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Barcelona: Gaudí erwartet Sie

Barcelona: Gaudí erwartet Sie€¦ · Antoni Gaudí i Cornet, 1852 in Reus in der Provinz Tarragona geboren, entstammte einer Familie von Kupferschmieden. Schon

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Barcelona:Gaudí erwartet Sie

Antoni Gaudí i Cornet, 1852 in Reus in der Provinz Tarragona geboren, entstammte einer Familie von Kupferschmieden. Schon als Kind beobachtete er, wie sein Vater und sein Großvater in ihrer Werkstatt im nahe gelegenen Riudoms aus Kupferplatten mit einem Hammer und dank ihrer Fingerfertigkeit die feinsten und präzisesten Rundungen bei Gegenständen des täglichen Gebrauchs erschufen.

Als er 17 war, schickte ihn seine Familie nach Barcelona, um Architektur zu studieren. Er war geschickt, phantasiereich und ein guter Beobachter, hatte gute mathematische Kenntnisse und stach schon bald unter den Studenten der Architekturhochschule hervor, seine Lehrer begegneten ihm jedoch auch mit Argwohn und Misstrauen wegen seines wenig orthodoxen Umgangs bei der Behandlung struktureller Formen.

Zurückhaltend, elegant und von seinen Fähigkeiten überzeugt setzte er seine Ideen und Kenntnisse in die Praxis um und erregte schon bald die Aufmerksamkeit der katalanischen Bourgeoisie, die ihn sofort mit der Schaffung kreativer und ganz neuartiger Werke betraute. Unter den katalanischen Industriellen war Eusebi Güell derjenige, der Gaudí am nächsten stehen würde, und für ihn war der Architekt tätig, bis er sich nach einer geistigen Krise im posthumen Werk: der Tempel der Sagrada Familia, jetzt schon eine Basilika, durch die Zeremonie der Widmung seiner Heiligkeit Benedikt XVI, im November 2010.

Er starb 1926 in Barcelona, nachdem er von einer Straßenbahn angefahren worden war.

Antoni Gaudí, der Mensch

Antoni Gaudí, der Mensch

Gaudí besaß ein angeborenes Raumverständnis, das wahrscheinlich vom Umgang mit Metallen herrührte, den er von Kind an in der väterlichen Kupferschmiede miterlebt hatte, oder auch von der aufmerksamen Beobachtung der Natur, die für ihn zur Inspiration-squelle wurde. Wellenförmige Wände und gewölbte Decken, Parabolbögen, schräge Säulen, spiralförmige Schornsteine sind geometrische Formen, die wir häufig in seinen Bauwerken finden. Sie gehen auf Strukturen in der Natur zurück, wie die Knochen im Tierreich oder die Baums-tämme und Zweige in der Pflanzenwelt.

Gaudís Werk ist nicht das Ergebnis einer überschäumenden Phantasie, sondern einer außergewöhnlichen Vorstellungskraft, was heute durch Berechnungen mit dem Computer bestätigt wird. Architektonische Werke und Gebrauchsgegenstände, die mit einheimischen Materialien hergestellt und mit Formen und Farben der natürlichen Umwelt dekoriert wurden, bedeuten ein Unternehmen, das, wie der Lauf der Zeit bewiesen hat, einmalig ist.

Gaudí baute die Casa Batlló völlig um und gestaltete die Fassade zu einem symbolischen Kampf des heiligen Georg gegen den Drachen

Die Glasfenster der Krypta der Colònia Güell erinnern an Blütenblätter oder die Flügel eines Schmetterlings. Die Natur war die große Inspirationsquelle für das Werk Gaudís

Die außergewöhnliche Anwendung der angewandten Künste, wie der Schmiedekunst, auf die Architektur, ist eines der wesentlichen Merkmale im Werk Gaudís, dem Sohn von Kupferschmieden

Die Technik des Trencadís (Verkleidung mit Keramik-bruchstücken) erlangt ihren höchsten dekorativen und farblichen Ausdruck bei der Ausgestaltung der Bank im Park Güell

Gaudí - sein Werk

Hauptschiff der Sagrada Familia

In Barcelona können 14 Gaudí-Werke besichtigt werden, die uns eine Vorstellung über seine architektonische Entwicklung geben.

Laternen auf der Plaça Reial, ein Frühwerk von 1878, mit einer Steinbasis, verchromten Säulen aus Schmiedeeisen und einem Helm mit Flügeln und Stab, der den Helm des Merkur symbolisiert, als Krönung.

Casa Vicens, 1883-88 im historizistischen Mudéjar-Stil aus Stein und Ziegelsteinen erbaut und mit üppiger Fliesenverzierung; zum ersten Mal erscheint hier der Parabolbogen.

Pferde- und Reitställe für das Landgut Finca Güell, 1884-87;� hier wurde zum ersten Mal innovative Technologie und dekoratives Kunsthandwerk vereint. Besonders erwähnenswert ist der mobil und dynamisch wirkende Drachen aus Gusseisen am Eingangstor, das sinnbildlich den Eingang zum “Garten der Hesperiden” darstellt.

Den Palau Güell, 1886-88, die städtische Residenz seines Mäzens, gestaltete Gaudí zu einem Wärme ausstrahlenden Wohnhaus voller Eleganz und Pracht. Es war das erste Beispiel seiner Konzeption von Architektur: resistente Materialien, Kombination vielfältiger Säulen, Kuppel, runde Formen bei der Gestaltung des Inneren, Belüftung und Heizung, Holzvertäfelung und Mobiliar, Schmiedeeisen sowie eine dekorative Überschwenglichkeit, deren Höhepunkt in der Verwendung der so genannten Trencadís-Technik (Mosaik mit Keramikscherben) und von Glas bestand.

Convento Teresiano, 1888-89: Der Konvent ist ein Beispiel dafür, wie durch die enge Abfolge von Parabolbögen Boden- und Deckengebälk vermieden wird.

Gaudí und Barcelona

Das Eingangstor zur Finca Güell ist eine große gusseiserne Skulptur, in der der bedrohliche Ausdruck des Drachen an Herkules’ Heldentat im Garten der Hesperiden erinnert

Auf der Dachterrasse des prächtigen Palau Güell bilden zwanzig Schornsteine eine Skulpturenlandschaft, deren Formen und Farben diesem Raum das Aussehen einer Traumlandschaft verleihen

Die Casa Vicens war Gaudís erstes wichtiges Werk. Es ist durch den historizistischen Mudéjar-Stil inspiriert und vereint Stein, Ziegel und farbige Fliesen

Casa Batlló

Park Güell

Die Casa Calvet weist zwar allgemein eine gewisse Zurückhaltung auf, die ornamentalen Elemente sind aber typisch für Gaudís Ästhetik

Hinter der Fassade mit gotischem Anklang der Casa Bellesguard verbirgt sich im Inneren ein großer Reichtum an räumlicher Gestaltung mit innovativen Konstruktions- und Strukturlösungen.

Die architektonische Komplexität des gekrümmten Daches und der schrägen Säulen der Krypta der Colònia Güell laden zur Andacht ein

Die schmucklose Fassade des Konvents Colegio de las Teresianas steht im Gegensatz zur Wärme des Gebäudeinneren, wo eine meisterhafte Lösung für das Licht gefunden wurde

Das Tor zur Finca Miralles ist ein Beispiel dafür, wie Gaudí jede beliebige Struktur aus Stein in eine organische Bewegung verwandeln konnte

An der Dekoration im Inneren der Casa Batlló lässt sich Gaudís Interesse an der Kombination von Architektur und Ornamentik ablesen

Von der Dachterrasse der “La Pedrera” aus, wo Gaudí die Schornsteine und Belüftungsschächte in anthropomorphe Skulpturen verwandelte, erblickt man die Sagrada Família

Der Mund der Eidechse auf der Freitreppe zum Park Güell dient gleichzeitig als Überlaufventil für die Zisterne unter der Säulenhalle

Casa Calvet, 1898-99. Ein Mietshaus mit Trennwänden, in dem Gaudí ein neues Konzept bei der Verwendung der Materialien, der Ornamente und des Mobiliars entwickelte.

Krypta der Colònia Güell, 12 km von Barcelona entfernt gelegen. Das Projekt wurde 1898 begonnen, die Bauarbeiten wurden aber in verschiedenen Phasen bis 1917 fortgesetzt, als sie endgültig abgebrochen wurden. Hier probierte Gaudí sein Bindfadenmodell aus, das auf den Kopf gestellt die endgültige Form ergibt. Die Krypta gestaltete er aus katalanischem Ziegelstein mit Rippengewölbe und gekrümmter Oberfläche (hyperbolischem Paraboloid) sowie Säulen aus unterschiedlichen Materialien. Die andächtige Atmosphäre wird durch das von den verwendeten Materialien geschaffene räumliche Volumen und die Buntglasfenster erzielt.

In der Casa Bellesguard, 1900-09, mit ihrer an die Gotik erinnernden Struktur, wurde die Erprobung neuer Decken- und Terrassenkonstruktionen gemacht, nämlich ohne Stützbalken und mit Rundbögen mit vorkragenden Ziegeln.

Der Park Güell, 1900-14, war der Versuch, mitten in der Natur eine Wohnsiedlung zu errichten. Gaudí wendete bei diesem Park alle seine Kenntnisse an und setzte in ihm seine urbanistischen Vorstellungen um. Es gibt keine einzige gerade Linie, alles ist gewellt und schräg. Die Säulenhalle, die als Markt gedacht war, stützt die beeindruckende Freiterrasse. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Jujol einen wesentlichen Beitrag zur Erschaffung der Sitzbank leistete.

Eingangstor zur Finca Miralles, 1901-02, mit einer wellenförmigen Mauer, die von Ziegeln in Form von Schildkrötenpanzern gekrönt wird.

In den Türmen der Sagrada Família windet sich eine schwindelerregende Wendeltreppe im Inneren einer gigantischen Schnecke aus Stein empor

Die Hyperboloiden der Bögen der Sagrada Familia werden das Licht verbreiten, als ob sie Blätter der Bäume eines Waldes wären

Gaudí widmete seine letzten Lebensjahre ausschließlich der Kathedrale Sagrada Família, wobei er jedoch nur die Vollendung eines Glockenturmes erlebte

Casa Batlló, 1904-06. Bei der Restaurierung dieses Hauses setzte Gaudí ein neues Konzept der Dekoration ein, wobei der Farbgebung der Vorrang gegenüber dem Licht gegeben wurde.

Casa Milà, 1906-12. Die “La Pedrera” hat eine wellenförmige Fassade aus Kalkstein, die Innenhöfe sind bemalt. Sie umgeben eine architektonische Struktur von Säulen und Pfeilern, die die großen Fenster und Balkone aus wieder verwertetem Eisen möglich machen. Über dem Dachgeschoss mit seinen unterschiedlich hohen Parabolbögen befindet sich die stufenförmig angelegte Terrasse mit den mit Stuck und Trencadís und Glas verkleideten Treppenaus-gängen und Schornsteinen.

Kathedrale Sagrada Família, 1883-1926. Es handelt sich um eine Synthese von Gaudís architektonischer Theorie und Praxis. Krypta und Apsis waren ursprünglich im neugotischen Stil begonnen worden, bei den Türmen führte Gaudí parabolische und bei den Gewölben hyperbolische Formen ein, wodurch eine außergewöhnliche Akustik erreicht wird. Gaudí begann die vier Türme an der Geburtsfassade, einem wahren Evangelium aus Stein und Keramik. Die erhalten gebliebenen Modelle und Zeichnungen ermöglichen die Fortführung des Bauwerks per Computer. Es soll 18 Türme haben, der höchste soll 170 Meter hoch sein. Im Jahr 2010 wurde das Schiff der Basilika abgedeckt, eine der am meisten erwarteten Handlungen und nun ist es schon eine Räumlichkeit, wo der Kult abgehalten werden kann. Von Anfang an war die Sagrada Família als “Kathedrale der Armen” bekannt, weil es sich um einen Sühnetempel handelt, dessen Bau nur aus anonymen Spendengeldern finanziert wird.

Neben der Sagrada Família erbaute Gaudí 1909 eine provisorische Schule für die Kinder des Viertels, die eine Kombination tragender und stützender wellenförmiger Oberflächen aus horizontal und vertikal angeordneten Ziegeln ist, wobei dem konoiden Prinzip gefolgt wurde (“Regelflächen” oder “Geometrie der Natur”).

Sagrada Familia

Palau de la Música Catalana

Der Modernismo (die katalanische Variante des Jugendstils) wurde in Barcelona und in Katalonien im Allgemeinen als nationaler Stil von der Bourgeoisie angenommen. Er bildete sich aus der das Mittelalter wiederbelebenden Bewegung der Renaixença heraus, die als der historische Ursprungs Kataloniens verstanden wurde und die auf der Identifikation zwischen dem Werk und der Intention dessen bestand, der es erschuf. Diese Identifizierung zwischen dem Jugendstil und dem Bürgertum vollzog sich auch mit den jeweiligen Besonderheiten in anderen Teilen Europas, wo die industrielle Revolution triumphiert hatte und wo man sich auf die Internationalisierung des Handels eingestellt hatte. In Katalonien wurde diese Strömung gegen 1885 durch den Architekten Elies Rogent mit der Wiedereinführung der katalanischen Romanik (Universidad de Barcelona und Restaurierung des Klosters Ripoll) und Pere Falqués (Triumphbogen und Straßenlaternen am Passeig de Gràcia) begonnen. Das Konzept setzte Lluís Domènech i Montaner fort (im Hospital de Sant Pau i la Santa Creu und Palau de la Música Catalana) und neben vielen anderen innovativen Architekten gipfelte es im Werk Puig i Cadafalchs. In der Malerei stachen vor allem Rusiñol und Casas hervor, und mit Nonell und Mir wurden die Grenzen eines neuen Kunstverständnisses erreicht. Zu diesem Kreis von Leuten, die sich zu ihren Diskussionen über Kunst und Kultur in der Taverne Els 4 Gats zusammenfanden, stieß auch Picasso. Und all dies ereignete sich in Barcelona zwischen 1885 und 1910.

Der Modernismo

Der städtische Architekt Pere Falqués entwarf die Laternen am Passeig de Gràcia, die eine eiserne Struktur haben, und der Sockel ist eine originelle, mit weißem Marmor in Trencadís-Technik verkleidete Bank

Die modernistischen Fassaden, wie die der Casa Amatller von Puig i Cadafalch, wurden mit üppiger Ornamentik gestaltet. Der stufenförmige Giebel wird durch die Verkleidung mit Fliesenelementen noch hervorgehoben

Casaramona. CaixaForum. Puig I Cadafalch hat mit dieser Fabrik ein exemplares Werk vom industriellen Modernismo erreicht

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Convento TeresianoGanduxer, 85

Krypta der Colònia GüellReixac, s/n Santa Coloma de Cervelló

Casa CalvetCasp, 48

Laternen auf der Plaça ReialPl. Reial, s/n

Casa VicensCarolines, 18

Pavillons der Finca GüellAv. de Pedralbes, 7

Palau GüellNou de la Rambla, 3 - 5

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El Park GüellOlot, s/n

Eingangstor zur finca MirallesPg. de Manuel Girona, 55 - 61

Casa BellesguardBellesguard, 16 - 20

Schule der Sagrada FamíliaMallorca, 401

Sagrada FamiliaMallorca, 401

Casa Milà, “La Pedrera”Provença, 261-265

Casa BatllóPg. de Gràcia, 43

Photographien: Titelbild: P. Vivas-Triangle Postals. Innenseiten: L. Bertran, F. Cloquell, Pep Daude-Basílica de la Sagrada Família, Espai d’Imatge, Imatge i Prod. Editorial-Ajuntament de Barcelona, Istock Photo, R. Manent, B. Masters, Palau de la Música Catalana, M. Raurich, J. Trullàs, P. Vivas & R. Pla-Triangle Postals. Text: Arnau Puig Grau. D.L.: B-11.491-2011