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tm 12/96 Bestimmung des Zetapotentials aus Strömungspotential- und Strömungsstrommessungen Hans-Jörg Jacobasch, Frank Simon, Carsten Werner und Cornelia Bellmann Schlagwörter: Grenzflächenchemie, elektrokinetische Vorgänge, Strömungspotentialmessungen, Strömungs- strommessungen, Zetapotential, Kapillarmodelle, Ober- flächenleitfahigkeit, Elektrokinetischer Analysator EKA Es wird ein Überblick über die Phänomene gegeben, auf denen die Bestimmung des Zetapotentials aus Strö- mungspotential- und Strömungsstrommessungen beruht. Das Strömungspotential- bzw. Strömungsstromexperi- ment wird anhand des Elektrokinetischen Analysators EKA erläutert. Das meßtechnische Problem des Über- gangs von Einzelkapillaren zu Diaphragmen und Mög- lichkeiten zur Berücksichtigung der Oberflächenleitfä- higkeit werden diskutiert. Determination of the zeta potential from Streaming Potential and Streaming current measurements The aim of this paper is to give a survey of the phe- nomena underlying the determination of zeta potential from Streaming potential and Streaming current measure- ments. Principlesof the Streaming potential and Streaming current experiments are explained by the example of the electrokinetic analyzer EKA. Furthermore, the transi- tion from the Single capillary system to a diaphragm and the possibility to consider the surface conductivity are discussed. 1 Einleitung Die Bestimmung des Zetapotentials erfolgt überwie- gend durch elektrophoretische oder durch Strömungs- potential-/Strömungsstrommessungen. Die Elektro- osmose und das Sedimentationspotential haben eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Strömungspotential- und Strömungsstrommessun- gen sind zur Bestimmung des Zetapotentials all jener Stoffe geeignet, die sich zu einem mit Meßflüssigkeit in Kontakt befindlichen Kapillarsystem anordnen las- sen. Dies sind beispielsweise elektrolytgefüllte Einzel- kapillaren, Spalte zwischen Platten oder Folien, Faser- bündel, Pulverschüttungen, Membranen usw. Anwendungen der elektrokinetischen Phänomene, insbesondere der Strömungspotential- und Strö- mungsstrommessungen zur Charakterisierung von Festkörperoberflächen, wurden ausführlich in [1] be- schrieben. 2 Bestimmung des Zetapotentials aus Strömungspotential- bzw. Strömungs- strommessungen 2.1 Strömungspotential und Strömungsstrom Bei der Messung des Strömungspotentials und des Strömungsstroms strömt aufgrund einer Druckdiffe- renz Ap eine Flüssigkeit durch eine Kapillare. Dabei kommt es zur Ausbildung eines elektrischen Potentials und eines elektrischen Stromflusses. Der Strom {AI) bzw. eine Spannung {A U) können in Abhängigkeit des angelegten Druckes gemessen werden. Der Volumenstrom V, der durch eine Kapillare mit der Dicke dx und dem Radius {r x) fließt, ergibt sich aus dt = V=2-{r-x)-n-dx-v\, (1) Die Strömungsgeschwindigkeit an der Stelle x, i?!^, folgt aus dem Kräftegleichgewicht von Reibkraft F^ und Druckkraft F^ bei einer stationären Strömung: Fj = Ap K (r x)^ —2-ri-n-L-(r x) = (r x)^ • 7t • Ap mit rj: Viskosität der Flüssigkeit, L: Länge der Kapillaren. dx (2) (3) (4) Die Integration von Gl. (4) unter der Randbedin- gung, daß für die Strömungsgeschwindigkeit in der Scherebene = o = 0 gilt, ergibt v{x) = - Ap 4r]L {2-r-x-x^). (5) Der Strömungsstrom 4 folgt aus dem Volumen- strom der Flüssigkeit und der Raumladungsdichte q: 0 (6) wobei Q durch die Poisson-Gleichung (7) ausgedrückt werden kann: tm - Technisches Messen 63 (1996) 12 © R. Oldenbourg Verlag 447 Brought to you by | Heinrich Heine Universität Düsseldorf Authenticated | 134.99.34.168 Download Date | 3/26/14 9:37 AM

Bestimmung des Zetapotentials aus Strömungspotential-und Strömungsstrommessungen

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Bestimmung des Zetapotentials aus Strömungspotential-und Strömungsstrommessungen Hans-Jörg Jacobasch, Frank Simon, Carsten Werner und Cornelia Bellmann

Schlagwörter: Grenzflächenchemie, elektrokinetische Vorgänge, Strömungspotentialmessungen, Strömungs-strommessungen, Zetapotential, Kapillarmodelle, Ober-flächenleitfahigkeit, Elektrokinetischer Analysator EKA

Es wird ein Überblick über die Phänomene gegeben, auf denen die Bestimmung des Zetapotentials aus Strö-mungspotential- und Strömungsstrommessungen beruht. Das Strömungspotential- bzw. Strömungsstromexperi-ment wird anhand des Elektrokinetischen Analysators EKA erläutert. Das meßtechnische Problem des Über-gangs von Einzelkapillaren zu Diaphragmen und Mög-lichkeiten zur Berücksichtigung der Oberflächenleitfä-higkeit werden diskutiert.

Determination of the zeta potential from Streaming Potential and Streaming current measurements

The aim of this paper is to give a survey of the phe-nomena underlying the determination of zeta potential from Streaming potential and Streaming current measure-ments. Principlesof the Streaming potential and Streaming current experiments are explained by the example of the electrokinetic analyzer EKA. Furthermore, the transi-tion from the Single capillary system to a diaphragm and the possibility to consider the surface conductivity are discussed.

1 Einleitung

Die Bestimmung des Zetapotentials erfolgt überwie-gend durch elektrophoretische oder durch Strömungs-potential-/Strömungsstrommessungen. Die Elektro-osmose und das Sedimentationspotential haben eine vergleichsweise geringe Bedeutung.

Strömungspotential- und Strömungsstrommessun-gen sind zur Bestimmung des Zetapotentials all jener Stoffe geeignet, die sich zu einem mit Meßflüssigkeit in Kontakt befindlichen Kapillarsystem anordnen las-sen. Dies sind beispielsweise elektrolytgefüllte Einzel-kapillaren, Spalte zwischen Platten oder Folien, Faser-bündel, Pulverschüttungen, Membranen usw.

Anwendungen der elektrokinetischen Phänomene, insbesondere der Strömungspotential- und Strö-mungsstrommessungen zur Charakterisierung von Festkörperoberflächen, wurden ausführlich in [1] be-schrieben.

2 Bestimmung des Zetapotentials aus Strömungspotential- bzw. Strömungs-strommessungen

2.1 Strömungspotential und Strömungsstrom Bei der Messung des Strömungspotentials und des

Strömungsstroms strömt aufgrund einer Druckdiffe-renz Ap eine Flüssigkeit durch eine Kapillare. Dabei kommt es zur Ausbildung eines elektrischen Potentials und eines elektrischen Stromflusses. Der Strom {AI) bzw. eine Spannung {A U) können in Abhängigkeit des angelegten Druckes gemessen werden.

Der Volumenstrom V, der durch eine Kapillare mit der Dicke dx und dem Radius {r — x) fließt, ergibt sich aus

dt = V=2-{r-x)-n-dx-v\, (1)

Die Strömungsgeschwindigkeit an der Stelle x, i?!^, folgt aus dem Kräftegleichgewicht von Reibkraft F^ und Druckkraft F^ bei einer stationären Strömung:

Fj = Ap • K • (r — x)^ —2-ri-n-L-(r — x)

= (r — x)^ • 7t • Ap

mit rj: Viskosität der Flüssigkeit, L: Länge der Kapillaren.

dx

(2)

(3)

(4)

Die Integration von Gl. (4) unter der Randbedin-gung, daß für die Strömungsgeschwindigkeit in der Scherebene = o = 0 gilt, ergibt

v{x) = -Ap

4 r ] L {2-r-x-x^). (5)

Der Strömungsstrom 4 folgt aus dem Volumen-strom der Flüssigkeit und der Raumladungsdichte q:

0 (6)

wobei Q durch die Poisson-Gleichung (7) ausgedrückt werden kann:

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e = dx' • F., • Cn (7)

mit Potential, E/. Dielektrizitätszahl und 60: Influenzkonstante.

Setzt man die Gin. (7), (6) und (5) in Gl. (1) ein, so ergibt sich für den Strömungsstrom

n-Ap-E^-Eo 2-ri-L

d^xp dx'

{2-r-x-x^)-(r-x) dx. (8)

Kapillaren, die mit einer wäßrigen Elektrolytlösung gefüllt sind, haben in der Regel einen viel größeren Ka-pillarradius r als die sich ausbildende Doppelschicht-dicke. Daraus folgt, daß für die Lage der Scherebene x ^ r gilt.

Die Integration von Gl. (8) unter den Randbedin-gungen, daß das Potential in der Scherebene = C und für = ^ = 0 ist, führt zum funktionellen Zusammen-hang zwischen Strömungsstrom und elektrokineti-schen Potential bzw. Zetapotential C:

n • Ap • • Eq • r^ • C (9)

Der Strom 4 steht, entsprechend der Gleichgewichts-bedingung für stationäre Strömungen, im Gleichge-wicht Gl. (10) mit einem Rückstrom Gl. (11), der durch die elektrische Leitfähigkeit k verursacht wird:

h + Ir-O AU AU-K-q

L = AU-K-n-r^

R

(10)

(11)

mit R-. elektrischer Widerstand, A U: elektrische Spannung und q\ Querschnittsfläche der Kapillaren.

Das Umstellen von Gl. (11) ergibt mit der Gleich-gewichtsbedingung (10) die bekannte Smoluchowski-Gleichung zur Berechnung des Zetapotentials aus Strö-mungspotentialmessungen [2]:

AU Ap

gr • fip • C t]-K

dU dp

Er • £0 • C ri-K

(12)

Für die Bestimmung des Zetapotentials aus Strö-mungspotentialmessungen ist es entsprechend Gl. (12) notwendig, den Anstieg der F u n k t i o n p = p(U) zu be-stimmen. Durch Einsetzen des Ohm'schen Gesetzes (11) in Gl. (12) erhält man den funktionellen Zusam-menhang zwischen Strömungsstrom und Zetapoten-tial:

dp £r • £0 • g • C (13)

2.2 Übergang von Einzelkapillaren zum Diaphragma, Leitfähigkeitsmessungen und Berück-sichtigung der Oberflächenleitfahigkeit

Es ist anzumerken, daß Gl. (13) nur für Einzelkapil-laren Gültigkeit besitzt. Beim Ubergang von einer Ka-pillare zu einem Kapillarbündel (Diaphragma) können der Kapillarquerschnitt q und die Kapillarlänge L der Einzelkapillaren stark differieren. Da das Zetapoten-tial als Eigenschaft der elektrochemischen Doppel-schicht nicht von der Kapillargeometrie abhängen kann, ergibt sich die Notwendigkeit, den Quotienten qlL hinreichend genau zu charakterisieren. Dies kann durch Leitfähigkeitsmessungen [3 -6 ] oder durch Mo-dellierung des Kapillarsystems erfolgen [7-11] ,

Während Leitfähigkeitsmessungen im folgenden Abschnitt ausführlich diskutiert werden, soll hier nur kurz auf die Modellierung von Kapillarsystemen ein-gegangen werden. Erste Arbeiten zur ModelHerung von Kapillarsystemen mit dem Ziel der Bestimmung der Diaphragmaporosität n^ gehen auf Chang und Robertson [7] zurück. Danach kann die Diaphragma-porosität, d .h . der Quotient qjL, aus folgender empi-rischer Formel bestimmt werden:

Tij = - = e x p [ - 5 - c] q

(14)

mit c: Konzentration des Feststoffs im Kapillarbündel und B\ Konstante.

Aus Gl. (14) folgt mit Gl. (13) für die Berechnung des Zetapotentials in Kapillarbündeln:

l n [ G = ln dl dp'

n 8 •£ '0 J

- B c (15)

bzw. mit Gl. (12) unter Verwendung der Beziehung U= RL

ln[C] = ln du n dp e^-Eq-R

- B c . (16)

Zur Bestimmung des Zetapotentials ist entsprechend den Gin. (15) und (16) der Strömungsstrom bzw. das Strömungspotential in Abhängigkeit verschiedener Diaphragmadichten zu messen. Aus dem Ordinatenab-schnitt der Funktion c = c(ln [C]) kann dann das Zeta-potential berechnet werden.

Biefer und Mason [8] nutzen zur Beschreibung von Kapillarbündeln neben der Diaphragmadichte c auch einen Parameter für das spezifische hydrodynamische Volumen a„:

L ^zelle ^zelle

(17)

mit L^eiie- Länge der Meßzelle und ^zeiie- Querschnitt der Meßzelle.

Happel [9], Ciriacks [10] und Schurz u.a. [11] be-schreiben den Strömungsstrom mit einem Satz Para-meter, der das Zetapotential, den Volumenstrom und die Ladungsdichte in den Kapillaren beinhaltet. Die

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Parameter können aus den in Abhängiglceit der Pak-kungsdichte gemessenen Volumenströmen bestimmt werden.

Die Oberflächenleitfähigkeit äußert sich in einer Zu-nahme der elektrischen Leitfähigkeit einer Flüssigkeit in einem Kapillarsystem gegenüber der Flüssigkeit außerhalb des Kapillarsystems.

Der Aufbau der elektrochemischen Doppelschicht im Kapillarsystem bedingt, daß in der Phasengrenze je Volumeneinheit mehr Ladungsträger vorhanden sind als in der Bulkphase. Bei einer niedrigen Leitfähigkeit der Flüssigkeit (z. B. bei stark verdünnten Elektrolyt-lösungen) kommt der elektrische Widerstand der Flüs-sigkeit in den Bereich des Widerstandes des Diaphrag-mas. In der Phasengrenze kommt es zur Stromleitung. Quellschichten auf der Kapillaroberfläche, Fehlord-nungen im Gitteraufbau und Fremdionen begünstigen die Stromleitung zusätzlich.

Poppel [4] schlägt vor, das nach der Smoluchowski-Gleichung berechnete Zetapotential C durch einen Fak-tor a zu korrigieren, der die Oberflächenleitfähigkeit )c„f berücksichtigt (Gl. (18) und Gl. (19)):

(18)

(19) mit a = + , K„f

wobei K i i j oiy, die elektrische Leitfähigkeit der Elek-trolytlösung außerhalb des Diaphragmas ist.

Die Abhängigkeit der Oberflächenleitfähigkeit von der Packungsdichte des Diaphragmas q^ findet im Mo-dell von Gosh und Pranab [5] Berücksichtigung, Gl. (20). Je größer die Packungsdichte im Diaphragma wird, desto größer wird der relative Volumenanteil der diffusen Doppelschicht im Diaphragma. Die Oberflä-chenleitfähigkeit erhöht sich:

Kn = K. eleklrolyl 1 + ß-^Qd'^ot (20) (1 -

mit a: spezifisches Volumen im Diaphragma, ß: Konstante und r: Kapillarradius.

Fairbrother und Mastin [3] sowie Briggs [6] gehen davon aus, daß sich die tatsächliche Leitfähigkeit eines elektrolytgefüllten Diaphragmas k^ aus der Leitfähig-keit der Elektrolytlösung und der Oberflä-chenleitfahigkeit additiv zusammensetzt:

K. = K, eleklrolyt of • (21)

Das Problem bei der Anwendung der beschriebenen Modelle besteht darin, daß k^^ nicht direkt meßbar ist. Zur Bestimmung von K f gehen Fairbrother und Mastin [3] davon aus, daß in einem mit einer 0,1 mol 1" ' KCl gefüllten Diaphragma der Anteil der Oberflächenleit-fahigkeit gegenüber »Ceiekiroiyi sehr klein ist und vernach-lässigt werden kann.

Aus der Definition der elektrischen Leitfähigkeit k ergibt sich unter Verwendung der Zellkonstante Cj, einer rein geometrischen Größe, die unabhängig von

der verwendeten Meßflüssigkeit ist:

C„ K = (22)

Rq R

Bei Verwendung einer 0,1-mol T ' -KCl -Lösung folgt

Cd = • •' O.lKCl (23)

und bei Verwendung einer beliebig verdünnten Elek-trolytlösung

(24)

Aus dem Gleichsetzen der Gin. (23) und (24) folgt für Leitfähigkeit des elektrolytgefüllten Diaphragmas

Kl = ^0.1 KCl " ^0.1 KCl R.

(25)

Gl. (25) enthält Größen, die alle meßtechnisch erfaßt werden können. Zunächst wird das zu charakterisie-rende Diaphragma mit der gewünschten Meßlösung gefüllt und der Widerstand R^ gemessen. Nach den durchgeführten Strömungspotential- bzw. Strömungs-strommessungen wird das Kapillarsystem mit einer 0,1 -mol • r ' -KCl-Lösung gefüllt, deren elektrische Leitfä-higkeit Kq zuvor durch Leitfähigkeitsmessungen ermittelt wurde. Anschließend wird der Widerstand 7?o,ikci bestimmt.

Bei derSerechnung der Zetapotentialwerte aus den Daten von Strömungspotentialmessungen ist k in Gl. (13) durch k^ zu ersetzen. Für Gl. (13) folgt

c = -V^OA^Cl - RpAYiCX du

ßr • «0 • K dp ' (26)

Für die Berechnung der Zetapotentialwerte aus Strömungsstrommessungen an Diaphragmen kann der Quotient q/L entsprechend Gl. (23) aus Widerstands-und Leitfähigkeitsmessungen des mit einer 0,1-mol • l~^-KCl-gefüllten Diaphragmas berechnet wer-den:

'7 • ><0,1 KCl ' -^0.1 KCl . ^ e, - So dp' c = - (27)

Die Korrektur der Oberflächenleitfähigkeit nach [3] stellt von der meßtechnischen Erfassung der benötigten Größen ein sehr einfaches Verfahren dar. Es gestattet darüber hinaus auch das Bestimmen der Zellkonstante und ermöglicht so einen Übergang der Gleichungen zur Bestimmung des Zetapotentials vom Einkapillar-system zum Diaphragma, ohne daß zusätzliche Mo-dellvorstellungen zur Geometrie im Diaphragma ein-gebracht werden müssen. Die Notwendigkeit zur Durchführung der Korrektur der Oberflächenleitfähig-keit zum Erhalt richtiger Zetapotentialwerte aus Strö-mungspotentialmessungen verdeutlicht Bild 1.

Nach Ansicht verschiedener Autoren gilt als Krite-rium für die Güte von Kapillarbündelmodellen und für das Anwenden von Leitfähigkeitsmessungen die Unab-hängigkeit des nach ihnen berechneten Zetapotentials

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C [mV]' n

k 5 7 9

-20 pH

-40

-60

-80

Bild I: Abhängigkeit des Zetapotentials von Glasfasern vom pH-Wert einer 10"^-mol • 1" ' -KCI-Lösung. • ohne Berücksichti-

gung der Oberflä-chenleitFähigkeit

• mit Berücksichtigung der Oberflächenleit-Fähigkeit

von der Diaphragmadichte [11; 12; 13], Für Dia-phragmen aus Fasern wurde gefunden, daß die Berech-nung nach [3] nur bei hydrophoben Fasern zur Un-abhängigkeit des Zetapotentials von der Diaphragma-dichte führen, während das Modell von Chang und Robertson für hydrophile und für hydrophobe Fasern angewendet werden kann. Auch das empirische Hap-pel-Ciriacks-Modell führt im Fall von Poly(acryl-nitril)-Faserdiaphragmen zur Unabhängigkeit des Zetapotentials von der Diaphragmadichte, erfordert aber einen erheblichen mathematischen Aufwand.

Es konnte gezeigt werden, daß sich die Anwendung der Modelle auf plattenförmige Polymerproben analog zu den faserförmigen Proben auswirkt [14]. Eine aus-führlich qualitative Wertung der verschiedenen Kapil-larmodelle wurde in [15] beschrieben.

Allgemein kann davon ausgegangen werden, daß eine Korrektur der Oberflächenleitfahigkeit bei einem bestimmten pH-Wert und einer bestimmten Elektrolyt-konzentration nur zu einer Veränderung der AmpHtute des Zetapotentials führt, die keinen Einfluß auf die La-ge des isoelektrischen Punktes oder auf die Gestalt der Funktion C = C(pH) hat. Damit können elektrokine-tische Untersuchungen, die einem qualitativen Ver-gleich zweier Proben dienen sollen, auch bei Unterlas-sung der Korrektur der Oberflächenleitfähigkeit erfol-gen.

2.3 Eiektrokinetischer Analysator EKA Bild 2 zeigt den prinzipiellen Aufbau des Elektro-

kinetischen Analysators EKA der Anton Paar KG (Graz, Österreich). Mit Hilfe einer elektronisch ge-steuerten Pumpe wird die wäßrige Meßlösung durch das Kapillarsystem gepumpt, so daß eine - durch die Förderleistung der Pumpe variierte - Druckdifferenz zwischen Ein- und Ausströmseite entsteht. In der Meß-zelle wird durch die Anordnung des zu untersuchenden Materials der höchste Strömungswiderstand des Elek-trolytkreislaufes gebildet. Zur Messung des Strö-mungspotentials werden Ag/AgCl-Elektroden verwen-det. Die Bestimmung des Druckabfalls über der Meß-zelle erfolgt mit einem piezoresistiven Druckaufneh-mer. Die spezifische Leitfähigkeit und der pH-Wert der Meßlösung werden mit Hilfe von mit der Hardware gekoppelten Meßketten bestimmt. Zusätzlich ist die Möglichkeit zur Wechselspannungs-Widerstandsmes-sung (2 kHz) implementiert, um eine Korrektur von Oberflächenleitfahigkeitseffekten vornehmen zu kön-nen.

Die erhaltenen Meßwerte und Parameter werden mit Hilfe eines Auswertungsprogrammes auf einem mit

Plotter Drucker Computer

Elektronische Meß-und Kontrolleinheit

LeltfählgkeKssensor

pH-Sensor

- Dmck-Spannungs-Wandler

Bild 2: Schematischer Aufbau des Elektrokinetischen Analysators E K A der Anton Paar K G , Graz (Österreich).

Eleklrolytzulauf ElekUolytauslauf

DichUmy • • ^ . 1

Glasrohr

1

bewegliche Stempel mit perforierten Ag/AgCI - Elektroden

Faser oder Granulatdiaphragma

® Slrömungskanal

Dichtung ^

Eleklrolytzulauf

®

i & f — 1 f — 1

Ag/AgCI -Elektroden

^ Probenplatte 1

-Probenplatte 2 Elektroiytauslai^.

Bild 3: Meßzellen des Elektrokinetischen Analysators zur Bestim-mung des Strömungspotentials bzw. Strömungsstroms. a) Fasermeßzelle für Faserdiaphragmen und Granula te b) Plattenzelle fü r plattenförmige Proben oder für Folien

dem Meßgerät verknüpften PC zur Ermittlung der Zetapotentialwerte sowie deren Abhängigkeit von Lösungs-Ionenkonzentrationen, pH-Wert, Tempera-tur o. a. herangezogen. Dieses Auswertungsprogramm steuert in Verbindung mit der Titrationseinheit auch Meßabläufe wie wiederholte Messungen an einer gege-benen Probe unter variierten Eigenschaften der Meß-lösung sowie die dazu erforderlichen Spülprozeduren.

Entsprechend den Anforderungen von Probenmate-rial aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen wur-den folgende Meßzellen entwickelt:

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• Faserzelle (Bild 3a): Mit dieser Zelle können Kapil-larsysteme aus Faserbündein oder Puiverschüttun-gen untersucht werden. Dabei werden zwei perforier-te plattenförmige Ag/AgCl-Elektroden zur Fixie-rung des Probenmaterials verwendet.

• Plattenmeßzelle (Bild 3b): In dieser Meßzelle werden Probenflächen so angeordnet, daß zwischen ihnen ein Strömungskanal entsteht.

In der Literatur ist eine Vielzahl anderer Meßanord-nungen zur Bestimmung des Strömungspotentials bzw. des Strömungsstroms beschrieben worden, auf deren konstruktive Details an dieser Stelle nicht weiter ein-gegangen werden kann [15-18],

Das Strömungspotential-/Strömungsmeßgerät EKA hat in Forschungsinstituten, Applikationslabors und bei der Qualitätssicherung im produzierenden Gewerbe eine weltweite Verbreitung gefunden. Die Bearbeitung wissenschaftlicher Aufgabenstellungen umfaßt nahezu alle Bereiche der Materialforschung. Als Beispiele seien die Oberflächencharakterisierung von Fasern, Kerami-ken und Polymeren genannt. Adsorptionsuntersu-chungen von Tensiden werden an Mineralien zur Cha-rakterisierung des Flotationsverhaltens und an Haaren und Häuten durchgeführt. Zur Einschätzung der Bio-kompatibilität werden die Oberflächeneigenschaften medizinischeer Implantate und Membranen unter-sucht. Auch korrosive Effekte und Mechanismen des Korrosionsschutzes durch Inhibitoren lassen sich aus Strömungspotential-/Strömungsstrommessungen ab-leiten. Bei der Überwachung technologischer Prozesse und bei der Qualitätskontrolle wird das EKA neben der Faserherstellung, -Verarbeitung und -ausrüstung auch im Bereich der Papierproduktion, des Offset-drucks und der Filter- und Membranherstellung ein-gesetzt.

3 Vergleich von Strömungspotential/ Strömungsstrom und Elektroosmose

Das Prinzip der Elektroosmose stellt die Umkehr des Prinzips der Strömungspotential-/Strömungs-strommessung dar. Während bei der Strömungspoten-tial-/Strömungsstrommessung aufgrund einer Druck-differenz eine Flüssigkeit durch ein Kapillarsystem be-wegt wird und die/der dabei generierte Spannung/ Strom als Meßgröße dient, führt bei der Elektroosmose eine an ein Diaphragma angelegte elektrische Span-nung zum Fließen der flüssigen Phase. Prinzipiell kann sowohl ein Volumenstrom V als auch ein elektrischer Strom I durch ein Druckgefälle Ap und/oder durch eine elektrische Spannung A U erzeugt werden. Es gel-ten:

V = L , ^ - Ap + L i 2 - A U

I =£21 • Ap + L22 - AU

(28)

(29)

mit L;; und Lj : phänomenologische Koeffizienten nach Onsager.

0 . 1 5

0.10

0 . 0 5

0

r 1 ^ bzw. / \ A m s2

Up; bzw. [AU, L kg

o—O-PD [g cm

0.1 0.2 0.3

Bild 4: Vergleich von Strömungsstrom und elektroosmotischem Vo-lumenstrom für verschiedene Fasern und verschiedene Diaphragma-dichten Qo [19]. • und • Zellstoffasern O und • Poly-esterfasern A und A Poly(acrylnitril)-Fasern O und • Glasfasern ausgefüllte Symbole: Elektroosmosemessungen, nicht ausgefüllte Symbole: Strömungsstrommessungen

Da der elektrokinetische Effekt entweder auf einer angelegten elektrischen Spannung oder einer angeleg-ten Druckdifferenz beruhen kann, muß nach Onsager Li2 = ^21 gelten. Wird bei der Elektroosmose keine Druckdifferenz Ap beobachtet und ist bei der Strö-mungsstrommessung [/ = 0, so folgt

J Ü Ap = 0

(30)

Setzt man die Gleichungen zur Berechnung des Ze-tapotentials aus dem Strömungsstrom (Gl. (13)) bzw. aus dem elektroosmotischen Volumenstrom (Gl. (31)) in Gl. (30) ein, so zeigt sich, daß das Zetapotential un-abhängig von der Art der Bestimmung sein muß:

AU £r • fip • g • C

r i - L (31)

Am Beispiel von verschiedenen Faserdiaphragmen gleicher Packungsdichten wurden elektroosmotische

Bild 5: Abhängigkeit des elektrischen Potentials U vom Druckabfall Ap in einem Poly(acrylnitril)-Faserdiaphragma (gemessen in 10"'* -mol • 1" '-KCl mit unterschiedlichen Fließrichtungen).

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und Strömungsstrommessungen vorgenommen [11; 12; 19]. Bild 4 bestätigt die Unabhängigkeit des Zetapotentials vom angewandten Meßverfahren. Im Bild 5 ist der lineare Zusammenhang von Potential und Druckabfall im Kapillarsystem am Beispiel der Strö-mungspotentialmessungen von Poly(acrylnitril)-Fa-sern dargestellt. Es belegt, daß der Quotient dUjdp un-abhängig vom anliegenden Druck ist. Es konnte gezeigt werden, daß dieser Zusammenhang für beliebige Ka-pillarsysteme bis zu Drücken von 100 bar gilt, wenn im Kapillarsystem keine stofflichen Veränderungen auftreten [17].

Diese Befunde zeigen, daß die Lage der Scherebene im elektrokinetischen Experiment unabhängig vom an-gelegten Druck bei der Strömungspotential-/Strö-mungsstrommessung bzw. der angelegten Spannung bei der Elektroosmosemessung ist, d. h. daß das Zeta-potential eine eindeutig zu bestimmende Größe ist.

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[10] Ciriacks, J.A.: An investigation of the Streaming current method for determing the zeta potential of fibres. Dissertation, Lawrence University (1967).

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[17] Börner, M., Jacobasch, H.-J., Simon, F., Churaev, N. V., Sergee-va, I.P. und Sobolev, V.D.: Zeta potential measurements with fibre plugs in 1 :1 electrolyte solutions. Colloids and Surfaces A: Physicochemical and Engineering Aspets 85 (1994), S. 9-17.

[18] Lyklema,J.: Fundamentals of Interface and Colloid Science. Academic Press, London (1991), S. 456. Jacobasch, H.-J., Bauböck, G. und Schurz, J.: Vergleichende Messungen des Zetapotentials von Faserstoffen durch Elek-troosmose und Strömungsstrom/Strömungspotential. Monats-hefte für Chemie 117 (1986), S. 1133-1144.

Prof. Dr. Hans-Jörg Jacobasch, Dr. Frank Simon, Carsten Werner und Dr. Cornelia Bellmann, Institut für Polymerforschung Dresden e.V, D-01069 Dresden.

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