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Besonderheiten der medikamentösen Therapie beim älteren Patienten Engen-Welschingen, 29. September 2016

Besonderheiten der medikamentösen Therapie beim älteren ...der... · • Start slow, go slow • Therapiebeginn in der Regel mit niedrigeren Dosen als bei jüngeren Patienten (Hochbetagte:

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Besonderheiten

der medikamentösen Therapie

beim älteren Patienten

Engen-Welschingen, 29. September 2016

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Chefarzt Dr. Achim Gowin

Zentrum für Altersmedizin in Radolfzell

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Entwicklung Alterspyramide

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Entwicklung Alterspyramide

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Was ist ein geriatrischer Patient?

Starre Altersgrenze nicht sinnvoll

Allgemein älterer, alter und hochbetagter Patient

Entscheidendes Kriterium: Geriatrische Multimorbidität

Kardiovaskuläre Defizite

Statische Defizite

Intellektuelle Defizite/ Anpassungsstörungen

Defizite in der Selbstversorgung

In der Regel häufige Krankenhausaufenthalte

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Die 4 geriatrischen Is

Immobilität

Instabilität

Intellektueller Abbau

Inkontinenzen

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Multimorbidität im Alter

• Mehrdimensionale Schmerzsyndrome

• Herzinsuffizienz

• Hypertonie

• Diabetes Mellitus Typ 2

• Fettstoffwechselstörungen

• KHK

• pAVK

• Neurodegeneration

• Demenzen

• Depression

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Geriatrie als multidisziplinäres Fach, akutmedizinisch gewichtet

Mutterfächer Innere Medizin, Allgemeinmedizin

weitere immanente Schwerpunkte:

• Gerontopsychiatrie

• Neurologie

• Konservative Orthopädie

• Dermatologie

• Kleine Chirurgie

• Palliativmedizin

• Schmerztherapie

• Erweiterte psychosoziale und ethische Ansätze

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Probleme der Pharmakotherapie

bei älteren Patienten

Mangelnde Repräsentanz in Studienpopulationen

Fehlende Behandlungsstrategien bei Multimorbidität

Veränderte physiologische Ressourcen

Spezielle unerwünschte Arzneimittelwirkungen

- Sturz

- Delir

- Inkontinenz

Geriatrische Syndrome und reduzierte Funktionalität

Eingeschränkte verbleibende Lebenserwartung

Reduzierte Selbstständigkeit

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Nebenwirkungen im Alter

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)

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Vorkommen von UAW Unerwünschten Arzneimittel Nebenwirkungen

5 - 20 % aller hospitalisierten Patienten

3 - 28 % aller stationären Aufnahmen

UAW-bedingt

62,3 % (1) – 69 % (Harvard-Studie) aller UAW vermeidbar!

Vermeidbare UAWs: 62,3 %

davon:

- inadäquates Monitoring der AZM-Therapie: 67 %

(fehlendes Erkennen der UAW durch den Arzt)

- inadäquate Dosis: 51 %

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Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

in höherem Lebensalter

Unspezifisches Erscheinungsbilder

- Schwäche - Delir

- Schwindel - Sturzneigung

- Schlaflosigkeit - Inkontinenz

Gefahr der Fehldeutung von UAW als

Altersveränderung

Folge: Intensivierung der Pharmakotherapie!

→ sog. Verschreibungskaskaden!!!

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Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

in höherem Lebensalter

Etwa 30 % der Krankenhauseinweisungen bei

geriatrischen Patienten erfolgen

aufgrund von Arzneimittelnebenwirkungen:

Stürze

Delire

Austrocknung

Pseudodemenzen

Depressionen

Übelkeit / Erbrechen

Gewichtsabnahme

Obstipation/Harnverhalt

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Pharmakotherapie als

Ursache eines Sturzes

Die Verordnung von fünf und mehr Medikamenten geht mit einer

signifikant höheren Sturzrate einher

Die Multimedikation stellt einen unabhängigen Risikofaktor

für Stürze dar!

Patienten mit häufigen Stürzen haben häufiger:

Tranquilizer

Hypnotika

Diuretika

Nitrate

Neuroleptika

verschrieben bekommen

Routinemäßige Überprüfung der Medikation!

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Herz-Kreislauf-Mittel

Antihypertensiva (v.a. Diuretika)

Antiarrhythmika

Nitrate und andere Vasodilatoren

Digoxin

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Verminderte Nierenfunktion im Alter

• Reduktion der Nierendurchblutung

(um ca. 1% pro Jahr ab etwa 40. Lebensjahr)

• Schrumpfung der Niere mit Verlust an Nephronen

um bis zu 50%

• Verminderung der glomerulären Filtrationsrate

(um ca. 1ml/min/1,73m2 pro Jahr

ab etwa 40.Lebensjahr)

• Verminderung der tubulären Sekretionsrate

(um ca. 1% pro Jahr ab etwa 40.Lebensjahr)

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Verminderte Leberleistung im Alter

Keine generellen Aussagen über die hepatische Clearance im Alter möglich

(komplexe und z.T. konträre Literaturaussagen)

Die Bedeutung der Abnahme der hepatischen Clearance im Alter

wird in der Regel als geringer eingeschätzt als die Verminderung

der renalen Clearance

Häufigstes medikamentös bedingtes

Leberversagen unter Paracetamol

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Führende Schmerzdiagnosen

bei Patienten über 70 Jahre

0 5 10 15 20 25 30

Tumorschmerzen

Medizinische Eingriffe

ZNS

Verletzungen

Ischäm. Herzkr.

Skelettsystem sonst.

Arthrosen

WS/Rücken

Häufigkeiten in %

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z.B.

Endoprothetik

5 Säulen der Schmerztherapie

medikamentös

systemische

Behandlung

gemäß

WHO-Stufen

Med

ikam

en

töse

Th

era

pie

Lo

kale

Sch

merz

blo

ck

ad

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Lokalanästhetika.

abladierende

operative

Verfahren

Psych

oth

era

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Entspannungsverfahren,

autogenes Training.

Veränderung der

Schmerz-

Wahrnehmung und

Schmerzverarbeitung

Krankengymnastik,

physikalische

Therapie,

Ergotherapie

Ph

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Schmerztherapie mit Antirheumatika

Langzeiteinnahme (> 4 Wochen!)

Von 1.000 Patienten entwickeln durchschnittlich

• 100 Patienten ein Ulkusleiden

• 10 Patienten bekommen Magenblutungen

• 1 Patient stirbt

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Opioide bei Älteren

• Keine Organtoxizität

• Individuelle Therapie

mit Retardpräparaten

• Multimorbide Patienten mit z.B.

Schluckstörungen

transdermale Applikationsform

• Mittlerweile reichhaltiges Angebot an

Opiaten – Möglichkeit zum Opiatwechsel

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Spezielle Probleme der

Opiattherapie bei geriatrischen Patienten

Therapielimitierende Nebenwirkungen:

• Schwere Obstipation, Delire, Erbrechen

• Appetitlosigkeit, drohende Immobilität

• Morphinduzierte Hyperalgesie (Steigerung der Schmerzen)

• Niereninsuffizienz

• Gastrointestinale Ulcerationen und Blutungen

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Altersspezifische Besonderheiten

der Antidepressiva

• Bei brennendem Nervenschmerz

• Länger andauernde, höher dosierte antidepressive Therapie mit

engmaschiger klinischer Beobachtung

• Neuere Antidepressiva für Ältere besser verträglich

• Ältere Antidepressiva mit unerwünschten Nebenwirkungen

insbesondere auf das Herz

• Sturzgefahr, zahlreiche weitere Nebenwirkungen

• Geduld (ca. 2 wöchige Wirkungsanflutung)

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Schmerzexploration

(Patientenorientiert)

• Genaue klinische Einschätzung

• Schmerzskalen: Verbal Rating Scale (VRS)

Numerische Analog Skala (NAS)

Visuelle Analogskale (VAS)

• Bei Demenzpatienten: BESD, ECPA

• Berücksichtigung der sozialen Situation

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Grundregeln der medikamentösen

Schmerztherapie beim alten Menschen

• Start slow, go slow

• Therapiebeginn in der Regel mit niedrigeren Dosen als bei jüngeren

Patienten (Hochbetagte: Pädiatrische Dosierungen)

• Flexible Handhabung des WHO-Schmerzschemas

• Bevorzugung niedrig dosierter Kombinationen

• Co-Analgetika

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Leitgedanken für eine

Altengerechte Pharmakotherapie

Krankheiten priorisieren

Indikationen hinterfragen

Mut zur Lücke/zum Absetzen

(Es ist ebenso wichtig, eine Behandlung zu beenden,

wie sie zu beginnen)

Start slow – go slow

„…davon die Hälfte“ – das Sir Alexander Mackenzie Prinzip

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit