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1. Einführung Bringen Rechtsprivilegien den Umweltschutz voran? Wie verhalten sie sich zu den neuen ökonomischen Instru- menten des Umweltrechts? Sind Privilegien in einer De- mokratie überhaupt rechtfertigbar? Diese und viele weitere Fragen erörterten führende deutsche Rechts- und Wirt- schaftswissenschaftler auf der wissenschaftlichen Tagung des Forschungszentrums Umweltrecht e. V. unter der Lei- tung von Prof. em. Dr. Michael Kloepfer . In der Einführung spannte Kloepfer einen Bogen von der römischrechtlichen Bedeutung des Privilegs als Einzelfall- behandlung bis zur Anreizpolitik im modernen Umwelt- recht. Im Namen des kurzfristig verhinderten RA Josef Feldmann bestellte er den Teilnehmern auch die Grüße der Deutschen Bundesstiftung Umwelt als Förderer der Tagung. 2. Die einzelnen Vorträge Der erste Vortrag über das Rechtsprivileg als Steuerungs- mittel gebührte Prof. Dr. Michael Rodi vom Institut für Kli- maschutz, Energie und Mobilität Greifswald. Anschaulich und mit vielen Zitaten zeichnete Rodi überwiegend die Geschichte des Privilegienbegriffs nach. Beim römischen Recht beginnend, wies er auf die „Zweideutigkeit“ des Rechtsprivilegs als Begünstigung und Belastung hin. In der feudalen Epoche seien Vorteilsgewährungen hauptsächlich an den gesellschaftlichen Stand bzw. die Geburt geknüpft worden. Den Übergang vom „Ausnahmerecht“ zum „Re- gelrecht“ markiere allen voran die französische Revolution. Im Konstitutionalismus seien private Privilegien (z. B. für den Buchdruck oder den gewerblichen Schutz) durch Im- materialgüterrechte abgelöst worden und bildeten sich ho- heitliche Steuerungsinstrumente wie Konzessionen, Mo- nopole oder Dispensationen heraus. Den Begriff des Rechtsprivilegs hält Rodi im modernen Verfassungsstaat für überholt. Herbert Krüger und später das BVerfG hätten den Staat des Grundgesetzes zutreffend als „grundsätzlich privilegienfeindliche Demokratie“ bezeich- net. Die Verwendung des Privilegienbegriffs sollte daher auf den Bereich der politischen Kämpfe beschränkt bleiben. Gleichwohl stelle sich die Frage nach der Rechtfertigung staatlicher Ungleichbehandlungen heute vor dem Hinter- grund des Art. 3 Grundgesetz in besonderer Weise. Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig ging der Frage nach, wie Abgabenprivilegien für den Umwelt- schutz ausgestaltet sind bzw. ausgestaltet sein sollten. Gawel machte deutlich, dass indirekte Verhaltenssteuerung zum Umweltschutz allgemein sowohl in einer Belastung als auch Hrvoje Šantek, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. em. Dr. Michael Kloepfer an der Forschungsplattform Recht (FPR), Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, Deutschland in einer Verschonung bestehen kann. Das Abgabenprivileg zum Umweltschutz (Steuern und lenkende Abgaben) ge- höre dabei zur Fallgruppe der Verhaltenssteuerung durch Verschonung. Diese sei ökonomisch betrachtet weniger wirksam als die Verhaltenssteuerung durch Belastung, da sie auf staatliche Kapazitäten begrenzt bleibe und kein effi- zientes Innovationsverhalten auslöse. In der Folge erläuterte Gawel mehrere Beispiele für öko- logisch motivierte Privilegien im deutschen Steuer- und Abgabensystem, so z. B. die Abschreibungserleichterungen im den §§ 7 d, 51 Abs. 1 Nr. 2 q) Einkommensteuergesetz oder die Verschonungsregelungen in den §§ 9 Abs. 5, 10 Abs. 3, 4 Abwasserabgabengesetz. Die zuletzt genannten Verschonungsregelungen würden die Wirkung der Abwas- serabgabe als Steuerung durch Belastung jedoch nicht un- erheblich mindern. Die EEG-Umlage nach den §§ 34 bis 39 Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) sieht Gawel nicht als Abgabe, sondern als Abschöpfung eigener Art. Bezüglich des sog. Grünstromprivilegs (§ 39 Abs. 1 EEG) betonte er, dass die- ses Instrument nicht direkt auf die Förderung umwelt- freundlichen Verhaltens, sondern die Direktvermarktung erneuerbarer Energien abzielt. Zwar habe das Grünstrom- privileg zuletzt mengenmäßig stark an Bedeutung gewon- nen. Aufgrund seiner Höhe und strikter Schwellenwerte weise das Instrument jedoch erhebliche Effizienzprobleme auf. Eine einheitliche Beurteilung von Regelungen, die den Umweltschutz als Abgabenprivileg einsetzen, hält Gawel nicht für möglich. Hierfür stelle sich die Ausgestaltung und Wirkung der Privilegien in verschiedenen Abschöpfungs- und Abgabengefäßen als zu unterschiedlich dar. Mit dem Umweltschutzinstrument der Benutzungsvor- teile beschäftigte sich Prof. Dr. Martin Eifert von der Hum- boldt-Universität zu Berlin. Benutzungsvorteile seien im Wesentlichen als staatliche, aus Gründen der Umweltver- träglichkeit rechtfertigbare Begünstigungen bezüglich der Verwendung von Produkten zu verstehen. Solche Begüns- tigungen tauchten typischerweise im Geräte- und Maschi- nenlärmschutz oder dem Schutz vor Verkehrsemissionen durch Umweltzonen auf. Eifert bescheinigte Benutzungs- vorteilen insgesamt die Enttäuschung vielfältiger Erwar- tungen und führte dies auf Missverständnisse sowie den fehlenden Optimierungsanspruch des Instruments zu- rück. Benutzungsvorteile sollten daher auch stärker im Kontext von Produktanforderungen betrachtet werden. Dann würde deutlich, dass Benutzungsvorteile keine all- gemeinen Anreizinstrumente darstellen, sondern der Be- wältigung besonderer lokaler Probleme dienen. Zwischen Benutzungsvorteilen in dieser Form und allgemeinen Pro- duktanforderungen sollten Synergien genutzt werden, auch und vor allem im umstrittenen Bereich des Flugverkehrs. PD Dr. Claudio Franzius von der Freien Universität Ber- lin behandelte den Umweltschutz durch Preisprivilegien und Umweltsiegel. Im Privilegienkontext sieht Franzius das Recht eine gewisse „Refeudalisierung“ durchlaufen, DOI: 10.1007/s10357-013–2462-x Bessergestellt, wenn „öko“? Hrvoje Šantek Bericht über die Tagung „Umweltschutz als Rechtsprivileg“ vom 19. April 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin © Springer-Verlag 2013 123 480 NuR (2013) 35: 480–481 BERICHTE

Bessergestellt, wenn “öko”?

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Page 1: Bessergestellt, wenn “öko”?

1. Einführung

Bringen Rechtsprivilegien den Umweltschutz voran? Wie verhalten sie sich zu den neuen ökonomischen Instru-menten des Umweltrechts? Sind Privilegien in einer De-mokratie überhaupt rechtfertigbar? Diese und viele weitere Fragen erörterten führende deutsche Rechts- und Wirt-schaftswissenschaftler auf der wissenschaftlichen Tagung des Forschungszentrums Umweltrecht e. V. unter der Lei-tung von Prof. em. Dr. Michael Kloepfer.

In der Einführung spannte Kloepfer einen Bogen von der römischrechtlichen Bedeutung des Privilegs als Einzelfall-behandlung bis zur Anreizpolitik im modernen Umwelt-recht. Im Namen des kurzfristig verhinderten RA Josef Feldmann bestellte er den Teilnehmern auch die Grüße der Deutschen Bundesstiftung Umwelt als Förderer der Tagung.

2. Die einzelnen Vorträge

Der erste Vortrag über das Rechtsprivileg als Steuerungs-mittel gebührte Prof. Dr. Michael Rodi vom Institut für Kli-maschutz, Energie und Mobilität Greifswald. Anschaulich und mit vielen Zitaten zeichnete Rodi überwiegend die Geschichte des Privilegienbegriffs nach. Beim römischen Recht beginnend, wies er auf die „Zweideutigkeit“ des Rechtsprivilegs als Begünstigung und Belastung hin. In der feudalen Epoche seien Vorteilsgewährungen hauptsächlich an den gesellschaftlichen Stand bzw. die Geburt geknüpft worden. Den Übergang vom „Ausnahmerecht“ zum „Re-gelrecht“ markiere allen voran die französische Revolution. Im Konstitutionalismus seien private Privilegien (z. B. für den Buchdruck oder den gewerblichen Schutz) durch Im-materialgüterrechte abgelöst worden und bildeten sich ho-heitliche Steuerungsinstrumente wie Konzessionen, Mo-nopole oder Dispensationen heraus.

Den Begriff des Rechtsprivilegs hält Rodi im modernen Verfassungsstaat für überholt. Herbert Krüger und später das BVerfG hätten den Staat des Grundgesetzes zutreffend als „grundsätzlich privilegienfeindliche Demokratie“ bezeich-net. Die Verwendung des Privilegienbegriffs sollte daher auf den Bereich der politischen Kämpfe beschränkt bleiben. Gleichwohl stelle sich die Frage nach der Rechtfertigung staatlicher Ungleichbehandlungen heute vor dem Hinter-grund des Art. 3 Grundgesetz in besonderer Weise.

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig ging der Frage nach, wie Abgabenprivilegien für den Umwelt-schutz ausgestaltet sind bzw. ausgestaltet sein sollten. Gawel machte deutlich, dass indirekte Verhaltenssteuerung zum Umweltschutz allgemein sowohl in einer Belastung als auch

Hrvoje Šantek, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. em. Dr. Michael Kloepfer an der Forschungsplattform Recht (FPR), Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, Deutschland

in einer Verschonung bestehen kann. Das Abgabenprivileg zum Umweltschutz (Steuern und lenkende Abgaben) ge-höre dabei zur Fallgruppe der Verhaltenssteuerung durch Verschonung. Diese sei ökonomisch betrachtet weniger wirksam als die Verhaltenssteuerung durch Belastung, da sie auf staatliche Kapazitäten begrenzt bleibe und kein effi-zientes Innovationsverhalten auslöse.

In der Folge erläuterte Gawel mehrere Beispiele für öko-logisch motivierte Privilegien im deutschen Steuer- und Abgabensystem, so z. B. die Abschreibungserleichterungen im den §§ 7 d, 51 Abs. 1 Nr. 2 q) Einkommensteuergesetz oder die Verschonungsregelungen in den §§ 9 Abs.  5, 10 Abs.  3, 4 Abwasserabgabengesetz. Die zuletzt genannten Verschonungsregelungen würden die Wirkung der Abwas-serabgabe als Steuerung durch Belastung jedoch nicht un-erheblich mindern.

Die EEG-Umlage nach den §§ 34 bis 39 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht Gawel nicht als Abgabe, sondern als Abschöpfung eigener Art. Bezüglich des sog. Grünstromprivilegs (§ 39 Abs. 1 EEG) betonte er, dass die-ses Instrument nicht direkt auf die Förderung umwelt-freundlichen Verhaltens, sondern die Direktvermarktung erneuerbarer Energien abzielt. Zwar habe das Grünstrom-privileg zuletzt mengenmäßig stark an Bedeutung gewon-nen. Aufgrund seiner Höhe und strikter Schwellenwerte weise das Instrument jedoch erhebliche Effizienzprobleme auf.

Eine einheitliche Beurteilung von Regelungen, die den Umweltschutz als Abgabenprivileg einsetzen, hält Gawel nicht für möglich. Hierfür stelle sich die Ausgestaltung und Wirkung der Privilegien in verschiedenen Abschöpfungs- und Abgabengefäßen als zu unterschiedlich dar.

Mit dem Umweltschutzinstrument der Benutzungsvor-teile beschäftigte sich Prof. Dr. Martin Eifert von der Hum-boldt-Universität zu Berlin. Benutzungsvorteile seien im Wesentlichen als staatliche, aus Gründen der Umweltver-träglichkeit rechtfertigbare Begünstigungen bezüglich der Verwendung von Produkten zu verstehen. Solche Begüns-tigungen tauchten typischerweise im Geräte- und Maschi-nenlärmschutz oder dem Schutz vor Verkehrsemissionen durch Umweltzonen auf. Eifert bescheinigte Benutzungs-vorteilen insgesamt die Enttäuschung vielfältiger Erwar-tungen und führte dies auf Missverständnisse sowie den fehlenden Optimierungsanspruch des Instruments zu-rück. Benutzungsvorteile sollten daher auch stärker im Kontext von Produktanforderungen betrachtet werden. Dann würde deutlich, dass Benutzungsvorteile keine all-gemeinen Anreizinstrumente darstellen, sondern der Be-wältigung besonderer lokaler Probleme dienen. Zwischen Benutzungsvorteilen in dieser Form und allgemeinen Pro-duktanforderungen sollten Synergien genutzt werden, auch und vor allem im umstrittenen Bereich des Flugverkehrs.

PD Dr. Claudio Franzius von der Freien Universität Ber-lin behandelte den Umweltschutz durch Preisprivilegien und Umweltsiegel. Im Privilegienkontext sieht Franzius das Recht eine gewisse „Refeudalisierung“ durchlaufen,

DOI: 10.1007/s10357-013–2462-x

Bessergestellt, wenn „öko“?Hrvoje Šantek

Bericht über die Tagung „Umweltschutz als Rechtsprivileg“ vom 19. April 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin

© Springer-Verlag 2013

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480 NuR (2013) 35: 480–481

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was mit Grenzverschiebungen zwischen öffentlich und pri-vat sowie zwischen innen und außen im modernen Staat zusammenhänge. Als nicht eindeutig beantwortet hält er im Umweltrecht die Frage nach dem Adressaten von Pri-vilegien. „Echt“ privilegiert sei im Energierecht – auch nach Rechtsprechung des OLG Düsseldorf – jedenfalls die strom inten sive Industrie nach § 19 Abs.  2 Stromnetzent-geltverordnung. Um Bio-Zertifikate an tatsächliche Ver-besserungen im Umweltschutz zu knüpfen, empfahl Fran-zius, die Regeln des Eco-Management and Audit Scheme (EMAS) auf die biologische Produktion zu erstrecken. Da-mit könnten Erzeuger und Händler angehalten werden, ein Umweltmanagementsystem einzuführen, dass die Beiträge zum Umweltschutz besser erfassen und bewerten hilft. Zu-mal Umweltzeichen wie das Bio- oder EMAS-Logo „ver-dient“ werden müssten, sieht Franzius darin keine Pri-vilegien im „verpönten“ Sinne, sondern gerechtfertigte Begünstigungen seitens des Staates.

Die Rechtfertigung von Agrarprivilegien im Umwelt-schutz hinterfragte Prof. Dr. Felix Ekardt von der Univer-sität Rostock. Eingangs machte Ekardt auf die vielfältigen Belastungen aufmerksam, die von der Landwirtschaft auf den Boden, die Biodiversität, das Grundwasser und das Klima ausgehen, um daraufhin die Fragwürdigkeit von Agrarprivilegien herauszustellen. Wenig überzeugend sei insbesondere, dass in einschlägigen Bestimmungen (§§ 5 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und 17 Abs. 2 Bundes-Bodenschutzgesetz) keine hinreichend präzisen und durchsetzbaren Anforderungen an die Landwirtschaft gestellt werden.

Ekardt sieht die Umweltbelastung durch die konventio-nelle Landwirtschaft in erster Linie als Mengenproblem. Unter Hinweis auf die Schwächen hierauf bezogener Mittel des Ordnungsrechts, schlug er vor, Mengenprobleme durch einen groß angelegten Flächenzertifikathandel oder die ge-zielte Nutzung der Grundsteuer zurückzudrängen. Für die Mengensteuerung würden der Zugewinn an Transparenz sowie der Abbau von Bürokratie sprechen. Eine ökologi-sche Landwirtschaft könne allerdings nicht allein mit tech-nischen Regeln erreicht werden. Es komme vielmehr auch auf Verhaltensänderungen beim Verbraucher an, vor allem beim Fleischkonsum.

Mit der Sinnhaftigkeit von Kartellprivilegien für den Umweltschutz setzte sich Prof.  Dr.  Reinhard Ellger vom Max-Planck-Institut Hamburg auseinander. Der Wettbe-werb und der Umweltschutz verfolgen nach Ellger grund-sätzlich ähnliche Ziele, nämlich die Mehrung der Wohl-fahrt durch effiziente Nutzung knapper Ressourcen. Der Zusammenschluss konkurrierender Unternehmen zur Aus-führung umweltschützender Maßnahmen könne ökono-misch sinnvoll sein, sofern z. B. größere Skalen- und Ver-bundvorteile oder natürliche Monopole vorliegen. Dabei müssten jedoch die Vorgaben der Art. 101 ff. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) so-wie der §§ 1 ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkun-gen (GWB) beachtet werden. Ellger betonte hierbei, dass

die Kartellverbote nach Art.  101 Abs.  1 AEUV und § 1 GWB keine Ausnahmen zugunsten des Umweltschutzes vorsehen. Wie auch die Praxis der EU-Kommission und des Bundeskartellamts zeige, würden Umweltbelange im Kartellrecht durch die Freistellungen nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 GWB hinreichend berücksichtigt. Ein da-rüber hinausgehendes, allgemeines Kartellprivileg für den Umweltschutz sei weder erforderlich noch wünschenswert. Als Gefährdung des Wettbewerbs sowie als fragwürdige Umweltschutzmaßnahme angesichts häufiger Mitnahme-effekte bewertete Ellger die ökologischen Beihilfen durch die Verordnung (EG) Nr. 800/2008 (allgemeine Gruppen-freistellungsverordnung) zu Art.  107 Abs.  3 AEUV oder durch Einzelfreistellung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV.

Die Tagung schloss Prof. em. Dr. Eckard Rehbinder von der Goethe-Universtität Frankfurt am Main mit einem Vortrag über Haftungsprivilegien in Naturschutzgebieten. Zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen machte Rehbin-der die allgemeine zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht und hieran anknüpfend die §§ 60 BNatSchG und 14 Abs. 1 Bundeswaldgesetz, die zum Teil Haftungsfreistellungen für Schäden vorsehen, die beim Betreten der Natur entstehen. Die Kernaussage des § 60 BNatSchG finde sich in Satz 3, wonach die Haftung des Besitzers insbesondere für natur-typische Gefahren ausgeschlossen ist. Ein Haftungsprivileg sieht Rehbinder hierin aber nicht, zumal die Verlagerung des Risikos auf den Besucher durch die Beschwer des Besitzers mit dem Betretungsrecht gerechtfertigt sei.

Die Regelung des § 60 BNatSchG sowie die einschlägige Rechtsprechung, welche die Verkehrssicherungspflichten des Besitzers zum Teil auch gegen den Wortlaut von Satz 3 auf naturtypische Gefahren ausweitet, so z. B. bei akuten Gefahren für Leib und Leben, hält Rehbinder in Anbetracht der Rechtssicherheit für problematisch. Daher erscheine es sinnvoll, die Vorschrift derart neu zu gestalten, dass die Verkehrssicherungspflichten des Besitzers bei ernsten, aber naturtypischen Gefahren nicht überspannt werden. Der Schutz der Besucher sollte auf Gefahren beschränkt wer-den, die der Besitzer kennt bzw. deren Kenntnis sich ihm aufdrängen muss und gegen die er zumutbar Vorsorge tref-fen kann.

3. Ausblick

Insgesamt erlebten die Teilnehmer eine organisatorisch ge-lungene und rechtspolitisch anregende Tagung. Herausge-arbeitet wurde, in welchem Ausmaß und in welcher Form der moderne Staat rechtliche Ungleichbehandlungen vor-nimmt, um das Ziel des Umweltschutzes zu fördern. Ge-naueren Aufschluss hierüber gibt der demnächst erschei-nende Sammelband zur Tagung. Bislang hinterließen die Vorträge jedoch nicht den Eindruck, dass das Rechtsprivi-leg als einheitliches und klar abgrenzbares Instrument des Umweltschutzes verstanden werden kann. Bei den meisten Referenten und Diskutanten war auch viel Skepsis ob der Zeitgemäßheit des Privilegienbegriffs herauszuhören.

NuR (2013) 35: 480–481 481Berichte

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