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Bemessung von Tunnelbauwerken in bindigem Boden -
Erfahrung mit unterschiedlichen Stoffgesetzen
Sven C. Möller
CDM Consult GmbH, Stuttgart
Wolfgang Krajewski
Hochschule Darmstadt/ CDM Consult GmbH Rhein- Main
Christian Wawrzyniak
CDM Consult GmbH, Stuttgart
Zusammenfassung
Tunnelstatische Berechnungen werden nach dem aktuellen Stand der Technik mit Hilfe von Finite-Element-
Berechnungen vorgenommen, die es erlauben, die Wechselwirkung zwischen Gebirge und Auskleidung zu berücksichti-
gen. Im vorliegenden Beitrag wird der Einfluss der nicht-linearen Bodeneigenschaften auf die Bemessung der Außen-
schale von Tunneln in bindigem Boden aufgezeigt. Dabei werden sowohl der Einfluss von drainiertem und undrainier-
tem Materialverhalten untersucht als auch Berechnungen mit dem linear-elastischen/plastischen Stoffgesetz nach Mohr-
Coulomb und mit dem höherwertigen nicht-linearen Hardening-Soil-Stoffgesetz vorgestellt.
Die Berechnungsergebnisse belegen die Erfahrung, wonach die Interaktion zwischen Baugrund und Tunnelschale in
hohem Maße vom Steifigkeitsverhältnis zwischen Baugrund und Tunnelschale bestimmt ist. Die mit dem Hardening-
Soil-Stoffgesetz mögliche Berücksichtigung der spannungsabhängigen Steifigkeit führt im Vergleich zu konventionellen
Ansätzen fallweise zu deutlich höheren Schnittkräften. Die Verwendung geeigneter, vergleichsweise komplexer Stoffge-
setze kann dementsprechend sicherheitsrelevant sein, wie im Beitrag anhand von Beispielen aufgezeigt wird.
1. Einleitung
Statische Berechnungen nach der Methode der Finiten
Elemente stellen eine wichtige Entscheidungsgrundlage
für die Wahl einer konstruktiven Lösung oder eines
Bauverfahrens dar. Vor allem durch die Entwicklung
leistungsfähiger Stoffgesetze ist es möglich geworden,
die Interaktion zwischen Baugrund und Tunnelschale
auf realistische Weise zu simulieren.
Im Bereich der praxisnahen Forschung ist eine Vielzahl
von unterschiedlichen Stoffgesetzen zur Beschreibung
der nicht-linearen Spannungs-Dehnungseigenschaften
von Böden entwickelt worden. Dennoch wird in der
Praxis häufig lediglich auf einfache Stoffgesetze, wie
das weit verbreitete Mohr-Coulomb’sche Modell zu-
rückgegriffen.
In vorliegendem Beitrag wird anhand von Berech-
nungsbeispielen aufgezeigt, dass insbesondere in nor-
malkonsolidierten bindigen Böden mit nicht-linearen
Spannungs-Dehnungseigenschaften, die Verwendung
des Mohr-Coulomb’schen Modells zu einer Unterdi-
mensionierung der Tunnelschale führen kann. Die
vorgestellten Berechnungen basieren auf der Erfahrung
aus einem Schadensfall mit vergleichbaren Randbedin-
gungen.
2. FE-Modell
Zur Berechnung von Schnittkräften der Spritzbeton-
schale eines doppelröhrigen Tunnelvortriebs werden
zweidimensionale Finite-Elemente-Berechnungen mit
dem Programmsystem PLAXIS V8 [2] durchgeführt.
Die Tunnelvortriebe der beiden Röhren erfolgen zeit-
lich nacheinander. Die gewählte Modellierung berück-
sichtigt einen Vortrieb mit Teilausbruch von Kalotte
mit geschlossener Kalottensohle und nachgezogener
Strosse/Sohle. Der horizontale Abstand zwischen den
Tunnelröhren beträgt 12 m, die Tunnelüberdeckung
40 m.
Abb. 1 zeigt das bei den Berechnungen verwendete
Finite-Elemente-Netz mit einer Modellbreite von
225 m und einer Modellhöhe von 100 m. Wie in Abb. 1
dargestellt, besteht das Netz aus 2093 15-knotigen
Elementen mit einem hochwertigen Verschiebungsan-
satz vierter Ordnung.
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
Abb. 1: 15-knotiges Finite-Elemente-Netz mit Modellabmessungen
Die Spritzbetonaußenschale wird durch elastische
Balkenelemente modelliert, denen eine spezifische
Dehn- als auch eine Biegesteifigkeit zugeordnet wird.
Der untere Modellrand wird als unverschieblich ange-
setzt, die seitlichen Modellränder werden mit Gleitla-
gern als vertikal frei verschieblich und horizontal un-
verschieblich festgelegt. Die Modellränder sind ausrei-
chend weit von den Tunnelröhren gewählt, sodass aus
den Randbedingungen keine Einflüsse auf die Berech-
nungsergebnisse zu erwarten sind.
3. Baugrund
Angelehnt an einen Schadensfall, erfolgt der simulierte
Tunnelvortrieb in einem mittel bis ausgeprägt plasti-
schen Schluff. Der Schluff ist normalkonsolidiert und
in Bezug auf seine relativ geringen Steifigkeits- und
Festigkeitseigenschaften für den vorliegenden Tunnel-
vortrieb als stark verformbar und mäßig scherfest anzu-
sehen. Um die Belastung der Tunnelaußenschale zutref-
fend zu simulieren, liegt beim Ansatz von repräsentati-
ven Baugrundparametern ein Hauptaugenmerk auf der
Ableitung von zutreffenden Baugrundsteifigkeiten.
Zur Differenzierung von Baugrundsteifigkeiten bei
Belastungs- sowie Ent- und Wiederbelastungsvorgän-
gen, wird der Baugrund für die Berechnungen mit dem
Mohr-Coulomb-Modell (siehe. Kap. 5) in zwei Schich-
ten unterteilt. Wie in Abb. 1 dargestellt, wird unterhalb
der Tunnelsohle eine Schichtgrenze angesetzt, wobei
der oberen Schicht 1 eine geringere Steifigkeit zuge-
wiesen wird, die das Verformungsverhalten bei Erstbe-
lastungen nachbilden soll. Der tiefer anstehenden
Schicht 2, die unterhalb des Tunnels infolge des Aus-
bruchs entlastet wird, wird eine höhere Steifigkeit
zugewiesen (Kennwerte siehe Tabelle 1).
4. Drainierte / undrainierte Analyse
Das Verhalten von bindigen Böden unter Belastung ist
in der Regel undrainiert, d.h., in den mit Wasser gefüll-
ten Poren können abhängig vom Belastungsvorgang
Porenwasserüberdrücke oder -unterdrücke entstehen.
Beim Tunnelbau werden Teile des umgebenden Bau-
grunds einem Entlastungsvorgang unterworfen, wo-
durch Porenwasserunterdrücke (Saugspannungen)
hervorgerufen werden. Die Saugspannungen führen im
Korngerüst zu einer Erhöhung der effektiven Spannun-
gen sowie zu einer temporären Zunahme von Steifigkeit
und Scherfestigkeit. Bedingt durch Konsolidationsvor-
gänge bauen sich die Porenwasserunterdrücke mit
fortschreitender Zeit ab, wodurch sich am Ende der
Konsolidationszeit wieder drainierte Zustände einstel-
len. Hierbei verringern sich Steifigkeit und Scherfestig-
keit wieder auf die Größe der effektiven Parameter.
Bei tunnelstatischen Berechnungen in bindigen Böden
sollten die geschilderten Sachverhalte berücksichtigt
werden. Inwieweit hierbei überwiegend undrainiertes
Verhalten unmittelbar nach Aufbringen der Belastung
oder drainiertes Verhalten am Ende der Konsolidation
vorherrscht, hängt im Wesentlichen von der Bauzeit,
der Belastungsgeschwindigkeit und der Durchlässigkeit
des Baugrunds ab. Für die Betrachtung der Außenscha-
le ist hierbei die Dauer der Standzeit maßgebend, bevor
die Innenschale zur endgültigen Sicherung eingebaut
wird. Bei hoher Durchlässigkeit ist zu erwarten, dass
sich während der Standzeit der Außenschale infolge
Konsolidation drainierte Zustände einstellen. Bei ge-
ringer Durchlässigkeit kann hingegen für die gesamte
Standzeit der Außenschale eine undrainierte Analyse
maßgebend sein.
Zur Unterscheidung zwischen drainierten und undrai-
nierten Verhältnissen schlagen Vermeer und Meier [3]
die Anwendung des dimensionslosen Zeitfaktors Tv aus
der Konsolidationstheorie nach Gleichung (1) vor.
2D
tEkT
w
sv
⋅
⋅⋅=
γ (1)
Hierbei ist k der Durchlässigkeitsbeiwert, Es der Stei-
femodul, γw die Wasserwichte, D der Drainageweg und
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
t die Bauzeit. Nach [3] kann für Tv<0,01 (U<10%)
näherungsweise von undrainierten Verhältnissen ausge-
gangen werden. Für Tv>0,4 (U>70%) können i. A.
drainierte Verhältnisse angenommen werden.
Da Gleichung (1) für eindimensionale Konsolidations-
vorgänge gilt, kann in Bezug auf die Drainagewirkung
der Tunnelröhren nur eine grobe Einschätzung vorge-
nommen werden. Setzt man näherungsweise den Drai-
nageweg D der Tunnelüberlagerung von HÜ = 40 m
gleich, ergeben sich nach einer Standzeit der Außen-
schale von 360 Tagen und einer Durchlässigkeit von
k=10-6 m/s überwiegend drainierte Verhältnisse mit
einem dimensionsloser Zeitfaktor von Tv=58,32. Bei
einer Standzeit von 90 Tagen ergeben sich noch über-
wiegend drainierte Verhältnisse mit einem dimensions-
losen Zeitfaktor von Tv=14,58.
Maßgebenden Einfluss bei obiger Einschätzung hat die
Größe der Durchlässigkeit. So ergeben sich bei Ansatz
einer geringeren Durchlässigkeit von k=10-9 m/s über-
wiegend undrainierte Verhältnisse (Tv=0,01 bei einer
Standzeit von 90 Tagen). Noch nicht vollständig drai-
nierte Verhältnisse mit Tv=0,05 ergeben sich bei Ansatz
einer Standzeit der Außenschale von 360 Tagen.
Es wird deutlich, dass für die Belastung der Außen-
schale sowohl drainierte als auch undrainierte Analysen
maßgebend sein können. Darüber hinaus können für die
Bemessung teilkonsolidierte Zwischenzustände maßge-
bend sein.
5. Verwendete Stoffgesetze
In den Berechnungen wird sowohl das in der Ingeni-
eurpraxis weitverbreitete Mohr-Coulomb-Modell (MC-
Modell) eingesetzt als auch das höherwertige Harde-
ning-Soil-Modell (HS-Modell), welches im Vergleich
zum MC-Modell zusätzliche Eigenschaften des nicht-
linearen Spannungs-Dehnungs-verhaltens von Böden
berücksichtigt.
�Abb. 2a zeigt, dass das linear elastische Spannungs-
Dehnungsverhalten im MC-Modell durch die Mohr-
Coulomb’sche Bruchbedingung begrenzt ist. Das HS-
Modell verwendet ebenfalls die Mohr-Coulomb’sche
Bruchbedingung. Im Unterschied zum MC-Modell wird
jedoch beim HS-Modell der elastische Bereich sowohl
durch eine volumetrische als auch durch eine deviatori-
sche Fließfläche beschränkt. Dadurch wird berücksich-
tigt, dass bereits vor Erreichen der Bruchbedingung
plastische (irreversible) Verformungen im Baugrund
auftreten können.
Ein weiterer Unterschied zum MC-Modell ist die Un-
terscheidung zwischen Erst- und Ent- bzw. Wiederbe-
lastungsvorgängen. Während beim MC-Modell unab-
hängig vom Belastungsvorgang eine einheitliche (kon-
stante) Steifigkeit verwendet wird, verhält sich das HS-
Modell bei Erstbelastungsvorgängen wesentlich wei-
cher als bei Ent- und Wiederbelastungsvorgängen.
Zur Unterscheidung von Erst- und Ent- bzw. Wiederbe-
lastungsvorgängen verwendet das HS-Modell die drei
Steifigkeitsparameter refoedE , refE50 und ref
urE (vgl. �Abb.
2b), welche bei einer Referenzspannung pref in Stan-
dardlaborversuchen ermittelt werden können. Im Unter-
schied zur konstanten Steifigkeit beim MC-Modell,
wird im HS-Modell die Spannungsabhängigkeit der
Steifigkeit berücksichtigt.
Für das volumetrische Verfestigungsverhalten bei
Erstbelastung (Fließfläche fc in �Abb. 2b) verwendet das
HS-Modell die spannungsabhängige Oedometersteifig-
keit nach der Formel m
ref
refoed pc
cEE oed
+′⋅′
+′⋅′=
ϕ
σϕ
cot
cot 1 , (2)
wobei σ1 die größte Hauptnormalspannung und refoedE
die in einem Oedometerversuch gemessene Referenz-
steifigkeit bei einem vertikalen Referenzdruck pref ist.
Der Exponent m, welcher das Maß der Spannungsab-
hängigkeit bestimmt, kann ebenfalls im Labor gemes-
sen werden. Für bindige Böden liegt m typischer Weise
im Bereich 0,75<m<1,0, für nicht bindige Böden ergibt
sich m ≈ 0,5 [1].
Für das deviatorische Verfestigungsverhalten bei Erst-
belastung (Fließfläche fs in �Abb. 2b) wird die span-
nungsabhängige Sekantensteifigkeit m
ref
ref
pc
σcEE
+′⋅′
+′⋅′=
ϕ
ϕ
cot
cot 3
5050 , (3)
verwendet, welche bei 50 % der Bruchspannung als
Sekantenmodul gemessen wird (vgl. �Abb. 2b). Hierbei
ist σ3 die kleinste Hauptspannung und refE50 die in ei-
nem drainierten Standard-Triaxialversuch bei einem
Referenzseitendruck pref gemessene Sekantensteifigkeit.
Für Ent- bzw. Wiederbelastungsvorgänge wird der
spannungsabhängige E-Modul m
ref
refurur
pc
cEE
+′⋅′
+′⋅′=
ϕ
σϕ
cot
cot 3 , (4)
verwendet, wobei refurE in einem drainierten Standard-
Triaxialversuch bei vollständiger Entlastung und einem
Referenzseitendruck pref gemessen werden kann.
Zur Beschreibung der Querdehnung im linear-
elastischen Bereich, wird im HS-Modell die Poisson-
zahl νur verwendet, welche für viele Böden annähernd
den Wert 0,2 aufweist. Sie ist im Vergleich zu der beim
MC-Modell verwendeten Querdehnung geringer, da
plastische Querdehnungsanteile im HS-Modell über
volumetrische und deviatorische Verfestigung berück-
sichtigt werden.
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
Abb. 2: Vergleich der grundlegenden Eigenschaften von MC- und HS-Modell.
Schicht 1 und 2 1 2
Modell HS MC MC
νur /ν [-] 0,2 0,35 0,35
γ [kN/m³] 20 20 20
ϕ’ [°] 30 30 30
c’ [kPa] 10 10 10
E [MPa] - 20 130 refurE [MPa] 50 - -
refE50 [MPa] 10 - -
refoedE [MPa] 5 - -
pref [kPa] 100 - -
m [-] 0,75 - -
K0 [-] 0,5 0,5 0,5
Tabelle 1: Kennwerte für die Berechnungen
Die in den Berechnungen angesetzten Kennwerte kön-
nen Tabelle 1 entnommen werden. Bei der Ermittlung
der Steifigkeiten des MC-Modells wurden die in den
Schichten 1 und 2 wirksamen Spannungen unter Ver-
wendung der Gleichungen (2) und (4) berücksichtigt.
Zur detaillierten Beschreibung von MC- und HS-
Modell wird auf [2] verwiesen.
6. Berücksichtigung von Vorentspannung
Beim Tunnelvortrieb kommt es zu einer dreidimensio-
nalen Spannungsumlagerung im Bereich der Ortsbrust.
Zur näherungsweisen Erfassung des räumlichen Trag-
verhaltens in einer zweidimensionalen Berechnung
wird in den vorliegenden Berechnungen das Lastreduk-
tionsverfahren (oder β-Methode) [5] angewendet. In [4]
sind kalibrierte β-Faktoren in Abhängigkeit von Vor-
trieb und Baugrundeigenschaften angegeben. Für vor-
liegende Berechnungen wird β=0,7 für den Kalotten-
vortrieb und β=0,5 für den Strossen- und Sohlvortrieb
angesetzt.
7. Tunnelschale
In den Berechnungen wird von einer 30 cm dicken
Spritzbetonschale für Kalotte und Strosse/Sohle ausge-
gangen. Um die zeitliche Entwicklung der Spritzbeton-
steifigkeit zu berücksichtigen, werden jeweils zwei
Parametersätze vorgesehen. Für den frischen Spritzbe-
ton wird hierbei ein E-Modul von 7,5 GPa zugrunde
gelegt, für den erhärteten Spritzbeton E = 15 GPa. Zur
Berücksichtigung einer Fließgelenkausbildung bei
Erreichen der maximalen Momententragfähigkeit, wird
für die Berechnung der Biegemomente der Spritzbeton-
elemente linear-elastisches ideal plastisches Material-
verhalten angesetzt. Das maximal aufnehmbare Mo-
ment wird zu 100 kNm/m gewählt. Für Normalkräfte
wird linear-elastisches Materialverhalten angesetzt,
sodass auftretende Normalspannungen vom Querschnitt
voll aufgenommen werden. Der Nachweis der Standsi-
cherheit der Spritzbetonschale erfolgt durch die an-
schließende Bemessung nach DIN 1045-1 (Kap. 9).
E=7,5
GPa
E=15
GPa
Querdehnzahl ν [-] 0,15 0,15
Eigengewicht w [kN/m/m] 4,5 4,5
Schalendicke d [m] 0,3 0,3
Dehnsteifigkeit EA [kN/m] 2,25 E6 4,5 E6
Biegesteifigkeit EI [kNm²/m] 16875 33750
Tabelle 2: Eingabeparameter für die Spritzbetonschale
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
Bezeichnung
Rechenphasen
Vorent-
spannung
E-Modul
Spritzbeton-
schale
Initialspannung mit
σv =γ·z, σh=K0·σv - -
Ausbruch Kalotte
linke Röhre 1-β=0,3 -
Sicherung Kalotte
linke Röhre -
Kalotte (l)
7,5 GPa
Ausbruch Str./Sohle
linke Röhre 1-β=0,5
Kalotte (l)
15 GPa
Sicherung Str./Sohle
linke Röhre -
Str./Sohle (l)
7,5 GPa
Ausbruch Kalotte
rechte Röhre 1-β=0,3
Str./Sohle (l)
15 GPa
Sicherung Kalotte
rechte Röhre -
Kalotte (r)
7,5 GPa
Ausbruch Str./Sohle
rechte Röhre 1-β=0,5
Kalotte (r)
15 GPa
Sicherung Str./Sohle
rechte Röhre -
Str./Sohle (r)
7,5 GPa
Tabelle 3: Berücksichtigte Rechenphasen
Analyse Stoffgesetz
Fall 1 drainiert MC
Fall 2 undrainiert MC
Fall 3 drainiert HS
Fall 4 undrainiert HS
Tabelle 4: Berücksichtigte Berechnungsfälle
Zur Modellierung der Interaktion zwischen Außenscha-
le und Baugrund werden zwischen Balken- und Volu-
menelementen Interface-Elemente eingeschaltet. Mit
diesen Elementen kann eine Scherfuge modelliert wer-
den, in welcher Relativverschiebungen zwischen Bau-
grund und Außenschale auftreten können.
8. Berechnungsphasen und Berechnungsfälle
Sowohl für undrainierte als auch für drainierte Berech-
nungen werden die Rechenphasen entsprechend Tabelle
3 durchlaufen.
Zur Untersuchung der Einflüsse aus drainiertem bzw.
undrainiertem Materialverhalten werden die Berech-
nungsfälle gemäß Tabelle 4 angesetzt.
9. Bemessung der Spritzbetonschale
Die Bemessung der Tunnelschale erfolgt anhand der
berechneten Schnittkräfte unter Anwendung der DIN
1045-1. Hierbei wird vereinfachend ein symmetrisch
bewehrter Rechteckquerschnitt ohne Bemessung auf
Querkraft zugrundegelegt. Die Bemessung erfolgt für
einen Beton der Güte C20/C25.
10. Berechnungsergebnisse
Als Referenzfall (Berechnungsfall 1) wird die drainier-
te Analyse mit dem MC- Modell verwendet. Abb. 3
zeigt für diesen Fall die charakteristischen Schnittkräf-
te. Es fällt auf, dass die linke Tunnelröhre insbesondere
in Bezug auf den Momentenverlauf eine unsymmetri-
sche Belastung zeigt, während die rechte Tunnelröhre
einen annähernd symmetrischen Verlauf zeigt. Der
Grund hierfür besteht in der zeitlichen Abfolge der
Herstellung der Tunnelröhren. Da die rechte Tunnel-
röhre später ausgeführt wird, erfährt die linke Röhre
Spannungsumlagerungen infolge des Baus der zweiten
Tunnelröhre.
Abb. 4 zeigt die Ergebnisse der Bemessung für die
Schnittkräfte aus Abb. 3. Die ungünstigere Belastung
für die erste, linke Tunnelröhre, wird mit einer maxima-
len erforderlichen Bewehrung von 7,15 cm²/m pro Lage
im oberen Bereich der Ulmen deutlich. Die erforderli-
che Bewehrung für die rechte Tunnelröhre ist mit ma-
ximal 4,2 cm²/m pro Lage geringer. Für beide Tunnel-
röhren ergibt sich der größte Bewehrungsgehalt auf der
dem Mittelpfeiler zugewandten Seite. Die gegenseitige
Beeinflussung der Doppelröhren durch Spannungsum-
lagerungen auf den Mittelpfeiler wird deutlich.
In Abb. 5 sind die charakteristischen Schnittkräfte
infolge undrainierter Analyse mit dem MC-Modell
(Berechnungsfall 2) dargestellt. Im Vergleich zu Abb. 3
ergeben sich geringfügig kleinere Biegemomente bei
gleichzeitig höheren Normalkräften. Hieraus folgen vor
allem in der linken Tunnelröhre deutlich höhere Be-
wehrungsgehalte von bis zu 10,8 cm²/m (siehe Abb. 6).
Die höheren Bewehrungsgehalte waren in der vorlie-
genden Form nicht zu erwarten. Da beim Tunnelaus-
bruch überwiegend Entlastungsvorgänge auftreten,
entstehen Porenwasserunterdrücke, wodurch sich
Scherfestigkeit und Baugrundsteifigkeit erhöhen. Es
war daher eher zu erwarten, dass die Schnittkräfte und
Bewehrungsgehalte bei Ansatz undrainierter Scherfes-
tigkeiten geringer ausfallen. Für eine ausführliche Be-
schreibung der Eigenschaften des MC-Modells bei der
Simulation von undrainiertem Verhalten wird auf [6]
verwiesen.
Abb. 7 zeigt die charakteristischen Schnittkräfte nach
drainierter Simulation mit dem HS-Modell (Berech-
nungsfall 3). Im Vergleich zu den Ergebnissen des MC-
Modells (siehe Abb. 3) ergeben sich insbesondere für
die linke Röhre wesentlich höhere Normalkräfte. Die
Beanspruchung der beiden Röhren ist noch ungleich-
mäßiger als im Referenzfall. Aus dem Vergleich der
Ergebnisse wird deutlich, dass die ungleiche Beanspru-
chung der Röhren wesentlich durch die im Stoffmodell
simulierten plastischen Verformungsanteile geprägt
wird. Während beim MC-Modell plastische
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
Abb. 3: Charakteristische Schnittkräfte für Berechnungsfall 1
Abb. 4: Bemessung der Spritzbetonschale für Berechnungsfall 1
Abb. 5: Charakteristische Schnittkräfte für Berechnungsfall 2
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
Abb. 6: Bemessung der Spritzbetonschale für Berechnungsfall 2
Eigenschaften nur nach Erreichen der Mohr- Cou-
lomb´schen Bruchbedingung entstehen, werden beim
HS-Modell bereits vor Erreichen der Bruchspannung
plastische Verformungsanteile berechnet.
Abb. 8 zeigt die Bewehrungsgehalte infolge drainierter
Berechnungen mit dem HS-Modell. Während die Be-
wehrungsgehalte für die rechte Tunnelröhre relativ
gering ausfallen, ergeben sich für die linke Tunnelröhre
relativ große erforderliche Bewehrungsgehalte von bis
zu 20,2 cm²/m je Lage. Im Vergleich zur drainierten
MC-Berechnung (Referenzfall) ist dies annähernd der
dreifache Wert. Dies verdeutlicht, dass die Berechnun-
gen mit dem MC-Modell in vorliegendem Fall zu einer
erheblichen Unterdimensionierung der Außenschale
führen. Die mit dem HS-Modell ermittelten Beweh-
rungsgehalte sind dahingegen baupraktisch nicht um-
setzbar. Bei einer Bemessung nach dem HS-Modell
müsste dementsprechend eine dickere Schale gewählt
werden. Die Tendenz, dass bei Anwendung des MC-
Modells die Bewehrungsgehalte bei Tunneln in nor-
malkonsolidiertem Schluff unterschätzt werden, bele-
gen auch die Erfahrungen des den Untersuchungen
zugrunde liegenden Schadensfalls.
In Abb. 9 sind die charakteristischen Schnittkräfte der
undrainierten Berechnungen mit dem HS-Modell (Be-
rechnungsfall 4) dargestellt. Im Unterschied zu den
Berechnungen mit dem MC-Modell (Berechnungsfall
3) ergeben sich erwartungsgemäß für die linke Tunnel-
röhre geringere Schnittkräfte als bei der drainierten
Analyse. Gleichzeitig ergeben sich für die rechte Tun-
nelröhre höhere Bewehrungsgehalte. Dies ist einleuch-
tend, da infolge des undrainierten Bodenverhaltens die
plastischen Verformungen geringer ausfallen und folg-
lich auch die ungleichen Belastungen der Röhren zu-
rückgehen. Dennoch ergeben sich für die linke Tunnel-
röhre immer noch hohe erforderliche Bewehrungsge-
halte von bis zu 18,75 cm²/m je Lage (vgl. Abb. 11).
Auch in diesem Fall müsste eine dickere Schale ausge-
führt werden.
11. Zusammenfassende Schlussfolgerungen
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der FE-
Berechnung der bei Tunnelvortrieben auftretenden
Beanspruchung der Spritzbetonschale. Bei den Berech-
nungen werden die maßgebenden Randbedingungen
aus einem Schadensfall berücksichtigt.
Abb. 7: Charakteristische Schnittkräfte für Berechnungsfall 3
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
Abb. 8: Bemessung der Spritzbetonschale für Berechnungsfall 3
Abb. 9: Charakteristische Schnittkräfte für Berechnungsfall 4
Abb. 10: Bemessung der Spritzbetonschale für Berechnungsfall 4
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010
Es werden die Einflüsse von drainiertem und undrai-
niertem Materialverhalten sowie der Wahl des Stoffge-
setzes auf die Berechnungsergebnisse untersucht. An-
hand des Berechnungsbeispiels eines doppelröhrigen
Tunnelvortriebs in einem normalkonsolidierten Schluff,
werden charakteristische Ergebnisse für die Bemessung
der Außenschale aufgezeigt.
Die Berechnungen zeigen, dass die beiden Tunnelröh-
ren ungleich beansprucht werden. In Abhängigkeit
davon, ob eine drainierte oder eine undrainierte Analy-
se vorgenommen wird, bzw. welches Stoffgesetz einge-
setzt wird, ergeben sich für die erste Tunnelröhre ge-
genüber dem Referenzfall etwa zwei- bis achtfach
höhere erforderliche Bewehrungsgehalte.
Die Berechnungsergebnisse zeigen ferner, dass die
Spannungs-Dehnungsbeziehung des MC-Modells im
Unterschied zum höherwertigen HS-Modell die nicht-
linearen Eigenschaften von bindigen Böden nur unvoll-
ständig abbilden kann. Die Untersuchungen zum An-
satz undrainierter/drainierter Bedingungen zeigen, dass
bei Verwendung des HS-Modells plausible Ergebnisse
erhalten werden, während bei Verwendung des MC-
Modells mechanisch nicht nachvollziehbare Effekte
auftreten.
Die vorgestellten Berechnungsergebnisse verdeutli-
chen, dass die Belastung der Außenschale in hohem
Maße von dem Steifigkeitsverhältnis zwischen Bau-
grund und Tunnelschale bestimmt ist. Die Berücksich-
tigung der Spannungsabhängigkeit der Steifigkeit beim
HS-Modell führt zu höheren Schnittkräften als beim
MC-Modell. Die Verwendung von komplexeren Stoff-
gesetzen mit einer zutreffenden Beschreibung der nicht-
linearen Baugrundeigenschaften kann dementsprechend
bei Tunneln in normalkonsolidierten, bindigen Böden
für die Bemessung der Außenschale sicherheitsrelevant
sein.
Literatur
[1] T. Schanz. Zur Modellierung des mechani-
schen Verhaltens von Reibungsmaterialien.
Mitteilungen Heft 45, Institut für Geotechnik,
Universität Stuttgart, 1998.
[2] Brinkgreve, R. (2002). Plaxis 2D Version 8.
A.A. Balkema Publishers, The Netherlands
[3] Vermeer, P.A und Meier, C.-P. (1998). Stand-
sicherheit und Verformungen bei tiefen Bau-
gruben in bindigen Böden. In: Vorträge Bau-
grundtagung in Stuttgart, Verlag Glückauf, S.
133-148.
[4] Vermeer, P.A., Möller, S.C. und Katz, J.:
Vorentspannung beim bergmännischen Tun-
nelbau - Vergleich ebener und räumlicher Be-
rechnungen. In: Vorträge der Baugrundtagung
2004 in Leipzig, S.105-112
[5] Möller, S.C. und Vermeer, P.A. Analysis of
tunnelling settlements and lining forces. In:
Tunnels and Underground Space Technology,
Vol. 23 (2008), pp. 461
[6] Wehnert, M. Ein Beitrag zur drainierten und
undrainierten Analyse in der Geotechnik. Ver-
öffentlichung des Instituts für Geotechnik, U-
niversität Stuttgart, 2006.
Tagungsband 7. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, S. 107-115, TAE, Ostfildern, 2010