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Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule ein Fortbildungspaket für Evangelische Schulen in Mitteldeutschland in den Jahren 2011 bis 2013 Abschlussbericht

Bericht inklusionspaket

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Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule

ein Fortbildungspaket für Evangelische Schulen in Mitteldeutschland

in den Jahren 2011 bis 2013

Abschlussbericht

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Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule

Abschlussbericht im Rahmen der Projektfinanzierung durch die Evangelische Schulstiftung der EKD

(ESS EKD).

Dieser Abschlussbericht ist die Kurzfassung einer Dokumentation des Projekts, die im Dezember 2013 veröffentlicht wird und die ich Ihnen auf Anfrage gerne zuschicke ([email protected]). Ziel des Berichts ist es auch, die Diskussion um Inklusion weiterzuführen und zu beleben.

1. Allgemeine Projektbeschreibung

1.1 Projektbezeichnung und inhaltliche Kurzbeschreibung

„Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule“ ist ein Fortbildungspaket für evangelische Schulen in Mitteldeutschland. Projektträger waren die Evangelische Schulstiftung in Mitteldeutschland (ESM) und das Pädagogisch-Theologische Institut der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalts (PTI). Trotz der Projektträgerschaft der ESM waren alle evangelischen Grund-, Regel- bzw. Sekundarschulen, Gymnasien und Gesamtschulen Thüringens und Sachsen-Anhalts zur Teilnahme eingeladen – auch die in anderer Trägerschaft als der ESM.

1.2 Projektdauer, Module, Förderzeitraum, Anzahl der Teilnehmenden

Geplant waren elf Veranstaltungen1 unterschiedlicher Formate und unterschiedlicher Zielgruppen, wobei Wünsche und Bedürfnisse nach weiteren Angeboten erbeten und aufgenommen wurden. Die Veranstaltungen fanden zwischen November 2011 und November 2013 statt. Bis auf eine halbtägige Veranstaltung in Halle und ein zweitägiges Seminar, das in Drübeck geplant war (und nicht zustande kam), fanden die Veranstaltungen – mit Ausnahme der Hospitationen – in Neudietendorf oder dem nahen Umfeld (Erfurt) statt. Aufgrund von Wünschen und Vorschlägen von Teilnehmenden wurde eine Veranstaltung zusätzlich ins Programm aufgenommen. Offen ausgeschriebene Veranstaltungen – „Workshops“ – wurden präzisiert. Von den elf Veranstaltungen waren zwei mehrtägig mit Übernachtung, vier eintägig, drei halbtägig und zwei sequentiell.

Die Veranstaltungen konnten als Einzelmodule gebucht werden, es bestand keine Verpflichtung an allen Projektteilen teilzunehmen. Es gab allerdings die deutliche Bitte, dass jeweils mindestens zwei Kolleg/innen einer Schule sich anmelden sollten. Die Alternative, dass Schulen sich verbindlich für alle Veranstaltungen des Pakets anmelden müssen, wurde in der Diskussion im Vorfeld verworfen. Die Statistik zeigt, dass insgesamt 141Teilnehmende zu den Veranstaltungen kamen, darunter ein hoher Anteil von Schulleiter/innen. Von 22 beteiligten Schulen (51 waren eingeladen worden)

1 Die Veranstaltungen im Einzelnen: (1) Eröffnung: Präsentation einer inklusiven Schule; Vorstellen der Module

des Projekts; (2) Kollegiale Fallberatung; (3) Hospitationen; (4) Individualisierung; (5)Arbeitszeitmodelle; (6) Besonderer Förderbedarf – woher nehmen? – in Thüringen / in Sachsen-Anhalt; (7)Gemeinsamer Unterricht – Lernen unter erschwerten Bedingungen; (8)Abschlussveranstaltung und Start des „Programms Inklusion“; (9)Lernen bewegt Alle Veranstaltungen sind beschrieben und bewertet in der ausführlichen Dokumentation. sind aufgeführt im angehängten Flyer. Zu den schon zu Beginn geplanten Veranstaltungen kamen hinzu ein Workshop zu Arbeitszeitmodellen und eine Tagesveranstaltung zu „Lernen bewegt“. Alle Veranstaltungen sind beschrieben und bewertet in der ausführlichen Dokumentation.

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gehören 18 zur ESM, keine zur nächst größeren Schulträgerin, der Evangelischen Johannes-Stiftung, vier zu anderen, kleineren Trägern.

1.3 Projektverlauf

Zwischen dem Beginn des Projekts im November 2011 und seinem Abschluss im November 2013 stand das Thema „Inklusion“ immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion in Beratungen und Dienstbesprechungen der Schulleitungen der ESM und in der intensiven Öffentlichkeitsarbeit von ESM und PTI, z.B. durch regelmäßige „Wurfpäckchen“. In vielen Kontakten kam das Thema als ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt immer wieder zur Sprache. Mindestens den Schulen in Trägerschaft der ESM dürfte es in diesem Zeitraum schwer gefallen sein, sich dem Thema Inklusion zu entziehen. Dies machen auch die sieben Interviews deutlich, die im Sommer 2013 mit Schulleitungen geführt wurden: In den ESM-Schulen geht es um die jeweils für die Schule passenden nächsten Schritte auf dem Weg zu einer inklusiven Schulen, während die anderen Schulen noch stärker in grundsätzlichen Vorüberlegungen und Bedenken der Machbarkeit stecken bleiben. Eines der Ziele des Projekts, die Schulen, insbesondere die Schulleitungen, in die Planungen des Projekts einzubeziehen, ist erreicht. Zusätzlich zu den ursprünglich geplanten Veranstaltungen wurde eine Tagesveranstaltung aufgrund einer Anregung einer Schulleiterin aufgenommen. Zunächst kaum wahrgenommene Angebote, schulinterne Prozesse zu unterstützen, werden jetzt, nach dem offiziellen Ende des Projekts, aufgegriffen, fließen allerdings nicht mehr in die Projekt-Statistik ein.

2. Auswertung

2.1 Erreichung der Zielsetzung des Projekts

Für den Zuschussantrag an die ESS EKD wurden folgende Ziele und anzustrebende Kompetenzen für die Teilnehmenden der Fortbildungsveranstaltungen formuliert: Schulleitungen können ihre Kollegien motivieren, sich mit individualisierenden Unterrichtsformen und Medien vertraut zu machen und dabei zugleich ihre Rolle als Unterrichtende zu überdenken. Sie kennen Möglichkeiten, für Schüler/innen mit besonderem Förderbedarf qualifiziertes Personal einzusetzen und entdecken Chancen kreativen Personaleinsatzes und zusätzlicher Qualifizierung (besonders in der Auftaktveranstaltung).

Ergebnis: Die Interviews zeigen, dass die Schulleitungen sich ihrer Rolle im Schulentwicklungsprozess bewusst sind und, sofern sie teilgenommen haben, durch die Veranstaltungen des Fortbildungspakets hilfreiche und wichtige Anregungen bekommen haben.

Lehrer/innen, Erzieher/innen und Pädagogische Mitarbeitende setzen individualisierende Formen des Lernens und Lehrens ein und erproben bzw. erstellen eigene Materialien, um sowohl Hochbegabte, Teil-Hochbegabte, Schüler/innen mit diagnostiziertem und mit nicht-diagnostiziertem Förderbedarf individuell angemessen zu fördern und zu fordern. Sie reflektieren ihre Rolle und korrigieren sie u.U. Sie erproben Methoden individualisierenden Unterrichts und werden sicherer in ihrer Anwendung (besonders in den Hospitation und anschließende Fortbildungen)

Ergebnis: Die Teilnehmenden melden zurück, dass sehr praxisnahes Arbeiten an Unterrichtsequenzen für sie hilfreich war und sie ermutigt hat, individualisierende Unterrichtsformen auszuprobieren. In einigen Interviews kommt zum Ausdruck, dass dies mit einem vorsichtigen Nachdenken über eine veränderte Lehrerrolle einher geht. Da es sich hier um einen langfristigen Veränderungsprozess handeln muss, ist in einem zeitlich begrenzten Projekt nicht mehr zu erwarten.

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Lehrer/innen, Erzieher/innen, Pädagogisch Mitarbeitende stärken am konkreten Beispiel ihrer Schüler/innen ihre diagnostische Kompetenz (besonders in der kollegialen Fallberatung).

Ergebnis: Die teilnehmenden Lehrer/innen und pädagogisch Mitarbeitenden beschreiben zunehmend sensible Reaktionen auf Schüler/innen-Verhalten. In ihren Lernprozessen war ihnen besonders die Vernetzung mit Kolleginnen anderer Schulen wichtig.

Kollegien arbeiten gemeinsam an einer allmählichen Veränderung ihrer Schule in Richtung inklusive Schule (schulinterne Begleitung).

Ergebnis: Eine intensivierte Schulentwicklungs-Arbeit am Thema Inklusion lässt sich aus den Interviews ablesen. Erkennbar ist in mehreren Schulen, dass es gute schulinterne Fortbildungsformate und -strukturen gibt, so dass die angebotene externe Unterstützung durch ESM und PTI (zunächst) nicht an Anspruch genommen wurde. Neben und in all diesen Zielen und Kompetenzbeschreibungen ging es um zunehmende definitorische Klarheit, was für die jeweiligen Akteure und ihre Schulen Inklusion bedeutet.

Ergebnis: Der breiten Diskussion in den Veranstaltungen und im gesamten Umfeld, auch der beiden Bundesländer, konnten sich die Teilnehmenden und ihre Schulen nicht entziehen. Dass die Schulen in ihrem Verständnis von Inklusion und in ihrer Entwicklung auf dem Weg zu einer inklusiven Schule sehr unterschiedlich weit sind, gibt der Entscheidung der Projektträgerinnen recht, kein verpflichtendes Gesamtpaket zu schnüren, sondern Einzelmodule anzubieten. Und schließlich hofften die Veranstalterinnen, für Schritte zur Inklusion zu werben.

Ergebnis: In einigen Interviews sind „nächste Schritte“ formuliert worden, von denen zu vermuten ist, dass auch die Veranstaltungen des Fortbildungspakets dazu ermutigt haben. Sehr deutlich ist dies bei einem Gymnasium, das über die Beantragung eines Schulversuchs für eine inklusive Klasse des Gymnasiums nachdenkt und dabei aufmerksam die Anregungen und Impulse des Fortbildungsprojekts wahrgenommen hat. Als weiterer Beleg für die wirksame „Werbung“ mag eine Grundschule gelten, die inzwischen einen von der Universität Erfurt begleiteten Schulentwicklungsprozess mit dem „Index für Inklusion“ begonnen hat. Das Projekt verfolgte neben diesen Lern- und Erfahrungszielen für die Teilnehmenden der Fortbildungsveranstaltungen weitere Ziele, die für die Projektträgerinnen sowie die evangelische Schullandschaft in Mitteldeutschland von Belang waren und sind:

Die Kooperation zwischen der Evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland und dem Pädagogisch-Theologischen Institut im Fortbildungsbereich wird intensiviert. Ergebnis: Dass dies gelungen ist, zeigt u.a. der Fortbildungskatalog der ESM, in den Angebote des PTI aufgenommen wurden.

Die Kooperationsbemühungen der beiden Schulstiftungen in der EKM und der kleineren Schul-Träger (zusammengeschlossen im Schulwerk) werden unterstützt durch die Öffnung von Fortbildungsangeboten der ESM auch für Schulen, die nicht zur ESM gehören (PTI-Veranstaltungen standen schon immer allen evangelischen Schulen trägerübergreifend offen). Ergebnis: Die Teilnahmestatistik zeigt, dass es noch nicht hinreichend gelungen ist, Kolleg/innen aus Schulen, die nicht in Trägerschaft der ESM sind, zu gewinnen. An einer Öffnung der Fortbildungsangebote ist weiter zu arbeiten.

Eine Zusammenarbeit zwischen den evangelischen Schulen in kirchlicher Trägerschaft (einschließlich Stiftungen) sowie in Trägerschaft diakonischer Einrichtungen wird angebahnt, so dass in Folge eine Zusammenarbeit diakonischer und kirchlicher Schulen erleichtert und wahrscheinlicher wird. Ergebnis: Es gibt inzwischen vielfältige Kontakte und Verabredungen zwischen dem PTI und Fortbildner/innen der diakonischen Förder- und Fachschulen. „Türöffner“ dafür war der

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Auftrag der Synode der EKM, eine Gesamtkonzeption für die evangelischen Schulen in Mitteldeutschland zu erstellen2. Sie enthält den Kernsatz „Diakonische Schulen sind evangelische Schulen“.

Eine Vernetzung benachbarter Schulen wird voran getrieben und unterstützt – besonders im Blick auf sonderpädagogische Kompetenzen und Ressourcen. Ergebnis: Die erlebte Vernetzung wurde vielfach als wichtig und hilfreich erkannt und benannt. Allerdings bedarf es zur Fortsetzung und Intensivierung offensichtlich häufig eines externen Anstoßes. Dies ist von PTI und ESM auch über den Projektzeitraum hinaus zu leisten.

2.2 Ergebnisse, Produkte

Eine Dokumentation der Planungen und Vorüberlegungen, der elf Veranstaltungen, der extern

unterstützten Evaluation und der Auswertung von sieben Interviews, die am Ende der Projektphase

mit Schulleiter/innen geführt wurden, wird im Dezember 2013 fertig gestellt. Sowohl mit den

beteiligten Schulen, den Referentinnen der Veranstaltungen als auch mit Fachkolleg/innen vor Ort

und in der EKD wird dann die Diskussion über das Projekt gesucht.

2.3 Einschätzung der Beteiligten

In jeder der elf Veranstaltungen wurden die Teilnehmenden am Schluss um ihr Feedback gebeten, in den mehrtägigen Seminaren mit dem Feedback-Bogen der ESS EKD (s. Dokumentation), in den kürzeren Veranstaltungen mit weniger zeitaufwändigen Methoden. Neben der immer wieder geäußerten hohen Bedeutung von fachlichem und kollegialem Austausch ist in diesen Rückmeldungen auffallend, dass es deutliche Abgrenzungen der Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten, aber auch der Erzieher/innen und Lehrer/innen gibt. Nur selten wurde diese Heterogenität als Gewinn bezeichnet.

2.4 Abrechnung Inklusionspaket: Vergleich der Antragssummen mit den realen Kosten

Veranstaltung Antragssumme Kosten Differenz Auftakt 684,00 € 1.044,00 € - 360,00 € Hospitationen 1.837,00 € 1.289,95 € 547,05 € Auswertung Hospitationen 284,00 € 172,00 € 112,00 € Individualisierung 1.950,00 € 2.484,20 € - 534,20 € Kollegiale Fallberatung 1.680,00 € 1.960,00 € - 280,00 € Zwischenfeedback 526,00 € 526,00 € Regionale AG`s, Werkstatt 850,00 € 482,58 € 367,42 € Gemeinsamer Unterricht 1.950,00 € 739,60 € 1.210,40 € Abschlussveranstaltung 926,00 € 193,50 € 732,50 € Leistungen messen 3.097,18 € 3.097,18 € Förderbedarf LSA 330,00 € 7,89 € 322,11 € Lernen bewegt 1.160,00 € 1.045,50 € 114,50 € Evaluation 1.103,50 € 1.040,65 € 62,85 € Dokumentation 1.300,00 € 204,35 € 1.095,65 € Summe 17.677,68 € 10.664,22 € 7.013,46 €

2 Landeskirchenamt der EKM, Bildungsdezernat: Bildung mit Profil und Perspektive, Erfurt im Oktober 2013

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Die Kosten von insgesamt 10.664,22 Euro wären aus den Fortbildungshaushalten von ESM und PTI

und den Teilnahmebeiträgen der Teilnehmer/innen allein nicht zu tragen gewesen. Erst die

Unterstützung durch die ESS EKD hat die Durchführung des Projekts ermöglicht. Teilabrechnungen

erfolgten zum Jahresende 2011 und 2012. Die Endabrechnung erfolgt im Zusammenhang dieses

Berichts.

2.5 Evaluationsergebnisse

Ergebnisse der Befragungen von Teilnehmenden und Interview-Äußerungen von Schulleitungen zu den Wirkungen des Fortbildungspakets wurden bereits in die vorangegangenen Abschnitte aufgenommen. Im Folgenden sollen Aspekte benannt werden, die mir für zukünftige Fortbildungs- und Beratungsangebote wichtig sind. Dabei ist der Blick über die Unterrichtsentwicklung hinaus zu weiten in die Bereiche Schulkultur, Personalentwicklung und –gewinnung, Schulorganisation und bildungspolitische Diskussion.

2.5.1 Schulkultur

In den Veranstaltungen des Inklusions-Pakets gab es wenig ausdrückliche Hinweise auf eine bewusste Gestaltung der Schulkultur. Aus zwei Hinweisen auf die Unterschiedlichkeit der Elternhäuser der Schüler/innen lässt sich ein Auftrag ableiten, auch die Elternarbeit der Schule so zu gestalten, dass Mütter und Väter unterschiedlicher Bildungsnähe stärker als bisher in den Blick kommen und angesprochen werden. In vielen der teilnehmenden Schulen gibt es Streit-Schlichter, Ansätze der gewaltfreien Kommunikation und andere Verfahren, mit Konflikten umzugehen, die bei zunehmender Heterogenität fast zwangsläufig aufbrechen. Solche Konzept-Bestandteile wurden aber im Zusammenhang mit Inklusion nicht erwähnt. Zur Schulkultur gehört auch, dass es Orte und Zeiten gibt, in denen über eine evangelische Begründung von Inklusion, von gewollter Individualität und Gemeinschaftsförderung, nachgedacht wird, z.B. aber nicht nur in Andachten und Gottesdiensten.

2.5.2 Personalentwicklung Inklusiv Schule zu machen, bedeutet für viele Lehrer/innen eine tiefgreifende Veränderung ihrer Rolle, damit eine große Herausforderung, ihr professionelles Selbstbild zu reflektieren und zu verändern. Dies gilt in besonderem Maße in Mitteldeutschland, wo Prägungen durch die DDR-Schule auch zwanzig Jahre nach dem Ende dieses Schulsystems nachwirken. Veränderungen können Angst machen, aber auch beflügeln und aktivieren. In Kollegien werden vermutlich sowohl die Ängstlichen als auch die Hoch-Aktiven aufeinander treffen und miteinander arbeiten müssen. Beide Grundhaltungen müssen in ihrer Bedeutung für den Entwicklungsprozess gesehen und gewürdigt werden. Veränderungsprozesse müssen deutlich, aber in gebührender Langsamkeit voran getrieben werden. Der Weg zur inklusiven Schule ist ein langer Prozess, in dem jeder Schritt Zeit und Achtung verlangt. Lehrer/innen sowie Erzieher/innen, besonders aber Schulleiter/innen, die diese Prozesse in ihrer Schule steuern, brauchen dabei Begleitung in Form von Supervision, Coaching oder kollegialer Beratung. Die Stärkung der Person ist unabdingbare Grundlage, dass fachliche Fortbildungen nachhaltig wirken können. Daher müssen Fortbildungen immer auch Person-stärkende Anteile enthalten, dazu gehören Meditationen, Andachten und andere spirituelle Angebote. Um in einer sich verändernden Schule handlungsfähig zu sein, braucht es Handwerkszeug, über das Lehrkräfte in der Regel nach der ersten und zweiten Ausbildungsphase nicht ausreichend verfügen.

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Fortbildungen, die helfen, dieses Handwerkszeug zu erarbeiten, sollten daher in allen Schulen verbindlich gemacht werden. Form und Format dieser Fortbildungen können je nach schulischem Bedarf sehr unterschiedlich sein.

2.5.3 Fortbildungsformate und -inhalte Als nachhaltig erweisen sich solche Fortbildungen, in denen Kolleg/innen über längere Zeit zusammen an konkreten praxisnahen Projekten arbeiten. Das sind mehrtägige zentrale Fortbildungen, in denen neben den Arbeitsphasen Raum für individuelle Absprachen und informellen Austausch ist und in denen das Erarbeitete bis zum nächsten Treffen ausprobiert werden kann. Die Möglichkeiten, an mehrtägigen Fortbildungen teilzunehmen bzw. diese anzubieten, sind aus finanziellen Gründen begrenzt. Zudem stellt die Freistellung von Kolleg/innen besonders kleine Schulen vor große Herausforderungen, sofern die Fortbildungen während der Schulzeit stattfinden. Fortbildungen außerhalb der Schulzeit, an Wochenenden oder in den Ferien, werden nur dann zustande kommen, wenn entsprechende Arbeitszeitmodelle verabredet wurden. Problemloser durchzuführen und zu finanzieren sind Arbeitskreise in der Region, in denen eine gleichbleibende Gruppe von Kolleg/innen an einem verabredeten Thema oder Projekt über längere Zeit arbeitet. Möglich sind Halbtages-Veranstaltungen, gelegentlich „gekrönt“ von einem ganztägigen Treffen. Diese Arbeitskreise sind gekennzeichnet von einem hohen Maß an Selbstverantwortung der Teilnehmenden, die als Expertinnen gefordert und gefördert werden. Eine externe Unterstützung geschieht durch Moderation, Bereitstellung von Materialien, Dokumentation und – wenn nötig – Gewinnung und Finanzierung externer Expert/innen. Zielgruppen von Angeboten von Arbeitskreisen können bestimmte Berufsgruppen sein – z.B. Sonderpädagog/innen, Erzieher/innen, die im inklusiven Unterricht arbeiten, Integrationshelfer/innen, besser aber professionsübergreifende Gruppen, die an einem gemeinsamen Thema arbeiten. Gruppen können auch bestehen aus Kolleg/innen eines Faches oder einer Fächergruppe, die Materialien für ihren Unterricht erstellen, ihre Erfahrungen mit diesen Materialien austauschen und diese weiteren Kolleg/innen zugänglich machen. Themen für regionale Arbeitsgruppen können neben der Erstellung von Unterrichtsmaterial auch Unterrichtsbeobachtung und –auswertung, vorzugsweise durch Videographie, sein. Dabei werden Kriterien guten Unterrichts entwickelt. Ebenfalls mit Hilfe von Videographie kann die Beobachtung von Schüler/innen geübt werden, besonders solcher, die eine besondere Herausforderung für die Unterrichtenden sind. Wenn irgend möglich und vom Thema her geboten, sind Arbeitskreise schulartübergreifend. Bei dem Thema „Übergänge gestalten“ wäre dies konstitutiv. Schulartübergreifend und professionsübergreifend zu arbeiten, enthält die Chance, Erfahrungen mit inklusivem Lernen zu machen und zu reflektieren. Die zukünftige Fortbildungsarbeit des PTI wird sich zunehmend auf die Initiierung, Begleitung und Dokumentation regionaler Arbeitskreise konzentrieren. Wichtig in allen Formaten von Fortbildung ist die Entwicklung einer Feedback-Kultur, einer grundsätzlich Ressourcen-orientierten Haltung, die aber auch die Kontroverse nicht scheut.

2.5.4 Unterstützung schulinterner Prozesse

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Zentrale Fortbildungen und regionale Arbeitskreise entfalten dann ihre nachhaltige Wirkung, wenn sie schulinterne Prozesse unterstützen und ergänzen. Sie werden, jedenfalls was die Unterrichts- und Schulentwicklung angeht, wirkungslos bleiben, wenn der Boden in der Schule nicht bereitet ist. Das zeigen die Interviews der Evaluation des Fortbildungspakets deutlich. Darum sind Modelle der innerschulischen Fortbildung, wie sie in zwei der Interviews beschrieben werden, auf ihre Übertragbarkeit auf andere Schulen zu überprüfen, zu dokumentieren und zu veröffentlichen. Das PTI wird auch zukünftig Begleitung und Moderation schulinterner Prozesse anbieten, möglicherweise wird es notwendig werden, Multiplikator/innen auszubilden, die diese externe Unterstützung schulinterner Prozesse leisten können. Die Inklusionsbeauftragten, die im Programm Inklusion der ESM ausgebildet werden, können solche Multiplikator/innen sein. Jeweils bezogen auf das aktuelle Thema, aber über dieses hinausgehend gilt es, die Kommunikation im Kollegium, die Feedback-Kultur, die Teamentwicklung generell zu fördern. Stärker noch als bisher ist der Index für Inklusion als hilfreiches Arbeitsmittel zu nutzen.

2.5.5 Schulleitungen stärken

Schon im Blick auf den Transfer von Ergebnissen zentraler Fortbildungen in die Schulen haben sich die Schulleiter/innen als außerordentlich wichtige Schnittstellen erwiesen. Ob und wie sie Kolleginnen, die Fortbildungen besucht haben, berichten lassen, ist entscheidend, dass eine externe Fortbildung ihre Wirkungen im Unterrichts- und Schulentwicklungsprozess entfalten kann. Noch wichtiger ist die Rolle der Schulleitung bei schulinternen Fortbildungen und Prozessen. Ihre Aufgabe ist es, ihre Schule zu einer lernenden Organisation zu machen, in der die Kompetenzen Einzelner dem Ganzen zu gute kommen. Schulleitungen steuern die Kommunikation im Kollegium und bestimmen das Tempo der Veränderung. Sie schaffen den Rahmen für organisatorische und pädagogische Veränderungen. Sie stärken solche Kolleg/innen, die sich an Veränderungsprozesse heran wagen und ermutigen die Vorsichtigeren zu angemessenen Schritten. Sie sind das Bindeglied zwischen dem Kollegium und den Eltern auf der einen Seite und der Schulträgerin und der Schulverwaltung auf der anderen Seite. Sie müssen die „strukturelle Schizophrenie“ aushalten: Im inklusiven Unterricht wollen sie eine Etikettierung einzelner Schüler/innen verhindern, für die Antragstellung und besondere Förderung von Schüler/innen mit besonderem Förderungsbedarf müssen sie genau diese Etikettierung vornehmen. Und sie müssen schließlich eine Vision von Schule haben – und diese zugleich in kleine, gangbare Schritte transformieren, ebenso aber auch Kolleg/innen ermutigen, ihre eigenen Visionen zu entwickeln und fruchtbar zu machen. Für diese Vielzahl anspruchsvoller Aufgaben brauchen Schulleitungen Unterstützung und Anerkennung durch ihren Schulträger, aber auch externe Supervision oder Coaching sowie den kollegialen Austausch mit anderen Schulleiter/innen über die regelmäßigen Dienstberatungen hinaus.

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Das PTI ist als Träger-unabhängiger Anbieter in besonderer Weise für diese Aufgabe geeignet.

2.5.6 Vernetzung Vielfach wurde als positives und wünschenswertes Ergebnis von Fortbildungen die Vernetzung von Kolleginnen und Schulen genannt. Es hat sich gezeigt, dass es dafür eines Anstoßes von außen bedarf. Diese Aufgabe, Vernetzung anzuregen und zu initiieren, wird neben den Schulträgern auch das PTI übernehmen. So ist vorrangig eine Vernetzung der Sonderpädagog/innen und sonderpädagogisch Arbeitenden zu fördern. Es sollte eine sonderpädagogische Landkarte Mitteldeutschlands entstehen, auf der Schulen sehen, wo sie Beratung und Fachkompetenz für bestimmte Fragen finden. Voran gehen muss allerdings die Bereitschaftserklärung der Sonderpädagog/innen, auch über ihre Schule hinaus unterstützend zu arbeiten. Natürlich muss dies auch in ihren Dienstverträgen und Arbeitsplatzbeschreibungen festgehalten sein.

2.5.7 Unterstützung der Schulträger/innen Die ESM als größte Trägerin allgemeinbildender evangelischer Schulen in Mitteldeutschland hat mit ihrer Projektträgerschaft und dem daran anschließenden Programm Inklusion ihren Schulen deutlich gemacht, dass sie Inklusion an ihren Schulen fördern will. Die Folge dieses Signals ist, dass in den Interviews keine der befragten Schulleiterinnen Inklusion als Entwicklungsprinzip in Frage gestellt hat. In den Gesprächen mit Schulen, die nicht zur ESM gehören, waren grundsätzliche Bedenken gegenüber inklusiver Schule sehr viel deutlicher hörbar. Zu fragen ist, wie auch für die anderen Schulen ein ermutigendes und orientierendes Signal aussehen kann, dass die Frage „ob“ Inklusion stattfindet, umwandelt in die Frage „wie“ Entwicklungsprozesse in Richtung inklusiver Schulen gestaltet werden können. Selbstverständlich ist das deutlichste Signal der Schulträger, dass sie ihren Schulen Ressourcen zur Verfügung stellen, die für inklusiven Unterricht unerlässlich sind, dass sie Schulleitungen unterstützen und qualifizieren für einen kreativen Personaleinsatz. Dazu allerdings brauchen auch die Schulträger/innen, besonders die nicht-professionellen, Unterstützung. Ihnen müssen Angebote gemacht werden, sich inklusive Strukturen, Kulturen und Praktiken vorstellen zu können. Besonders brauchen sie finanzielle Unterstützung von Landeskirche und Diakonie. Zu prüfen ist, wieweit landeskirchliche Mittel für evangelische Schulen gezielt für Inklusions-Projekte genutzt werden können bzw. Baumittel nur dann freigegeben werden, wenn sie inklusionsgerecht eingesetzt werden.

2.5.8 Die Bildungspolitische Landschaft beobachten, nutzen und mitgestalten Stärker als bisher im Fortbildungspaket wird zukünftig die bildungspolitische „Großwetterlage“ zu bedenken sein. Zum Einen schürt die Entscheidung der Kultusministerien in Thüringen und Sachsen-Anhalt, Förderschulen aufzulösen oder in ambulante Förderzentren umzuwandeln, Existenzängste bei den einen und Überforderungsängste bei den anderen Lehrkräften. Ängste aber erschweren Lern- und Veränderungsprozesse, müssen daher zunächst wahrgenommen und dann möglichst abgebaut werden. Auf der anderen Seite gilt es, die Spielräume der freien Schulen auszuloten und zu nutzen. Dem dienen sowohl Gespräche zwischen staatlicher Schulverwaltung und Trägern freier Schulen als auch die Ermutigung der Schulleitungen, Grenzen auszutesten und wenn möglich auszuweiten.

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Schließlich sind die Hilfestellungen der Länder intensiver als bisher zu nutzen, die Schulen auf dem Weg zur Inklusion unterstützen wollen und können. So ist z.B. die Bekanntmachung über den Gemeinsamen Unterricht als Baustein inklusiver Bildungsangebote, veröffentlicht am 24. April 2013 im Schulverwaltungsblatt des Landes Sachsen-Anhalt, intensiv zu nutzen und das Land an die dort gemachten Zusagen zu erinnern. Im Freistaat Thüringen gibt es umfangreiche Forschungen und Praxishinweise zum Gemeinsamen Unterricht, die stärker als bisher genutzt werden sollten – von den Schulen, aber auch vom PTI. Voraussetzung dafür, dass Schulleitungen Grenzen ausweiten und Spielräume nutzen, ist, dass sie gut informiert sind.

3. Zusammenfassung

3.1 Gesamteinschätzung

Ein Projekt ist u.a. durch eine begrenzte Dauer gekennzeichnet. Die Evaluationsergebnisse belegen, dass sich neue Aufgaben für die Zukunft ergeben haben und die Schulen sich eine Fortsetzung des Projekts wünschen, verbunden mit einer Verstärkung der Aktivitäten von ESM und PTI. Zum Teil, d.h. für die Schulen des ESM, wird dies geleistet durch die Qualifizierung von Inklusionsbeauftragten in allen Schulen und die Intensivierung des „Stiftungs-Programms Inklusion“. Für die Schulen außerhalb der ESM ist noch offen, in welcher Weise Anregungen aus den zurück liegenden Monaten aufgenommen und Bitten um verstärkte Unterstützung erfüllt werden können. Das Schulwerk als neu belebtes Netz evangelischer Schulen in Mitteldeutschland ist möglicherweise ein angemessener Diskussionsrahmen für eine Profilierung und Ausweitung der Arbeit an einer inklusiven Schule. Weiterzuführen oder zu initiieren sind schulnahe Arbeitskreise zur Vorbereitung und Reflexion individualisierenden Unterrichts, besonders auch fachbezogen. Anzuregen und zu organisieren ist kollegialer Austausch der Sonderpädagoginnen und förderpädagogische Arbeitenden. Das Angebot für die Begleitung schulinterner Prozesse sollte präzisiert werden, zugleich können gelungene Modelle schulinterner Fortbildungen – auch ohne externe Begleitung - verbreitet werden.

3.2 Bewertung der Nachhaltigkeit

Nach den viel zitierten Studien von Frank Lipowsky lässt sich die Nachhaltigkeit einer Lehrer-Fortbildungsveranstaltung daran messen, ob (1.) die Teilnehmenden Zufriedenheit signalisieren, etwas gelernt zu haben, (2.) dass sich ihr Professionswissen und ihre subjektiven Theorien verändert haben, (3.)dass sich ihr Lehrerhandeln verändert hat und (4), dass dies Effekte auf die Schülerleistungen hat. Für die Ebenen eins bis drei gibt es in den Interviews deutliche Hinweise, für die Ebene vier immerhin insofern, als Lehrerinnen berichten, das neue Arbeiten „mache den Schülern Spaß“. Dem Interview einer Schulleiterin eines Gymnasiums entnehme ich den wichtigen Hinweis, dass jede Fortbildungsveranstaltung zur Reflektion der eigenen Rolle motiviert, indem sie den „Alltagstrott“ unterbricht und Zeit-Räume zur Selbstreflexion eröffnet. Einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit – jedenfalls für die Schulen in Trägerschaft der ESM -

bildet das Programm Inklusion der ESM, in dessen Rahmen Kolleg/innen für Inklusionsprozesse in

ihren Schulen qualifiziert werden.

Die Nachhaltigkeit des Projekts wird sich auch darin erweisen, ob die Diskussion um Schritte auf dem

Weg zu einer inklusiven Schule weitergeführt wird. Dieser Abschlussbericht und die ausführliche

Dokumentation sollen eine Einladung in die weiterführende Diskussion ein.

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Neudietendorf, am 14. Dezember 2013 Pädagogisch Theologisches Institut der EKM und der Landeskirche Anhalts Dr. Hanne Leewe Zinzendorfplatz 3 99192 Neudietendorf Telefon: 036202 / 21648 Mail: [email protected] www.pti-mitteldeutschland.de

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