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Forschungsgeschichte und Entwicklung der Denkmalpflege in Baden-Baden Die Beschäftigung mit der römischen Vergangen- heit Baden-Badens setzte bereits in der Zeit des Humanismus ein, vor allem inspiriert durch die zahlreichen Inschriftensteine. Ein wichtiger Mark- stein war das Jahr 1804, als die Antiquitäten- oder Altertumshalle, das so genannte „Museum Paleotechnikum“, ein Hallenbau nach den Plänen 235 1 Die Altstadt von Baden- Baden zwischen „Battert“ und „Merkur“. Baden-Baden, Vorort der Civitas Aquae Aureliae Brennpunkt „Soldatenbäder“ – ein neu gestaltetes museales Kleinod für die Kur- und Bäderstadt Aquae, das antike Baden-Baden, gehörte zu den blühendsten Siedlungen im rechtsrheinischen Gebiet der Provinz Obergermanien (Germania superior). Die römische Stadt entwickelte sich im Umkreis der heilkräftigen Thermal- quellen, die dem Gemeinwesen wirtschaftliche Blüte und besonderes Ansehen verliehen. Zahlreiche Funde, vor allem die eindrucksvollen Ruinen römischer Badeanlagen, die in der Altstadt ergraben wurden, bezeugen die heraus- ragende Stellung des römischen Aquae. Wahrscheinlich wurden die Thermal- quellen bereits in vorrömischer Zeit genutzt. Bis heute jedenfalls haben sie ihre große Bedeutung für die Kurgäste Baden-Badens nicht verloren. Die römische Siedlung erstreckte sich, wie auch der Kernbereich der heutigen Stadt, nördlich der Oos, zwischen „Battert“ und „Staufenberg“ im Norden sowie „Fremersberg“ und „Iberst“ im Süden. Charakteristisch für die Anlage der römischen wie auch der modernen Stadt sind die Hangterrassen, die sich besonders gut im Bereich der Stiftskirche und der Kurbäder nachvollziehen lassen. Im Süden, zwischen der Sophien-, Stefanien- und Rettigstraße prägt das Plateau des „Rettig“ die Landschaft, das nicht nur für die römische Be- setzung, sondern auch für die nachfolgende „stadtartige Siedlung“ (vicus), den Vorort der Civitas Aquensis Aureliae, von größter Bedeutung war. Petra Mayer-Reppert / Britta Rabold

Baden-Baden, Vorort der Civitas Aquae Aureliae Brennpunkt

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Forschungsgeschichte und Entwicklungder Denkmalpflege in Baden-Baden

Die Beschäftigung mit der römischen Vergangen-heit Baden-Badens setzte bereits in der Zeit des

Humanismus ein, vor allem inspiriert durch diezahlreichen Inschriftensteine. Ein wichtiger Mark-stein war das Jahr 1804, als die Antiquitäten-oder Altertumshalle, das so genannte „MuseumPaleotechnikum“, ein Hallenbau nach den Plänen

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1 Die Altstadt von Baden-Baden zwischen „Battert“und „Merkur“.

Baden-Baden, Vorort der Civitas Aquae AureliaeBrennpunkt „Soldatenbäder“ – ein neu gestaltetes museales Kleinod für die Kur- und Bäderstadt

Aquae, das antike Baden-Baden, gehörte zu den blühendsten Siedlungen im rechtsrheinischen Gebiet der Provinz Obergermanien (Germania superior).Die römische Stadt entwickelte sich im Umkreis der heilkräftigen Thermal-quellen, die dem Gemeinwesen wirtschaftliche Blüte und besonderes Ansehenverliehen. Zahlreiche Funde, vor allem die eindrucksvollen Ruinen römischerBadeanlagen, die in der Altstadt ergraben wurden, bezeugen die heraus-ragende Stellung des römischen Aquae. Wahrscheinlich wurden die Thermal-quellen bereits in vorrömischer Zeit genutzt. Bis heute jedenfalls haben sieihre große Bedeutung für die Kurgäste Baden-Badens nicht verloren.Die römische Siedlung erstreckte sich, wie auch der Kernbereich der heutigenStadt, nördlich der Oos, zwischen „Battert“ und „Staufenberg“ im Nordensowie „Fremersberg“ und „Iberst“ im Süden. Charakteristisch für die Anlageder römischen wie auch der modernen Stadt sind die Hangterrassen, die sichbesonders gut im Bereich der Stiftskirche und der Kurbäder nachvollziehenlassen. Im Süden, zwischen der Sophien-, Stefanien- und Rettigstraße prägtdas Plateau des „Rettig“ die Landschaft, das nicht nur für die römische Be-setzung, sondern auch für die nachfolgende „stadtartige Siedlung“ (vicus),den Vorort der Civitas Aquensis Aureliae, von größter Bedeutung war.

Petra Mayer-Reppert / Britta Rabold

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Friedrich Weinbrenners, auf dem Gelände des„alten Dampfbades“, nordöstlich der Stiftskir-che, errichtet wurde. Damit war die Basis einerfrühen wissenschaftlichen Auseinandersetzungmit der römischen Geschichte Baden-Badens ge-schaffen.Doch bereits nach nur 42 Jahren musste die An-tiquitätenhalle dem Neubau eines Dampfbades(das jetzige „alte Dampfbad“) weichen. Bei ihremAbriss kamen erstmals zusammenhängende Teileder römischen Thermenanlagen zum Vorschein.Der 1843 gegründete „Alterthumsverein für dasGroßherzogtum Baden“ unterstützte die nach-folgenden Ausgrabungen maßgeblich. Bedauerli-

cherweise löste sich der Verein nach kurzer Blütewieder auf. Die Baden-Badener Fundbeständegelangten in die „Großherzogliche Sammlungvaterländischer Alterthümer“ nach Karlsruhe.Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden wiederumfangreichere Baubeobachtungen und Fundber-gungen auf Initiative von Stadtrat und Druckerei-besitzer Stanislaus Kah (16. 7. 1842– 4. 9. 1922)vorgenommen. Nach Kahs Tod folgten überwie-gend nur kleinräumige Notbergungen.Besonders in den 60er und 70er Jahren des 20.Jahrhunderts erreichte die unbeobachtete Zerstö-rung archäologischer Substanz leider große Aus-maße.Seit den 1980er Jahren jedoch gehört Baden-Ba-den zu den Schwerpunkten der archäologischenDenkmalpflege. Dadurch waren unter anderemdie mehrjährigen Ausgrabungen auf dem „Ret-tig“ möglich. Hier wurde die bisher größte zu-sammenhängende Fläche innerhalb der antikenSiedlung ausgegraben, ausgelöst durch konkreteBebauungsabsichten im Jahre 1991. Im Verlaufdieser Grabungen wurden unter anderem tat-sächlich Reste der Innenbebauung des so langegesuchten Kastells entdeckt.

Die römische Okkupation und das Kastell auf dem „Rettig“

Bereits Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. hatteCaius Iulius Caesar mit seiner Armee im Zuge derEroberung Galliens (58–51 v. Chr.) den Rhein er-

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2 Das Museum Paleo-technikum nach Plänenvon Friedrich Weinbren-ner 1804, Stahlstich vonCarl Ludwig Frommel1843.

3 Die römische Beset-zung Südwestdeutsch-lands.

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reicht. Die Planungen von Kaiser Augustus zieltennun darauf ab, den überwiegend germanisch be-siedelten Raum östlich des Flusses bis zur Elbedem Imperium Romanum einzugliedern. Die ver-nichtende Niederlage der römischen Truppen un-ter Oberbefehl des Statthalters Publius QuinctiliusVarus im Jahre 9 n. Chr. in einem Engpass beiKalkriese im Osnabrücker Land bewies jedoch,dass dieses Vorhaben nicht realisierbar war.Erst Kaiser Vespasian (69–79 n. Chr.) fasste wie-der die Besetzung rechtsrheinischer Gebiete insAuge. Seine Maßnahmen zielten auf die strategi-sche, vor allem aber die verkehrstechnische Er-schließung des Gebietes zwischen Oberrhein undOberer Donau ab, das wie ein Keil in das römi-sche Territorium hineinragte.So entstand ein Netz gut ausgebauter Fernstra-ßen. Sie wurden an strategisch wichtigen Stel-len wie z. B. Flussmündungen von Kastellen gesi-chert. Dies prägte die Struktur des neu erobertenGebietes und bildete das Rückgrat für die spätereProvinzentwicklung. Zu den wichtigsten Truppen-standorten dieser Jahre zählen Ladenburg, Hei-delberg-Neuenheim und Baden-Baden.Vor allem aufgrund der zahlreichen Steinschriftenund Ziegelstempelfunde aus der Altstadt von Ba-den-Baden wurde schon seit gut 200 Jahren einKastell am Ort postuliert.Bei den Grabungen auf dem „Rettig“ wurden inden 1990er Jahren tatsächlich Reste der Innen-bebauung einer römischen Militäranlage entdeckt.Offenbar handelt es sich um eine flächige Holz-fachwerkbebauung, die allerdings durch die jün-geren römischen Steinbauten oftmals nur noch

bruchstückhaft erhalten war. Im südwestlichenBereich des Rettighügels konnten noch zusam-menhängende Strukturen freigelegt werden. DieBefunde gehören zu mehreren Mannschaftsba-racken. Diese zeichnen sich durch charakteris-tische Baudetails aus: den zweiteiligen Mann-schaftsräumen (contubernia) ist die Wohnungdes centurio, „Kopfbau“ genannt, vorgelagert.Als Besatzung ist – in Anbetracht der Ziegelstem-pelfunde – die cohors XXVI voluntariorum civiumromanorum zu vermuten. Es handelt sich dabeium eine Infanterietruppe mit einer Sollstärke von500 Mann, die von einem Tribun befehligt wurde.Aller Wahrscheinlichkeit nach errichtete man dasKastell Mitte der 70er Jahre des 1. Jahrhundertsn. Chr. im Zuge der Okkupation des rechtsrheini-schen Obergermanien.

Zivile Steinbebauung auf dem „Rettig“

Nachdem das Kastell Anfang des 2. Jahrhundertsn. Chr. aufgelassen worden war, folgte auf dem„Rettig“ eine repräsentative Steinbebauung. Ins-

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4 Stanislaus Kah (1842–1922). Aufnahme im Jahr 1902. Stadtgeschicht-liche Sammlungen Baden-Baden Inv. 11492.

5 Römische Verwal-tungszentren in Südwest-deutschland.

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gesamt konnten Teile von fünf Bauwerken nach-gewiesen werden, die offenbar zeitlich aufeinan-der folgten.Zwei dieser Gebäude wurden wohl noch in derRegierungszeit des Kaisers Domitian (81–96n.Chr.) errichtet und möglicherweise von mi-litärischen Verwaltungseinheiten genutzt. Einesdavon war mit Küche, Speiseräumen und reprä-

sentativem, zentralem Apsidenraum ausgestat-tet. Die übrigen Gebäude entstanden im 2. und3. Jahrhundert n. Chr.Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es wohl mehrals wahrscheinlich, dass auf dem Rettighügel dasVerwaltungszentrum des Kurortes und Civitas-vorortes (Sitz der regionalen Zivilverwaltung)Aquae Aureliae lag.

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6a Die römische Befes-tigung auf dem „Rettig“:Barackengrundrisse.

6b Zivile Repräsenta-tionsbebauung auf dem„Rettig“.

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Kastellvicus und spätere Zivilsiedlung

Zeitgleich mit der Stationierung von Militär ent-wickelte sich am Ort eine zivile Ansiedlung(vicus). Kastellzeitliche Bebauung konnte an ver-schiedenen Stellen in der Gernsbacher Straßenachgewiesen werden. Auf den Grundstücken13 und 30 kamen hervorragend erhaltene Holz-konstruktionen zum Vorschein, die in einem Fallzwei Bauphasen unter einem römischen Stein-gebäude nachweisen. Die älteste Phase datiertin die Jahre 74/75 n. Chr. und wird als „Trocken-legungsschicht“ interpretiert: Teilbereiche desfeuchten Areals wurden vor der Bebauung mitHolzabschlägen und Tannenreisig ausgelegt.Das darüber errichtete Gebäude brannte ab undwurde ca. 85/86 n. Chr. wieder aufgebaut.Grabungen auf dem Gelände des „Schwarzwald-hofes“ werfen Schlaglichter auf die zivile Bebau-ung des 2. und 3. Jahrhunderts n.Chr. Mit derBreitseite zur römischen Straße, die unter der heu-tigen Gernsbacher Straße verlief, lag ein mehr-räumiges, teilweise beheizbares Gebäude. Mög-licherweise wurden hier mehrere Parzellen zu einem insulaartigen Komplex zusammengefasstund um einen kleinen Innenhof gruppiert. Der Bo-den eines großen Vorratsgefäßes (Dolium), festvermörtelt auf einer Plattenunterlage, könnte miteiner Garküche in Verbindung stehen.Grabungen am Römerplatz 4, direkt gegenüberdem „Friedrichsbad“ erbrachten wichtige Erkennt-nisse zu den Heiligtümern Baden-Badens. Südlichund östlich des Bades wurden bisher insgesamt18 Weihedenkmäler an römische Gottheiten ge-funden. Vermutlich bestand hier ein Weihebe-zirk, der vielleicht auch mit den Thermen in Ver-

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7 Die zivile Repräsenta-tionsbebauung auf dem„Rettig“: Gebäude 1 mitKüche und Herdstelle.

8 Zivilsiedlung, Gerns-bacherstraße 30: Unge-wöhnlich gut erhaltenerHolzdielenboden einesrömischen Wohnhauses.

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bindung stand. Leider sind keine zusammenhän-genden Gebäudegrundrisse bekannt.In der Ecke eines vermutlich großen Bauwerksfand sich 1994 der Torso einer männlichen Sta-tue. Sie stellt Vulcanus, den Gott des Erdfeuersund Patron der Schmiede, dar.

Die „Kaiserbäder“

Der Rang Baden-Badens als Verwaltungszentrumder Civitas Aquensis spiegelt sich eindrücklich inden großen Thermenanlagen wider.Die so genannten „Kaiserbäder“ erstrecken sichauf dem Areal des heutigen Marktplatzes, nörd-lich der Stiftskirche und oberhalb des „Friedrichs-bades“. Oberirdisch sind heute keine originalenReste mehr zu sehen. Der Grundriss wurde aller-dings im Pflaster des Marktplatzes im Umfeld derStiftskirche markiert. Bei den „Kaiserbädern“ han-delt es sich um ein Kur- und Heilbad, im Lateini-schen „thermae“ genannt.Nach Abriss der Antiquitätenhalle konnten 1847zunächst die beiden großen östlich gelegenen

Badebecken A und B freigelegt werden. BeckenA hat einen Durchmesser von 7,5 m, Becken Bmisst 8 × 9 m. Die Becken verfügen also über eineGrundfläche von 88,3 bzw. 72 Quadratmetern.Beide Becken liegen vergleichsweise hoch undsind einfacher ausgestattet als die Pendants imWesten. Sie wurden unmittelbar vor dem Austrittdes bis zu 70 Grad Celsius heißen Thermalwas-sers aus dem Fels platziert.Im Westen befinden sich zwei weitere Bade-becken, C und D: Becken C misst 14,5 × 9 m, D weist einen Durchmesser von 9 m auf. Somit be-trägt die Grundfläche der westlichen Becken 130,5bzw. 127,2 Quadratmeter.Die „Kaiserbäder“ waren luxuriös ausgestattet.Im östlichen Bereich wurden Wand- und Boden-verkleidungen aus Marmor, im östlichen Teil ausgrünlichem Granit verwendet.Der südlich anschließende, kreisrunde und hypo-caustierte Raum F diente als trocken-heißesSchwitzbad (sudatorium).Der uns bekannte, nahezu symmetrisch gestalte-te Teil der Thermenanlage lässt an zwei getrennt

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9 Der Grundriss der „Kai-serbäder“ ist im Pflasterdes Marktplatzes vor derStiftskirche markiert.

10 Mitarbeiter der Ar-chäologischen Denkmal-pflege Karlsruhe bei der Grobreinigung der Anlage.

11 Mitarbeiter der FirmaKärcher beim Dampfreini-gen der Anlage.

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benutzbare Areale – zum Beispiel für Männer undFrauen – denken, wie dies auch in anderen Ther-men, so zum Beispiel in Badenweiler, nachgewie-sen ist.Vermutlich wurde die Anlage bereits im letztenDrittel des 1. Jahrhunderts n. Chr. errichtet.Weiter östlich, am Florentinerberg gelegene Ge-bäudereste könnten mit einem Quellheiligtum inVerbindung stehen.

Die „Soldatenbäder“

Die in originaler römischer Mauersubstanz erhal-tenen und bald wieder zu besichtigenden „Solda-tenbäder“ vermitteln durch ihre außergewöhn-liche Erhaltung einen hervorragenden Eindrucküber Architektur und Gestaltung römischer Ther-men. Sie liegen ziemlich versteckt unterhalb desFriedrichsbades und unmittelbar westlich des al-ten „Frauenklosters vom Heiligen Grab“, an einerPassage, die die Tiefgarage der Caracalla-Ther-men erschließt. Weiterhin befinden sich an die-ser Passage Technikräume für das Friedrichsbadund die Caracalla-Thermen. Der gesamte Bereichbis zur Straßenkante Römerplatz ist überdeckelt,darüber erstreckt sich eine öffentliche Grünan-lage.1846/47 auf dem Platz vor dem Kloster entdeckt,wurden die Soldatenbäder beim Bau des Fried-richsbades ab 1869 bis 1900, als das Augustabadentstand, ausgegraben und anschließend konser-viert. Leider sind die „Soldatenbäder“, wie auchdie „Kaiserbäder“, nicht vollständig erschlossenund dokumentiert.In die Mitte der 1960er Jahre fiel die Errichtungder so genannten Friedrichsbadterrasse über derRuinenanlage. Die römischen Thermen wurdenfür die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diesgeschah in einer für die damalige Zeit durchausüblichen Form: ein eng um die Ruine begrenzter,niedriger und dunkler Raum hinter einer Glas-scheibe. Hinweise, Erläuterungen oder eine er-klärende Didaktik existierten nicht. Die Besucherbetraten, aus konservatorischer Sicht heute un-denkbar, bei ihrem Rundgang durch die Anlagedirekt die originale römische Bausubstanz. Diesführte im Laufe der nächsten Jahrzehnte zu er-heblichen Schäden der antiken Strukturen. Er-schwerend kam die übermäßig hohe Feuchtigkeithinzu. Aus beiden Gründen musste die Anlageschließlich im Frühjahr 1995 geschlossen werden.Bis zu diesem Jahr lag die Betreuung der Ruinebei der Bäder- und Kurverwaltung, ab Juli 1995ist die Bauverwaltung des Landes zuständig. Seit1997 sind die Sanierungsmaßnahmen der mo-dernen Bausubstanz durch das Staatliche Vermö-gens- und Hochbauamt Pforzheim, BauleitungBaden-Baden, in Gang. Dazu gehören die Sanie-

rung und Abdichtung zum Hang und zur Fett-quelle hin und die Betoninstandsetzung der De-cke über der Ruine. Antike und moderne Struk-turen wurden umfassend entsalzt.Es bestand immer Einigkeit, die einzigartigen rö-mischen Befunde so schnell wie möglich wiederfür die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.Gleichzeitig sollte jedoch auch die derzeitige Zu-gangssituation grundlegend und attraktiver um-gestaltet werden. Dies wird zurzeit im Rahmen ei-ner Gesamtmaßnahme realisiert, die die BereicheBadruine, Passage und Terrassenebene umfasst.

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12 Gesamtplan der „Sol-datenbäder“ im jüngstenBauzustand.

13 Blick vom caldarium(C) ins tepidarium (T2).

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Der Eingangsbereich zur Ruine wird vergrößertund erhält einen räumlichen Abschluss aus Glas.Dieser neu entstehende Raum beherbergt zukünf-tig einen Ausstellungsbereich mit Informationsta-feln zum römischen Badewesen sowie den „Kaiser-und Soldatenbädern“. Die konservierten Thermen-befunde werden durch ein Modell veranschau-licht. Eine CAD-Animation beinhaltet die Einbin-dung der sichtbaren antiken Strukturen sowiewohl ergrabene, heute aber nicht mehr erhalteneMauerzüge in den Grundriss der Gesamtanlage.Darüber hinaus vermittelt sie auch einen Ergän-zungsvorschlag der nicht ergrabenen Bereiche.Während eines virtuellen Spaziergangs erhält derBesucher eine Vorstellung davon, wie sich die Räumlichkeiten einst dem antiken Badegast prä-sentierten. Ausführlichere Informationen sindüber ein in drei Sprachen angebotenes Audio-Guide-System abrufbar, das dem Besucher zu-dem die wichtigsten Befunde der Ruine erläutert.Eine weitere Informationsmöglichkeit bietet diePassage in Form einer Leuchtwand, die vom Rö-merplatz bis fast zu den Caracalla-Thermenreicht. Die Didaktik gibt hier Einblicke in das rö-mische Baden-Baden, vom Kastell zur Stadt, unddas Badewesen von der Antike bis in die Mo-derne.Die Ruine selbst wird nicht mehr begehbar sein,sondern über eine Stegkonstruktion erschlossen,die von der Decke abgehängt ist. Nach einerGrundreinigung der römischen Strukturen durchdie Archäologische Denkmalpflege in Karlsruhe –hierbei wurden mehr als 10 Tonnen Schutt ent-fernt – führte die Firma Kärcher (Winnenden) kos-tenlos die Feinreinigung durch. Auf diesem Wegerstrahlen die Thermen heute nicht nur in neuemLicht, sondern es konnten auch bisher noch nichtbekannte Befunde entdeckt werden, die wesent-

liche Fortschreibungen des Grundrisses erlauben.Ihre herausragende Bedeutung verdanken die„Soldatenbäder“ in erster Linie dem ungewöhn-lich guten Erhaltungszustand der Fußboden-heizung (hypocaustum) mit dem dazugehörigenWandheizsystem aus Hohlziegeln (tubuli), der fürBaden-Württemberg einzigartig ist. Hier könnenDetails der Unterboden- und Wandheizung amoriginalen Befund studiert werden. Die Heizan-lage wurde mit Heißluft betrieben. Diese wurdedurch Feuer in den Schürkanälen (praefurnia) derHeizräume erzeugt und in den Hohlraum zwi-schen Unter- und Oberboden (hypocausis) einge-leitet. Ein solcher Heizraum ist an der Nordseiteder Anlage fast vollständig erhalten. Auch dieserBefund, der dem Besucher mit seinem originalenTonnengewölbe einen guten Raumeindruck ver-mittelt, sucht in Baden-Württemberg seinesglei-chen.Anders als die „Kaiserbäder“ sind die „Soldaten-bäder“ ein Hygienebad, das der Körperreinigungdiente. Die Römer nannten ein solches Bad „bal-neum“ oder „balineum“.Die museale Neugestaltung der Anlage regte zu einer intensiven wissenschaftlichen Beschäfti-gung mit der erhaltenen Mauersubstanz und denweiteren, durch Ausgrabungen bekannten Mau-erzügen weiter südlich an. Dabei wurde deutlich,dass sich die Anlage einst in Richtung Römerplatzfortsetzte.Anhand dieser Informationen ließ sich die ge-samte Badeanlage rekonstruieren, ebenso ihreEntwicklung vom einfachen Hygienebad – in demwir vermutlich sogar das Kastellbad der auf dem„Rettig“ stationierten Truppe zu sehen haben –zur regelrechten Badelandschaft in mehreren Aus-bauphasen.Der eigentliche Kern der Anlage, die noch denfrühen Blockbauten zuzurechnen ist, umfasste

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14 Trittschäden in der Apsis des tepidariums (T1).

15 Vollständig hypocaus-tierte Wand im tepida-rium (T2). Die Tür führt in einen Nebenraum. Gut zu erkennen ist derViertelstab an der Naht-stelle zwischen Wand und Boden.

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zunächst fünf Räume, und zwar einen ursprüng-lich wohl hölzernen Umkleideraum (apodyteriumA), Kaltbaderaum (frigidarium T2), lauwarmenRaum (tepidarium T1), Heißbaderaum (caldariumC) sowie einen trocken-heißen Schwitzraum (su-datorium S) mit den dazugehörigen Heizräumen(P1, P3).Anhand der architektonischen Strukturen sindmehrere Umbauphasen, Reparaturphasen undzum Teil sogar Umnutzungen feststellbar.So wurde zu einem nicht näher bekannten Zeit-punkt in das frigidarium (T2) eine Unterboden-und Wandheizung eingebaut, wodurch der Raumin ein tepidarium umgewandelt wurde. In diesemZusammenhang wurde ein neues frigidarium (F)mit flacher Kaltwasserwanne an das geringfügigverkleinerte sudatorium (S) angesetzt.Eine veränderte Orientierung der Latrine (L), dergroßen Hofmauer sowie des Schwimmbeckens(natatio N) legt nahe, dass dieser Bauzustandnochmals später anzusetzen ist.Der Besuch in einem römischen Bad hatte Ähn-lichkeiten mit einem heutigen Saunabesuch. Da-mals wie heute wurde der Körper einem Wechselzwischen Heiß und Kalt ausgesetzt, wie wir ausden Schriften des römischen Arztes Galenus vonPergamon erfahren:Nachdem sich der Badegast im apodyterium aus-gekleidet hatte, erfolgte im frigidarium in derRegel eine kurze Reinigung. Im lauwarmen Über-gangsraum, dem tepidarium, herrschten Tempe-raturen um die 28 Grad Celsius. Wasser spieltehier keine Rolle. Vielmehr wärmte man sich hierauf und nahm Massagen und das Einreiben desKörpers mit Öl vor. Anschließend konnte man imcaldarium im heißen Wasser oder in der feucht-heißen Raumatmosphäre, die mit rund 35 GradCelsius und annähernd 100% Luftfeuchtigkeiteinem Hochsommertag in der Rheinebene nichtunähnlich war, schwitzen. In den „Soldatenbä-dern“ gibt es sogar zwei Heißwasserbecken (al-vei) mit unterschiedlich hohen Wassertemperatu-ren. Danach kühlte man sich im tepidarium wie-derum ab und streifte mithilfe eines Schabers,des so genannten strigilis, Öl, Schweiß, abgestor-bene Hauptschüppchen und eventuell den Sandder Sporthalle (palaestra) von der Haut. Eine voll-ständige Abkühlung erfolgte dann im frigida-rium. Daran konnte sich der Besuch des trocken-heißen Schwitzraumes (sudatorium) anschließen,in dem mindestens 40 Grad Celsius und eine sehrgeringe Luftfeuchtigkeit herrschten. Diese „Durch-gänge“ konnten je nach persönlicher Vorliebe ab-gewandelt oder auch wiederholt werden.Alle erhaltenen und in der musealen Anlage be-gehbaren Räume gehören zum beheizten Bereichdes Bades. Zu besichtigen sind sudatorium (S),caldarium (C) und zwei tepidaria (T1, T2).

Von besonderem Interesse sind dabei eine Reihebaulicher Details zur Gestaltung der Wände, derBöden und besonders der Heizungskonstruktion.Der römische Architekt Vitruv gibt in seinem Ar-chitektur-Handbuch Anweisungen für den Bauvon Badeanlagen und die Konstruktion der Bo-den- und Wandheizung. Die Befunde in den „Sol-datenbädern“ zeigen deutlich, dass diese Richt-linien fast durchgängig umgesetzt und in Teilbe-reichen sogar noch verbessert wurden. So gibtVitruv zum Beispiel für die Höhe der Hypocaust-pfeiler, auf denen der Fußboden aufliegt, eineHöhe von 60 cm an. In den „Soldatenbädern“hingegen erreichen die Pfeiler eine Höhe von biszu einem Meter. Dadurch können besonders vieleHeizgase zirkulieren, und es ist eine besonders in-tensive Durchwärmung des Gebäudes gewährleis-tet. Die vollständige Tubulierung der Räume dientnicht nur dem optimalen Rauchabzug, sondernverwandelt die Wände des Gebäudes in einen rie-sigen Wärmespeicher, der die gespeicherte Wär-me als Strahlungswärme wieder abgibt. Beson-ders sinnfällig ist auch die Konstruktion derWandheizung mittels Hohlziegel (tubuli), die aufdem von Pfeilern getragenen Oberboden aufsit-zen und nicht in die Wände einbinden. Somitkönnen auftretende Wärmespannungen gut aus-geglichen und Spannungsrisse im Boden vermie-den werden.Die Temperatur in den beheizten Räumen konnteüber die Intensität der Feuerung, die Höhe der hy-pocausis, die Entfernung zum Heizraum sowiedie Anzahl der tubuli gesteuert werden.Ein besonders schön erhaltener und seltener Be-fund ist rechts und links der Brüstungsmauer desHeißwasserbeckens (alveus) im caldarium zu se-hen. Die gemauerten Sitzbänke neben dem Ein-stieg in das Becken sind mit Hohlziegeln hinter-heizt, sodass sich die Badegäste hier auf einerwarmen Bank niederlassen konnten.Aufschlussreich sind auch die Abflüsse aus denHeißwasserbecken im caldarium. Aus den Befun-den geht deutlich hervor, dass das Wasser ausdem Becken direkt in den Raum geleitet wurde.

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16 Hinterheizte Sitz-bank am Einstieg in denalveus im caldarium (C).

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Einem leichten Gefälle des Bodens folgend, wur-de es schließlich durch einen Gully in den großenAbwasserkanal geleitet. Das warme Wasser er-höhte einerseits die Temperatur, andererseits dieLuftfeuchtigkeit im Raum und trug damit zu dercharakteristischen Raumatmosphäre bei. Aller-dings erhöhte sich auch das Risiko, auf den nas-sen und schlüpfrigen Böden auszugleiten. Umdieses zu vermeiden, trug man Badepantinen mitHolzsohlen.Leider kann an dieser Stelle auf den detailreichenund hochinteressanten Befund der Anlage nichtweiter eingegangen werden. Es ist aber eine aus-führliche Broschüre geplant.Über die Erbauungszeit der „Soldatenthermen“wie die Nutzungsdauer ist leider nur wenig be-kannt. Sicher ist, dass die Anlage aufgrund ihrercharakteristischen frühen Architekturstrukturenzwischen 70 und 100 n.Chr., also wohl gleich-zeitig mit dem Kastell auf dem „Rettig“, errichtetwurde. Wie die zahlreichen Reparatur- und Um-bauphasen nahe legen, wurde sie auf jeden Fallbis in das 3. Jahrhundert n. Chr. betrieben.Die archäologischen Befunde im Umfeld der „Sol-datenbäder“ wie auch der „Kaiserbäder“ legenden Schluss nahe, dass zwischen heutigem Fried-richsbad und Stiftskirche das Kurzentrum des rö-mischen Aquae Aureliae lokalisiert werden kann.Hier sind vermutlich weitere Gebäude wie Laza-rette, Gymnastikräume, vor allem aber auch Tem-pel zu erwarten, möglicherweise noch eine wei-tere Badeanlage.

Die „Soldatenbäder“ gehören zu den am bestenerhaltenen und eindrucksvollsten römischen Ba-deanlagen in Baden-Württemberg. Daher ist esbesonders zu begrüßen, dass dieser lange Zeitaufgrund misslicher äußerer Umstände nur ein-geschränkt bekannte und beachtete Befund nuneiner breiten Öffentlichkeit zugänglich gemachtund nach modernsten konservatorischen und mu-sealen Gesichtspunkten in attraktiver Form prä-sentiert und aus seinem Dornröschenschlaf ge-weckt wird.Die Kosten der gesamten Baumaßnahme mit derzukünftigen Präsentation und Medientechnik be-laufen sich auf über 1,6 Mio Euro. Wir alle kön-nen nur dankbar sein, dass in einer Zeit so knap-per Kassen diese Summe noch zur Verfügunggestellt werden konnte. Doch die Ergebnisse spre-chen für sich und zeigen, dass die große Investi-tion auf jeden Fall gut angelegt ist. Voraussichtlichab September 2003 kann das archäologische Klein-od zu festgelegten Öffnungszeiten wieder be-sichtigt werden. Die Kur- und Bäderstadt Baden-Baden ist damit um eine attraktive Sehenswürdig-keit reicher.

Dr. Petra Mayer-Reppert Dr. Britta RaboldLDA · Archäologische DenkmalpflegeMoltkestraße 7476133 Karlsruhe

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