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VERGABEKAMMER des Landes Hessen bei dem REGIERUNGSPRÄSIDIUM DARMSTADT 69 d VK – 26/2003 Beschluss In dem Nachprüfungsverfahren 1. GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer, und - Antragstellerin - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen 2. die Stadt, vertreten durch den Magistrat, Personal- und Organisationsamt, - Vergabestelle und Antragsgegnerin - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte wegen Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach VOL/A Dienstleistungsauftrag zur Erbringung von IT – Leistungen in strategischer Partnerschaft hat die Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium Darmstadt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Jung den hauptamtlichen Beisitzer Pöhlker den ehrenamtlichen Beisitzer Stockhorst

Beschlussweb43.d2-1066.ncsrv.de/4-03/vkhessen-26-2003.pdf · Kommunikationssystems für Sprache und Daten (WAM ... weiter zu optimieren und dabei gleichzeitig betriebswirtschaftliche

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VERGABEKAMMER

des Landes Hessen bei dem REGIERUNGSPRÄSIDIUM DARMSTADT

69 d VK – 26/2003

Beschluss In dem Nachprüfungsverfahren 1. GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer, und - Antragstellerin - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen 2. die Stadt, vertreten durch den Magistrat, Personal- und Organisationsamt,

- Vergabestelle und Antragsgegnerin -

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte wegen Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach VOL/A Dienstleistungsauftrag zur Erbringung von IT – Leistungen in strategischer Partnerschaft hat die Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium Darmstadt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Jung den hauptamtlichen Beisitzer Pöhlker den ehrenamtlichen Beisitzer Stockhorst

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am 07.08.2003 beschlossen: 1. Die Anträge werden zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kosten werden auf Euro 2.500,--.festgesetzt.

4. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

5. Die Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin war notwendig.

Gründe:

I. Die Antragsgegnerin hat – mit der Absicht der Teilprivatisierung ihres Bereichs Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) - die „Erbringung von IT-Leistungen in strategischer Partnerschaft“ einschließlich des dafür erforderlichen Projektmanagements als Dienstleistungsauftrag mit ergänzenden Liefer- und Bauaufträgen europaweit im Wege des Verhandlungsverfahrens nach vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. Mit dem Ziel der „Sicherstellung der jederzeitigen optimalen informationstechnischen Unterstützung der Stadtverwaltung“ und unter der Prämisse gemeinsamer unternehmerischer Verantwortung (strategische Partnerschaft) ist beabsichtigt, zum Zwecke der Leistungserbringung ein Unternehmen, an dem die Antragsgegnerin und einem durch das Ausschreibungsverfahren zu ermittelnden Dritten (mit maximal 51 % der Geschäftsanteile unter Sicherstellung der Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin) beteiligt sein sollen, zu gründen, welches für die Antragsgegnerin aufgrund eines abzuschließenden Dienstleistungsvertrages tätig werden soll. Der beabsichtigte Leistungsinhalt und –umfang ist „insbesondere“ wie folgt dargestellt worden: Planung, Realisierung, Betrieb, Instandhaltung und regelmäßige Erneuerung eines Kommunikationssystems für Sprache und Daten (WAM, LAM, Endgeräte) unter Berücksichtigung vorhandener Infrastruktur, Verfahren und Systeme basierend auf SLA, Sicherstellung einer IT-Versorgung hinsichtlich Technik, Dienstleistung und Personal gemäß der SLA über die Gesamtdauer der Kooperation inkl. evtl. Rückgabe/Rückübertragung, Bereitstellung von Fernsprechdiensten sowie IP-basierten Datendiensten über das stadteigene Weitverkehrsnetz zum Arbeitsplatz der Nutzer, Übernahme und Bereitstellung von Rechenzentrums-, Betriebs- und Serviceleistungen zum Betrieb zentraler/dezentraler Anwendungsverfahren inkl. technischer Betriebe des SAP R/3 sowie Systemtechnik einschließlich Endgeräten.

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Betrieb eines UHD, Optimierung von WAN/LAN einschließlich erforderlicher Bauleistungen, von Hardware und Software im Rahmen des vorgesehenen Geschäftsmodells unter Berücksichtigung vorhandener Investitionen, Beratung, Betreuung sowie Übernahme aller Aufgaben/Aktivitäten zur vorhandenen Investitionen, Beratung, Betreuung sowie Übernahme aller Aufgaben/Aktivitäten zur ordnungsgemäßen Ausführung ausgewählter Anwendungsverfahren unter Berücksichtigung sich ändernder Anforderungen. Die Beauftragung zur Lieferung von Anwendungsverfahren und zur Erbringung von IT-Consultingleistungen bedarf einer gesonderten Ausschreibung und Beauftragung. Randbedingungen der Leistungserbringung: Ca. 40 Verwaltungsstandorte und 80 Schulen, diverse Kindertagesstätten, Bürgerzentren, 2500 PC-Arbeitsplätze, 2000 Drucker, 90 Server sowie 4400 Fernsprechteilnehmer, Erbringung von LHW-Personal und –Betriebsmitteln, Berücksichtigung und ggf. Übernahme bestehender Verträge, Sicherstellung der Finanzierung von Konsolidierungsinvestitionen durch Partner, Berücksichtigung der Vorgaben des Datenschutzes im öffentlichen Bereich. Der Veröffentlichungstext enthielt unter Ziffer 12 „Angaben und Formalitäten, die zur Beurteilung der Frage erforderlich sind, ob er (der Dienstleistungserbringer) die wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen erfüllt“ u.a. die Verpflichtung zur Angabe bzw. Negativanzeige zum Einsatz von Subunternehmern. Neben 13 weiteren Bewerbern hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.02.2003 der Antragsgegnerin einen von Vertretern der Antragstellerin und der GmbH unterschriebenen und im Briefkopf unter „GmbH“ ausgewiesenen Teilnahmeantrag der Firma GmbH und GmbH übersandt. Darin wird ausgeführt, dass sich zur Verwirklichung der strategischen Ziele der Antragsgegnerin „GmbH und GmbH zu einer Partnerschaft entschlossen (haben)“ und beabsichtigt sei, „gemeinsame Lösungspakete zu konzipieren, die auf Produkten und Lösungen beider Unternehmen beruhen“ und „wir (hierbei) unsere jeweilige Kernkompetenz in die zu beantwortende Ausschreibung einbringen (wollen)“. In dem dem Teilnahmeantragsschreiben beigefügten Antragsdokument wird unter Ziffer 1 „Einleitung“ und unter Ziffer 2 „Darstellung der Partnerschaft“ ausgeführt: Ziffer 1 (Einleitung) Die GmbH als Generalunternehmer (nachfolgend GmbH) und die GmbH (nachfolgend) als Subunternehmer unterstützen aktiv das Vorhaben der durch eine grundlegende Restrukturierungsmaßnahme ihrer heutigen in Zukunft den Leistungsumfang weiter zu optimieren und dabei gleichzeitig betriebswirtschaftliche Synergien zu erschließen. Diese beide Unternehmen (im Folgenden „Partner“ genannt) bieten der ein Leistungsportfolio, dass nur in seiner Kombination den hohen Anforderungen dieses anspruchsvollen Vorhabens gerecht werde. Ziffer 2 (Darstellung der Partnerschaft)

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Um der xxx eine optimale Lösung für die Anforderungen der anstehenden Ausschreibung anbieten zu können, haben sich GmbH und GmbH zu einer langfristigen strategischen Partnerschaft zusammengeschlossen. Dabei ist vorgesehen, dass GmbH als Generalunternehmer und GmbH als Subunternehmer ihre jeweiligen Kernkompetenzen in die gemeinsame Lösung einbringen werden. Das geforderte Leistungsspektrum sowie die hierfür benötigten Ressourcen können nur über das Leistungsportfolio dieser Partnerschaft optimal und sich ergänzend abgedeckt werden. Die Partner sind bereit, für die Leistungserbringung ein Unternehmen mit Sitz in xxxx zu gründen und sich an ihm mehrheitlich zu beteiligen. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin daraufhin mit Schriftsatz vom 12.03.2003 aufgefordert, eine beigefügte Vertraulichkeitserklärung zu unterschreiben und bis zum 21.03.2003 zurückzusenden und darauf hingewiesen, dass die Vergabeunterlagen erst nach Eingang der Erklärung zugesandt würden sowie eine Nichtzurückreichung zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren führe. Gleichzeitig erhielt die Antragstellerin einen Zeitplan, nach dessen Inhalt das Ende der Angebotsabgabefrist auf den 26.05.2003 und die Auswertung sowie die Festlegung des Bieterkreises für die Durchführung des Verhandlungsverfahrens auf den Zeitpunkt „bis 27. Kalenderwoche“ festgelegt waren. Die von der Antragsgegnerin konzipierte Vertraulichkeitserklärung hat folgenden Wortlaut: Der Bieter (...) verpflichtet sich gegenüber der xxx – – sämtliche ihm im Zusammenhang mit der Ausschreibung „Erbringung von IT-Leistungen in strategischer Partnerschaft“, Vergabenummer 11/075/02, zugänglich werdende Informationen unbefristet geheim zu halten und sie – soweit nicht zur Erreichung des Zwecks der Erstellung eines Angebots erforderlich – weder aufzuzeichnen noch weiterzugeben noch zu verwerten. Der Bieter wird sicherstellen, dass auch die für ihn tätigen Beschäftigten und Beauftragten unbefristet jede eigene Verwertung, Weitergabe oder unbefugte Aufzeichnung solcher Informationen unterlassen. Dies gilt auch, falls der Bieter nach Erhalt der Aufforderung, ein erstes indikatives Angebot abzugeben, von dem Verfahren Abstand nimmt. Der Bieter unterwirft sich für jeden Fall der Zuwiderhandlung einer Vertragsstrafe von 250.000,00 Euro (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro), die an die zu zahlen ist. Die behält sich die Geltendmachung weiteren Schadens vor. Bei objektiven Vorliegen eines Verstoßes gegen die Vertraulichkeitspflicht wird ein schuldhaftes Verhalten des Bieters vermutet. Es bleibt ihm jedoch unbenommen nachzuweisen, dass ein schuldhaftes Verhalten seine Organe oder Beschäftigten und Beauftragten nicht vorliegt. Nachdem die Antragstellerin den Inhalt der Erklärung zunächst in abgeänderter Form an die Antragsgegnerin zurückgesandt und diese nach telefonischer Erörterung mit der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18.03.2003 mitgeteilt hatte, auf die Vorstellungen und Änderungswünsche der Antragstellerin nicht eingehen zu wollen, sondern darauf bestehe, dass jeder Bieter die vorgegebene Vertraulichkeitserklärung unterzeichne, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20.03.2003 die von der Antragsgegnerin konzipierte Erklärung unter gleichzeitigem Hinweis darauf, dass

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„Bestandteil der Erklärung: Anschreiben vom 20.03.2003“ sei, unterzeichnet und rechtzeitig übersandt. In dem Anschreiben vom 20.03.2003 erklärt die Antragstellerin: ... Wir reichen anbei die Vertraulichkeitserklärung zurück, die wir mit folgender Maßgabe unterzeichnet haben: 1. bezieht diese Erklärung ausschließlich auf diejenigen Informationen, die

anlässlich der Angebotseröffnung bis zu einer eventuellen Zuschlagserteilung in verkörperter Form oder bei gesprochenen Informationen als ausdrücklich vertraulich benannt erhält. Der und ihren Konzernunternehmen (§ 15 AktG) nachgewiesenermaßen vorbekannte Informationen sind nicht umfasst.

2. ist berechtigt, die Informationen ihren Konzernunternehmen, soweit diese in die potentielle Auftragserfüllung eingeschaltet werden müssen, mitzuteilen. Unser Partner GmbH wird separat verpflichtet. haftet im Falle dieses Partners, der separat verpflichtet wird, nur für eigene Verstöße, die ihrer übrigen Subunternehmer und ihrer Konzernunternehmen.

3. Die Verpflichtung endet 10 Jahre nach Zuschlagserteilung oder bei Vertragsende, je nach dem, welcher Zeitpunkt früher liegt.

4. haftet unbegrenzt bei nachgewiesenem Schaden und Verschulden. Alternativ kann eine Pauschalierung vorgenommen werden, die 50.000,00 EURO im Einzelfall und insgesamt nicht mehr als EURO 250.000,00 während der Vertragslaufzeit beträgt. Vertragsstrafen und weitergehender Schadensersatz sind ausgeschlossen.

Wir vertreten die Auffassung, dass die vorgelegte Erklärung das vergaberechtliche Verbot der einseitigen Verlagerung eines Risikos auf den Bieter in Abweichung von den gesetzlichen Regeln (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VOL/A) verletzt und deshalb rechtswidrig ist. Insbesondere die Kombination mehrerer scharfer Sanktionen führt zu einer nicht zu verwaltenden Risikohäufung, die eine Unterzeichnung auch bei kaufmännischer Betrachtung nicht zulässt. Die vorgeschlagene Pauschalierungssummen stehen außer Verhältnis zum potenziellen Schaden. Vertragsstrafen sollen zudem nur für die Überschreitung vom Ausführungsfristen gefordert werden und müssen angemessen sein, vergleiche auch § 12 VOL/A. Ein inhaltlich identisches Anschreiben und die unterschriebene Vertraulichkeitserklärung wurde – wie von der Antragsgegnerin deren Schreiben vom 18. 3. 2003 ausdrücklich gefordert - auch seitens der GmbH vorgelegt. Die übrigen Bewerber haben die Vertraulichkeitserklärung ohne Einschränkungen unterschrieben und die Vergabeunterlagen jeweils mit Anschreiben vom 27.03.2003 erhalten. Einer der Bewerber hatte seine Bewerbung zuvor mit Schreiben vom 13.03.2003 mit der Begründung, dass dieser nach eingehender Diskussion und der derzeitigen Situation nur IT-Leistungen in Form von Service-Level-Agreements und nicht die

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gemeinschaftliche Unternehmensgründung mit entsprechender Mitarbeiterübernahme anbieten könne, zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 24.03.2003 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin und der GmbH mitgeteilt, „dass Sie innerhalb der von uns gesetzten Frist keine Vertraulichkeitserklärung mit dem von uns vorgelegten Inhalt abgegeben haben (und) wir Sie daher vom weiteren Verfahren ausschließen (müssen)“. Mit Schreiben vom 28.03.2003 hat die Antragstellerin – wie auch die GmbH – im Hinblick auf den Ausschluss „gemäß § 107 Abs. 3 GWB“ Verstöße gegen • § 8 Abs.1 Nr. 3 VOL/A, weil die von der Antragsgegnerin vorgelegte Erklärung

das vergaberechtliche Verbot der einseitigen Verlagerung eines Risikos auf den Bieter in Abweichung von den gesetzlichen Regeln grob verletze und deshalb rechtswidrig sei sowie

• § 12 VOL/A, weil Vertragsstrafen nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen vereinbart werden sollen und die Höhe angemessen sein müsse.

Außerdem sei auf die Vertraulichkeitserklärung nicht bereits vorab in den Unterlagen hingewiesen worden. Die Tatsache, dass andere Bewerber die Erklärung vorbehaltlos unterschrieben hätten, stelle keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung dar, da es einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht nicht gebe. Die Antragsgegnerin hat zur Rüge der Antragstellerin und der GmbH mit jeweiligem Schriftsatz vom 04.04.2003 Stellung genommen und eine Zulassung zum Verhandlungsverfahren abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 08.05.2003 hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Hessen einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. Die Antragstellerin behauptet, am 13.03.2003 telefonisch an die Antragsgegner herangetreten zu sein und erläutert zu haben, warum sie die verlangte Vertraulichkeitserklärung für vergaberechtswidrig und nicht akzeptabel halte. Der zuständige Projektleiter der Antragsgegnerin habe Gesprächsbereitschaft signalisiert und die Ankündigung einer modifizierten Vertraulichkeitserklärung nicht widersprochen. Gelegentlich einer Telefonkonferenz am 18.03.2003 habe der Rechtsamtsleiter der Antragsgegnerin sich bereit erklärt, die Vorschläge entgegen zu nehmen und intern zur Diskussion zu stehen. Während dieses Gesprächs seien „einzelne Formulierungen und Positionen der modifizierten Vertraulichkeitserklärung verhandelt und diskutiert“ und in wesentlichen Punkten Einigkeit erzielt worden, wobei der Rechtsamtsleiter der Antragsgegnerin darauf hingewiesen habe, dass er noch keine abschließende Partei beziehen könne, sondern die Änderungsvorschläge intern zur Diskussion stellen müsse. Zu ihrer Antragsbefugnis führt die Antragstellerin aus: sie habe durch ihre qualifizierte Teilnahme am Vergabeverfahren ihr Interesse am Auftrag dargelegt. Durch die Weigerung der Antragsgegnerin, ihr die Vergabeunterlagen zukommen zu lassen, sei sie an der Abgabe eines Angebots gehindert und ihr dadurch jegliche Chance auf Erteilung des Zuschlags genommen worden. Die Antragsbefugnis entfalle auch nicht deshalb, weil die Antragsgegnerin fälschlicherweise davon ausgehe, dass sie – die Antragstellerin – ein Angebot in Bietergemeinschaft mit der

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GmbH abgegeben habe. Die GmbH sei im Teilnahmeantrag vielmehr ausdrücklich als Subunternehmerin bezeichnet worden. Unbeschadet dessen sei sie selbst bei Annahme einer Bietergemeinschaft als deren Mitglied allein antragsbefugt, da § 107 Abs. 2 GWB jedem Unternehmen die Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren zuspreche. Die Rüge sei rechtzeitig erfolgt: nach Bekanntwerden der Vertraulichkeitserklärung am 12.03.2003 habe sie zunächst telefonisch am 13.03.2003 und am 18.03.2003 versucht, die Antragsgegnerin zum Verzicht auf die vorgelegte Erklärung zu Gunsten einer modifizierten Erklärung zu bewegen. Nach Übersendung einer mit einem Begleitschreiben versehenen – modifizierten – Erklärung am 20.03.2003 habe die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 24.03.2003 den Ausschluss mitgeteilt, das mit Schriftsatz vom 28.03.2003 gerügt worden sei. Die Antragstellerin ist des weiteren der Ansicht, die Antragsgegnerin verstoße mit ihrer Entscheidung gegen ihrem Schutz dienende Vergabevorschriften: Gemäß § 12 S. 1 VOL/A sollten Vertragsstrafen nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen und nur für den Fall dadurch verursachter erheblicher Nachteile ausbedungen werden; gemäß § 12 S. 2 VOL/A – der sämtliche Vertragsstrafenarten erfasse – sei die Strafe in angemessenen Grenzen zu halten. Beides werde durch den Inhalt der abgeforderten Vertraulichkeitserklärung nicht erfüllt. Außerdem verstoße der Inhalt der Vertraulichkeitserklärung gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, wonach einem Auftragnehmer für von ihm nicht beherrschbare, preisrelevante Umstände kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden solle: dies betreffe einerseits die weder in der Höhe noch in zeitlicher Geltung beschränkte, bei jedem noch so kleinen Verstoß gegen die Erklärung ohne Korrekturmechanismen eingreifende Vertragsstrafe. Andererseits beziehe sich dieses ungewöhnliche Wagnis auch auf Umstände, auf die der Bieter kein Einfluss habe. Zwar könne jeder Bieter die eigenen Mitarbeiter zur Beachtung der Erklärung anhalten und dies durchsetzen. Nicht durchsetzbar sei jedoch die Sicherstellung der Beachtung bei den Beauftragten bzw. Subunternehmern eines Bieters. Die Antragsgegnerin habe es unter Verstoß gegen § 9 a VOL/A schließlich auch versäumt, das Abfordern der Vertraulichkeitserklärung in Vergabebekanntmachung als Zuschlagskriterium – zumindest aber als Ausschlusskriterium – anzugeben. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Auftrag nicht in Fach- und Teillose zu unterteilen, stelle ein Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB dar. Da darüber hinaus „seriös kalkulierende“ Bieter aufgrund des mit der Erklärung verbundenen ungewöhnlichen Wagnisses von der Abgabe eines Angebotes abgehalten würden, bringe sich die Antragsgegnerin um die Chance, solche Bieter im Vorfeld zu beteiligen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch unter Verstoß gegen § 97 Abs. 5 GWB ein Angebot zum Zuge komme, welches bei weitem nicht das wirtschaftlichste sei. Schließlich sei sie – die Antragstellerin – die einzige Bewerberin, die sämtliche Mindestbedingungen im Sinne der Ausschreibungsunterlagen erfülle. Aus diesem Grunde dürften die übrigen Teilnahmeanträge im weiteren Vergabeverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Antragsgegnerin habe deshalb alle anderen Bewerber

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auszuschließen und das Verhandlungsverfahren ausschließlich mit ihr unter Verzicht auf die Vertraulichkeitserklärung samt Vertragsstrafenklausel fortzusetzen. Da die Antragsgegnerin die GmbH – fälschlicherweise – als Mitglied einer Bietergemeinschaft mit der Antragstellerin angesehen habe, habe die GmbH zur Vermeidung von Rechtsnachteilen vorsorglich dieselbe modifizierte Vertraulichkeitserklärung und Rüge wie sie – die Antragstellerin – abgegeben. Die Antragstellerin beantragt, 1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter ausschließlicher

Beteiligung der Antragstellerin ab der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots mit einer unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geänderten Vertraulichkeitserklärung zu wiederholen, ihr anschließend eine Frist von mindestens neun Tagen zur Rücksendung der geänderten Vertraulichkeitserklärung einzuräumen und den Zeitplan für die nachfolgenden Schritte des Vergabeverfahrens entsprechend anzupassen.

hilfsweise,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beteiligung der Antragstellerin ab der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots mit einer unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geänderten Vertraulichkeitserklärung zu wiederholen, anschließend allen Bietern eine Frist von mindestens neun Tagen zur Rücksendung der geänderten Vertraulichkeitserklärung einzuräumen und den Zeitplan für die nachfolgenden Schritte des Vergabeverfahrens entsprechend anzupassen.

äußerst hilfsweise,

das Vergabeverfahren aufzuheben.

2. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die

Hinzuziehung eines Bevollmächtigen durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Für den Fall, dass die Vergabekammer von einer Bietergemeinschaft zwischen der Antragstellerin und der GmbH ausgehen sollte, wird der Nachprüfungsantrag höchst hilfsweise im Namen dieser Bietergemeinschaft gestellt. Außerdem beantragt die Antragstellerin, 1. den Antrag unverzüglich der Antragsgegnerin zuzustellen und sie darauf

hinzuweisen, dass sie nach § 115 Abs. 1 GWB den Zuschlag nicht vor einer Entscheidung der Vergabekammer erteilen darf,

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2. der Antragstellerin Akteneinsicht durch Übersendung von Kopien aller der Akteneinsicht unterliegenden Vergabeakten an unser zu gewähren; für alle damit verbundenen Kosten werden wir aufkommen.

hilfsweise,

der Antragstellerin Akteneinsicht bei der Vergabekammer zu gewähren.

Die Antragstellerin ist des weiteren der Ansicht, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin nicht notwendig sei und beantragt, den Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären, zurückzuweisen. Die Antragsgegnerin führe als größerer öffentlicher Auftraggeber laufend Vergabeverfahren – auch größeren Umfangs – durch und sei deshalb mit den in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsproblemen vertraut. Außerdem seien bei der Antragsgegnerin zahlreiche Juristen beschäftigt, von denen zweifellos mehrere über ausreichende vergaberechtliche Kenntnisse verfügten. Schließlich gingen die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin „kaum“ über das hinaus, was die Antragsgegnerin selbst in ihrer Stellungnahme vom 24.03.2003 zur Rügeschrift der Antragstellerin ausgeführt habe. Die Antragsgegnerin beantragt 1. der Antragstellerin Akteneinsicht nur in die Seiten 1 bis einschließlich 267 in den

von der Antragsgegnerin überreichten Ordner 1 mit der Aufschrift „xxx, Vergabeverfahren“ zu gewähren,

2. die Anträge als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet

zurückzuweisen, 3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, 4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für

notwendig zu erklären. Sie bestreitet, dass in der Telefonkonferenz am 18.03.2003 Formulierungen und Positionen der von der Antragstellerin vorgelegten modifizierten Vertraulichkeitserklärung verhandelt worden seien und dabei in wesentlichen Punkten Einigkeit erzielt worden sei. Zwar sei richtig, dass einzelne Punkte diskutiert worden seien. Der Rechtsamtsleiter habe aber jederzeit erkennen lassen, dass die Änderungsvorschläge intern zu Diskussion gestellt werden müssten und eine abschließende Aussage deshalb nicht getroffen werden könne. Darüber hinaus ist sie der Ansicht, die Antragstellerin sei nicht aktivlegitimiert, da sie im Teilnahmewettbewerb mit GmbH als Bietergemeinschaft aufgetreten sei. Für den Einsatz eines Subunternehmers sei im Hinblick auf das mit der Ausschreibung verfolgte Ziel der Suche nach einem gemeinsamen Partner zwecks Gründung einer Beteiligungsgesellschaft, welche die im Leistungsverzeichnis enthaltenen Leistungen für sie – die Antragsgegnerin – erbringen solle, kein Raum. Der Haupt- und Hilfsantrag sei – jeweils – unbestimmt. Eine Wiederholung eines Vergabeverfahrens sei nicht zulässig, darüber hinaus hätte es eines konkreten Antrags bedurft. Der

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Hilfsantrag sei unzulässig, weil ein Verhandlungsverfahren nicht aufgehoben werden könne. Der Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht sei lediglich auf den Verfahrensstand bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs zu beschränken. Der Inhalt des Leistungsverzeichnisses sowie die damit verbundenen Vergabeunterlagen unterlägen dagegen der Geheimhaltung gemäß § 111 Abs. 2 GWB und seien als solche gekennzeichnet. Bei der von ihr – der Antragsgegnerin – angestrebten Neustrukturierung der Informations- und Kommunikationstechnik („IuK“) handelt es sich nicht um ein Outsourcing üblicher Ausprägung, dass von zahlreichen privaten Partnern am Markt beherrscht werde. Vielmehr sei angestrebt, in einem fein austarierten Zusammenspiel zwischen der xxx, dem auszuwählenden privaten Partner und der gemeinsam zu gründenden GmbH eine völlig neue Form der Zusammenarbeit und der Versorgung der zu schaffen. Bei der Entwicklung dieser Mechanismen sei – insbesondere was die Detaillierung der Abläufe und Strukturen betreffe – in hohem Maße Neuland betreten worden. Die entwickelten und den Bietern im Rahmen der Ausschreibung zur Verfügung gestellten Unterlagen seien in dieser Form neu, inhaltlich hochwertig und am Markt nicht zugänglich. Die Ausschreibungsunterlagen stellten sich als in hohem Maße schützenswerte schöpferische Leistung ihres Projektteams dar. Die Erarbeitung des gesamten PPP-Konzepts von ca. 500 Seiten sei mit einem erheblichen Arbeits- und Kostenaufwand verbunden gewesen. Neben insgesamt 3 bis 4 ständig mit dem Projekt betrauten und gelegentlich bis zu 20 weiteren eingesetzten eigenen Mitarbeitern seien zwei spezialisierten Unternehmensberatungsgesellschaften über erhebliche Zeiträume mit den Projektarbeiten beschäftigt gewesen. Die Erstellungskosten für das Konzept beliefen sich insgesamt auf annährend 1 Million Euro. Da das Konzept nicht ausschließlich auf die Belange der den zugeschnitten sei, sondern auch auf die Anforderungen zahlreiche anderer öffentlicher Auftraggeber, stelle das Konzept auch einen erheblichen kommerziellen Wert dar, so dass es für jedes auf dem IT-Markt tätige gewerbliche Unternehmen wie auch für die Antragstellerin von erheblichem wirtschaftlichen Interesse sei. Schließlich stelle sich die Antragsgegnerin selbst in den Vergabeunterlagen als „gläsernes Unternehmen“ dar: Es seien in erheblichem Maße interne Verhältnisse dargestellt, so dass es grundsätzlich unerwünscht sei, wenn diese Information im Detail weitergegeben werde. Im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Übergang von bis zu 50 Mitarbeitern der Antragsgegnerin in das zu gründende Beteiligungsunternehmen seien schließlich in den Vergabeunterlagen hochsensible Daten (z. B. Schwerbehinderteneigenschaften von Mitarbeitern) offengelegt, die der absoluten Vertraulichkeit unterlägen. Aus alledem ergebe sich, dass die Unterlagen der Antragstellerin nur zugänglich gemacht werden dürften, wenn die geforderte Vertraulichkeitserklärung abgegeben werde. Darum gehe es jedoch gerade im vorliegenden Nachprüfungsverfahren. Die Forderung nach der Vertraulichkeitserklärung würde geradezu konterkariert, würde die Antragstellerin im Wege der Akteneinsicht Kenntnis vom Inhalt der gesamten Vergabeunterlage erlangen. Sie würde dann nämlich vertrauliche Informationen erlangen und diese weitergeben können, ohne in irgendeiner Form sanktioniert werden zu können. Die

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Akteneinsicht sei auch in die Teilnahmeanträge der übrigen Mitglieder zu versagen, denn die sehr umfassenden Teilnahmeanträge enthielten Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 111 Abs. 2 GWB. In diesen Unterlagen stellten die Mitbewerber zum Teil schon sehr detailliert ihre geplanten Konzepte vor, welche sie in die zu gründende Beteiligungsgesellschaft umsetzen wollten. Die Antragsgegnerin ist des weiteren der Ansicht, dass ein Verstoß gegen Vergabevorschriften nicht vorliege: § 12 S. 1 VOL/A ermögliche die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für andere Fälle als der Überschreitung von Ausführungsfristen, wenn zwingende Gründe dies rechtfertigten. Die Offenlegung der gesamten IT-Struktur berge aber erhebliche Risiken. § 12 S. 2 VOL/A beziehe sich ausschließlich auf die in Satz 1 geregelte Vertragsstrafe wegen Fristüberschreitung.. Das Erfordernis einer Obergrenze bestehe nicht und könne auch nicht aus § 11 Nr. 3 VOL/B hergeleitet werden, da es sich bei der geforderten Vertraulichkeitserklärung nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele: Die Erklärung sei speziell für dieses Verfahren entwickelt und zuvor niemals verwendet worden; eine weitere Verwendung sei auch nicht vorgesehen. Unbeschadet dessen sei die vorgesehene Vertragsstrafe auch nicht unangemessen hoch. Im Falle einer Vertraulichkeitsverletzung entstehe – durch eine Nutzung die des Konzeptes durch Dritte – ein wirtschaftlicher Schaden: die Erarbeitung der Ausschreibungsunterlagen bzw. des Konzepts sei mit mehr als 1 Mio. Euro zu veranschlagen. Wesentlich sei darüber hinaus aber auch der Schutz vor Verletzungen sonstiger schützenswerter Güter aus ihrem Sphärenbereich: Die Stadtverwaltung stelle sich mit ihrer gesamten Informationsstruktur, die in erheblichem Umfang sensible und dem Datenschutz unterlegende Informationen enthalte, als "gläsernes Unternehmen" dar. Daraus resultiere ein legitimes Interesse daran, dass Detailinformationen nicht einem unbekannten Empfängerkreis bekannt werden. Entscheidend sei auch, dass eine Vertragsstrafe so hoch sein müsse, dass ein potentieller Verletzer im Hinblick auf die Missachtung der vereinbarten Vertraulichkeit ausreichend abgeschreckt werde. Insbesondere dürfe die Vertragsstrafe nicht so niedrig sein, dass sie geradezu zu einem Verstoß verleite, weil es billiger sei, sich das Konzept unter Zahlung der Vertragsstrafe anzueignen. § 8 VOL/A sei auf den hier streitigen Sachverhalt nicht anwendbar, weil diese Vorschrift ausschließlich Regelungen enthalte, welche die Ausführung der Leistung bzw. des Leistungsgegenstandes betreffen. Da das Verlangen einer strafbewehrten Vertraulichkeitserklärung kein Zuschlagskriterium darstelle, sei auch hier der Verstoß gegen § 9a VOL/A nicht gegeben. Ein Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB könne bereits deshalb nicht in Betracht kommen, weil bei dem hier beabsichtigten Private-Public-Partnership-Modell eine Aufteilung in Fach- oder Teillose nicht denkbar sei. Die Behauptung, die Antragstellerin sei die einzige Bewerberin, die sämtliche Mindestbedingungen im Sinne der Ausschreibungsunterlagen erfülle, beruhe auf der Zugrundelegung einer lediglich vorläufigen Eingangsprüfung. So sei im Hinblick auf die Erfüllung der Mindestbedingungen zum Beispiel zunächst ein „nein“ eingetragen worden; später habe sich jedoch gezeigt, dass die Nachweise auf einer beigefügten CD-ROM enthalten gewesen seien. Die abschließende Prüfung habe ergeben, dass alle Bieter die Mindestbedingungen erfüllt hätten. Darüber hinaus sei es aber auch

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keineswegs richtig, anzunehmen, dass die Nichterfüllung der Mindestbedingungen zwingend zum Ausschluss aus dem weiteren Verfahren führen müsse. Am 25.06.2003 fand die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer statt. Die Beteiligten hatten die Gelegenheit, zum Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Ausführungen zu machen.. Gelegentlich der mündlichen Verhandlungen haben die Parteien einen Widerrufsvergleich – nach dessen Inhalt sie einvernehmlich auch eine "Angebotssumme" in Höhe von 400.000,00 Euro festgelegt haben – geschlossen. Die Antragsgegnerin hat den Vergleich vor Ablauf der Widerspruchsfrist rechtzeitig gegenüber der Vergabekammer widerrufen.

II. Die Anträge sind zulässig, aber unbegründet. 1. Die Anträge sind zulässig. 1.1 Weder gegen die örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer noch gegen die Eigenschaft der Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 GWB bestehen Bedenken. Auch ist die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer bei einem streitigen Auftragswert in Höhe von jedenfalls 200.000,00 Euro gemäß § 100 Abs. 1, 127, 102 ff. GWB i. V. m. § 2 Nr. 3 VgV gegeben. 1.2 Die Antragstellerin ist auch – im Hinblick auf ihren Ausschluss als Bewerberin – antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB). 1.2.1 Die Antragstellerin hat mit ihrem Schreiben vom 28.08.2003 gegenüber der Antragsgegnerin die im Hinblick auf die Rügepflicht relevante Mitteilung über den Ausschluss vom 24.03.2003 unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt, soweit sie Verstöße gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3, 9a und 12 VOL/A behauptet. Soweit sie einen Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB (Unterlassen der Aufteilung des Auftrags in Teil- und Fachlose) geltend macht, fehlt es einer rechtzeitigen Rüge, so dass der Antrag insoweit unzulässig ist. Der Einwand, den Auftrag nicht in Fach- und Teillose unterteilt zu haben, hätte – unbeschadet des seitens der Antragsgegnerin erhobenen Einwandes, dass dies im Rahmen des hier streitigen Private-Public-Partnership-Modells nicht möglich sei – bereits unverzüglich nach Bekanntwerden des Veröffentlichungstextes, zumindest aber im Zusammenhang mit der Bewerbung erhoben werden müssen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GWB), da diese Schlussfolgerung objektiv und subjektiv aus dem Inhalt des Veröffentlichungstextes gezogen werden konnte. 1.2.2 Auch hat die Antragstellerin eine Verletzung von Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB geltend gemacht. Sie behauptet, die Antragsgegnerin habe mit der Ausschlussentscheidung gegen die §§ 8 Nr. 1 Abs. 3, 9a und 12 VOL/A und damit gegen die ihrem Schutz dienenden Vergabevorschriften verstoßen. Damit hat die

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Antragstellerin die konkrete Möglichkeit einer Verletzung eigener subjektiver Rechte behauptet (zu dieser an die Voraussetzungen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO angelehnten – ausreichenden – Voraussetzungen: s.a. Boesen, Vergaberecht, § 107 Rdnr. 44). 1.2.3 Die Antragstellerin, die durch ihre Teilnahme am Verfahren ihr Interesse am Auftrag dokumentiert hat, ist auch der erforderlichen Darlegungsfrist hinsichtlich eines Schadens nachgekommen. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn sich ihre Position durch die gerügten Vorschriften in keiner denkbaren Weise verschlechtert haben könnte und die Entstehung eines Nachteils von vorneherein ausgeschlossen erscheint (Vergabekammer des Bundes – Beschluss vom 30.03.2000 – Az.: V K2 – 2/00, S. 11; VK Hessen-Beschluss vom 21.03.2003 – Az.: 69 d VK -11/2003 Seite 11). Die von ihr gerügten Verstöße lassen aber gerade nicht die Schlussfolgerung zu, dass eine erneute Beurteilung unter Zugrundelegung der gerügten Vergabevorschriften die Einbeziehung der Antragstellerin in das weitere Verfahren von vorneherein ausschließen würde. Die Möglichkeit eines daraus resultierenden Schadens ist aber im Hinblick auf die Darlegungslast ausreichend. 1.2.4 Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin entfällt das erforderliche Rechtschutzinteresse der Antragstellerin nicht bereits deshalb, weil sie ihren Nachprüfungsantrag erst einen Monat nach Kenntniserlangung über ihren Ausschluss vom weiteren Verfahren gestellt hat. Es gibt nämlich keine gesetzliche Frist, innerhalb derer der Nachprüfungsantrag anzubringen wäre. Abgesehen davon, dass es ohnehin schwierig wäre, insoweit einen geeigneten Einreichungszeitpunkt objektiv festzulegen, bedarf es in der Regel einer solchen Bestimmung auch deshalb nicht, weil einerseits der Bieter – will er seine Rechte im Primärrechtsschutz wahren – daran interessiert ist, den mit der Wirkung des Zuschlagsverbots korrespondierenden Nachprüfungsantrag so schnell wie möglich zu stellen und andererseits die Vergabestelle bis zu diesem Zeitpunkt nicht gehindert ist, den Zuschlag zu erteilen (– Beschluss vom 07.06.2000 – Az.:). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Grundsatz durch einen Verwirkungseinwand durchbrochen werden kann (so: – Beschluss vom 01.10.2002 – Az.:), muss hier nicht abschließend entschieden werden. Zwar mag fraglich sein, ob im Hinblick auf das insoweit relevante Umstandsmoment (dazu ichs, BGB, § 242 Rdnr. 95) die Vergabestelle insbesondere im Zusammenhang mit der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens, in dem der weitere zeitliche Verlauf dem Antragsteller bekannt gegeben worden ist, nach Ablauf eines Monats darauf vertrauen und sich berechtigterweise darauf einrichten darf, dass der „Berechtigte“ sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Auch mag in einem solchen Verfahren, in welchem die Angebotsfrist erkennbar vom 27.03.2003 bis zum 26.05.2003 festgelegt war, die Einreichung des Nachprüfungsantrags am 08.05.2003 auch – unter Berücksichtigung dieses Einzelfalls – dem „Zeitmoment“ gerecht werden (dazu: BGB, § 242, Rdnr. 93). Dies muss hier aber nicht abschließend entschieden werden, weil die Anträge jedenfalls - wie nachfolgend noch auszuführen sein wird - unbegründet sind. 1.2.5 Der Antragstellerin fehlt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht die erforderliche Aktivlegitimation im Hinblick auf eine aus Sicht der Antragsgegnerin mögliche Bietergemeinschaft mit der GmbH. Soweit die GmbH seitens der Antragstellerin – wie in Ziffer. 1 und 2 des dem Teilnahmeantragsschreiben beigefügten Antragsdokument eindeutig erklärt - im Falle

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der Vertragsdurchführung als Subunternehmerin eingeschaltet werden soll, ist die Aktivlegitimation der Antragstellerin unproblematisch. Ob die Aktivlegitimation der Antragstellerin auch für den Fall des Vorhandenseins einer Bietergemeinschaft als deren Mitglied mit eigenem Interesse am Auftrag gegeben wäre (so Kommentar zum Vergaberecht, § 107, Rdnr. 16), oder ob für gemeinschaftliche Teilnehmer an einem Vergabeverfahren ein gemeinsamer Nachprüfungsantrag zu fordern ist (so Kommentar zum Vergaberecht, § 107 Rdnr. 673) muss im streitigen Fall nicht entschieden werden, da in einer Situation wie der vorliegenden jedenfalls aus Gründen des effektiven Rechtschutzes das Interesse der Antragstellerin am Auftrag bejaht werden muss. Zwar können der objektive Anschein sowie der Textinhalt des Bewerbungsschreibens der „GmbH und GmbH“ und die Unterschrift der Vertreter beider Gesellschaften aus der objektiven Sicht des Empfängers des Schreibens – also der Antragsgegnerin - den Schluss zulassen, dass die Bewerbung als die einer Bietergemeinschaft erfolgt. Der Teilnehmerantrag besteht aber nicht nur aus diesem Anschreiben, sondern zudem aus einer 42-seitigen Beschreibung der beabsichtigten Leistungserbringung. Sowohl in der „Einleitung“ (Ziffer 1) als auch in der „Darstellung der Partnerschaft“ (Ziffer 2) wird aber eindeutig darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin als Generalunternehmerin und die GmbH als Subunternehmerin tätig werden sollen.. Die von der Antragsgegnerin dagegen vorgenommene Interpretation im Hinblick auf das angestrebte Vertragsziel ist nicht von entscheidender Bedeutung: ob im Rahmen der beabsichtigten Gründung einer Beteiligungsgesellschaft und dem abzuschließenden Gesellschaftsvertrag die Einschaltung eines Subunternehmers möglich erscheint oder nicht, ist ausschließlich im Rahmen der Angebotswertung im weiteren Verfahren von Bedeutung. Schließlich hat die Antragsgegnerin selbst – wie sich aus Ziffer 12 des Bekanntmachungstextes ergibt – den Einsatz von Subunternehmern nicht ausgeschlossen. Auch die Verwendung des Begriffs „Partnerschaft“ ist nicht geeignet, diesen eindeutig dokumentierten Willen zu relativieren. Auch die Darstellung der Antragstellerin und der entspricht lediglich der Forderung der Antragsgegnerin nach „Angabe bzw. Negativanzeige zum Einsatz von Subunternehmern“. Darüber hinaus lässt sich die Tatsache, dass die GmbH die – modifizierte – Vertraulichkeitserklärung unterschrieben und im eigenen Namen eine Rüge abgegeben hat, nicht als Indiz für das Vorhandensein einer Bietergemeinschaft heranziehen, weil dies – nachvollziehbar dargelegt – aufgrund der Interpretation durch die Antragsgegnerin lediglich zur Bewahrung aller möglichen Rechte geschehen ist. Ein solcher Fall des Auseinanderfallens einer objektiv nachvollziehbaren Erklärung mit einer Interpretation derselben durch den Erklärungsempfänger kann – unbeschadet der Frage, ob die eine oder die andere Auftragnehmereigenschaft mit dem beabsichtigten Vertragsinhalt kompatibel ist – jedenfalls nicht dazu führen, dass - zur Feststellung des Rechtschutzinteresses des Erklärenden als an einem Auftrag Interessierten - die Interpretation des Erklärungsempfängers als Entscheidungsmaßstab herangezogen wird. Dies würde nämlich zumindest in den Fällen, in denen keine objektiven Widersprüche erkennbar sind, dazu führen, dass die Vergabestelle, deren Entscheidung in einem Nachprüfungsverfahren zur Überprüfung gestellt werden soll, es in der Hand hätte, durch eigene Erklärungsinterpretationen objektiv vorhandene Erklärungen eines Bieters (Antragstellers) ihre Entscheidung einer Überprüfung zu entziehen.

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2. Die Anträge sind unbegründet. Der Inhalt der seitens der Antragsgegnerin geforderten Vertraulichkeitserklärung verstößt nicht gegen die dem Schutz der Antragstellerin dienenden Vergabevorschriften im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB. Der Antragstellerin sind deshalb, da sie die von der Antragsgegnerin geforderte Vertraulichkeitserklärung nicht mit dem von der Antragsgegnerin geforderten Inhalt innerhalb der gesetzlichen Frist gegenüber der Antragsgegnerin abgegeben hat, zurecht die Vergabeunterlagen nicht übersandt worden. Die Antragsgegnerin war berechtigt, von den Bewerbern vor der Übersendung der Angebotsunterlagen eine Vertraulichkeitserklärung mit dem von ihr vorgegebenen Inhalt zu fordern. Davon ist die Antragstellerin durch die Einschränkungen in ihrem der Übersendung der Vertraulichkeitserklärung beigefügten Schreiben vom 20.03.2003 abgewichen, indem sie durch den inhaltlich mit der unterzeichneten Vertraulichkeitserklärung verbundenen und damit zum Inhalt derselben erkorenen Inhalt des Anschreibens vom 20.03.2003 den Inhalt der Vertraulichkeitserklärung durch die Beschränkungen der Informationsunterlassungszeitpunkte (Ziffer 1), die Enthaftung im Hinblick auf die GmbH (Ziffer 2), die Verkürzung des Verpflichtungszeitraumes (Ziffer 3) und die Einschränkung des Haftungs- und Verschuldensumfanges (Ziffer 4) erheblich eingeschränkt hat. Im Hinblick auf den darauf fokussierten Prüfungsmaßstab bedarf es keiner differenzierten Beurteilung des Hauptantrags sowie der beiden Hilfsanträge zu 1. Die aus der "eingeschränkten" Unterzeichnung der Vertraulichkeitserklärung resultierende Versagung der Übersendung der Vergabeunterlagen schließt – unbeschadet der Frage, ob die Antragstellerin die einzige Bewerberin ist, die sämtliche Mindestbedingungen im Sinne der Ausschreibungsunterlagen erfüllt hat, was die Antragsgegnerin im übrigen zur Überzeugung der Kammer widerlegt hat – sowohl eine alleinige als auch eine beteiligte Einbeziehung der Antragstellerin in das weitere Verfahren mit einer geänderten Vertraulichkeitserklärung und – unbeschadet der Frage, ob dies in einem Verhandlungsverfahrensstadium rechtlich möglich ist – eine "Aufhebung" des Verfahrens aus. 2.1 Die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin vorgegebene Vertraulichkeitserklärung stellt eine Vertragsstrafe im Sinne der §§ 339 ff. BGB im Sinne eines unselbständigen an eine auf ein Tun oder Unterlassen gerichtete Hauptverbindlichkeit angelehntes vertraglich determiniertes Strafversprechen dar, welches die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit im Sinne eines Druckmittels sichern und den Gläubiger – hier die Antragsgegnerin – den Schadensbeweis ersparen soll. Die durch den Bieter – hier die Antragstellerin - als Erklärenden zu sichernde Hauptverbindlichkeit besteht in dem Unterlassen der Aufzeichnung, Weitergabe und Verwertung der aus den Angebotsunterlagen der Antragsgegnerin erlangten Informationen und der Sicherstellung dieser Unterlassung durch Beschäftigte und Beauftragte des Erklärenden. Das an diese Hauptverbindlichkeit angelehnte Strafversprechen besteht in der Erklärung, im Falle der Zuwiderhandlung gegen die vom Bieter übernommenen Verpflichtungen der Hauptverbindlichkeit eine der Höhe nach festgelegte bestimmte Geldstrafe zu zahlen. Ob diese unter Berücksichtigung der §§ 307 ff. BGB unwirksam sein können, ist – unbeschadet der Frage, ob es sich vorliegend um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB handelt - nicht im Hinblick auf § 97 Abs. 7 GWB, also vergaberechtlich, sondern ausschließlich vertragsrechtlich von Bedeutung. Sollten die Bestimmungen materiell-rechtlich

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unwirksam sein, kann eine vergaberechtliche Einschränkung und damit Rechtsverletzung bereits deshalb nicht bestehen, weil in diesem Falle eine Verwirkung der Vertragsstrafe nicht eintreten kann. 2.2 Der Inhalt der Vertraulichkeitserklärung verstößt nicht gegen den Schutz der Antragstellerin bezweckende Vergabevorschriften im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB. Insoweit sind die von der Antragstellerin angeführten §§ 8 Nr. 1 Abs. 3, 9a und 12 VOL/A von – ausschließlicher – Bedeutung. 2.2.1 Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A darin sieht, dass ihr durch die Verpflichtung zur Abgabe zur Abgabe der Vertraulichkeitserklärung ein ungewöhnliches Wagnis für Umstände aufgebürdet werde, auf die sie keinen Einfluss habe, so kann dem nicht gefolgt werden. Soweit dieser Soll-Vorschrift – im Sinne einer Verbotsvorschrift – eine kartellrechtliche Wirkung zugeschrieben wird (Noch in: VOL/A, § 8 Rdnr. 35; Kammergericht – Beschluss vom 20.05.1998 – Az.: und BGH – Beschluss vom 18.01.2000 – IBR 2000 S. 51), ist dies im Hinblick auf die insoweit erforderliche, aber hier fehlende alleinige Nachfragemacht und einen damit verbundenen Missbrauch des Marktes seitens der Antragsgegnerin nicht einschlägig. Soweit die Vergabekammer Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 25.05.2000 – Az.: VK 2/99) ein ungewöhnliches Wagnis darin sieht, dass die Vergabestelle die Nichteinhaltung einer Pflicht (dort des Nachweises einer Genehmigung innerhalb einer bestimmten Frist) mit einer Schadenersatzregelung verknüpft, liegt dem ein anderer, mit dem hier streitige Sachverhalt nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. In der vorgenannten Entscheidung war die rechtzeitige Vorlage eines Genehmigungsnachweises im Zusammenhang mit einer Bioabfallentsorgung von außerhalb des Einflussgebiets des Auftragnehmers liegenden Umständen – nämlich der nicht mit Sicherheit prognostizierbaren Entscheidung der Genehmigungsbehörde und Einwirkungsmöglichkeiten Dritter als Genehmigungsverfahren – abhängig. Vorliegend sind aber Umstände von Bedeutung, welche im Einfluß- und Sphärenbereich der Antragstellerin gelegen sind.

Über die vorstehend dargelegte vergaberechtlich relevante Bedeutung des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A hinaus ist ein durch den Inhalt der Vertraulichkeitserklärung bedingtes ungewöhnliches Wagnis, auf welches die Antragstellerin keinen Einfluss hätte, nicht festzustellen. Die die Hauptverbindlichkeit sichernde Verpflichtung ist eindeutig formuliert und damit inhaltlich eindeutig festgeschrieben. Soweit die Antragstellerin eine fehlende Beschränkung im Hinblick auf die Höhe und zeitliche Geltung anführt, betrifft dies – da durch die Antragstellerin selbst beeinflussbar und nicht außerhalb ihres Einflussbereiches liegend – weder die § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A in Bezug genommene Umstände und Ereignisse (im Sinne eines ungewöhnlichen Wagnisses), noch sind insoweit Aus- bzw. Einwirkungen auf den Preis erkennbar. Auch ist die Einschätzung der Antragstellerin, sie habe auf die „Umstände“ keinen Einfluss, weil jeder Bieter zwar die eigenen Mitarbeiter zur Beachtung der Erklärung anhalten könne (was die Behauptung eines ungewöhnlichen Wagnisses im Hinblick auf die

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fehlende Beschränkung der Dauer und der Höhe nach relativiert), dies aber nicht gegenüber den Beauftragten bzw. Subunternehmer geschehen könne, nicht durchgreifend: einerseits beträfe dies jedwede Erklärung ohne Differenzierung des Inhalts. Andererseits ist, sofern die Einschaltung eines Subunternehmers aus Sicht des Bieters erforderlich ist, es alleinige Angelegenheit des Bieters, sich seinerseits gegenüber seinem Beauftragten (Subunternehmer) im Hinblick auf die Risiken abzusichern. Anderenfalls würde es nämlich im wohlbegründeten Interesse des Auftraggebers liegen (müssen), solche nicht vom Bieter bzw. seinem Auftragnehmer verantwortbaren Risiken durch eine Versagung eines Subunternehmereinsatz zu verhindern. Der Einsatz eines Subunternehmers wird zumindest nicht die Folge zeitigen dürfen, den Auftraggeber dadurch in finanzieller Hinsicht oder im Hinblick auf die Wertung anderer für ihn objektiv maßgeblicher Rechtspositionen zu beeinträchtigen.

2.2.2 Auch soweit die Antragstellerin darauf abstellt, dass § 12 Satz 1 VOL/A die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ausschließlich für den Fall der Überschreitung von Ausführungsfristen zulasse, ist dies nicht richtig. Unbestritten ist, dass Vertragsstrafen auch für andere Fälle als die Überschreitung von Ausführungsfristen vorgesehen und vereinbart werden können (von Baum in: VOL/A, § 12, Rdnr. 10). Zwar „sollen“ Vertragsstrafen „nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen“ vereinbart werden und somit – auf den objektiven Gehalt der Formulierung abgestellt – für andere Fälle grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Allerdings hat der für den Wortlaut der VOL/A zuständige Hauptausschuss des für Leistungen () in seinen Beratungen erklärt, dass Vertragsfristen auch für andere Tatbestände der Vertragsverletzung als die Überschreitung von Ausführungsfristen ausbedungen werden können (dazu ausführlich: VOL/A, § 12, Rdnr. 3, 14). Ob dies das Vorliegen zwingender Gründe voraussetzt (so unter Hinweis auf die Beratungen des , VOL/A, § 12, Rdnr. 14) oder andere Vereinbarungen nicht durch zwingende Gründe gerechtfertigt sein müssen (so von VOL/A, § 12 Rdnr. 10), kann hier dahinstehen, weil eine Rechtfertigung durch „zwingende Gründe“ im hier streitigen Fall vorliegt. Einem solchen – aus der Interessenlage des Auftraggebers resultierenden – zwingenden Grund wird man im Sinne eines anderen Tatbestandes der Vertragsverletzung als der Überschreitung von Ausführungsfristen keine höhere Interessenwertigkeit als der Fristüberschreitung zumessen dürfen: Ist für den letztgenannten Fall das Ausbedingen einer Vertragsstrafe im Hinblick auf die darin liegende Nachteile allein durch die das Interesse des Auftraggebers an der rechtzeitigen Leistungserbringung gerechtfertigt, sind vergleichbare – durch das Interesse des Auftraggebers bestimmte – Vertragserfüllungen im Sinne „zwingender Gründe“ an eben diesem Maßstab zu messen und zu beurteilen. Das Interesse an der Geheimhaltung von im Vergabeverfahren sowie im Vertragsabwicklungsverfahren bekannt gewordene bzw. werdender und aus Sicht des Auftraggebers – objektiv nachvollziehbarer – bedeutsamer finanzieller, technischer und sozialer Informationen aus seinem Sphärenbereich ist aber im Hinblick auf diese durch den Auftraggeber zugemessene Wertigkeit zumindest nicht anders zu beurteilen als das Interesse an der rechtzeitigen Leistungserbringung. Auch kann die Weitergabe der vorgenannten Informationen erhebliche Nachteile bedingen, die mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe begrenzt werden kann.

Unbeschadet der – vorstehend dargestellten – inhaltlichen Problematik der Vorschrift resultiert aus der abverlangten Erklärung und dem damit verbundenen Strafversprechen aber auch aus folgenden Erwägungen keine Rechtsverletzung der

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Antragstellerin: die Bedeutung und Reichweite des § 12 VOL/A liegt in ihrer Harmonisierungsfunktion für das öffentliche Auftragswesen. Die Vorschrift ist – im Hinblick auf eine Rechtsgutverletzung im Sinne des § 97 GWB – weder für einen gesicherten Wettbewerb noch für die Transparenz und das Gleichbehandlungsgebot ausschlaggebend. Sie soll – als Ordnungsvorschrift – insbesondere der Gefahr einer möglichen – nach Zuschlagserteilung sich realisierenden – Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel im materiell-rechtlichen Sinne vorbeugen. Dem Auftraggeber gegenüber entfaltet sie eine prognostische Wirksamkeitseinschätzung im Falle der Vertragsabwicklung. Den jeweiligen Bieter dagegen betrifft sie – im Sinne einer nachträglichen Wirksamkeitskontrolle – im Vertragabwicklungs- und nicht im Vertraganbahnungs- bzw. Vergabestadium (so von VOL/A, § 12, Rdnr. 16). Dies ist hier deckungsgleich, soweit die Erklärung des Bieters und dessen Strafversprechen sich in ein späteres Vertragsstadium erstreckt. Allerdings greifen die Erklärung und das Versprechen unmittelbar in das Vergabeverfahren selbst ein, indem sie deren Erfüllung durch die Bewerber als Voraussetzung für die Übersendung der Vergabeunterlagen bestimmen. Vergaberechtlich relevant und individuell bieterschützend wird dies aber erst dann, wenn die Vertragsstrafe so gestaltet ist, dass sie potenzielle Bieter von der Erstellung eines Angebots abhält und insoweit Wettbewerb verhindert (von VOL/A, § 12, Rdnr. 16). Dabei geht es jedoch nicht um eine allgemein abstrakte Prüfung im Sinne einer allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle jenseits einer möglichen individuellen Rechtsverletzung zum Nachteil des Antragstellers, da dieses mit dem Charakter des auf den Schutz subjektiver Rechte ausgerichteten Nachprüfungsverfahrens nicht vereinbar wäre, abgesehen davon, dass eine solche Wettbewerbseinschränkung bzw. –verhinderung schon deshalb zu negieren wäre, weil – außer der Antragstellerin – sämtliche übrigen Bewerber die Vertraulichkeitserklärung unterzeichnet haben. Unter diesen Voraussetzungen kann aber die individuell begründete Weigerung der unbedingten Unterzeichnung der Vertraulichkeitserklärung durch die Antragstellerin keine allgemeine wettbewerbliche Einschränkung des dadurch berechtigten Ausscheidens aus dem weiteren Verfahren bedeuten. Vorstehendes gilt auch für die Ansicht der Antragstellerin, die Höhe der in der Vertraulichkeitserklärung festgelegten Vertragsstrafe verstoße gegen § 12 Satz 2 VOL/A. Auch insoweit ist ein wettbewerbshindernder oder –einschränkender Charakter nicht feststellbar. Auch ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vertragsstrafenobergrenze (zuletzt: BGH – Urteil vom 23.01.2003 – Az.:) vergaberechtlich nicht von Bedeutung: Unbeschadet dessen ob, - wie die Antragsgegnerin behauptet - § 12 Satz 2 VOL/A sich ausschließlich auf die Vertragsstrafe wegen Fristüberschreitung bezieht und es sich bei der hier streitigen Vertraulichkeitserklärung nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, sondern die Erklärung speziell für diese Verfahren entwickelt und weder zuvor verwendet noch für eine weitere Verwendung vorgesehen ist, betrifft dies ausschließlich das Vertragserfüllungsverfahren. Im Vertragsanbahnungsverfahren dagegen wird eine bieterschutzverletzende Bedeutung ausschließlich durch eine – hier nicht vorhandene – wettbewerbseinschränkende oder –verhindernde Wirkung erzeugt.

2.2.3 Auch ein Verstoß gegen § 9a VOL/A ist nicht ersichtlich. Danach hat der Auftraggeber alle Zuschlagskriterien in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Unbeschadet der Frage, ob die streitgegenständliche Vertraulichkeitserklärung als Zuschlagskriterium im Sinne des § 9a VOL/A zu qualifizieren ist oder es sich nicht um einen Zulassungskriterium handelt, wäre dem Inhalt des § 9a VOL/A jedenfalls bereits insoweit Rechnung

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getragen worden, als die „Kriterien“ dem Teilnahmeinteressenten vor Übersendung der Verdingungsunterlagen im engeren Sinne die Vertraulichkeitserklärung mit der Aufforderung, diese zu unterzeichnen und zurückzusenden, übersandt worden ist. 2.2.4 Schließlich ist – entgegen der Ansicht der Antragstellerin - auch kein Verstoß gegen § 97 Abs. 5 GWB, wonach der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird, ersichtlich. Die insoweit von der Antragstellerin angeführten Argumente tragen nicht die von ihr gezogenen Schlussfolgerung einer Rechtsverletzung. Ist bereits die Ansicht, ein "seriös kalkulierender" Bieter könne durch den Inhalt der Vertraulichkeitserklärung von der Abgabe eines Angebotes abgehalten werden, mehr durch - rechtlich nicht relevante – spekulative Ansätze als kausale Schlussfolgerungen geprägt, gilt dies umso mehr für die Schlussfolgerung, dass dadurch ein Angebot zum Zuge kommen könne, welches – offenbar unter Berücksichtigung einer fiktiven Beteiligung weiterer Bewerber - nicht das wirtschaftlichste sein könnte. Darüber hinaus mangelt es dieser Einschätzung aber auch an der – offenbar nicht hinzugedachten –Tatsache, dass die Abgabe der Vertraulichkeitserklärung nicht bereits im Veröffentlichungstext enthalten war und somit kein potentieller Interessent daran gehindert sein konnte, einen Teilnahmeantrag einzureichen und diejenigen Interessenten, welche einen Antrag auf Teilnahme gestellt hatten, die Vertraulichkeitserklärung ohne Einschränkungen unterzeichnet haben. Dass einer der Bewerber seine Bewerbung zurückgezogen hat, ist insoweit nicht von Bedeutung, als dies nach den Ausführungen dieses Bewerbers aus anderen Gründen als der Unterzeichnung der Vertraulichkeitserklärung geschah. 2.2.5 Die Antragstellerin kann gegenüber der Antragsgegnerin eine Fortführung des Verfahrens mit ihr auch nicht daraus herleiten, dass der Projektleiter der Antragsgegnerin im Hinblick auf eine Modifizierung der Vertraulichkeitserklärung Gesprächsbereitschaft signalisiert, der Ankündigung der Abgabe einer modifizierten Vertraulichkeitserklärung nicht widersprochen und der Rechtsamtsleiter der Antragsgegnerin sich bereit erklärt habe, die Vorschläge entgegen zu nehmen und intern zur Diskussion zu stellen, wobei während diese Gespräches "einzelne Forderungen und Positionen der modifizierten Erklärung verhandelt und diskutiert" und in wesentlichen Punkten Einigkeit erzielt worden sein solle. Wie die Antragstellerin nämlich gleichzeitig ausführt, habe der Rechtsamtsleiter darauf hingewiesen, noch keine abschließende Partei beziehen zu können und die Vorschläge zur Diskussion stellen zu müssen. Innerhalb dieses Verfahrensschrittes sind die Vorschläge seitens der Antragsgegnerin dann aber abgelehnt worden. 2.2.6 Der Antrag auf Akteneinsicht in die Vergabeunterlagen, deren Übersendung die Antragsgegnerin von der Unterzeichnung der Vertraulichkeitserklärung abhängig gemacht hatte, ist ebenfalls unbegründet. Wollte man der Antragstellerin im Rahmen des Prüfungsverfahrens über die Frage, ob diese trotz modifizierter Vertraulichkeitserklärung berechtigt ist, eben diese Vergabeunterlagen zu erhalten, vorab Einblick in diese Unterlagen gewähren, würde das materiell – rechtlich zu prüfende "Einsichtsrecht" (Übersendung der Vergabeunterlagen) durch ein formal gewährtes Einsichtsrecht überholt und insoweit vorweggenommen. Gleichzeitig würde dadurch die Sicherungsfunktion der – rechtmäßig abverlangten – Vertraulichkeitserklärung zunichte gemacht worden, da entgegen des berechtigten Interesses der Antragsgegnerin der Antragstellerin Einblick in Unterlagen gewährt worden wäre, ohne dass deren vertrauliche Behandlung gesichert gewesen wäre.

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III.

Die Antragstellerin hat die Kosten als unterlegene Partei insgesamt zu tragen (§ 128 Abs. 3 GWB). Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin waren angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles notwendig (§ 124 Abs. 4 GWB/ § 80 Abs. 2 VwVfG). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin fehlt es an der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin nicht bereits deswegen, weil diese als öffentliche Auftraggeberin laufend Vergabeverfahren – auch größeren Umfangs – durchführe und deshalb mit den in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsproblemen vertraut sei sowie zahlreiche Juristen beschäftige, die über ausreichende juristische Kenntnisse verfügen würden. Abgesehen davon, dass vergaberechtliche Kenntnisse nicht auch mit vergabe "prozessualen" Kenntnissen im Zusammenhang mit einem Verfahren vor der Vergabekammer gleichzusetzen sind, kann von einem öffentlichen Auftraggeber gerade nicht ohne weiteres erwartet werden, dass dieser umfassende Kenntnisse des Verfahrensrechts im Vergabeverfahren und insbesondere im Nachprüfungsverfahren nach dem GWB besitzt. Dass dies hier konkret anders sein soll, hat die Antragstellerin aber im Rahmen der ihr insoweit obliegenden Darlegungslast – für eine solche Ausnahme – nicht dezidiert dargelegt. Der allgemeine Hinweis darauf, "die Antragsgegnerin führe als größerer öffentlicher Auftraggeber laufend Vergabeverfahren – auch größeren Umfangs – durch und sei deshalb mit den in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsproblemen vertraut, außerdem seien bei der Antragsgegnerin zahlreiche Juristen beschäftigt, von denen zweifellos mehrere über ausreichende vergaberechtliche Kenntnisse verfügten reicht dafür nicht aus. Und schließlich gingen die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin „kaum“ über das hinaus, was die Antragsgegnerin selbst in ihrer Stellungnahme vom 24.03.2003 zur Rügeschrift der Antragstellerin ausgeführt habe".

IV. Die Festsetzung der Gebühren bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens (§ 128 Abs. 2 S. 1 GWB). Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Gebühren und deren Höhe haben die Vergabekammern des Bundes aufgrund eines Beschlusses des Bundeskartellamtes eine Gebührentabelle aufgestellt. Diese Tabelle legt den durchschnittlichen personellen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung des jeweiligen Gegenstandwertes zugrunde. Die Vergabekammer Hessen übernimmt die Tabelle bei der Festsetzung der Gebühren. Aufgrund des Wertes von 400.000,00 EUR ist eine Gebühr von 2.500,00 EUR anzusetzen.

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V.

Rechtsbehelfsbelehrung Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, bei dem Beschwerdegericht

Frankfurt am Main - Vergabesenat -

Zeil 42

60256 Frankfurt am Main einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit der Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.