefahr vorhanden ist, daß der innere Sinn durch eine unrichtige Übersetzung verstümmelt und verletzt werde, kann aus der folgenden Stelle der Schriften erhellen:(119.) "Der innere Text ist so fortlaufend, daß nicht einmal das kleinste Wort

ausgelassen werden kann, ohne die ganze Reihe zu unterbrechen" (H.G.7933).

Wiederum sagt Swedenborg:(120.) "Ich kann versichern, daß jedes Einzelne im Worte, sogar bis auf jedes

Wort einen geistigen Sinn in sich schließt, und daß in diesem Sinne Alles, was die Kirche, d.h. ihren geistigen Zustand betrifft, von Anfang bis zu Ende vollständig beschrieben ist; und weil jedes Wort darin eine geistige Bedeutung hat, so kann auch kein Wort wegbleiben, ohne daß die Reihenfolge der Dinge im innern Sinne dadurch eine Veränderung erleide. Deswegen heißt es auch am Ende dieses Buches: "Wenn Jemand wegnimmt von den Worten des Buches dieser Weissagung, so wird auch Gott wegnehmen sein Teil aus dem Buche des Lebens, und aus jener hei-ligen Stadt, und von dem, das in diesem Buche geschrieben steht." Ebenso verhält es sich mit den Büchern des Wortes im Alten Testament; auch in ihnen enthält jedes Ding und jedes Wort einen innern oder geisti-gen Sinn, weswegen auch darin kein Wort weggenommen werden darf. Daher kommt es, daß durch die Göttliche Vorsehung des Herrn diese Bücher von der Zeit an, da sie geschrieben wurden, durch die Sorgfalt Mehrerer, welche das Einzelnste darin zählten, selbst bis auf ein Jota unverletzt erhalten wurden. Dies wurde vom Herrn vorgesehen wegen der Heiligkeit, welche jedes Jota, jeder Buchstabe, jedes Wort und jede Sache darin hat" (J.G.41).

Ferner lesen wir:

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(121.) "Man muß wissen, daß im geistigen Sinn Alles in stetiger Verknüpfung zusammenhängt, und daß, um diesen hervorzubringen, jedes Wort im buchstäblichen oder natürlichen Sinne beiträgt; weswegen, wenn man Ein Wörtchen wegnähme, der Zusammenhang aufgelöst würde und die Verbindung zugrunde ginge. Damit dieses nicht geschehe, wird daher am Ende dieses prophetischen Buches beigesetzt, "daß kein Wort wegge-nommen werden solle" (Off.22,19). Ebenso verhält es sich mit den Pro-pheten des Alten Testaments. Damit aus diesen nichts weggenommen werde, ist durch die Göttliche Vorsehung des Herrn bewirkt worden, daß das Einzelne in demselben, selbst bis auf die Buchstaben gezählt werde, was durch die Masoreten geschah" (H.S.13).

Ein anderer Grund, warum der Buchstabe des Wortes unverletzt erhalten werden soll, ist der, daß jeder Teil des Buchstabens des Wortes einer besondern Gesell-schaft des Himmels entspricht, und Verbindung mit ihr bewirkt; wenn daher irgend ein Teil des Buchstabens der Wortes, durch eine falsche Übersetzung ausgelassen oder verstümmelt wird, so kann das Wort keine Verbindung mit dem ganzen Himmel mehr bewirken, und der ganze Himmel somit nicht mehr dem Menschen nahe gebracht werden. Dies wird in dem Folgenden bestätigt:(122.) "Es ist mir durch viele Erfahrung zu wissen gegeben worden, daß der

Mensch durch das Wort Gemeinschaft mit dem Himmel hat. Während ich das Wort vom ersten Kapitel des Jesajas bis zum letzten des Mala-chias, und die Psalmen Davids durchlas, und den Gedanken im geistigen Sinne derselben festhielt, durfte ich deutlich inne werden, daß jeglicher Vers mit einer gewissen Gesellschaft des Himmels in Gemeinschaft stand, und so das ganze Wort mit dem gesamten Himmel; woraus her-vorgeht, daß wie der Herr das Wort ist, so auch der Himmel das Wort ist, weil der Himmel Himmel ist vom Herrn, und der Herr durch das Wort Alles in Allem im Himmel ist" (W.C.R.272).

Weil die Verbindung mit dem ganzen Himmel nur durch das Ganze des Wortes bewirkt werden kann, so wurden die Juden, wie wir belehrt werden, besonders des Lesens des Alten Testaments wegen, als eine besondere Nation bis auf die gegenwärtige Zeit erhalten.Dies finden wir in den Schriften der Kirche in den folgenden Worten beschrie-ben:(123.) "Die jüdische Nation ist des Wortes wegen erhalten worden"

(H.G.4231). Und wiederum: "Weil der Stamm Judah mehr als die übri-gen Stämme so geartet war, [daß sie in einem heiligen Äußern sein konnten], und sie heute noch wie ehemals die Bräuche, welche außerhalb Jerusalem beobachtet werden können, heilig halten, auch eine heilige Ehrfurcht vor ihren Vätern, und vornehmlich eine heilige Scheu vor dem Worte des Alten Testaments haben, und vorher gesehen wurde, daß die Christen dieses ganz verwerfen, und auch ihr Inneres mit Unheiligem

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besudeln würden, darum ist jene Nation bis daher erhalten worden, nach den Worten des Herrn bei Matthäus (Kap. 24,34): "Wahrlich ich sage euch, dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis daß dies Alles geschehe" (H.G.3479). Ferner: "Die Ursache warum die jüdische Nation erhalten, und über einen großen Teil der Erde zerstreut wurde, war wegen des Wortes in seiner Ursprache, welches sie mehr als die Christen heilig hal-ten. Auch ist im Einzelnen des Wortes das Göttliche des Herrn, denn es ist das Göttlich-Wahre vereint mit dem Göttlich-Guten, das vom Herrn ausgeht, und hierdurch ist das Wort eine Verbindung des Herrn mit der Kirche, und eine Gegenwart des Himmels; und die Gegenwart des Herrn und des Himmels ist überall, wo das Wort mit Ehrfurcht gelesen wird. Dies ist der Zweck der Göttlichen Vorsehung um dessen willen sie erhal-ten, und über einen großen Teil der Erde zerstreut wurden" (G.V.260). "Wenn die Christen," wie Swedenborg weiter sagt, "wie sie das Innere wissen, auch als Innwendige Menschen gelebt hätten, so würde in die-sem Falle, jene Nation, vor mehreren Jahrhunderten, wie andere Natio-nen, ausgerottet worden sein" (H.G.3479).

Nachdem wir nun die verschiedenen Mittel untersucht haben, welche von der Göttlichen Vorsehung gebraucht wurden, um den Buchstaben des Wortes unver-letzt und unverfälscht in seiner Kraft zu erhalten, wollen wir uns jetzt genauer darnach erkundigen, wie die Macht des Wortes, die Verbindung des Himmels mit dem Menschen zu bewirken, durch Menschen beeinträchtigt werden kann.Die Macht des Wortes Gottes wird Erstens beeinträchtigt, wenn es nicht in einem heiligen Zustande gelesen wird, denn es bewirkt nur Verbindung mit dem Himmel wenn Der, welcher es liest, dasselbe heilig hält. Dies wird in dem Fol-genden klar gelehrt:(124.) "Die geistigen und himmlischen Sinne des Wortes entwickeln sich aus

dem natürlichen Sinne des Wortes, während der Mensch, der das Wort heilig hält, es liest. Die Entwicklung erfolgt augenblicklich, mithin auch die Zusammengesellung" (WCR.234).

Wiederum wird dessen Macht beeinträchtig, wenn es aus Falschem der Lehre gelesen wird, wie aus dem Folgenden hervorgeht:(125.) "Es wird Jedermann erlaubt, den Buchstabensinn des Wortes in seiner

Einfachheit zu verstehen, nur darf er sich nicht in den Scheinwahrheiten desselben so bestärken, daß die echte Wahrheit dadurch zugrunde geht. Denn die Auslegung des Wortes, seinem innern Sinne nach, aus Falschem der Lehre, verschließt den Himmel und öffnet ihn nicht; denn die Auslegung des geistigen Sinnes aus den Wahrheiten der Lehre, öff-net den Himmel" (De Verbo, Nr. 7).

Hieraus folgt, daß Niemand, welcher das Wort als ein bloß menschliches Erzeugnis betrachtet, durch das Lesen desselben mit dem Himmel verbunden

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werden kann, obgleich es aus Entsprechungen besteht, und durch Entsprechun-gen Verbindung mit dem Himmel bewirkt wird. Ebenso auch wird das Wort Gottes seiner Macht beraubt, wenn die, welche es lesen, im Falschen der Lehre begründet sind.Auf der andern Seite aber zeigt sich, daß Denen, welche das Wort aus dem Wah-ren der Lehre lesen, der Himmel geöffnet wird, und sie mit den Engeln verbun-den werden, welche das unverkehrte Wort Gottes in ihren Gemütern wahrneh-men.Ein anderes Mittel, wodurch die Macht des Wortes Gottes auf Erden beeinträch-tigt wird, ist eine falsche Übersetzung desselben. Denn durch eine falsche Über-setzung wird der Zusammenhang des innern Sinnes eben so sehr gebrochen, als wenn ein Wort ausgelassen wird. Denn wenn ein Wort der Schrift falsch über-setzt ist, so verursacht die betreffende Stelle eine verkehrte Idee im Gemüte, und wenn diese Idee eine Hauptidee ist, so kann sie ein falsches geistiges Licht auf ein ganzes Kapitel werfen.Zum Beispiel lesen wir in Luthers deutscher Übersetzung des ersten Buches Moses (Kap. 11,2), wo der Turmbau zu Babel beschrieben wird: "Da sie nun zogen gen Morgen, fanden sie ein ebenes Land, im Lande Sinear," während die wahre Übersetzung ist: "Als sie vom Osten herzogen." Die Bedeutung dieser Stelle in richtiger Übersetzung ist, daß als die Kirche vom Herrn, der im Osten ist, wegzog, sie in einem Zustand des Bösen kam, der durch Schinear bezeichnet wird; die Worte aber, wie sie Luther übersetzt hat, bedeuten: Als die Kirche zum Herrn hin zog, der durch den Osten vorgebildet wird, da kam sie in den bösen Zustand welcher durch Schinear bezeichnet wird.So lesen wir die folgende Worte, in der Geschichte des Bäckers Pharaos (1.Mose.40,16): "Mir hat auch geträumt ich trüge drei weiße Körbe auf meinem Haupte." Statt weiß sollte die Übersetzung durchbrochene, oder Körbe voller Löcher haben, welches in der englischen Übersetzung eine Randbemerkung ist. Nun dreht sich der ganze geistige Sinn dieses Traumes um die Tatsache, daß die Körbe durchlöchert waren; daß aber weiß dafür gesetzt worden ist, macht es unmöglich den geistigen Sinn aus dem buchstäblichen Sinne zu entwickeln. Denn durch die drei Körbe werden die drei Grade des menschlichen Gemütes vorgebildet, und das Haupt des Bäckers, auf dem sie ruhten, bedeutet den sinnli-chen Grad des Menschen, worin all sein Böses enthalten ist. Wenn die Grade des Gemütes gehörig mit Gutem und Wahrem organisiert, und nicht durchlö-chert sind, dann wird das Leben des Herrn, welches in den Menschen einfließt, in einem dieser Grade aufgenommen und fließt nicht in des Menschen Eigenes oder in sein Proprium, welches durch das Haupt des Bäckers vorgebildet wird, herein; wenn die zwischenliegenden Grade aber nicht organisiert sind, und somit keine Stufen des Innewerdens, oder kein Gewissen da ist, so wird gesagt, daß die Grade des Gemütes eines solchen Menschen durchlöchert sind, dann fließt das Leben des Herrn beim Menschen in sein Eigenes hinein und wird dort in

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Böses und Falsches verwandelt. Daher lesen wir auch, daß Pharaos Bäcker ver-dammt und gehängt wurde. Nun wird aber die ganze geistige Belehrung aus dem Buchstaben des Wortes weggenommen, wenn das Wort weiß für durchlöchert gesetzt wird. Und so verhält es sich auch mit einer großen Anzahl anderer Dinge, in der gewöhnlichen englischen Übersetzung, ebenso in der lutherischen Übersetzung der Heiligen Schrift im Deutschen.In der gewöhnlichen englischen Übersetzung, mit der die lutherische dem Sinn nach übereinstimmt, lesen wir (1.Kön.6,7): "Und als das Haus im Bau begriffen war, wurde es aus Steinen gebaut welche fertig gemacht waren, ehe sie hinge-bracht wurden," während die echte Übersetzung, durch den geistigen Sinn beglaubigt, lautet wie folgt: "Was das Haus betrifft, da es gebaut wurde, so wurde es von ungehauenen Steinen gebaut, so wie sie hingebracht wurden." Die Belehrung welche in dieser Schriftstelle gegeben werden soll, geht verloren, sobald die Idee beigebracht wird, daß der Meisel in irgend einer Weise über die Steine ging, sei es im Steinbruch oder im Hause des Herrn. Denn, das Haus des Herrn von gehauenen Steinen, oder von Steinen zu bauen, über die der Meisel gegangen ist, beschreibt eine Kirche, welche aus Wahrheiten aufgebaut ist, die aus des Menschen eigener Klugheit abgeleitet worden sind, welches ein Greuel ist.Eine andere wohlbekannte stelle ist Psalm 127,2. Dort heißt es in der englischen Übersetzung: "Denn so gibt Er seinen Geliebten Schlaf;" während es heißen sollte: "Denn so gibt Er es Seinen Geliebten im Schlaf," d.h. der Herr gibt Sei-nen Geliebten Gutes, ohne daß sie es wissen.So wieder im 133. Psalm, im 3 Verse, wo es in richtiger Übersetzung heißt: "Wie der Tau der vom Hermon herabfällt auf die Berge Zions." Der Hermon, welcher der höchste Berg im Lande Kanaan ist, bedeutet den Himmel, und der Tau des Hermon, der heranfällt auf die Berge Zions, bedeutet, daß die Wahrheit des Friedens vom Himmel herabkommt in die Herzen derer, welche in wahrer Liebe zum Herrn sind. Da nun aber der Berg Hermon und die Berge Zions über hundert Meilen auseinander liegen, und im natürlichen Sinne genommen, der Tau des Hermon nie auf die Berge Zions fallen kann, so haben die englischen Übersetzer es für nötig erachtet zu übersetzen: "Wie der Tau des Hermon, und wie der Tau der auf die Berge Zions herabfällt."Im 23. Psalm kommt im Englischen diese Stelle vor: "Ja, ob ich auch wandere durch das Tal des Schattens des Todes, so fürchte ich nichts Böses;" als ob diese Stelle des Menschen Ausgang aus diesem Leben in das andere Leben durch den Tod bedeute, wo doch die richtige Übersetzung einfach ist: "Ja, ob ich auch gehe im Tale des Schattens," oder der Dunkelheit, welches Bedeutet: Obgleich ich in verschiedenen Anfechtungen bin, so fürchte ich die Gewalt der Hölle nicht. Unter dem Tal des Schatten des Todes würde ein Zustand des geistigen Todes, oder der geistigen Verdammnis verstanden werden müssen, welches hier nicht gemeint ist.

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Im Neuen Testamente wollen wir nur auf Joh. (1,3) hindeuten, wo wir in der all-gemeinen englischen Übersetzung lesen: "Alle Dinge wurden durch Ihn gemacht," d.h. von Gott; während es heißen sollte: "Alle Dinge wurden durch es, oder dasselbe, gemacht, d.h. durch das Wort; welches die Übersetzung ist, die der geistige Sinn verlang.Es wäre ein leichtes aus der gewöhnlichen englischen Übersetzung der Schrift hunderte von Stellen auszuführen, welche unrichtig übersetzt sind, aus denen sich unmöglich, weder in dieser noch in der andern Welt, der geistige Sinn ent-wickeln läßt. Diese wenigen Beispiele sind jedoch, wie wir glauben, hinrei-chend, um zu zeigen, daß die Übersetzer, wofern sie eine echte Übersetzung des Wortes machen wollen, unbedingt mit dem innern Sinn der zu übersetzten Stelle, und, wie sich das von selbst versteht, auch mit der Lehre der Entspre-chungen, hinreichend bekannt sein müssen.Diese Kenntnisse besaß Emanuel Swedenborg in einem außerordentlich hohen Grade, die Übersetzer aber, welche die als "King James's version" bekannte Übersetzung machten, besaßen diese Kenntnisse nicht; so viel wir wissen, besit-zen sie auch die Gelehrten nicht, welche gegenwärtig in den Jerusalem-Kam-mern zu Westminster versammelt sind, um die "King James's version" zu revi-dieren. Da nun keine dieser Körperschaften mit dem innern Sinn der Heiligen Schrift bekannt war, und da nicht Einer von ihnen eine Kenntnis der Entspre-chungen besaß, welche mit der Swedenborgs verglichen werden kann, so kann auch deren Übersetzung nicht mit der Übersetzung Swedenborgs verglichen werden. Seine Übersetzung wurde im Hinblick auf die geistige, innerliche Bedeutung des Wortes Gottes gemacht, und darum sollte seine Übersetzung der Schrift, wie sie in seinen bändereichen Schriften zerstreut vorkommt, für uns immer der Maßstab der Bibelübersetzung sein.Es ist wahr, daß seine Übersetzung lateinisch, und nicht englisch noch deutsch ist; es ist aber verhältnismäßig leicht eine englische oder deutsche Übersetzung aus dem Lateinischen zu machen. Denn, die lateinischen Wörter haben gewöhn-lich nur eine Bedeutung, während wir im Hebräischen oft unter einem halben Dutzend verschiedenen Bedeutungen zu entscheiden haben, die, vom philologi-schen Standpunkte aus betrachtet, alle gleich wahr und richtig erscheinen. Swe-denborg selbst gibt uns über diese Sache folgende Belehrung:(126.) "Aus diesem Kapitel und andern prophetischen Schriften jener Zeit, kann

zur Genüge erhellen, daß viele Dinge nicht im Buchstaben ausgedrückt sind, welche doch im innern Sinne der Wörter enthalten sind. Die Ursa-che ist, daß der Geist, welcher das Wort ausspricht, eine Menge Dinge sieht, welche mit menschlichen Worten nicht ausgedrückt werden kön-nen; diese Dinge fallen dann in solche Ausdrücke [wie wir sie in den verschiedenen prophetischen Schriften finden], aber verschieden bei dem einen Propheten als bei dem andern. Ich kann bezeugen, wie viele Dinge in dem Gedanken und in der Rede enthalten sind, wenn sie geistig sind,

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und daß sie nie in natürlicher Sprache ausgedrückt werden können, und würden sie ausgedrückt, so würden sie als unzusammenhängend erschei-nen. Denn eine einzige geistige Idee bedarf oft einer langen Auslegung. Der Inhalt der prophetischen Schriften kann daher nie von einem Geiste oder einem Menschen erklärt werden, sondern nur vom Gott-Messias, welcher durch die Engel gesprochen hat. Da nun die Worte der Schrift einen solch' wunderbaren Ursprung haben, so gibt Ein Übersetzer, um einen gewissen Sinn herauszubringen, den Satz verschieden von einem andern Übersetzer. So daß man in einem einzigen Verse so viele Bedeu-tungen haben mag, als es Übersetzer gibt. Die wahre Bedeutung des Buchstabens erscheint jedoch vom Innersten her; folglich aus dem Zusammenhang mit dem Vorgehenden und dem Nachfolgenden" (Adv. IV, S. 66)

Da nun das Wort Gottes in so vielen Weisen übersetzt werden kann, so sollten wir uns hüten, unser Vertrauen auf irgend einen Übersetzer, oder eine ganze Gesellschaft von Übersetzern zu setzen, die diese Einsicht "von Innersten her" nicht haben, von der Swedenborg sagt, daß sie unumgänglich notwendig ist, um eine echte Übersetzung des Buchstabens des Wortes zu machen.Da Swedenborg sich aber dieser Einsicht in das Wort Gottes "vom Innersten her" erfreute, so haben wir alle Ursache ihm Glauben zu schenken, und seine lateinische Übersetzung der Heiligen Schrift, wie sie in seinen bändereichen Schriften zerstreut vorliegt, als Muster-Übersetzung des Wortes Gottes betrach-ten, und wir müssen mit den stärksten Ausdrücken das Verfahren solcher Über-setzer der Schriften Swedenborgs verdammen, welche seine Übersetzung der Schrift in seinen eigenen Werken beiseite setzen, die gewöhnliche englische Übersetzung an deren Stelle einschieben. In der Schrift werden die, welche auf dem Dache sind, gewarnt, nicht herunter zu kommen um etwas aus dem Hause zu holen. Diejenigen aber, welche eine Übersetzung der Schrift die unter voll-kommener Erkenntnis des innern Sinnes gemacht worden ist, durch eine andere, welche in vollkommener Unkunde des innern Sinnes gemacht wurde, ersetzen, brechen sicherlich dieses Gebot des Herrn in seiner geistigen Bedeutung.Eine allgemeine Verurteilung der gegenwärtig gangbaren Übersetzungen der Schrift, ist jedoch in den folgenden Worten Swedenborgs enthalten: "Niemand bekümmert sich heutzutage um etwas Anderes, als um den buchstäblichen Sinn des Wortes, weil sich die Menschheit so sehr im Letzten oder Äußersten, und im Natürlichen befindet, daß sie in geistigen Dingen gänzlich unwissend ist; wes-halb auch die Übersetzer der Schrift sich in einem ähnlichen Zustande der Bere-dung befinden, und wenig darnach trachten, die Worte des Textes selbst, aus der Originalquelle zu übersetzen, wie dies Schmidius getan hat, sondern nur auf einen eleganten Styl sehen, wie die Meisten in dieser Sache tun. Die eigentli-chen Worte der Schrift sind dadurch in solche verändert worden, die nur noch eine geschichtliche Bedeutung haben, und somit alles Lichtes beraubt worden, welches nur in dem Sinne wohnt, der aus den eigenen Worten des Herrn entwi-

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ckelt werden kann" (Adv. ii, 363). Dies ist denn auch genügender Grund, warum wir in der Neuen Kirche unsere eigene Übersetzung der Bibel haben sollten, die auf Swedenborgs Übersetzung des Urtextes gegründet ist.Dieses Werk ist von der äußersten Wichtigkeit für die Neue Kirche der gegen-wärtigen Zeit; denn die Verbindung des Himmels mit der Erde kann nur durch den Buchstaben des Wortes bewirkt werden, und nicht durch die Lehren des innern Sinnes, ohne den Buchstaben. Und erst wenn wir eine echte Übersetzung des Buchstabens des Wortes besitzen, wird die Neue Jerusalem-Kirche im Stande sein, in der Fülle mit dem Neuen Himmel verbunden zu werden, aus wel-chem alle ihre Kraft, ihr Leben und ihr Licht herabkommt.

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Kapitel 8 – Die Lehren und die menschliche Freiheit

Die Lehren der Neuen Kirche in ihrem Verhältnis zur menschlichen Freiheit

Ein fernerer Einwurf gegen die Göttliche Autorität der Schriften der Neuen Kir-che wird von Denen vorgebracht, welche sagen, daß, wenn wir eine Göttliche Autorität für die in den theologischen Schriften Swedenborgs enthaltenen Leh-ren beanspruchen, oder, wenn wir für seine Schriften eine höhere Autorität als für die anderer Schriftsteller über geistige Dinge beanspruchen, so setzen wir uns dem Tadel des Dogmatisierens aus, und verkürzen und beschränken die Freiheit der Glieder der Kirche.Alle die, welche das Zeugnis Swedenborgs glauben, und die glauben, daß der Herr durch seine Instrumentalität Seine Zweite Ankunft bewirkt hat, folglich alle die, welche glauben, daß die Lehren des innern Sinnes des Wortes Gottes, und somit die Lehren des Neuen Jerusalems, in den theologischen Schriften Swedenborgs enthalten sind, werden von diesen Personen als Dogmatiker gebrandmarkt, und es wird ihnen aufgebürdet, daß sie mit dem Verlangen umge-hen, die geistige Freiheit in der Kirche zu zerstören."Wir Neukirchenleute," sagt einer ihrer Verfechter,* "Müssen uns dem Bestre-ben, für die Folgerungen, welche Menschen [und unter diese Menschen rechnet der Schreiber auch Swedenborg] aus ihrem Studium der Schrift geschöpft haben, eine beinahe Göttliche Bestätigung oder Autorität zu beanspruchen, widersetzen; ebenso auch, wenn diese Folgerungen, in Glaubensartikel oder Glaubensbekenntnissen formuliert, als mit den Worten der Schrift gleichberech-tigt, uns aufgedrungen werden. … Der Grundsatz, welcher allen solchen Dog-matikern zu Grunde liegt, ist fürchterlich falsch, daß nämlich der Mensch die Glaubenslehren nicht vernünftiger Weise verstehen, sondern sie annehmen müsse … Gegen solches Dogmatisieren müssen wir fortwährend, und aufs Stärkste, protestieren."(*) Verhandlungen der Konferenz der Neuen Kirche, 1873, S. 38)

In Bezug auf einen allgemeinen Protest gegen das bloß dogmatische Lehren von Seiten der Prediger und Leiter der Kirche, stimmen wir vollkommen mit jedem Worte des Schreibers überein; denn Swedenborg warnt uns gegen die Gefahr des Dogmatisierens in folgenden Worten: "Für Diejenigen, welche in Bejahung in Betreff des Wortes sind, nämlich, daß man es glauben müsse, ist es verderb-lich zu behaupten, daß die Glaubenslehren ohne vernünftige Anschauung dersel-ben zu glauben sind, denn so kann man alle Denkfreiheit wegnehmen und das Gewissen an die größte Irrlehre binden, und so über das Innere und Äußere des

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Menschen herrschen" (H.G.394). Es Unterliegt daher gar keinem Zweifel, daß der Schreiber ganz und gar Recht hat, wenn er erklärt, daß "Niemand schwerere Schläge gegen dogmatisches Lehren geführt habe als Swedenborg" (S. 44), und daß nicht der geringste Verdacht des Dogmatisierens auf diesem 'Diener des Herrn' ruht" (S. 48).Und dennoch, während Swedenborg auf der einen Seite diejenigen streng tadelt, welche eine Göttliche Bestätigung und Autorität für die Erdichtungen ihrer eige-nen Vernunft und Einbildung in Sachen der Kirche beanspruchen, trägt er auf der andern Seite die größte Sorge, das Göttlich-Wahre, welches von Gott aus dem Himmel geoffenbart wurde, nicht der Willkür der menschlichen Vernunft preis zu geben, und er besteht fest darauf, daß das Göttlich-Wahre, oder die Leh-ren der Heiligen Schrift, keineswegs der Prüfung und dem Urteil der menschli-chen Vernunft unterworfen werden darf, sondern daß es als wahr und unfehlbar von der menschlichen Vernunft angenommen, und durch vernunftmäßige, wis-senschaftliche und sinnliche Dinge bestätig werden soll.Während er also lehrt, daß es für den Menschen unrecht ist, die Lehren eines andern Menschen blindlings anzunehmen, besteht Swedenborg gleichwohl dar-auf, daß die menschliche Vernunft sich unter die Aussprüche Gottes in der Hei-ligen Schrift, und somit auch unter die Lehren des Neuen Jerusalems, welche in der Offenbarung unter "der heiligen Stadt, das Neue Jerusalem", welches von Gott aus dem Himmel herabkommt, verstanden wird, beugen müsse.Da der Schreiber jedoch, wie wir von Seite 50 bis Seite 52 beweisen haben, die Lehren Swedenborgs, welchen "der Herr mit Seinem Geiste erfüllte, um die Lehren der Neuen Kirche aus dem Worte von Ihm zu lehren," nicht als Göttlich und unfehlbar ansieht, so ist er logischer Weise gezwungen diese Lehren für bloße "Folgerungen" zu halten, "die er aus seinem Studium der Schrift geschöpft"; und er, so wie Alle, die seine Ansicht hegen, halten Diejenigen für Dogmatiker, welche in Übereinstimmung mit W.C.R.779 glauben, daß der Herr Seine Zweite Ankunft durch die Instrumentalität Swedenborgs bewirkt hat, und welche lehren, daß die Werke, welche er als der "Diener des Herrn schrieb", deshalb auch unfehlbar und von Göttlicher Autorität sind.Die allgemeine Schlußfolgerung, welche der Schreiber auf S. 37 gegen dogmati-sche Lehren richtet, ist auch gegen alle die gerichtet, welche öffentlich verfech-ten, daß der Inhalt der theologischen Schriften Swedenborgs unfehlbar und von Göttlichem Inhalte sind; und die Form, in welcher er dieselbe auf sie anwendet, ist diese:Alle Die, welche darauf dringen, daß die Lehren der theologischen Schriften Swedenborgs "gleiche Berechtigung mit den Worten der Schrift" haben, huldi-gen dem Grundsatz, daß "der Mensch die Glaubenslehren nicht vernünftiger Weise verstehen, sondern sie annehmen müsse". Er behauptet somit, daß die Anerkennung der Göttlichkeit der Lehren des innern Sinnes, oder der Lehren, wie sie in den theologischen Schriften Swedenborgs enthalten sind, mit dem

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Gebrauch der Freiheit und Vernünftigkeit des Menschen unvereinbar sind. Las-set uns die Lehren der Neuen Kirche über diesen Gegenstand hören:(127.) "Daß etwas Göttlich genannt wird, ist ihnen das Erste der Bestätigung

des Wahren, denn sogleich haben sie dann eine Vorstellung des Heili-gen, welche Allem und Jedem, was gesagt wird, eine allgemeine Bekräf-tigung gibt, und das, wenn sie auch nicht begreifen; aber doch muß das, was gesagt wird, ihrer Fassungskraft angemessen sein; denn es ist nicht genug, daß der Mensch weiß, daß etwas sei, sondern er will auch wissen, was es ist und wie beschaffen es ist, so daß von da auch eine Bestätigung für die Verstandesseite hinzu kommt, und umgekehrt von dieser; wenn das nicht der Fall ist, so kann es zwar ins Gedächtnis hineingebracht werden, aber es bleibt dort nicht anders als eine tote Sache, wie eine Sache des Getöns, und wenn nicht einige Bestätigungsgründe, mögen sie herkommen wo sie wollen, dasselbe fest eingeprägt haben, so zerstäubt es wie die Erinnerung an eine nur tönende Sache" (H.G.3388).

Während Swedenborg erklärt, daß die Bekräftigung dessen, was Göttlich ist, und somit die Anerkennung des Göttlichen als Autorität zuerst kommen muß, und das vernünftige Denken darüber hernach, und somit lehrt, daß "die Aner-kennung dessen was Göttlich ist, obgleich es nicht begriffen wird," vollkommen mit dem vernünftigen Denken vereinbar ist, wird dieses von dem Schreiber geleugnet; der zudem noch erklärt, daß "das Prinzip, welches all solchem Dog-matisieren unterliegt, fürchterlich falsch" sei. Swedenborg sagt ferner:(128.) "Mit der Lehre hat es die Bewandtnis, inwieweit Menschliches, d.h.

Sinnliches, Wissenschaftliches und Vernunftmäßiges da ist, auf welches hin man glaubt, daß es so sei, insoweit ist die Lehre nichts; inwieweit aber das Sinnliche, Wissenschaftliche und Vernunftmäßige entfernt wird, das heißt, inwieweit ohne dasselbe geglaubt wird, insoweit lebt die Lehre, denn insoweit fließt das Göttliche ein; es ist des Menschen Eige-nes, das den Einfluß und die Aufnahme hindert; allein ein Anderes ist, auf den Grund des Vernunftmäßigen, Wissenschaftlichen und Sinnlichen hin glauben, oder dasselbe zu Rate zu ziehen, um zu glauben zu können; und ein Anderes, das was man glaubt, durch Vernünftiges, Wissenschaft-liches und Sinnliches zu bestätigen und zu bestärken" (H.G.2538).

Während somit Swedenborg lehrt, daß "insoweit das Sinnliche, Wissenschaftli-che und Vernunftmäßige entfernt, d.h. ohne dasselbe geglaubt wird, insoweit die Lehre lebt," behauptet dieser Schreiber, daß "nur insoweit als die Schrift und vernünftiges Denken im Gemüte eines Menschen, entweder die Philosophie oder die Tatsachen [der geistigen Welt] feststellen, verlangt er [Swedenborg], daß Jemand glaube, oder rechtfertigt er den Glauben" (S. 48). Swedenborg fährt fort:(129.) "Verstandesmäßige Wahrheit wird nicht früher offenbar, d.h. anerkannt,

als bis die Täuschungen und Scheinbarkeiten zerstreut sind, und diese werden so lange nicht zerstreut, als der Mensch über die Wahrheiten

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selbst aus dem Sinnlichen und Wißtümlichen vernünftelt, sondern erst dann, wenn er mit einfältigem Herzen glaubt, daß es wahr ist, weil der Herr so gesagt hat, alsdann werden die Schatten der Täuschung zerstreut, und es macht bei ihm alsdann nichts, daß er etwas nicht begreift" (H.G.1911).

In Erwiderung auf dieses sagt der Schreiber (S. 47): "Wir müssen etwas von dem Vorgang der Erzeugung zu verstehen wünschen, durch welche die Lehren, die Swedenborg lehrt, in seinem Gemüt ins Dasein kamen, ehe wir viele davon als Gegenstände des Nachdenkens und der Untersuchung annehmen können. Aber er verlangt nicht von uns, daß wir ein einziges dieser Dogmen glauben, außer insoweit als der biblische und vernunftmäßige Beweis, den er liefert, Überzeugung im Gemüte hervorbringt. Wenn er es täte, so würde er sich gegen die Rechtfertigung seiner Mission als falsch zeigen: "Jetzt ist es erlaubt ver-nunftmäßig in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen!" Wir dringen nur sofern vernunftmäßig in die Geheimnise des Glaubens ein, wie wir vernünftiger Weise die Wahrheiten, welche wir glauben, wahrnehmen und verstehen."Von allen Denen, welche die Lehren des innern Sinnes nicht als Gesetz der Kir-che anerkennen wollen, wird großes Gewicht auf diese Anführung aus den Schriften der Kirche gelegt: "Jetzt ist es erlaubt vernunftmäßig in die Geheim-nisse des Glaubens einzudringen;" deshalb wird es eine Sache von Wichtigkeit zu wissen, was denn eigentlich in diesem Satze gelehrt wird. Die ganze Stelle heißt wie Folgt:(130.) "In der Neuen Kirche ist es erlaubt, mit dem Verstande einzudringen in

alle ihre Geheimnisse, und auch sie durch das Wort zu begründen; der Grund ist, weil ihre Lehren stetig zusammenhängende, vom Herrn durch das Wort (a Domino per Verbum) aufgedeckte Wahrheiten sind; und deren Bestätigung durch Vernunftgründe bewirken, daß der Verstand mehr nach oben geöffnet und so in das Licht erhoben wird, in dem die Engel des Himmels sind, und dieses Licht in seinem Wesen die Wahrheit ist und in diesem Lichte die Anerkennung des Herrn, als Gottes des Himmels und der Erde glänzt in ihrer Herrlichkeit. Dies wird verstanden unter der Schrift: "Nun ist es erlaubt" (Nunc licet), d.h. jetzt ist es erlaubt vernunftmäßig in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen" (WCR.508).

Swedenborg lehrt hier, daß unter "Nunc licet" verstanden wird daß: "die Lehren der Neuen Kirche, welche stetig zusammenhängende, vom Herrn durch das Wort aufgedeckte Wahrheiten sind, durch Vernunftgründe zu bestätigen sind;" er lehrt daher, daß die Lehren der Neuen Kirche erst geglaubt, und nachher durch Vernunftgründe bestätig werden müssen. Der Schreiber aber sagt, die Bedeutung des "Nunc licet" sei, daß "nicht eine einzige dieser Glaubenslehren geglaubt werden dürfe, außer insofern als die biblischen und vernunftmäßigen Beweise, welche Swedenborg liefert, Überzeugung im Gemüte hervorbringen";

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bei ihm kommt also das vernunftmäßige Denken oder die Vernunft zuerst und die Lehre zuletzt, und die Folge davon ist, daß er nur so viel von den Lehren der Neuen Kirche, "welche stetig zusammenhängende, vom Herrn aufgedeckte Wahrheiten sind," als wahr anerkannt, als er Willens, oder im Stande ist, mit sei-ner Vernunft zu begreifen.Der Schreiber spricht wohl hier von "biblischen" und "vernunftmäßigen" Bewei-sen; und an einer andern Stelle sagt er: "Die Schrift und das vernunftmäßige Denken begründen im Gemüte die Philosophie und die Tatsachen der geistigen Welt" (S. 48). Unter "biblischen Beweisen" und "der Schrift", versteht der Schreiber hier Beweise, welche aus dem Buchstaben des Wortes hergeleitet wer-den. Diese ist er Willens als seine Autorität anzuerkennen. Lasset uns hören was Swedenborg sagt in Bezug auf den Buchstaben des Wortes, als Quelle der Auto-rität:(131.) "Wer verständig ist, kann aus diesem wissen, daß das Wort höchst heilig

ist, und daß sein buchstäblicher Sinn heilig ist wegen seines innern Sin-nes, daß er aber, wenn von diesem getrennt, nicht heilig ist; denn der vom Innern getrennte Sinn ist wie das von seinem Inwendigen getrennte Äußere des Menschen, welches ein lebloses Bildnis ist, und wie die Schale eines Baumes, einer Blume, einer Frucht oder eines Samens, ohne das Innere derselben; und wie eine Grundlage ohne Haus. Deshalb können Diejenigen, welche sich bloß an den Buchstaben des Wortes hal-ten, und keine Lehre aus dem Worte, welche mit seinem innern Sinn übereinstimmt, haben, oder sich verschaffen, in alle möglichen Irrlehren gezogen werden; daher kommt es auch, daß das Wort von Solchen ein Buch der Ketzereien genannt wird; die eigentliche Lehre aus dem Worte muß immerdar vorleuchten und führen; eben diese Lehre lehrt aber der innere Sinn, und wer diese Lehre kennt, hat den inneren Sinn des Wor-tes" H.G.10'276).

Wiederum lesen wir:(132.) "Diejenigen, welche das Wort ohne Lehre lesen, sind in Ansehung aller

Wahrheit im Dunkeln, und ihr Gemüt ist unstet und ungewiß, zu Irrtü-mern geneigt, und auch für Ketzereien zugänglich, die sie auch wirklich annehmen, wenn Gunst und Ansehen winkt, und der Ruf nicht gefährdet ist; denn das Wort ist ihnen wie ein Leuchter ohne Licht, und sie meinen im Schatten Vieles zu sehen, während sie doch kaum etwas sehen; denn die Lehre allein ist die Leuchte" (W.C.R.228).

(133.) "Der buchstäbliche Sinn kann nach verschiedenen Seiten gedreht, und der Fassungskraft gemäß erklärt werden" (W.C.R.260; siehe auch W.C.R.207).

Aus diesem folgt, daß der Buchstabe des Wortes ohne die Lehre des innern Sin-nes, vom Menschen nach verschiedenen Richtungen hin gedreht werden kann,

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und daß er mit Hilfe dessen alles bestätigen kann, was ihm beliebt; weshalb sich auf den Buchstaben des Wortes berufen, ohne sich zugleich auch auf die Lehren des innern Sinnes zu berufen und diese als Autorität gelten lassen, so viel ist, als gar keine Autorität und kein Merkmal der Wahrheit anerkennen. Deswegen deu-tet ein Sichberufen auf die "biblischen und vernunftmäßigen Beweise", wenn unter der Bibel nur der Buchstabe des Wortes verstanden wird, nichts weiter als ein Sichberufen auf die menschliche Vernunft.Wenn der Schreiber auch sagt, daß er die Lehren, welche in Swedenborgs Schriften enthalten sind, nicht verleugne, und daß es folglich auch "die Lehren des innern Sinnes" nicht verwerfe, so erkennt er sie doch, nicht als endgültige Autorität, oder als Gesetz an, wodurch seine Schriftauslegung und seine Ver-nunftschlüsse sich leiten lassen müssen; denn er sagt ausdrücklich, daß man diese Lehren oder Dogmen nur insoweit glauben müsse, als die biblischen und vernunftmäßigen Beweise, welche Swedenborg liefert, Überzeugung im Gemüte hervorbringen."* In Bezug auf einige der Lehren, welche Swedenborg lehrt, ist er nicht einmal Willens sie "als Gegenstände des Nachdenkens und der Untersu-chung anzunehmen"; ehe, wie er sagt, "etwas von dem Vorgang der Wiederge-burt verstanden wird, durch welchen diese Lehren in sein Gemüt kamen".(*) Verhandlungen der Konferenz der Neuen Kirche, 1873, S. 47)

Es ist daher augenscheinlich, daß dem Schreiber nach, nicht nur die Auslegung des buchstäblichen Sinnes, sondern auch die Lehren des innern Sinnes, dem ver-nunftmäßigen Denken des Menschen zu unterwerfen sind, und daß somit die menschliche Vernunft die letzte Autorität ist, nicht nur in allen Sachen der Kir-che, sondern auch in Bezug auf den Himmel und den Herrn.Die Frage, ob die menschliche Vernunft in Sachen des Glaubens befragt werden müsse, ist im IV. Kapitel ziemlich ausführlich behandelt worden; da aber der ganze Gegenstand der Autorität und des Gesetzes in der Kirche mit dieser Frage so eng zusammenhängt, so ist es notwendig noch ausführlicher darüber zu spre-chen.Wir haben gesehen, daß die Lehren des Neuen Jerusalems dem Menschenge-schlechte vom Herrn durch die Instrumentalität Swedenborgs geoffenbart wor-den sind, und zwar vermittelst einer innerlichen Inspiration. Wir haben ferner gesehen, daß diese innerliche Inspiration im vollkommenem Einklang stand mit Swedenborgs Zustande der Freiheit und Vernünftigkeit, und daß er sich, wäh-rend er der Menschheit die Ergebnisse seiner Inspiration mitteilte, im Zustande der Freiheit selbst und der Vernünftigkeit selbst befand, wodurch er im Stande war, das was er schrieb klar wahrzunehmen und zu verstehen, ohne daß seine Vernunft deswegen im Geringsten dem Göttlichen Wesen der Lehren, welche durch ihn bekannt gemacht wurden, Eintrag getan hätte. Wir wollen jetzt einen noch höheren und stärkeren Standpunkt einnehmen und aus den Schriften der Neuen Kirche beweisen, daß es für Swedenborgs Vernunft, oder für sein ver-nünftiges Denken absolut unmöglich war, zu den Lehren der Neuen Kirche auch

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nur das Geringste beizutragen. Wir lesen wie folgt:(134.) "Es gibt keine Glaubenslehre, die aus dem Vernünftigen stammt; der

Grund davon ist, daß die Vernunft in den Scheinbarkeiten des Guten und Wahren ist, und die Scheinbarkeiten nicht Wahrheiten an sich sind. Außerdem hat die Vernunft Täuschungen unter sich, welche aus äußerli-chen Sinneswahrnehmungen stammen, die durch Wissenschaftliches bestärkt sind, und Schatten auf jene Scheinbarkeiten des Wahren werfen."Das Vernunftmäßiges ist größtenteils bloß menschlich, wie das auch aus seiner Entstehung erhellen kann; daher kommt nun, daß keine Bestimmung des Glaubens daraus abgeleitet, und noch weniger darauf gebaut werden kann; sondern sie muß hervorgehen aus dem Göttlichen Selbst und aus dem Göttlich-Menschlichen des Herrn; von daher ist ihr Ursprung, und zwar so ganz, daß der Herr die Lehre selbst ist, daher Er auch im Worte genannt wird das Wort, die Wahrheit, das Licht, das Leben, die Türe. Außerdem stammt jede Lehrbestimmung aus dem Gött-lich-Guten und dem Göttlich-Wahren, und hat die himmlische Ehe in sich, was ein Geheimnis ist. Eine Lehrbestimmung, welche diese nicht in sich hat, ist keine echte Lehre des Glaubens. Daher kommt es, daß in den einzelnen Teilen des Wortes, aus welchen die Lehre kommt, eine Art von Ehe ist. Es scheint zwar als ob die Lehre des Glaubens im buchstäb-lichen, oder äußeren Sinne des Wortes, Vieles aus dem Vernunftmäßi-gen, ja aus dem Natürlichen an sich habe, allein dies kommt daher, daß das Wort für den Menschen ist und diesem in solcher Weise angepaßt worden ist, dennoch aber ist sie an sich geistig, das heißt aus himmli-schem Ursprung, d.h. aus dem Göttlich-Wahren, das verbunden ist mit dem Göttlich-Guten" (H.G.2516).

So scheint es auch, als ob vieles von Swedenborgs Vernunftmäßigem und Natür-lichem in der Darstellung der Lehren des Neuen Jerusalems in seinen theologi-schen Schriften sich befände; und doch ist das hier in Bezug auf den Buchstaben des Wortes Angeführte auch auf diese Schriften anzuwenden; denn diese Schrif-ten "sind auch für den Menschen, dem sie in solcher Weise angepaßt worden sind"; nichts desto weniger aber, ist der Lehr-Inhalt dieser Schriften in sich selbst, von "geistigem und himmlischem Ursprung, d.h. aus dem Göttlich-Wah-ren das verbunden ist mit dem Göttlich-Guten". So lesen wir ferner:(135.) "In der Glaubenslehre wurde das Vernunftmäßige in keiner Weise zu

rate gezogen, weil alle Glaubenslehren aus dem Göttlichen stammen, welches unendlich erhaben ist über alle menschliche Vernunft; aus dem Göttlichen empfängt die Vernunft ihr Gutes und ihr Wahres. Das Göttli-che kann eingehen in das Vernunftmäßige, aber nicht umgekehrt; gerade wie die Seele in den Leib eingehen und diesen bilden kann, nicht aber der Leib in die Seele; oder wie das Licht in den Schatten eingehen und diesen auf verschiedene Weise in Farben modifizieren kann, nicht aber

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der Schatten in das Licht" (H.G.2519).Wenn aber das Vernunftmäßige keinen Teil hat an der Bildung der Glaubensleh-ren, dann ist es für uns höchst anmaßend die Regel aufzustellen, daß nichts, was die Lehre betrifft, geglaubt werden müsse, als nur das, was wir mit unserem ver-nünftigen Denken begreifen können; darüber lesen wir ferner:(136.) "Mit allen Göttlichen Wahrheiten verhält es sich so: wenn das Vernünf-

tige über dieselben zu Rate gezogen wird, so können sie gar nicht geglaubt werden, denn sie übersteigen alle seine Fassungskraft. … Dem Vernunftmäßigen ist nicht zu trauen, weil es in Täuschungen und Scheinbarkeiten ist, daher es die von Täuschungen und Scheinbarkeiten entblößten Wahrheiten verwirft und dies um so mehr, je mehr Einer in der Selbstliebe und in deren Begierden ist, und in Vernünfteleien, sodann in den Grundsätzen des Falschen in Rücksicht des Glaubens" (H.G.1936). Wir lesen ferner: "Das Vernunftmäßige ist ein Solches, daß es nie Göttliche Dinge begreifen kann, denn es ist endlich, und dies kann die Dinge nicht begreifen welche unendlich sind" (H.G.3365). Wir lesen sogar, daß: "Wenn das Vernunftmäßige über die Glaubenslehre zu Rate gezogen wird, so wird diese zerstört" (H.G.2519,2520).

Die Lehren der Neuen Kirche sind daher weit entfernt davon, zu lehren, daß man das Göttlich-Wahre nur insoweit glauben müsse, als es mit der menschli-chen Vernunft übereinstimmt, oder von ihr begriffen werden kann; ja, es wird überall in den Schriften als erste Bedingung des Glaubens, oder des Aufbaus der Kirche im Menschen, der Grundsatz niedergelegt, daß der Mensch mit einem bejahenden, und somit gläubigem Geiste die Glaubenslehren aufnehmen müsse, die von Gott aus dem Himmel geoffenbart worden sind. Wir lesen daher wie folgt:(137.) "Man darf nicht von den wißtümlichen Kenntnissen ausgehen und durch

sie in die Glaubenswahrheiten eindringen; denn die wißtümlichen Kennt-nisse beim Menschen stammen aus dem Sinnlichen, somit aus der Welt, woher unzählige Täuschungen kommen; sondern man muß von den Glaubenswahrheiten ausgehen" H.G.6047).

Wiederum lesen wir:(138.) "Das erste Mittel, wodurch der innere Mensch mit dem äußern verbunden

wird, ist das Bejahende, oder die Bejahung des inwendigen Wahren, nämlich daß es so sei. Wenn die Bejahung geschieht, dann ist der Mensch im Anfang der Wiedergeburt; das Gute wirkt vom Innwendigen her ein und macht die Bejahung. Dieses Gute kann nicht in das Vernei-nende einfließen, nicht einmal in das Zweifelnde, ehe diese Bejahung eintritt. Dasselbe Gute äußert sich hernach durch die Neigung, nämlich dadurch, daß der Mensch vom Wahren angeregt wird, oder anfängt eine Freude daran zu haben, zuerst daß er es weiß, und nachher daß er dar-

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nach handelt; wie zum Beispiel, daß der Herr das Heil für das menschli-che Geschlecht ist. Wenn dieses nicht vom Menschen bejaht wird, so kann alles das, was er über den Herrn aus dem Worte oder in der Kirche gelernt hat, und das im Gedächtnis seines Natürlichen unter Wißtümli-chen ist, mit seinem inwendigen Menschen nicht verbunden werden, d.h. mit demjenigen, was dort dem Glauben angehören kann; es kann also auch die Neigung nicht einfließen, nicht einmal in das Allgemeine des-sen, was zum Heil des Menschen beiträgt. Wenn dagegen die Bejahung eintritt, dann kommt Unzähliges hinzu und wird mit dem Guten erfüllt, welches einfließt; denn das Gute fließt fortwährend vom Herrn ein; wo aber keine Bejahung ist, wird es nicht aufgenommen. Es ist also die Bejahung das erste Mittel und gleichsam die erste Wohnung des vom Herrn einfließenden Guten. Eben so verhält es sich mit allen übrigen Dingen, welche Glaubenssachen genannt werden" (HG.3913).

Hieraus ersehen wir daß, wenn der Mensch vom Herrn wiedergeboren werden, oder die Kirche in sich aufgebaut haben will, es sich enthalten muß, das Glau-benswahre, oder die Lehren des Wortes Gottes, seinem vernunftmäßigen Den-ken, welches aus dem Sinnlichen, Wißtümlichen und Philosophischen der Welt gebildet ist, unterzuordnen; daß er vielmehr im Gegenteil sich bemühen muß, in einem bejahenden Zustande in Bezug auf diese Wahrheiten zu verharren. Die Lehren des innern Sinnes über diesen Gegenstand sind so bestimmt, daß sie Die-jenigen für geistig betrunken erklären, welche nichts anderes glauben, als was sie auf diese Weise begreifen können, wie das aus der Folgenden Stelle klar her-vorgeht:(139.) "Diejenigen werden Betrunkene genannt, die nichts glauben, als was sie

begreifen und daher Untersuchungen anstellen über die Geheimnisse des Glaubens, und weil dies geschieht durch Sinnliches oder Wißtümliches oder Philosophisches, so kann es nicht anders sein, als daß der Mensch, wie er eben ist, dadurch in Irrtümer verfällt. Das Denken des Menschen ist nur irdisch, leiblich und materiell, weil es stammt aus Irdischem, Leiblichem und Materiellem, welches stets anklebt, und in dem die Vor-stellungen seines Denkens ihre Grundlage haben, durch das sie begrenzt werden, daher aus demselben über göttliche Dinge denken und vernünf-teln heißt, sich in Irrtümer und Verkehrtheiten stürzen; und so unmöglich ist es, dadurch Glauben zu erwerben, wie es einem Kamel unmöglich ist, durch ein Nadelöhr zu gehen: der Irrtum und Wahnwitz, der hieraus ent-steht, wird im Worte Betrunkenheit genannt" (H.G.1072).

Wiederum lesen wir:(140.) "Jedem kann bekannt sein, daß einmal angenommene Prinzipien, wenn

sie auch noch so falsch sind, den Menschen leiten, und daß den Prinzi-pien alles Wissen und Schließen günstig ist; denn es strömt unzählig Beistimmendes herzu, und so wird er im Falschen begründet; wer daher

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den Grundsatz faßt, nichts zu glauben, ehe er es sieht und versteht, kann gar nie glauben; denn Geistiges und Himmlisches sieht er weder mit Augen, noch erfaßt er es mit der Phantasie.Die wahre Ordnung ist aber, daß man aus dem Herrn, das ist aus Seinem Worte, Weisheit hole, dann gibt sich alles, und man wird auch in den Vernunftwahrheiten und im Wissenschaftlichen erleuchtet; denn es ist gar nicht verwehrt, Wissenschaften zu erlernen, weil sie fürs Leben ersprießlich und auch ergötzlich sind; und wer im Glauben steht, dem ist durchaus nicht verwehrt, zu denken und zu reden wie die Gelehrten der Welt, jedoch aus dem obersten Grundsatze heraus, daß er dem Worte des Herrn glaube und die geistigen und himmlischen Wahrheiten, so weit er kann, durch natürliche Wahrheiten begründe, mit Ausdrücken, die der gelehrten Welt eigen sind. Daher soll das Prinzip aus dem Herrn genom-men sein, nicht aus sich selbst. Jenes ist Leben, dieses aber ist Tod. (H.G.129).

Es ist besonders Unrecht, die Lehren des innern Sinnes in Zweifel zu ziehen und dadurch deren Autorität in Frage zu stellen. Und doch wird dies von Einigen als ein Zeichen von höherer Einsicht und Weisheit betrachtet, während das Anneh-men der Lehren des Göttlich-Wahren mit einem bejahenden Gemüte, ohne deren Autorität in Frage zu ziehen, als ein Zeichen des Mangels an Freisinnigkeit und als Verstandesschwäche angesehen. Dennoch wird der Weg zur Weisheit nur dem geöffnet, welcher die geoffenbarte Wahrheit mit einem bejahenden Gemüte erforscht, und wird demjenigen verschlossen, der sie in verneinender Weise untersucht (siehe Nr. 30), und Zweifel dagegen erhebt, auf die Ausrede hin, daß die Lehre gegen die Scheinbarkeiten gehe, auf die sein vernunftmäßiges Denken gegründet ist; oder welcher eine Wahrheit ungehört verdammt, weil er leugnet, daß der, durch welchen der Herr der Menschheit die Wahrheit mitgeteilt, inspi-riert war. Über diesen Gegenstand lesen wir wie folgt:(141.) "Wenn die Erfahrung klar und gewiß ist [wie im Falle der Mission Swe-

denborgs], so sollte nicht daran gezweifelt werden, weil die Scheinbar-keit davon verschieden ist, und weil die Ursachen nicht bekannt sind; wie es mit vielen Dingen in der Natur geht, welche durch die Erfahrung bezeugt sind, und geglaubt werden sollen, weil sie wahr sind; zum Bei-spiel, daß man um die Erde herumsegeln kann, und sogar an der unsern Füßen entgegengesetzten Seite; denn dies ist gewiß, weil es durch die Erfahrung bewiesen worden ist. Wer in der Welt würde daran zweifeln, weil es anders erscheint und weil er die Ursache nicht kennt? Auf diese Weise würde es unzählige Dinge in der Natur geben, die er nicht glauben würde, während sie nichts desto weniger so sind."Dieses ist genauso in der geistigen Welt, besonders mit den Dingen des Glaubens, an denen nicht gezweifelt werden sollte, und die noch viel weniger verworfen werden sollten, weil wir deren Ursache nicht kennen,

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und weil sie nicht mit den Scheinbarkeiten im Einklang stehen. Diese Dinge sind Wahrheiten, weil sie der Herr, welcher die Wahrheit Selbst ist, geredet hat; wie zum Beispiel, daß es der Herr allein ist, der da lebt, und daß alle anderen Leben auf den Erden und in den Himmeln wie Nichts sind, nebst andern ähnlichen Dingen. Diese Dinge sind auch gegen die Scheinbarkeiten, und doch sind sie wahr, und sollten deshalb nicht geleugnet werden, weil wir sie nicht verstehen können, und es uns erscheint als ob wir von uns selber leben" (D,S.2545,2546).

Wir lesen ferner:(142.) "Man sollte nicht über die Wahrheit einer Sache aus den Ursachen ver-

nünfteln; und wenn keine Ursachen gefunden werden können, so sollte die Wahrheit deswegen nicht geschwächt oder geleugnet werden, wie Leute gewöhnlich tun, sondern sie sollte geglaubt werden, weil sie wahr ist. Wenn Jemand deren Ursache untersuchen will, so ist er gänzlich in Freiheit dazu, es ist nicht verboten, nur soll er, wenn er die Ursachen nicht findet, oder Sachen vorkommen, die er nicht lösen kann, deshalb die Wahrheit nicht leugnen. Wenn wir in beinahe allen Dingen der Natur, welche wir mit den Augen sehen und mit den Sinnen fassen kön-nen, alles leugnen wollten, wofür wir die Ursache nicht finden können, so würde uns keine natürliche Wahrheit in irgend einem der Reiche übrig bleiben" D.S.2651).

Die Ursache aber, warum der Mensch nicht aus sich selbst über die Wahrheiten des Glaubens vernünfteln sollte, und warum er keine Zweifel über dieselben auf-werfen sollte ist, weil solches Vernünfteln, und alle solche Zweifel aus einem Herzen kommen, das diese Wahrheiten leugnet, wie das klar in den folgenden Stellen gelehrt wird:(143.) "Bei Denen welche zu vernünfteln anfingen [aus sich selbst; vergleiche

G.V.219] über das, was zum geistigen und himmlischen Leben, oder was zum Glauben gehört, ward mir gegeben innezuwerden, daß sie zweifel-ten, ja leugneten; denn über den Glauben vernünfteln, heißt zweifeln und leugnen. Und weil das aus ihnen selbst, oder aus dem Eigenen kommt, so sind es lauter Falschheiten in welche sie fallen, folglich in einen Abgrund von Finsternissen, d.h. von Falschheiten. Wenn sie in diesem Abgrunde sind, dann gilt der kleinste Skrupel mehr als tausend Wahrhei-ten, und ist wie ein Stäubchen, das, an den Augapfel gebracht, macht, daß es von der ganzen Welt und von allem, was in der Welt ist, nichts sieht" (H.G.215; siehe D.S.3611).

Swedenborg hat wiederholt und oft gegen die verderbliche Gewohnheit, Ein-wendungen und Zweifel gegen die Glaubenswahrheiten oder die Lehren des Wortes vorzubringen, protestiert. Außer dem, das wir oben schon aus H.G. 6479 in Nr. 35 angeführt, sagt er:

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(144.) "Ich sprach mit Geistern über die, welche Einwürfe gegen die Erkennt-nisse des Glaubens erhoben, und sagte ihnen, daß das ein Zeichen sei, daß sie sich im Zustande des Zweifelns und der Verleugnung befänden; weshalb man keine Einwürfe erheben sollte, weil diese Zweifel und Ver-neinungen sind. Denn es können tausend Bücher mit Einwürfen ange-führt werden, weshalb nur Bestätigungen, die eingeflößt werden, ange-nommen werden sollten. Die in den Himmeln sind von solcher Beschaf-fenheit, daß sie nur Bestätigungen lieben und die Einwurfe verwerfen; sie tun das auch deshalb, weil Einwürfe unbestimmt sind und weil daraus nichts, ja nicht einmal etwas über die Dinge in der untersten Natur gelernt werden kann" (D.S.3602).

Der Vorteil, in welchem die Glieder der Kirche stehen, durch Verwerfung aller Einwürfe und aller Zweifel in Bezug auf die Glaubenswahrheiten, und somit über die Lehren des innern Sinnes, wird deutlich von Swedenborg in den folgen-den Worten hervorgehoben:(145.) "Diejenigen, welche keine Einwürfe über die Erkenntnisse der Glaubens-

wahrheiten zulassen, sind sicher vor bösen Geistern."Einige Geister beklagten sich, daß sie nicht länger bei mir verweilen könnten, weil ich in den Erkenntnissen des Glaubens verharrte, und es ihnen nicht erlaubt wurde Einwürfe vorzubringen. Sie sagten, daß sie somit Nichts hätten, wodurch sie leiten könnten, und setzten hinzu: auch Nichts womit sie verleiten könnten. Denn mit solchen Dingen besonders verleiten sie die Menschen. In Gegenwart eines Einwurfes, nützen sie die bestätigenden Wahrheiten, gleichviel wie viel ihrer sind, nichts; denn dann wird der Mensch von seinen Lüsten geleitet, welche Phantasien hervorbringen und gerne die Einwürfe zulassen. Ja, dann hat bei dem Menschen ein einziger Einwurf mehr Kraft als tausend Bestätigungen. Deshalb, damit der Mensch in der Wahrheit, oder im wahren Glauben sei, muß er den entgegengesetzten Standpunkt einnehmen, und erklären, daß eine Wahrheit mehr als Tausende und Myriaden von Einwürfen wert ist. In diesem Falle werden die bösen Geister in die Flucht geschlagen, weil sie in solcher Sphäre nicht leben können" (D.S.3614).

Aber Angesichts dieses überwältigenden Zeugnisses Swedenborgs, wo er zeigt, daß die menschliche Vernunft keinen Teil hat an der Bildung von Glaubensleh-ren und daß deshalb diese Lehren zuerst geglaubt, und hernach erst durch Ver-nünftiges, Wissenschaftliches und Sinnliches bestätigt werden müssen, wird die Autorität Swedenborgs zur Unterstützung der folgenden Stellung angerufen:*(*) Verhandlungen der General-Konferenz, 1873, S. 45)

"Swedenborgs Abneigung gegen den Dogmatismus wird schlagend bewiesen durch die Weise in welcher er der das Gemüt betäubenden Ansicht entgegen tritt, daß die Vernunft den Glaubenslehren untertan sein müsse. Im Gegenteil lehrt er, daß der Mensch nur das wahrhaft glauben kann, was er vernunftmäßig

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als wahr erkennt. Er sagt, daß die Engel jeden tadeln würden, der von ihnen ver-lange, daß sie etwas wahr annehmen sollen, bloß weil er es sagte: "Mache daß wir sehen können, daß es wahr ist, und dann wollen wir es glauben!" Er schärft die Lehren des Heilandes ein, daß der Same, welcher an den Weg gesät ist und den die Vögel auffressen, "die Wahrheiten bedeuten, welche in das Gedächtnis gesät, aber nicht verstanden werden." Daher einer seiner gewöhnlichsten Aus-drücke ist: "Die Wahrheiten des Glaubens," das heißt, die Wahrheiten welche gesehen, verstanden und geglaubt werden … Somit gewährt er nicht nur die Untersuchung, sondern fordert sogar dazu heraus und erklärt die menschliche Einsicht frei von allen Fesseln eines unvernünftigen Glaubens, der blindlings irgend etwas annimmt, das die Kirche gelehrt haben mag."Um die hier Swedenborg zugeschriebene Darstellung mit denen, welche wir bis-her aus seinen Schriften angeführt haben, zu versöhnen, ist es nötig, daß wir genau dieselben Worte vor uns haben, die in den Schriften gebraucht werden. Wir lesen in denselben:(146.) "Geistige Wahrheiten können ebenso begriffen werden wie natürliche

Wahrheiten; und wenn sie auch nicht klar begriffen werden, so fällt doch während des Hörens in die Wahrnehmung, ob sie wahr sind oder nicht, und zwar besonders bei denen, welche vom Wahren angeregt werden … Die Ursache, warum die geistigen Dinge begriffen werden können, liegt darin, daß der Mensch, in Ansehung seines Verstandes, in das Licht des Himmels erhoben werden kann, und in diesem Lichte nichts Anderes erscheint, als die geistigen Dinge, welche die Wahrheiten des Glaubens sind; denn das Licht des Himmels ist das geistige Licht."Daher kommt es nun, daß Diejenigen eine innere Anerkennung des Wahren haben, welche in einer geistigen Neigung zum Wahren sind. Weil die Engel in dieser Neigung sind, so verwerfen sie gänzlich jenen Lehrsatz, daß der Verstand unter dem Gehorsam des Glaubens sein müsse; denn sie sagen: was heißt glauben, wenn man nicht sieht ob es wahr ist? Sagt Jemand, daß man es dennoch glauben müsse, so antwor-ten sie: Meinst du etwa, du seiest Gott, dem ich glauben muß, oder ich sei wahnsinnig, daß ich einem Ausspruche glaube, indem ich das Wahre nicht sehe? Mach also, daß ich es sehe. So weicht dann jener Dogmatiker zurück" (Gl.3,4,).

Die Lehren der Neuen Kirche über den Gegenstand "des Samens der an den Weg gesät ward," ist wie folgt, es bedeutet: "Wahres des Wortes, bloß ins Gedächtnis, und nicht ins Leben aufnehmen" (H.G.1940); ferner: "Wahrheiten nur in den körperlich sinnlichen Grad, und nicht ins mehr Innerliche aufzuneh-men" (A.E.630). Und endlich:(147.) "Wofern das Vernunftmäßige sich nicht dem Guten und Wahren des

Herrn unterwirft, wird das, was einfließt, von diesem Vernunftmäßigen entweder erstickt, oder verworfen, oder verkehrt, und noch mehr, wenn

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es in das sinnlich Wißtümliche einfließt. Dies ist es, was verstanden wird unter dem daß der Same entweder an den Weg, oder auf Felsengrund, oder unter die Dornen fällt, wie der Herr lehrt (Matth.13,3-7; Luk.8,5-7). Wenn hingegen das Vernunftmäßige sich dem Herrn, das ist, Seinem Worte unterwirft, und glaubt, dann ist das Vernunftmäßige wie ein gutes Erdreich oder Land, in welches der Same fällt und viele Früchte bringt" (H.G.1940).

In Bezug auf "die Wahrheiten des Glaubens" sagen die Schriften im Allgemei-nen, daß sie die Wahrheiten sind, welche den verschiedenen Glaubenslehren gehören (siehe H.G.2053 und andere Stellen). Wiederum sagen sie, "die Wahr-heiten des Glaubens sehen zuerst auf die Liebtätigkeit als auf ihren letzten End-zweck hin, und nachher gehen sie von der Liebtätigkeit als ihrem ersten End-zwecke aus" (H.G.7778); ferner: "Wahrheiten, welche sich nicht auf Gutes beziehen, sind keine Glaubenswahrheiten" (H.G.9603). Endlich lesen wir:(148.) "Diejenigen aber haben das Wahre des Glaubens nicht, welche meinen

sie hätten den Glauben aus sich selbst und seien somit weise aus sich selbst, sondern Diejenigen, welche vom Herrn glauben; denn Solchen wird Glaube und Weisheit gegeben, weil sie sich selbst nichts Wahres und Gutes zuschreiben" (H.G.4007).

Wir sehen daher, gemäß den Lehren unserer Kirche, eine Wahrheit "an den Weg gesät ist," wenn sie bloß in den Verstand, oder ins Gedächtnis, und nicht in den Willen aufgenommen worden ist; und wir lernen ferner, daß eine Wahrheit "an den Weg fällt" wenn der Mensch der Kirche sich weigert seine Vernunft dem Guten und Wahren des Herrn, d.h. den Lehren des Wortes zu unterwerfen. Aber-mals lernen wir, daß eine Wahrheit "eine Glaubenswahrheit" wird, wenn sie auf die Liebtätigkeit hinsieht, d.h. wenn der Mensch sie befolgt; und ferner, welche aus dem Herrn, und nicht aus sich selbst glauben, d.h. welche die Wahrheit im Lichte des Himmels, und nicht im Lichte der Natur, oder im Lichte ihrer eigenen endlichen Vernunft erblicken. Wir sehen daher, daß die Schriften selbst die Anwendung dieser Stellen oder Beispiele nicht zulassen, um damit zu beweisen, daß die menschliche Vernunft über die Lehren Gottes, oder über die Lehren des innern Sinnes der Heiligen Schrift zu stellen ist.Wiederum geht aus der unter Nr. 146 angeführten Stelle hervor, daß geistige Wahrheiten nicht über des Menschen Begriff gehen; daß es deshalb dem Men-schen möglich ist, eine vernunftmäßige Idee von geistigen Dingen, und somit von den Glaubenswahrheiten zu bekommen. Ja wir lernen, daß die Engel sich gänzlich weigern, eine ihnen von Andern mitgeteilte Sache anzunehmen, ohne daß sie zuerst sehen ob sie auch wahr ist. Begünstigt dies vielleicht die Idee, daß die Vernunft der Engel und Menschen über den Glaubenswahrheiten steht, und daß kein Glied der Kirche eine Wahrheit des Wortes Gottes, oder eine Lehre des innern Sinnes, welche der Herr der Menschheit durch die Instrumentalität Swe-denborgs geoffenbart hat, glauben solle, ohne vorher begreifen zu können, daß

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sie auch wahr ist? Diese Stelle lehrt einfach, daß die Engel gewillt sind, "Gott" zu glauben, und somit auch den Lehren, welche aus dem Worte Gottes geschöpft sind; daß sie aber nicht gewillt sind, den Behauptungen eines endlichen Engel oder Geistes zu glauben, es sei denn, "daß sie machen, daß sie die Wahrheit sehen."Die Engel machen somit einen Unterschied zwischen einer von Gott gegebenen und einer von endlichen menschlichen Wesen gelehrten Lehre. Die Erstere betrachten sie als unfehlbar und maßgebend, die Letztere aber nicht; und sie sind nur gewillt die Letztere anzunehmen, wenn die Person, welche sie lehrt, "macht daß sie die Wahrheit derselben sehen können". Ein solcher Unterschied sollte auch den Menschen der Kirche auf Erden gemacht werden. Während sie sich im unbedingten Gehorsam Gott ergeben, und somit auch allen Lehren, welche von Gott aus dem Himmel geoffenbart worden sind, und während sie daher alles Göttlich-Wahre als maßgebend annehmen, sollten sie Alles was von Andern, ob nun Laien oder Priestern, als Wahrheit aufgestellt wird, beanspruchen, so oft man ihnen den Lehrsatz aufdringen will, daß "der Verstand unter dem Gehorsam des Glaubens gehalten werden müsse", d.h. so oft behauptet wird, daß man eine Sache, die sie lehren, glauben müsse, ohne daß ihre Zuhörer erst untersuchen dürften, ob sie wahr sei. Und sollte dennoch Jemand auf die Annahme seiner dogmatischen Lehren bestehen, so sollten die Glieder der Kirche ihm in der Sprache der Engel, wie sie in Nr. 146 angeführt wurde, antworten: "Meinst du etwa, du seiest Gott, dem ich glauben muß, oder ich sei wahnsinnig, daß ich einem Ausspruche glaube, in dem ich das Wahre nicht sehe? Mache also, daß ich es sehe!"Wir sind deshalb eben so sehr gegen ein dogmatisches Predigen in der Kirche wie der Schreiber, dessen Ansicht wir eben angeführt haben. Aber wir behaup-ten, daß ein Unterschied gemacht werden muß zwischen den Lehren, welche von Gott aus dem Himmel geoffenbart worden sind, und den Lehren, die von Menschen angenommen und aufgestellt werden; und während wir, in Überein-stimmung mit den Schriften der Neuen Kirche, als Grundsatz aufstellen, daß den Ersteren Göttliche Autorität zukommt, und sie deshalb über die Vernunft zu stel-len sind, erklären wir, daß die Letzteren offenbar der menschlichen Vernunft unterworfen sind, und daß es den Gliedern der Kirche obliegt, alle solche Lehren im Lichte der geoffenbarten Wahrheit zu prüfen, um zu sehen, wieviel davon wahr und wieviel fasch ist.Dieser Unterschied wird von dem in Frage stehenden Schreiber nicht gemacht, denn er hält alle Lehren für Menschenmachwerk und der Fehlerhaftigkeit der menschlichen Vernunft unterworfen. "Die einzige Ausnahme", seiner Meinung nach, ist "in dem Falle einer persönlichen und vollständigen Inspiration, in wel-cher der Schreiber nichts weiter als der Niederschreiber der Göttlichen Weisheit ist und alle Worte, die er niederschreibt, die eigentlichen Worte des Herrn sind.

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Solches," sagt er, "war die Inspiration des Wortes, zu welchem aber nie ein Zusatz gemacht werden wird."* (*) Siehe Kapitel VI, Seite 46.)

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Kapitel 9 – Die Lehre zweifach

Die Lehre ist zweifach, Göttlich und menschlich

Aus dem Schlußteile des vorhergehenden Kapitels geht hervor, daß die Lehre zweifach ist; und daß die Lehre, die von Gott aus dem Himmel geoffenbart wird, abgesondert und verschieden ist von der Lehre, wie sie im Gemüte der Men-schen verdaut und von ihnen ausgelegt wird. Die Erstere ist, wie wir behaupten, von Göttlicher Autorität, und über die menschliche Vernunft erhaben, während die Letztere offenbar in die Gerichtsbarkeit der menschlichen Vernunft gehört und im Lichte der geoffenbarten Wahrheit geprüft werden soll, um zu sehen, ob sie wahr oder falsch ist.Dieser Unterschied wird, wie wir gesehen haben, von verschiedenen Gliedern in der Kirche nicht berücksichtigt; und während Einige unter ihnen behaupten, daß alle Lehre, mit Einfluß derjenigen, welche uns durch Swedenborg geoffenbart worden ist, den Unvollkommenheiten, von welchen kein menschliches Werk frei ist, unterworfen sind, irren Andere auf der entgegengesetzten Seite, indem sie, sich auf einige stellen in den Schriften der Neuen Kirche stützend, behaup-ten, daß unfehlbare Lehre von Göttlicher Autorität, nicht nur in den Schriften Swedenborgs gefunden werde, sonder daß solche Lehre auch von Männern die im Guten, oder die wiedergeboren sind, aus dem Worte Gottes gezogen werden könne. Solche Männer, sagen sie, haben Kraft des Guten, in dem sie sind, die Fähigkeit, das Wahre der Lehre, welches mit ihrem Guten übereinstimmt, im Worte wahrnehmen, ohne daß es ihnen vorher gelehrt worden wäre.Die Stellen in den Lehren des Neuen Jerusalems, auf welche sie sich berufen, sind die folgenden:(149.) "Das Wort im Buchstaben kann nur begriffen werden mittelst der Lehre

aus dem Worte, die durch einen Erleuchteten gemacht worden ist" (N.J.254).

(150.) "Die Lehre muß aus dem Worte zusammengestellt werden; und wenn sie zusammengestellt wird, muß der Mensch in der Erleuchtung vom Herrn sein; er ist aber in der Erleuchtung, wenn er in der Liebe zum Wahren ist, um des Wahren willen, und nicht um seiner selbst und um der Welt willen. Diese sind es, welche im Worte erleuchtet werden, wenn sie es lesen, und das Wahre sehen, und sich daraus eine Lehre bilden" (HG.9424).

Aus diesen Stellen könnte es scheinen, als ob Alle, welche "in der Liebe zum Wahren, um des Wahren willen, und nicht um ihrer selbst und der Welt willen

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sind", in einen ähnlichen Zustand wie Swedenborg gebracht werden könnten, und sie, in gleicher Weise wie er, Mittel zur Offenbarung der echten Lehre des Wortes an die Menschheit werden könnten.In Kapitel VI, Nr. 55 und 113 haben wir gezeigt, daß Swedenborgs Zustand ein ganz besonderer war, und daß Niemand von Anfang der Welt an bis jetzt wie er gewesen ist, und daß voraussichtlich auch nie wieder Jemand in einen ähnlichen Zustand kommen wird; und zwar weil der Herr ein für allemal Seine Zweite Ankunft durch die Instrumentalität Swedenborgs bewerkstelligte, und nirgends im Worte gesagt wird, daß der Herr diese Seine Zweite Ankunft ergänzen, oder eine Dritte Ankunft machen wolle.Aus dieser Stellung folgt aber, daß die Lehre, die der Herr durch die Instrumen-talität Swedenborgs geoffenbart hat, gänzlich verschieden ist von den Lehren, welche die so "in der Liebe zum Wahren um des Wahren willen sind, fähig sind, für sich selbst aus dem Worte zu ziehen". So ist aus diesem ebenfalls klar, daß die Worte "Lehre" und "Lehrsatz" in den Schriften der Neuen Kirche in zweifa-chem Sinne gebraucht werden, und daß der Unterschied zwischen diesen beiden Arten von Lehre oder Lehrsätzen so groß ist, wie der zwischen dem Menschli-chen und dem Göttlichen.Die Lehre des innern Sinnes, wie sie vom Herrn bei Seiner Zweiten Ankunft geoffenbart wurde, ist absolute Göttliche Wahrheit, dem vernünftigen Verständ-nis des Menschen angepaßt; und die Herabkunft dieser Lehre vom Himmel ist gleichbedeutend mit der Offenbarung des Göttlich-Wahren selbst. Dieses Gött-lich-Wahre, oder diese Göttliche Lehre, wurde vom Herrn in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs, zum Nutzen der Kirche des Neuen Jerusalems, geoffenbart.Daß dies der Fall ist, haben wir uns bestrebt in Kapitel II zu zeigen; sowie auch das ganze VI. Kapitel diesen Satz beweist.Daß der Herr ein für allemal Seine Zweite Ankunft durch Emanuel Swedenborg bewerkstelligte, wird in den folgenden Stellen gelehrt: W.C.R. 779 (Nr. 6 und 7); E.O. 820 (Nr.12); "Entwurf einer Kirchengeschichte", usw., in den photo-lithographischen Manuskripten, Band VIII, S. 1 (Nr. 13).Daß die, durch Emanuel Swedenborg geoffenbarten Lehren in der Heiligen Schrift, durch die heilige Stadt, das Neue Jerusalem, das aus dem Himmel her-abkommt, vorgebildet sind, kann man aus: "Coronis", 18 (Nr. 11): E.O. 820 (Nr. 12); N.J 7 (Nr.27); und in der Überschrift zu W.C.R. 779 und 781, in aufeinan-derfolgender Ordnung (Nr. 7) sehen.Daß Swedenborg unzweideutig erklärt, daß die Schriften, welche er als Diener des Herrn herausgegeben hat, nicht sein eigen, sondern die Schriften des Herrn sind, kann man aus folgenden Stellen sehen: H.G. 6597 (Nr. 9): "Entwurf einer Kirchengeschichte" usw., S. 1 (Nr. 10); D.S. III, Teil II, S. 205 (Nr. 107).Daß endlich die Lehren der Neuen Kirche, welche der Welt durch die Instru-

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mentalität Swedenborgs mitgeteilt wurden, absolute Göttliche Wahrheit sind, wird von ihm selbst in W.C.R. 508 (Nr. 117), erklärt, wo er sagt, daß "diese Lehren zusammenhängende Wahrheiten sind, geoffenbart vom Herrn durch das Wort."Wenn wir diese Darstellungen nun mit dem vergleichen, was Swedenborg in Nr. 55 erklärt, nämlich: daß die durch ihn gemachte Offenbarung von besonderer Art war, und daß "sie Niemanden so wie ihm seit der Schöpfung der Welt zu Teil geworden," so ist es unsere Pflicht nachzuforschen, wie alle diese Darstel-lungen in Übereinstimmung zu bringen sind mit denen, die er in N.J. 254, H.G. 9424 (Nummern 149,150), und andern Stellen macht, wo wir lesen, daß "die Lehre aus dem Worte von Jemanden gemacht werden muß, der in der Erleuch-tung ist," und daß "diejenigen in der Erleuchtung sind, und sich Lehren aus dem Worte machen" welche "in der Liebe zum Wahren um des Wahren willen," und nicht "um ihrer selbst und um der Welt willen" sind. Aus diesen Stellen scheint zu folgen, daß auch andere Personen, vorausgesetzt sie seien im Zustande der Erleuchtung, als Mittel zur Offenbarung der Lehren des innern Sinnes an die Menschheit dienen könnten.Vor Allem aber darf nicht vergessen werden, daß "das Wort des Herrn so lange ein toter Buchstabe ist, bis es im Gemüte des Lesenden vom Herrn belebt wird" (H.G.1776); so sind auch die Lehren des innern Sinnes, welche vom Herrn bei Seiner Zweiten Ankunft durch die Instrumentalität Swedenborgs geoffenbart worden sind, "ein toter Buchstabe," bis sie in den Gemütern der Glieder der Kir-che "vom Herrn belebt werden."Die Lehre kann daher nur in dem Verhältnis eine Macht und Autorität in der Kirche werden, als sie in den Gemütern der Glieder der Kirche festgestellt ist, oder mit andern Worten, in dem Verhältnis, als sie von den Gliedern der Kirche verstanden und anerkannt wird.Diese Feststellung der Lehre in den Gemütern der Menschen hatte, unseres Erachtens, Swedenborg im Auge, wo er sagt: "Das Wort im Buchstaben kann nur mittelst der Lehre verstanden werden, welche von einem Erleuchteten gemacht worden ist" (N.J.245); und wiederum: "Die Lehre muß aus dem Wort zusammengestellt werden; und wenn sie zusammengestellt wird, muß der Mensch in der Erleuchtung vom Herrn sein; er ist aber in der Erleuchtung, wenn er in der Liebe zum Wahren um des Wahren willen ist, und nicht um seiner selbst und um der Welt willen. Diese sind es, welche im Wort erleuchtet werden wenn sie es lesen, und das Wahre sehen, und sich daraus eine Lehre bilden" (H.G.9424).Wir erachten, daß unter dem Wort, aus dem die Erleuchteten "sich eine Lehre bilden," oder aus dem sie "die Lehre zusammenstellen," hier nicht der bloße Buchstabe des Wortes gemeint ist, unter dem man gewöhnlich die Bibel ver-steht; sondern, daß auch die himmlische Lehren des Neuen Jerusalems damit gemeint sind, wie sie in den theologischen Schriften Emanuel Swedenborgs ent-

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halten sind, welche mit den Lehren des innern Sinnes identisch, ja welche der innere Sinn des Wortes selbst sind, in einer Form, wie sie dem Verständnis der Menschen der Welt angemessen ist.Daß Swedenborg, wenn er vom Worte spricht, nicht nur den Buchstaben des Wortes meint, welcher die Bibel genannt wird, sondern auch den innern Sinn, wird durch folgende Punkte bewiesen:Erstens: Der Buchstabe des Wortes ist wie dessen Leib; der geistige Sinn aber wie dessen Seele.(151.) "Das Wort ist wie ein Göttlicher Mensch; der Buchstabensinn ist gleich-

sam der Körper desselben, der innere Sinn aber ist gleichsam seine Seele; hieraus erhellt, daß der Buchstabesinn durch den innern Sinn lebt. Es scheint, als ob der Buchstabensinn durch den innern Sinn ver-schwinde oder ersterbe, allein das Gegenteil ist der Fall; er verschwindet nicht, noch weniger erstirbt es, sondern er lebt durch den innern Sinn" (H.G.8943).

(152.) "Der geistige Sinn lebt im buchstäblichen Sinne, wie des Menschen Geist in seinem Leibe, und der geistige Sinn lebt auch ebenso fort, wenn der buchstäbliche Sinn verloren geht; daher kann der innere Sinn die Seele des Wortes genannt werden" (HG.4857).

(153.) "Der innere Sinn verhält sich zum Buchstabensinn, wie beim Menschen sein Inwendigeres, oder Himmlisches und Geistiges zu seinem Auswen-digeren oder Natürlichen und Leiblichen. Sein Inwendigeres ist im Lichte des Himmels, dagegen sein Auswendigeres im Lichte der Welt. Zwischen dem Lichte des Himmels und dem Lichte der Welt ist derselbe Unterschied, wie zwischen dem Lichte des Tages und dem Schatten der Nacht."Weil der Mensch in jenem Schatten ist, und nicht wissen will, daß im Wahren vom Herrn Licht ist, kann er nicht anders glauben, als daß sein Schatten Licht sei, ja auch umgekehrt, daß das Licht Schatten sei; denn er gleicht einer Nachteule, welche, wenn sie im Schatten der Nacht fliegt, meint, sie sei im Licht, dagegen wenn im Licht des Tages, meint sie, sie sei im Schatten; denn das innere Auge, d.h. der Verstand, mit welchem der Mensch innerlich sieht, ist bei einem solchen nicht anders gebildet, denn er hat es nicht anders gebildet; er öffnet es nämlich, wenn er nach unten blickt, d.h. aufs Weltliche und Leibliche, und verschließt es, wenn er nach oben, d.h. aufs Geistige und Himmlische blickt."Bei diesen ist das Wort ebenso; was in seinem Buchstabensinn erscheint, von dem glauben sie, es gehöre dem Lichte an; was aber im innern Sinne, von dem glauben sie, es gehöre dem Schatten an; denn das Wort erscheint einem Jeden nach seiner Beschaffenheit; und doch ver-hält sich der innere Sinn des Wortes zu dessen Buchstabensinn wie das

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Himmelslicht zum Weltlicht (Nr.3086,3180), d.h. wie das Licht des Tages zum Lichte der Nacht."Im innern Sinne sind Einzelheiten, von denen viele tausend zusammen Ein Besonderes ausmachen, das im Buchstabensinn sich darstellt; oder was das Gleiche ist, der innere Sinn enthält Besonderheiten, deren viele tausend zusammen Ein Allgemeines ausmachen, das im Buchstabensinn ist. Dieses Allgemeine ist es, was dem Menschen erscheint, nicht aber die Besonderheiten, welche darin enthalten sind, und aus welchen es besteht. Dennoch erscheint dem Menschen die Ordnung der Besonder-heiten im Allgemeinen, aber gemäß seiner Beschaffenheit. Diese Ord-nung ist das Heilige, welches anregt" (H.G.3438).

Zweitens: Der innere Sinn ist das wesentliche Wort Gottes.(154.) "Der innere Sinn ist die Seele des Wortes und ist das echte Göttlich-

Wahre welches vom Herrn ausgeht, somit der Herr selbst" (H.G.9349).(155.) "Der innere Sinn ist das wesentlichste Wort (ipsissimum Verbum) in

welchem das Göttliche am unmittelbarsten ist" (H.G.3432).(156.) "Der innere Sinn ist das Heiligtum des Wortes" (H.G.5398).(157.) "Der innere Sinn ist das Wort selbst. Die geistigen und himmlischen

Dinge im Worte handeln vom Herrn, von Seinem Reiche und von der Kirche; dagegen was der Buchstabensinn hat, sind meistenteils weltliche, körperliche und irdische Dinge, die keineswegs das Wort des Herrn aus-machen können" H.G.1540).

(158.) Der innere Sinn ist das Wort des Herrn in den Himmeln, die in den Him-meln verstehen es so; wenn der Mensch im Wahren, d.h. im innern Sinne ist, dann kann er mit denen im Himmel dem Denken nach Eins ausma-chen, obgleich der Mensch im Vergleich damit nur die allgemeinste und dunkelste Vorstellung davon hat" H.G.2094).

Drittens: Das Wort ist seinem bloßen Buchstaben nach tot; es ist der geistige Sinn welcher ihm Leben gibt; Siehe H.G. 3 (Nr. 14), und auch die folgende Stelle:(159.) "Es kann jedem Verständigen einleuchten, daß es einen innern Sinn gibt

in welchem das Leben des Wortes ist, nicht aber im Buchstaben, welcher ohne den innern Sinn tot ist" (H.G.755).

Wenn nun Swedenborg lehrt, daß der innere Sinn die Seele und der buchstäbli-che Sinn der Leib des Wortes ist; und wenn er ferner lehrt, daß der innere Sinn das eigentliche Wort Gottes, und der Buchstabe ohne den innern Sinn tot ist, so folgt, daß er, wenn er vom Worte spricht, nicht den bloß buchstäblichen Sinn des Wortes meint, sondern dabei auch den geistigen Sinn der Heiligen Schrift einschließt, wie dieser vom Herrn, bei Seiner Zweiter Ankunft, in den theologi-schen Schriften, welche Swedenborg als der Diener des Herrn Jesu Christi

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schrieb und herausgab, geoffenbart worden ist. Ferner folgt hieraus, daß wenn er sagt, daß "die Lehre aus dem Worte geschöpft werden muß," und daß sie "von Solchen daraus geschöpft werden kann, welche in der Erleuchtung sind," er damit meint, daß die Lehre von Menschen der Kirche, nicht bloß aus dem Buch-staben, oder dem buchstäblichen Sinne des Wortes, sondern auch aus der Lehre des innern Sinnes, wie dieser in den theologischen Schriften der Kirche enthal-ten ist "gemacht" oder "Geschöpft" werden soll; und daß sie dabei im Zustande der Erleuchtung vom Herrn sein müssen.Daß in der Kirche des Neuen Jerusalems, welche bei der Zweiten Ankunft des Herrn gegründet wird, die Lehre nicht aus dem Sinne des Buchstabens, sondern aus dem geistigen Sinne geschöpft werden muß, wird von Swedenborg in der folgenden Stelle deutlich gelehrt:(160.) "Ehe die Kirche völlig verwüstet ist, wird das Innerliche des Wortes

geoffenbart, d.h. seinem geistigen Sinne nach, weil dann eine Neue Kir-che gegründet wird, zu der Diejenigen, die der früheren Kirche angehö-ren, eingeladen werden, und für die Neue Kirche ist das innere Göttlich-Wahre geoffenbart worden, welches früher nicht geoffenbart werden konnte. Dasselbe hat jetzt stattgefunden, was am Ende der jüdischen Kir-che stattfand, denn am Ende derselben, welches war, als der Herr in die Welt kam, wurde das innerliche Wort geöffnet; denn das innere Göttlich-Wahre wurde vom Herrn, während Er in der Welt war, zum Dienst der Neuen Kirche, die damals von Ihm gegründet werden sollte, geoffenbart; und solchen Dienst verrichtete es auch. Gegenwärtig ist, ähnlichen Ursa-chen wegen, das Innere des Wortes geöffnet, und Göttliche Wahrheiten einer noch innerlicheren Natur sind daraus geoffenbart worden, welche zum Dienste der Neuen Kirche gegeben worden sind, welche das Neue Jerusalem genannt wird" (A.E.948).

Unter den Worten: "zum Dienste der Neuen Kirche gegeben," wird verstanden, daß "das innere Göttlich-Wahre, welches für die Neue Kirche geoffenbart wor-den," und in den theologischen Schriften Swedenborgs enthalten ist, von solchen Gliedern der Kirche "gesammelt", und "zu Lehren" für den Gebrauch der Neuen Kirche des Herrn "gebildet werden", welche "das Wahre des Wahren wegen lie-ben", und daher im Zustande der Erleuchtung vom Herrn sein können.Daß der innere Sinn zum besondern Nutzen derer, welche von der Neuen Kir-che, welche das Neue Jerusalem genannt wird, sein werden, durch die Instru-mentalität Swedenborgs entdeckt worden ist, wird noch weiter in der folgenden Stelle gelehrt:(161.) "Den Menschen der Neuen Kirche, welche das Neue Jerusalem heißt,

wird es gegeben, das Göttlich-Wahre im Worte zu sehen; nicht sinnlich, d.h. nicht nach der Scheinbarkeit, sondern geistig, d.h. dem Wesentli-chen nach. Dieser Ursache wegen ist der innere Sinn des Wortes, wel-cher geistig ist, entdeckt worden, und ist allein für Die, welche von der

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Neuen Kirche sein werden. Aus diesem Sinne erscheint das Göttlich-Wahre wie es im geistigen Lichte ist, und in diesem Lichte das Göttlich-Wahre, wie es im natürlichen Lichte ist. Das Göttlich-Wahre ist das Wort, und Die, welche von dieser Kirche sind, werden durch das geistige Licht des Wortes, welches vom Herrn aus dem Himmel einfließt, erleuchtet; und dies wegen ihrer Anerkennung des Göttlichen in dem Menschlichen des Herrn, und weil sie in der geistigen Liebe des Wahren von Ihm sind. Durch dieses, und durch nichts anderes, wird das geistige Licht, welches beständig vom Herrn durch den Himmel bei allen denen die das Wort lesen, einfließt, erlangt; daher kommt ihre Erleuchtung. …"Allen, welche von dieser Kirche sind, wird der Verstand erleuchtet, ver-möge dessen sie das Wahre im Lichte des Wahren sehen können, d.h. sie können sehen, ob eine Sache wahr ist oder nicht; und insoweit sie auf diese Weise das Wahre sehen, erkennen sie es an und nehmen es in ihre Neigung auf, welche dem Willen angehört; so werden die Wahrheiten bei ihnen geistig, und es wird somit das geistige Gemüt, welches über dem natürlichen Gemüte ist, ihnen geöffnet; und wenn es geöffnet ist, erhält es engelische Einsicht, welche die Einsicht des Wahren in dessen eigenem Lichte ist" (A.E.759).

Aus der Tatsache, daß Swedenborg in dieser Stelle das Perfectum gebraucht, wenn er sagt, daß "der innere Sinn des Wortes, welcher geistig ist, entdeckt wor-den ist," folgt, nach Swedenborgs eigenem Zeugnis, daß der Herr ein für allemal den geistigen Sinn Seines heiligen Wortes durch die Instrumentalität Emanuel Swedenborgs geoffenbart hat; und obgleich wir lernen, daß "Diejenigen welche von der Neuen Kirche sein werden, im Zustande der Erleuchtung vom Herrn sind, während sie das Wort lesen," so befähigt sie diese Erleuchtung, wie wir weiter lesen, doch nur "das Wahre im Lichte des Wahren zu sehen, d.h. sie kön-nen sehen, ob eine Sache wahr ist oder nicht." Diese Erleuchtung befähigt sie auch "für sich selbst Lehre zu sammeln", oder "zu machen", während sie die Schriften der Neuen Kirche studieren; aber es befähig sie nicht die Lehren des geistigen Sinnes aus dem buchstäblichen Sinne des Wortes zu ziehen; denn diese Lehre ist ein für allemal vom Herrn Selbst bei Seiner Zweiten Ankunft durch die Instrumentalität Swedenborgs geoffenbart worden; und in Bezug auf diese Lehre sagt der Herr im Buche der Offenbarung (22,18): "Denn Ich bezeuge Jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn Jemand dazu setzt, so wird Gott zusetzen über ihn die Plagen, die in diesem Buche geschrieben stehen."Aus dem Obigen, wenn es in Verbindung mit dem gelesen wird, was (von Seite 81 bis 89) über den Gegenstand der Erleuchtung gesagt wurde, geht sehr deut-lich hervor, daß in den Schriften der Neuen Kirche kein Grund für die Behaup-tung gefunden werden kann, daß der Herr aus dem Worte neue Wahrheiten, oder neue Lehren, an solche Glieder der Kirche, welche im Guten oder im vorgerück-ten Zustande der Wiedergeburt sind, offenbaren will. Daß der Herr keine neuen

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Lehren oder Wahrheiten an Solche der Neuen Kirche, welche einen himmli-schen Genius oder eine himmlische Anlage besitzen, offenbaren will, folgt aus der einfachen Betrachtung, daß das ganze Menschengeschlecht in Europa und Amerika, unter dem der Herr Seine Neue Kirche heutzutage errichtet, von geisti-gem und nicht von himmlischem Genius sind.* (*) Siehe D.S. 5518, wo wir lesen wie folgt: "Die Afrikaner auf unserer Erde sind von demselben Genius wie die Engel des himmlischen Reiches, die Europäer dagegen sind von geistigem Genius.")

Daß sie von geistigem Genius sind, weil seit den Tagen der Sündflut das Wil-lensvermögen des Menschen sich nicht mehr im Zustande der Unverkehrtheit befindet, sondern zur Selbst- und Weltliebe geneigt ist, geht deutlich aus der fol-genden Lehre der Kirche hervor:(162.) "Es gibt im Allgemeinen zweierlei Kirchen, nämlich die himmlische und

die geistige; die himmlische Kirche ist bei dem Menschen, der in Anse-hung der Willensseite wiedergeboren, oder eine Kirche werden kann; aber die geistige Kirche, bei dem Menschen, der wie gesagt, bloß in Ansehung der Verstandesseite wiedergeboren werden kann."Die Älteste, welche vor der Sündflut bestand, war himmlisch, weil bei den ihr Angehörigen in der Willenseite etwas Gutes und Unversehrtes war; aber die Alte Kirche, welche nach der Sündflut bestand, war geistig, weil bei den ihr Angehörigen nicht in der Willensseite, sondern in der Verstandesseite etwas Unversehrtes war."Das die Verstandesseite bei den Angehörigen der geistigen Kirche wie-dergeboren wird, kann daraus erhellen, daß der Mensch jener Kirche kein Innewerden des Wahren aus dem Guten hat, wie es die Angehöri-gen der himmlischen Kirche hatten, sondern er muß das Wahre, welches Sache des Glaubens ist, erst lernen, und das Verständnis sich zu eigen machen, und aus dem Wahren erkennen, was gut ist, und nachdem er es so erkannt hat, kann er es denken, hernach wollen, und endlich tun, und dann wird ein neuer Wille bei ihm in der Verstandesseite vom Herrn gebildet; durch diesen wird der geistige Mensch vom Herrn in den Him-mel erhoben, wobei aber doch das Böse in seinem eigenen Willen zurückbleibt, welcher alsdann auf wunderbarer Weise getrennt wird, und zwar durch eine höhere Kraft, wodurch er vom Bösen abgehalten und im Guten halten wird."Aber der Mensch der himmlischen Kirche wurde in Ansehung der Wil-lensseite wiedergeboren dadurch, daß er von Kind auf, das Gute der Liebtätigkeit sich zu eigen machte, und wenn er das Innewerden dessel-ben erlangt hatte, wurde er in das Innewerden der Liebe zum Herrn geführt; daher erschienen ihm alle Wahrheiten des Glaubens in seinem Verstandesvermögen wie in einem Spiegel. Der Verstand und der Wille machten bei ihm vollständig Ein Gemüt aus; denn im Verstande kam ihm zum Bewußtsein, was im Willen war; darin bestand die Unversehrt-

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heit des ersten Menschen, durch welchen die himmlische Kirche bezeichnet wird" (H.G.5113).

Das Alles, was Swedenborg in Bezug auf die Alte Kirche gesagt, sich ebenfalls auch auf die folgenden Kirchen, und somit auf die Jüdische und Christliche Kir-che bezieht, welche geistige und keine himmlische Kirche waren, erscheint aus der folgenden Stelle:(162.) "Die, welche der Ältesten Kirche angehörten, bekümmerten sich nicht

um diese äußern Dinge [d.h. solche wie in der Alten Kirche waren], weil sie innere Menschen waren, und der Herr auf dem innern Wege bei ihnen einfloß und lehrte, was das Gute ist. Die Mannigfaltigkeiten und Unterschiede des Guten waren bei ihnen das Wahre, und daher wußten sie, was Alles und Jedes in der Welt im Reiche des Herrn vorbildete; denn die ganze Welt oder die ganze Natur ist ein Schauplatz von Vorbil-dern des Reiches des Herrn."Die aber, welche der Alten Kirche angehörten, waren nicht innerliche, sondern äußerliche Menschen; deshalb konnte der Herr bei ihnen nicht durch den innern Weg, sondern nur durch den äußern einfließen und leh-ren, was das Gute sei, und zwar zuerst durch vorbildliche und sinnliche Dinge; hierdurch entstand die vorbildliche Kirche; späterhin aber floß Er durch die Lehren des Guten und Wahren, welche vorgebildet und bezeichnet wurden, ein; daher stammte die Christliche Kirche."Diese Kirche, nämlich die Christliche Kirche, ist ihren eigentlichen Wesen nach, in Ansehung der innern Form, dieselbe wie die vorbildliche Kirche, aber die Vorbildungen und Bezeichnungen dieser Kirche wurden aufgehoben, als der Herr in die Welt kam, aus dem Grunde, weil Alles und Jedes Ihn vorbildete, und folglich auch das, was Sache Seines Rei-ches ist, denn dieses stammt von Ihm und ist sozusagen Er Selbst."Zwischen der Ältesten Kirche und der Christlichen ist jedoch ein sol-cher Unterschied, wie zwischen dem Sonnenlichte am Tage und dem Mond- oder Sternenlichte in der Nacht, denn das Gute auf dem innern oder ersten Wege sehen, ist wie das Sehen am Tage beim Sonnenlichte, hingegen es auf dem äußern oder mittelbaren Wege sehen, ist wie das Sehen in der Nacht beim Mond- oder Sternenlichte" (H.G.4489).

Ferner lesen wir:(164.) "Wenn der Mensch der Ältesten Kirche das geschichtliche oder das pro-

phetische Wort gelesen hätte, so würde er ohne vorhergehende Beleh-rung oder irgend welcher Erklärung den innern Sinn geschaut haben, und zwar so sehr, daß das Himmlische und Geistige, was dem innern Sinn angehört, ihm sogleich entgegengetreten wäre, und kaum etwas von dem was im Buchstabensinn ist; somit wäre der innere Sinn bei ihm in Klar-heit gewesen, der Buchstabensinn aber im Dunkeln. Er würde sein wie

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Einer, der Jemand reden hört, und nur den Sinn auffaßt, nicht aber auf die Wortlaute des Redenden achtet."Wenn aber der Mensch der Alten Kirche das Wort gelesen hätte, so hätte er nicht ohne vorhergehende Belehrung oder Erklärung den innern Sinn desselben sehen können; weil also der innere Sinn bei ihm im Dun-kel, der Buchstabensinn aber in Klarheit war, so wäre er gewesen wie Einer, der Jemand reden hört, und mit den Gedanken an den Worten hängt und dabei nicht auf den Sinn Acht gibt, der ihm deshalb verloren geht."Wenn aber ein Mensch der Jüdischen Kirche das Wort liest. So begreift er nichts außer dem Buchstabensinn; daß irgend ein innerer Sinn vorhan-den sei, weiß er nicht und leugnet es auch."Ebenso ist es heutzutage bei dem Menschen der Christlichen Kirche" (hg.4493).

Aus all diesem geht hervor, daß die Nachkommen der Menschen der Christlichen Kirche, unter welchen die Kirche des Neuen Jerusalems heutzutage errichtet werden soll, von geistigem und nicht von himmlischen Genius sind. Daß sie daher im Zustande der Unversehrtheit sind ihrem Verstande nach, nicht aber ihrem Willen nach, und daß ihnen daher das Ganze der Lehre der Kirche und somit Alles was zum innern Verständnis des Wortes gehört, oder durch Stu-dium von Außen her, gelehrt werden muß, und daß sie nicht im Stande sind "von Gott gelehrt" zu werden, wie die Menschheit der Ältesten himmlischen Kirche.

Wir geben gerne zu, daß auch in der geistigen Kirche solche sind, welche eine beziehungsweise himmlische Anlage haben; so wie wir auch lesen, daß sich in jedem Himmel, und somit auch im zweiten oder geistigen Himmel, innerliche und äußerliche Engel befinden; die Ersteren sind wie das Willensvermögen, und somit von einer beziehungsweise himmlischen Anlage, und die Letzteren sind wie das Verständnisvermögen, und haben somit eine beziehungsweise geistige Anlage (siehe H.G.32). Wiederum lesen wir: "Es gibt drei Himmel; der erste ist die Behausung der guten Geister, der zweite die der Engelgeister, und der dritte die der Engel; diese alle, sowohl die Geister und Engelgeister, als die Engel, werden in Himmlische und in Geistige unterschieden" (H.G.459).Es gibt somit sogar in der geistigen Kirche welche, die einen beziehungsweise geistigen Genius besitzen; und doch sind sowohl die Ersteren wie die Letzteren, ihrem Willensvermögen nach, mit Bösem behaftet und haben somit die Fähig-keit, innerlich vom Herrn erleuchtet zu werden, verloren. In diesem Sinne muß das, was Swedenborg (H.H.33) über die Kinder im Himmel sagt, verstanden werden, nämlich: "Einige sind von der Art der geistigen Engel und einige von der Art der himmlischen Engel."Es ist uns auch bekannt, daß Swedenborg in verschiedenen Stellen erklärt, daß

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die Kirche des Neuen Jerusalems nicht nur von geistiger, sondern auch von himmlischer Art sein wird. So sagt er (E.O.43), daß "in der Kirche auch Wahr-heiten von himmlischem Ursprunge sein werden;" und (E.O.350), daß "himmli-sche Liebe, welche Liebe zum Herrn ist, bei allen denen sein wird, welche in dem Neuen Himmel und in der Neuen Kirche des Herrn sein werden;" und (EO.362), daß "in dem Neuen Himmel und in der Neuen Kirche des Herrn nur Solche sein werden, die himmlisch und geistig sind." Dennoch aber verwischen alle diese Stellen die Tatsache nicht, daß alle Abkömmlinge von christlichen Eltern, ihrem Willensteile nach mit Erbbösem behaftet, und somit ihrem Willen nach nicht mehr im Zustande der Unversehrtheit sind, weshalb ihnen das Wahre nicht von innen her vom Herrn gelehrt werden kann. Derselben Ursache wegen lehrt sie der Herr das Göttlich-Wahre auf eine äußerliche Weise, durch das geschriebene Wort Gottes; während denen, welche nicht nur einen beziehungs-weise, sondern einen absolut himmlischen Genius besaßen, wie das bei den Menschen der Ältesten Kirche der Fall war, das Wort ins Herz geschrieben wurde, d.h. sie wurden vom Herrn durch Offenbarung von innen her belehrt. Die Tatsache aber, daß Neukirchenleute heutzutage das geschriebene Wort Gottes zu ihrer Belehrung nötig haben, beweist schon unbedingt, daß sie nicht von himm-lischem sondern von geistigem Genius sind, und ihnen deshalb das Göttlich-Wahre durch Unterricht von außen her gelehrt werden muß.Wiederum glauben wir, daß die Kirche des Neuen Jerusalems die Krone aller vorhergehenden Kirchen sein wird, und daher nicht nur einen geistigen, sondern auch einen himmlischen Charakter tragen wird. Dieser himmlische Charakter aber kann nur erlangt werden, nachdem sie verschiedene Zeitalter hindurch den geistigen Charakter ausgebildet hat; denn der siebente Tag der Ruhe, durch wel-chen der himmlische Zustand vorgebildet wird, kann nur erreicht werden, nach-dem die Christen der Neuen Dispensation durch die sechs auf einander folgen-den Tage der Arbeit gegangen sind, und durch das geistige Verständnis der Wahrheit des Wortes nicht nur ihr wirkliches, sondern auch ihr Erbböses gänz-lich überwunden haben.Das Ziel aller Glieder der Neuen Kirche sollte sein, den herrlichen Tag der Ruhe, und somit den himmlischen Charakter zu erreichen; doch werden Wenige im Stande sein, diesen Zustand in der natürlichen Welt zu erreichen, besonders nicht im ersten Zeitalter der Neuen Kirche, denn diese Kirche ist, wie wir lesen, "im Anfange noch im Äußerlichen" (A.E.403), und statt im geistigen oder himmlischen Guten zu sein, wird sie sich nur im natürlich Guten befinden (siehe H.G.4231). Es muß aber notwendiger Weise, wie uns berichtet wird, "himmli-sche Liebe, welche durch Judah vorgebildet wird, bei Allen sein, die sich im Neuen Himmel und in der Neuen Kirche des Herrn befinden" (E.O.350), denn alle Liebe, wie sie vom Herrn in den Neuen Himmel und in die Neue Kirche ein-dringt, geht durch den Himmel hindurch, welcher durch Judah vorgebildet ist, und nimmt dessen Beschaffenheit an.Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß wir, Kraft der in Nummern 136 und

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137 angeführten Stellen, keineswegs zur Annahme berechtigt sind, daß unfehl-bare Lehre, zur Regierung der Neuen Kirche des Herrn, nicht nur in den theolo-gischen Schriften Emanuel Swedenborgs enthalten ist, sondern auch von Sol-chen, die "im Guten", oder sich in einem vorgerückten Zustande der Wiederge-burt befinden, und somit eine mehr oder weniger himmlische Beschaffenheit haben, aus dem Buchstabensinne des Wortes abgeleitet werden könne.Lasset uns nun unsere Aufmerksamkeit auf die Aufnahme der Lehre in den Gemütern der Menschen richten.Die Lehre, welche vom Herrn aus dem Himmel geoffenbart und von den Men-schen der Kirche aufgenommen wird, geht zuerst als ein sinnlicher Eindruck in ihre Gemüter ein, dann wird sie Gegenstand des Wißtümlichen oder der Erkenntnis, und wird endlich, so wie sie auf dem Wege der Wiedergeburt fort-schreiten, bei ihnen zur Lehre.Dieser Fortschritt der Lehre im menschlichen Gemüte wird in den Lehren der Neuen Kirche folgendermaßen beschrieben:(165.) "Die ersten Wahrheiten beim Menschen sind sinnliche, die zweiten sind

wißtümliche, und die dritten sind Lehrwahrheiten. Diese letzteren Wahr-heiten gründen sich auf wißtümliche Wahrheiten, da der Mensch ledig-lich nur aus Wißtümlichem eine Vorstellung, Kenntnis oder ein Begriff von jenen fassen und behalten kann. Die wißtümlichen Wahrheiten aber gründen sich auf sinnliche Wahrheiten, denn ohne Sinnliches kann Wißtümliches vom Menschen nicht begriffen werden. Ehe daher der Mensch im erwachsenen Alter ist, und durch sinnliche und wißtümliche Wahrheiten in den Lehren ist, kann er nicht wiedergeboren werden, denn er kann in den Lehrwahrheiten nur bestärkt werden durch Vorstellungen aus Sinnlichem und Wißtümlichem, denn es gibt ja nichts beim Men-schen in seinem Denken, selbst in Bezug auf das tiefste Glaubensge-heimnis, das nicht eine natürliche und sinnliche Vorstellung bei sich hätte, obwohl der Mensch meistens nicht weiß was für eine" (H.G.3310). "Das Wißtümliche und die Lehren sind von einander darin unterschie-den, daß die Lehren aus dem Wißtümlichen kommen; sie bezwecken einen Nutzen und werden erworben durch Nachdenken aus Wißtümli-chem" (HG.3052).

Wenn wir die Lehren unserer Kirche noch sorgfältiger befragen, so finden wir, daß die Dinge, welche durch die Sinne eindringen, oder die sinnlichen Ein-drücke im körperlichen Gedächtnisse aufgespeichert werden, und daß der Mensch daraus über das Wißtümliche, welches im natürlichen Gemüte ruht, schließt (siehe H.G.5774,4030,3020); aber in Bezug auf die Lehrwahrheiten, oder die Dinge der Lehre, welche "aus dem Wißtümlichen durch Nachdenken erworben werden," lernen wir, daß sie "sich auf Vernünftiges beziehen; weil das vernünftige Gemüt sie aufnimmt und anerkennt" (H.G.3365).

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Dennoch aber werden die Lehrwahrheiten, oder die Dinge der Lehre, nicht durch bloßes Nachdenken allein vom Wißtümlichen abgeleitet, wie das aus fol-gender Darstellung klar erscheint:(166.) "Lehrwahrheiten sind Erschließungen aus Wißtümlichem; aber sie sind

keine Lehren, ehe sie geglaubt werden [d.h. ehe sie Gegenstände des Glaubens werden]; bis dahin sind sie bloß Wissensgegenstände" (HG.3057).

Wie die Lehrwahrheiten Gegenstände des Glaubens, und somit vom Menschen "geglaubt werden", wird deutlich im Folgenden gelehrt:(167.) "Durch das der Kirche angehörige Wißtümliche werden alle Erkennt-

nisse des Wahre und Guten verstanden, ehe sie mit dem inwendigen Menschen, oder durch den inwendigen Menschen mit dem Himmel, und so durch den Himmel mit dem Herrn verbunden sind."Die Lehren der Kirche sind eben nichts als Wißtümliches, ehe der Mensch aus dem Worte sieht, ob sie wahr sind, und daher, ehe er sie sich angeeignet hat" (HG.5402).

Unter den "Lehren der Kirche" wird hier nicht die Lehre verstanden, welche von Gott aus dem Himmel herabgekommen ist, sondern es wird darunter die Lehre verstanden, welche die Menschen, und besonders die Leiter der Kirche, durch das Studium der Wahrheit, die von Gott aus dem Himmel geoffenbart wurde, für sich bilden.Lehren gehen immer zuerst ins Gemüt des Aufnehmers, in der Form, wie sie von den Lehrers und Doktoren der Kirche gelehrt werden. Und diese Lehre muß dann von den Gliedern der Kirche im Lichte des Wortes Gottes geprüft werden, um zu sehen, ob sie wahr oder falsch ist, und, damit sie die Lehre nicht aus Andern, sondern aus sich selbst im Lichte des Wortes Gottes sehen.Dies wird in dem Folgenden genauer auseinander gesetzt:(168.) "Es gibt zwei Wege, sich die dem Glauben angehörigen Wahrheiten zu

verschaffen, nämlich durch die Lehre von Andern und durch das Wort."Wenn der Mensch sie sich bloß durch die Lehren verschafft, dann glaubt er Denen, welche sie aus dem Worte erschlossen haben, und hält sie für wahr, weil Andere so gesagt haben, somit nimmt er sie an, nicht aus seinem Glauben, sondern aus dem Anderer; wenn er sie sich aber aus dem Worte verschafft und dadurch sich überzeugt, daß sie wahr sind, dann nimmt er sie an, weil sie aus dem Göttlichen sind, somit aus einem Glauben vom Göttlichen her. Ein Jeder, der innerhalb der Kirche ist, ver-schafft sich zuerst die dem Glauben angehörigen Wahrheiten aus den Lehren und somit von Andern, und muß sie sich auch daher verschaffen, weil er noch nicht so viel Urteilskraft besitzt, daß er selbst aus dem Worte sie zu sehen vermag. In diesem Falle aber sind jene Wahrheiten

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für ihn nichts anderes als Wißtümliches. Wenn er sie aber aus eigener Urteilskraft schauen kann, jedoch das Wort nicht zu Rate zieht in der Absicht, aus demselben zu sehen ob sie wahr seien, so bleiben sie bei ihm als Wißtümliches; zieht er aber alsdann das Wort zu Rate, aus Nei-gung und in der Absicht, die Wahrheiten zu erkennen, und hat er sie gefunden, dann verschafft er sich das, was Sache des Glaubens ist, aus der echten Quelle, und dann werden sie vom Göttlichen ihm angeeignet" (H.G.5402).

Über desselben Gegenstand lesen wir ferner:(169.) "Zuerst muß man die Lehren der Kirche erlernen, und dann aus dem

Worte erforschen, ob sie wahr sind; denn sie sind nicht deshalb schon war, weil die Vorsteher der Kirche so gesagt haben, und ihre Anhänger sie bestätigen; denn sonst müßte man die Lehren aller Kirchen und Reli-gionen als Wahrheiten anerkennen, bloß in Folge der Heimat und der Geburt eines Jeden; somit wären nicht nur die Lehren der Päpstlichen und der Quäker wahr, sondern auch die der Juden und der Mohammeda-ner, weil ihre Vorsteher so gesagt haben, und ihre Anhänger es bestäti-gen. Hieraus erhellt, daß man das Wort erforschen und daraus ersehen muß, ob jene Lehren Wahrheiten sind. Wenn dies aus Neigung zum Wahren geschieht, dann wird der Mensch vom Herrn erleuchtet, daß er, er weiß nicht wie, innerlich fühlt, was wahr ist, und wird darin, gemäß dem Guten in dem er ist, bestärkt" (H.G.6047).

Wiederum lesen wir:(170.) "Diejenigen, welche in der Neigung zum Wahren sind um der Wahrheit

und um des Lebens willen, folglich um des Reiches des Herrn willen, haben zwar Glauben an die Lehren der Kirche, aber dennoch forschen sie im Worte um keines andern Zwecke, als um der Wahrheit willen, dadurch erhalten sie ihren Glauben und ihr Gewissen. Wenn man ihnen sagt, man müsse in den Lehren der Kirche, wo man geboren ist, bleiben, so denken sie, wenn sie im Judentum, oder im Socianismus, Quäkertum, im christlichen Heidentum, oder auch außerhalb der Kirche geboren worden wären, so wäre von denen dort ebenso zu ihnen gesagt worden, und überall sagt man: hier ist die Kirche, hier ist die Wahrheit, und nir-gends sonst; eben deswegen müsse man im Worte forschen mit andächti-gem Gebet zum Herrn um Erleuchtung" (H.G.5432).

Hier entsteht die weite Frage: Wie ist das zu verstehen, daß man "die Lehren der Kirche, in der man geboren ist, oder zu welcher man gehört, im Lichte des Wor-tes Gottes erforschen müsse, um zu sehen ob sie wahr sind?" Wir haben schon gesehen (Seite 200 bis 205), daß wenn Swedenborg vom Worte Gottes spricht, daß er damit nicht nur dessen buchstäblichen, sondern auch dessen geistigen Sinn meint. Wenn deshalb die Lehren einer Kirche, welche von deren Kanzel gepredigt werden, ausschließlich die des buchstäblichen Sinnes des Wortes sind,

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so haben die Glieder der Kirche die Lehren ihrer Kirche im Lichte des buchstäb-lichen Sinnes des Wortes zu erforschen. Dieses gilt für die Glieder der verschie-denen Kirchen, in welche die Christliche Kirche im Verlaufe der Zeit geteilt worden ist. Wenn aber die Lehren, die in einer Kirche gebildet wurden und gepredigt werden, nicht nur aus den allgemeinen Lehren des buchstäblichen Sin-nes, sondern auch aus den besondern Lehren des innern Sinnes gebildet wurden, wie das in der Kirche des Neuen Jerusalems der Fall ist, so haben in diesem Falle die Glieder der Kirche die Lehren, welche von den General-Konferenzen und Konventionen angenommen wurden, und diejenigen, welche sie von den Kanzeln hören, im Lichte der Lehren des innern Sinnes, welcher vom Herrn aus dem Himmel zum Nutzen dieser Kirche geoffenbart worden sind, zu erforschen (siehe Nr. 160).Daß das Wort in diesem zweifachen Sinne erforscht werden kann, wird in der folgenden Stelle deutlich gelehrt:(171.) "Unter den Priestern und unter den Angehörigen der Kirche gibt es Sol-

che, welche die Wahrheiten der Kirche aus dem Buchstabensinne des Wortes lehren und lernen, und Solche, die sie, gemäß der aus dem Worte geschöpften Lehren, welche die Glaubenslehren der Kirche genannt wer-den, erlernen und lehren. Diese unterscheiden sich von jenen sehr in Betreff der Auffassung. Das gemeine Volk kann sie jedoch nicht unter-scheiden, weil diese und jene fast in gleicher Weise aus dem Worte reden. Aber die, welche nur den Buchstabensinn des Wortes, ohne Anleitung durch die Lehre der Kirche, lehren und erlernen, begreifen nichts, als was sich auf den natürlichen oder äußern Menschen bezieht; Diejenigen hingegen, welche dasselbe gemäß der wahren Lehre aus dem Worte tun, verstehen auch das, was sich auf den geistigen oder innern Menschen bezieht. Der Grund ist, weil das Wort im äußern oder Buch-stabensinne natürlich, aber im innern Sinne geistig ist" (H.G.9025).

Neben Denjenigen, welche ihres Guten oder ihres himmlischen Zustandes wegen glauben, unfehlbare Lehren aus dem Buchstabensinne des Wortes schöp-fen zu können, gibt es Andere welche meinen, sie könnten vermöge ihrer Kennt-nis der Entsprechungen den geistigen Sinn des Wortes ohne Hilfe der Lehren der Neuen Kirche sehen. Daß diese am unrechten Ende anfangen, wird aufs Klarste in folgender Stelle gezeigt:(170.) ""Niemand kann den geistigen Sinn sehen, außer aus der Lehre des ech-

ten Wahren. Aus dieser kann der geistige Sinn gesehen werden, wenn einige Kenntnis der Entsprechungen vorhanden ist. Wenn Jemand aber in einer Lehre des Falschen ist, so kann er nichts vom geistigen Sinne sehen. Er dreht und wendet die Entsprechungen, welche er sieht, zum Falschen seiner Lehre hin, wodurch er das Wort noch mehr verfälschen kann."Der wahre geistige Sinn des Wortes ist daher vom Herrn allein; und

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dies ist die Ursache, warum es Keinem in der natürlichen oder in der geistigen Welt erlaubt ist, den geistigen Sinn des Wortes aus dem Buch-stabensinn zu erforschen, außer er ist ganz und gar in der Lehre des Gött-lich-Wahren, und in der Erleuchtung vom Herrn. Deshalb der geistige Sinn, aus der Lehre des Göttlich-Wahren, die aus dem buchstäblichen Sinne des Wortes bestätigt wird, gesehen werden kann. Eine Lehre kann aber niemals zuerst aus dem geistigen Sinne gesehen werden."Derjenige denkt Falsches, welcher bei sich sagt: "Ich kenne viele Ent-sprechungen, ich kann die wahre Lehre des Göttlichen Wortes wissen, der geistige Sinn lehrt sie mich! Dieses kann nicht geschehen. Aber wie oben gesagt, laß ihn bei sich sagen: "Ich kenne die Lehren des Göttlich-Wahren, jetzt kann ich den geistigen Sinn sehen, wenn ich nur die Ent-sprechungen kenne." Und sogar dann muß er noch in der Erleuchtung vom Herrn sein; weil der geistige Sinn das Göttlich-Wahre selbst in sei-nem Lichte ist, und verstanden wird unter der Herrlichkeit; während der Buchstabensinn des Wortes unter der Wolke verstanden wird" ("De Verbo", ein nachgelassenes Werk, enthalten in D.S., VII, Anhang II, Seite 104; siehe auch W.C.R.208).

Hieraus folgt, daß Niemand im Stande ist, "sich Lehre aus dem Worte zu ver-schaffen," oder mir andern Worten, in seinem Gemüte die Lehre des Wortes Gottes festzustellen, wenn er sich nicht vorher eine gründliche Kenntnis der Lehre des Göttlich-Wahren verschafft hat. Diese Lehre muß jedoch nachher durch den Buchstabensinn des Wortes bestätigt werden, wie dies in Folgendem gelehrt wird:(173.) "Alle Macht des Göttlich-Wahren ist im Buchstabensinne des Wortes

enthalten; im geistigen Sinne ohne den Buchstabensinn ist keine Macht; aber sie ist im Sinne des Buchstabens, in welchem der geistige Sinn ist" ("De Verbo", in D.S. VII, Anhang II, Seite 74).

Wiederum lesen wir:(174.) "Jede Lehre der Kirche muß aus dem Buchstabensinne des Wortes gezo-

gen und auch durch ihn bestätigt werden, und nicht durch den rein geisti-gen Sinn; denn durch diesen Sinn allein wird keine Verbindung mit dem Himmel und durch den Himmel mit dem Herrn gegeben, sondern durch den Buchstabensinn" ("De Verbo", in D.S. VII, Anhang II, Kapitel V).

Dies wirft Licht auf die Predigten, und die Art und Weise, wie sie von den Pre-digern verfaßt werden sollten. In Predigten sollten die Lehren des innern Sinnes aus dem Buchstabensinne des Wortes gelehrt, und durch denselben bestätigt werden; und da der Herr im Buchstaben des Wortes gegenwärtig ist, und nicht im rein geistigen Sinne unabhängig vom Buchstaben, so kann der Herr, wenn die Lehren des innern Sinnes aus dem Buchstabensinne des Wortes gepredigt werden, bei den Zuhörern gegenwärtig sein und ihre Gemüter erleuchten, und

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ihnen somit eine viel stärkere Überzeugung zufließen lassen.In Bezug auf das Verfassen von Predigten lernen wir, daß der Prediger zuerst aus den Schriften der Kirche "die Lehren des Göttlich-Wahren" sammeln muß; d.h. statt zu versuchen, den Text der Schrift aus seiner eigenen Einsicht, oder aus einem eingebildeten Zustande des Innewerdens zu erklären, muß er zu den Lehren der Kirche gehen, und aus ihnen Alles sammeln, was darin über seinen Text gelehrt wird. Nachdem er auf diese Weise mit "der Lehre des Göttlich-Wahren" bekannt worden ist, kann er den geistigen Sinn des Textes sehen, "wenn er die Entsprechungen kennt" welche darinnen gebraucht werden, und "wenn er in einem Zustande der Erleuchtung vom Herrn ist;" und der einzige Weg, auf dem er in den Zustand der Erleuchtung vom Herrn kommen kann ist, sich vor dem Herrn demütigen und Ihn zu bitten, seine Gedanken so zu erleuch-ten, daß er die Gemüter seiner Zuhörer durchs Wahre zum Guten führen kann (siehe N.J.315). In Bezug aufs Innewerden aber, welches der Herr den Predigern Seiner Kirche gibt, welche durch die Tür der Ordination in ihr Amt eingeführt worden sind (siehe W.C.R.146), lernen wir, daß es nicht geschieht dem Zustande ihres Guten, sondern "dem Zustande ihres Gemütes gemäß, wie dieser sich durch die Lehrbestimmungen gebildet hat" (WCR.155); und wir lesen fer-ner, daß "wenn diese Lehrbestimmungen wahr sind, die Erkenntnis eine klare ist, von dem Lichte das erleuchtet" (ebend.). Zum Schlusse lesen wir: "Diese Erleuchtung, welche vom Herrn ist, verwandelt sich in mancherlei Licht- und Wärmestrahlen, bei Jeglichem, je nach dem Zustande seines Gemütes" (ebend.).

* * *

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Kapitel 10 – Der wahre Gebrauch der Vernunft

Der wahre Gebrauch der Vernunft in Sachen der Kirche

Es gibt Kirchenleute, welche die theologischen Schriften Swedenborgs als maß-gebend betrachten, aber sagen, dieselben seien für Alle in der Kirche frei und offen, so daß Jeder im Stande sei, für sich selbst die Lehre daraus zu schöpfen. "A" kann deshalb ebenso wohl die Lehre daraus schöpfen als "B"; und die Lehre, welche "A" daraus schöpft, ist ebenso wahr als die welche "B" und "C" daraus ziehen; aber, sagen sie, wie können wir wissen, daß die Lehre, welche "A" daraus schöpft, und von der er behauptet, daß sie die Lehre der Kirche sei, wirklich wahr ist?Eine solche Schlußfolgerung nimmt an, daß die Lehren, wie sie in den theologi-schen Schriften Swedenborgs enthalten sind, oder einige derselben, nicht wahr seien; denn Wahrheit widerspricht sich nicht; und sobald wir erklären, daß sich widersprechende Lehren aus Swedenborgs Schriften gezogen werden können, erklären wir auch, daß Gottes Wahrheit nicht darin ist.Aber wie kommt es, könnte man sagen, daß verschiedene Personen verschiedene Lehren aus diesen Schriften ziehen? Die Ursache ist entweder, daß sie nicht in einem freien und vorurteilslosen Gemütszustande zu denselben kommen, son-dern ihre eigene Meinung durch dieselben zu bestätigen suchen; oder sie ziehen ihre Schlüsse, und bilden ihre Lehren aus einem nur oberflächlichem Lesen die-ser Schriften.Wie müssen den Schriften der Kirche gestatten, sich selbst zu erklären, dann werden wir nie irgend welche Widersprüche darin finden.Mit der Lehre, welche in die Augen unseres Verstandes fällt, verhält es sich ebenso wie mit den Gegenständen, die uns in die leiblichen Augen fallen. Wie die Lehre je nach dem Zustande des Verstandes der Menschen verschieden auf-gefaßt wird, so erscheinen die natürlichen Dinge in dieser Welt jeder Person ver-schieden; denn es ist ein gewöhnlicher Ausdruck, daß keine zwei Augen gleich sehen. So z.B. wenn ein Pferd einer gewissen Anzahl von Menschen zur Schau vorgeführt wird, so bekommt ein Jeder, ja nachdem er seine Aufmerksamkeit einem besonderen Teile des Pferdes zuwendet, auch einen verschiedenen Ein-druck davon in seinem Gedächtnis. Aber sie sind sich doch Alle darin einig, daß der Gegenstand, den sie sehen, ein Pferd ist, und keine Kuh, oder irgend ein anderes Tier.Genauso ist es mit den Lehrgegenständen der Schriften der Neuen Kirche, wel-che der Anschauung des Verstandes unterworfen werden. Einige Personen sind,

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dem Zustande ihres Verstandes gemäß, im Stande, von einer gewissen Lehre einen klaren und bestimmten Eindruck zu erhalten, während Andere nur eine all-gemeine dunkle Idee daraus schöpfen können. Ob diese Idee aber unklar oder dunkel, bestimmt oder allgemein sein mag, so sind die Ideen, welche von einem unparteiischen Verstande aus derselben Lehre gezogen wird, doch immer iden-tisch; ebenso wie eine Anzahl Personen, die ein Pferd betrachten, sich immer darin einig sind, daß sie ein Pferd sehen, und nicht eine Kuh oder einen Hund.Anders ist es zur Nachtzeit; dann ist es möglich, daß derselbe Gegenstand in der Ferne dem Einen als ein Pferd, dem Andern als eine Kuh, und einem Dritten als ein Esel erscheinen mag. So in gleicher Weise, wenn das Gesicht des Verstandes verdunkelt ist, entweder durch vorgefaßte Meinungen, oder durch Unwissenheit, oder durch einen verkehrten Zustand des Willens, dann mag auch ein Lehrge-genstand, der dem Verstand vorgelegt wird, widersprechende Eindrücke auf ver-schiedene Personen machen. Der Widerspruch liegt jedoch in diesem Falle nicht in der Lehre, oder in den Gegenständen der Lehre, sondern in den Personen selbst.Dies bringt uns auf den echten Gebrauch der Vernunft in Sachen der Kirche oder der Lehre. Und hier müssen wir vor Allem zuerst als einen allgemeinen Grundsatz der Kirche aufstellen, daß der Herr es will, daß der Mensch nicht nur über Göttliche Dinge denke und spreche, sondern auch, daß er darüber Ver-nunftschlüsse ziehe, damit er erkenne ob eine Sache so ist oder nicht. Dieser Grundsatz wird klar in folgender Stelle ausgesprochen:(175.) "Die Engel des dritten Himmels vernünfteln niemals über Göttliche

Dinge, ob es sich so, oder nicht so verhalte, sondern sie sehen in sich vom Herrn, daß es sich so oder nicht so verhält. Dieses Vernünfteln über Göttliche Dinge, ob sie sich so oder nicht so verhalten, kommt daher, daß der Vernünftler sie nicht vom Herrn her sieht, sondern aus sich selbst sehen will, und was der Mensch aus sich selbst sieht, ist Böses. Dennoch aber will der Herr nicht nur, daß der Mensch über Göttliche Dinge denke und rede, sondern auch, daß er Vernunftschlüsse darüber ziehe, um zu sehen, ob es sich so oder nicht so verhalte; und von diesem Denken und Reden und den Schlußfolgerungen, wenn dieselben nur zum Zweck haben die Wahrheit zu sehen, kann man sagen, sie seien vom Herrn bei dem Menschen; sie sind aber so lange vom Menschen, bis er die Wahrheit sieht und sie erkennt; unterdessen kommt nur vom Herrn, daß er denken, reden und untersuchen kann; denn dies kann er durch jene zwei Vermögen, Freiheit und Vernunft genannt, welche Vermögen der Mensch bloß vom Herrn hat" (G.V.219).Wieder lesen wir: "Unter der Vernunft wird verstanden das Vermögen, das Wahre und hieraus das Falsche, und das Gute und hieraus das Böse einzusehen" (G.L.W.264).

Die Vernunft befähigt also den Menschen, zwischen Wahrem und Falschem zu

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unterscheiden, und somit zu entdecken, wie viel an einer Lehrdarstellung wahr, und wie viel falsch ist. Die Vernunft ist aber nicht im Stande, dieses aus ihrem eigenen angeborenen Lichte zu tun, denn die Vernunft, oder das Vernünftige des Menschen ist, wie wir gezeigt haben (Kapitel VIII, Nr. 134 bis 136), gänzlich unfähig, von sich selbst aus, über Unechtheit oder Echtheit irgend einer Lehre der Kirche zu entscheiden; um dies zu tun, muß sie durch die wahre Lehre, aus dem Worte Gottes geschöpft, erleuchtet werden. Sie bedarf daher eines Maß-stabs oder Richtschnur der Wahrheit als ihre Führerin.Einen solchen Maßstab der Wahrheit haben alle die, welche an die Göttlichkeit und Autorität der Lehren des innern Sinnes glauben, und die bei allen Fragen, welche den innern und den äußern Gottesdienst der Kirche betreffen, und bei allen Fragen über die Lehre, in Swedenborgs theologischen Schriften Licht und Hilfe suchen. Denn, indem sie zu diesen gehen, gehen sie zu dem Herrn Jesus Christus Selbst, wie Er Sich der Menschheit bei Seiner Zweiten Ankunft geof-fenbart hat.Diejenigen hingegen, welche die Göttlichkeit des Inhalts dieser Schriften leug-nen, haben ganz und gar keinen Maßstab der Wahrheit; denn diese müssen alle Fragen der Lehre entweder gemäß dem unsicheren, launischen Licht ihrer eige-nen endlichen Vernunft entscheiden, oder sie müssen sich an den Buchstaben-sinn der Schrift wenden, von dem wir lesen, "daß er nach jeder Richtung hin gewendet und dem Begriffe gemäß erklärt werden kann" (W.C.R.260), und daß "eine unermeßliche Anzahl von Irrlehren aus dem Buchstabensinne ohne den innern Sinn, oder ohne die echte Lehre aus dem Worte, entstehe" (N.J.262) ver-gleiche auch Nr. 131, 132 und 133 in Kapitel VIII).Wir sind aber weit davon entfernt, durch die Erklärung, daß der Inhalt der theo-logischen Schriften Swedenborgs der Maßstab und die Richtschnur der Wahr-heit in der Neuen Kirche sei, und durch die Behauptung, daß die menschliche Vernunft durch die wahre Lehre aus dem Worte Gottes erleuchtet werden müsse, um zwischen unechter und echter Lehre der Wahrheit unterscheiden zu können, die Wichtigkeit der Vernunft, die ihr in den Lehren der Neuen Kirche gegeben wird, leugnen zu wollen; ja wir behaupten sogar, daß es dem Menschen gänzlich unmöglich ist, Fortschritte im geistigen Leben zu machen, wenn er den richtigen Gebrauch dieser Himmelsgabe vernachlässigt. Wir lesen:(176.) "Nichts kann in den Verstand des Menschen eingehen ohne Vorstellun-

gen, die von solchem Wißtümlichen herstammen, das der Mensch von Kind auf sich erworben hatte. Der Mensch weiß gar nicht, daß eine jede Wahrheit der Kirche, welche Glaubenswahrheit genannt wird, auf sein Wißtümliches sich gründet, und daß er sie begreift, und sie im Gedächt-nis behält, und sie aus dem Gedächtnis hervorruft, durch die von Wißtümlichem bei ihm gebildeten Vorstellungen" (H.G.5510).

Wiederum:

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(177.) "Der Mensch kann nichts annehmen, wovon er nicht auch irgend eine Vorstellung aus seiner Vernunft haben kann; das kann man an den Vor-stellungen ersehen, die der Mensch von den Göttlichen Geheimnissen hegt, sofern denselben immer eine Vorstellung, die von weltlichen oder solchen Dingen hergenommen sind, die den Weltlichen ähnlich sind, anklebt, durch welche die Sache im Gedächtnis behalten, und durch sie wieder ins Denken hervorgerufen wird" HG.2520).Ferner: "Wenn das Nachdenken fehlt, dann kann nichts ins Gedächtnis eingehen, wie wohl bekannt ist. Zum Beispiel, das menschliche Auge faßt tausende von Gegenständen in sich auf, dennoch behält das Gedächtnis keinen dieser Gegenstände, über welchen der Mensch nicht seine äußerliche Betrachtung angestellt hat. In ähnlicher Weise auch, wenn er dann denkt über das, was er betrachtet hat, so erinnert er sich desselben. Kurzum es bleibt nichts beim Menschen ohne Überlegung" (D.S.2593).

Hieraus folgt, daß der Gedanke des Menschen, und somit seine Vernunft, die ihn befähigt zu denken und zu überlegen, in Tätigkeit sein muß, um Wahrheit, die zum Glauben gehört, in sein Gemüt aufzunehmen; ja wir lernen, daß wenn er sich nicht irgend eine Idee über diese Wahrheiten aus den Dingen, die in seinem Gedächtnis aufbewahrt sind und aus seinem Vernünftigen bildet, so kann er diese Wahrheiten nicht behalten, noch wieder hervorbringen. Überdies, muß der Mensch sein eigenes Denken über diese Dinge üben, und seine Ideen nicht blindlings von Andern annehmen, oder diese Wahrheiten bleiben nur auf der Schwelle seines Gemüts, wie das deutlich hervorgeht aus Nr. 127, und aus der folgenden Stelle, die wir teilweise schon am Anfang des VIII. Kapitels ange-führt haben:(178.) "Die von der geistigen Kirche wollen, man soll das, was Sache des Glau-

bens ist, einfach glauben, ohne irgend eine Anschauung vom Vernünfti-gen aus, indem sie nicht wissen, daß gar kein Gegenstand des Glaubens, nicht einmal das größte Geheimnis desselben, von einem Menschen erfaßt wird, ohne eine vernünftige, ja, auch eine natürliche Vorstellung, obgleich man nicht weiß, was für eine (HG.3310). Hierdurch können sie sich zwar gegen diejenigen schützen, welche über Alles und Jedes aus der Verneinung vernünfteln, ob es so sei; aber für diejenigen, welche in der Bejahung sind in Betreff des Wortes, daß man es nämlich glauben soll, ist eine solche Stellung verderblich, denn so können sie einem Jeden alle Freiheit des Denkens wegnehmen, und das Gewissen an die größte Irrlehren binden, und so über das Innere und Äußere des Men-schen herrschen" (HG.3394).

Wir sehen hieraus, daß die Lehren der Neuen Kirche gänzlich gegen eine blinde, gedankenlose Annahme der Wahrheit sind. Während sie eine dogmatische Behauptung der Wahrheit zugibt, als ein Verteidigungsmittel gegen die, welche

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eines verneinenden Geistes sind, erklärt sie diese Weise für unbedingt verderb-lich für diejenigen, welche sich im bejahenden Zustande befinden. Damit eine Wahrheit im Gemüte bleibe, und besonders damit sie in das Innere des verstän-digen Gemütes des Menschen erhoben werden möge, muß der Mensch seine eigenen Gedanken damit beschäftigen, und muß ins Besondere jede Wahrheit von dem entgegengesetzten Falschen klar unterscheiden, um nicht durch eine scheinbare richtige und einnehmende Schlußfolgerung irre geführt werden. Es ist auch nötig, daß des Menschen Überzeugung in Bezug auf eine Wahrheit das Ergebnis eines langsamen und sicheren Wachstums sei, und daß sie, während sie in seinem Gemüte festgestellt wird, von allen Seiten sorgfältig erwogen werde. Dies wird in der folgenden Stelle deutlich gelehrt:(179.) "Es ist den Gesetzen der Göttlichen Ordnung gemäß, daß Niemand

augenblicklich vom Wahren überzeugt werden soll, das heißt, daß die Wahrheit nicht in einem Augenblick so bestätigt werde, daß keinerlei Zweifel übrig bleibt. Der Grund ist, weil das Wahre, das in dieser Weise eingeprägt wird, nur eine Beredungswahrheit wird, und ohne alle Aus-dehnung wie auch ohne alle Nachgiebigkeit ist. Daher kommt es, daß sobald irgend eine Wahrheit durch eine deutliche Erfahrung im andern Leben den guten Geistern vorgestellt wird, gleich darauf irgend etwas Entgegengesetztes sich einstellt, das einen Zweifel erregt; so werden sie veranlaßt zu denken und zu erwägen, ob es so sei, und sich nach Ver-nunftgründen umzusehen, und so jene Wahrheit in vernünftiger Weise in ihr Gemüt einzuführen; dadurch bekommt das geistige Gesicht, in Bezie-hung auf jene Wahrheit, eine Ausdehnung auch bis zu den Gegensätzen" HG.7298).

Dies zeigt den Nutzen der Erörterung von Lehrpunkten; nur muß diese Erörte-rung in einem bejahenden Geiste stattfinden, auch sollten keine Einwürfe gemacht werden aus bloßer Lust zum Wortstreite, oder um Streitfragen aufzu-werfen. Streitigkeiten verschließen den Weg zur Weisheit und Einsicht, wie das deutlich aus folgender Stelle hervorgeht:(180.) "Solange man bei der Streitfrage stehen bleibt, ob so sei, und ob es so

sei, kann man durchaus keinen Fortschritt in der Weisheit machen; denn in der Sache selbst, worüber man hin und her streitet, ist unzählig Vieles, was man gar nicht sehen kann, solange man jene nicht anerkennt, denn man weiß dann weder das Ganze noch das Einzelne derselben. Die heu-tige Gelehrsamkeit geht kaum über diese Grenzen, nämlich ob es sei, und ob es so sei, hinaus, deswegen ist sie [d.h. die, welche sich darin üben] auch von der Einsicht des Wahren ausgeschlossen. So der, welcher bloß streitet, ob ein innerer Sinn des Wortes sei, der kann Unzähliges, ja Unbeschreibliches gar nicht sehen, was im innern Sinn ist. … Und was zum Verwundern ist, Solche die es so machen, glauben sie seien weiser als Andere, und desto weiser, je besser darüber disputiert können, ob es so sei, und mehr noch, wenn sie mit Gründen beweisen können, daß es

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nicht so ist; da doch die Einfältigen, welche im Guten sind, und die sie verachten, ohne irgend einen Streit, oder gar eine gelehrte Disputation im Augenblick vernehmen können, daß es ist, und wie es ist. Diese haben ein allgemeines Wahrheitsgefühl, jene aber haben dieses Gefühl, durch solches, was sie vorher erörtern wollen, ob es so sei, ausgelöscht" (HG.3428).

Die Lehren, welche in den Nummern 175 bis 179 enthalten sind, beweisen aufs Entschiedenste daß die Schriften der Neuen Kirche gegen das Dogmatisieren sind, und den Lehrsatz gänzlich verwerfen, daß "man die Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens gefangen nehmen müsse". Und doch sind die Schriften der Neuen Kirche darum nicht gegen die Anerkennung einer Autorität in der Neuen Kirche, durch welche die Vernunft ihrer Glieder regiert und geleitet wer-den soll; ja, sie bestehen fest darauf, daß die Glieder der Neuen Kirche diese Lehren annehmen sollen, weil "sie zusammenhängende Wahrheiten sind, die vom Herrn aus dem Worte geoffenbart wurden", und daß sie den Gebrauch ihrer Vernunft auf die "Begründung" dieser Lehren, "durch das Wort" und "durch Vernunftdinge" beschränken sollen (siehe Nr. 130).Aus der Tatsache, daß nach Nr. 176 "alle Wahrheit der Kirche auf Wißtümliches gegründet ist, und daß sie, durch die vom Wißtümlichen beim Menschen gebil-dete Vorstellungen, begriffen und im Gedächtnis erhalten werden kann," folgt keineswegs, daß diese Wahrheit vom Wißtümlichen abgeleitet, oder die Erzeu-gung des vernunftmäßigen Denkens sei und durch dieses Denken aus dem Wißtümlichen der Natur gezogen sei.Aus der Tatsache, daß nach Nr. 177 "der Mensch ganz und gar nichts denken kann, ohne Ideen, welche von weltlichen Dingen abgeleitet sind," und daß "sol-che Ideen beständig seiner Vorstellung über Göttliche Geheimnisse ankleben," folgt wiederum nicht, daß die weltlichen Ideen im Geringsten zur Hervorbrin-gung geistiger Wahrheiten beitragen, sondern nur, daß des Menschen Vorstel-lung über geistige Dinge durch natürlich Wißtümliches, oder durch weltliche Dinge bestätigt und umkleidet werden, während die geistigen Ideen, oder die geistigen Wahrheiten nur durch Offenbarung zu ihm kommen.Nichtsdestoweniger scheint es, als ob einige der in Kapitel VIII, aus Sweden-borgs theologischen Schriften angeführten Darstellungen, mit den in diesem Kapitel angeführten, im Widerspruch ständen. So lesen wir in Nr. 128: "Soviel Menschliches, d.h. Sinnliches, Wissenschaftliches und Vernunftmäßiges da ist, auf welches hin man glaubt, daß es so sei, insoweit ist die Lehre nichts; insoweit aber das Sinnliche, Wissenschaftliche und Vernunftmäßige entfernt wird, d.h. ohne dasselbe geglaubt wird, insoweit lebt die Lehre." Und wiederum in Nr. 129: "Verstandesmäßige Wahrheit wird nicht offenbar, d.h. anerkannt, solange der Mensch über die Wahrheiten selbst aus dem Sinnlichen und Wißtümlichen vernünftelt, sondern dann erst, wenn er mit einfältigem Herzen glaubt, daß es wahr ist, weil vom Herrn so gesagt wurde, alsdann werden die Schatten der Täu-

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schungen zerstreut, und es tut alsdann bei ihm nichts, daß er nicht begreift;" während in Nr. 177 gesagt wird: "Der Mensch kann nichts annehmen, wovon er nicht auch irgend eine Vorstellung aus seiner Vernunft haben kann." Und in Nr. 178 heißt es: "Nicht einmal das größte Geheimnis des Glaubens kann von einem Menschen begriffen werden, ohne eine vernünftige, auch natürliche Vorstellung; Diejenigen, welche in Bejahung sind in Betreff des Wortes, daß man es nämlich glauben soll, ist eine solche Behauptung, daß man das, was Sache des Glaubens ist, einfach glauben müsse, ohne eigene Anschauung vom Vernünftigen aus, verderblich; denn so kann Jedem die Freiheit des Denkens weggenommen, und das Gewissen an die größte Irrlehre gebunden, und so das Innere und Äußere des Menschen beherrscht werden."In der einen Stelle wird gesagt, daß "alles Sinnliche, Wissenschaftliche und Ver-nunftmäßige von der Lehre entfernt werden muß, damit sie Leben habe;" und "verstandesmäßige Wahrheit wird dem Menschen nur offenbar, wenn er mit ein-fältigem Herzen glaubt, daß es wahr ist, weil vom Herrn so gesagt wurde." Und in der andern wird gesagt, daß "nicht einmal das größte Geheimnis des Glaubens ohne eine vernünftige, auch natürliche Vorstellung, von einem Menschen begrif-fen werden kann."Diese beiden, sich scheinbar widersprechenden Lehren, werden in der folgenden Stelle vollkommen miteinander vereinbart:(181.) "Es wurde wahrgenommen, daß Kenntnisse des Glaubens zuerst durch

sinnliche und natürliche Wahrheiten bestätigt werden müssen; denn der Mensch kann ohne Bestätigung nichts glauben. Nachdem aber diese Kenntnisse bestätigt sind, wird der Mensch vom Herrn mit einem Gewis-sen begabt, so daß er ohne Bestätigungen glauben kann. Dann verwirft er alle Vernünfteleien; dies ist die engelische Sphäre in welcher die bösen Geister nicht sein können. Solange sich aber der Mensch im Zustande der Bestätigung dieser Dinge befindet, und solange er über sie Schlüsse zieht um Andere von der Wahrheit zu überzeugen, können solche Geis-ter gegenwärtig sein. Es ist fast dasselbe als mit Jemandem der in gewis-sen Grundsätzen ist, der alle Vernünfteleien gegen diese Grundsätze ver-wirft, und sogar unwillig wird wenn Jemand sie bestreitet" (D.S.3977).

Hier sehen wir, daß die letzteren Stellen oder Nummern 177 und 178 sich auf den Menschen im Anfange seiner Umbildung oder Wiedergeburt beziehen, wo es für ihn unmöglich ist "etwas zu glauben das nicht durch sinnliche und natürli-che Wahrheiten bestätigt wird"; daß aber die früheren Stellen oder Nummern 128 und 129 sich auf einen weiter fortgeschrittenen Zustand der Wiedergeburt beziehen, wo ein Gewissen im Menschen gebildet ist, und er die Wahrheit vom Herrn aus, ohne Bestätigung sieht.Wir sehen auch, daß der erste Zustand ein Schritt zum zweiten hin ist; aber daß es, um den zweiten Zustand zu erreichen, für den Menschen der Kirche unbe-dingt nötig ist, aufzuhören darüber zu vernünfteln, ob Göttliche Wahrheiten

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wahr oder falsch seien; daß er deshalb von Anfang an schon gegen die Lust, Einwendungen gegen die Göttliche Wahrheiten zu machen, kämpfen und sich bemühen muß, ihre Lehren in einem bejahenden Gemütszustande aufzunehmen. Dann wird er auch einen Maßstab und eine Richtschnur der Wahrheit haben, wonach er über das Wahre oder das Falsche in den Vorträgen der Lehrer und Führer der Kirche zu urteilen vermag; und wird mit der Zeit, wenn er die Lehren der Kirche nicht nur mit dem Verstande, sondern auch im Willen aufnimmt, vom Herrn mit einem Gewissen begabt, und im Stande sein, die Wahrheit nicht aus sich selbst, sondern vom Herrn, und somit nicht im natürlichen, sondern im geistigen Lichte zu sehen.Der wahre Nutzen der Vernunft in der Neuen Kirche ist daher nicht, die geoffen-barten Lehren des innern Sinnes im Lichte der verständigen, wißtümlichen und sinnlichen Dinge zu untersuchen um deren Wahrheiten zu prüfen; sondern sie besteht darin, daß man diese Lehren zuerst als wahr annehme, und sie alsdann durch verständige, wißtümliche, und sinnliche Dinge bestätige. Sie besteht auch darin, daß man diese Lehren als einen Maßstab der Wahrheit betrachtet, wonach die vorgetragenen Lehren der Lehrer, und anderer intelligenten Glieder der Kir-che, in Bezug auf deren Irrtum oder Richtigkeit zu beurteilen sind.So oft die Vernunft des Menschen der Kirche, Zweifel gegen die Lehren der Kirche aufwirft, überschreitet sie ihre Grenzen; denn obgleich sie vollkommen das Recht hat, im Lichte der Lehren der Neuen Kirche alle Schlußfolgerungen, welche die Glieder der Kirche daraus ziehen, in Frage zu stellen und sie zu prü-fen, so hat sie doch nicht das Recht, die Wahrheit dieser Lehren von sich selbst aus in Frage zu stellen und darüber abzuurteilen. Dies geschieht sogar von Denen nicht einmal, welche im Zustande der Erleuchtung vom Herrn sind; denn wir lesen: "Der erleuchtete Verstand unterscheidet zwischen scheinbaren Wahr-heiten und eigentlichen Wahrheiten, hauptsächlich zwischen Falschem und Wahrem, aber er kann nicht urteilen über die eigentlichen Wahrheiten an sich" (H.G.7233).Die Erste Pflicht eines Neukirchenmannes, in Bezug auf den Gebrauch seiner Vernunft in Sachen des Herrn und Seines Reiches, und somit in allen geistigen Dingen, ist daher die Göttlichkeit der Lehren in und aus dem Worte Gottes, und folglich die Göttlichkeit der Lehren der Neuen Kirche, welche "zusammenhän-gende, vom Herrn aus dem Worte geoffenbarte Wahrheiten sind" (siehe Nr. 130), anzuerkennen. Und unter der Anerkennung der Göttlichkeit dieser Lehren wird verstanden, daß er dieselben als Maßstab und Richtschnur der Wahrheit in der Neuen Kirche ansieht, die niemals in Frage gestellt, sondern durch vernünf-tige, wißtümliche und sinnliche Dinge begründet werden müssen. Daß die Leh-ren der Neuen Kirche, und somit Swedenborg dieses lehren, ist das ganze VIII. Kapitel hindurch und besonders in den Nummern 127, 129, 137, 138, 140, 141, 142, 145 gezeigt worden. Als Zusatz zu diesen Stellen führen wir noch das Fol-gende an:

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(182.) "Diejenigen, welche im Glauben und in der Leibtätigkeit sind, vernünf-teln nicht über die Glaubenswahrheiten, sondern sagen, es sei so, und bestärken sich auch durch Sinnliches, Wißtümliches und Analytisches der Vernunft, so viel sie können, sobald aber etwas Dunkles dazwischen tritt, wovon sie kein Innewerden haben, so verwerfen sie dasselbe, und lassen nicht zu, daß so etwas sie in Zweifel führe, indem sie sagen, es sei sehr Weniges, was sie begreifen können; und deshalb denken, es sei nicht wahr, weil sie es nicht begreifen, sei Wahnwitz; diese sind es, wel-che in der Liebtätigkeit sind."Diejenigen dagegen, welche nicht im Glauben der Liebtätigkeit sind, wollen immer nur vernünfteln, ob es so sei, und wollen wissen, wie es sich darin verhält, indem sie sagen, wenn sie nicht wissen können, wie es sich damit verhält, so können sie nicht glauben, daß es so sei. Hieraus allein schon wird alsbald erkannt, daß sie in keinem Glauben sind, und es ist ein Zeichen, daß sie nicht nur an Allem zweifeln, sondern auch, daß sie es im Herzen leugnen. Wenn sie belehrt werden, wie es sich damit verhält, so bleiben sie dennoch darauf bestehen, und erregen aller-lei Skrupel dagegen, und ruhen gar nicht, wenn es auch in Ewigkeit fort-währte. Die, welche so darauf bestehen, häufen Irrtümer auf Irrtümer. Diese sind es, oder ihres gleichen, welche im Worte genannt werden trunken von Wein oder starkem Getränke" H.G.1072).

Dessen ungeachtet gibt es aber Viele in der Welt, die das Wahre ohne Wissen-schaftliches nicht sehen können, und dieses Wissenschaftliches nötig haben um ihren Glauben zu stärken; über diese lesen wir:(183.) "Unter Sebulon werden nicht Diejenigen verstanden, welche nur glau-

ben, wenn die wißtümlichen Erkenntnisse und sinnlichen Wahrnehmun-gen es vorschreiben, und Solche welche schon im Voraus in der Vernei-nung sind; diese glauben nie, weil die Verneinung im Allgemeinen bei ihnen herrscht, und wenn dies allgemein herrscht, dann fließen nur die der Verneinung günstigen Kenntnisse ein und sammeln sich, nicht aber die, welche bestätigen. Die, welche bestätigen, werden auf die Seite geworfen, oder zu Gunsten der verneinenden Kenntnisse erklärt und dadurch wird Verneinung bestärkt."Unter Sebulon werden hier vielmehr Die verstanden, welche die Lehren aus dem Worte glauben, somit Die, bei denen etwas Bejahendes allge-mein herrscht, und dennoch der Glaube nicht in den Wahrheiten, sondern in den wissenschaftlichen Kenntnissen sein Leben hat, denn sie wenden das Wißtümliche auf die Lehrbestimmungen an und begründen auf diese Weise ihre Bejahung. Daher erheben sie sich nicht über das Wißtümli-che, sondern, wenn sie von irgend einer Glaubenswahrheit hören oder darüber denken, fallen sie sogleich in das Wißtümliche. Von solcher Art gibt es Viele in der Welt; auch sieht der Herr vor, daß die wißtümlichen

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Kenntnisse und die Sinneswahrnehmungen ihnen zu diesem Gebrauch dienen" (H.G.6383).

Wiederum lesen wir:(184.) "Der weltliche und fleischliche Mensch spricht in seinem Herzen:

Wofern ich nicht über den Glauben und über das, was Sache des Glau-bens ist, belehrt werde durch Sinnliches, daß ich es sehe, oder durch Wissenschaftliches, daß ich es verstehe, so werde ich nicht glauben; und zwar begründet er sich damit, daß das Natürliche dem Geistigen nicht entgegengesetzt sein könne; weshalb er aus dem Sinnlichen über Himm-lische und Göttliche Dinge belehrt werden will. Dies ist aber so unmög-lich, als daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe. Je mehr er aus Jenem weise sein will, desto mehr verblendet er sich, so sehr, daß er nichts glaubt; nicht einmal, daß es etwas Geistiges, und daß es ein ewiges Leben gebe. Dies geht aus dem obersten Grundsatze hervor, den er ange-nommen hat. Dies heißt essen von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen, und je mehr er von diesem isset, desto mehr wird er tot."Wer hingegen nicht aus der Welt weise sein will, sondern aus dem Herrn, der spricht im seinem Herzen, daß man dem Herrn, das ist, dem, was der Herr im Worte gesprochen hat, glauben müsse, weil es Wahrhei-ten sind, und aus diesem obersten Grundsatze denkt er. Er begründet sich durch Vernünftiges, Wissenschaftliches, Sinnliches und Natürliches, und, was nicht bestätigend ist, scheidet er aus" (H.G.128).

(185.) "Je mehr Jemand natürlich Wißtümliches zu Rate zieht, und darin mit seiner Seele und seinem Gemüte hängen bleibt, wenn es sich um Wahr-heiten des Glaubens handelt, desto mehr verliert er das Licht des Wah-ren, und mit dem Lichte auch das Leben des Wahren. Jeder kann das aus Erfahrung wissen, wenn er aufmerkt und Acht hat auf Diejenigen, wel-che sagen, sie können nichts glauben, wenn sie nicht durch Sinnliches oder Wissenschaftliches begreifen, daß es so sei. Wenn man sie erforscht wie geartet sie sind, wird man erfahren, daß sie gar nichts glauben, und außer dem, daß ihnen nichts weiser erscheint, als der Natur Alles und Jedes zuzuschreiben."Es gibt auch Mehrere welche sagen, sie glauben, obwohl sie nicht begreifen, und doch vernünfteln sie insgeheim bei sich, ebenso wie die Andern aus dem Sinnlichen und Wißtümlichen über Glaubenswahrhei-ten, ob es so sei; diese haben entweder eine Art Überzeugung, die von der Selbst- und Weltliebe eingeblasen ist, oder sie glauben ganz und gar nicht. Wie diese geartet sind, offenbart sich in ihrem Leben" (H.G.2832; vergleiche auch H.G.233,4760).

Die zweite Pflicht der Neukirchenleute, in Bezug auf den rechten Gebrauch der Vernunft in Sachen des Glaubens ist, wie wir wiederholt in diesem und im VIII.

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Kapitel nachgewiesen haben: "Die aus dem Worte Gottes geschöpften Lehren durch vernünftige, wissenschaftliche und sinnliche Dinge zu begründen."Eine Wahrheit der Lehre wird durch Vernünftiges begründet, wenn sie mit andern Wahrheiten logisch verbunden wird, wie das Folgende zeigt:(186.) "Eine Wahrheit ohne Zusammenhang mit andern bestätigt nicht, sondern

nur wenn es mehrere Wahrheiten sind, denn aus der einen kann man die andere sehen. Eine einzige bringt keine bestimmte Form hervor, also auch keine bestimmte Beschaffenheit, sondern mehrere in zusammen-hängender Reihenfolge; denn so wie Ein Ton keinen Akkord bildet, geschweige denn eine Harmonie, so kann auch Eine Wahrheit nicht bestätigen" (H.G.4197).

Wiederum wird eine Lehrwahrheit dadurch vernünftig bestätigt, daß die zu die-ser Lehre gehörigen Einzelheiten mit ihr vereinigt werden, wie aus dem Folgen-den zu sehen ist:(187.) "Die Neigungen zum äußern Wahren, in Ansehung des Verstandes, sind

blöde, oder, was das Gleiche ist, diejenigen welche in ihnen sind. Dies kann man ersehen aus den äußern, d.h. allgemeinen Vorstellungen, wel-che noch nicht von den einzelnen erhellt sind, daß sie nämlich schwach sind und schwanken, und gleichsam sich nach dem Winde richten, d.h. zu jeder Meinung hinziehen lassen; hingegen, wenn eben dieselben erhellt sind von den einzelnen, werden sie stark und stehen fest, denn davon bekommen sie Wesenheit und Gestaltung" (H.G.3820).

Die Einpflanzung der Einzelheiten einer Lehre in deren Allgemeines geschieht durch die Zusammenziehung aller Stellen aus den Schriften, die sich auf einan-der beziehen und die dasselbe allgemeine Prinzip erhellen helfen; und durch Verschmelzung aller dieser Stellen in ein großes Ganzes, vermittelst der Bei- und Unterordnung: daß dieser Vorgang stattfinden muß, damit die Kirche herge-stellt werde, wird in Folgendem gelehrt:(188.) "Wenn die Kirche neu errichtet wird, dann müssen zuerst die Lehren des

Guten und Wahren in Eins verbunden werden; denn diese sind es auf welchen sie erbaut wird. Es haben auch die Lehren unter sich einen Zusammenhang und beziehen sich gegenseitig auf einander, daher wenn sie nicht vorher in Eins verbunden werden, so wird es ein Stückwerk sein, und das Fehlende müßte von Vernunft des Menschen ergänzt wer-den; wie blind und irrig aber diese in geistigen und Göttlichen Dingen ist, wenn sie aus sich selber schließt, wurde früher an mehreren Stellen gezeigt. Darum ist der Kirche das Wort gegeben, in welchem alle Lehren des Guten und Wahren sind" (HG.3786).

Diese Arbeit, die Lehrbestimmungen der Kirche in ein Ganzes zu verschmelzen, ist die besondere Arbeit der Geistlichen, welche durch ihre Erziehung und die Gabe des Heiligen Geistes (siehe W.C.R.146) hierzu in ordentlicher Weise vor-

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bereitet sind. Daher lesen wir, daß "die Laien im Äußern [oder Allgemeinen] der Lehre der Kirche sind, und die Geistlichen in deren Innerem [oder Besonderem]" (E.O.567; vergleiche auch E.O.398,403 und 404).Überdies wird die Lehre der Kirche auch bestätigt durch Wißtümliches, wie sol-ches aus dem Buchstaben des Wortes (H.G.6832), und durch Solches, das aus dem Studium der verschiedenen Gegenstände der natürlichen Welt und deren Beziehungen hergeleitet wird. Daß die Lehre der Kirche durch den Buchstaben des Wortes bestätigt werden soll, geht aus dem Folgenden hervor:(189.) "Die Lehre soll nicht nur aus dem Buchstabensinn des Wortes geschöpft,

sondern auch durch diesen begründet werden; denn, wenn die Lehrwahr-heit nicht durch den Buchstaben des Wortes begründet wird, so erscheint es als ob nur die Einsicht des Menschen, und nicht die Göttliche Weis-heit des Herrn darin enthalten sei. In diesem Falle wäre die Lehre wie ein Haus in die Luft und nicht auf die Erde gebaut, und wäre somit ohne Grundlage" (H.G.54; siehe W.C.R.229,213).

Die Begründung des Wahren durch Wissenschaftliches jeder Art, ist keineswegs eine leichte Sache, und kann nur durch die geschehen, deren Gemütszustand ein bejahender ist, und welche zugleich auch die Verstandesfähigkeit dazu besitzen, wie dies aus der folgenden Stelle erhellt:(190.) "Wißtümliches zu Rat ziehen über das Göttlich-Wahre, heißt, aus jenem

sehen, ob es so sei. Dieses geschieht anders bei denjenigen, welche in der Bejahung sind, daß das Wahre wahr ist. Wenn diese das Wißtümli-che zu Rate ziehen, begründen sie dadurch das Wahre, und bekräftigen so den Glauben. Es ist anders bei denjenigen, welche in der Verneinung sind. Wenn diese das Wißtümliche zu Rat ziehen, so stürzen sie sich noch mehr in Falsches; denn die Verneinung regiert bei diesen, aber die Bejahung bei jenen."Außerdem richtet sich dieses mach dem Verstandesvermögen eines jeden Menschen. Die, welche keine höhere, d.h. inwendige Anschauung haben, sehen, wenn sie das Wißtümliche zu Rate ziehen, keine Bestäti-gung des Wahren darin; deswegen werden sie durch Wißtümliches zur Verneinung hingeführt. Diejenigen hingegen, welche eine höhere, d.h. inwendigere Anschauung haben, sehen Bestätigungen, wenn nichts anders, jedenfalls durch Entsprechungen" (HG.4760).

Die Schwierigkeit, Wahrheiten durch Wißtümliches zu begründen, entsteht dar-aus, daß man sich das Wißtümliche im Lichte der Natur aneignen muß, weshalb es zuweilen im Widerspruch mit den Wahrheiten zu stehen scheint. Wenn aber das Wißtümliche den Wahrheiten unterordnet wird, dann verschwindet dieser scheinbare Widerstreit, wie dies im Folgenden bewiesen wird:(191.) "Das Wißtümliche bildet die allgemeinsten Gefäße, welche zuweilen den

Wahrheiten geradezu entgegengesetzt erscheinen, ehe die in sie hinein-

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gefügten Wahrheiten machen daß sie durchscheinen, und dadurch wahr-genommen werden. Überdies ist das Wißtümliche voll von Sinnestäu-schungen, deren sich diejenigen nicht entledigen können, welche bloß in den Kenntnissen aus der Lehre sind und nicht im Innewerden des Wah-ren aus dem Guten; vornämlich, weil das Weltlicht bei ihnen die Ober-herrschaft hat. Dieses Licht erscheint hell, solange das Himmelslicht nicht in dasselbe einfließt. Aber sobald das Himmelslicht in dasselbe hinein fällt, tritt anstatt des Lichtes Dunkelheit ein. Daher kommt es, daß Solche in weltlichen Dingen aufgeklärt und scharfsinnig sind, aber ver-finstert und stumpfsinnig in den Dingen des Himmels."Diejenigen dagegen, welche im Himmelslichte sind, stehen in der Erleuchtung vom Herrn, und schon vor der Begründung richten sie ihre Blicke auf das Wißtümliche, das bei ihnen eine untere Stelle einnimmt und hier in Ordnung gebracht ist, und nehmen hiedurch wahr, ob es als Wahrheit begründet werden kann oder nicht. Hieraus wird klar, daß diese eine inwendige Anschauung haben, welche über das Wißtümliche erhaben ist, somit eine deutliche; jene aber eine niedrigere Anschauung welche im Wißtümlichen befangen ist, somit eine verworrene" (HG.6865).

Das einzige Wißtümliche jedoch, durch welches geistige Wahrheiten wirklich begründet werden, und welches durch Einflössung des Geistig-Wahren gleich-sam "wie durchsichtig erscheint und dadurch verschwindet", sind die Entspre-chungen, wie schon in Nr. 190 gezeigt wurde. Dies wird ferner in dem Folgen-den bekräftigt:(192.) "Alles was dem Glauben und der Liebe angehört führt eine Vorstellung

mit sich, welche sich aus solchen Dingen bildet, die der Mensch kennt; denn ohne eine Vorstellung aus erkennbaren und sinnlich wahrnehmba-ren Dingen kann der Mensch nichts denken, und er denkt erst dann rich-tig, auch über Sachen des Glaubens und der Liebe, wenn er aus Entspre-chungen denkt; denn die Entsprechungen sind natürliche Wahrheiten, in welchen sich wie in Spiegeln die geistigen Wahrheiten abbilden. In dem Maße als man sich Vorstellungen von geistigen Dingen bildet außerhalb denselben, macht man sich daher entweder Vorstellungen aus Sinnestäu-schungen oder aus ungehörigen Begriffen" (H.G.9300).

Die moralischen Bedingungen, von welchen die Erleuchtung von Herrn abhängt, wodurch der Mensch der Kirche im Wahren begründet wird, werden in folgen-der Stelle beschrieben:(193.) "Die Bestätigung der Wahrheiten durch die Erleuchtung vom Herrn

geschieht, wenn der Mensch sich mit dem Worte beschäftigt um die Wahrheit zu erkennen. Was die Erleuchtung betrifft und die daraus her-vorgehende Bestätigung der Wahrheiten, so wisse man, daß Diejenigen, welche im Äußern ohne das Inwendige sind, nicht erleuchtet, und so

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auch nicht in den Wahrheiten bestärkt werden können. Aber die im Äußern sind und zugleich im Inwendigen, werden, wenn sie das Wort lesen, erleuchtet und in der Erleuchtung sehen sie die Wahrheiten in wel-chen sie nachher bestärkt werden; und was merkwürdig ist, einem Jeden wird eine solche Erleuchtung zu Teil, wie seine Neigung zum Wahren ist, und eine solche Neigung zum Wahren, wie das Gute seines Lebens beschaffen ist. Daher kommt es auch, daß Diejenigen, welche in keiner Neigung zum Wahren um des Wahren willen sind, sondern nur um eigennütziger Zwecke willen, gar nicht erleuchtet werden, wenn sie das Wort lesen, sondern sie werden nur in Lehrmeinungen bestärkt, mögen diese sein wie sie wollen, ob falsch, wie es die ketzerischen sind, oder den Wahrheiten ganz entgegengesetzt, denn sie trachten nicht nach dem Reiche Gottes, sondern nach der Welt; nicht nach dem Glauben, sondern nach Ruhm, somit nicht nach himmlischem Reichtum, sondern nur nach irdischem. Wenn es ihnen etwa einfällt, sie möchten Wahrheit aus dem Worte wissen, so stellen sich ihnen Falschheiten dar anstatt der Wahrhei-ten, und zuletzt leugnen sie alle" (H.G.7612).

In dieser Stelle wird die Erleuchtung beschrieben, welche je nach dem Guten der Liebe, das im Menschen ist, stattfindet, und welche sowohl die Geistlichen wie die Laien gemeinschaftlich berührt. Bei den Geistlichen ist aber, wie wir belehrt werden, überdies noch eine besondere Art der Erleuchtung vorhanden, die ihnen durch die Ordination ins Predigtamt mitgeteilt wird (siehe W.C.R.146, 155 und "Canones", der Heilige Geist, Kapitel IV, Nr. 7 bis 9). Durch diese besondere Erleuchtung werden sie bei Ausübung ihres Amtes beschützt und in ein höheres Licht erhoben und somit in die höhere Anschauung versetzt, von der unter Nr. 190 und 191 gehandelt wird, durch welche sie befähigt werden, die Wahrheit der Lehre zu sehen, ehe sie durch den Buchstaben des Wortes und durch natürlich Wißtümliches bestätigt wird. Daß eine solche Beschützung und Erleuchtung vom Herrn den dienern des Herrn unumgänglich notwendig ist, um die Pflichten ihres Berufes treu und gewissenhaft auszuführen, geht aus einer sorgfältigen Betrachtung der folgenden Stelle hervor:(194.) "Geistige Dinge können ebensogut wie natürliche Dinge begriffen wer-

den, jedoch nur dann, wenn sie gehört und gelesen werden, aber nicht leicht von dem Menschen selbst, wenn er aus sich selbst denkt" (GL.3)

Die Gemeinden können daher, wenn sie die Lehren der Kirche predigen hören, oder wenn sie sie lesen, dieselben ebensogut verstehen, wie sie natürliche Dinge verstehen. Die Prediger aber, deren Pflicht es ist, über die Lehren der Kirche ihr Nachdenken zu üben, um dieselben durch vernünftige und wissenschaftliche Betrachtungen zu begründen, haben größere Schwierigkeiten zu bestehen. Denn wenn der Mensch einfach hört und liest, so wird nur sein Verstand in Tätigkeit gesetzt; und da sein Verstand vom Willen getrennt ist, so kann er seinem Ver-stande nach in das Licht der Engel des Himmels erhoben werden (W.C.R.79). Das ist jedoch anders, wenn er sein eigenes Denken auf eine Lehrbestimmung

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anwendet; denn alsdann fließt sein Wille in sein Verstand ein, und es ist dann der Wille, der im Verstande denkt. Das eigene Denken des Menschen ist daher immer mehr oder weniger mit seinem Eigenen gefärbt, und wird in dieser Bezie-hung in den Schriften mit einem Adler verglichen, der hoch in der Luft fliegt, und sobald er unter sich einen Raub erblickt, herniederschießt und ihn ver-schlingt ("Seele und Körper" 14; W.C.R.590). Der Mensch sollte daher nicht aus sich über Sachen der Lehre nachdenken; und niemals über solche Dinge bei sich selbst Auskunft suchen, sondern stets zu den Schriften der Kirche, und somit zum Worte gehen; denn alle Lehren in diesen Schriften sind aus dem Worte geschöpft. Dies wird auch den Predigern der Neuen Kirche, in den Schriften unserer Kirche eingeschärft, nämlich, daß sie "die Leute lehren sollen gemäß den Lehren ihrer Kirche aus dem Worte" (H.G.10'794; N.J.315). Wir lesen, daß sogar "im Himmel das Predigen den Lehren gemäß geschieht" (H.H.221). Solange also die Prediger und Glieder der Kirche über die Dinge aus den Lehren sprechen und nicht aus sich selbst, so lange werden sie bewahrt, so daß sie nicht in Irrtümer und Falsches fallen. In dem Maße hingegen, in welchem sie sich an sich selbst, und nicht an die Lehren wenden, um die richtige Auskunft zu erhal-ten, in demselben Maße wird die Darstellung der Lehre irrtümlich und mehr oder weniger falsch.Daß die Kandidaten für das Predigtamt durch einen vorbildlichen Kirchen-Gebrauch, der im Himmel wahrgenommen wird, in ihr Amt eingeführt werden, geschieht, weil die Gedanken des Menschen fast sicherlich irre gehen, wenn er "aus sich selbst" über Lehrbestimmungen "denkt"; und es ist durch den Einfluß in dieses Zeichen, das ihm stets eingeprägt bleibt, daß sein Verstand vom Herrn gegen das Böse seines eigenen Willens beschützt werden kann, während er in seinem Amte tätig ist; weshalb wir lesen, daß "durch die Einweihung in das geistige Amt, den Geistlichen die Gaben mitgeteilt werden, die zu ihrem Amte gehören, welche sind: Erleuchtung, Wahrnehmung, Stimmung [Dispositio] und Unterweisung". Aber über die Wahrnehmung lesen wir ferner, daß "die Wahr-nehmung bei dem Menschen gemäß dem Zustande seines Gemütes, der sich durch die Lehrbestimmungen gebildet hat, sich verhält"; und über die Erleuch-tung, daß sie sich in mancherlei Licht und mancherlei Wärme verwandelt, bei Jeglichem je nach dem Zustande seines Gemütes" (W.C.R.155; siehe auch 146); und ferner, daß "die Erleuchtung bei Jeglichem seinen Erkenntnissen gemäß ist" (siehe VI, Nr. 60 bis 63).Daß der Mensch sich in einem ganz und gar andern Zustande befindet, wenn er hört und liest, als wenn er aus sich über Lehrbestimmungen nachdenkt, erhellt noch deutlicher aus der folgenden Lehrdarstellung:(195.) "Es ist ein Unterschied zwischen dem Wissen aus der allgemeinen Wahr-

nehmung, aus dem Denken, und aus dem Schreiben über etwas. Eine Sache die aus der allgemeinen Wahrnehmung wohl verstanden wird, wird verwirrt, wenn man darüber nachdenkt, weil der Gedanke mit dem Gesichte des Körpers verkehrt; und sie wird noch weniger verstanden,

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wenn man darüber schreibt; denn dann verkehrt der Gedanke mit dem Sinnlichen, welches des Menschen Eigenes, oder sein Proprium ist. Daher kommt es, daß Einige gut denken und sprechen, und doch nicht gut schreiben können. Dieses ist gewöhnlich der Fall bei dem weiblichen Geschlecht. Dadurch, daß eine Sache dem Denken unterworfen wird, zieht sich der Mensch von der allgemeinen Wahrnehmung zurück; und wenn er darüber aus dem denken schreibt, so begründet er es durch Scheinbarkeiten und Täuschungen, und durch tönende und gehaltlose Worte. Daher kommt es, daß viele Gelehrte, welche viel gedacht, und noch mehr solche, welche viel geschrieben haben, die allgemeine Wahr-nehmung bei sich geschwächt und verdunkelt, ja zerstört haben; und daß die Einfältigen klarer sehen, was gut und wahr ist, als die, welche glau-ben, sie an Weisheit zu überragen. Jene allgemeine Wahrnehmung ist vom Einfluß aus dem Himmel und fällt in das Denken bis zur Anschau-ung; das von der allgemeinen Wahrnehmung getrennte Denken hinge-gen, fällt in die Einbildungskraft aus dem sehen, und aus dem Eigenen heraus" (G.L.W.361).

Aus dieser Darstellung sehen wir, wie gefährlich es für Diejenigen ist, welche sich nicht durch die Lehre leiten lassen wollen, über Lehrgegenstände zu denken und zu schreiben; denn sie fallen unvermeidlich in Irrtümliches und Falsches der Lehre. Wir sehen auch, wie wichtig es für Die ist, die sich als Lehrer und Führer der Kirche aufwerfen, daß sie den Lehren, welche vom Himmel zum Nutzen der Kirche geoffenbart worden sind, die höchste Achtung zollen; und daß sie stets "den Lehren ihrer Kirche gemäß aus dem Worte lehren", ob nun mündlich oder durch die Feder; und daß sie, wegen der Gefahr in Irrtümer zu fallen, nicht unterlassen sollten, die von Gott gegebenen Mittel zu gebrauchen, wodurch ihr Verstand vom Herrn erleuchtet werden kann, während sie in ihrem heiligen Amte tätig sind.Weil die Geistlichkeit der Kirche, d.h. Diejenigen welche durch die rechte Tür der Ordination ins Amt gekommen sind, vom Herrn beschützt werden bei der Ausübung der Pflichten ihres Amtes, d.h. während sie über Lehrgegenstände nachdenken, schreiben oder predigen, und während sie somit "aus dem Worte die Lehren des Herrn von Seiner Erlösung und Seligmachung lehren"; daher lesen wir auch:(196.) "Das Gute kann einem Andern von irgend Jemanden im Vaterlande ein-

gepflanzt werden, das Wahre aber nur von Denjenigen, welche die leh-renden Geistlichen* [ministri docenta] sind; wenn es Andere tun, so ent-stehen Ketzereien und die Kirche wird beunruhigt und zerrissen" (H.G.6822).

(*) Der Ausdruck "minister" wird in den Schriften der Kirche gewöhnlich für Geistliche gebraucht, außer in gewissen Schriftstellen; siehe z.B. E.O.128; WCR.141,381; K.D.59; E.L.266,308. In A.E.155 lesen wir: "Die Priester heißen ministri, weil sie das Göttliche in Betreff des Guten der Liebe vorbil-den.")

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Obwohl die Geistlichen der Kirche bei der Ausübung der Pflichten ihres Amtes vom Herrn beschützt werden, so sind sie deshalb aber nicht mit Unfehlbarkeit begabt, und die Klarheit ihrer Einsicht wird verdunkelt, sobald sie sich durch die Triebe ihres unwiedergeborenen Willens leiten lassen, und besonders durch das Verlangen, über Andere zu herrschen, welches sich so oft in der dogmatischen Lehrweise kund gibt; und auch, wenn sie nicht, ehe sie sich bemühen, die Lehre der Kirche zu predigen, "alle Lehrbestimmungen der Kirche zuerst in Eins verei-nigen", und statt dessen sich bestreben, diese Lehren im Lichte ihrer eigenen Vernunft zu erklären (vergleiche Nr. 188). Wenn aber ein Prediger zu irgend einer Zeit versuchen sollte, seinen Zuhörern seine eigene Lehren aufzudringen, ohne deren Wahrheit mit "den Lehren seiner Kirche aus dem Worte zu bewei-sen", so sollten diese ihn mit der Sprache der Engel zur Rede stellen die wir unter Nr. 146 angeführt haben: "Meinest du etwa, du seiest Gott, dem ich glau-ben muß, oder ich sei wahnsinnig, daß ich einem Ausspruche glaube, in dem ich das Wahre nicht sehe? Mache also, daß ich es sehe!"Im Urteile über das Wahre oder das Falsche in den Lehren eines Predigers, haben seine Zuhörer einen Vorteil über ihn, weil beim Hören der Verstand vom Willen getrennt und ins Himmelslicht erhoben werden kann; und, wenn sie in einem gelehrigen und andächtigen Gemütszustande verharren, können sie vom Herrn so erleuchtet werden, daß sie klar wahrnehmen können, wo der Prediger Recht hat und wo nicht. Dieser Wahrnehmung erfreuen sie sich jedoch nur so lange, als sie sich nicht in einem kritisierenden Zustande befinden, und sie die Lehren des Predigers nicht nach ihren vorgefaßten Ideen beurteilen, sondern sie unparteiisch im Lichte der Zeugnisse erwägen, die er aus den Lehren der Kirche, und somit aus dem Worte herbei bringt. Denn sobald sie über eine Sache aus sich denken, d.h. aus ihren eigenen vorgefaßten Ideen, wird ihr Gemüt gegen die allgemeine Wahrnehmung vom Himmel verschlossen, und sie sind dann mehr oder weniger unter dem Einfluß der Sinnestäuschung, weil "das Denken mit dem Gesicht des Körpers verkehrt". Wenn sie aber unter dem Einfluß dieser vor-gefaßten Ideen über die Sache schreiben, so setzen sie sich nicht nur den Sinnes-täuschungen aus, sondern "ihre Gedanken sinken dann sogar in den sinnlichen Grad ihres Gemütes herab, wo ihr Eigenes oder ihr Proprium ist", und dann sind sie mit Haß gegen den erfüllt, der eine von ihren Ansichten verschiedene Lehr-bestimmung hat, und sie werden persönlich und rachsüchtig.Es möge daher Jeder, wenn er sich der Lehre der Kirche naht, wohl bedenken, daß er auf heiligem Boden steht und daß er das Wahre der Lehre nicht von sich selbst, sondern nur vom Herrn aus sehen kann, und, daß wenn er das Wahre vom Herrn aus sehen will, er sich der aus dem Worte geschöpften Lehre, mit einem bejahenden und nicht mit einem verneinenden Gemütszustande nähern muß.Hieraus folgt, daß den Geistlichen der Kirche selbst keine Autorität eigen ist, nicht einmal Kraft ihres Amtes, das sie verwalten, sondern daß ihre ganze Auto-rität aus der Lehre des Göttlich-Wahren, welches im buchstäblichen und im geistigen Sinne des Wortes enthalten ist, herkommt, und daß sie beauftragt sind

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den Gliedern der Kirche des Herrn auf Erden dieses Wahre zu lehren und zu pre-digen.Solange sie diese Lehre treulich lehren und predigen, und sich bestreben, durch dieselbe die Glieder der Kirche zum Guten des Lebens zu führen, sind sie "gute Hirten" (N.J.315), und der Herr segnet das Werk ihrer Hände. Sobald sie aber den Weg ihrer Pflicht verlassen, und um populär zu werden, mehr auf Men-schengunst als auf den Willen Gottes achten; oder wenn sie, statt die Menschen zur Buße zu rufen, sie in ihrem Bösen und Falschen bestärken, indem sie deren Selbst- und Weltliebe nähren; und die Glieder der Kirche somit nicht zum ech-ten Guten des Lebens führen, welches im Fliehen des Bösen als Sünde gegen Gott besteht, und somit, statt die Menschen zu Gott zu führen, sie zu ihren eige-nen Nachfolgern zu machen suchen, dann sind sie "böse Hirten" (N.J.315), und schwächen und zerstören die Kirche des Herrn, statt sie aufzubauen.Die Kirche kann nur durch strenge Befolgung der Lehre vom Herrn, wie solche im innern und im äußern Sinne der Heiligen Schrift gelehrt wird, aufgebaut wer-den. Wenn aber die Menschen ihre eigene Lehre an die Stelle der Lehre des Herrn setzen, oder wenn sie sich selbst über die Lehre des Herrn stellen, indem sie deren Autorität leugnen, so können sie wohl eine Scheinkirche aufbauen, inwendig wird sie aber den Samen der Zersetzung und der Auflösung in sich tra-gen, wie der Herr dies in den folgenden Worten lehrt: "Jeden, der diese meine Worte hört und tut sie, will ich einem klugen Manne vergleichen, der sein Haus auf den Felsen baute. Da nun ein Platzregen fiel, und die Ströme kamen und die Winde wehen und stießen wider das Haus, fiel es nicht, denn es war auf den Fel-sen gegründet. Jeder hingegen, der diese Meine Worte hört und tut sie nicht, ist einem törichten Manne zu vergleichen, der sein Haus auf den Sand baute; und da der Platzregen fiel und die Stürme kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es und tat einen großen Fall" (MAtth.7,24-27).Alles was hier von den Predigern und Priestern gesagt worden ist, welche in den Lehren der Kirche, die "Vorgesetzten" oder Häupter genannt werden, "welche die Dinge zu verwalten haben, die zum Göttlichen Gesetz und zum Gottes-dienste gehören" (N.J.319), gilt auch für alle Andere, welche Herrschaft und Autorität in der Kirche ausüben, und bezieht sich daher in besonderer Weise auf die allgemeinen regierenden Körperschaften der Kirche, welche Konventionen und Konferenzen genannt werden.Diese Körperschaften sind, sofern sie "die Dinge, welche zum Göttlichen Gesetz und zum Gottesdienste gehören", verwalten, ebenso sehr den Lehren der Kirche (N.J.315), die aus dem Worte geschöpft sind, unterworfen, wie die Prediger und Priester es sind; und wenn sie diese Lehren verletzen, oder ihre eigene Lehre an deren Stelle setzen, sind sie eben so sehr zu tadeln wie die Prediger, wenn diese die Lehren verletzen.Der Wille des Menschen, ob er nun der eines einzelnen Predigers, oder der einer Majorität von Predigern und Laien ist, welche in einer Konvention versammelt

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sind, gilt absolut gar nichts in Sachen "des Göttlichen Gesetzes und des Gottes-dienstes". Der Wille des Menschen, der nicht durch die unfehlbare Göttliche Lehre geleitet wird, kommt von unten und nicht von oben. Die Kirche ist daher im Unrecht, wenn sie sich davon leiten läßt.Prediger und Konventionen oder Konferenzen der Kirche bestätigen aber die Wahrheiten ihrer Behauptungen in Sachen des "Göttlichen Gesetzes und des Gottesdienstes", wenn sie zeigen, daß ihre Lehren und ihre Verordnungen mit der Göttlichen Lehre übereinstimmen, oder dadurch, daß sie ihre eigenen Lehren und Verordnungen ausschließlich auf diese Lehre gründen. Denn die menschli-che Vernunft ist, wie wir wiederholt gezeigt haben, gänzlich unfähig aus sich selbst, das was Recht und was Unrecht ist, in Sachen der Kirche, d.h. im Reiche des Herrn, zu bestimmen.Viel Unheil ist dadurch schon angerichtet worden, daß man dasselbe Verfahren, das in politischen Versammlungen vorherrscht, auch bei den beratenden und verwaltenden kirchlichen Versammlungen eingeführt hat. Die endgültige Auto-rität unserer Kirche liegt nicht in Menschen, sondern in den Lehren des innern Sinnes des Wortes, welche der Herr bei Seiner Zweiten Ankunft geoffenbart hat. Und wiederum, ist die Autorität unserer Kirche den Menschen zuerteilt, aber nur insofern als sie sich von diesen Lehren leiten und regieren lassen. Majoritäten können deshalb wohl in politischen Versammlungen und auch in Kirchenkör-pern regieren und ihre Beschlüsse ausführen, solange sie nicht gesetzgebend in Sachen des "Göttlichen Gesetzes und des Gottesdienstes" auftreten. Bei allen Fragen aber, welche den innern und den äußern Gottesdienst betreffen (siehe Kap. I, Nr. 4), kommt der Wille der Majorität, sofern er dem Geiste und dem Buchstaben der Lehren des Wortes entgegengesetzt ist, von unten her und kann deshalb nicht erwarten, in der Kirche mehr und fortdauernder beachtet zu wer-den, als das Falsche der Hölle erwarten kann, fortdauern die Kirche des Herrn auf Erden zu regieren.Der Wille des Menschen ist von Natur aus immer feindlich dem Willen Gottes entgegen gesetzt, weshalb man sich bei Errichtung der Kirche des Herrn auf Erden keineswegs auf den Willen der Menschen verlassen darf, sondern nur auf die Lehren der Kirche. Und wehe den Predigern oder Priestern, die bei der Aus-übung der pflichten ihres Berufes sich auf Menschen stützen und nicht auf Got-tes Wahrheit; denn in Bezug auf sie lesen wir: "Nun siehe, du verlässest dich auf die Stütze des zerstoßenen Rohres da, auf Ägypten; wer auf das sich stützt, dem fährt es in die Hand und durchsticht sie; so tut Pharao, Ägyptens König, Allen, die auf ihn sich verlassen" (2.Kön.18,21).Wenn gefragt wird: Was ist die Pflicht der Kirche, nicht nur in Bezug auf die Lehren, welche ihre Prediger zu lehren haben, sondern auch in Bezug auf die in Form von Verordnungen verfaßten Beschlüsse ihrer beratschlagenden Ver-sammlungen? So erklären wir, daß diese Pflicht in Kapitel VIII, Nr. 169,

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deutlich gelehrt wird; welche Stelle wir der Bequemlichkeit wegen, ganz hierher setzen:"Zuerst muß man die Lehren der Kirche erlernen und dann aus dem Worte erfor-schen, ob sie wahr sind; denn sie sind nicht deshalb schon wahr, weil die Vorste-her der Kirche so gesagt haben, und ihre Anhänger sie bestätigen; denn sonst müßte man die Lehren aller Kirchen und Religionen als Wahrheiten anerkennen, bloß in Folge der Heimat und der Geburt eines Jeden; somit wären nicht nur die Lehren der Päpstlichen und der Quäker wahr, sondern auch die der Juden und der Mohammedaner, weil ihre Vorsteher so gesagt haben und ihre Anhänger es bestätigen. Hieraus erhellt, daß man das Wort erforschen und daraus ersehen muß, ob jene Lehren Wahrheiten sind; und wenn dies aus der Neigung zum Wahren geschieht, dann wird der Mensch vom Herrn erleuchtet, daß er, er weiß nicht wie, innerlich fühlt was wahr ist, und wird darinnen, gemäß dem Guten, in dem er ist, bestärkt; wenn diese Wahrheiten von den Lehren abweichen, dann hüte er sich Störungen in der Kirche hervorzurufen" (H.G.6047).Hier wird dem Gliede der Kirche vorgeschrieben, die Lehrbestimmungen seiner Kirche im Lichte des Wortes zu untersuchen. Unter den Lehrbestimmungen der Kirche werden hier einerseits diejenigen verstanden, welche von den Predigern gelehrt werden, und anderseits, alle solche Verordnungen in Sachen der Lehre und des Gottesdienstes, wie sie von Konventionen und Konferenzen der Kirche angenommen werden.Diese Lehren sind nicht darum schon wahr, weil sie von den Predigern auf den Kanzeln gepredigt werden; noch sind die Verordnungen deshalb wahr, weil sie die Kirchenversammlungen durch Stimmenmehrheit als solche erklärt haben. Es sei denn, daß gezeigt werden kann, daß diese Lehren und Verordnungen mit den Lehren des innern Sinnes, und somit auch mit dem Gesetz unserer Kirche har-monieren, so haben die Prediger kein Recht zu erwarten, daß ihre Lehren von den Leuten angenommen werden, noch haben die Konventionen und Konferen-zen ein Recht zu erwarten, daß ihre Regulationen von der Kirche respektiert werden.Doch lesen wir in den oben angeführten Stelle: wenn ein Glied der Kirche fin-det, daß "das Wahre, wie er es im Worte entdeckt", d.h. in den endgültigen Leh-ren des innern und äußern Sinnes des Wortes, "von den Lehren abweicht, dann hüte er sich Störungen in der Kirche hervorzurufen."Sollten die Glieder der Kirche daher eine Verschiedenheit zwischen den Lehren des innern und äußern Sinnes des Wortes, wie sie sie wahrnehmen, und den Lehren ihres Predigers oder den Verordnungen ihrer Konventionen und Konfe-renzen finden, dann laß sie Vorsicht üben, damit sie, wenn sie darauf aufmerk-sam machen, "keine Störungen in der Kirche hervorrufen," oder mit andern Worten, damit sie die Verrichtungen der Geistlichen und der General-Konven-tion oder Konferenz in ihrer Mitte nicht verletzen. Wenn sie auf solche Abwei-chungen aufmerksam machen, müssen die Glieder der Kirche "klug sein wie die

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Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben" (Matth.10,16).Aus diesem kann erhellen, wie sehr wichtig es ist, daß nicht nur die Prediger der Kirche, sondern auch die Glieder unserer allgemeinen Kirchenkörper, durch ein wahres Verständnis der Lehren unserer Kirche geleitet werden.Was die Geistlichen betrifft, so sorgt die Kirche durch die Errichtung von pas-senden theologischen Seminarien dafür, daß ihre Geistlichen zum echten Ver-ständnis ihrer Lehren erzogen werden. Und unsere Konventionen und Konferen-zen sorgen für ein richtiges Verständnis der Lehren unserer Kirche unter den Gliedern derselben, indem sie alle Punkte, welche Beziehung auf "das Göttliche Gesetz und den Gottesdienst" haben, einem Komitee, bestehend aus den gelehr-testen und erfahrensten Geistlichen, unterwerfen. Diese Punkte werden einem solchen Komitee jedoch nicht unterworfen, damit dasselbe sie endgültig fest-setze, sondern zur vorläufigen Untersuchung derselben im Lichte der Lehren unserer Kirche. Dieses Komitee soll in der Tat angehalten werden, das Gesetz der Kirche in solchen Punkten zu erklären; und nachdem das Gesetz, durch die-ses Komitee, aus den Lehren der Kirche ergründet worden ist, sollen diese Punkte von demselben an die General-Konferenz oder Konvention zur endgülti-gen Verhandlung darüber zurück gegeben werden.Das dies der ordnungsmäßige Gang ist, wie er von den allgemeinen Kirchenkör-pern bei ihrer Verordnungen über Punkte des "Göttlichen Gesetzes und des Got-tesdienstes", eingehalten werden sollte, wird durch den folgenden Auszug aus einem Briefe Swedenborgs, im Jahre 1770, an die schwedischen Universitäten zu Uppsala, Lund und Abo, klar bewiesen:(197.) "Es ist mir von zwei Herren des geheimen oder vollziehenden Rates mit-

geteilt worden, daß die geheimen Räte oder Senatoren der "pontifex maximus" [Papst] seien, auf welches ich zur Zeit keine Antwort gab. Sollte ich noch solche Behauptungen von ihnen hören, so würde ich ant-worten, daß sie keineswegs der "pontifex maximus" seien, sondern "vicarius vicarii pontificis maximi"; denn Jesus Christus unser Heiland ist der einzige »Pontifex Maximus«; die verschiedenen Häuser des Königreiches sind Sein "vicarius", weshalb sie Ihm verantwortlich sind, und die geheimen Räte oder Senatoren sind die vicarii der Häuser des Königreiches, weil diese durch jene ernannt werden, und sie somit der "vicarius vicarii pontificis maximi" sind. Daß der Papst zu Rom sich "pontifex maximus" nennt, ist Anmaßung, weil er alle Macht Christi unseres Heilandes an sich genommen und sich auf Seinen Thron gesetzt hat, und die Leute glauben macht, er sei Christus auf Erden. Jeder niedri-gere "pontifex" oder "vicarius pontificis maximi" sollte sein Konsisto-rium haben. Die Häuser des Königreiches haben ihr Konsistorium in dem Hause der Geistlichen, und der geheime Rat hat sein Konsistorium besonders in den Universitäten."

Aus diesem Brief geht hervor, daß:

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Erstens: "Jesus Christus der Pontifex Maximus", oder die höchste Autorität in der Kirche ist. Der Herr wird jedoch der höchste Herrscher der Kirche, wenn wir Sein Wort und die Lehren des Innern Sinnes, welche Er bei Seiner Zweiten Ankunft geoffenbart hat, als Gesetz, und somit als höchste Autorität in der Kir-che achten.Zweitens: Unsere General-Konventionen und Konferenzen sind der "vicarius pontificis maximi", und ist somit die Kirche, wenn sie in Konvention versam-melt ist, hierdurch autorisiert als Stellvertreter des Herrn oder Sein "vicarius" in der Welt zu handeln. Es ist bemerkenswert, daß Swedenborg hier nicht die Pre-diger oder das Haus der Geistlichen als den "vicarius pontificis maximi" bezeichnet, sondern alle vier Häuser des schwedischen Landtages, nämlich: das der Bauern, das der Bürger, das der Geistlichen und das der Edelleute; und das er somit einen gemischten Körper von Laien und Predigern, so wie es bei unse-rer amerikanischen Konvention und unserer englischen Konferenz der Fall ist, für die höchste Gewalt in der Kirche erklärt, unter dem Herrn Jesus Christus, d.h. unter Seinem Göttlich-Wahren, welches im Worte Gottes geschöpft sind, enthalten ist. Swedenborg wiederholt dieselbe Darstellung der Sache an seinen Freund Robsahm, in folgenden Worten: "Das Haus der Geistlichen ist nicht der einzige Richter in Sachen der Religion, insofern die Religion auch den Häusern angehört" (siehe "Documents" [Urkunden] zc., Band I, S. 38).*(*) Siehe auch Band II, S. 355, wo Swedenborg zeigt, daß "die theologischen Dinge auch vor die andern Häuser gehören.")

Drittens: Der vollziehende Rat (oder das Exekutiv-Komitee) der Konvention oder Konferenz, welcher potentiell das ganze Jahr hindurch in Sitzung ist, und welcher wiederum ein gemischter Körper von Laien und Predigern sein muß, ist der "vicarius vicarii pontificis maximi", weil er von dem allgemeinen Kirchen-körper ernannt wird. Er ist diesem Körper verantwortlich, weil er von ihm ernannt wurde und er handelt unter denselben Gesetzen, denen der allgemeine Kirchenkörper Treue geschworen hat.Viertens: "Jeder niedere "pontifex" oder "vicarius pontificis maximi" sollte sein Konsistorium haben." Unter dem Konsistorium wird hier ein allgemeines bera-tendes Komitee von Geistlichen verstanden, dessen Pflicht es ist, das Gesetz der Kirche, d.h. die Belehrung in den Lehren des innern Sinnes zu erklären; in allen Fragen über das "Göttliche Gesetz und den Gottesdienst", welche der General-Konvention oder der Konferenz, oder dem vollziehenden Komitee derselben, zur Schlichtung übergeben werden. Die Prediger der Kirche sind daher nicht nur Glieder der allgemeinen Konferenz und Konvention und des vollziehenden Rates, sondern sie sollen auch eine ratgebende Behörde der Konventionen und Konferenzen der Kirche bilden, welcher alle Punkte über "das Göttliche Gesetz und den Gottesdienst", oder über innerlichen und äußerlichen Gottesdienst unterbreitet werden sollten. Die ratgebende Behörde des vollziehenden Rates jedoch, sollte nach Swedenborg aus den Professoren der theologischen Semina-rien bestehen.

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Dieser Plan der allgemeinen Organisation der Neuen Kirche wird uns von Swe-denborg selbst zur Überlegung übergeben; und wir fordern die Brüder in der Kirche hiermit ernstlich auf, diesen Plan ernstlich in Betracht zu ziehen, ihn anzunehmen und fortwährend darnach zu handeln; denn nur auf diese Weise, und auf keine andere, werden wir im Stande sein, die Wahrheit des Herrn als Gesetz unserer Kirche festzustellen, und nur so wird die Kirche der selbstischen Herrschsucht der Menschen, ob nun Laien oder Priester, entgehen.Wenn nun schließlich gefragt wird: Wie ist mit den Menschen der Neuen Kirche zu verfahren, welche den Lehren des innern Sinnes, wie diese in den theologi-schen Schriften Emanuel Swedenborgs enthalten sind, die Anerkennung als oberstes Gesetz der Kirche verweigern? So antworten wir, daß in dieser Bezie-hung die Laien verschieden von den Priestern gestellt sind.Wenn zum Beispiel, Jemand die deutliche Lehre unserer Kirche leugnet, daß der Herr in und durch die von Seinem Diener Emanuel Swedenborg, herausgegebe-nen Lehren des Neuen Jerusalems, Seine Zweite Ankunft bewerkstelligt hat (siehe Kap. II, Nr. 6), so ist er in Bezug auf diese Lehre in der Leugnung des Wahren, und ist mehr oder weniger im entgegengesetzten Falschen begründet, daß nämlich diese Lehren nur ein geistiges Erzeugnis Emanuel Swedenborgs seien. Auf solche Menschen, wenn sie Laien sind, ist die folgende Lehre der Kirche anzuwenden: "Wer anders glaubt als der Priester, und keine Unruhen erregt, soll in Frieden gelassen werden; wer aber Unruhen erregt, soll entfernt werden; denn auch dies gehört zur Ordnung, wegen welcher das Priestertum besteht" (NJ.318). Wenn eine solche Person ein Prediger ist, so ist die folgende Lehre auf seinen Fall anzuwenden: "Es ist der Göttlichen Ordnung gemäß, daß der Neue Himmel früher gebildet wird, als die Neue Kirche auf Erden. … Inwie-weit dieser Neue Himmel, welcher das Innere der Kirche bei dem Mensch aus-macht, wächst, insoweit steigt aus dem Himmel das Neue Jerusalem, das ist, die Neue Kirche herab; daher dies nicht in einem Augenblick geschehen kann, son-dern in dem Maße geschieht, wie das Falsche der vorigen Kirche entfernt wird; denn das Neue kann da keinen Eingang finden, wo das Falsche zuvor eingezeugt worden ist, es wäre denn, daß dieses ausgerottet werde, was bei der Geistlichkeit geschehen soll, und durch sie bei den Laien" (W.C.R.784).Aus dieser Stelle geht hervor, daß das Neue Jerusalem insoweit aus dem Him-mel herabsteigt, als das ihm entgegengesetzte Falsche "bei der Geistlichkeit, und durch sie bei den Laien ausgerottet wird"; und es folgt ferner daraus, daß die Neue Kirche auf Erden durch die Geistlichkeit errichtet werden wird. Wenn nun die Geistlichen der Neuen Kirche Lehransichten bekennen und lehren, welche den klaren Lehren unserer Kirche entgegen sind, so bekennen und lehren sie Falsches, und hindern somit mehr oder weniger das Herabsteigen des Neuen Jerusalems aus dem Himmel, und verursachen dadurch Unordnung und Streitig-keiten in der Kirche, weshalb Hindernisse und "Unruhe" verursachende Prediger ebenfalls entfernt werden müssen.

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Der Gefahren, welche die Neue Kirche des Herrn bedrohen, sind viele und ver-schiedene; denn die Mächte der Finsternis suchen immer den Aufbau des Rei-ches Gottes auf Erden zu verhindern. Niemand versteht die Macht des Göttlich-Wahren des Herrn besser als die bösen Geister; und es ist ihnen wohl bekannt, daß da wo man das Göttlich-Wahre als endgültige Autorität anerkennt, ihre eigene Macht gebrochen und vernichtet ist (siehe Nr. 145). Viel und mannigfal-tig sind daher die Mittel und Ausflüchte, welche sie gebrauchen um das Gött-lich-Wahre bei den Gliedern der Neuen Kirche zu schwächen; wie wir lesen: "Es werden falsche Christus und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, sodaß, wenn es möglich wäre, sie selbst die Auserwählten irre führen möchten", d.h. diejenigen, unter welchen der Herr Seine Neue Kirche aufrichtet. Der Glaube der Neukirchenglieder ist daher niemals sicher, er sei denn auf die Erkenntnis gegründet, daß der Herr seine Zweite Ankunft in den Werken und vermittelst derselben bewerkstelligt hat, welche Er durch Seinen Diener Emanuel Swedenborg, geschrieben hat (Nr. 10); daß diese Werke des-halb von Göttlicher und nicht von bloß menschlicher Autorität sind; und daß keine scheinbaren Widersprüche oder andere äußerlichen Fehler im Texte dieser Werke deren Göttliche Autorität beeinträchtigen können.Es erfordert mut, um die berechtigte Forderung des Grundsatzes auszuführen, daß der Herr Seine Zweite Ankunft durch die Schriften der Neuen Kirche gemacht, und daß sie deshalb mit göttlicher Autorität zu uns kommen und das Wesen der Unfehlbarkeit annehmen. Dieser Mut fehlt jedoch zuweilen manchen Neukirchengliedern, die sonst tapfer sind und beweisen, daß sie Gott mehr fürchten als die Menschen. In der Erhebung ihres vernünftigen Denkens, wenn sie aus den Lehren unserer Kirche sprechen oder lehren, erkennen sie an, daß der Herr Seine Zweite Ankunft durch die Instrumentalität Swedenborgs bewirkt hat. Somit glauben sie in abstrakter Weise und legen Vordersätze zu Grunde, die, wenn sie zur logischen Schlußfolgerung ausgeführt werden, die Unfehlbar-keit für die Schriften, welche der Herr durch Swedenborg schrieb und veröffent-lichte, verlangen; wenn sie aber aus ihrem Vernünftigen Denken wieder in ihr natürliches herabsteigen und diesen Schriften gegenüber gestellt werden, welche die natürliche Verkörperung der Lehre des Herrn über Seine Zweite Ankunft sind, und besonders, wenn das Denken ihres natürlichen Menschen ihnen scheinbare Widersprüche in diesen Schriften zeigt, oder Verschiedenheiten zwi-schen ihren Lehren und der Naturwissenschaft entdeckt, dann steigen Zweifel in ihrem Gemüte auf und ihr Glaube gleicht dem des Petrus, welcher taumelte und sank, als er keinen Glauben mehr an die Göttliche Autorität und somit nicht mehr an die Unfehlbarkeit des Göttlich-Wahren hatte, d.h. an den Herrn Selber, der das Göttlich-Wahre im Fleische war.Der Zweck dieses Werkes ist, die Lehre von der Zweiten Ankunft des Herrn, wie diese in den Schriften der Neuen Kirche gelehrt wird, gegen die sinnlichen Vernünfteleien des natürlichen Menschen, wodurch die Göttliche Autorität und somit die Unfehlbarkeit dieser Schriften, in welchen und durch welche der Herr

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Seine Zweite Ankunft bewerkstelligt hat, entkräftet und geleugnet wird, zu schützen und zu verteidigen.Wir möchten hiermit die Hoffnung ausdrücken, daß wir unsern Zweck erreicht haben, und daß unsere Arbeit die Überzeugung in den Gemütern der Glieder der Neuen Kirche stärken möge, daß der Herr wirklich Seine Zweite Ankunft durch die Schriften der Neuen Kirche gemacht hat, und daß wir in diesen Schriften einen unfehlbaren Maßstab und eine Richtschnur der Wahrheit haben, und zugleich in ihnen ein höchstes Gesetz besitzen, welches alle Glieder der Kirche anerkennen können, ohne im Geringsten ihre Freiheit und Vernünftigkeit aufge-ben zu müssen. Möge unser Werk sein Teil dazu beitragen, daß die Neue Kirche des Herrn auf Erden aufgebaut werde!

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Anhang – Die Ankunft des Herrn

Swedenborg über die Ankunft des Herrn

Während dieses Buch durch die Presse ging, wurde eine Entdeckung von großer Wichtigkeit gemacht, die den Grundsatz, welchen wir auf den vorstehenden Sei-ten, aus den Schriften der Neuen Kirche zu begründen gesucht, beweisen muß, wenigstens in den Augen derer, die das Zeugnis Swedenborgs annehmen.In Nr. 13, Seite 19, ist der folgende Satz verzeichnet, den Swedenborg in einem "Entwurf der Geschichte der Neuen Kirche" aufgestellt (in den durch Photo-Lithographie hergestellten MSS., Band VIII, S. 1); "Auf alle meine Bücher in der geistigen Welt war geschrieben: Die Ankunft des Herrn (Adventus Domini). Dasselbe schrieb ich auch, auf Befehl, auf zwei Exemplare in Hol-land."Eins dieser Exemplare ist kürzlich entdeckt worden; es trägt folgende Auf-schrift:

HIC LIBER EST ADVENTUS DOMINI

(2513) (A.R.623)

SCRIPTUM EX MANDATO

(4535, 6895) (8427, p. 19)

(Dieses Buch ist die Ankunft des Herrn, geschrieben auf Befehl.)

Die Hinweisung auf A.R.626 ist nicht in der Handschrift Swedenborgs geschrie-ben, sondern in der eines spätern Eigentümers oder Lesers des Buches. Der Titel dieses Werkes ist: "Sumaria Expositio Doctrinae Novae Ecclesiae" (Kurze Dar-stellung der Lehre der Neuen Kirche), und die Aufschrift ist auf den ursprüngli-chen Umschlag geschrieben. Es sind vier Werke, alle lateinische Originalausga-ben in einen Band zusammengebunden, nämlich: (1.) Swedenborgs Brief an den Ehrw. J. Hartley, seine »Autobiographie« enthaltend; (2.) »Der Verkehr zwi-schen Seele und Leib«; (3.) »Kurze Darstellung der Lehre der Neuen Kirche« (obige Aufschrift enthaltend); und (4.) »Die Wahre Christliche Religion«. Die beiden ersteren wurden im Jahr 1769 zu London, und die beiden letzteren zu Amsterdam in den Jahren 1769 und 1771 respektive herausgegeben. Dieser Band, welcher ohne Zweifel einst zu Swedenborgs eigener Bibliothek gehörte, ist jetzt das Eigentum des Herrn James Speirs, 36 Bloomsburg Straße, in Lon-don.

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Der obige Satz bedarf keiner Bemerkung, da er in so vielen Worten erklärt, daß der Herr in und durch die Bücher, welche von Swedenborg geschrieben wurden, Seine Zweite Ankunft in diese Welt gemacht hat. Sie sind daher die Werke des Herrn, und nicht Swedenborgs, und kommen somit mit einer Göttlichen, und nicht bloß mit einer menschlichen Autorität zu uns. Und, da ferner "die Ankunft des Herrn" auf allen Büchern Swedenborgs in der geistigen Welt geschrieben ist, und da er keinen Unterschied zu Gunsten derjenigen Bücher macht, die er selbst herausgegeben, so folgt, daß der Herr Sein Kommen auch durch das »Geistige Tagebuch«, die »Erklärte Offenbarung«, und alle die andern Bücher machte, welche in dieselbe Kategorie mit diesen Werken gehören. Dies ist also das Zeugnis, das Swedenborg selbst gibt, nicht nur in Bezug auf die "Lehren", welche in diesen Schriften enthalten sind, sondern auch in Bezug auf die Gleich-heit der Bücher die er geschrieben hat; denn er erklärt ausdrücklich, daß die Bücher selbst das Kommen des Herrn ausmachen ; und sagt ferner, daß er die obige Aufschrift auf Göttlichen Befehl geschrieben habe.Lasset uns nun die Stellen untersuchen, welche diesem wichtigen Satze beige-fügt, und die alle aus den »Himmlischen Geheimnissen« genommen sind.(1.) "Daß das Kommen Gottes ein Innewerden bedeutet, ist klar, denn das

Innewerden ist nichts Anderes als ein Göttliches Kommen oder Einflie-ßen in das Verstandesvermögen" (A.C.2513).

Wenn diese Stelle in Verbindung mit der Inschrift, die sie erläutern und begrün-den soll, gelesen wird, so lehrt sie, daß der Herr Seine Zweite Ankunft in Swe-denborgs Verstandesvermögen machte und Er ihm dadurch die Gabe des Inne-werdens mitteilte; und ferner, daß Swedenborg unter dem Einfluß dieses Inne-werdens alle die Bücher schrieb, in und durch welche der Herr Sein Zweites Kommen in diese Welt bewerkstelligte. Daß aber des Herrn Ankunft, die zuerst in Swedenborgs Verstandesvermögen gemacht wurde, und ihm das Innewerden mitteilte, auch in die Bücher, die er schrieb, fortgesetzt wurde, ist dadurch bewiesen, daß "auf alle seine Bücher in der geistigen Welt geschrieben war: "Die Ankunft des Herrn", und daß dieses auf Befehl, auch auf zwei Exemplare in Holland geschrieben wurde." Die obige Aufschrift dient daher als ein Göttli-ches Siegel, welches Swedenborg als der Diener des Herrn Befehl erhielt, diesen Büchern aufzudrücken, und durch welches er den Gliedern der Neuen Kirche des Herrn, für welche diese Bücher geschrieben wurden (siehe Nr. 161), erklä-ren sollte, daß sie des Herrn und nicht Swedenborgs Bücher sind. Die obige Stelle ist, unseres Wissens, nie zuvor gebraucht worden, um das Wesen der Ankunft des Herrn in Verbindung mit dem Zustande der Inspiration Sweden-borgs zu erklären.(2.) "Diejenigen, welche einigermaßen Glauben an den innern Sinn haben,

können deutlich sehen, daß durch den Neuen Himmel und die Neue Erde, eine Neue Kirche verstanden wird, welche folgen wird, wenn die erste vergeht (man sehe Nr.1733, 1850, 3355); und daß der Himmel das

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Innere und Erde das Äußere derselben bezeichnet. Diese letzte Zeit der früheren Kirche und die erste Zeit der Neuen Kirche ist es, welche auch die Vollendung des Weltalters genannt wird, von welcher der Herr bei Matthäus, Kap. 24, geredet hat, und Seine Ankunft, weil dann der Herr Sich entfernt von der früheren Kirche und zur Neuen kommt" (A.C.4335).

In dieser Stelle wird die Fortsetzung dessen, was vorhergeht, beschrieben; denn nachdem der Herr Seine Ankunft in Swedenborgs Verstandesvermögen gemacht, und "durch ihn" (Nr. 10, Seite. 17) die Bücher geschrieben hatte, auf welche in der geistigen Welt "die Ankunft des Herrn" geschrieben wurde, grün-dete Er, vermöge der Lehren, welche in diesen Büchern enthalten sind, auf Erden eine Neue Kirche, "welche der früheren folgen wird, wenn diese vergeht". Und das Vergehen der früheren Kirche von welcher "der Herr Sich dann ent-fernt", wie auch die Gründung der Neuen Kirche, zu welcher "der Herr dann kommt", wird auch unter der Ankunft des Herrn verstanden. Über fernere Ein-zelheiten, in Bezug auf die Gründung der Neuen Kirche, welche "das Neue Jeru-salem genannt werden wird", und "zu der Diejenigen der früheren Kirche einge-laden werden", siehe Nr. 160, S. 203.(3.) "Unter der Ankunft des Herrn wird die Anerkennung in den Herzen

durch Liebe und Glauben verstanden (man sehe 3353, 3900); so auch Seine Offenbarung (apparitio) aus dem Worte, dessen inwendigster oder höchster Sinn vom Herrn allein handelt (Nr. 4060); dieses Kommen wird unter dem Kommen des Herrn verstanden, welches alsdann stattfindet, wenn die Alte Kirche verworfen und eine Neue vom Herrn hergestellt wird" (A.C.6895).

Hier ist das Kommen des Herrn zum einzelnen Menschen beschrieben; denn wir lernen, daß unter der Ankunft des Herrn "Seine Anerkennung im Herzen durch Liebe und Glauben verstanden wird". Wir lernen auch, daß "die Neue Kirche vom Herrn hergestellt wird, wenn die Alte Kirche verworfen wird"; woraus folgt, daß, um die Neue Kirche vom Herrn im Herzen durch Liebe und Glauben herzustellen, die Alte Kirche, d.h. das Falsche und Böse, welches die Alte Kir-che bildet, zuerst verworfen werden muß, und ferner, daß nur insoweit als die Menschen die "Alte Kirche verwerfen", der Herr eine Neue Kirche unter ihnen herstellen kann.(4.) "Und er zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, herabsteigend

aus dem Himmel von Gott, die da hatte die Herrlichkeit Gottes; und die Stadt bedarf nicht der Sonne, noch des Mondes, daß sie in ihr leuchten, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm (Offenb. 21,10.11.23). Hier bedeutet die Herrlichkeit Gottes offenbar das Licht vom Herrn, welches das von Ihm ausgehende Gött-lich-Wahre ist, somit die Gegenwart des Herrn, denn in dem Wahren, welches vom Herrn ausgeht, ist Er gegenwärtig … Daß die Herrlichkeit

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Jehovahs Seine Gegenwart bedeutet, erhellt auch bei 4. Mose 14,21. "So wahr Ich lebe und die Herrlichkeit Jehovahs die ganze Erde erfüllen wird;" wo unter der Herrlichkeit Jehovahs die Ankunft des Herrn und die Erleuchtung durch das Göttlich-Wahre, welches von Ihm ist, verstanden wird" (A.C.8427, p.19).

Hier wird die endliche Wirkung der Ankunft des Herrn beschrieben, wo, wie wir lesen, sie die Gegenwart des Herrn und die Erleuchtung durch das Göttlich-Wahre bewirkt. Dies ist die Wirkung des Kommens des Herrn bei Denen, wel-che die Wahrheit in den Werken Swedenborgs, auf die in der geistigen Welt "die Ankunft des Herrn" geschrieben ist, in sich aufnehmen; und welche, durch diese Wahrheit erleuchtet, das Böse und Falsche der Alten Kirche verwerfen und den Herrn in ihrem Herzen, "durch Glauben und Liebe" anerkennen. Diese und keine Andere sind fähig, den Herrn in Seiner Herrlichkeit zu sehen, und durch Seine Gegenwart erleuchtet zu werden, wie dies deutlich aus Nr. 161, S. 205, hervorgeht.

——— * ———[VH-LIF / 2009]

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