126
1 Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Flüchtlingen an der Hochschulbildung in NRW Studie gefördert durch das Ministerium für Innovation, Wissen- schaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen Autor Caner Aver Forschungsteam: Caner Aver, Inan Bulut, Robin Lascheit, Serife Erol, Eyüp Kalyon, Gamze Alkan Essen, Mai 2017

Beteiligung von Bildungsinländern mit ...€¦ · CATI-Befragung der ... Übergang von der Grundschule auf die ... gruppen wurde zudem die Bekanntheit und Nutzung von sowie die Zufriedenheit

  • Upload
    votu

  • View
    218

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

1

Beteiligung von Bildungsinländern mit

Migrationshintergrund und Flüchtlingen an der

Hochschulbildung in NRW

Studie gefördert durch das Ministerium für Innovation, Wissen-schaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen

Autor Caner Aver

Forschungsteam:

Caner Aver, Inan Bulut, Robin Lascheit, Serife Erol, Eyüp Kalyon, Gamze Alkan

Essen, Mai 2017

2

1. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis……………………………………………… 4

2. Einleitung………………………………………………………………………………….6

3. Fragestellungen und Herangehensweisen……………………….…………………7

4. Methoden…………………………………………...……………………………………..9

4.1. Potenzialabschätzung……………...…………………………………………………..9

4.1.1. Erhebung der quantitativen Größe des Hochschulzugangspotenzials…9

4.1.2. Strukturelle Zugänge innerhalb der Migranten- gemeinden………………...………...........................................................9

4.1.3. CATI-Befragung der Migrantenorganisationen – Erhebungsdesign und Grundgesamtheit……………..……………………………… ………10

4.1.4. Interviews mit Expert*innen aus den Migrantenorganisationen………..14

4.2. Befragungen der Studierenden…………………..………………………………….15

4.2.1. Problemzentrierte Interviews……………………………………………….15

4.2.2. Standardisierte mündliche Interviews……………………………………..16

4.3. Recherche von Hochschulangeboten……………………………………………….18

4.4. Befragung von Geflüchteten………………………………………………………….18

5. Demographische Entwicklung und Fachkräftebedarf…………………………..19

5.1. Der Arbeitsmarkt für Hochschulabsolvent*innen…………………………………..20

5.2. Die Entwicklung der Schüler*innenzahlen in NRW………………………………..21

5.3. Das quantitative Hochschulzugangspotenzial unter Zuwanderern in NRW…….22

6. Studienergebnisse……………………………………………………………………..27

6.1. Migrantenorganisationen im Bildungskontext - Ergebnisse der CATI-Befragung………...……………………………………………………………27

6.2. Strukturen der Migrantenorganisationen……………………………………………28

6.2.1. Arbeitsschwerpunkte der Organisationen im Bildungsbereich……...….34

6.2.2. Kinder-, Familien- und Elternförderung…………………………………...35

6.2.3. Sprachförderung und Bilingualität…………………………………………37

3

6.2.4. Bildung, Bildungsgerechtigkeit, Beschäftigung…………………………..41

6.2.5. Andere außerschulische Angebote………………………………………..43

6.3. Befragungen von Studierenden mit und ohne Migrationshintergrund…...………44

6.3.1. Problemzentrierte Interviews mit Studierenden………………………….44

6.3.2. Bekanntheit, Nutzung und Zufriedenheit mit Hochschul- angeboten zur Studienunterstützung.………….……………..……….....69

6.4.2. Beurteilung von Hochschulangeboten durch Studierende mit Migrationshintergrund – Ergebnisse einer standardisierten mündlichen Befragung……………………….…………………………….74

7. Leitfadeninterviews mit Geflüchteten………………………………………..…….89

8. Empfehlungen an die (Hochschul-)Politik…………………………………………94

9. Literaturverzeichnis………………………………………………………………….102

10. Anhänge / Interviewbögen……………………………………………………..….106

4

1. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Ausschöpfung und Ausfallgründe……………………………………………………..13

Tabelle 2: Realisierte standardisierte Interviews je Hochschule……………………………….17

Tabelle 3: Entwicklung des Schulbesuchs nach Bildungsabschluss der Eltern

(2010-2015)............................................................................................................20

Tabelle 4: Fachkräfteangebot und -nachfrage für „Alle Fachkräfte” in allen Branchen

in Nordrhein-Westfalen………….………………………………………………………21

Tabelle 5: Migrant*innen mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit in NRW (2015)……...24

Tabelle 6: Bevölkerung unter 18 Jahren nach Migrationsstatus und Herkunfts-

ländern 2015 in NRW…………………….……………………………………………..24

Tabelle 7: Verteilung der Schüler*innen auf die Schulformen und Staatsangehörigkeit

(Schuljahr 2015/16 NRW)………………..……………………..………………………26

Tabelle 8: Altersgruppen betreuter Personen in den befragten Migranten-

organisationen (in %, Mehrfachnennung)…………………………………………….34

Tabelle 9: Bekanntheit von Hochschulangeboten nach Herkünften………………………...…77

Tabelle 10: Teilnahme an Hochschulangeboten nach Herkünften…………………………….78

Tabelle 11: Bewertung der Hochschulangebote nach Herkünften……………………………..78

Tabelle 12: Bewertung der Angebote zum Hochschulzugang in der Oberstufe……...………80

Tabelle 13: Bewertung der Angebote zu Studienbeginn nach Herkünften .…………………..82

Tabelle 14: Bewertung der und Bedarf an Kommunikation der Hochschulen zu den

Angeboten....…………………………………………………………………………..84

Tabelle 15: Bedarf nach (weiteren) Angeboten nach Herkünften………………………………86

Tabelle 16: Bewertung von Finanzierungsmöglichkeiten nach Herkünften…………………...88

Abbildung 1: Entwicklung und Prognose der Schüler*innenzahlen in NRW

1970-2029 nach Schulstufen…………………………………..………………...…23

Abbildung 2: Entwicklung des Ausländeranteils bzw. des Anteils der Schülerinnen

und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte an der Schülerschaft…………...….25

Abbildung 3: Hauptamtliche Mitarbeiter*innen (Fallzahlen) ….…..…………………………….29

Abbildung 4: Ehrenamtlich Engagierte (Fallzahlen)…..………………………………….……...29

Abbildung 5: Bildungsangebote von Migrantenorganisationen (Fallzahlen)…………….….…31

Abbildung 6: Ehrenamtliche und geförderte Bildungsangebote (Fallzahlen).…………………32

Abbildung 7: Zeitlicher Umfang der Projekt (Stunden/Woche, Mittelwerte, Minimum und

Maximum)……………………………………………………………………………..33

5

Abbildung 8: Abiturnoten im Vergleich………………………………………………………....…45

Abbildung 9: Finanzierung des Studiums………………………………………………….……..55

Abbildung 10: Übergang von der Grundschule auf die Sekundarstufe I………………………55

Abbildung 11: Angebote von NRW-Hochschulen an Studierende………………..……………70

Abbildung 12: Bekanntheit und Nutzung von Hochschulangeboten………………..………….75

Abbildung 13: Zufriedenheit der Nutzer mit den Angeboten……………………………………75

Abbildung 14: Bewertung der Angebote zum Hochschulzugang in der

Oberstufe..….……………………………………………………………………….79

Abbildung 15: Bewertung der Angebote zu Studienbeginn…………………………………….82

Abbildung 16: Bewertung der und Bedarf an Kommunikation der Hochschule zu den

Angeboten……………..…………………………………………………….………76

Abbildung 17: Bedarf nach (weiteren) Angeboten………………………………………….……78

Abbildung 18: Bewertung von Finanzierungsmöglichkeiten………….…………………………79

6

2. Einleitung

Deutschland und NRW stehen vor der Herausforderung, dem Fachkräftemangel unter dem

Vorzeichen zunehmender gesellschaftlicher Diversität zu begegnen. Aktuell haben 26% der

Menschen in NRW einen Migrationshintergrund, in den jüngeren Altersstufen liegt der Anteil

noch deutlich höher. Ihre Integration in das Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt ist eine

der wesentlichen Herausforderungen zukünftiger Politik. Derzeit entwickeln sich die Schü-

ler*innenzahlen rückläufig, der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund steigt jedoch wei-

ter an. Zugleich gelingt es jungen Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor nicht in

gleichem Maß wie den einheimischen Jugendlichen, höher qualifizierende Schul- und Aus-

bildungsabschlüsse zu erlangen. An Hochschulen sind Studierende mit Migrationshinter-

grund deutlich unterrepräsentiert. Angesichts des prognostizierten Fachkräftemangels ergibt

sich hieraus Handlungsbedarf, der nicht zuletzt auch den Zugang zur Hochschulbildung be-

trifft. Zwar existieren bereits einige Projekte und Programme - sowohl der Landesregierung

als auch der Hochschulen - zur Förderung des Hochschulzugangs und zur Studienbegleitung

für Studierende mit Migrationshintergrund, doch gibt es bisher wenige Erkenntnisse, inwie-

weit diese den Erfordernissen und Bedarfen entsprechen. So fördert das NRW-

Wissenschaftsministerium z.B. den Strukturaufbau für Talentscouting über das NRW-

Talentzentrum an zunächst 14 Hochschulen in NRW, um den Hochschulzugang von Schü-

ler*innen aus sozial benachteiligten Milieus zu erleichtern. Es gilt also, herkunftsbedingte

Hürden beim Hochschulzugang zu identifizieren und die bisher eingesetzten Maßnahmen zu

prüfen. Die vorliegende Studie soll hierzu einen Beitrag leisten.

Die Entkoppelung des Bildungserfolgs vom familiären Bildungsniveau ist eine zentrale Vo-

raussetzung, um herkunftsunabhängig Bildungspotenziale zu fördern und neue Möglichkei-

ten des gesellschaftlichen Aufstiegs zu schaffen. Denn nach wie vor ist der Hochschulzu-

gang intergenerational gekoppelt, indem der Hochschulzugang von Kindern aus Akademiker-

familien mehr als drei Mal wahrscheinlicher ist als bei Kindern aus Arbeiterfamilien.1 Und

gleichzeitig ist der Anteil von Studierenden mit Migrationshintergrund, die aus Nicht-

Akademikerfamilien kommen, deutlich höher (21% vs. 5% bei Personen ohne MH), was für

ihren hohen Bildungsaufstiegswillen spricht.2 Grundsätzlich bestehen deutliche Unterschiede

beim Bildungsweg der Kinder aus unterschiedlichen Bildungsmilieus, was sich in der Aus-

wahl der weiterführenden Schulformen ausdrückt. Kinder aus Akademikerfamilien gehen zu

1 Middendorff, Elke/Apolinarski, BeatePoskowsky, Jonas; Kandulla, Maren; Netz, Nicolai (2012): Die wirtschaftliche und soziale

Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Hannover,, S.111. 2 Vgl. A. Treibel (2016). Integriert Euch! Plädoyer für ein selbstbewusstes Einwanderungsland (S. 126). Bonn.

7

84% auf das Gymnasium, während es in der Vergleichsgruppe aus Nicht-

Akademikerfamilien gerade einmal 37% sind.3 Dabei hat die soziale Herkunft auch Auswir-

kungen auf die Studienfinanzierung und damit auf die Studiendauer, verbunden mit der Fra-

ge, ob staatliche Förderinstrumente in Anspruch genommen werden oder das Studium über

eine (Teilzeit-)Erwerbstätigkeit finanziert werden muss.

Trotz milieubedingter Widrigkeiten schaffen aber schon jetzt etliche Jugendliche mit und oh-

ne Migrationshintergrund aus bildungsfernen Familien den Hochschulzugang und absolvie-

ren erfolgreich ein Studium. Die Faktoren, die diesen Erfolg unterstützen, auch die Rolle ei-

genkultureller Netzwerke in Form von Migrantenorganisationen und die Frage nach der Nut-

zung und Beurteilung von Maßnahmen der Hochschulen, sind Gegenstand der vorliegenden

Studie. Mit unterschiedlichen Instrumenten wurden Studierende und zivilgesellschaftliche

Akteure befragt und Institutionen auf ihre Angebote hin untersucht, um Erfolgsfaktoren für

den Hochschulzugang zu eruieren.

Die Studie wurde durch das Ministerium für Wissenschaft, Innovation und Forschung des

Landes Nordrhein Westfalen gefördert und durch den ZfTI-Programmbereich „Hochschule

und Migration“ durchgeführt.

3. Fragestellungen und Herangehensweisen

Im Zentrum der vorliegenden Studie steht die Identifizierung von Erfolgsfaktoren für Bil-

dungsaufstiege von Studierenden mit Migrationshintergrund. Ziel ist es, bislang noch nicht

erschlossene Potenziale - auch quantifizierend - zu erfassen und Informationen für Maß-

nahmen zu liefern, die die Hochschulzugangsquote erhöhen sowie die Studienabbruchquote

reduzieren können. Darüber hinaus werden vorhandene Hochschulangebote zur Erschlie-

ßung und Förderung der Zielgruppe analysiert. Und schließlich wird auch die Rolle von zivil-

gesellschaftlichen Akteuren für erfolgreiche Bildungskarrieren in den Blick genommen.

Studierendenseits betrachten wir türkeistämmige, russischsprachige und aus Italien stam-

mende Bildungsinländer*innen, also Migrant*innen, die in Deutschland ihren Schulabschluss

erreicht haben. Als Vergleichsgruppe wurden herkunftsdeutsche Studierende aus ebenfalls

überwiegend eher bildungsfernen Familien befragt, um so mögliche herkunftsbedingte Un-

terschiede einzugrenzen. Anhand problemzentrierter Interviews mit Studierenden aus den

drei Herkunftsändern wurden explorativ sowohl Erfolgsfaktoren als auch Hürden auf dem

3 Ebd.

8

Bildungsweg erhoben, die mit der Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung und im

Anschluss dem Hochschulzugang trotz bestehender Vorbelastungen im Zusammenhang

stehen. Der Fokus lag auf der subjektiven Einschätzung des eigenen Bildungsweges, unter

Berücksichtigung der Lernmotivation und jener Personen, denen eine besondere Rolle für

die Bildungskarriere zugeschrieben wird.

In einer standardisierten Befragung unter Studierenden der drei migrantischen Herkunfts-

gruppen wurde zudem die Bekanntheit und Nutzung von sowie die Zufriedenheit mit allge-

meinen studienbegleitenden Angeboten an NRW-Hochschulen erhoben. Hierzu wurden die

Universität Münster, die Universität Duisburg-Essen, die Universität zu Köln, die Ruhr-

Universität Bochum und die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf für die Befragung ausge-

wählt. Die Darstellung wird ergänzt durch eine Recherche der für Migrant*innen relevanten

Angebote zur Unterstützung des Studiums.

Angesichts der seit 2015 sprunghaft gestiegenen Zuwanderung Geflüchteter aus Kriegs- und

Krisenregionen, von denen ein erheblicher Anteil eine langfristige Bleibeperspektive hat, er-

geben sich zusätzliche Herausforderungen für den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem.

Zur Exploration ihrer Qualifikationen, des Bedarfs an Nachqualifikationen und persönliche

und berufliche Ziele wurden daher Interviews mit Geflüchteten durchgeführt, die in ihren Her-

kunftsländern Studierende waren bzw. ihre Hochschulausbildung dort bereits abgeschlossen

haben.

Migrantenorganisationen übernehmen als Bildungsakteure potenziell eine wichtige Funktion

als Mittlerinnen zwischen Institutionen und Zielgruppen und können systembedingte Defizite

kompensieren. Trotz zumeist knapper finanzieller und personeller Ressourcen können Mig-

rantenorganisationen damit effektiv für mehr Bildungsbeteiligung sorgen. Diese Arbeit wurde

mittels einer standardisierten CATI-Befragung erhoben. Durch zusätzliche Ex-

pert*innengespräche mit Vertreter*innen ausgewählter Migrantenorganisation aus den drei

Herkunftsländern wurde die Betrachtung vertieft.

Die Auswertung und Analyse der Ergebnisse soll dem Land NRW als Informationsbasis für

Maßnahmen zur Erhöhung der Hochschulzugangsquote sowie der Reduzierung der Ab-

bruchquote bezogen auf Bildungsinländer mit Migrationshintergrund und Geflüchtete dienen.

9

4. Methoden

4.1. Potenzialabschätzung

Zur Abschätzung des Hochschulzugangspotenzials unter Zuwanderern in NRW wurde die

Anzahl von Schüler*innen mit (erwarteter) Hochschulzugangsberechtigung anhand öffentlich

zugänglicher Daten recherchiert und auch Migrantenorganisationen, die Bildungsmaßnah-

men anbieten, befragt.

4.1.1. Erhebung der quantitativen Größe des Hochschulzugangspotenzials

Quantitative Angaben über die Bildungssituation unter Zuwanderern zur Ermittlung des

Hochschulzugangspotenzials wurden den öffentlich zugänglichen Statistiken des Statisti-

schen Bundesamtes, insbesondere dem Mikrozensus, und den Statistiken des Schulministe-

riums NRW entnommen. Dadurch sollte die Grundgesamtheit von Schüler*innen aus den

drei betrachteten Herkunftsgruppen ermittelt werden, die potenziell ein Hochschulstudium

aufnehmen können. Dabei ist die Datenlage allerdings uneinheitlich: Oft werden nur auslän-

dische Schüler*innen ausgewiesen, andere Datensätze wiederum berücksichtigen den Mig-

rationshintergrund, nicht aber die Herkunft, weshalb hier ein Schätzverfahren zu Anwendung

kommt.

4.1.2. Strukturelle Zugänge innerhalb der Migrantengemeinden

Zur Erfassung der Migrantenorganisationen aus dem Bildungssektor bzw. solche mit Bil-

dungsangeboten in NRW wurde per Internetrecherche und mit Unterstützung der Kommuna-

len Integrationszentren eine Kontaktdatenbank erstellt und mit Blick auf bekannte Aktivtäten

kategorisiert. In folgenden online zugänglichen Listen wurde recherchiert:

Google

Elternnetzwerk NRW

Der Paritätische in NRW

Verband engagierte Zivilgesellschaft NRW

Kommunale Integrationszentren (KIn)

Sofern online keine Migrantenorganisationen-Liste seitens der KIn verfügbar war, wurden die

KIn direkt per E-Mail angefragt, woraufhin dem ZfTI vorhandene Kontaktdaten und An-

10

sprechpartner zur Verfügung gestellt wurden. Die Organisationen wurden zunächst nach

ihren Angeboten anhand vorher festgelegter Indikatoren in vier Kategorien eingeteilt:

Bildungsvereine

Religiöse Vereine

Elternvereine

Studierenden- und Akademiker*innenvereine

Die Recherche ergab eine Liste von insgesamt 283 relevanten Vereinen (einschließlich sie-

ben Dachverbände).

Als Grundlage für die Entwicklung des Fragebogens für die standardisierte CATI-Befragung

diente der Fragebogen des ZfTI für die Forschung unter Moscheegemeinden vom Sommer

20144, die im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz und des Bundesministeriums des In-

nern durchgeführt worden war, der von der Struktur her geeignet ist, auch die hier in Frage

stehenden Angebote zu erfassen und schon erfolgreich eingesetzt worden war.

4.1.3. CATI-Befragung der Migrantenorganisationen - Erhebungsdesign und Grund-

gesamtheit

Im Folgenden werden die Phasen der CATI-Erhebung (Vorbereitungen, Feldarbeit, Daten-

prüfung) kurz skizziert.

Die Erhebung unter den Migrantenorganisationen wurde als computergestützte, standardi-

sierte Telefonerhebung (CATI - Computer Assisted Telephone Interviewing) konzipiert und in

deutscher Sprache durchgeführt. Zielpersonen der Befragung waren in den Organisationen

haupt- oder ehrenamtlich tätige Personen, die mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand

auskunftsfähig waren. Dazu wurden Kontaktdaten, einschließlich Telefonnummern und Na-

men auskunftsfähiger Ansprechpartner*innen der Organisationen, die durch die Recherche

identifiziert worden waren, genutzt. Angestrebt wurde eine Vollerhebung unter den 283 Ver-

einen.

Zunächst wurden zehn Vereine testweise kontaktiert, um den Fragebogen einem Pretest zu

unterziehen. Gegebenenfalls wurden - wie später in der Hauptuntersuchung auch - alternati-

4 Halm, Dirk/Sauer, Martina (2015): Soziale Dienstleistungen der in der Deutschen Islam Konferenz vertretenen religiösen

Dachverbände und ihrer Gemeinden, Hrsgg. vom Bundesministerium des Innern im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz. Berlin. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/WissenschaftPublikationen/soziale-dienstleistungen-gemeinden.pdf?__blob=publicationFile

11

ve Telefonnummern aufgenommen und Terminabsprachen getroffen. Alle Kontaktversuche

wurden dokumentiert, um Ausschöpfung und Ausfallgründe nachvollziehen zu können. Da

nach dem Pretest nur geringfügige Veränderungen am Fragebogen vorgenommen werden

mussten, sind die Pretest-interviews in der Auswertung berücksichtigt.

Fragebogenentwicklung5

Der Fragebogen wurde so konzipiert, dass die thematische Breite der Migrantenorganisatio-

nen im Bildungsbereich abgedeckt und organisatorische Spezifika berücksichtigt werden

konnten, und auch nach türkischen, italienischen und russischen Organisationen unterschie-

den werden kann. Um die Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten, mussten alle Orga-

nisationen mit einem einheitlichen Instrument befragt werden.

Der Fragebogen hatte folgende Schwerpunkte:

allgemeine Angaben zu den Migrantenorganisationen

Angaben zur personellen Besetzung und der Qualifikation der Mitarbeiter*innen

Angebote im Bildungsbereich für Kinder und Jugendliche, einschließlich Elternarbeit

Angebote zu Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche

Umfang und geographische Reichweite der Angebote

Angaben zur Finanzierung der Angebote

Angaben zu geförderten Projekten

Vernetzung und Kooperationen

Angaben zum Wirkungskreis des Vereins

Um die Zahl und den Verlauf der Kontakte zu dokumentieren, war den Fragebögen ein um-

fangreicher Kontaktbogen vorgeschaltet, der Ausfall- und Nichtrealisierungsgründe sowie die

Möglichkeit zur Terminvereinbarung und der Registrierung alternativer Telefonnummern bzw.

Ansprechpartner enthielt. Ergab sich, dass die Telefonnummer falsch oder die Organisation

keine Migrantenorganisation ist, wurden die Adressen aus der Grundgesamtheit als Ausfall

gestrichen. Lehnten Kontaktpersonen oder Ansprechpartner ein Interview ab oder führten es

nicht zu Ende (Interviewabbruch), oder wurde trotz zehn Kontaktversuchen niemand erreicht

bzw. kein Interview realisiert, wurde die Adresse als Ausfall der Grundgesamtheit registriert

(siehe Abschnitt Ausschöpfung und Ausfallgründe). War der genannte Ansprechpartner un-

5 Siehe den vollständigen Fragebogen im Anhang.

12

bekannt oder nicht mehr in der Organisation, wurde versucht, Kontakt zu einem anderen

auskunftsfähigen Ansprechpartner zu erhalten.

Der Fragebogen einschließlich des Kontaktbogens wurde in eine elektronische Eingabemas-

ke (Access) übertragen und eine automatische Filterführung programmiert. Somit war im

Anschluss an die Befragung keine Dateneingabe mehr notwendig.

Schulung der Interviewer*innen

Die Interviews mit den Migrantenorganisationen wurden durch studentische Hilfskräfte und

den Projektleiter durchgeführt. Insgesamt wurden drei Interviewer*innen an zwei Arbeitsplät-

zen abwechselnd eingesetzt. Alle Interviewer*innen verfügten über sehr gute deutsche

Sprachkenntnisse. Vor Beginn der Feldphase am 25.02.2016 wurde eine zweistündige Schu-

lung der Interviewer*innen durch die ZfTI-Programmverantwortliche für „Sozialstruktur und

Kohäsion in Einwanderungsgesellschaften“ durchgeführt. Die Schulung umfasste eine Ein-

führung in das Forschungsprojekt (Erkenntnisziele und Forschungsfragen), in die Erhebung

(Zielgruppe, Inhalte, Vorgehen, Besonderheiten), Anmerkungen zum Verhalten bei Telefon-

befragungen und eine ausführliche Besprechung des Fragebogens. Anschließend übten die

Interviewer*innen die Handhabung am Computer, trainierten die Formulierungen und führten

einige Schein-Interviews durch. Die Namen der Interviewer*innen wurden für jeden Kontakt-

versuch und für die durchgeführten Interviews dokumentiert.

Durchführung

Für die Befragung wurden die 283 Adressen auf die zwei Arbeitsplätze aufgeteilt. Die Feld-

phase begann am 25.02.2016 und wurde am 10.05.2016 beendet, da keine anzurufenden

Adressen mehr zur Verfügung standen, sondern entweder Interviews realisiert worden waren

oder als Ausfälle (Telefonnummer falsch, keine Migrantenorganisation (mit Bildungsange-

bot), Ablehnung der Befragung durch Kontakt- oder Zielperson, trotz zehn Kontaktversuchen

kein Interview realisiert) registriert waren. Befragt wurde montags bis freitags zwischen 10:00

Uhr und 19:00 Uhr. Ort der Befragung waren die Räumlichkeiten des ZfTI in Essen. Die Tele-

fonnummern wurden der Reihe nach angerufen, das Datum, die Uhrzeit, der Intervie-

wer*innenname sowie die Häufigkeit des Kontaktversuchs im Kontaktbogen notiert, ebenso

wie der Verlauf des Kontakts, ggf. alternative Telefonnummern sowie eventuelle Ausfallgrün-

de. Kam zwar ein telefonischer Kontakt zustande, wurde der Ansprechpartner jedoch nicht

13

erreicht oder hatte keine Zeit, konnten Termine vereinbart werden, die notiert wurden, um die

Anrufe dann entsprechend zu wiederholen. Nicht immer waren die Ansprechpartner*innen

dann zu den abgesprochenen Terminen zu erreichen, so dass ggf. weitere Kontaktversuche

folgten. Die Durchführung eines Interviews dauerte im Durchschnitt rund 25-30 Minuten. Ins-

gesamt wurden 67 Interviews vollständig durchgeführt.

Ausfallgründe und Ausschöpfung

Die Ausschöpfungsquote lag bei 24% der Grundgesamtheit und bei 38% der erreichten Mig-

rantenorganisationen; von den 283 Migrantenorganisationen konnten 37% nicht erreicht

werden (besetzt, es hebt niemand ab/Anrufbeantworter, Telefonnummer falsch, trotzt zehn

Versuchen niemand erreicht).

Tabelle 1: Ausschöpfung und Ausfallgründe

Migrantenorganisationen

Ausfallgrund/realisierte

Interviews

Anzahl Prozent

(alle Telefon-nummern)

Prozent (erreichte Anschlüsse)

Zahl der Telefonnummern 283 100,0 -

Ausfälle ohne Kontakt:

Trotz zehn Versuchen kein Interview 39 13,8

Telefonnummer falsch/Fax 55 19,4

Anderer Hintergrund 10 3,5

Telefonischer Kontakt 179 63,3 100,0

Ausfälle mit Kontakt:

Kontaktperson lehnt weiteres Gespräch ab

31 11,0 17,3

Keine MO 12 4,2 6,7

Verein führt keine Bildungsangebote durch

42 14,8 23,5

Anderer Hinderungsgrund 16 5,7 8,9

14

Ausfälle bei der Zielperson:

Lehnt das Interview ab 8 2,8 4,4

Anderer Hinderungsgrund 2 0,7 1,1

Interview kommt zustande 68 24,2 38,0

Abbruch/Inplausibilität 1 0,4 0,5

Vollständige Interviews 67 23,7 37,4

Mit 179 Organisationen wurde Kontakt aufgenommen (63%). In 31 der erreichten Organisa-

tionen lehnte die Kontaktperson ein weiteres Gespräch ab. 7% (12) der erreichten Organisa-

tionen waren aus der Sicht der Kontaktperson keine Migrantenorganisation, weitere 42

(14%) hatten tatsächlich keine relevanten Angebote. Insgesamt konnten 68 Interviews be-

gonnen werden. Allerdings brach ein Ansprechpartner das Interview vor dem Ende ab. Die

Interviews wurden anschließend auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft. Insgesamt wur-

den 67 vollständige Interviews geführt und ausgewertet.

4.1.4. Interviews mit Expert*innen aus den Migrantenorganisationen

In einem weiteren Schritt wurden mit einigen Vertreter*innen von Organisationen, die an der

CATI-Befragung teilgenommen hatten, problemzentrierte Interviews geführt, um Einblick in

ihre Arbeit zu bekommen. Aus der Liste der Grundgesamtheit der Organisationen für die

CATI-Befragung wurden exemplarisch Organisationen aus den jeweiligen Herkunftsländern

ausgewählt und die Gesprächspartner*innen während der CATI-Erhebung nach ihrer Bereit-

schaft zu einem Experteninterview gefragt. Insgesamt wurde mit 15 Vertreter*innen, davon

sechs russischer, vier italienischer und fünf türkischer Organisationen, Gespräche in den

jeweiligen Vereinsräumlichkeiten geführt. Um das Bundesland NRW räumlich möglichst ab-

zubilden, wurden Organisationen mit Sitz in Düsseldorf, Bielefeld, Bochum, Köln, Wuppertal,

Dortmund, Kamen, Paderborn und Münster ausgesucht. Die Interviews wurden durch die

studentischen Hilfskräfte und die Projektleitung geführt, nachdem telefonisch Termine ver-

einbart worden waren. Zentrale Antworten wurden während der Interviews festgehalten, zu-

gleich wurden die Interviews aufgenommen und anschließend transkribiert. Der Leitfaden

fokussierte speziell die Vereinsarbeit, die Schwierigkeit der Förderung des Bildungsaufstie-

ges in den jeweiligen Wirkungskreisen und Erfahrungen mit Förderstrukturen.

15

4.2. Befragungen der Studierenden

Insgesamt wurden 39 problemzentrierte6 und 208 standardisierte Interviews durchgeführt, für

einen Pretest wurde ein Interview mit einer türkeistämmigen Studierenden der Ruhr-

Universität Bochum gemacht, das in die 208 Interviews einfloss.7

4.2.1. Problemzentrierte Interviews

Die problemzentrierten Interviews wurden zwischen März und September 2016 durchgeführt.

Die türkeistämmigen Studierenden konnten ohne großen zeitlichen Aufwand über die beste-

henden institutionellen und persönlichen Netzwerke des ZfTI und der Projektmitarbei-

ter*innen angesprochen werden. Die Durchführung der Interviews mit italienischstämmigen

und russischsprachigen Studierenden war aufgrund ihres geringeren Organisationsgrades

und der geringer ausgeprägten Netzwerke in den Communities zeitintensiver.

Hier wurden dann unterschiedliche Akquisemethoden genutzt:

Anfrage bei interviewten Migrantenorganisationen

Hinweis auf der Internetseite des ZfTI

Hinweis auf der Facebook-Seite des ZfTI

Postings in den Facebook-Hochschulgruppen der Universitätsstandorte

Kontaktaufnahme mit und Mailings an zusätzliche Migrantenorganisationen in den jewei-

ligen Städten

Die Kontrollgruppe wurde über die sozialen Medien akquiriert.

Die Akquise richtete sich auf Studierende aus „Nichtakademikerfamilien“. Dessen ungeachtet

befanden sich im Sample schließlich auch einige Studierende aus Familien, in denen ein

Elternteil studiert hatte. Insgesamt ist der Bildungshintergrund des Elternhauses im Sample

aber deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zu den Studierenden insgesamt. Die Kon-

taktaufnahme erfolgte durch die Studierenden per Mail oder telefonisch.

Die Interviews wurden an einem von den Studierenden gewählten Ort und Zeitpunkt durch-

geführt, häufig an ruhigen Orten in den Hochschulen. Die Interviews wurden mitgeschnitten

6 Darunter 20 Studierende mit Migrationshintergrund und 19 ohne Migrationshintergrund.

7 Im Projektantrag war vorgesehen, je 20 problemzentrierte Leitfaden-Interviews mit Studierenden aus den drei Herkunftslän-

dern und mit Herkunftsdeutschen als Vergleichsgruppe an fünf Hochschulstandorten sowie 250 standardisierte Interviews mit Studierenden an den entsprechenden Hochschulen aus den drei Herkunftsgruppen durchzuführen. Während der Projektdurch-führung zeigte sich, dass die Organisation der Befragungen an den Standorten sowie die Erreichung der Zielgruppen ausge-sprochen schwierig waren, woraus Abweichungen von der ursprünglichen Planung resultieren.

16

und zentrale Aussagen handschriftlich notiert, bei Wahrung der Anonymität der Befragten.

Anschließend wurden die Interviews transkribiert sowie Zusammenfassungen für die Aus-

wertung angefertigt.

4.2.2 Standardisierte mündliche Interviews

Zur Erhebung der Bekanntheit und Nutzung von Hochschulangeboten und der Zufriedenheit

mit diesen Angeboten sollten an fünf Standorten weitere rund 50 standardisierte Interviews je

Hochschule (möglichst 17 je Herkunftsland) durchgeführt werden. Realisiert wurden schließ-

lich 208 Interviews an hauptsächlich vier Hochschulen8. Die Befragungen wurden in der Vor-

lesungszeit durchgeführt, um möglichst viele Studierende an den Hochschulstandorten zu

erreichen.

Die Ansprache der Studierenden erfolgte auf unterschiedlichen Wegen: Aufgrund der relativ

großen Zahl türkeistämmiger Studierender und ihrer relativ starken Vernetzung untereinan-

der, aber auch aufgrund der türkischen Migrationshintergründe und Netzwerke des Projekt-

teams konnten diese im „Schneeballverfahren“ relativ leicht angesprochen werden. Die rus-

sischsprachigen und italienischen Studierenden wurden über Slawistik- und Romanistikver-

anstaltungen der jeweiligen Hochschulen und flankierend durch Mailings an die Fakultäten,

an Hochschulgruppen und durch Hinweise in den sozialen Medien angesprochen. Mailings

wurden wiederholt und Postings erneuert, damit die Hinweise möglichst über einen längeren

Zeitraum präsent blieben. Darüber hinaus erfolgten noch Kontaktaufnahmen mit Migranten-

organisationen aus den jeweiligen Städten, Mailings an Studierende über die Fachbereiche,

Mailing und Handzettelauslagen über das International Office, den ASTA und direkte An-

sprache von Studierenden in Foyers sowie am Rande von Vorlesungen. Die Befragungen

sollten in einem über die Fakultäten oder der Hochschulverwaltung angefragten Seminar-

raum stattfinden. Somit war eine Unterstützung seitens der Hochschulen erforderlich. Nach

zumeist telefonischem Erstkontakt mit den Hochschulen erfolgte in der Regel eine schriftli-

che Anfrage, die sowohl Informationen zum Forschungsprojekt und zum Vorgehen als auch

ein Datenschutzkonzept beinhaltete.

8 Davon zwei Interviews nicht zuordenbar und eine Befragte war in einer anderen Hochschule eingeschrieben.

17

Tabelle 2: Realisierte standardisierte Interviews je Hochschule

Häufigkeit Prozent

keine Angabe / andere Hochschule 3 1,5

Universität Bochum 48 23,1

Universität Duisburg - Essen 50 24

Universität Düsseldorf 53 25,5

Universität Köln 52 25

Universität Münster 2 1

Gesamt 208 100

Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurde am 24. Oktober 2016 telefonisch und an-

schließend durch eine schriftliche Anfrage per Mail kontaktiert und über das Romanische

Seminar ein Seminarraum reserviert. Die Interviews fanden zu drei Terminen zwischen dem

10.11.2016 und 31.01.2017 statt. In Düsseldorf wurden insgesamt 53 Interviews realisiert.

An der Universität Duisburg-Essen wurde nach der Kontaktaufnahme ein Seminarraum am

Campus Essen über die zentrale Raumvergabestelle für den 15.11.2016 reserviert. Die Fa-

kultäten Turkistik und Romanistik (in Duisburg-Essen bietet die Romanistik keine Italienisch-

veranstaltungen an) haben daraufhin eine Mail mit einem Hinweis an ihre Studierenden unter

der Annahme geschickt, unter ihnen die Zielgruppen anzutreffen. Die oben skizzierten flan-

kierenden Maßnahmen wurden parallel durchgeführt; Slawistik wird in Duisburg-Essen nicht

angeboten. Die insgesamt 50 Interviews wurden an drei Terminen zwischen dem 15.11.2016

und dem 12.01.2017 durchgeführt.

Die WWU Münster wurde nach telefonischer Kontaktaufnahme über das romanische Semi-

nar am 04.11.2016 via E-Mail mit Informationen zur Studie angeschrieben, für den

22.11.2016 wurde ein zentraler Raum reserviert und die Akquise eingeleitet. An der ersten

Befragung am 22.11.2016 haben nur zwei Studierende teilgenommen. Zwecks Durchführung

einer zweiten Befragungsrunde erfolgte in Ermangelung anderer Alternativen eine Anfrage

an die Hochschulleitung am 19.12.2016, um gezielt in Veranstaltungen Studierende anspre-

chen zu dürfen. Angesichts der Projektlaufzeit konnte diesbezüglich kein Ergebnis mehr er-

zielt werden.

18

Die Universität zu Köln wurde am 07.11.2016 über das Sprachlabor der Philosophischen

Fakultät zunächst telefonisch und anschließend durch eine schriftliche Anfrage per Mail kon-

taktiert und ein Seminarraum zur Verfügung gestellt. Über das Sprachlabor wurden Dozie-

rende aus der Romanistik und Slawistik angesprochen und die Befragung bekannt gemacht

sowie die flankierenden Maßnahmen ergriffen. Die Befragung wurde zu drei Terminen zwi-

schen dem 22.11.2016 und dem 15.12.2016 durchgeführt. Zusätzlich sind Studierende im

Foyer durch das Projektteam angesprochen und eine lokale deutsch-türkische Hochschul-

gruppe zur Akquise der Studierenden genutzt worden, um schließlich 52 Interviews zu erhal-

ten.

Das Rektorat der Ruhr Universität Bochum (RUB) wurde am 7.12.2016 angeschrieben,

nachdem die Organisation der Befragung an der ursprünglich vorgesehenen Universität

Bielefeld gescheitert war. Nach einem Mailing des Rektorats an die Fakultäten haben Institu-

te der Ingenieurswissenschaften sowie der Slawistik das Projektteam des ZfTI kontaktiert

und Termine vereinbart. Am 12.01.2017 wurden durch das Projektteam eine Vorlesung der

Ingenieurswissenschaften aufgesucht, ein Informationsstand in der Mensa zur Mittagszeit

aufgebaut und Studierende in einer Universitätscafeteria angesprochen. Ein zweiter Termin

wurde für den 16.01.2017 angesetzt, an dem die Slawistik- und Romanistikseminare aufge-

sucht wurden, so dass die Umfrage mit 48 Interviews beendet werden konnte.

4.3. Recherche von Hochschulangeboten

Die Recherche von Angeboten zur Studienunterstützung und Reduzierung der Studienab-

bruchquote der Hochschulen erfolgte anhand der online zur Verfügung stehenden Informati-

onen der 17 Universitäten in NRW (einschließlich der Kunsthochschule Köln und der Privat-

universität Witten-Herdecke) sowie der 15 Fachhochschulen. Hierzu wurden auf den Inter-

netseiten jeder Hochschule Angebote recherchiert und diese in zwei Excel-Tabellen nach

ihrer Art (Strukturmaßnahme oder Projekt) und Zielgruppe der Angebote (allgemein für alle

Studierenden, speziell für Migrant*innen oder für Geflüchtete) klassifiziert und die zum Zeit-

punkt der Recherchen (Mai 2016) gültigen Links hinzugefügt.

4.4. Befragung von Geflüchteten

In der Folge des Flüchtlingszuzugs aus Kriegs- und Krisenländern nach Deutschland sind

nach Angaben des NRW-Innenministeriums über das EASY-System NRW in 2015

19

rund 230.000 und 2016 rund 71.000 Asylsuchende zugewiesen worden,9 von denen ein

Großteil ein Bleiberecht erhalten wird. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden mit 14

Geflüchteten aus Syrien, dem Libanon und dem Irak, die in den Herkunftsländern bereits

studiert hatten, Interviews geführt. Die Zielgruppe wurde anhand von zwei arabischsprachi-

gen studentischen Hilfskräften (eine Frau und ein Mann) über Sprachkurse bei den Volks-

hochschulen, Integrationskursen und kommunalen Beratungseinrichtungen in Essen und

Köln angesprochen. Die Interviews wurden im Anschluss an Kursveranstaltungen auf Ara-

bisch durchgeführt, mitgeschnitten und Notizen auf einem Interviewbogen gemacht.

5. Demographische Entwicklung und Fachkräftebedarf

Die Abhängigkeit der Bildungserfolge der Kinder von den Bildungsressourcen der Eltern ist

nicht nur vor dem Hintergrund individueller Chancengerechtigkeit ein Problem; angesichts

der Debatte um den Fachkräftemangel bedeutet die Bildungsungleichheit auch verpasste

gesellschaftliche Chancen.

Die Übergangsquote von der Grundschule in die 5. Klassenstufe des Gymnasiums ist im

Zeitverlauf in NRW gestiegen und lag im Schuljahr 2014/15 bei 41,6%.10 Nach Angaben des

Statistischen Bundesamtes besuchen Kinder unter 15 Jahren aus einem Elternhaus mit ho-

hem Bildungsabschluss zu 61% das Gymnasium, zu 18% eine Realschule oder eine Schule

mit mehreren Bildungsgängen und nur zu 3% eine Hauptschule (2015).11 Andererseits gehen

Kinder aus bildungsfernen Familien nur zu 14% auf ein Gymnasium, zu 33% auf eine Real-

schule und zu 22% auf eine Hauptschule.

In Bezug auf den Hochschulzugang liefert die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studen-

tenwerks (2012) kompatible Ergebnisse, indem bei 77% der Studierenden mindestens ein

Elternanteil einen Hochschulabschluss besitzt. Zwischen 2010 und 2015 ist der Anteil des

Übergangs auf das Gymnasium von Kindern aus Familien mit niedriger Bildung nur um 2%

und aus Familien mit mittlerer Bildung lediglich um 1% gestiegen. Allerdings ist eine Zunah-

me des Wechsels auf Schulen mit mehreren Bildungsgängen von Kindern aus Familien mit

mittlerer und niedriger Bildung zu verzeichnen, in denen Möglichkeiten zur Erlangung des

Hochschulzugangs vorhanden sind (siehe Tabelle 3).

9 Das EASY-System ist eine informationstechnologische Anwendung zur Erstverteilung der Asylbegehrenden auf die Bundes-

länder nach Königsteiner Schlüssel. Siehe: https://www.bamf.de/DE/Service/Left/Glossary/_function/glossar.html?lv3=1504436 10

Ebd. 11

Statistisches Bundesamt (2016): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalt und Familien Ergebnisse des Mikrozensus 2015. Fachserie 1, Reihe 3. Wiesbaden.

20

Tabelle 3: Entwicklung des Schulbesuchs nach Bildungsabschluss der Eltern (2010-2015) 12

Schulbesuch des Kindes Höchster allgemeiner Bildungsabschluss der Eltern (in%)

Hohe Bildung Mittlere Bildung Niedrige Bildung

2010 2015 2010 2015 2010 2015

Gymnasium 61 61 31 30 12 14

Realschule 21 18 43 35 36 33

Hauptschule 6 3 15 7 38 22

Schule mit mehreren Bil-dungsgängen (inkl. Gesamt-schulen und Waldorfschulen)

11 18 12 28 14 31

Über den innerfamiliären Bildungsaufstieg existieren Daten für die Türkeistämmigen in NRW,

die über die Mehrthemenbefragung des ZfTI erhoben wurden. Es zeigt sich ein positiver Zu-

sammenhang des Bildungsniveaus der Eltern mit dem ihrer Kinder. So haben 30% der tür-

keistämmigen erwachsenen Bildungsinländer mit Fachabitur/Abitur mindestens ein Elternteil,

das ebenfalls über ein hohes Schulbildungsniveau verfügt. Demgegenüber stammen 77%

der Bildungsinländer mit Hauptschulabschluss aus Familien mit geringer Bildung.13

5.1. Der Arbeitsmarkt für Hochschulabsolvent*innen

Bis in die jüngste Zeit wurde für Deutschland ein Bevölkerungsrückgang erwartet.14 Das

Bundesministerium für Arbeit und Soziales15 prognostizierte einen Rückgang der Erwerbs-

personen bis zum Jahr 2030 um knapp 3 Millionen bei Schrumpfung der jüngeren und mittle-

ren und Zuwachs älterer Generationen. Sowohl die Familienpolitik16 als auch die Zuwande-

rung durch Geflüchtete können diesen Rückgang nur begrenzt abfedern, selbst wenn die

Geflüchteten mit auf dem deutschen Arbeitsmarkt verwertbarer akademischer und berufli-

cher Qualifizierung ausgestattet sind.

Gleichzeitig entwickelt sich der Arbeitsmarkt nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit

weiterhin positiv, wobei die Erwerbstätigenzahl 2015 mit 43 Millionen den höchsten Stand

12

Statistisches Bundesamt (2016): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalt und Familien Ergebnisse des Mikrozensus 2015. Fachserie 1, Reihe 3. Wiesbaden. 13

Sauer, Martina (2016): Teilhabe und Befindlichkeit: Der Zusammenhang von Integration, Zugehörigkeit, Deprivation und Segregation türkeistämmiger Zuwanderer in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse der Mehrthemenbefragung 2015. http://zfti.de/wp-content/uploads/2016/11/NRW-Mehrthemenbefragung-2015_Bericht_end.pdf, S.27. 14

Statistisches Bundesamt (2015): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden, S. 20 15

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013): Arbeitsmarktprognose 2030. Eine strategische Vorausschau auf die Ent-wicklung von Angebot und Nachfrage in Deutschland. Bonn, S.12ff. 16

Materielle Absicherung von Familien, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ermöglichung der Realisierung von Kin-derwünschen. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2012) (Hrsg.): Familienpolitik und Fertilität - de-mografische Entwicklungen und politische Gestaltungsmöglichkeiten. Monitor Familienforschung, Beiträge aus Forschung, Statistik und Familienpolitik. Ausgabe 27. Berlin, S.18 ff.

21

seit der Wiedervereinigung erreichte – eine Entwicklung, von der Hochschulabsolvent*innen

besonders profitieren.17 Allerdings zeigt eine Befragung des ZfTI unter Türkeistämmigen in

NRW auch, dass unter den Erwerbspersonen mit in Deutschland erworbenem Hochschulab-

schluss 8,2% arbeitslos sind – mehr als in der entsprechenden Gruppe mit beruflicher Aus-

bildung.18

Zwar besteht nach wie vor kein flächendeckender Akademikermangel, allerdings werden in

bestimmten Berufsfeldern wie in den Ingenieurswissenschaften, in Gesundheitsberufen oder

in der Informationstechnologie Besetzungsengpässe beklagt, die sich auf bestimmte Regio-

nen konzentrieren. Die Industrie- und Handelskammer NRW prognostiziert einen stetig stei-

genden Fehlbedarf an Fachkräften in den nächsten Jahren, der sich von 2017 auf 2020 mehr

als verdreifachen wird und bis 2030 auf mehr als eine halbe Million ansteigt.

Tabelle 4: Fachkräfteangebot und -nachfrage für „Alle Fachkräfte” in allen Branchen in

Nordrhein-Westfalen19

Jahr Angebot Nachfrage Engpass absolut Engpass in %

2017 5.587.000 5.705.000 118.000 2,1

2018 5.512.000 5.685.000 173.000 3,1

2019 5.435.000 5.739.000 304.000 5,3

2020 5.353.000 5.769.000 416.000 7,2

Vor diesem Hintergrund ist die Erschließung von bisher brachliegenden Potenzialen nicht nur

aus Gründen der individuellen Chancengerechtigkeit, sondern auch zur Linderung des Fach-

kräftemangels von großer Bedeutung.

5.2. Die Entwicklung der Schüler*innenzahlen in NRW

Neben der Bevölkerungsentwicklung entscheidet auch das Niveau der schulischen und aka-

demischen oder beruflichen Ausbildung über das Ausmaß des Fachkräftemangels. Noch

immer gelingt es dem Bildungssystem in Deutschland nicht, Schüler*innen aus bildungsfer-

nen Milieus – zu denen Familien mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich häufig zäh-

17

Bundesagentur für Arbeit (2016): Gute Bildung - gute Chancen. Der Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akademiker in Deutschland. Nürnberg, S. 5ff. 18

Sauer, Martina (2016): Teilhabe und Befindlichkeit: Der Zusammenhang von Integration, Zugehörigkeit, Deprivation und Segregation türkeistämmiger Zuwanderer in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse der Mehrthemenbefragung 2015. http://zfti.de/wp-content/uploads/2016/11/NRW-Mehrthemenbefragung-2015_Bericht_end.pdf, S. 38ff. 19

IHK NRW – Fachkräftemonitor NRW. http://www.ihk-fachkraefte-nrw.de/index.html

22

len – adäquate Chancen zu bieten. Deutlich wird dies an der Übergangsquote der Schü-

ler*innen auf weiterführende Schulen in Abhängigkeit vom Bildungsniveau der Familien (sie-

he Tabelle 3).

Die Datenlage zur Bestimmung des Anteils der hier untersuchten Herkunftsgruppen in den

jeweiligen Schulformen ist unzureichend, da die gängigen Statistiken entweder nur nach dem

Migrationshintergrund20 im Allgemeinen - ohne Herkunftsbezug - oder der Staatsbürgerschaft

- ohne Berücksichtigung der Schüler*innen mit deutscher Staatsbürgerschaft - differenzieren.

Daher wird im Folgenden versucht, sich über Schätzungen der Zahl der Schüler*innen aus

den untersuchten Herkunftsgruppen anzunähern. Um das Hochschulzugangspotenzial in

den drei Herkunftsgruppen bestimmen zu können, kann der relative Anteil der jeweiligen

Gruppen unter allen Menschen mit Migrationshintergrund unter 18 Jahren als Grundlage

genommen werden. Zunächst wird die Entwicklung der allgemeinen Schülerzahlen nach

Schulformen dargestellt, auf die diese Anteile dann bezogen werden können.

Im Schuljahr 2015/16 waren nach Angaben des Ministeriums für Schule und Weiterbildung

NRW 2,52 Millionen Schüler*innen registriert, was einen Anstieg um etwa 1,6% gegenüber

dem Vorjahr bedeutet,21 der überwiegend auf die gestiegene Zahl der Geflüchteten in 2015

und 2016 zurückzuführen ist. Dabei stieg insbesondere die Zahl der Grundschüler an

(+2,9%), die Zahl der Schüler*innen in der Sekundarstufe stieg um 1,1%, wobei die Zahlen

an Haupt- und Realschulen aufgrund der neugegründeten Sekundarstufen und der Umwand-

lung in Gesamtschulen um 13% bzw. 5% sank. Die Sekundarschulen, in denen alle Schul-

abschlüsse der Sekundarstufe I erworben werden können und von wo ein Übergang in die

gymnasiale Oberstufe möglich ist, sind im selben Schuljahr von 50.300 Schüler*innen be-

sucht worden. Auf dem für die vorliegende Studie besonders relevanten Gymnasium stieg

die Schüler*innenzahl in der Sekundarstufe I um lediglich 1,9% auf 331.200 an, in der weiter-

führenden Sekundarstufe II sinken die Schüler*innenzahlen geringfügig um 0,1% (150) auf

etwa 207.400, so dass auf den Gymnasien und gymnasialen Oberstufen in NRW im Schul-

jahr 2016/17 538.000 Schüler*innen waren. Auf den Schulen mit Sekundarstufe II, zu der die

gymnasiale Oberstufe, die berufsbildenden Schulen, die Gesamtschulen und die Berufskol-

legs zählen, waren im selben Schuljahr 843.000 Schüler*innen eingeschrieben.

20

Als Schüler*innen mit Zuwanderungsgeschichte werden Personen gezählt, die (a) selbst nicht in Deutschland geboren sind, (b) mindestens ein nicht in Deutschland geborenes Elternteil haben oder (c) in deren Familie eine nichtdeutsche Verkehrsspra-che gesprochen wird. Von Zuwanderungsgeschichte wird ausgegangen, sobald mindestens eines dieser Kriterien zutrifft; vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2016) (Hrsg.): Das Schulwesen in Nordrhein-Westfalen aus quantitativer Sicht. Statistische Übersicht Nr. 391 - 1. Auflage, 2015/2016, Düsseldorf.. 21

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2016) (Hrsg.): Entwicklung der Schülerzahlen im Schuljahr 2016/17. Schuljahresauftaktpressekonferenz am 19. August 2016 in Düsseldorf.: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Ministerium/Presse/Pressekonferenzen/2016/2016_08_19-Schuljahresauftaktpressekonferenz/Folien_Presse.pdf

23

Die Prognosen gehen bis 2029 von relativ stabilen Schüler*innenzahlen aus; erwartet wird

zwar ein Rückgang der Geburten, der jedoch durch Zuwanderung ausgeglichen wird.

Abbildung 1: Entwicklung und Prognose der Schüler*innenzahlen in NRW 1970-2029 nach

Schulstufen22

5.3. Das quantitative Hochschulzugangspotenzial unter Zuwanderern in NRW

Von den 17,6 Millionen Einwohner*innen in NRW haben 4,5 Millionen einen Migrationshin-

tergrund (25,6%), von denen wiederum mit 2,63 Millionen mehr als die Hälfte (auch) Deut-

sche sind (58,2%) und 1,88 Millionen nur ihre Herkunftsstaatsbürgerschaft (41,8%%) besit-

zen. Der Anteil der ausländischen Staatsbürger an der Gesamtbevölkerung in NRW beträgt

11%.23 Zusammen beträgt der Anteil der hier untersuchten Herkunftsgruppen 41%

(1.871.000) der Menschen mit ausländischen Wurzeln in NRW. Die Türkeistämmigen bilden

mit 21% die größte Gruppe unter den Menschen mit ausländischen Wurzeln, gefolgt von den

Menschen mit Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion mit 17% und in Italien mit 3,8%.

22

Quelle: Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2016) (Hrsg.): Entwicklung der Schüler-zahlen im Schuljahr 2016/17. Schuljahresauftaktpressekonferenz am 19. August 2016 in Düsseldorf.: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Ministerium/Presse/Pressekonferenzen/2016/2016_08_19-Schuljahresauftaktpressekonferenz/Folien_Presse.pdf. 23

Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Fachserie 1 Reihe 2.2. 2015.

24

Tabelle 5: Migrant*innen mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit in NRW (2015)24

Wurzeln (Herkunftsland) In Tausend

Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt

davon:

mit deutschem Pass ohne deutschen Pass

Insgesamt Männer Frauen Insgesamt Männer Frauen Insgesamt Männer Frauen

in 1.000 Menschen mit auslädnischen Wurzeln insgesamt

4.159 2.285 2.235 2.634 1.325 1.309 1.885 960 925

Darunter: mit Wurzeln in…

Italien 170 103 67 39 21 18 131 82 48

der ehem. Sowjetunion

758 360 398 631 310 321 127 50 44

- in Russland 333 156 177 281 138 143 52 19 34

- in der Ukraine 56 24 32 28 14 14 28 10 18

- in Kasachstan 222 110 112 211 104 106 11 5 6

der Türkei 943 487 456 475 253 222 468 233 234

Allerdings unterscheiden sich die Anteile der Migrant*innen und die der jeweiligen Herkünfte

in den jüngeren Altersgruppen von der Verteilung in der Gesamtgruppe.

Tabelle 6: Bevölkerung* unter 18 Jahren nach Migrationsstatus** und Herkunftsländern

2015 in NRW25

Herkunftsländer Bevölkerung unter 18 Jahren

In 1.000 In %

Insgesamt 2.865 100

Mit Migrationshintergrund 1.087 37,9

Darunter

Türkei 236 8,2

Ehemalige Sowjetunion1)

167 5,8

Italien 28 1,0

Ohne Migrationshintergrund 1.778 62,1

* Ergebnisse des Mikrozensus ** Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder Personen, die seit 1950 in das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zugewandert sind oder Personen mit mindestens einem zugewanderten Elternteil, der im Haushalt wohnt. 1) Russland, Kasachstan, Ukraine

Nach Angaben von IT.NRW liegt der Anteil der Migrant*innen unter 18 Jahren in NRW unter

der gesamten Bevölkerung dieser Altersgruppe bei 37,9% (Tabelle 6). Türkeistämmige Ju-

gendlichen machen 21% aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus, die aus Russ-

land, Kasachstan, Ukraine 15% und die Jugendlichen mit Wurzeln in Italien 2,6%. An allen

24

Statistisches Bundesamt (2017): Sonderauswertung des Mikrozensus 2015, Wiesbaden. 25

Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) Geschäftsbereich Statistik Referat 514 (2016): Mikrozensus 2015. - Privathaushalte, Arbeitsmarkt.

25

Kindern und Jugendlichen bis unter 18 Jahre in NRW stellen die Türkeistämmigen 9%, die

mit Wurzeln in russischsprachigen Ländern 6% und die mit italienischen Wurzeln 1%.

Nach Angaben des Schulministeriums NRW besuchen von allen 2,5 Millionen Schüler*innen

in NRW über 25% das Gymnasium (538.700), unter denen wiederum der Anteil der Schü-

ler*innen mit Migrationshintergrund 23,2% (124.978) beträgt. Auch wenn der Anteil der Schü-

ler*innen mit Zuwanderungsgeschichte auf Gymnasien im Zeitverlauf steigt - gegenüber dem

Vorjahr um 2,1% - liegt er unter dem Anteil der Migrant*innen bis 18 Jahre an allen Kindern

und Jugendlichen bis zu diesem Alter in NRW (38%) und an allen Schüler*innen mit Migrati-

onshintergrund (34%). Bei allen anderen Schulformen ist ihr Anteil hingegen höher, deutlich

überrepräsentiert sind Schüler*innen mit Migrationshintergrund an Hauptschulen.

Abbildung 2: Entwicklung des Ausländeranteils bzw. des Anteils der Schülerinnen und

Schüler mit Zuwanderungsgeschichte an der Schülerschaft26

Legt man die Anteile der Herkunftsgruppen an allen Migrant*innen bis unter 18 Jahre zu-

grunde (siehe Tabelle 6)27, müssten sich unter den ca. 123.000 Schüler*innen mit Migrati-

onshintergrund an Gymnasien (siehe Tabelle 7) rund 26.000 mit türkischen Wurzeln, rund

18.500 mit Wurzeln in russischsprachigen Ländern und ca. 3.200 mit italienischen Wurzeln

befinden. Rechnet man zu den Gymnasiasten noch die Schüler*innen hinzu, die Schulen

besuchen, die die Sekundarstufe II umfassen - Gesamtschulen und Berufskollegs -, kommen

zu den 123.000 Gymnasiasten mit Migrationshintergrund noch 104.000 Schüler*innen mit

26

Quelle: Entwicklung der Schülerzahlen im Schuljahr 2016/17. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein Westfalen. 19. August 2016, Düsseldorf: Schuljahresauftaktpressekonferenz. (https://www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Ministerium/Presse/Pressekonferenzen/2016/2016_08_19-Schuljahresauftaktpressekonferenz/Folien_Presse.pdf 27

Leider liegen keine Daten zu den Herkünften der Schüler*innen mit Migrationshintergrund vor, weswegen auf die Verteilung unter Kindern und Jugendlichen zurückgegriffen werden muss.

26

Migrationshintergrund auf Gesamtschulen und 112.000 auf Berufskollegs hinzu. Insgesamt

befinden sich somit rund 240.000 Schüler*innen mit Migrationshintergrund in NRW auf Schu-

len, die einen Abschluss mit Hochschulzugangsberechtigung ermöglichen.

Tabelle 7: Verteilung der Schüler*innen auf die Schulformen und Staatsangehörigkeit

(Schuljahr 2015/16 NRW)28

Schü-ler*innen in NRW

Gymna-sium Sek. 1

Gymna-sium Sek. 2

Gesamt-schule Sek 1

Gesamt-schule Sek. 2

Berufskolleg (Abendgym-nasium - Kolleg)

Schüler*innen gesamt

2.518.937 324.937 207.585 227.194 52.356 569.396

Schüler*innen mit Migrations-hintergrund

123.475 104.073 111.665

Schüler*innen mit türkischer Staatsangehö-rigkeit

57.449

5.866

9.042

22.478

Schüler*innen mit italienischer Staatsangehö-rigkeit

11.929 1.073

1.647

3.622

Schüler*innen mit russischer, ukrainischer und kasachischer Staatsangehö-rigkeit

8.736 1.843 877

1.283

Legt man hier wiederum die Verteilung nach Herkünften der bis unter 18-Jährigen zugrunde

Tabelle 6), sollten sich unter diesen Schüler*innen ca. 50.000 mit türkischen Wurzeln, ca.

36.000 mit Wurzeln in einem russischsprachigen Land und ca. 5.000 mit italienischen Wur-

zeln befinden. Zwar erhöhen sich die Anteile der Schüler*innen mit Migrationshintergrund auf

den weiterführenden Schulen mit der Möglichkeit des Abschlusses der Sekundarstufe II im

Zeitverlauf tendenziell, dennoch sind sie dort nach wie vor unterrepräsentiert.

Im Kapitel 6.3.1. werden anhand von problemzentrierten Interviews von Studierenden aus

überwiegend Nicht-Akademikerfamilien mit und ohne Migrationshintergrund die schulischen

Werdegänge betrachtet, die Faktoren für einen erfolgreichen Hochschulzugang und die Zeit

auf der Hochschule erhoben.

28

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2016) (Hrsg.): Das Schulwesen in Nordrhein-Westfalen aus quantitativer Sicht. Statistische Übersicht Nr. 391 - 1. Auflage, 2015/2016. Düsseldorf,, S. 154

27

Zwischenfazit

Bildungsinländer*innen mit Migrationshintergrund sind gemessen an ihrem Anteil an der Ge-

samtbevölkerung in der für den Hochschulzugang qualifizierenden Schulbildung nach wie vor

unterrepräsentiert, was darauf hinweist, dass weitere Anstrengungen zur Herstellung diesbe-

züglicher Bildungsgerechtigkeit unternommen werden sollten. Dessen ungeachtet ist auf-

grund der demographischen Entwicklung zu erwarten, dass auch ohne dies die Hochschulen

in Nordrhein Westfalen mittel- und langfristig wachsende Anteile von Studierenden mit Migra-

tionshintergrund integrieren müssen. Dies wird an dem inzwischen gestiegenen Anteil der

Schüler*innen mit Migrationshintergrund an den Gymnasien deutlich. Damit stehen die

Hochschulen vor der Herausforderung, migrationsspezifische Schwierigkeiten des Hoch-

schulzugangs und des Studiums zu adressieren.

6. Studienergebnisse

6.1. Migrantenorganisationen im Bildungskontext - Ergebnisse der CATI-Befragung und der

Expertengespräche

Die Mitwirkung von zivilgesellschaftlichen Organisationen an gesellschaftspolitischen Pro-

zessen ist von zentraler Bedeutung für das Funktionieren von Demokratie. In Deutschland

sind auch Migrantenorganisationen inzwischen wichtige gesellschaftliche Akteure geworden,

die zwischen Politik und Institutionen auf der einen Seite und Zuwanderern auf der anderen

Seite als Vermittler fungieren.

In der Geschichte der Zuwanderung in die Bundesrepublik hatten Migrantenorganisationen

unterschiedlicher Einwanderergruppen immer große Bedeutung mit Blick auf das Engage-

ment für den Bildungserfolg der Kinder der Neuankömmlinge.29 Auf den Einfluss familialer

Bildungshintergründe auf den Bildungserfolg der Kinder wurde bereits hingewiesen.30 Ande-

rerseits zeigen Eltern mit Migrationshintergrund eine höhere Bildungsaspiration als Einheimi-

sche.31 Diese kann aber aufgrund des eher geringen Bildungsniveaus, mangelnder Informa-

tionen über das deutsche Bildungssystem oder unzureichender Deutschkenntnisse nur

schwierig umgesetzt werden. Die Eltern sind zögerlicher in der Kooperationen mit den Schu-

29

Thränhardt, Dietrich (2013): Migrantenorganisationen. Engagement, Transnationalität und Integration. In: ders./Günther Schultze: Migrantenorganisationen. Engagement, Transnationalität und Integration. WISO-Diskurs, Juni 2013, S. 13. 30

Siehe auch Becker, Birgit (2010): Bildungsaspirationen von Migranten. Determinanten und Umsetzung in Bildungsergebnisse. Arbeitspapiere – Working Paper Nr. 137. Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, S. 7ff. 31

Siehe Relikowski, Ilona; Yilmaz, Erbil; Blossfeld, Hans-Peter (2012): Wie lassen sich die hohen Bildungsaspirationen von Migranten erklären? Eine Mixed-Methods-Studie zur Rolle von strukturellen Aufstiegschancen und individueller Bildungserfah-rung. In: Becker, Rolf; Solga, Heike (Hrsg.): Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Sonderhefte, Sonderheft 52 / 2012. S. 111ff.

28

len, was etwa die Beteiligung an Elternabenden, Elternsprechtagen oder die Kandidierung zu

Elternvertretungen etc. betrifft.32 Zugleich werden diese Gruppen von den Bildungsinstitutio-

nen nicht angemessen adressiert, wenn bspw. eine mittelschichtsdominierte Ansprache und

Interaktion vordergründig sind.

Gerade in diesem Kontext können Migrantenorganisationen eine wichtige Scharnierfunktion

zwischen Schüler*innen und Eltern mit Migrationshintergrund und der Schule übernehmen,

indem sie bei Konflikten vermitteln, Schüler*innen auf ihrem Bildungsweg begleiten, Eltern

qualifizieren, dadurch elternhaus- bzw. systembedingte Defizite im Bildungswesen kompen-

sieren und insbesondere auch Hilfestellungen bei Übergängen im Bildungssystem, ein-

schließlich des Übergangs die Hochschulausbildung, geben.

6.2. Strukturen der Migrantenorganisationen

Unter den 67 befragten Migrantenorganisationen sind sechs religiöse (alevitische, sunniti-

sche und Ahmadiyya-Gemeinden), sieben Eltern- und 30 Bildungsvereine und ein Studie-

renden- und Akademiker*innenverein befragt worden. Weitere 23 Migrantenorganisationen

sind nicht eindeutig zuzuordnen, hierunter sind z.B. Kultur- und Unternehmervereine, sowie

die Com.IT.ES (Kommité der Italiener im Ausland),33 die das Ziel der Integration von Italie-

ner*innen und die Förderung der italienischen Sprache und Kultur verfolgt.

Mehr als zwei Drittel der befragten Migrantenorganisationen (46) haben nur einen Standort

und machen Angebote im Umfeld ihres Standortes. 12 sind an mehreren Standorten in NRW

organisiert und weitere neun haben Standorte in mehreren Bundesländern. Auffällig ist ein

hoher Anteil von Vereinen mit Bildungsangeboten, die ab der Jahrtausendwende gegründet

wurden (24 Gründungen zwischen 2000 bis 2016). Möglicherweise spiegelt dies das ge-

wachsene gesellschaftliche Problembewusstsein hinsichtlich des Bildungserfolgs von Ein-

wandererkindern wider.

Die Struktur der Angebote der befragten Vereine reicht von ehrenamtlicher, anlassbezogener

Arbeit über geförderte Projekte bis zur Strukturarbeit mit festem sozialversicherungspflichtig

beschäftigtem Personal, womit die räumliche Ausstattung, die inhaltliche Breite und die Grö-

ße der Zielgruppe zusammenhängen. Von den 67 befragten Migrantenorganisationen haben

43 hauptamtlich beschäftigtes Personal, 26 bis zu fünf, neun bis zu zehn hauptamtliche Mit-

32

Sacher, Werner (2006): Einflüsse der Sozialschicht und des Migrationsstatus auf das Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule. Nürnberg 2006. 33

Selbstdarstellung: Wesentliche Aufgabe des Com.It.Es ist es, den Austausch von Informationen, Vorschlägen, und Maßnah-men zwischen italienischer Gemeinschaft und Konsulat (in NRW in Köln und Dortmund) zu koordinieren.

29

arbeiter*innen und weitere sechs noch mehr. Zwei Organisationen haben kein hauptamtli-

ches Personal und 24 machten hierzu keine Angaben. Der hohe Anteil von Vereinen mit

hauptamtlichem Personal deutet zumindest auf vorhandene Professionalisierung hin, auch

wenn die Befunde nicht repräsentativ für die 179 Organisationen sind, die Gegenstand unse-

rer Fragestellung waren. Professionelle Arbeit ist jedenfalls in bedeutendem Umfang vorhan-

den.

Abbildung 3: Hauptamtliche Mitarbeiter*innen (Fallzahlen)

Unabhängig von den hauptamtlich Beschäftigten oder von Honorarkräften sind in den befrag-

ten Migrantenorganisationen in großem Umfang Ehrenamtler engagiert. So sind in 27 der

Organisationen bis zu zehn Ehrenamtliche beschäftigt, in 21 zwischen 11 und 30, in 13 wei-

teren Organisationen noch mehr. Auffällig ist, dass die meisten Ehrenamtler in Migrantenor-

ganisationen mit bis zu fünf hauptamtlichen Mitarbeiter*innen engagiert sind. Gleichzeitig

nimmt mit steigender Zahl hauptamtlicher Angestellter die Zahl der Ehrenamtler ab. Ehren-

amt wird also tendenziell durch Hauptamt kompensiert und umgekehrt.

Abbildung 4: Ehrenamtlich Engagierte (Fallzahlen)

2

26

9 4

2 2

22

0

1 bis 5

6 bis 10

11 bis 15

21 und mehr

weiß ich nicht

keine Angabe

27

12

9

8

2 3

3 2

1 - 10

11-20

21-30

31-40

41-50

51 und mehr

weiß ich nicht

keine Angabe

30

Ihre Finanzierung sichern über drei Viertel der befragten Migrantenorganisationen über Mit-

gliedsbeiträge (52), 40 erhalten darüber hinaus Spenden und nur drei Sponsoringmittel. Le-

diglich 25 haben in der Vergangenheit öffentlich geförderte Projekte durchgeführt. Geringer

ist der Anteil von Vereinen mit aktuell geförderten Projekten (19), die zu Themen wie schuli-

sche Bildung für Kinder und Jugendliche (Nachhilfe, Hausaufgabenhilfe), Mutter-Kind Bil-

dung, Sprachförderung, Demokratie- und Medienkompetenz, Eltern-Schul-Projekt oder Men-

torenprojekte angeboten werden. Gefördert werden sie hauptsächlich durch Stiftungen,

durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Volkshochschulen, Jobcenter bzw.

Bundesagenturen für Arbeit, Sparkassen oder den Kommunen.

Hinsichtlich der Laufzeiten bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Projekten, die von

kurzer Dauer (35-40 Stunden im Jahr, 10 Tage) bis zu mehrere Jahren führen, die meisten

aber zwischen 1-3 Jahren angeboten werden. Als Fördermittelgeber für bereits abgeschlos-

sene Bildungsprojekte im schulischen Bereich werden hauptsächlich Kommunen bzw. kom-

munale Förderquellen (9) deutlich häufig genannt, gefolgt vom Bundesamt für Migration und

Flüchtlinge (4), das Land NRW bzw. das Familien- und Integrationsministerium (4), Bezirks-

regierung (2) sowie Stiftungen, Verbände, die Bundesagentur für Arbeit.34

Auf die Frage nach den Ursachen, bisher keine geförderten Projekte durchgeführt zu haben,

antworteten die befragten Organisationen in einer Mehrfachnennung ein zu kompliziertes

Antragsverfahren (8), fehlende kompetente Personen im Verein (8), abgelehnter Antrag (5),

fehlende Unterstützung in der Antragsphase (7), keine Gemeinnützigkeit (3) und Sonstiges

(14) wie Personalmangel, Unwissenheit oder schwierige Hürden genannt.

34

Vier Interviewpartner haben dazu keine Angaben gemacht

31

Abbildung 5: Bildungsangebote von Migrantenorganisationen (Fallzahlen,

Mehrfachnennung)35

Unter den sonstigen Angeboten finden sich kulturelle, kreative oder besondere Angebote wie

Beratung für Eltern, deren Kinder auf Förderschulen sind, für Geflüchtete, interkulturelle Pro-

jekte, Kunst- und Kreativprojekte (Malen, Tanzen, Theater) u.ä..

Mehr als die Hälfte aller angebotenen Bildungsprojekte durch die befragten Organisationen

wird mit ehrenamtlichem Personal durchgeführt, wie in der folgenden Abbildung 6 zu sehen

ist. Konzeption, Beantragung, Durchführung und Abwicklung solcher Projekte stellen erfah-

rungsgemäß noch immer stark ehrenamtlich geprägte Vereine vor große Herausforderun-

gen.36 Nur 10 der befragten Migrantenorganisationen erhalten aktuell eine Strukturförderung.

Ohne diese ist jedoch die Nachhaltigkeit nicht gesichert, da das „institutionelle Gedächtnis“

durch langjährige Personalbeschäftigung oder einer regelmäßigen Durchführung von Maß-

35

Nachhilfekurse unterschieden sich von kostenloser Nachhilfe dadurch, dass oft ein symbolischer Obolus für die Teilnahme erhoben wird. 36

Vgl. Halm, Dirk/Sauer, Martina (2015): Soziale Dienstleistungen der in der Deutschen Islam Konferenz vertretenen religiösen Dachverbände und ihrer Gemeinden, Hrsgg. vom Bundesministerium des Inneren im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz. Berlin. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/WissenschaftPublikationen/soziale-dienstleistungen-gemeinden.pdf?__blob=publicationFile

0 10 20 30 40 50 60 70

Bildungsangebote

Elternseminar zum Schulsystem

Elternberatung für Erziehungsprobleme

Nachhilfekurse

Hausaufgabenbetreuung

Sprachförderung / Sprachkurse

Einzel- und Gruppenunterricht

Abiturvorbereitung

Berufswahlorientierung

Kostenlose Nachhilfe

Abschlussprüfung (10. Klasse)

Sonstige

Schulische / außerschulische Beratung

Mentoring für Schüler*innen

Kompaktkurse/ Intensivförderung (ins. für 4. Klasse)

Vorbereitung AÖL / YÖS

Übergang zur Hochschule

66

46

44

36

31

31

31

22

17

15

14

12

11

10

4

3

3

32

nahmen durch Projektförderung nicht gewährleistet wird. Aus der Gegenüberstellung zwi-

schen ehrenamtlichen oder geförderten Bildungsangeboten überwiegt deutlich der Anteil der

Projekte, die rein oder überwiegend mit ehrenamtlichem Personal durchgeführt wird und die

geringsten Unterschiede in der Sprachförderung und der Berufswahlorientierung liegen.

Abbildung 6: Ehrenamtliche und öffentlich geförderte Bildungsangebote (Fallzahlen)

Die geringe Förderquote von Bildungsprojekten wirkt sich zwar nachteilig auf die sozialversi-

cherungspflichtige Personalstruktur aus, aber nicht wesentlich auf die Regelmäßigkeit der

Angebote. Trotz dieser Ausgangssituation werden nur Projekte zum Übergang zu Hochschu-

le unregelmäßig, wohingegen kostenlose Nachhilfe (100%), Nachhilfekurse (92%), Hausauf-

gabenbetreuung (90%), Einzel-/ Gruppenunterricht (91%), Kompaktkurse (75%), Abschluss-

prüfungen (79%), Sprachförderung (76%) und Abiturvorbereitung zu (67%) zu einem deutlich

hohen Anteil regelmäßig angeboten werden.

Die abgefragten Bildungsprojekte werden am häufigsten zwischen 1-3 Stunden pro Woche

angeboten, gefolgt von Projekten mit einem Angebotsumfang mit 4-6 Stunden. Lediglich das

Angebot der Nachhilfekurse wird mit mehr als 15 Stunden pro Woche von sechs Organisati-

onen durchgeführt. Auffällig ist der durchschnittliche zeitliche Umfang der Projekte. So wer-

den Einzel-/ Gruppenunterricht zwar nur von 31 befragten Organisationen angeboten, dafür

0 5 10 15 20 25 30 35

Elternseminar zum Schulsystem

Elternberatung für Erziehungsprobleme

Nachhilfekurse

Hausaufgabenbetreuung

Sprachförderung / Sprachkurse

Einzel- und Gruppenunterricht

Abiturvorbereitung

Kostenlose Nachhilfe

Abschlussprüfung (10. Klasse)

Berufswahlorientierung

Schulische / außerschulische Beratung

Mentoring für Schüler*innen

Kompaktkurse/ Intensivförderung (ins. für 4. Klasse)

Vorbereitung AÖL / YÖS

Übergang zur Hochschule

Sonstige

Gefördert

Ehrenamtlich

33

mit dem höchsten zeitlichen Umfang von 10,5 Stunden pro Woche. Auch die kostenlose

Nachhilfe wird zwar nur von etwa einem Drittel der befragten Organisationen (15) angeboten,

dafür aber mit dem zweithöchsten zeitlichen Umfang von 9 Wochenstunden. Zeitlich intensiv

erscheint zudem das Mentorenprojekt, das zwar nur von zehn Organisationen angeboten

wird, dafür aber mit einem zeitlichen Volumen von 5 Wochenstunden.

Abbildung 7: Zeitlicher Umfang der Projekte (Stunden/Woche, Mittelwerte, Minimum und

Maximum)*

* Die Werte in der Tabelle sind die Wochenstunden.

Bei Möglichkeit der Mehrfachnennung gaben die befragten Migrantenorganisationen die Al-

tersgruppen der Personen an, die ihre Angebote hauptsächlich in Anspruch nehmen. Der

Schwerpunkt liegt dabei in der für die Forschungsfrage relevanten Altersgruppe zwischen 7

und 20 Jahren, hier engagieren sich über zwei Drittel der Organisationen. Die Gruppe der

Eltern ist vermutlich in der Gruppe ab 26 Jahren verstärkt vertreten, die von 13 Migrantenor-

ganisationen hauptsächlich adressiert werden.

10,47

9,04

8,41

7,64

6,35

5,78

5,75

4,88

4,27

3,88

3,5

2,5

1

0 10 20 30 40 50

Einzel-/Gruppenunterricht St/W

Kostenlose Nachhilfe St/W

Nachhilfekurse St/W

Schulische/außerschulische Beratung St/W

Hausaufgabenbetreuung St/W

Sprachförderung / Sprachkurse St/W

Abschlussprüfung 10. Klasse(ZAP) St/W

Mentoring für die Schüler/-innen St/W

Berufswahlorientierung St/W

Abiturvorbereitung St/W

Kompaktkurse/intensive Förderung…

Vorbereitung für AÖL, YÖS St/W

Übergang zur Hochschule St/W

Maximum

Minimum

Mittelwert

34

Tabelle 8: Altersgruppen betreuter Personen in den befragten Migrantenorganisationen

(in %, Mehrfachnennung)

Altersgruppe Anzahl der Migrantenorgani-sationen absolut

Anzahl in %

Bis 6 Jahre 15 22,4

7 - 10 Jahre 47 70,1

11 - 16 Jahre 52 77,6

17 - 20 Jahre 47 70,1

21 - 25 Jahre 21 31,3

Ab 26 Jahre 13 19,4

6.2.1 Arbeitsschwerpunkte der Organisationen im Bildungsbereich

Die Arbeitsschwerpunkte der Organisationen lassen sich wie folgt kategorisieren:

1. Kinder-, Familien- und Elternförderung

2. Sprachförderung und Bilingualität

3. Bildungsgerechtigkeit, Beschäftigung

4. Andere außerschulische Angebote

Im Mittelpunkt stehen die Elternarbeit durch Elternseminare zum Schulsystem (46) und El-

ternberatung für Erziehungsprobleme (44), indem Eltern sowohl zum Bildungssystem infor-

miert werden als auch ihre Erziehungskompetenz gestärkt wird. Auch Hausaufgabenbetreu-

ung und Nachhilfekurse sind bedeutend. Die Hochschulzugangsförderung im engeren Sinne

wird allerdings nur sehr selten betrieben – obwohl 22 der 67 befragten Organisationen An-

gebote zur Abiturvorbereitung machen, 14 für Abschlussprüfungen in der 10. Klasse sowie

jeweils drei für AÖL / YÖS und Übergang zur Hochschule37.

Im Folgenden werden die Ergebnisse aus den Befragungen der Migrantenorganisationen

(CATI und Experteninterviews) entlang der fünf oben identifizierten Schwerpunkte ausgewer-

tet.

37

YÖS - Yüksek Öğretim Seҫimi: Hochschulzugangsprüfung in der Türkei / AÖL- Aҫık Öğretim Lisesi: Ferngymnasium in der Türkei.

35

6.2.2. Kinder-, Familien- und Elternförderung

Auf den Zusammenhang von Bildungskapital der Eltern und Bildungserfolg der Kinder wurde

oben bereits hingewiesen, was auch unter den befragten Expert*innen sehr präsent ist.

Exemplarisch ist die folgende Aussage:

Die Pisa-Studie hat es bewiesen, dass nirgends der Bildungserfolg der Kinder von der sozialen Lage der Familien so abhängt wie in Deutschland und Österreich.

Das heißt, eigentlich muss ja die Schule als Institution das leisten, was das Elternaus nicht leisten kann. Deswegen haben wir hier ein strukturelles Problem.

In diesem Zusammenhang weist ein Experte auf das geringe Sozialkapital von Eltern aus

Arbeitermilieus mit Migrationshintergrund hin:

Deutsche Kinder haben eine bessere Vernetzung durch ihre Eltern als Kinder mit Migrationshintergrund, die im Notfall auf diese Netzwerke zurückgreifen können.

Die Expert*innen unterstreichen die Eltern- und Jugendarbeit als eine ihrer zentralen Ver-

einsaufgaben.

Deutlich ist die Konzentration des Engagements auf die eigene ethnische Gruppe, die jedoch

nach Aussagen der Expert*innen die Unterstützung von Jugendlichen und Eltern anderer

Herkunftsländer nicht ausschließt.

Alle Mitgliedsvereine38 und wir haben das Ziel, gleiche Chancen für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig vom sozialen, religiösen und ethnischen Status ihrer Familien zu erreichen. Wir fördern insbesondere die russischsprachigen Familien.

Auffällig ist die häufige Bezugnahme auf das geringe Bildungsniveau von italienischen

Schüler*innen und Familien durch Expert*innen aus den italienischen

Migrantenorganisationen. Ihre Angebote konzentrieren sich hauptsächlich auf die

sprachliche Qualifizierung von Schüler*innen, Hausaufgabenhilfe und Elternbildung.

Es ist allgemein bekannt, dass italienische Schüler in der Schule schlechter abschneiden als Kinder aus anderen Herkunftsfamilien. Wir wollen aber auch Familien informieren, zum Beispiel durch Elternseminare, auf denen man versucht, den Eltern beizubringen, wie wichtig der schulische Erfolg ihrer Kinder ist.

Bei den türkeistämmigen Migrantenorganisationen steht die Elternförderung und -

qualifizierung ebenfalls im Fokus ihrer Arbeit, wie die standardisierte Vereinsbefragung zeigt.

Ihre Scharnierfunktion zwischen Schule, Schüler*innen und Eltern wird von den meisten

befragten Expert*innen hervorgehoben, da Eltern durch Informationsdefizite und fehlende

bzw. geringe Sprachkompetenzen nicht ausreichend in die Schulprobleme ihrer Kinder

intervenieren können, bei etwa

38

Befragter Experte eines Dachverbands.

36

…Problemen beim Übergang von den Grundschulen zu weiterführenden Schulen. Wenn die Eltern mit der Empfehlung nicht zufrieden oder einverstanden sind, da be-nötigen manchmal die Eltern auch fachliche Unterstützung. Da setzen wir uns auch ein, oder bei Kommunikationsproblemen mit Schulen, Rassismus und Diskriminie-rungserfahrungen und in letzter Zeit auch zum Thema Mobbing in der Schule.

Die Vielzahl der an die Eltern adressierten Bildungsangebote untermauert die Defizite einer-

seits und verdeutlicht andererseits die hohe Verantwortungsbereitschaft der Migrantenorga-

nisationen und ihre Bedeutung in der Beziehung zwischen Schule, Schüler*innen und Eltern.

So bieten knapp drei Viertel der standardisiert befragten Migrantenorganisationen Seminare

für Eltern zur Informationsvermittlung zum Schulsystem an, um damit Informationsdefizite

auszuräumen, Partizipationsmöglichkeiten und -chancen in Schulgremien zu erhöhen sowie

über Rechte und Pflichten aufzuklären. Allerdings geschieht dies nur in 14 Fällen durch

drittmittelgeförderte Projekte und in weiteren 29 Fällen rein ehrenamtlich, drei Organisatio-

nen haben hierzu keine Angaben gemacht.

Ein Experte berichtet von einem Projekt, durch das eine türkeistämmige Migrantenorganisa-

tion in elf Moscheegemeinden in einer Stadt des östlichen Ruhrgebiets der Frage nachgeht,

was die Eltern machen müssen, damit die Kinder mehr Erfolg haben.

Neben der Elternqualifizierung bieten die befragten Migrantenorganisationen Angebote zur

Beratung und Begleitung von Rat suchenden Eltern und vermitteln zwischen Schüler*innen

und Schulen bei Unzufriedenheit mit der Notengebung oder Schulempfehlung. Die Vermitt-

lerrolle wird laut Aussage der Expert*innen seitens der Schulen geschätzt, wenn bei derarti-

gen Konflikten die Eltern aufgrund etwa geringer Deutschkenntnisse nicht als Ansprechpart-

ner zur Verfügung stehen können:

Schulen äußern auch, dass der Verein auch sehr wirksam sei, vor allem beim Zugang zu Eltern und Lösung der Konflikte zwischen Lehrer und Schüler oder Eltern.

Da die Organisationen aber oft anlässlich problematischer Situationen hinzugezogen

werden, in denen das Handeln von Schulen oder Lehrer*innen in der Kritik steht, existiert

hier womöglich ein Bewertungsbias, durch den Schulen ein relativ großes Maß an

Diskriminierungsbereitschaft aufgrund der Herkunft zugetraut wird.39

Neben der Informationsvermittlung an Eltern zum Schulsystem bieten gut zwei Drittel der

standardisiert befragten Migrantenorganisationen Elternberatung bei Erziehungsproblemen

an, weil der Elternschaft aus ihrer Sicht Erziehungskompetenzen fehlt bzw. ein hoher Bedarf

39

Siehe zu dieser Diskussion auch Lokhande, Mohini/; Nieselt, Thimo (2016): Doppelt benachteiligt? Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem. Eine Expertise im Auftrag der Stiftung Mercator. Hrsgg. vom For-schungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Berlin.

37

an Beratung vorhanden ist. Auch hier wird eine Strukturproblematik in Form fehlender

Finanzierung deutlich, indem nur 14 der 44 Angebote gefördert werden.

6.2.3. Sprachförderung und Bilingualität

Die Kultusministerkonferenz reagierte im Anschluss an PISA 2000 mit der Formulierung von

vorrangigen Handlungsfeldern im Bildungswesen, wie „Maßnahmen zur Verbesserung der

Sprachkompetenz“, „durchgängige Verbesserung der Lesekompetenz“ oder „Maßnahmen

zur wirksamen Förderung bildungsbenachteiligter Kinder“ zur Behebung von Leseschwä-

chen, der verschiedene Initiativen zur Förderung der Lesekompetenz hauptsächlich in

Grundschulen folgten.40 Einig ist sich die Wissenschaft aber auch in der Forderung, „lebens-

weltliche Mehrsprachigkeit“ der Migrantenkinder zu würdigen und gleichzeitig die Schulspra-

che systematisch und kontinuierlich zu vermitteln.41

Nahezu die Hälfte der standardisiert befragten Migrantenorganisationen bieten Sprachförde-

rung / Sprachkurse an, um Sprachdefizite unter den Eltern und den in Deutschland gebore-

nen Jugendlichen und Neuzuwanderern zu adressieren. Unter den 29 Organisationen mit

Angeboten werden die Kurse in 13 Fällen ehrenamtlich erbracht. Schwerpunkte liegen so-

wohl auf der Förderung der deutschen Sprache speziell der Mütter sowie auf der Bilinguali-

tät.

Die Notwendigkeit eines Bewusstseins der Eltern über die Bedeutung der Sprachkompetenz

für den Erwerb höherer Schul- und Ausbildungsabschlüsse, für die Arbeitsmarktintegration

und der Teilnahme am sozialen Leben im Allgemeinen und für die Teilhabe an Schulstruktu-

ren im Besonderen wird in den Experteninterviews deutlich hervorgehoben. Gleichzeitig wird

Kritik gegenüber den Schulen wegen mangelnder Wertschätzung von Bilingualität geübt. Die

Bedeutung der Sprachkompetenz wird durch die befragten Expert*innen in drei wesentlichen

Aspekten zusammengefasst:

40

Kultusministerkonferenz der Länder (2002) (Hrsg.): PISA 2000 – Zentrale Handlungsfelder - Zusammenfassende Darstellung der laufenden und geplanten Maßnahmen in den Ländern . Beschluss der 299. Kultusministerkonferenz vom 17./18.10.2002.. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2002/2002_10_07-Pisa-2000-Zentrale-Handlungsfelder.pdf, S. 6ff. 41

Kempert, Sebastian; Edele, Aileen; Rauch, Dominique; Wolf, Katrin M.; Paetsch, Jennifer; Darsow, Annkathrin; Maluch, Jes-sica; Stanat, Petra (2016): Die Rolle der Sprache für zuwanderungsbezogene Ungleichheiten im Bildungserfolg. In: Diehl, Clau-dia; Hunkler, Christian; Kristen, Cornelia (Hrsg.): Ethnische Ungleichheiten im Bildungsverlauf. Mechanismen, Befunde, Debat-ten. Wiesbaden, 157ff. Vergleiche auch: Bialystok, Ellen; Raluca, Barac (2012): Emerging bilingualism: dissociating advantages for metalinguistic awareness and executive control. Cognition 2012 (1), S. 67-73.

38

I. Sprachkompetenz ist der Schlüssel für einen schulischen und beruflichen Erfolg.

II. Bilingualität von jungen Migrant*innen ist zu würdigen und zu fördern.

III. Sprachdefizite unter den Eltern mit Migrationshintergrund erschweren die Unterstützung

ihrer Kinder im schulischen Werdegang.

I. Sprachkompetenz als Schlüssel für schulischen beruflichen Erfolg

Die Angebote zur Sprachförderung / Sprachkurse der Migrantenorganisationen unterschei-

den sich in den drei untersuchten Herkunftsgruppen in ihrer Zielrichtung, wie die Expertenin-

terviews zeigen.

Zwar orientieren die italienischen Migrantenorganisationen ihre Sprachförderung auf die Be-

darfe von Neuzuwanderern im Rahmen der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, sie sehen aber

auch generelle Defizite innerhalb der italienischen Gemeinde in Deutschland. So äußert eine

Vertreterin aus einer Migrantenorganisation anhand ihrer eigenen ehrenamtlichen Arbeit:

Es herrscht ein Defizit in der Sprache. Zudem herrscht auch ein Defizit in der Bildung, auch heute in der vierten Generation. [...] Das Bildungsniveau der italienischen Community ist sehr niedrig. Wir haben sehr wenig Menschen, die einen akademischen Abschluss haben. Die Erfolgsquote hat sich in den 60 Jahren jetzt nicht massiv verändert.

Die Schwerpunkte liegen dessen ungeachtet auf der Integration italienischer Neueinwande-

rer durch Sprachförderung, um besonders Jugendliche beim Einstieg in das Bildungssystem

zu unterstützen. Denn durch die deutsche Sprachförderung besonders von Kindern und Ju-

gendlichen sollen sie

…schnellstmöglich die Sprache lernen, um in die Regelklassen zu kommen.

Anders verhält es sich bei den russischsprachigen Migrantenorganisationen. Neben der

deutschen und russischen Sprachförderung ist der Erwerb einer weiteren Fremdsprache hier

von großer Bedeutung, da insbesondere im Englischen und Französischen Defizite gesehen

werden.

In Falle der türkeistämmigen Migrantenorganisationen hat der Erwerb der deutschen

Sprache nach Experteneinschätzung keine große Relevanz, auch, da die Neuzuwanderung

aus der Türkei kaum mehr eine Rolle spielt42 und eher der Verlust des Türkischen zu

42

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (2015) sind zwischen 2005 und 2014 insgesamt 304.501 Menschen aus der Türkei nach Deutschland und 335.248 Menschen aus Deutschland in die Türkei gezogen (positiver Saldo in diesem Zeitraum von 30.747 in Richtung Türkei). Vgl. dazu auch: Aver, Caner (2015): Transnationale Migration zwischen Deutschland und der

39

verhindern getrachtet wird. Hier liegt der Schwerpunkt also auf der Förderung von

Bilingualität.

Eine gemeinsame Forderung der Expert*innen an das Bildungssystem ist, Lehrerausbildung

und Lehre besser an die veränderte Schülerstruktur anzupassen. So ist die Sensibilisierung

von Lehrer*innen gegenüber Schüler*innen mit Defiziten in der deutschen Sprache ein

wesentliches Engagementfeld der italienischen und russischsprachigen

Migrantenorganisationen;

Was ich mir wünschen würde, wäre nur, dass manche Lehrer mehr Verständnis hätten, wenn Schüler aus Italien kommen. Einige verlangen, dass sie schon Deutsch sprechen, wenn sie gerade gekommen sind. Die Kinder werden zum Teil bewertet wie deutsche Schüler, das ist nicht gut. Man muss ihnen Zeit geben, man muss irgendwie so auch kleine Schritte bewerten. Es fehlt dieses Bewusstsein, dass eine Sprache mit sehr viel Mühe gelernt wird und mit sehr viel Zeit. Man muss auch kleine bessere Ergebnisse sehen und nicht nur sofort wie die deutschen Schüler alle gleich unter einem Dach bewerten.

II. Bilingualität von jungen Migrant*innen würdigen und fördern

Die Bilingualität bzw. die Förderung der Herkunftssprache ist für die Expert*innen aller drei

Gruppen ein wichtiges Anliegen der Vereinsarbeit. So sind sich alle befragten Expert*innen

darin einig, Jugendliche in ihrer Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung unterstützen zu

wollen, wozu die Förderung der Herkunftssprache und die Bewahrung Herkunftskultur zäh-

len. So fordert ein Experte:

Die Muttersprache und die eigene Kultur sollen wertgeschätzt werden. Wo keine Wertschätzung stattfindet, kann sich auch die Persönlichkeit des Kindes nicht so entwickeln, wie wir uns das vorstellen.

Der Muttersprachenunterricht wird nach Einschätzung der meisten befragten Experten auf-

grund fehlender Ressourcen in den Organisationen nicht in ausreichendem Maße angebo-

ten. In der Folge wird verbreitet die institutionalisierte Herkunftssprachenförderung bereits

vor der Grundschule gefordert.

Das heißt, dass die Förderung bereits in der vorschulischen Phase beginnen soll und in den Kitas bzw. Familienzentren und später in den Grundschulen, Sek. 1, Sek. 2 und schließlich bis zum Abitur fortgesetzt wird.

Angebote zur Förderung der Herkunftssprache bieten die italienischen

Migrantenorganisationen mit Hilfe der im Rahmen der Experteninterviews auch befragten

Neuen Türkei. In: Yoldaş, Yunus; Gümüş, Burak; Gieler, Wolfgang (Hrsg.): Die Neue Türkei. Eine grundlegende Einführung in die Innen- und Außenpolitik unter Recep Tayyip Erdogan, Frankfurt a.M., S.393ff.

40

Com.It.Es an. Com.It.Es sieht ihre Rolle in der Unterstützung der Italiener*innen in

Deutschland und in der Förderung der italienischen Sprache und Kultur. Laut ihrer Aussage

nimmt sie an, dass durch die Sprachqualifikation in der Herkunftssprache der schulische und

im Anschluss der berufliche Werdegang erfolgreicher sein wird. Deshalb ist der Erwerb des

Italienischen aus ihrer Sicht

…vor allem für junge Leute [wichtig], damit diese in der Schule besser sind und auch später im Berufsleben erfolgreicher sind.“

Die Sprachförderung der Migrantenorganisationen kann unterschiedliche Formen haben, die

von Sprachkursen über Leseprojekte bis zu explizit bilingualen Ansätzen reichen.

III. Sprachdefizite von Eltern und Unterstützung des schulischen Werdegangs der Kinder

Die Bamberger Bildungsstudie „BiKS“ - Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Se-

lektionsentscheidungen im Vor- und Grundschulalter“43 - untersucht die Ursachen der hohen

Bildungsaspiration migrantischer Eltern. Danach ist Hauptgrund für die Bildungsaspiration

der Wunsch nach sozialem Aufstieg insbesondere für ihre Kinder. Diesbezüglich sind die

Eltern eher optimistisch, was aber auch darin begründet ist, das oft detaillierte Kenntnisse

über das deutsche Schulsystem und ein Beurteilungsmaßstab für die Leistungen der Kinder

fehlen, die in der bildungswissenschaftlichen Forschung gelegentlich auch als „immigrant

optimism“ (besonderer Ehrgeiz und aufstiegsorientierte Lebensziele) bezeichnet und als eine

wichtige Motivationsquelle gesehen wird.44 Die aktive Begleitung von Schulkarrieren und

Übergängen ist eher gering ausgeprägt.

Gleichzeitig ist das deutsche Bildungssystem auf die aktive Mitwirkung der Eltern angewie-

sen. Allerdings engagieren sich Eltern mit Migrationshintergrund, wie erwähnt, wegen gerin-

gerer Deutschkenntnisse, Informationsmangel oder überhöhter Rollenerwartungen sowie

zum Teil eigener negativer Erfahrungen mit dem Schulsystem in ihrer Bildungssozialisation

seltener.45 So äußert sich eine Vertreterin einer türkischen Migrantenorganisation wie folgt:

Manche Eltern können nicht richtig Deutsch sprechen, so dass sie sich nicht äußern können. Diese Sprachbarrieren der Eltern bereiten auch Schwierigkeiten für die

43

Relikowski, Ilona/Yilmaz, Erbil/ Blossfeld, Hans-Peter (2012): Wie lassen sich die hohen Bildungsaspirationen von Migranten erklären? Eine Mixed-Methods-Studie zur Rolle von strukturellen Aufstiegschancen und individueller Bildungserfahrung. In: Becker, Rolf/Solga, Heike (Hrsg.): Soziologische Bildungsforschung. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 52 / 2012, S. 111ff. 44

Vgl Diehl, Claudia; Hunkler, Christian; Kristen, Cornelia (Hrsg.): Ethnische Ungleichheiten im Bildungsverlauf. Mechanismen, Befunde, Debatten. Wiesbaden, S. 82. 45

S. 6, unter Bezug auf Barz, Heiner; Cerci, Meral; Demir, Zeynep (2013): Bildung, Milieu & Migration. Kurzfassung der Zwi-schenergebnisse 12/2013, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

41

Kinder, die Eltern können über die Leistungssituationen ihrer Kinder mit den Lehrern nicht sprechen, darunter leiden die Kinder.

Und:

Sprachdefizite der Eltern sind ein großer Nachteil für die Kinder. Eltern können sich nicht richtig informieren über das deutsche Schulsystem, dass es unterschiedliche Möglichkeiten für die Kinder gibt.

Zudem attestieren die Expert*innen, dass Schüler*innen mit Migrationshintergrund wegen

des geringeren Engagements ihrer Eltern häufiger für Hauptschulen empfohlen werden, da

seitens der Lehrer*innen bereits antizipiert wird, dass sie ihre Kinder in schulischen Fragen

nur eingeschränkt unterstützen können:

Gegen die Migrantenkinder gibt’s aber auch allgemeine Vorurteile, dass es zu Hause keine Unterstützung gibt und da zuhause nicht Deutsch gesprochen wird, die Kinder nicht Deutsch können usw. Durch diese Vorurteile werden die Migrantenkinder oft zur Hauptschule geschickt und nicht auf eine Realschule. Migrantenkinder stammen aus Arbeitermilieus. Das prägt auch die Vorurteile. Wenn Kinder keine Hilfe von außen bekommen, scheitern sie manchmal [… in der Hauptschule] lernen Kinder nur eine Fremdsprache, dann schaffen sie keinen Anschluss mehr zum Gymnasium und zur Realschule. Diese Kinder sind von vorneherein benachteiligt, denen geholfen werden muss.

Aus dieser Ausgangssituation heraus bieten die Migrantenorganisationen den Bedarfen ihrer

Communitys entsprechend Angebote zur Unterstützung an, um die Sprach- und

Informationsdefizite auszugleichen:

Wir begleiten die Eltern zu den Gesprächen mit den Direktoren. Wenn man sich in der deutschen Sprache sehr gut artikulieren kann und genau weiß, wie das System funktioniert, dann funktionieren gewisse Dinge einfacher.

6.2.4. Bildung, Bildungsgerechtigkeit, Beschäftigung

Aus Abbildung 5 (S. 30) wird ersichtlich, dass die Schwerpunkte der standardisiert befragten

Organisationen in der Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe liegen. Angebote zur

Hochschulzugangsförderung im weiteren Sinne machen 42 der 67 befragten Organisationen,

was die Abiturvorbereitung, Abschlussprüfungen (10. Klasse) oder die

Hochschulzugangsprüfungen in der Türkei einschließt. Allerdings werden auch diese

Angebote unzureichend durch Drittmittel gefördert, wie aus den Befragungen hervorgeht. So

werden die angebotenen Abschlussprüfungen (10. Klasse) nur zu einem Viertel,

Hausaufgabenbetreuung, Abiturvorbereitung und Nachhilfekurse zu zwei Drittel gefördert,

die übrigen Angebote werden weitgehend unentgeltlich aus dem Ehrenamt heraus

durchgeführt.

42

Die größten Bedarfe sehen die Expert*innen in den Schulfächern Mathematik,

Fremdsprachen (Französisch, Englisch) und Deutsch. Studierende haben nach Auskunft der

Expert*innen in allen drei Untersuchungsgruppen eine wichtige Rolle, besonders bei den

Nachhilfekursen. Dabei wird der Bedarf im Fach Mathematik deutlich:

Studenten geben den Schülern Nachhilfe. Mathe ist für Migranten an der Uni die größte Hürde.

Insbesondere in russischsprachigen Organisationen findet Unterstützung durch

Hochqualifizierte statt, die ehrenamtlich in Vereinen unterschiedliche Angebote machen.

Hintergrund ist eine relativ hohe Akademikerarbeitslosigkeit in dieser Gruppe, die Raum für

Ehrenamt schafft. Es gibt

...nicht nur Lehrer, sondern viele Künstler und professionelle Leute aus ganz verschiedenen Bereichen wie auch Wissenschaftler ohne Arbeit hier in Deutschland. Deswegen sind alle in Vereinen und wirken mit. Deswegen besitzen wir Know-how, wir haben ganz andere Bildungsmethoden als das deutsche System. Daher bieten wir Vielfältigkeit hier in Deutschland.

Durch das Engagement der russischsprachigen Organisationen sollen Jugendliche in ihrer

schulischen Laufbahn begleitet werden, auch indem sie durch Vorbilder motiviert werden. So

berichtet ein Experte:

Wir machen den Unterschied! Wir haben hier die Schüler begleitet, die zur Sonderschule geschickt wurden, wo wir gesagt haben, wir holen die da wieder raus und das Kind dann Abitur gemacht haben. Wir können bücherweise Berichte erzählen von einzelnen Personen, wie sie durch die Begleitung von uns erfolgreich Abi, Studium oder Ausbildung gemacht haben.

In diesem Kontext erweisen auch Mentoring-Ansätze als wichtige Instrumente, indem dann

wiederum Vorbilder, die aus denselben sozio-kulturellen Milieus stammen, anhand der

eigenen Biographie vorleben, dass ein Bildungsaufstieg trotz migrationsbedingter Handicaps

möglich ist:

Das ist ein Mentoring-Projekt, welches sich „Wer will, der kann“ nennt. Da geht es da-rum, dass wir die Schüler für ihren eigenen Bildungsweg motivieren. Dass wir dabei unterstützen, überhaupt ein Ziel vor Augen zu schaffen und auch die geeigneten Maßnahmen dafür zu ergreifen, um ihre Ziele zu erreichen. Aber auch um zu zeigen, welche Stolpersteine es gibt und dass man trotz Stolpersteinen manchmal auch über einen Umweg sein Ziel noch erreichen kann. Da agieren wir selber als Vorbilder, weil wir teilweise bei den Mentoren selber ganz viele quere Bildungswege haben. Wenn die dann unsere ehemaligen Zeugnisse sehen, wir haben Realschulabschluss, Be-rufskolleg und der letzte hohe Abschluss ist dann quasi Diplom, Master; dann haben wir schon unheimlich viele erstaunte Gesichter, und das motiviert die Schüler.

43

6.2.5. Andere außerschulische Angebote

Das Engagement der befragten Migrantenorganisationen reicht über die eigentlichen

Bildungsangebote hinaus. Weitere, mittelbar für den Bildungserfolg relevante Angebote

haben das Ziel der Stärkung des Selbstwertgefühls der Kinder und Jugendlichen und der

Entdeckung von Talenten, die im schulischen Regelbetrieb oder im Elternhaus nicht erkannt

werden.

So bieten die Migrantenorganisationen über die direkte Bildungsunterstützung hinaus zudem

Freizeitangebote (50), Bildungs- und Studienreisen (19), Gesprächskreise (8) sowie

sportliche und kulturelle Aktivitäten (38) an, wie die standardisierte Befragung der

Organisationen ergab. Zudem wurden von 41 Organisationen weitere Angebote wie

Ausflüge, Zoobesuche, Bastel-, Mal-, Koch-, Musik- und Theaterkurse oder Literaturtreffen

genannt. Diese Angebote dienen nach Aussagen der Expert*innen auch dazu, die

Identifikation mit dem sozialen Umfeld zu stärken und den Migrationshintergrund als

Bereicherung zu verstehen. Ein Großteil dieser Angebote wird von russischsprachigen

Migrantenorganisationen erbracht. Insbesondere sozial benachteiligten Jugendlichen sollen

anhand von Projekten in der außerschulischen Zeit Angebote zur Freizeitgestaltung gemacht

werden, um durch sinnvolle Tätigkeiten ihren Alltag zu strukturieren und ihnen ein Gefühl der

Selbstwirksamkeit und Nützlichkeit zu vermitteln. Andererseits sollen die Teilnehmenden

durch solche Angebote sich spielerisch die Sprache des Aufnahmelandes aneignen.

Zwischenfazit

Die befragten Migrantenorganisationen können durch ihre Arbeit in den Schulstrukturen eine

wichtige Vermittlerrolle zwischen Eltern-Schule/Lehrer*innen und den Kindern übernehmen

und dazu beitragen, mögliche Konflikte etwa in der Bewertung von Schulleistungen der

Kinder oder bei Empfehlungen auf weiterführenden Schulen zu lösen. Zudem fördern sie

Schüler*innen durch außerschulische Angebote wie in Hausaufgabenhilfe und für

Neuzugewanderte durch Deutschkurse. Die Elternqualifizierung zur Befähigung eines

stärkeren Engagements in Schulstrukturen und die Vermittlung von Deutschkenntnissen sind

weitere Aufgaben. Dabei unterschieden sich die Organisationen der drei betrachteten

Herkunftsgruppen in ihren Arbeitsschwerpunkten. Insbesondere fokussieren Organisationen

mit russischsprachiger und italienischer Klientel besonders stark die Sprachbildung. Aus

diesem Befund sind gegebenenfalls besondere herkunftsspezifische Entwicklungsbedarfe

ableitbar. Generell ist die Arbeit der Organisationen stark ehrenamtlich geprägt und wenig

44

systematisch in unterstützenden Strukturen eingebunden. Auffällig ist der hohe Anteil an

Hochqualifizierten unter den russischsprachigen Eltern in den Migrantenorganisationen, die

dadurch nicht nur eine wichtige Vorbildfunktion für einen Bildungsaufstieg übernehmen,

sondern auch Anknüpfungspunkte für eine weitere Qualifizierung der Tätigkeit der

Organisationen sein können.

6.3. Befragungen von Studierenden mit und ohne Migrationshintergrund

In zwei Erhebungen wurden Studierende befragt. In problemzentrierten Interviews standen

Erfolgsfaktoren, Hürden und ihre Überwindung im Bildungsverlauf von Studierenden mit und

ohne Migrationshintergrund im Mittelpunkt, während durch eine standardisierten Befragung

die Bekanntheit und Zufriedenheit mit Hochschulangeboten und ihre Nutzung erhoben wur-

de. Die Auswertung der problemzentrierten Interviews erfolgte vergleichend anhand der

thematischen Schwerpunkte des Fragebogens unter Hinzuziehung der sozio-

demographischen und Herkunftsinformationen. Die standardisierten Interviews wurden an-

hand des Statistikprogramms SPSS ausgewertet.

6.3.1. Problemzentrierte Interviews mit Studierenden

Anhand der problemzentrierten, leitfadengestützten Interviews mit insgesamt 39 Studieren-

den aus vorrangig Nichtakademikerfamilien mit (20) und ohne (19) Migrationshintergrund

sind explorativ Faktoren für eine erfolgreiche Bildungskarriere trotz herkunftsbedingter Be-

nachteiligungen erhoben worden. Im ersten Teil der Interviews sind sozio-demographische

Angaben wie die Generationszugehörigkeit, Sprachkompetenzen, schulischer Hintergrund

und berufliche Situation der Eltern abgefragt worden, um die für einen Bildungsaufstieg wich-

tigen Voraussetzungen des Bildungs- und ökonomischen Kapitals der Familien zu erheben.

Im zweiten Teil der Interviews wurden die Rolle des Elternhauses und des sozialen Umfel-

des, Hürden, Bedarfe und Potenziale im schulischen Werdegang und beim Hochschulzu-

gang, das Hochschulleben, Hürden im Studium und Zukunftsperspektiven erhoben.

45

Quantitative Auswertung der problemzentrierten Interviews von Studierenden mit Migrations-

hintergrund

Unter den 20 befragten Studierenden mit Migrationshintergrund stammten je sieben aus der

Türkei bzw. aus dem russischsprachigen Raum (vier aus Russland und je eine aus der Ukra-

ine, Lettland und Kasachstan) sowie sechs aus Italien. In allen Untersuchungsgruppen sind

junge Frauen häufiger vertreten als junge Männer (je vier unter türkeistämmigen und rus-

sischsprachigen und fünf unter italienischen Studierenden). Zwei türkeistämmige und ein

russischsprachiger Studierender waren bereits verheiratet.

Die Frage nach dem ethnisch-kulturellen Selbstbild ergab eine breite Fächerung. So geben

nur zwei türkeistämmige und jeweils drei russischsprachige bzw. italienische Studierende an,

sich mehr zu ihrer Herkunftsgruppe zugehörig zu fühlen als zu Deutschen, je eine türkei-

stämmige und eine russischsprachige und zwei italienische Studierende definieren sich

durch ihre „Bindestrichidentität“ („deutsch-russisch“), je eine italienische und eine russisch-

sprachige Studierende fühlen sich eher „deutsch“ und für sechs Studierende spielt die Frage

keine Rolle oder wird je nach Situation beantwortet, was auf ein flexibles Identitätsverständ-

nis hinweist.

Unterschiedliche Ergebnisse nach Herkunftsgruppe liefert die Staatsbürgerschaft, wonach

sechs der Türkeistämmigen und vier der Russischsprachigen die deutsche Staatsbürger-

schaft durch Einbürgerung und zwei der italienischen Studierenden die deutsche Staatsbür-

gerschaft qua Geburt besitzen. Drei russischsprachige und sogar vier italienische Studieren-

de haben noch die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes. Während fünf der türkeistäm-

migen und drei der italienischen Studierenden46 bereits in der zweiten Generation in

Deutschland leben und der Nachfolgegeneration ehemaliger Arbeitsmigrant*innen angehö-

ren, wurden sechs der russischsprachigen Studierenden in ihrem Herkunftsland geboren und

sind selbst in jüngeren Jahren nach Deutschland eingewandert.

Die Abiturnoten streuen unter den befragten Studierenden mit Migrationshintergrund breit.

So haben zwei türkeistämmige und ein italienischer Studierender das Abitur mit einer Note

zwischen 1,0 und 1,9 abgeschlossen, zehn Studierende (je vier türkeistämmige und italieni-

sche und zwei russischsprachige) zwischen 2,0 und 2,9 und sieben (darunter ein türkei-

stämmiger, fünf russischsprachige und ein italienischer Studierender) zwischen 3,0 und 3,9

Auffällig sind die Noten von türkeistämmigen und italienischen Studierenden im Notenbe-

reich 1,0 bis 2,9 (2) gegenüber den schlechteren von russischsprachigen Studierenden im

46

Zwei in der zweiten und eine in der vierten Generation.

46

Bereich 3,0 - 3,9 (5). Die Wahl des Studienfaches ist vielseitig und reicht vom Lehramtsstu-

dium (8) über Sozial- und Politikwissenschaften (4), Geschichte (2), Wirtschaftswissenschaf-

ten (3), Jura hin zu Ingenieurs- und Literaturwissenschaften; 16 Befragte waren im Bachelor-

und drei im Masterstudium immatrikuliert, ein Studierender im Staatsexamen. Auffällig ist die

Dauer des Studiums, die bei knapp der Hälfte der Studierenden (9) über der Regelstudien-

zeit liegt. Alle Studierenden sind multilingual und verfügen nach eigenen Angaben neben der

Herkunfts- und der deutschen Sprache zusätzlich über Englisch- (18), Französisch- (2) und

Spanischkenntnisse (5).

Die Finanzierung des Studiums wird, bei Möglichkeit der Mehrfachnennung, von gut der Hälf-

te (11) der Studierenden durch das BAföG bestritten, von dem fünf türkeistämmige, vier

italienische und zwei russischsprachige Studierende Gebrauch machen. Zudem arbeiten

jeweils vier Studierende aus den drei Untersuchungsgruppen im Nebenjob; weitere acht

erhalten finanzielle Unterstützung durch die Familie.

Die Eltern der befragten Studierenden wurden zumeist im Herkunftsland geboren. Dies gilt

für 16 der Mütter. Ihre schulische und auch die berufliche Ausbildung ist mehrheitlich eher

gering, während drei russischsprachige Mütter aber einen Hochschulabschluss besitzen.

Vier der Mütter haben keinen Schulabschluss (drei Türkeistämmige, eine Italienerin), eine

türkeistämmige Mutter besuchte nur die Grundschule, vier haben die Sekundarstufe I abge-

schlossen (zwei Türkeistämmige, je eine Russischsprachige und Italienerin) und acht eine

berufliche Ausbildung (vier Italienerinnen, drei Russischsprachige und eine Türkeistämmige)

absolviert. Ihr beruflicher Status reicht von Hausfrau (sechs, davon vier Türkeistämmige und

zwei Italienerinnen), Angestellte (vier Italienerinnen und eine Russischsprachige), Fachkraft

(vier Russischsprachige) über unqualifizierte Tätigkeiten wie Reinigungskraft (zwei Türkei-

stämmige), Angestellte, Arbeitslose oder Rentnerin.

Eine ähnliche schulische und berufliche Ausbildung weisen die Väter der befragten Studie-

renden auf. Demnach haben vier Väter keinen Schulabschluss (drei Türkeistämmige und ein

Italiener), einer hat nur die Grundschule absolviert (türkeistämmig), acht haben eine berufli-

che Ausbildung (ein türkeistämmiger, drei russischsprachige und vier italienische), vier ha-

ben die Sekundarstufe I und drei russischsprachige Väter die Hochschule im Herkunftsland

(je aus Lettland, Kasachstan und Russland) absolviert. Beruflich sind sie eher gering qualifi-

ziert tätig, wie als Angestellte (sechs als Küchenmonteur, Straßenwart, Koch, Call-Center-

Agent oder in der Gastronomie), vier als Fahrer (Taxi-, Stapler-, Bus- oder LKW-Fahrer), vier

arbeiten als Fachkräfte (Elektrotechniker, Schweißer), als Straßenreiniger, im Lager oder als

47

Selbständiger, einer ist Rentner und einer der Befragten hat dazu keine Angabe gemacht.

Ein russischsprachiger Vater arbeitet als Sozialpädagoge.

Quantitative Auswertung der problemzentrierten Interviews von Studierenden ohne Migrati-

onshintergrund

Als Kontrollgruppe zu den Studierenden mit Migrationshintergrund sind 19 Studierende ohne

Migrationshintergrund an den Hochschulstandorten befragt worden, um anhand eines Ver-

gleiches herkunftsspezifische Besonderheiten herauszuarbeiten. Von den befragten Studie-

renden ohne Migrationshintergrund sind elf weiblich und acht männlich, von denen nur eine

verheiratet ist und getrennt lebt und alle weiteren ledig sind. Bei den Studienfächern ist das

Lehramtsstudium (8) gegenüber anderen Fächern wie Sozialwissenschaften (3), Physik (3),

Gesundheitsökonomie und Naturwissenschaften relativ häufig vertreten. Über die Hälfte der

Studierenden liegen in der Regelstudienzeit (12) und damit etwa gleichauf mit den Studie-

renden mit Migrationshintergrund (11). Hinsichtlich der Sprachkompetenzen haben alle 19

befragten Studierenden Englisch-, weitere neun zusätzlich Französisch- und sechs Spa-

nischkenntnisse angegeben, während auch die Studierenden mit Migrationshintergrund ne-

ben ihrer Mutter- bzw. Erstsprache noch die deutsche und eine weitere Fremdsprache wie

Englisch (18) und Französisch (6) sprechen, so dass die Studierenden aus beiden Gruppen

Kompetenzen in mindestens zwei bis drei Sprachen aufweisen und einige sogar Kenntnisse

in einer vierten und fünften Sprache mitbringen.47

Geringe Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestehen bei den Abiturnoten. Hier haben

fünf Studierende eine Note zwischen 1,0 und 1,9, während unter den Studierenden mit Mig-

rationshintergrund nur drei in diesem Bereich liegen. Knapp die Hälfte (9) hat das Abitur mit

einer Note zwischen 2,0 und 2,9 erreicht, in der Vergleichsgruppe der Migrant*innen ist es

ebenfalls die Hälfte mit zehn Studierenden. Nur geringe Unterschiede bestehen im Noten-

durchschnitt 3,0 bis 3,9, mit fünf Studierenden ohne und sieben Studierenden mit Migrati-

onshintergrund.

47

Das Niveau der Sprachkompetenzen wurde in den Befragungen nicht erhoben.

48

Abbildung 8: Abiturnoten im Vergleich (Fallzahlen)

Sowohl der schulische Werdegang als auch der berufliche Status der Eltern von Studieren-

den mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden sich. So haben 14 Väter ohne und

nur neun Väter mit Migrationshintergrund eine berufliche Ausbildung – einen Hochschulab-

schluss weisen vier Väter ohne und nur zwei mit Migrationshintergrund auf. In gering qualifi-

zierten Berufsfeldern sind deutlich mehr Väter (11) mit Migrationshintergrund als Herkunfts-

deutsche48 (3) beschäftigt. Die übrigen Väter sind eher in Ausbildungs- und teils in akademi-

schen Berufen tätig (Beamter, Rechtsanwalt, Mechaniker, Handwerker, Krankenpfleger, IT-

Produktmanager). Auffällig ist, dass die Eltern von neun der befragten 19 Studierenden ohne

Migrationshintergrund getrennt leben und drei von ihnen keinen Kontakt zum Vater und eine

keinen Kontakt zur Mutter hatten, womit sie teilweise keine diesbezüglichen Aussagen tref-

fen konnten oder wollten.

Im Vergleich der Berufsausbildung bestehen recht große Unterschiede, da 14 Mütter ohne

und nur acht mit Migrationshintergrund eine Berufsausbildung vorweisen können. Zudem

sind 15 der herkunftsdeutschen Mütter in Ausbildungsberufen tätig, darunter als Sekretärin,

Verwaltungsangestellte, Krankenschwester oder als Zahnarzthelferin, während je eine Mutter

arbeitslos, Rentnerin, Reinigungskraft oder Hausfrau ist.

Die berufliche Stellung der Eltern wirkt sich auf die Finanzierung des Studiums der befragten

Studierenden deutlich aus. Etwa die Hälfte der Studierenden bezieht BAföG, während dies

laut der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 2012 für nur 32% der „Normal-

studierenden“ der Fall ist. Zudem erhalten laut Sozialerhebung 87% Unterstützung durch die

Eltern, während dies nur etwa für die Hälfte der hier befragten Studierenden zutrifft. Weitere

63% der Studierenden insgesamt finanzieren nach der Sozialerhebung ihr Studium durch

eine Erwerbstätigkeit neben dem Studium, was in dieser Größenordnung unter den befrag-

48

Arbeiter, LKW-Fahrer

3

5

10

9

7

5

0 2 4 6 8 10 12

Migranten

Herkunftsdeutsche4.0

3,0-3,9

2,0-2,9

1,0-1,9

49

ten Studierenden ebenfalls der Fall ist.49 Auch wenn eine Vergleichbarkeit der Gruppe aus

der Sozialerhebung und der von uns befragten Studierenden nur eingeschränkt gegeben ist,

deutet sich hier doch eine Unterprivilegierung der von uns befragten Studierenden an.

Abbildung 9: Finanzierung des Studiums (Fallzahlen)

Zusammenfassend zeigen die Interviews mit Studierenden mit Migrationshintergrund unter-

schiedliche ethnisch-kulturelle Selbstdefinitionen, die vom Bezug auf das Herkunftsland über

eine „Bindestrich-Identität“ bis hin zu einer flexiblen Deutung und unter zwei Studierenden

zur deutschen Identität reichen. Mit Ausnahme bei den russischsprachigen Studierenden

sind sie in Deutschland geboren. Sie besitzen zum Großteil die deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Abiturnoten der italienischen und türkeistämmigen Studierenden umfassen das gesamte

Notenspektrum und zeigen kaum Unterschiede zu der Kontrollgruppe, während die russisch-

sprachigen Studierenden schlechter abschneiden. Die meisten Eltern der Studierenden mit

Migrationshintergrund sind im Herkunftsland geboren und haben, mit Ausnahmen bei den

russischsprachigen Eltern, eher eine niedrige schulische und berufliche Bildung. Auffällig ist,

dass besonders in der Kontrollgruppe der Herkunftsdeutschen viele Eltern getrennt leben.

Qualitative Auswertung der problemzentrierten Interviews mit Studierenden mit und ohne

Migrationshintergrund

Elternhaus und soziales Umfeld

Oben wurde bereits auf die Rolle der Eltern in der Bildungskarriere der Kinder aus Sicht der

Migrantenorganisationen eingegangen. Dabei wurde deutlich, dass die Migrantenorganisati-

49

Middendorff, Elke/Apolinarski, Beate/Poskowsky, Jonas/Kandulla, Maren/Netz, Nicolai (2012): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Hannover, S. 22 ff. Unter „Normalstudierende“ verstehen die Autoren Studierende, die sich im Erststudium befinden, hier in einem formellen Voll-zeitstudiengang eingeschrieben sind, außerhalb des Elternhauses wohnen und unverheiratet sind (62 % aller Studierenden).

11

12

2

8

5

9

14

1

10

4

0 2 4 6 8 10 12 14 16

BAföG

Nebenjob

Stipendium

Familie

Sonstiges

ohne Migrationshintergrund

Mit Migrationshintergrund

50

onen Defizite der Eltern mit Migrationshintergrund (Sprachprobleme, fehlendes Wissen über

die und geringes Engagement in den Schulstrukturen) ausgleichen müssen.

Von allen befragten Studierenden wird die Rolle von Familienangehörigen sowie Personen

aus dem eigenen sozialen Milieu im schulischen Werdegang als sehr wichtig bezeichnet,

insbesondere mit Blick auf die Motivation und Vorbildfunktion. Auffällig ist bei den Migranten-

familien eine hohe Bildungsaspiration, die sich in der nachdrücklichen Motivation ihrer Kinder

fortsetzt, nicht zuletzt für ein Hochschulstudium.

Der überwiegend nicht-akademische Hintergrund der Familien wirkt sich herkunftsübergrei-

fend in vielerlei Hinsicht aus, vor allem, weil eher wenig Unterstützung beispielsweise bei

Hausaufgaben geleistet werden konnte und das Engagement der Eltern in der Schule eher

gering war, wobei diese Tendenzen in Migrantenfamilien aufgrund der Sprachdefizite noch

ausgeprägter sind. Defizite wurden aber durch eine bemerkenswert hohe Motivation der Stu-

dierenden ausgeglichen.

Während die Unterstützung bei Hausaufgaben in der Grundschulzeit - besonders in Fami-

lien, in denen bereits die Eltern Bildungsinländer sind - noch funktionierte, nimmt sie im wei-

teren Bildungsverlauf ab. Unabhängig vom Bildungshintergrund des Elternhauses wird in

allen Untersuchungsgruppen hauptsächlich die Mutter als Schlüsselperson genannt, die

maßgeblichen Einfluss auf die schulische Entwicklung hatte. Bei den Türkeistämmigen

scheint die Rolle der Mutter noch einmal ausgeprägter zu sein. So heben sechs der sieben

Studierenden mit türkischem Migrationshintergrund die Rolle der Mutter beispielsweise wie

folgt hervor:

Meine Mutter hat mich stark motiviert und sogar in den ersten Klassen Nachhilfeun-terricht gegeben. Danach habe ich an anderen Orten Nachhilfe bekommen und viel mit Freunden zusammen gelernt.

Beispielhaft für die hohe Bildungsaspiration der Migrantenfamilien ist der Wunsch der Eltern

nach einem Medizinstudium:

Ich habe keine fachliche Unterstützung von meinen Eltern erhalten, aber dafür eine hohe Motivation durch meine Mutter für das Studium; sie wollte, dass ich Ärztin wer-de.

Dabei sind die Eltern häufig nicht darüber informiert, welche Anforderungen mit einem Studi-

um verbunden sind. So berichtet eine türkeistämmige Studierende, die ihre Sprachschwie-

rigkeiten durch ihre Einreise nach Deutschland im 6. Lebensjahr in der Vorschule kompen-

sieren konnte, dass trotz des Wunsches der Familie zur Aufnahme eines Medizinstudiums

die Entscheidung zugunsten eines Lehramtsstudiums fiel.

51

Auch die italienischen Studierenden weisen auf die besondere Rolle der familialen Unterstüt-

zung hin. Meist erfolgte diese in Form von Motivation, Hausaufgabenhilfe und der Nacharbeit

des Schulstoffes:

In der Grundschulzeit wurde ich hauptsächlich von meiner Mutter unterstützt, wie zum Beispiel bei den Hausaufgaben oder generell beim Lesen und Schreiben.

Trotz geringer Bildungsressourcen ist die Bildungsmotivation in den migrantischen Familien

hoch; die Kinder sollen durch erfolgreiche Schul- und akademische Abschlüsse ein besseres

Leben haben als sie selbst. Hier einige beispielhafte Aussagen:

Meine Mutter war streng im Hinblick auf den schulischen Werdegang. Sie wollte im-mer, dass ich studiere. Sie selbst hat keinen Abschluss, sie ist nach der 9. Klasse wegen der Arbeit abgegangen.

Meine Mutter hatte mich immer gepuscht, da sie immer so stolz auf mich war und nicht fassen konnte, dass ich das alles so schaffe. Deswegen war sie immer meine Motivation, da ich sie quasi glücklich mache mit meiner Schullaufbahn.

Meine Eltern haben mich durchgehend unterstützt, ich solle das Beste (aus meinem Leben) machen, da mein Bruder das Gymnasium nicht geschafft und die Realschule besuchte.

Meine Mama motivierte mich immer. Sie wollte, dass ihre Kinder es besser machen als sie und im Leben weiterkommen als sie selbst. Denn zur Arbeiterschicht zu gehö-ren, ist schwierig.

Die russischsprachigen Studierenden weisen aufgrund ihrer spezifischen Migrationsge-

schichte einen anderen schulischen Werdegang auf als die Nachkommen der ehemaligen

„Gastarbeiter“. Vier der sieben Befragten sind im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren nach

Deutschland emigriert. Durch diese relativ späte Migration entfiel die primarschulische Bil-

dung in Deutschland, was sich auf die Sprachkompetenz auswirkte und zu Schwierigkeiten

in der Schulkarriere führte:

In der Grundschule hatte ich schlechte Noten, besonders in Grammatik und Recht-schreibung. Die deutsche Sprache habe ich mir dann durch Freunde selbst beige-bracht.

Auffällig im Vergleich mit den anderen Herkunftsgruppen waren aufgrund der anderen Migra-

tionsgeschichte besondere Probleme unter russischsprachigen Studierenden nach ihrer Ein-

reise nach Deutschland. Anpassungsschwierigkeiten an das neue soziale Umfeld wurden

durch Informationsdefizite und Probleme bei der Integration der Eltern durch die Familie

kaum behoben. So berichtet eine Studierende, dass sie einen „Schock“ erlitt, als sie über

das dreigliedrige Bildungssystem erfuhr, womit sie zunächst selbst zurechtkommen musste,

da Hilfe durch den auch neu eingewanderten Vater nicht zu erwarten war - dieser war mit der

Arbeits- und der Wohnungssuche beschäftigt. Die Unterstützung des Vaters lag in der Moti-

52

vation, ihrem Traum eines Jurastudiums trotz der vorliegenden Widrigkeiten zu folgen. Nach

der Wiederholung der 9. Klasse auf der Hauptschule wechselte sie auf eine Schule mit inte-

griertem Sprachkurs und anschließend auf ein Gymnasium mit Internat, wo sie ihre Sprach-

kompetenzen ausbaute und nach ihrem Abitur den Hochschulzugang schaffte.

Trotz der anfänglichen Sprachschwierigkeiten ist aber die Unterstützung gerade der Mütter

auch in dieser Gruppe deutlich. Diese beschränkt sich hauptsächlich auf die Motivation, da

aufgrund von Sprachschwierigkeiten schulische Unterstützungsleistungen nicht ausreichend

geleistet werden konnten:

Ich habe noch zwei Schwestern, und unsere Eltern haben uns immer gepuscht. Sie meinten, wir müssen mehr lernen, wir müssen Abitur machen, wir müssen studieren. Für sie kam eine Ausbildung nicht in Frage, da sie selbst in Kasachstan versucht ha-ben, zu studieren, aber es nicht geschafft haben.

Die berufliche Situation der Mutter hat auf eine befragte Studierende eine abschreckende

Wirkung, was sie anspornte, mehr aus ihrem Leben zu machen:

Ich habe durch meine Mama gesehen, wie der Hausmeisterjob ist. Ich habe gesehen, der Job ist hart und habe mir gesagt: Mach was aus Dir.

Auch trotz migrationsbedingter Probleme motivieren die Eltern ihre Kinder, dennoch ein Stu-

dium aufzunehmen, auch wenn nur moralische Unterstützungen geleistet werden kann:

Ich wurde direkt auf die Hauptschule geschickt. Mein Vater hatte zudem Probleme bei der Immigration, der Arbeitsuche und der Wohnungssuche, weil er nicht kommu-nizieren konnte. Und hat uns so nur psychisch und moralisch unterstützt. Und zwar sehr.

Über Umwege hat die Befragte den Hochschulzugang aber dann geschafft und studierte

zum Zeitpunkt der Befragung Regionalstudien für Ost- und Mitteleuropa und Politikwissen-

schaften.

In der Kontrollgruppe der Studierenden ohne Migrationshintergrund gaben 13 von 19 Befrag-

ten an, familiale Unterstützung erhalten zu haben. Meist geschah dies in Form von finanziel-

ler Hilfe oder bei den Hausaufgaben. Darüber hinaus ist die Motivation und Förderung durch

die Eltern, oft die Mutter, auch unter den Herkunftsdeutschen von Bedeutung, ohne dass

aber die Betonung des Hochschulstudiums so ausgeprägt war wie unter den Migranten. So

berichtet ein Studierender.

Auf jeden Fall sind meine Eltern eine große Unterstützung, da sie jederzeit bereit sind, mir zu helfen und haben auch immer ein offenes Ohr. Zudem unterstützen sie mich finanziell, so dass ich mir auch die eigene Wohnung leisten kann.

53

Ein herkunftsdeutscher Studierender berichtet über die Vorbildfunktion des Vaters, der aus

einfachen Verhältnissen kommend durch Weiterbildung einen beruflichen Aufstieg erreichen

konnte, was sich positiv auf die Bildungsmotivation des Kindes ausgewirkt hat.

Mein Vater kam aus einer sehr armen Familie, dementsprechend war es früher auch üblich, dass man auf die Hauptschule gehen musste. Er hat sich aber kontinuierlich hochgearbeitet und hat nach der Hauptschule im Berufskolleg weiter gemacht und dazu noch seine Ausbildung beendet. Das war für mich ebenfalls sehr inspirierend, dass er stetig seinen Weg gegangen ist.

Insgesamt ist zu konstatieren, dass mit der Migrationserfahrung eine besondere Bildungsas-

piration verbunden ist, die aber in den Familien nicht immer effektiv umgesetzt werden kann.

Sprachbedingte Schwierigkeiten der Unterstützung der Kinder kommen graduell im Verlauf

der Schulkarrieren immer stärker zum Tragen. Speziell die gewanderten Familien verbinden

sozialen Aufstieg mit einem Hochschulstudium, ohne dass damit immer detaillierte Kenntnis-

se über Voraussetzungen und Anforderungen verbunden sein müssen. Trägerinnen der Bil-

dungsmotivation sind überwiegend die Mütter, was übrigens auch für die nicht gewanderte

Gruppe, aber am stärksten unter den Türkeistämmigen, gilt. Es zeigt sich, dass die Dauer

der Ansässigkeit der Familie in Deutschland einen sehr deutlichen Effekt auf die Möglichkeit

der schulischen Begleitung der Kinder sowie auf ihren Schulerfolg haben kann.

Vorbilder in Familien und Verwandtschaft

Häufiger als bei den Herkunftsdeutschen übernehmen Angehörige oder auch Menschen aus

dem sozialen Umfeld bei den Befragten mit Migrationshintergrund neben den Eltern eine

Orientierungs- und Vorbildfunktion für die Kinder. Von drei türkeistämmigen, fünf russisch-

sprachigen und zwei italienischen Studierenden wurden entweder Geschwister oder Ver-

wandte wie Onkel und Tanten als wichtige Vorbilder im Bildungsverlauf genannt. Die Ver-

wandten helfen bei der Überbrückung von Sprachschwierigkeiten, andere nahe Verwandte

oder ältere Geschwister werden als Vorbilder und Wegbereiter genannt.

Mein Onkel ist 28 Jahre alt und Dozent in Mailand und ist im Hinblick auf Bildung die wichtigste Person in unserer Familie, da er ein Vorbild ist.

Auch türkeistämmige Studierende greifen auf familiale Vorbilder zurück, die die Möglichkei-

ten eines Studiums und akademischen Berufs vorleben und aufzeigen, dass ein Bildungs-

aufstieg für Migrant*innen möglich ist:

Meine Tante und ihr Ehemann sind Vorbilder, da sie auch im Lehramt tätig sind und einen hohen Lebensstandard haben.

Im folgenden Fall hat der Onkel einer russischsprachigen Studierenden mögliche Ausbil-

dungswege aufgezeigt. So ging die Befragte über die Hauptschule zunächst auf die höhere

54

Handelsschule, um anschließend eine Ausbildung zur Industriekauffrau und währenddessen

eine Weiterbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin zu absolvieren. Später studierte sie

Betriebswirtschaftslehre:

Mein Onkel war ein Vorbild für mich, weil ich durch ihn auf die Verwaltungs- und Wirt-schaftsschule gekommen bin. Dann wollte ich auch eine Ausbildung zum Industrie-kaufmann machen, habe es auch nach dem Fachabitur gemacht und wollte danach auf der Fachhochschule Betriebswirtin studieren.

Geschwister spielen bei allen befragten Gruppen als Vorbilder eine Rolle. Dabei sind es häu-

fig ältere Schwestern oder Brüder, die als erste aus der Familie den Hochschulzugang er-

reicht haben und damit den Weg für die nachkommenden Geschwister öffneten, wie den

folgenden Aussagen zu entnehmen ist:

Meine große Schwester war in der Schulzeit ein Vorbild, da sie gut in der Schule war und immer auf mich aufgepasst und mich unterstützt hat.

Mein älterer Bruder war ein Vorbild, der an einem Gymnasium war und auch Lehramt studierte, der mich motivierte. Seine Noten waren besser und meine Eltern hatten bei ihm mehr Hoffnung als bei mir.

Vorbild war meine große Schwester wegen ihres Charakters und ihrer Kompetenzen; sie ist angehende Lehrerin.

Ein weiterer Studierender ohne Migrationshintergrund berichtet über familiale Vorbilder, die

anhand ihrer eigenen Biographie den Befragten motiviert und ihm vorgelebt haben, dass

Ziele im Leben erreichbar sein können. Der Auslandsaufenthalt seines Bruders war Anlass

für diesen Studierenden, auch eine Auslandserfahrung zu suchen, während der Cousin be-

reits mit 16 Jahren trotz des frühen Todes seines Vaters sein eigenes Unternehmen gründe-

te und damit erfolgreich war:

Mein Onkel (also der Vater von meinem Cousin) ist gestorben, da war mein Cousin eben 16 Jahre alt und mein Vater war auch für ihn so etwas wie ein Vater. Das hat mich inspiriert, dass er mit 16 Jahren nach dem Tod seines Vaters auch selbständig wurde.

Familienangehörige haben also für die Studierenden, speziell mit Migrationshintergrund, eine

wichtige Vorbildfunktion übernommen, selbst einen Bildungsaufstieg anzustreben. Sie führen

vor, dass ein gesellschaftlicher Aufstieg durch Bildung möglich und erstrebenswert ist, was

auf die Studierenden motivierend wirkt.

Schulischer Werdegang / Hochschulzugang

Unterschiede zwischen den Studierenden mit und ohne Migrationshintergrund zeigen sich

beim Übergang auf die weiterführende Schule, indem der Wechsel auf das Gymnasium unter

55

den Herkunftsdeutschen deutlich häufiger ist als unter den Migrant*innen, dort wiederum

besonders selten unter den russischsprachigen Studierenden. Unter den Studierenden mit

Migrationshintergrund haben sechs eine Hauptschul-, elf eine Realschul- und drei eine Gym-

nasialempfehlung erhalten, wobei nicht alle Studierenden den Empfehlungen gefolgt sind

und entweder wegen möglicher Überforderung auf eine „niedrigere“ oder durch die Interven-

tion der Eltern auf eine „höhere“ Schulformen gewechselt haben.

Der Übergang war schwierig, da ich eine Empfehlung für die Hauptschule bekommen hatte, aber meine Mutter sich für die Annahme an der Realschule eingesetzt hat. Zu-erst dachte sie, dass ich es nicht schaffen werde, da ich eine Empfehlung für die Hauptschule bekommen hatte. Auch da hat meine Mutter stark motiviert.

In der Vergleichsgruppe der Herkunftsdeutschen sind die Empfehlungen sehr viel häufiger

für das Gymnasium ausgesprochen worden, das dann entweder nach der Grundschule oder

nach der Orientierungsstufe50 besucht wurde. Von den 19 Befragten erhielt nur eine Person

eine Hauptschulempfehlung, der er auch bis zur 7. Klasse folgte um anschließend auf eine

„höhere“ Schulform zu wechseln. Zehn Befragte erhielten eine Gymnasialempfehlung und

gingen entweder nach der vierten Klasse (8) bzw. nach der Orientierungsstufe (2) auf ein

Gymnasium. Zwei weitere Befragte bekamen zuerst eine Realschulempfehlung, gingen aber,

entweder nach erneuter Absprache mit dem Klassenlehrer oder auf eigene Veranlassung,

auf ein Gymnasium. Vier weitere Befragte erhielten eine Realschulempfehlung und wechsel-

ten auch auf eine Realschule, nur zwei der Befragten erhielten eine Empfehlung für die Ge-

samtschule und wechselten dorthin. So wechselten 12 der 19 herkunftsdeutschen Studie-

renden direkt auf das Gymnasium, während es unter den Studierenden mit Migrationshinter-

grund nur zwei aus Italien und je ein*e Studierende*r mit Wurzeln in der Türkei bzw. der

ehemaligen Sowjetunion waren.

Abbildung 10: Übergang von der Grundschule auf die Sekundarstufe I (Fallzahlen)

50

Die Orientierungsstufe schließt die Klassen 5 und 6 ein und existierte vormals in einigen Bundesländern.

1

0

3

1

5

2

4

0

0

6

4

2

2

4

12

12

1

1

2

16

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

Herkunftsdeutsche

Türkeistämmige

Russischsprachige

Italienische

Gesamt

Gymnasium

Realschule

Gesamtschule

Hauptschule

56

Die Erfahrungen aller befragten Studierenden im Übergang in die Sekundarstufe I reichen

von durchgehender Unterstützung insbesondere durch Lehrer*innen bis hin zu Demotivation

und Empfehlungen für die Hauptschule, denen die Schüler*innen und ihre Eltern nicht immer

folgten. Unmittelbar migrationsbedingte Schwierigkeiten wie insbesondere Sprachdefizite

traten hauptsächlich unter russischsprachigen Studierenden durch ihre späte Einwanderung

auf; sie erhielten überwiegend eine Hauptschulempfehlung (4), wobei drei dann auch auf die

Hauptschule wechselten:

Ich wurde direkt auf die Hauptschule geschickt. Mein Vater hatte zudem Probleme bei der Immigration, der Arbeitsuche und der Wohnungssuche, weil er nicht kommunizie-ren konnte. Und hat uns so nur psychisch und moralisch unterstützt. Und zwar sehr.

Die anfänglichen Sprachdefizite der russischsprachigen Befragten wurden auf unterschiedli-

chen Wegen überwunden. Während zwei Befragte sich Deutsch eher autodidaktisch beige-

bracht haben, nannten zwei weitere Studierende die Lehrer*innen oder auch Freunde als

große Unterstützung, ohne an systematischen Angeboten zur Sprachqualifizierung teilge-

nommen zu haben. Zwei andere russischsprachige Studierende wurden zunächst in die

sechste Klasse eingeschult, obwohl sie in Russland die 7. Klasse besucht hatten. Tendenzi-

ell haben die Sprachdefizite passives Verhalten im Unterricht, aus Angst vor Fehlern, be-

günstigt.

Exemplarisch berichtet eine Studierende von ihren Erfahrungen, in dem ihr Selbstbewusst-

sein unter der Behandlung durch den Lehrer stark gelitten hat. Die Schülerin hat die 7. Klas-

se der Orientierungsstufe zwei Mal wiederholen müssen und wurde anschließend auf der

Realschule eingeschult.

Trotz der Sprachdefizite bewerten die Studierenden den Schulstoff als bewältigbar, so dass

etwa ein Studierender aufgrund seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten

am Ende der 10. Klasse einen Notendurchschnitt von 1,7 hatte.

Die Rolle der Lehrer*innen

Neben den Eltern haben die Lehrer*innen im Bildungswerdegang der befragten Studieren-

den erwartungsgemäß herkunftsübergreifend eine sehr wichtige Funktion, die auf die Schü-

ler*innen motivierend und konstruktiv, aber, wie oben schon angedeutet, auch diskriminie-

rend und destruktiv wirken kann. Die Migrantenorganisationen berichteten in diesem Kontext

oft von negativen Erfahrungen, da sie zumeist erst in Konfliktsituationen zwischen Leh-

rer*innen und Familien eingreifen.

57

Die Mehrheit der befragten Studierenden mit Migrationshintergrund ist mit den Lehrer*innen

insgesamt zufrieden und attestiert ihnen auch über die Lehre hinaus ein hohes Maß an En-

gagement für ihre - ja eben auch erfolgreiche - Schulkarriere. Die Motivation durch Lehrper-

sonen hat zudem unter drei Studierenden dazu geführt, den Lehrerberuf als Wunschberuf

auszuwählen und Lehramt zu studieren. Herkunftsübergreifend heben die Studierenden die

Rolle der Lehrperson hervor, wie in den folgenden Aussagen deutlich wird:

In der Grundschule war meine Klassenlehrerin ein Vorbild für mich. Sie hat mich ein we-nig aus der Komfortzone rausgebracht, in dem sie mir mehrere und spezielle Aufgaben gab.

Meine Spanisch-Lehrerin im Abitur war für mich ein Vorbild. Weil sie jung und sehr schlau ist, ihren Doktor macht, sehr nett und hilfsbereit ist und auch Interesse an den Schülern zeigt.

Auf dem Gymnasium war mein Deutschlehrer ein Vorbild für mich, weil er gemerkt hatte, dass ich faul war und manchmal Scheiße gebaut hatte. Indem er mir präventiv immer Aufgaben gab, die mit dem Schulstoff nichts zu haben, hat er dafür gesorgt, dass ich mich wieder auf die wichtigen Dinge in der Schule konzentriere.

Auch berichten russischsprachige Studierende über positive Erfahrungen besonders zu Be-

ginn ihres Aufenthalts in Deutschland. Leistungsschwächen haben die Lehrer*innen durch

eine besondere Ansprache der Schüler*innen, durch Motivation und zusätzliche Aufgaben

entgegenwirken können:

Von den Lehrern wurde ich auch sehr unterstützt. Sie haben mich ständig gepuscht. Du brauchst dich nicht zu schämen.

Auch türkeistämmige Studierende berichten weitgehend positiv über ihre Erfahrungen mit

Lehrer*innen, zu denen auch ihre Türkischlehrer zählen, die sie für den Hochschulzugang

motiviert haben oder anhand außerschulischer Maßnahmen förderten. Dazu zählen u.a. Be-

suche von Bibliotheken, regelmäßige Gespräche mit den Eltern oder Nachhilfeleistungen:

Mein Mathelehrer hat sich mit mir für einen Nachmittag zusammengesetzt und ist mit mir alle Themen einmal durchgegangen und hat diese besprochen, hat aber auch da-zu Übungsaufgaben verteilt. Dies haben wir zwar nur einmal gemacht, aber dann hat es dann geklappt.

Ähnlich positive Erfahrungen mit Lehrer*innen machten auch herkunftsdeutsche Studieren-

de:

In der Grundschule hatte ich ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Klassenlehrerin, sie mochte mich sehr und hat mich sehr gut unterstützt. Zur Sprachoptimierung hat mei-ne Klassenlehrerin mich zur Sprachschule geschickt, damit ich mein Deutsch noch weiter verbessern kann.

Auf die positiven Folgen eines konstruktiven Dialogs zwischen Eltern und Lehrer*innen für

den schulischen Werdegang und die ausgesprochenen Empfehlungen wurde bereits in den

58

Experteninterviews mit den Migrantenorganisationen eingegangen. Dies findet sich auch in

den problemzentrierten Interviews wieder:

In der Grundschule hatte ich eine Klassenlehrerin, die sehr forciert auf gute Noten war und zudem auch streng benotet hat. Da meine Eltern in meine schulische Lauf-bahn so involviert waren, hatten sie eine gute Kommunikation zu den Lehrern.

Es ist jedoch auffällig, dass die Befragten mit Migrationshintergrund sehr viel engagierter das

Verhalten ihrer Lehrer*innen thematisieren, für herkunftsdeutsche Schüler*innen scheinen

die Lehrer*innen insgesamt weniger bedeutend gewesen zu sein. Dies lässt vermuten, dass

Schüler*innen aufgrund ihres Migrationshintergrundes stärker im Fokus der Lehrer*innen

stehen und dadurch häufiger über von den Erwartungen abweichende Erfahrungen berich-

ten. Die Erfahrungen mit den Lehrer*innen haben bei einigen Studierenden für den weiteren

Bildungs- und Berufsweg eine entscheidende Rolle gespielt, indem einige Studierende we-

gen ihrer positiven Beziehungen zu den Lehrer*innen bestimmte Studienfächer, gegebenen-

falls auch im Rahmen des Lehramts, wählten:

Meine Biolehrerin hat mich gepuscht, was ab der 7/8 Klasse hinzukam. Diese war die wirklich auschlaggebende Person, um Biologie zu studieren. Meine Lehrerin war von ihrem Verhalten her sehr motivierend. Ich habe sie dann auch darauf angesprochen, ob sie mir etwas mehr zu Biologie erzählen kann, da ich sehr an Biologie interessiert war. Das haben wir dann bis zum Abitur weiter gemacht.

Trotz der allgemeinen Zufriedenheit mit den Lehrer*innen berichten dennoch einige Studie-

rende mit türkischem und russischem Migrationshintergrund über Benachteiligungen, die

sich an fehlenden Sprachkompetenzen oder anderen Merkmalen festmachten und als aus-

grenzend empfunden wurden. Konkret wird über Hauptschulempfehlung wegen vermeintlich

fehlenden Potenzials oder die Empfehlung einer Ausbildung statt eines Hochschulstudiums

berichtet, womit die Befragten nicht einverstanden waren.

Probleme mit Migranten und auch mit mir. Schlechte Noten und demotivierende Aus-sagen, wie z.B. „Aus Dir wird nichts.

Lehrer haben mir in der weiterführenden Schule eine Ausbildung empfohlen, u.a. gab es auch deshalb Probleme mit Lehrern.

In der 2. Klasse und in der 5. Klasse. Herabwerfende Blicke, wenige Gespräche. Schlechte Noten im Gymnasium. Es war wegen meiner Herkunft.

Auf der Realschule wurde ich von den Lehrern diskriminiert mit Sprüchen wie „Was suchst du hier? Du kannst nicht einmal Deutsch!“

Ja, zwei Lehrer an der höheren Handelsschule haben diskriminierende Sprüche wie „Immer diese Ausländer!“ an männliche Schüler gemacht.

59

Unabhängig des konkreten Migrationshintergrundes fällt insgesamt auf, dass unter den

Schüler*innen aus gewanderten Familien eine besondere Sensibilität für ihr Verhältnis zu

Lehrer*innen besteht. Neben der Bedeutung der Lehrkräfte als Kompensation für fehlende

Unterstützungsmöglichkeiten durch die Familien oder als Vorbilder messen die Jugendlichen

mit Migrationshintergrund positiven und negativen Erfahrungen mit den Lehrer*innen ten-

denziell größere Bedeutung als die Herkunftsdeutschen zu.

Die Rolle der Bevölkerungsstruktur in den Schulquartieren

Die soziale und ethnisch-kulturelle Bevölkerungsstruktur der Schulquartiere von Studieren-

den mit Migrationshintergrund war aus der Sicht der befragten Studierenden mit Migrations-

hintergrund zumeist zwar durchmischt, aber doch eher durch einen hohen Migrantenanteil

und Arbeitermilieus geprägt. Gerade dieser Umstand war für einige von ihnen einer der

Gründe für die Aufnahme eines Studiums, um durch Bildung den sozialen Aufstieg zu schaf-

fen. So beantworteten beispielsweise die türkeistämmigen Studierenden die Frage nach der

sozialen Lage, dem Migrantenanteil und der Arbeitslosigkeit im Stadtteil, in dem die weiter-

führende Schule lag, exemplarisch wie folgt:

Gesamtschule war in der Stadtmitte, wo viele Migrantenkinder und aus der Arbeiter-klasse waren. Das Niveau der Migranten war ein Ansporn für mich, besser zu wer-den.

Die schlechten Lebensverhältnisse waren Ansporn für mich, bessere Leistungen zu erbringen.

Einen tollen Status hat Herne, finde ich, nicht, hoher Migrantenanteil ist ebenfalls vor-handen. Außerdem haben viele, glaube ich, einen geringen Lohn.

Es gab jedoch auch andere Erfahrungen:

Die weiterführende Schule war in einem Dorf mit 4000 Einwohnern; überwiegend Herkunftsdeutsche und ich war die einzige Ausländerin.

Ein hoher Migrantenanteil muss aber auch nicht zwangsläufig mit einer schlechten sozio-

ökonomischen Lage verbunden sein:

Das soziale Umfeld war durchmischt, es war ein normales Umfeld. Aber die Haupt-schule, die ich zunächst besuchte, war sehr schlecht und ich war sehr unzufrieden, obwohl sie einen guten Ruf hatte. Das Gymnasium war in Bielefeld und der Anteil war sehr durchgemischt, prozentual evtl. 70% Deutsche und 30% Migranten. Generell würde ich sagen, dass es eine gehobene Mittelschicht war, die hier wohnhaft war.

60

Der überwiegende Teil der befragten russischsprachigen Studierenden berichtet über einen

hohen Anteil an Migranten, der sich hauptsächlich aus Schüler*innen russischer, polnischer

und türkischer zusammensetzt:

In der Hauptschule war der Migrantenanteil sehr hoch und die Arbeitslosigkeit auch; es war eher ein sozial schwaches Milieu.

Auch die herkunftsdeutschen Studierenden berichten überwiegend über ethnisch durch-

mischte Schul- und Wohnquartiere, die zumeist durch das Arbeitermilieu geprägt waren. Ein

hoher Migrantenanteil wird dabei von einigen durchaus kritisch und als Belastung geschil-

dert, analog zur Wahrnehmung der Studierenden mit Migrationshintergrund, aber aus auf-

nahmegesellschaftlicher Perspektive und ohne den Motivationseffekt zum sozialen Aufstieg.

Eine Studierende berichtet:

Es war ein Viertel, in dem viele Migranten gewohnt haben. Es war zudem ein Stadt-teil, der sehr verpönt war, da dort viele Migranten lebten. Man hat oft Geschichten gehört, wo es Feiern und somit auch Ärger gab. Auf die Schule hat sich das nicht wirklich ausgewirkt, jedoch hat man schon gespürt, dass es auch dort soziale Span-nungen gab. Man hat auch gemerkt, dass sich viele für diese Migranten geschämt haben.

Die ungleiche Verteilung der Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund auf die

Schulformen wird auch durch eine Studierende wahrgenommen:

Im Stadtteil lagen das Gymnasium und die Gesamtschule nebeneinander. An der Gesamtschule gab es mehr Schüler mit Migrationshintergrund, auf dem Gymnasium gab es weniger Migranten.

Zwei weitere Befragte schildern andere Erfahrungen im Hinblick auf die soziale und ethni-

sche Struktur des Gymnasiums:

Das zweite Gymnasium war mitten in der Stadt, da war es gemischter im Hinblick auf Nationalitäten; trotzdem gab es viele Elite-Schüler, es war überdurchschnittlich.

Es war sehr gemischt in dem Stadtteil und der Migrantenanteil war zudem hoch. In der Nähe unserer Schule war eine Hochhaussiedlung und da waren auch oft Randa-le, allgemein war der [soziale] Status jedoch etwas höher. Zusätzlich war der Status der Schule auch höher als der der anderen Schulen in der Umgebung.

Die Sozialstruktur der Schüler*innen in den Schulen im ländlichen Raum wird mitunter als

diverser empfunden als in den größeren Städten. Die Schulbezirke sind aufgrund der gerin-

geren Bevölkerungsdichte im ländlichen Raum weiträumiger, zudem existieren kaum sozial

oder ethnisch segregierte Quartiere, in denen weiterführende Schulen liegen. Dadurch mel-

den sich Schüler*innen aus unterschiedlichen Sozialmilieus auf denselben weiterführenden

Schulen an:

61

Von meinem Wohnort aus lag das Gymnasium knapp zwanzig Kilometer entfernt. Auf die Schule gingen zu fünfzig Prozent Kinder aus Arbeiterfamilien und zu den anderen fünfzig Prozent gehörten Kinder aus Akademikerfamilien, deren Eltern Arzt oder ähn-liches waren.“

Die Interviews zu diesem Punkt lassen den Schluss zu, dass segregierte Quartiere bei Stu-

dierenden mit Migrationshintergrund eher den Wunsch nach sozialem Aufstieg hervorrufen,

während ein solcher Effekt bei den Herkunftsdeutschen nicht kenntlich wird. Zugleich wird

aber auch deutlich, dass die Identifikation hindernder- oder fördernder Effekte für konkrete

Quartiere kompliziert ist und viel von subjektiven Wahrnehmungen der Studierenden ab-

hängt.

Entscheidung zum Übergang in die Hochschule

Von allen befragten 39 Studierenden haben sich 30 sehr früh für ein Studium entschieden

(16 Herkunftsdeutsche, 14 Migranten*innen). Nur wenige waren sich während der Sekundar-

stufe II noch nicht im Klaren über den weiteren Bildungsverlauf nach dem Abitur (insgesamt

9). Der häufigste Anreiz bestand in dem Wunsch, einen gesellschaftlichen Aufstieg durch

einen akademischen Abschluss zu erreichen. Außerdem sind ein höheres Einkommen, ein

Wunschberuf, aber mitunter auch Orientierungslosigkeit nach dem Abitur bedeutende Fakto-

ren für die Studienwahl. Die Entscheidungsgründe für die Aufnahme eines Studiums und die

Studienfachwahl hängen auch von den Erfahrungen im schulischen Werdegang z.B. mit Leh-

rern ab, wie oben schon dargestellt.

Der Wunsch nach gesellschaftlichem Aufstieg - sowohl seitens der Eltern als auch seitens

der Studierenden selbst - ist eine starke Motivation bei den Studierenden mit Migrationshin-

tergrund, um mit einem hochqualifizierenden Abschluss ein besseres Leben führen zu kön-

nen:

Mir ist ein Abschluss wichtig, um im Leben weiterzukommen und gesellschaftlich auf-zusteigen. Alternativen zum Studium gab es nicht.

Mein Antrieb war, dass meine Eltern nie viel Geld verdient haben und ich in dem Punkt nicht wie sie sein wollte.

Wollte etwas in meinem Leben erreichen und ich war gewohnt, immer zu lernen. Ich hatte viele Hürden im Leben, begann immer kurzzeitig eine Tätigkeit aufzunehmen, wo ich dann aber scheiterte. Daher stieg die Motivation für das Studium an.

Der Wunsch nach gesellschaftlichem Aufstieg durch eine akademische Ausbildung ist unter

den herkunftsdeutschen Studierenden ähnlich vorhanden und analog motiviert – was ange-

62

sichts der Auswahl der Gruppe (Studierende) nicht überrascht. So lassen sich die Studieren-

den ohne Migrationshintergrund wie folgt ein:

Ich wollte auf jeden Fall studieren. Der Grund dafür ist, dass ich aufgrund meiner Kindheit schon immer mehr erreichen wollte, auch um aus dem sozialen Milieu raus-zukommen. Ab der zehnten Klasse hatte ich bereits darüber nachgedacht.

Ich studiere aufgrund meines Wissensdurstes und weil ich dadurch natürliche besse-re Verdienstmöglichkeiten habe. Gerade die Naturwissenschaft ist mein Interessens-gebiet. Zudem ist es natürlich ein anderes Gefühl, wenn man einen höheren Bil-dungsstatus hat, z.B. wenn man einen Doktor-Titel erreicht. Es ist schon eine Überle-genheit gegenüber anderen.

Außerdem steht unter einigen Studierenden auch ein klarer Berufswunsch im Vordergrund,

der nur durch eine Aufnahme eines Hochschulstudiums erreicht werden kann. Häufig führen

Erfahrungen während der Bildungskarriere zu diesen klaren Entscheidungen. Die Wahl des

Lehrerberufs wird durch eine herkunftsdeutsche Studierende beispielsweise mit persönlichen

Erfahrungen aus der Schulzeit begründet:

In der Oberstufe habe ich einige Male Nachhilfeunterricht gegeben und habe so be-merkt, dass ich eine Vorliebe für das Unterrichten habe. Daher wollte ich unbedingt Lehrer werden.

Bei einer italienischen Studierenden bestand ihre Mutter auf ein Studium als alternativlos,

zudem war ihr Kunstlehrer für sie ein wichtiges Vorbild bei der Entscheidung für ein Lehr-

amtsstudium:

Seit der weiterführenden Schule wollte ich Lehrerin werden, meine Kunstlehrer war hier ein wichtiges Vorbild.

Aber auch Negativerfahrungen können eine Rolle spielen:

Ich habe Spaß am Lernen und möchte eine bessere Lehrerin sein als meine eigenen Lehrer.

Für die Entscheidungsfindung bei der Studienwahl sind auch Erfahrungen während der

Schulzeit wichtig, die anhand von Praktika oder durch Hochschulbesuche gesammelt werden

können. So berichten mehrere Studierende über solche Erfahrungen, die dazu geführt ha-

ben, sich für eine akademische Ausbildung oder aber konkret für einen Beruf zu entschei-

den:

Durch das Praktikum in der 11. Klasse in einer Förderschule habe ich mich eigentlich für das Studium (des Lehramts) entschieden.

Ich habe nach dem Praktikum während der Schulzeit auf dem Gebiet der Biologie mich entschieden, dieses Fach zu studieren, weil ich auch den Umgang mit Tieren mag.

63

Während eines Praktikums im Rathaus, im Standesamt in der 9. Klasse kam die Vor-liebe für Recht und Ordnung zum Vorschein; deswegen auch der Studiengang Jura.

Weiteres Argument für die Entscheidung für ein Studium war der Wunsch nach tiefergehen-

der Bildung bzw. „Wissendurst“:

Ich hatte großes Interesse an diesem Bereich der Gesundheitsökonomie und sehe dort eine sichere Zukunft. Deswegen wollte ich mich weiterbilden und eine Ausbil-dung wäre da nicht so tief in der Materie wie ein Studium. Auch ein duales Studium kam nicht in Frage, weil es extrem zeitintensiv ist.

Ich wusste zwar nicht, was ich mit diesem Studiengang nach dem Ende machen kann, aber mein Wissensdrang war der Grund für das Beginnen mit dem Studium.

Mehrere Studierende entschieden sich für ein Studium, weil sie unter den Ausbildungsberu-

fen keinen für sie passende finden konnten bzw. nicht wussten, in welchem Berufsfeld sie

sich hätten ausbilden lassen können.

Ich wusste nicht, was ich außer einem Studium machen soll. So dachte ich, dass ich nach dem Studium viele Möglichkeiten habe.

Der Übergang von der Sekundarstufe II auf die Hochschule

Der Übergang auf die Hochschule nach dem Abitur verlief bei den russischsprachigen und

italienischen Studierenden eher über Umwege, da sie nach dem Abitur häufig eine Ausbil-

dung, Praktika oder Weiterbildung absolviert haben.

Einschlägige Beratungs- und Informationsangebote an den Schulen waren zwar acht Studie-

renden mit Migrationshintergrund bekannt, wurden aber nur von vier Personen wahrgenom-

men und als ineffektiv bewertet. Unter den herkunftsdeutschen Studierenden hat knapp die

Hälfte (9) an Angeboten wie Projektwochen, „Tagen der offenen Tür“ oder an „Informations-

veranstaltungen im Berufsinformationszentrum“ teilgenommen, die aber von den Studieren-

den ebenfalls als „ineffektiv“ oder „langweilig“ bezeichnet werden:

In der Oberstufe konnte man einmal den Tag der offenen Tür bei Universitäten besu-chen, doch da musste man sich auch selbst darum kümmern. Man hat dafür frei be-kommen. Ansonsten gab es keine Möglichkeiten in der Oberstufe.

Die Tagung im BIZ hat nicht geholfen, außerdem zwei weitere Veranstaltungen in der Schule, die auch nicht effektiv waren.“

Von den russischsprachigen Studierenden hat nur einer direkt nach dem Abitur mit dem

Hochschulstudium begonnen, drei haben zunächst eine Ausbildung, eine Weiterbildung bzw.

ein Praktikum absolviert. Weitere drei absolvierten ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ver-

folgten eine ehrenamtliche Tätigkeit, um praktische Erfahrungen zu sammeln, die Wartezeit

64

für die Anhebung des Numerus Clausus (NC) zu nutzen oder Geld anzusparen. So berichtet

eine Studierende, dass der zunächst erlernte Beruf nach ihrer Ausbildung für sie nicht mehr

attraktiv war, weshalb sie sich zu einem Studium entschloss. Eine andere Studierende hat

nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung absolviert, und erst danach aufgrund ihres im

Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeit entdeckten politischen Interesses Politikwissenschaf-

ten studiert. Ähnliche Muster zeigen die italienischen Studierenden. So hat nur eine Studie-

rende nach dem Abitur nahtlos mit dem Studium begonnen. Die übrigen absolvierten den

Zivildienst, mussten auf Grund finanzieller Engpässe einem Nebenjob nachgehen oder such-

ten zuerst einen Ausbildungsplatz.

Die türkeistämmigen Studierenden haben größtenteils direkt nach dem Abitur das Studium

aufgenommen. Nur ein Studierender hat stattdessen seinen Zivildienst in einem Kindergar-

ten absolviert und dabei Interesse an Erziehungsberufen entwickelt, wobei er im Anschluss

zwar ein Ausbildungsangebot des Kindergartens ablehnte, aber ein Lehramtsstudium auf-

nahm. Eine Studierende besuchte einen vierwöchigen Sprachkurs in England, während drei

weitere Studierende sich nach dem Abitur einen Auslandsaufenthalt gewünscht hätten, aber

aus unterschiedlichen Gründen nicht antreten konnten.51 Allerdings erwies sich der direkte

Zugang zum gewünschten Studienfach wegen des NCs für vier der sieben Befragten als

schwierig, indem sie erst in einem späteren Semester in ihren Wunschstudiengang nachrü-

cken konnten.

Die Gruppe der Herkunftsdeutschen unterscheidet sich von den Studierenden mit Migrati-

onshintergrund nicht wesentlich. So haben einige Studierende die Zeit nach dem Abitur

durch ein Freiwilliges Soziales Jahr, Praktika oder Nebenjobs verbracht, um Geld zu verdie-

nen oder praktische Erfahrungen zu sammeln, die im Studium als Leistungsnachweise ein-

gebracht werden konnten.

Über Orientierungsschwierigkeiten zu Studienbeginn beklagt sich etwa die Hälfte aller be-

fragten Studierenden. Probleme entstanden vorwiegend mit der Verwaltung etwa bei der

Immatrikulation, im Rahmen von Aufnahmeprüfungen und Leistungsanerkennungen.

Insgesamt kommen durchaus Orientierungsschwierigkeiten beim Übergang zur Hochschule

zum Tragen, die praktischer Natur sein können, aber auch mit fehlenden finanziellen Vo-

raussetzungen oder mangelnder Berufsorientierung zu tun haben können. Diese Probleme

scheinen nicht in erster Linie herkunftsbestimmt zu sein. Vielmehr ist davon auszugehen,

51

Hier werden finanzielle und familiäre Gründe genannt, indem die finanziellen Mittel nicht ausreichend vorhanden waren oder beispielsweise die Eltern einen Auslandsaufenthalt der Tochter ablehnten.

65

dass ein eventuell erhöhter Unterstützungsbedarf auf den nicht-akademischen Hintergrund

der Familien zurückgeht.

Schwierigkeiten im Hochschulstudium

Bezogen auf Schwierigkeiten zu Beginn ihres Studiums thematisieren viele der Studierenden

mit und ohne Migrationshintergrund das Zurechtkommen im Hochschulbetrieb. Es fehlten

Informationen über Abläufe an der Universität, über Strukturen und Erstellung von Lehrplä-

nen oder auch über Möglichkeiten, sozialen Anschluss zu finden, wie eine türkeistämmige

Studierende berichtet:

Ich hatte große Hürden am Anfang, da es keinen Akademiker im sozialen Umfeld gibt und ich hatte kaum Informationen über Abläufe an der Uni.

Dies führte oft zu einer verstärkten Suche nach Unterstützungsmöglichkeiten bei Dozenten,

Verwaltungsangestellten oder in den Fachschaften. Ein Studierender berichtet über die Ori-

entierungswoche an der Universität, an der er teilgenommen hat. Dies hat den sozialen An-

schluss an die Kommilitonen gestärkt und den Studieneinstieg erleichtert.

Darüber hinaus sind die Einhaltung der Regelstudienzeit, Schreib- und Sprachprobleme,

Hausaufgaben, Umfang und Niveau der Inhalte und die Finanzierung als Problembereiche

im Studienverlauf genannt worden, wobei einzelne dieser Punkte zusammenhängen können.

Viele Studierende mit Migrationshintergrund sind der Meinung, dass sprachliche Defizite im

Deutschen ein Studium erschweren. Betroffene sind verunsichert bei der Erstellung von

Hausarbeiten, Sprachdefizite erschweren den Kontakt zu Dozierenden und verstärken die

Angst vor Prüfungen. So berichtet eine russischsprachige Studierende, dass sich ihr Ba-

chelorstudium um zwei Semester verlängert hat, da sie Schwierigkeiten mit Hausarbeiten

und dem Niveau der Inhalte aus den Seminaren hatte. Zur Behebung von Schreibschwierig-

keiten haben mehrere Studierende an Schreibwerkstätten teilgenommen und holten Unter-

stützung bei der Erarbeitung von Hausarbeiten.

Meine Schwester hat dies empfohlen und ich habe es bis zum dritten Semester wei-tergemacht. Die Schreibhürden wurden durch die Schreibwerkstatt dann beseitigt.

Ein anderer Studierender mit Migrationshintergrund fasst die Bedeutung der Sprachkompe-

tenz und die Zugehörigkeit zu einer bildungsnahen Familie folgt zusammen:

Die deutsche Sprache muss man sehr gut beherrschen, und das könnte ein Problem für Migranten werden. Akademikerfamilien sind bevorteilt, da die Studenten mehr Hil-fe von ihren Eltern haben können als in Familien aus Arbeiterklassen, wo der Student

66

sich von Eltern keine Hilfe erhoffen kann. Äußerliches Erscheinungsbild, Verhalten und die Formulierungen werden im beruflichen Leben ein wesentlicher Punkt sein, wo Migrantenkinder ein Problem haben könnten.

Dies wird allerdings herkunftsübergreifend als soziales Problem empfunden.

Bereits hingewiesen wurde auf die relativ große Zahl an Studierenden, die ihr Studium durch

Nebentätigkeiten finanzieren müssen (26 von 39). Die dafür aufgewendete Zeit fehlt dann für

das Studium, was zu Lasten der Studiendauer geht. Häufig wird in den Interviews von finan-

ziellen Schwierigkeiten berichtet, die einen Nebenjob erforderlich machen:

Mein Studium dauert etwas länger, weil ich einen eigenen Haushalt habe und deswe-gen viel arbeiten muss, um meine Wohnung zu finanzieren. Die Zeit, in der andere lernen, muss ich dann für die Arbeit aufbringen.

Die finanzielle Lage zu meistern ist eigentlich immer noch eine Hürde, die ich bis jetzt durch Arbeit und finanzielle Unterstützung ganz gut in den Griff bekomme.

Ich glaube, dass der finanzielle Aspekt bei den Migranten einfach schlechter ist und es somit auch schwierig ist, das Studium anzustreben. Deutsche müssen zudem nicht die Sprache lernen und kennen sich mit den Strukturen wesentlich besser aus als Migranten.

Bemerkenswert ist, dass sich die schwierige Familiensituation besonders bei den herkunfts-

deutschen Studierenden auswirken, von denen vier der 19 berichten, etwa wie folgt:

Durch die Trennung meiner Eltern wurde ich auch hineingezogen. Ich kümmere mich nun auch um meine pflegebedürftige Oma, wenn ich denn mal Zuhause bin.

Im Gegensatz zum Hochschulübergang setzen sich Probleme im Studium aus Gegebenhei-

ten der sozialen Herkunft wie aber auch des Migrationshintergrundes zusammen. So können

die Befragten insgesamt nur begrenzt auf Erfahrungen von Dritten mit dem Studienmanage-

ment zurückgreifen, weshalb Mitarbeiter*innen der Hochschulen hier eine besondere Kom-

pensationsfunktion zukommt. Defizite der Sprach- und Schreibkompetenz kommen speziell

bei den Studierenden mit Migrationshintergrund zum Tragen, beschränken sich aber allein

nicht auf diese. Fehlende Fachsprachenkompetenz kann auch bei herkunftsdeutschen Stu-

dierenden vorhanden sein.

Rück- und Ausblick

Rückblickend betrachtet wären viele Studierende aus allen Herkunftsgruppen ihre Bildungs-

karriere anders angegangen, indem sie früher Erfahrungen und Orientierungswissen ge-

sammelt hätten, um ihre Berufswünsche früher zu identifizieren und ihre berufliche oder aka-

demische Ausbildung daran orientieren zu können. Für Kinder aus nicht-akademischen Fa-

67

milien sind solche Erfahrungen umso wichtiger, da Orientierungswissen nicht innerhalb der

Familie weitergegeben wird. Konkrete Ideen reichen von Auslandsaufenthalten bis zu fach-

bezogenen Praktika oder Nebenjobs. Genannt werden aber auch ein stärkeres Engagement

in der Schule, um mit besseren Noten eine breitere Studienauswahl zu haben, und die Ein-

haltung der Regelstudienzeit. Auch sind die unterschiedlichen theoretischen bzw. prakti-

schen Schwerpunkte von Universitäten und Fachhochschulen ein Thema, das erst im Stu-

dienverlauf besser eingeschätzt werden konnte.

Der Wunsch nach akademischer Weiterbildung durch den Master scheint unter allen befrag-

ten Studierenden sehr ausgeprägt zu sein. So streben 29 der befragten 39 Studierenden -

unabhängig vom aktuell absolvierten Studium - ihren Masterabschluss an, darunter einer

sogar ein Prädikatsexamen, um Richter werden zu können. Drei Herkunftsdeutsche und ein

Türkeistämmiger wollen promovieren bzw. sogar habilitieren, um z.B. in der Forschung zu

arbeiten. Drei russischsprachige Studierende können sich aber ein Masterstudium nur be-

rufsbegleitend vorstellen, sonst würden sie nach dem Bachelor arbeiten wollen.

Eine berufliche Zukunft im Ausland kann sich zudem knapp die Hälfte der befragten Studie-

renden mit Migrationshintergrund vorstellen. Unter den italienischen und russischsprachigen

Studierenden scheint dieser Wunsch etwas ausgeprägter zu sein als bei den anderen, so

wie bei der folgenden russischsprachigen Studierenden:

Ich will einen Master machen, aber berufsbegleitend. Meine Berufswahl liegt in der Entwicklungspolitik in Richtung Ost- und Mitteleuropa. Ich würde aber auch ins Aus-land gehen als Fachexpertin.

Vier der sechs befragten italienischen Studierenden könnten sich ihre berufliche Zukunft im

Ausland vorstellen, allerdings nur dann, wenn es ein konkretes Angebot gibt, ohne selbst im

Ausland eine berufliche Perspektive aktiv suchen zu müssen:

Wenn ich etwas Handfestes habe, dann kann ich mir eine berufliche Zukunft auch im Ausland vorstellen z.B. in der Schweiz oder in Italien.

Dabei muss es allerdings nicht nur um die Herkunftsregion gehen:

Ausland kann ich mir vorstellen. Die Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Ländern würde mich sehr reizen.

Bei den drei russischsprachigen Studierenden, die sich eine Auslandserfahrung vorstellen

können, ist diese auch an bestimmte Bedingungen geknüpft:

Ich möchte in Deutschland bleiben und keine weitere Auslandserfahrung mehr ma-chen. Ich würde es tun, nur wenn es ein sehr guter Job wäre und das nur für eine be-grenzte Zeit.

68

Ihre berufliche Zukunft stellen sich vier der sieben befragten Türkeistämmigen in Deutsch-

land vor. Drei haben keine feste Vorstellung.

Unter den herkunftsdeutschen Studierenden können sich nur zwei ihre berufliche Zukunft im

Ausland vorstellen, die meisten sehen ihre berufliche Zukunft in Deutschland, elf von ihnen

würden aber zumindest auch in ein anderes Bundesland umziehen. Ansonsten zeigt sich die

generell ausgeprägte Mobilitätsbereitschaft unter Hochschulabsolvent*innen52 auch in den

hier untersuchten Fällen, allerdings ergibt sich eine interessante Differenzierung: So würden

von den befragten Migrant*innen nahezu alle ihr Bundesland verlassen, um den Berufsein-

stieg zu schaffen, während sich das unter den Herkunftsdeutschen gut die Hälfte vorstellen

kann. Trotz der größeren grundsätzlichen Mobilitätsbereitschaft unter den Studierenden mit

Migrationshintergrund werden in den Interviews häufig dennoch die familialen sozialen Be-

züge hervorgehoben, weshalb eine Stelle in der Nähe des aktuellen Wohnortes vorgezogen

würde.

Insgesamt ist - was eventuell zu erwarten gewesen wäre - die nationale grenzüberschreiten-

de Mobilitätsbereitschaft unter den Studierenden mit Migrationshintergrund ausgeprägter als

unter den Herkunftsdeutschen. Es wird aber deutlich, dass nicht vorbehaltlos davon ausge-

gangen werden kann, dass die Studierenden mit Migrationshintergrund per se transnational

orientiert sind und sich auf den europäischen Arbeitsmarkt hin orientieren. Vielmehr haben

viele von ihnen, wie auch ihre deutschen Kommilitonen*innen Wurzeln geschlagen, die sie

ungern kappen wollen.

Zwischenfazit

Die problemzentrierten Interviews mit Studierenden aus eher nicht-akademischen, gewan-

derten wie nicht gewanderten Familien über die Gelingensbedingungen von Schulkarrieren,

Hochschulzugang und Studienerfolg ergeben herkunftsspezifische Faktoren, aber auch viele

Einflüsse, die unabhängig von der Migrationsgeschichte mit dem sozialen Hintergrund zu tun

haben. So ergeben sich besondere Unterstützungsbedarfe bei der Studienorganisation und -

finanzierung sowie der Orientierung an der Hochschule quer durch alle befragten Gruppen,

wobei die Unterstützung durch das Hochschulpersonal auch aktiv nachgefragt wird. Selbst

Herausforderungen der sprachlichen Bewältigung des Studiums sind für die Studierenden

52

Siehe dazu Krenner, Daniela; Horneffer, Birgit (2013): Hochqualifizierte in Deutschland 2011. Erhebung zu Karriereverläufen und internationaler Mobilität von Hochqualifizierten. Hrsgg. vom Statistischen Bundesamt. Wiesbaden.

69

mit Migrationshintergrund zwar größer, aber auch bei Herkunftsdeutschen nicht ausge-

schlossen. Für die Bildungsunterstützung kommt außerdem den Müttern faktisch eine tra-

gende Rolle zu.

Migrationsspezifisch erscheint demgegenüber eine sehr hohe Bildungsaspiration der Fami-

lien, der aber keine ausreichende Orientierung bezüglich der Anforderungen und Vorausset-

zungen des Studiums bzw. Kompetenz zur Begleitung der Jugendlichen auf ihrem Weg ge-

genüberstehen muss, obwohl sozialer Aufstieg hier oft gerade mit einem Studium verbunden

wird. Auch in anderer Hinsicht unterscheiden sich die Motivationslagen von Studierenden mit

und ohne Migrationshintergrund, wobei für die Jugendlichen mit Wanderungsgeschichte

speziell wichtig ist, einem mit der Migration als fest verbunden wahrgenommenen Milieu zu

entkommen und einen sozialen Aufstieg zu schaffen, für den oftmals Vorbilder im familialen

Umfeld gesucht werden. In den Schulen ist die Sensibilität gegenüber der Behandlung durch

Lehrer*innen bei den Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders groß

und das Angewiesen-Sein auf die Lehrperson beim Schulerfolg wird deutlicher empfunden.

Bei der Berufseingliederung ist von einer größeren, aber nicht selbstverständlichen, auch

grenzüberschreitenden Mobilitätsbereitschaft der Studierenden mit Wanderungsgeschichte

auszugehen.

Die Differenzierung nach spezifischen Migrationshintergründen ergibt keine besonderen Be-

funde. Deutlich wird aber, dass die Dauer des Aufenthalts der Familie in Deutschland einen

deutlichen Einfluss auf den Schulerfolg haben kann.

6.3.2. Bekanntheit, Nutzung und Zufriedenheit mit Hochschulangeboten zur

Studienunterstützung

Die Bekanntheit, Nutzung und Zufriedenheit von Hochschulangeboten zur Studienförderung

und Reduzierung der Abbruchquote wurde anhand von 208 standardisierten Interviews an

den Hochschulstandorten erhoben. Zuvor wurden die bestehenden diesbezüglichen Angebo-

te der NRW-Hochschulen recherchiert.

Hochschulangebote zur Studienunterstützung

Angebote der Hochschulen richten sich überwiegend an alle Studierenden, unabhängig vom

Migrationshintergrund. Die Angebote können in elf Kategorien zusammengefasst werden, die

dann mitunter eine besondere Affinität zu Migrant*innen aufweisen.

70

Abbildung 11: Angebote von NRW-Hochschulen an Studierende

Im Folgenden werden einzelne Angebote näher skizziert, die für die Unterstützung von Stu-

dierenden mit Migrationshintergrund besonders relevant sind.

Zur Förderung der Sprachkompetenz bieten zum Zeitpunkt der Erhebung im Mai 2016 16

Hochschulen Deutsch- und andere Sprachkurse für Studierende an, an denen auch Bil-

dungsinländer und Neuzugewanderte teilnehmen können. So können beispielsweise an der

Universität Siegen Studierende mit Migrationshintergrund ihre Sprachkompetenzen im Deut-

schen und in Herkunftssprachen verbessern und somit auch das Potenzial ihrer Mehrspra-

chigkeit ausschöpfen. Das Kursangebot bietet u.a. Deutsch als Zweitsprache sowie weitere

Sprachen für die professionelle Verarbeitung schriftlicher Texte und die Verwendung der

Sprachen im späteren Beruf vorzubereiten.53

Die Unterstützung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse richtet sich an Neuzuge-

wanderte. Die Universität Duisburg-Essen bietet zur effizienteren Anerkennung ausländi-

scher Abschlüsse das Programm OnTOP|UDE.54 Dadurch können ausländische Akademi-

ker*innen mit Studienabschlüssen aus ihren Herkunftsländern individuell nachqualifiziert

werden, ihre Leistungen anerkennen lassen und so ihre Studiendauer ggf. verkürzen.

Eine Gasthörerschaft ermöglicht Studieninteressierten mit und ohne Migrationshintergrund,

an Lehrveranstaltungen ohne eine zwingende Zugangsqualifikation teilzunehmen. Dadurch

erhalten die Interessierten Einblicke in die Inhalte der jeweiligen Studienfächer und die

53

https://www.uni-siegen.de/kosi/kompetenzzentrum/?lang=de 54

https://www.uni-due.de/ontop/

Stipendien

Deutsch- bzw. Sprachkurse

Studieninfotage

Studienberatung

Talentscouting

Gasthörer

Ombudsstelle

Anerkennung ausländischer Abschlüsse

Betreuung (Buddy / Mentoring)

Career-Service

Akademisches Auslandsamt / International Office

Engagement für Geflüchtete

0 5 10 15 20 25 30 35

Fachhochschule Universität

71

Möglichkeit, vor der Studienfachwahl Informationen einzuholen. Die Gasthörerschaft wird an

zahlreichen NRW-Hochschulen angeboten und zunehmend auch von Geflüchteten in

Anspruch genommen, die kein reguläres Studium aufnehmen können.55

Die International Offices der Hochschulen sind die zentralen Koordinationsstellen für den

internationalen Austausch von Studierenden (und Lehrenden). Hier geht es insbesondere um

die Unterstützung und Betreuung von Studierenden und Wissenschaftler*innen, die

Aufenthalte im Ausland bzw. in Deutschland zwecks Studien-, Lehr- oder

Forschungserfahrungen unternehmen möchten und die nahezu an allen NRW-Hochschulen

vorhanden sind.

Bei Buddy- bzw. Mentoring-Programmen stehen einheimische Studierende den neu ankom-

menden internationalen Studierenden unterstützend zur Seite. Die individuelle Unterstützung

richtet sich auf die Zeit nach der Ankunft, die Freizeitgestaltung, die Erstellung von Stunden-

plänen und die Zimmersuche. Beispielsweise bietet die Rheinisch-Westfälische Technische

Hochschule Aachen mit dem „BeBuddy“-Programm eine Betreuung ausländischer Studie-

render an, um den Einstieg in das Studium und den Studienalltag in Aachen zu erleichtern.56

Koordiniert durch das International Office der Universität sollen den internationalen Studie-

renden erfahrene Kommilitonen zugeteilt werden, die sich als Mentoren um einen gelunge-

nen Einstieg in das Studium bemühen und bei Problemen und Fragen helfend zur Seite ste-

hen. An der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf werden mit dem Buddy-Programm „Mate-

For-You“57 ansässige Studierende („Home-Mates“) mit Studierenden aus dem Ausland

(World-Mates) zusammengebracht, mit dem Ziel der Förderung der interkulturellen Verstän-

digung und der Orientierungshilfe am Studienort und in den hiesigen Strukturen.

Die Universität Duisburg-Essen bietet mit ihrer Ombudsstelle eine Anlaufmöglichkeit für Stu-

dierende, die während ihres Studiums Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren haben.58

Die Beratungsstelle leistet anonyme Hilfe für die Betroffenen.

In der allgemeinen Studienberatung können alle Studierenden unabhängig des Migrations-

hintergrundes bei sämtlichen Problemen oder Fragen Unterstützung in Anspruch nehmen

und sich beraten lassen, wenn beispielsweise private Probleme oder Studienangelegenhei-

ten einem erfolgreichen Studienverlauf im Wege stehen. Die zentrale Studienberatung der

55

http://www.tu-dortmund.de/uni/Einstieg/bewerbung/gasthoerer/index.html 56

http://www.rwth-aachen.de/cms/root/Studium/Im-Studium/Engagement-Freizeit/Engagement-International/~bpei/BeBuddy/ 57

http://www.uni-duesseldorf.de/home/internationales/interkulturell-aktiv/mate-for-you.html 58

https://www.uni-due.de/de/studium/ombudsstelle/

72

Hochschule Niederrhein bietet eine spezielle Beratung für Studierende mit Migrationshinter-

grund.59

Das ursprünglich als Projekt gestartete Talentscouting der Westfälischen Hochschule Gel-

senkirchen wurde in ein „NRW-Talentzentrum“ als Strukturangebot zunächst bis Ende 2020

überführt, um ab 2017 an 17 NRW-Hochschulen talentierte Schüler*innen aus Nichtakade-

mikerfamilien unabhängig des Migrationshintergrundes auf dem Weg zum und beim Studium

anhand unterschiedlicher Maßnahmen zu unterstützen und den Hochschulzugang unter die-

ser Gruppe zu erhöhen. Der Anteil der hier geförderten Jugendlichen mit Migrationshinter-

grund ist aufgrund der überdurchschnittlich hohen Zugehörigkeit zur Zielgruppe des Pro-

gramms sehr hoch. Die Auswahl dieser Talente erfolgt dessen ungeachtet nach eigenen

Angaben „unabhängig vom Bildungsstand der Eltern, Einkommen oder Herkunft.“60

Die Fachhochschule Münster bietet z.B. mit ihrem Programm des International Reception

Service Teams (FHiRST)61 eine generelle Anlaufstelle für internationale Studieninteressierte

an, um den Einstieg in das Studium zu erleichtern.

Darüber hinaus bieten mehrere Hochschulen Studieninfotage als Informationsangebote für

Studieninteressierte an. Hierbei können sich potenzielle Studierende über das Studienange-

bot beraten lassen. Für die Zeit nach der Hochschule ist das Career-Service-Programm im

Übergang in den Arbeitsmarkt relevant, um Studierende nach ihrem Abschluss im Bewer-

bungsverfahren, bei der Stellensuche, Berufsorientierung oder durch Praktikavermittlung zu

unterstützen.

Hochschulangebote für Geflüchtete

Inzwischen gibt es auch zahlreiche Angebote explizit für Geflüchtete, die an Fachhochschu-

len und Universitäten angesiedelt sind. Der Deutsche Akademische Austauschdienst bietet

in seinen Strukturen an den Hochschulen Welcome-Projekte und Integra-Projekte an, um

studieninteressierten und studierfähigen Geflüchteten an den Hochschulen und Studienkol-

legs die Möglichkeiten zur Vorbereitung auf das Studium anzubieten. Finanziert wird die

Maßnahme durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zunächst bis

2019, die derzeit an 15 Standorten und 39 Anlaufstellen (Universitäten und Fachhochulen) in

NRW angeboten werden. Durch das Welcome-Projekt werden Geflüchtete an den Hoch-

59

https://www.hs-niederrhein.de/services/studieninteressierte/studienberatung/barrierefrei-studieren-multikulti-erleben/studieren-mit-migrationshintergrund/ 60

https://www.w-hs.de/studieren/meine-talentfoerderung/ 61

https://www.fh-muenster.de/internationaloffice/international_students_staff/fhirst_1273271.php

73

schulen von einheimischen Studierenden begleitet und beraten, um ihnen eine erste Orien-

tierung im Hochschulleben anzubieten, durch die Integra-Projekte werden sie durch Studien-

vorbereitungskurse wie den Erwerb des Sprachniveaus B1 und fachliche Einführungskurse

für die Aufnahme eines Hochschulstudiums vorbereitet.

Außerdem bieten die Hochschulen z.B. Nachqualifizierungen, Sprachkurse, Sprachpaten-

schaften und Beratungsstellen. Als ein umfangreiches Angebot kann hier der „Academic Re-

fugee Support“62 der Universität zu Köln genannt werden. Hierunter fallen unter anderem

Initiativen wie das Programm „Prompt! – Deutsch lernen“ oder das Programm „Refugee Law

Clinic Cologne“, bei dem Jurastudierende der Migrant*innen und Geflüchteten Rechtsbera-

tung und Begleitung bei Behördengängen anbieten.

Ein besonderes Angebot zur Gasthörerschaft macht die Ruhr-Universität Bochum mit ihrem

Programm „Offener Hörsaal“63. Hierbei handelt es sich um ein kostenfreies Probesemester,

welches von der Universität speziell für studieninteressierte Geflüchtete angeboten wird.

Ein weiteres spezielles Angebot für geflüchtete Studieninteressierte hat das International

Office der Rheinisch-Westfälischen Technischen Universität Aachen mit dem Programm

„Akademische Flüchtlingshilfe“.64 Hier sollen eine frühzeitige Beratung und fundierte Informa-

tionen ermöglichen, die Perspektive eines Studiums zu prüfen und gegebenenfalls noch feh-

lende Qualifikationen zu erkennen.

Zwischenfazit

Die erhobenen Hochschulangebote zur Studienunterstützung richten sich, abgesehen insbe-

sondere von den Angeboten zur Sprachqualifizierung und Anerkennung ausländischer Ab-

schlüsse, in der Regel an alle Studierende. Die Zielgruppe der Bildungsinländer*innen mit

Migrationshintergrund ist nicht gesondert in den Strukturen der Hochschulen verankert, um

unter ihnen den Hochschulzugang zu erhöhen - vielmehr unterscheiden die Angebote nach

Bildungsinländern und Bildungsausländern. Das NRW-Talentzentrum fördert junge Men-

schen aus bildungsfernen Familien auch hinsichtlich eines Hochschulstudiums unabhängig

des Migrationshintergrundes, erreicht aber mit diesem Ansatz auch die Zielgruppe der Bil-

dungsinländer*innen mit Wanderungsgeschichte.

62

http://international.uni-koeln.de/academicrefugeesupport.html 63

http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/meldung/2015/07/meld02840.html.de 64

http://www.rwth-aachen.de/cms/root/Studium/Vor-dem-Studium/Internationale-Studierende/~kljn/Akademische-Fluechtlingshilfe/

74

6.4.2. Beurteilung von Hochschulangeboten durch Studierende mit Migrationshintergrund

– Ergebnisse der standardisierten mündlichen Befragung

Um zu erfassen, wie bereits bestehende Angebote von den Studierenden genutzt werden,

wie sie bewertet werden und welche Erwartungen und Bedarfe sie an diese oder weitere

Angebote haben, wurde eine standardisierte schriftliche Befragung unter 208 Studierenden

an sechs Hochschulen in NRW durchgeführt.65 Dabei wurden die abgefragten Angebote all-

gemeiner gefasst, um nicht nur explizit, sondern auch mittelbar studienunterstützende Ange-

bote abzudecken.

Die Befragung umfasst die Bekanntheit von, die Zufriedenheit mit und die Erwartungen an

die Angebote, an Zugänge und Kommunikationswege sowie den Bedarf an weiterer Unter-

stützung. Befragt wurden Studierende mit familialen Wurzeln im russischsprachigen Raum66

(69), in Italien (69) sowie der Türkei (68), zwei Teilnehmer*innen gaben nicht an, aus wel-

chem Land ihre Familie stammt.

1. Bekanntheit, Teilnahme und Zufriedenheit von Hochschulangeboten

Das Angebot, das mit 96% die meisten der 208 befragten Studierenden kennen und an dem

zugleich auch die meisten der Befragten teilgenommen haben (89% derjenigen, die das An-

gebot kannten), sind die – sehr niedrigschwelligen - „Info-Veranstaltungen für Erstsemester“.

Von den 170 befragten Studierenden, die an Info-Veranstaltungen für Erstsemester teilnah-

men und Angaben hierzu machten, sind 64% sehr zufrieden oder zufrieden. Auch Tutorien

sind den meisten Studierenden ein Begriff, sie liegen in der Bekanntheit auf dem zweiten

Rang. Knapp 86% kannten das Angebot, von denen 79% daran teilgenommen haben. Ins-

gesamt sind die 130 Teilnehmer, die Angaben hierzu machten, mit dem Angebot mehrheit-

lich sehr zufrieden oder zufrieden (71%). An dritter Stelle der Bekanntheit liegen studienbe-

gleitende Sprachkurse, die 76% kennen, von denen 44% auch daran teilgenommen haben.

70% der Teilnehmer gaben an, mindestens zufrieden zu sein.

65

In Bochum wurden 48 Studierende befragt, in Duisburg-Essen 50, in Düsseldorf 53, in Köln 52 und in Münster 2. Zwei Teil-nehmer gaben nicht an, welche Universität sie besuchen, füllten den Umfragebogen jedoch im weiteren Verlauf vollständig aus 66

Darunter 41 aus Russland, 15 aus der Ukraine, 8 aus Kasachstan, 2 aus Weißrussland und je 1 aus Moldawien, Litauen und Usbekistan.

75

Abbildung 12: Bekanntheit und Nutzung von Hochschulangeboten (Prozentwerte bezogen

auf alle Befragten, N = 208)

Abbildung 13: Zufriedenheit der Nutzer mit den Angeboten (Prozentwerte, zusammengefass-

te Antwortkategorien)

In der Rangfolge der Bekanntheit folgen Stipendien, die immer noch 73% der befragten Stu-

dierenden kennen. Da die Teilnahme bzw. Inanspruchnahme sehr hochschwellig ist, ist im

Verhältnis zur Bekanntheit die Teilnahme sehr viel seltener als bei den drei bisher beschrie-

benen Angeboten: Nur 15% derjenigen, die das Angebot kennen, haben auch daran teilge-

nommen. Dies entspricht 11% aller Befragten, an Info-Veranstaltungen haben 85% aller Be-

fragten, an Tutorien 68% und an Sprachkursen immer noch 33% aller Befragten teilgenom-

men. Zugleich ist die Zufriedenheit bei den Teilnehmenden von Stipendien die höchste aller

abgefragten Angebote (83% mindestens zufrieden), nur 2 Teilnehmer waren unzufrieden.

Im mittleren Bereich der Bekanntheit liegen Austauschprogramme, Sprach-Cafés, Tandems

sowie Schreibwerkstätten und psychologische, rechtliche und soziale Beratung, die zwischen

57% und 45% kennen, aber nur relativ selten – zwischen 15% und 10% aller Befragten bzw.

6,3

5,3

9,6

13

15,4

11,1

33,2

67,8

85,1

16,8

21,2

45,2

52,4

57,2

72,6

75,5

86,1

96,2

0 20 40 60 80 100 120

Qualifizierungsangebote

Buddy-Programme

Beratung (psychisch, rechtlich, sozial)

Schreibevents/-werkstätten

Austausch-Programme, Sprach-Cafe, Tandem

Stipendium

Studienbegleitende Sprachkurse

Tutorien

Info-Veranstaltungen für Erstsemester

Bekannt Teilnahme

45,5

44,4

64,1

69,8

70,8

75,0

75,0

70,4

82,6

27,3

44,4

30,0

27,0

25,4

15,6

16,7

29,6

8,7

27,3

11,1

5,9

3,2

3,8

9,4

8,3

8,7

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Buddy-Programme

Beratung (psychisch, rechtlich, sozial)

Info-Veranstaltungen für Erstsemester

Studienbegleitende Sprachkurse

Tutorien

Austausch-Programme, Sprach-Cafe, Tandem

Qualifizierungsangebote

Schreibevents/-werkstätten

Stipendium

zufrieden teils/teils unzufrieden

76

zwischen 27% und 21% derjenigen, die die jeweiligen Angebote kennen – genutzt werden.

Anders als bei Stipendien ist die Schwelle der Inanspruchnahme bei diesen Angeboten eher

niedrig, dennoch werden sie im Verhältnis zur Bekanntheit deutlich seltener genutzt als bei-

spielsweise Info-Veranstaltungen, Tutorien und Sprachkurse.

Dabei ist die Zufriedenheit der Nutzer sehr unterschiedlich: Sie ist bei den Schreibwerkstät-

ten nach den Stipendien am zweithöchsten, denn 70% sind mindestens zufrieden, der übrige

Teil ist teilweise zufrieden; keiner der Teilnehmer gab an, unzufrieden zu sein. Bei Aus-

tauschprogrammen, Sprach-Cafés und Tandems ist sie etwas geringer, zwar sind hier 75%

mindestens zufrieden, aber auch 9% unzufrieden. Deutlich schlechter wird jedoch die Bera-

tung beurteilt, nur 44% der Nutzer sind hier sehr zufrieden oder zufrieden.

Sehr selten bekannt – nur 21% - ist das Buddy-Programm, das zugleich am seltensten ge-

nutzt wird: nur 5% aller Studierenden und ein Viertel derjenigen, denen das Programm be-

kannt ist, haben daran teilgenommen. Zugleich sind die wenigen Teilnehmer (n = 11) am

wenigsten zufrieden mit diesem Angebot.

Auch Qualifizierungsangebote sind nur selten bekannt (17%), werden aber immerhin von

33% derjenigen, die diese kennen, genutzt, wenngleich dies nur 6% aller befragten Studie-

renden sind. Zugleich ist die Zufriedenheit unter den Teilnehmern relativ hoch (75% mindes-

tens zufrieden).

Im Anschluss an die Abfrage der Angebote wurde offen nachgefragt, ob den Studierenden

noch andere Weiterbildungsmöglichkeiten an der Hochschule kennen, ob sie daran

teilgenommen haben und wie sie diese bewerten. Von 16 Studierenden wurden 15 Angebote

genannt: Sprachkurse unabhängig vom Studium, Begleitstudium mit sprachlicher Auslegung,

Finanzschulung, Fremdsprachen (Latein), Gruppendynamisches Training, Italien-Café in

Bottrop, KUBUS, LLM, Musikkurs, Rechtsvergleich in Istanbul (2 mal genannt), SAP-Kurs

und Excel, Sommer/Winterakademie/Transferable Skills, Sprachen, Umgang mit Uni-

Modalitäten / Zugang zu Abschlussarbeit, Wirtschaftsenglisch. 13 Studierende haben daran

teilgenommen; acht von diesen waren mit den Weiterbildungsangeboten sehr zufrieden oder

zufrieden.

77

Unterschiede nach Herkünften

Bezüglich der Bekanntheit bestehen signifikante Unterschiede zwischen den Herkünften bei

den Tutorien (Cramers V.: 0,198*67), den Sprachkursen (Cramers V.: 0,181*), den Stipendien

(Cramers V.: 0,175*), den Austauschprogrammen, Sprach-Cafés und Tandems (Cramers V.:

0,152*) sowie am stärkten bei den Schreibevents (Cramers V. 224**).

Türkeistämmige Studierende kennen Tutorien überdurchschnittlich, die anderen Angebote

jedoch unterdurchschnittlich häufig. Studierende aus Italien gaben an, Sprachkurse und

Schreibevents unterdurchschnittlich häufig zu kennen. Russischsprachigen Studierenden

sind Tutorien seltener als den anderen beiden Gruppen bekannt, alle anderen Angebote

jedoch häufiger.

Tabelle 9: Bekanntheit von Hochschulangeboten nach Herkünften (n=206)

(Spaltenprozentwerte)

TR IT GUS Gesamt Cramers V. Anzahl

Infoveranstaltungen 97,1 95,7 95,7 96,1 n.s. 198

Tutorien 95,6 84,1 79,4 86,3 0,198* 177

Sprachkurse 75,8 66,7 85,5 76,0 0,181* 155

Stipendium 65,7 71,0 84,1 73,7 0,175* 151

Austauschprogramm, Sprach-Café, Tandem 44,1 63,8 63,8 57,3

0,152* 118

Schreibevents 43,3 48,5 69,1 53,7 0,224** 109

Beratung 38,2 42,0 53,6 44,7 n.s. 92

Buddy-Programm 22,1 23,2 18,8 21,4 n.s. 44

Qualifizierungsangebote 10,3 21,7 18,8 17,0 n.s. 35

N 68 69 69 206

206

Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

Bei der Teilnahme an den Angeboten ebenso wie bei der Zufriedenheit (Tabelle 11) der

Teilnehmenden lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkünften

messen. Die Teilnahme an den Infoveranstaltungen und Tutorien sind innerhalb der drei

Herkunftsgruppen am höchsten, die Nutzung von Stipendienangeboten dagegen am

niedrigsten.

67

Cramers V. ist ein Zusammenhangsmaß für ordinale Skalen und kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Je höher der Wert, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen der Beantwortung der Frage und der Herkunft. Das Signifikanzniveau (oder auch die Irrtumswahrscheinlichkeit) – ein Wert, der ausdrückt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Zusammenhang nur zufällig ist - wird mit Sternen angegeben: *** < 0,001, ** < 0,01, * <= 0,05. Je geringer der Wert ist, desto geringer ist die Irrtumswahrscheinlichkeit und desto höher ist die Qualität des Zusammenhangs. Zusammenhänge mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit über 0,05 werden als nicht signifikant gewertet.

78

Tabelle 10: Teilnahme an Hochschulangeboten nach Herkünften (Spaltenprozent – Basis:

Anzahl derjenigen, die das Angebot kennen)

TR IT GUS Gesamt Cramers V.

Basis Anzahl

Infoveranstaltungen 90,9 89,4 84,8 88,4 n.s. 198

Tutorien 84,6 74,1 75,9 78,5 n.s. 177

Sprachkurse 42,0 34,8 52,5 43,9 n.s. 155

Stipendium 9,1 18,4 17,2 15,2 n.s. 151

Austauschprogramm, Sprach-Café, Tandem 20,0 36,4 22,7 27,1

n.s. 118

Schreibevents 17,2 21,2 31,9 24,8 n.s. 109

Beratung 26,9 24,1 16,2 21,7 n.s. 92

Buddy-Programm 40,0 18,8 15,4 25,0 n.s. 44

Qualifizierungsangebote 42,9 26,7 46,2 37,1 n.s. 35 Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

Tabelle 11: Bewertung der Hochschulangebote nach Herkünften (Mittelwerte* – Basis:

Anzahl derjenigen, die an dem Angebot teilgenommen haben)

TR IT GUS Insgesamt Cramers V.

MW N MW N MW N MW N

Buddy-Programme 3,67 6 1,67 3 4 2 3,18 11 n.s.

Beratung (psychologische, rechtli-che, soziale) 2,17 6 2,5 6 3,33 6 2,67 18 n.s.

Info-Veranstaltungen für Erstsemes-ter 2,37 57 2,3 56 2,13 55 2,27 168 n.s.

Studienbegleitende Sprachkurse 2,67 18 1,87 15 2,17 29 2,24 62 n.s.

Tutorien 2,1 50 2,32 40 2,18 38 2,2 128 n.s.

Austausch-Programme, Sprach-Café, Tandem 3,33 6 1,94 16 1,8 10 2,16 32 n.s.

Qualifizierungsangebote 2,33 3 2 4 2 5 2,08 12 n.s.

Schreibevents/-werkstätten 2,2 5 2 7 1,93 15 2 27 n.s.

Stipendium 2,75 4 1,67 9 1,6 10 1,83 23 n.s. * Mittelwert auf einer Skala von 1 = sehr zufrieden bis 6 = gar nicht zufrieden. Je höher der Mittelwert, desto ge-ringer die Zufriedenheit. Ohne Personen, die keine Angaben machten Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

Aufgrund der geringen Fallzahlen der Studierenden, die an den Hochschulangeboten teil-

nahmen und diese bewerteten, lassen sich die Unterschiede nicht sinnvoll auf statistische

Signifikanz hin überprüfen. Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass die befragten Studie-

renden über die Angebote eher zufrieden sind. Die Zufriedenheit bei den Angeboten mit den

höchsten Teilnehmenden wie die Info-Veranstaltungen (198) und Tutorien (177) liegt über

79

dem Mittelwert, die niedrigste Zufriedenheit liegt bei einer Fallzahl von elf Teilnehmenden im

Buddy-Programm, an dem nur 44 der befragten Studierenden teilnahmen.

Folglich bieten sich einerseits Maßnahmen zur Steigerung der Bekanntheit zahlreicher

Angebote – sowohl bei niedrigschwelligen wie Austausch-Programmen, Sprach-Cafés,

Tandems und Schreibwerkstätten sowie insbesondere bei den Beratungsangeboten, aber

auch und besonders bei den Buddy- und den Qualifizierungsprogrammen – an, zugleich gilt

es aber auch, für eine höhere Inanspruchnahme zu werben.

2. Bewertung der Informationsvermittlung zum Hochschulzugang

Anhand einer Liste mit Aussagen, zu denen die Befragten den Grad ihrer Zustimmung

(„Stimme voll zu“, „Stimme zu“, „Stimme teilweise zu“, „Stimme eher nicht zu“, „Stimme gar

nicht zu“) angeben sollten, wurden die Studierenden nach der Bewertung der vorbereitenden

Informationsvermittlungen für den Hochschulzugang in der gymnasialen Oberstufe befragt.

Deutlich wird eine unzureichende Bewertung der Informationsvermittlung in der Oberstufe,

denn den höchsten Grad an Zustimmung erhielt die Aussage „Ich hätte mir eine umfangrei-

chere Informationsvermittlung über den Hochschulzugang sowie zur Fach- und Universitäts-

auswahl gewünscht“. Insgesamt drei Viertel stimmten hier zu (74%).

Abbildung 14: Beurteilung der Angebote zum Hochschulzugang in der Oberstufe

(Prozentwerte, zusammengefasste Antwortkategorien)

73,6

61,1

47,1

33,8

20,2

19,2

24,5

23,6

23,1

27,9

6,3

12,5

25,5

37,7

31,3

1

1,9

3,8

5,4

20,7

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Wunsch nach umfangreichereInformationsvermittlung über Hochschulzugang…

Fehlende Infoveranstaltungen über beruflichePerspektiven

Fehlende Vorbereitungskurse für das Studium

Fehlende Sprachkurse für ausländischeStudierende

Tag der offenen Tür ausreichend

Stimme zu Stimme teilweise zu Stimme nicht zu Keine Angabe

80

Ebenfalls sehr häufig (61%) stimmten die Befragten der Aussage zu „Es fehlten Informati-

onsveranstaltungen über berufliche Perspektiven nach der Universität“, gefolgt von der Aus-

sage „Es fehlen Vorbereitungskurse für das Studium“, der 47% - und damit nicht mehr die

Mehrheit - zustimmten. Der Aussage „Es fehlen mehr Sprachkurse für ausländische Studie-

rende“ stimmten mit 34% deutlich weniger der Befragten zu - gefragt wurden nur diejenigen,

die das Angebot der Sprachkurse kennen. Zugleich waren nur ein Fünftel der Meinung, ein

„Tag der offenen Tür“ sei ausreichend.

Die Beurteilung der Angebote zum Hochschulzugang unterscheiden sich nach Herkünften

signifikant: Türkeistämmige Studierende stimmen allen Aussagen häufiger zu als die ande-

ren Gruppen – mit Ausnahme des Items „Tag der offenen Tür ist ausreichend“: Hier stimmen

die Türkeistämmigen seltener zu als die anderen Gruppen. Studierende aus Italien stimmen

leicht überdurchschnittlich den Aussagen „Tag der offenen Tür reicht aus“ und „Es fehlen

Sprachkurse für ausländische Studierende“ zu, russischsprachige Studierende stimmen hin-

gegen allen Aussagen seltener als die anderen Gruppen und deutlich unterdurchschnittlich

zu – mit Ausnahme der Aussage „der Tag der offenen Tür war ausreichend“.

Tabelle 12: Bewertung der Angebote zum Hochschulzugang in der Oberstufe nach Her-

künften (Mittelwerte*)

TR IT GUS Insgesamt

MW N MW N MW N MW N Cramers V.

Tag der offenen Tür ausrei-chend 3,39 54 3,27 56 2,87 53 3,18 163 0,262**

Fehlende Sprachkurse für ausländische Studierende 2,56 39 2,79 34 3,44 48 2,98 121 0,342***

Fehlende Vorbereitungskurse für das Studium 2,37 67 2,60 67 2,94 64 2,63 198 0,234**

Fehlende Infoveranstaltungen über berufliche Perspektiven 1,87 67 2,19 67 2,54 68 2,20 202 0,267***

Wunsch nach umfangreichere Informationsvermittlung über Hochschulzugang 1,62 68 2,07 67 1,97 69 1,89 204 0,215*

* Mittelwert auf einer Skala von 1 = stimme voll zu bis 5 = stimme gar nicht zu. Je höher der Mittelwert, desto geringer die Zustimmung. Ohne Personen, die keine Angaben machten. Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

Die Bewertung der Angemessenheit des Tags der offenen Tür steht in signifikantem Zu-

sammenhang mit dem Wunsch nach einer intensiveren Betreuung zu Studienbeginn (Cra-

81

mers V.: 0,221**).68 Die Studierenden, die die „Tag der offenen Tür“- Veranstaltungen als

nicht ausreichendes Angebot ansahen, wünschten sich auch eine intensivere Betreuung zu

Studienbeginn. Mit Ausnahme der Sprachkurse für ausländische Studierende halten die be-

fragten Studierenden alle Angebote zur Studienvorbereitung und zur Informationsvermittlung

zum Hochschulzugang in der Oberstufe mehrheitlich für unzureichend. In diesem Bereich

ergeben sich also deutliche Bedarfe für Maßnahmen der Bildungspolitik.

3. Bewertung der Angebote zu Studienbeginn

Auch die Zustimmung zu Aussagen, die Hochschulangebote zu Studienbeginn zum Inhalt

haben - ebenfalls anhand einer Liste mit Aussagen abgefragt -, legt nahe, dass die Studie-

renden mit Migrationshintergrund mit dem Angebot nur teilweise zufrieden sind. Die höchste

Zustimmung mit 60% erhielt die Aussage „Ich hätte mir eine intensivere Betreuung zu Stu-

dienbeginn gewünscht“. Zugleich gab die Hälfte der Befragten an, zu Studienbeginn orientie-

rungslos gewesen zu sein, ein weiteres Viertel stimmte hier zumindest teilweise zu. Wirklich

zufrieden mit dem Angebot zu Studienbeginn waren nur 37%, weitere 44% waren teilweise

zufrieden. Wie schon bei der Bewertung der Angebote durch die Teilnehmer deutlich wurde,

fällt auch bei der Frage nach der Beurteilung der Betreuung für Erstsemester durch das

Buddy-Programm eher verhalten aus: Nur die Hälfte derjenigen, die an dem Buddy-

Programm teilgenommen haben (n = 10), stimmten der Aussage „Die Betreuung für Erstse-

mester durch das Buddy-Programm war sehr gut“ zu. Allerdings bezog sich der Wunsch

nach intensiverer Betreuung zu Studienbeginn wohl weniger auf inhaltliche Unterstützung im

Studienfach, denn nur 29% der Befragten fehlen Nachholkurse, um inhaltliche Defizite aus

der Oberstufe zu decken.

68

Cramers V. ist ein Zusammenhangsmaß für ordinale Skalen und kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Je höher der Wert, desto stärker ist der Zusammenhang.

82

Abbildung 15: Bewertung der Angebote zu Studienbeginn (Prozentwerte,

zusammengefasste Antwortkategorien)*

* Hier nur Befragte, die an dem Programm auch teilgenommen haben

Signifikante Unterschiede zwischen den Herkünften zeigen sich bei der Beurteilung der An-

gebote zu Studienbeginn lediglich bezüglich des Wunsches nach einer intensiveren Betreu-

ung zu Studienbeginn: Hier stimmen türkeistämmige sehr viel häufiger zu als russischspra-

chige und italienische Studierende.

Tabelle 13: Bewertung der Angebote zu Studienbeginn nach Herkünften (Mittelwerte*)

TR IT GUS Insgesamt

MW N MW N MW N MW N

Cramers V.

Ich hätte mir eine intensivere Betreuung zu Studienbeginn gewünscht 1,96 67 2,26 69 2,80 69 2,34 205 0,255**

Ich war zu Studienbeginn orientierungs-los 2,33 67 2,37 67 2,72 68 2,48 202 n.s.

Die Angebote zu Studienbeginn waren zu meiner Zufriedenheit 2,85 67 2,86 66 2,54 67 2,75 200 n.s.

Die Betreuung für Erstsemester durch das Buddy – Programm war sehr gut** 3,17 6 2,00 3 5,00 1 3,00 10 n.s.

Mir haben Nachholkurse gefehlt, um fachliche Defizite aus der Oberstufe zu decken 2,97 62 3,09 64 3,54 68 3,30 194 n.s.

* Mittelwert auf einer Skala von 1 = stimme voll zu bis 5 = stimme gar nicht zu. Je höher der Mittelwert, desto geringer die Zu-stimmung. Ohne Personen, die keine Angaben machten. ** Hier nur Befragte, die an dem Programm teilgenommen haben. Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

Folglich ergibt sich durch die Befragung ein hoher Bedarf an intensiverer Betreuung zu Stu-

dienbeginn aufgrund der weit verbreiteten Orientierungslosigkeit, die sich aber nur selten auf

Nachholkurse und fachspezifische Inhalte bezieht. Dabei besteht - nicht überraschend - ein

signifikanter Zusammenhang bei der Beantwortung der Fragen nach den Nachholkursen zu

28,8

50

36,5

49,5

59,6

21,6

20

44,2

26

21,6

43,3

30

16,3

22,6

18,3

6,3

2,9

1,9

0,5

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Mir haben Nachholkurse gefehlt, um fachliche Defizite ausder Oberstufe zu decken

Die Betreuung für Erstsemester durch das Buddy – Programm war sehr gut**

Die Angebote zu Studienbeginn waren zu meinerZufriedenheit

Ich war zu Studienbeginn orientierungslos

Ich hätte mir eine intensivere Betreuung zu Studienbeginngewünscht

Stimme zu Stimme teilweise zu Stimme nicht zu Keine Angabe

83

Studienbeginn und den Vorbereitungskursen in der Oberstufe (Cramers V.: 0,233**). Fehlten

den Befragten die Vorbereitungskurse in der Oberstufe, bemängeln sie auch fehlende Nach-

holkurse zu Studienbeginn.

4. Beurteilung der Kommunikation der Hochschulen zu den Angeboten

Wie bereits die eingangs dargestellten Ergebnisse zu Kenntnis von und Teilnahme an Ange-

boten der Hochschule deutlich machten, ist die Bekanntheit einiger Angebote verbesse-

rungsbedürftig, möglicherweise ließe sich auch die Teilnahmequote erhöhen, wenn die Stu-

dierenden besser oder intensiver über die Angebote, ihre Inhalte, die Anforderungen und den

Nutzen informiert wären. Um Beurteilungen und Wünsche zu Kommunikationsstrukturen zu

erfassen, wurde den Studierenden wiederum eine Liste mit Aussagen vorlegt, zu denen sie

den Grad ihrer Zustimmung angeben sollten. Die befragten Studierenden sind überwiegend

der Meinung, die Kommunikation der Angebote durch die Hochschule sollte verbessert wer-

den. Knapp zwei Drittel stimmen der Aussage zu „Ich erwarte eine bessere Kommunikation

über vorhandene Angebote der Hochschule“, ein weiteres Viertel stimmt hier teilweise zu.

Dabei erhält vor allem ein regelmäßiger Informationstag Zuspruch (71%), gefolgt von einer

verbesserten Kommunikation zwischen Lehrstuhl und Fachschaft, damit die Informationen,

Angebote und Termine besser weitergegeben werden (62%). Auch eine aufsuchende Kom-

munikation, indem Mitarbeiter gezielt Studierende über Angebote informieren, wird noch

mehrheitlich (56%) befürwortet. Auf Kommunikation in der Muttersprache legt jedoch nur

eine kleine Gruppe Wert (24%).

Abbildung 14: Bewertung der und Bedarf an Kommunikation der Hochschule zu den

Angeboten (Prozentwerte, zusammengefasste Antwortkategorien)

24

56,3

62

65,4

71,2

20,7

28,4

20,7

25,5

22,1

45,7

13,9

13,9

8,7

5,3

9,6

1,4

3,4

0,5

1,4

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Die Kommunikation müsste auch in der Mutter-sprachestattfinden

Ich erwarte von den Hochschulen eine aufsuchendeKommunikation, indem Mitarbeiter gezielt Stu-dierende…

Ich erwarte eine bessere Kommunikation zwischenLehrstuhl und Fachschaft, damit die Informationen,…

Ich erwarte eine bessere Kommunikation über vor-handene Angebote der Hochschule

Die Hochschulen müssten regelmäßig einen Infor-mationstag anbieten, um über Angebote zu infor-mieren

Stimme zu Stimme teilweise zu Stimme nicht zu Keine Angabe

84

Die Beurteilung und der Bedarf an Kommunikation der Hochschulen zu den Angeboten un-

terscheidet sich nach Herkünften signifikant nur bezüglich der Erwartung einer besseren

Kommunikation der Hochschulen über die Angebote und muttersprachlicher Kommunikati-

onsangebote. Eine bessere Kommunikation über vorhandene Angebote wünschen sich vor

allem Türkeistämmige, deutlich seltener ist dies bei russischsprachigen Studierenden. Mut-

tersprachliche Kommunikation wünschen sich hingegen in erster Linie die Studierenden aus

Italien, türkeistämmige und russischsprachige Studierende legen hierauf sehr viel weniger

Wert.

Tabelle 14: Bewertung der und Bedarf an Kommunikation der Hochschule zu den Angebo-

ten (Mittelwerte*)

TR IT GUS Insgesamt

MW N MW N MW N MW N Cramers V.

Die Hochschulen müssten regel-mäßig einen Informationstag an-bieten, um über Angebote zu in-formieren 1,87 68 2,16 67 2,24 68 2,09 203 n.s.

Ich erwarte eine bessere Kommu-nikation über vorhandene Angebo-te der Hochschule 1,99 68 2,18 68 2,45 69 2,20 205 0,199*

Ich erwarte eine bessere Kommu-nikation zwischen Lehrstuhl und Fachschaft, damit die Informatio-nen, Angebote und Termine besser weitergegeben werden. 2,04 68 2,25 64 2,52 67 2,27 199 n.s.

Ich erwarte von den Hochschulen eine aufsuchende Kommunikation, indem Mitarbeiter gezielt Studie-rende über Angebote informieren 2,19 68 2,44 66 2,62 69 2,42 203 n.s.

Die Kommunikation müsste auch in der Muttersprache stattfinden 3,26 62 2,97 59 3,66 65 3,31 186 0,213*

* Mittelwert auf einer Skala von 1 = stimme voll zu bis 5 = stimme gar nicht zu. Je höher der Mittelwert, desto geringer die Zustimmung. Ohne Personen, die keine Angaben machten. Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

5. Bedarf nach Angeboten und Bewertung der Angebotshäufigkeit

Bereits die Darstellung der Kenntnis und Inanspruchnahme von Angeboten ließ erkennen,

dass in einigen Fällen - wie der Beratung und der Schreibwerkstätten - trotz Bekanntheit und

niedrigen Zugangsschwellen die Inanspruchnahme nur relativ selten erfolgt. Auch Tutorien

werden von knapp einem Drittel nicht besucht. Daher stellt sich die Frage, ob nach Ansicht

der befragten Studierenden die Angebote in ausreichender Menge angeboten werden bzw.

inwieweit Bedarf nach mehr oder weiteren Angeboten besteht.

85

Abbildung 17: Bedarf nach (weiteren) Angeboten (Prozentwerte, zusammengefasste

Antwortkategorien)

** Nur Befragte, denen die Angebote bekannt sind

Die Ergebnisse zeigen vor allem für die individuelle Beratung, dass Angebote als nicht aus-

reichend angesehen wird, 60% stimmten der Aussage zu „Während des Studiums müssen

mehr Angebote zur individuellen Beratung vorhanden sein“, ein weiteres gutes Viertel stimm-

te hier teilweise zu. Dabei besteht ein Zusammenhang zum Wunsch nach intensiverer Be-

treuung zu Studienbeginn (Gamma + 0,595***)69, je eher sich die Befragten eine intensivere

Betreuung zu Studienbeginn gewünscht hätten, desto eher sind sie der Meinung, es müsse

mehr Angebote zur individuellen Beratung geben.

Der Frage, ob mehr soziale, psychologische und rechtliche Beratungsleistungen angeboten

werden sollten – gestellt nur denjenigen, die solche Angebote kennen – stimmten noch 45%

zu und weitere 28% teilweise zu. Zugleich waren nur 41% derjenigen, die das Angebot ken-

nen, der Meinung, es werden ausreichende Übungen und Tutorien angeboten. Für mehr

Schreibwerkstätten – auch hier nur diejenigen gefragt, denen Schreibwerkstätten als Ange-

bot bekannt war - plädieren jedoch nur 36%.

Nach Herkünften unterscheidet sich der Bedarf nach weiteren Angeboten nur bezüglich der

individuellen Beratungsangebote während des Studiums. Türkeistämmige Befragte wün-

schen sich diese deutlich häufiger als russischsprachige Studierende.

69

Gamma ist ein Zusammenhangsmaß für ordinal skalierte Daten und kann Werte von 0 bis +/-1 annehmen. Die Höhe des Wertes zeigt die Stärke des Zusammenhangs an, das Vorzeichen die Richtung.

60,1

44,7

41,3

35,8

28,1

27,7

32,4

16,5

11,8

20,2

22,3

33

7,4

3,9

14,7

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Während des Studiums müssen mehr Angebote zurindividuellen Beratung vorhanden sein

Es müssen mehr soziale, psychische und rechtlicheBeratungsleistungen angeboten werden**

Es gibt ausreichend Übungen bzw. Tutorien**

Es müssen mehr Schreibwerkstätten angebotenwerden**

Stimme zu Stimme teilweise zu Stimme nicht zu Keine Angabe

86

Tabelle 15: Bedarf nach (weiteren) Angeboten nach Herkünften (Mittelwerte*)

TR IT GUS Insgesamt

MW N MW N MW N MW N

Cramers V.

Es müssen mehr Schreibwerkstätten angeboten werden** 2,88 24 2,71 28 3,00 41 2,88 93 n.s. Es gibt ausreichend Übungen bzw. Tutorien** 2,81 63 2,91 56 2,47 51 2,74 170 n.s. Es müssen mehr soziale, psychi-sche und rechtliche Beratungsleis-tungen angeboten werden** 2,35 26 2,56 27 2,84 32 2.60 85 n.s. Während des Studiums müssen mehr Angebote zur individuellen Beratung vorhanden sein 2,00 67 2,26 65 2,61 69 2,29 201 0,232**

* Mittelwert auf einer Skala von 1 = stimme voll zu bis 5 = stimme gar nicht zu. Je höher der Mittelwert, desto geringer die Zu-stimmung. Ohne Personen, die keine Angaben machten. ** Nur Befragte, denen die Angebote bekannt sind Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

Somit lassen die Angaben der Studierenden erkennen, dass der Bedarf insbesondere nach

individueller Beratung durchaus vorhanden ist, das Angebot jedoch als nicht ausreichend

wahrgenommen wird. Dies gilt in etwas geringerem Maß auch für Übungen und Tutorien und

noch etwas seltener für Schreibwerkstätten.

6. Bewertung der finanziellen Unterstützungsleistungen

Zum Abschluss der Befragung wurden die Studierenden noch nach ihrer Meinung zu finanzi-

ellen Unterstützungsmaßnahmen für Studierende befragt, hierzu wurde wiederum der Grad

der Zustimmung zu Aussagen erhoben. Gerade Kinder aus Zuwandererfamilien, die über-

proportional aus einkommensschwachen Familien stammen, sind in besonderem Maß auf

finanzielle Unterstützung des Studiums durch Dritte angewiesen, um den Studienerfolg nicht

durch die dann nötige Erwerbstätigkeit zu gefährden.

87

Abbildung 18: Bewertung von Finanzierungsmöglichkeiten (Prozentwerte,

zusammengefasste Antwortkategorien)

Die Verteilung der Antworten macht deutlich, dass für viele der Befragten die Finanzierung

durchaus ein Problem darstellt, denn alle Aussagen zu Verbesserung der finanziellen Förde-

rung erhalten hohe Zustimmungswerte, wohingegen der Aussage „Stipendien für Studieren-

de aus einkommensschwachen Familien sind ausreichend“ nur 14% zustimmen. 85% plädie-

ren jedoch dafür, dass die BAföG-Laufzeiten in schwierigen Lebenssituationen erweitert

werden können, was darauf hindeutet, dass für viele Studierende mit Migrationshintergrund

die starren Regelungen aufgrund nicht gerader Lebenswege problematisch sind. Auch die

kostenlose Bereitstellung von Lernmaterial durch die Hochschulen findet hohe Zustimmung

(82%). Etwas seltener, aber immer noch 71% unterstützen die Erhöhung des BAföG-Satzes.

Höhere Steuerfreibeträge für Zusatzverdienste stoßen bei insgesamt 63% auf Zustimmung.

Die Finanzierungsmöglichkeiten des Studiums werden nach Herkünften signifikant unter-

schiedlich beurteilt, lediglich die kostenlose Bereitstellung von Lernmaterial weist keine signi-

fikanten Unterschiede auf. Dabei sind Türkeistämmige überdurchschnittlich häufig der Mei-

nung, die Bafög-Laufzeiten müssten erweitert und der Satz müsse erhöht werden, zugleich

stimmen sie häufiger für die Anhebung der Steuerfreibeträge als russischsprachige und itali-

enische Befragte. Umgekehrt verhält es sich bei der Meinung zu den Stipendien, hier sind

Türkeistämmige seltener als russischsprachige und Italienische Befragte der Meinung, Sti-

pendien für einkommensschwache Familien seien ausreichend vorhanden.

13,5

62,5

70,7

82,2

84,6

17,8

13,9

13,9

10,6

7,7

46,2

9,1

7,7

3,4

2,9

22,6

14,4

7,7

3,8

4,8

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%100%

Stipendien für Studierende aus einkommens-schwachen Familien sind ausreichend vorhanden

Die Steuerfreibeträge für Zusatzverdienste müssenangehoben werden

Der Bafög-Satz muss erhöht werden

Die Hochschulen müssen einige Lernmaterialienkostenlos bereitstellen

Die Bafög-Laufzeit muss in schwierigen Lebenssi-tuationen erweitert werden können

Stimme zu Stimme teilweise zu Stimme nicht zu Keine Angabe

88

Tabelle 16: Bewertung von Finanzierungsmöglichkeiten nach Herkünften (Mittelwerte*)

TR IT GUS Insgesamt

MW N MW N MW N MW N Cramers V.

Die Bafög-Laufzeit muss in schwie-rigen Lebenssituationen erweitert werden können 1,17 66 1,74 65 1,62 66 1,51 197 0,252** Die Hochschulen müssen einige Lernmaterialien kostenlos bereit-stellen 1,35 63 1,73 67 1,79 68 1,63 198 n.s. Der Bafög-Satz muss erhöht wer-den 1,34 67 1,93 60 2,22 63 1,82 190 0,283*** Die Steuerfreibeträge für Zusatz-verdienste müssen angehoben werden 1,50 56 2,12 60 2,10 60 1,91 176 0,257** Stipendien für Studierende aus einkommens-schwachen Familien sind ausreichend vorhanden 3,80 55 3,51 51 3,56 54 3,63 160 0,230*

* Mittelwert auf einer Skala von 1 = stimme voll zu bis 5 = stimme gar nicht zu. Je höher der Mittelwert, desto geringer die Zustimmung. Ohne Personen, die keine Angaben machten. Signifikanzniveau: *** < 0,001, ** < 0,01, * < 0,05. n.s. = nicht signifikant bzw. >= 0,05.

Zwischenfazit

Die standardisierte Befragung von Studierenden mit Migrationshintergrund macht deutlich,

dass zahlreiche - auch niedrigschwellige - Angebote durch eine verbesserte und aufsuchen-

de Kommunikation der Hochschulen sowie der Lehrstühle bekannter gemacht und Teilnah-

mequoten noch deutlich erhöht werden könnten. Dies gilt vor allem für Austauschprogram-

me, Sprach-Cafés und Tandems, aber auch für studienbegleitende Sprachkurse, Schreib-

werkstätten, die Beratung sowie die Buddy-Programme. Gerade letztere, aber auch die Be-

ratung, sollte dabei auch inhaltlich überdacht werden, denn die Zufriedenheit der wenigen

Teilnehmer*innen war sehr gering. Dabei besteht gerade in allen Bereichen der Beratung ein

hoher Bedarf nach mehr Angeboten.

Darüber hinaus fehlen den Studierenden sowohl vor Studienbeginn, insbesondere Informati-

onen zum Hochschulzugang, aber auch in der ersten Zeit nach Studienaufnahme Beratung

und Betreuung, denn zahlreiche Studierende waren zunächst orientierungslos. Der Bedarf

besteht dabei weniger an Qualifizierungsangeboten wie Sprachkursen oder Nachholkursen,

sondern eher an Betreuung und Orientierungshilfe.

Die Studierenden wünschen sich vor allem regelmäßige Informationstage und aufsuchende

Kommunikationsstrukturen. Muttersprachliche Informationen sind dabei nur von untergeord-

89

neter Bedeutung. Zugleich würde - neben einer Erhöhung der Sätze - eine flexiblere Hand-

habung der BAföG-Laufzeiten und die kostenlose Bereitstellung von Lehrmaterial die finan-

zielle Situation der Studierenden erleichtern. Dazu zählt auch eine stärker auf die Zielgruppe

zugeschnittene Informationsstrategie bezüglich des Zugangs zu Stipendien. Eine dadurch

verringerte Notwendigkeit zur Erwerbsarbeit könnte sich positiv auf den Studienerfolg, die

Studiendauer und die Abschlussquoten auswirken.

Aus den problemzentrierten Interviews ergibt sich der Hinweis, dass herkunftssensible An-

sätze hier nicht die zentrale Herausforderung darstellen, sondern viele Desiderate eher in

der sozialen Herkunft liegen.

7. Leitfadeninterviews mit Geflüchteten

Wie eingangs dargestellt, hat die Fluchtmigration der Jahre 2015 und 2016 zur Aufnahme

von rund 300.000 Menschen in NRW geführt. Im Rahmen einer Befragung liegen erste Zah-

len zum Qualifikationsniveau der 2015 und 2016 nach Deutschland Geflüchteten vor, auf der

Basis von 2.300 Befragten.70

Obwohl das durchschnittliche Bildungsniveau der Geflüchteten im Vergleich zu deutschen

Bevölkerung niedriger ist, hat dennoch ein relativ hoher Anteil qualifizierende schulische,

berufliche oder akademische Abschlüsse. So haben 58% der erwachsenen Geflüchteten in

ihren Herkunftsländern mehr als zehn Jahre in Schulen, Hochschulen oder beruflicher Bil-

dung verbracht, während dieser Anteil in der deutschen Bevölkerung bei 88% liegt. 19% der

befragten Geflüchteten haben eine Hochschule besucht, unter ihnen verfügen 13% über ei-

nen Hochschulabschluss. Im Vergleich hatten 2014 21% der Bevölkerung in Deutschland

einen Hochschulabschluss.71 Somit ist das Potenzial, das durch Sprach- und berufliche

Nachqualifizierung aktiviert werden kann, durchaus beträchtlich.

Ergebnisse der Leitfadengespräche mit Geflüchteten

Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse aus den Interviews mit 14 Geflüchteten, die in

den Fluchtländern Studierende waren, wiedergegeben, um Potenziale hinsichtlich des Bil-

70

Siehe Babka von Gostomski, Christian; Böhm, Axel; Brücker, Herbert; Fendel, Tanja; Friedrich, Martin; Giesselmann, Mar-co; Holst, Elke; Kosyakova, Yuliya; Kroh, Martin; Liebau, Elisabeth; Richter, David; Romiti, Agnese; Rother, Nina; Schacht, Diana; Scheible, Jana A.; Schmelzer, Paul; Schupp, Jürgen; Siegert, Manuel; Sirries, Steffen; Trübswetter, Parvati; Vallizadeh, Ehsan (2016): IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten. Flucht, Ankunft in Deutschland und erste Schritte der Integration. Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. IAB Kurzbericht 24/2016. Nürnberg.. 71

Ebd., S. 1ff.

90

dungsniveaus, die akademische und berufliche Ausbildung, Anerkennungsmöglichkeiten der

Abschlüsse und Nachqualifizierungsbedarfe zu illustrieren. Außerdem wurden berufliche und

private Pläne sowie Diskriminierungserfahrungen in Deutschland erfragt.

Herkunft und Soziodemographie

Zum Zeitpunkt der Befragung im Oktober 2016 waren die Geflüchteten kürzer als ein Jahr in

Deutschland und nahmen an Sprach- und Integrationskursen teil. Auffällig war die Zurückhal-

tung bei der Beantwortung der Interviewfragen, was die Interviewer*innen auf die unsichere

Aufenthaltslage zurückführten. Zudem scheinen Ängste dahingehend bestanden zu haben,

dass das Interview trotz Zusicherung von Anonymität eine Art Verhör ist und mit Nachteilen

für sie verbunden sein kann. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass die Interviews nur be-

dingt informativ waren.

Die befragten Geflüchteten stammten aus Syrien, dem Irak und dem Libanon.72 Ihr Aufent-

haltsstatus war zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht bei allen abschließend geklärt. Zwei

der Befragten hatten den Status einer Aufenthaltsgestattung, neun besaßen eine Aufent-

haltserlaubnis, zwei besaßen die BüMA (Bescheinigung über Meldung als Asylsuchender)

und ein Befragter war geduldet.

Drei der Befragten waren zwischen 18 und 24 Jahre alt, vier Geflüchtete zwischen 25 und 29

Jahre und sieben weitere Befragte älter als 30 Jahre. Dreizehn Befragte sind männlich und

nur eine Befragte ist weiblich, da die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Interview unter

den Frauen nochmals besonders gering war. Neun Personen waren ledig und die übrigen

fünf verheiratet. Ein Großteil der Befragten (11) hat Familie in Deutschland, darunter Ehe-

partner oder Geschwister, zudem sind Kinder bzw. Eltern von vier der Geflüchteten in

Deutschland ansässig.

Sowohl der Schulabschluss (13 von 14) als auch die schon vorhandenen Hochschul- und

Berufsausbildungsabschlüsse wurden in der Regel im Herkunftsland erlangt (vier Befragte

machten bei der Frage nach dem Ort des Abschlusses keine Angabe). Sieben der Befragten

haben bereits einen Bachelor-, einer einen Masterabschluss. Je eine Person hat einen

Fachakademieabschluss, einen Fachhochschulabschluss bzw. den Abschluss einer Berufs-

fachschule. Elf der Befragten gaben an, vor der Flucht bereits in einem Beschäftigungsver-

72

Laut Forschungsantrag sollten unter den 14 Geflüchteten fünf bis sieben Personen aus Syrien, dem Irak und aus afrikani-schen Staaten sein. Leider konnten aber – trotz intensiver Bemühungen – keine Geflüchteten aus afrikanischen Staaten, die bereits in ihrem Herkunftsland studierten, erreicht werden.

91

hältnis gestanden zu haben. So waren vier Befragte als Arbeiter beschäftigt, zwei waren zu-

letzt verbeamtet, zwei weitere waren höhere Angestellte, zwei waren selbstständig und ein

Befragter war als Facharbeiter beschäftigt, während drei Befragte hier keine Angabe mach-

ten. Zum Zeitpunkt des Interviews waren 13 Befragte nicht erwerbstätig und ein Befragter

befand sich in einer Vollzeitbeschäftigung. Die Sprachkompetenzen reichen von Arabisch

(14) über Englisch (12), Deutsch (9/14), Französisch (2), Kurdisch (2) bis hin zu Türkisch (1),

Farsi (1) und Griechisch (1).

Qualitative Auswertung

Ihre Zukunft stellen sich die meisten der Geflüchteten dauerhaft in Deutschland vor (12), um

zu studieren, zu arbeiten und Familien gegebenenfalls nachzuholen und in Sicherheit zu

wissen. Zehn Personen gaben an, den Krieg und die gewaltsamen Konflikte in ihren Heimat-

ländern sowie eine religiös oder ethnisch motivierte Verfolgung zu fürchten. Zwar ist der

Wunsch unter den Befragten zur Rückkehr grundsätzlich vorhanden, angesichts der durch

Kriege zerstörten Heimat halten sie aber eine Rückkehr erst in Friedenszeiten und oftmals

nach einem dortigen Regimewechsel für möglich:

Ich sehe meine Zukunft in Deutschland. Trotzdem hoffe ich weiterhin, dass es in Sy-rien wieder Frieden geben wird. Doch von nun an werde ich hier in Deutschland leben und dasselbe gilt für meine Familie.

Ich habe keine Motivation, in den Irak zurückzukehren, es sei denn, dass Frieden und Sicherheit herrscht.

Gefragt nach den Plänen für die private und berufliche Zukunft in Deutschland, wird eine

hohe Bildungs- und Beschäftigungsmotivation unter den befragten Geflüchteten deutlich -

alle planen nach einer beruflichen bzw. akademischen Qualifizierung den Einstieg in den

Arbeitsmarkt. Alle Befragten möchten zuerst ihre Deutschkenntnisse verbessern und min-

destens das Sprachniveau B173 erreichen:

Zuerst einmal will ich meine Deutschkenntnisse verbessern. Danach will ich arbeiten gehen oder ein Praktikum machen. Erst danach überlege ich, an eine Universität zu gehen um zu studieren.

73

Im Rahmen des „Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER)“ bedeutet das Sprachniveau B1: Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben. Siehe http://www.europaeischer-referenzrahmen.de/sprachniveau.php

92

Ihre berufliche Zukunft stellen sich viele, eher jüngere Interviewte (8) auf Grundlage einer

deutschen Ausbildung bzw. eines Studiums vor. Sechs der Befragten streben demgegen-

über eine Beschäftigung im schon gelernten bzw. studierten Beruf an:

Zeit ist wichtig. Man muss geduldig sein. Man kann am Ende erreichen, was man will. Ich will mein Studium anerkennen lassen und danach will ich gerne als Lehrer oder Übersetzer arbeiten.

Das Thema Qualifikationsanerkennung erweist sich für sie also als sehr bedeutsam.

Trotz aller Pläne und Hoffnungen in Deutschland bestehen auch Ängste bezüglich der Zu-

kunft:

In Deutschland liegt die Schwierigkeit in der Arbeitslosigkeit. Viele Flüchtlinge hatten Beschäftigung in ihrer Heimat. Es war für viele nicht klar, dass Arbeit in Deutschland zu finden so schwierig sein wird, Bürokratie, etc. aber viele Flüchtlinge wollen arbei-ten. Ich will in meinem Bereich arbeiten, unabhängig vom Gehalt.

Privat steht die Gründung einer Familie oder - falls bereits vorhanden - das schulische Fort-

kommen der Kinder im Vordergrund.

Hilfe in den Erstaufnahmestellen bekamen die Befragten durch die Wohlfahrtsverbände. Al-

lerdings blieb es bei vielen der interviewten Personen nur bei der Weitergabe von Informati-

onen, an wen sie sich wenden sollen. Weitergehende Informationen oder eine Vermittlung

erfolgten nur selten. Einige Befragte informierten sich mithilfe des Internets.

Das Rote Kreuz, aber es gibt keine bestimmten Berater, die mir geholfen haben. Ich habe fast alles alleine gefunden und komme auch weiter. Und von dort aus wurde ich zum Sozialamt geschickt. Außer diesen beiden gab es nichts.

Die Beratung nach der Ankunft in Deutschland erfolgte für viele der Befragten (8) durch die

Jobcenter, Volkshochschulen (bzgl. Deutschkursen), die KAUSA-Servicestellen, die als regi-

onale Beratungsnetzwerke u.a. junge Flüchtlinge sowie Eltern in Ausbildungsfragen unter-

stützen, und durch weitere Träger.

Über seine Erfahrung nach der Ankunft in Deutschland berichtet ein Geflüchteter wie folgt:

Das Gericht gab mir eine Bestätigung dafür, dass ich drei Jahre in Deutschland blei-ben kann. Zudem wurde ich gefragt, ob ich in Deutschland bleiben will, natürlich habe ich ja gesagt. Daraufhin habe ich mich beim Jobcenter angemeldet. Das Jobcenter hat mir geholfen und mich Schritt für Schritt unterstützt. Zudem lerne ich mit der Un-terstützung des Jobcenters regelmäßig die deutsche Sprache.

Die Befragten berichten vermehrt (9) über gute Erfahrungen bei der Anerkennung ihrer mit-

gebrachten Zeugnisse und Zertifikate:

Die Agentur für Arbeit hat meine Zeugnisse anerkannt, möchte aber erst, dass ich Deutsch lerne. Danach könnte ich mit meinen Zertifikaten arbeiten gehen.

93

Allerdings gab es auch negative Erfahrungen:

Meine Zeugnisse und Zertifikate habe ich mitgenommen und hier in Deutschland vor-gezeigt. Mir wurde jedoch gesagt, dass diese nicht anerkannt werden und dass ich auch keine öffentliche Schule mehr besuchen darf, weil ich über 18 bin. Arbeiten darf ich auch nicht, aufgrund der Duldung, die mir erteilt wurde.

Vereinzelt wurden bereits Zeugnisse an potenzielle Arbeitgeber gesendet. Von allen wird die

deutsche Sprache mindestens auf dem Niveau B174 verlangt, um in Deutschland zu arbeiten.

Abschließend wurden die Geflüchteten über ihre Zufriedenheit in Deutschland und die Erfah-

rungen mit Ausgrenzung befragt. Hier berichteten vier der Befragten von Diskriminierung

aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Religion, allerdings eher im privaten Bereich.

Ich fühle mich nur gering willkommen in Deutschland. Als Araber und Moslem fühle ich mich immer ausgegrenzt, von den Leuten - außer den Behörden. Ich bekomme auch keine Hilfe von Anderen, außer durch die Behörden.

Allerdings war der Großteil der Befragten eher zufrieden, fühlte sich willkommen und hat

auch Unterstützung erlebt:

In Deutschland fühle ich mich willkommen und auch wohl. Es gibt keine Probleme, und ausgegrenzt werde ich trotz meiner Herkunft aus dem Nahen Osten auch nicht.

Da zum Zeitpunkt der Befragung die Geflüchteten erst eine kurze Zeit in Deutschland waren,

sind die Interviews aus Angst vor Nachteilen zum einen kurz ausgefallen, zum anderen

konnten die Geflüchteten nur auf begrenzte Erfahrungen zurückgreifen.

Zwischenfazit

Die befragten Geflüchteten haben insgesamt eine hohe Motivation, sich möglichst zeitnah

nach ihrer sprachlichen Qualifikation beruflich zu integrieren. Hierzu sind sie bereit, an Maß-

nahmen zur Nachqualifizierung teilzunehmen, um ihre akademischen und beruflichen Ab-

schlüsse anerkennen zu lassen. Auch die Bereitschaft zur Aufnahme bzw. Fortführung eines

Hochschulstudiums oder einer beruflichen Ausbildung ist ausgeprägt. Ihre Zukunft können

sich die Befragten aufgrund der durch Krieg zerstörten Heimat zunächst nur in Deutschland

vorstellen, obwohl ein genereller Wunsch für eine Rückkehr vorhanden ist.

74

Sprachniveau B1 laut Gemeinsamer Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER): „Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.“ http://www.europaeischer-referenzrahmen.de/sprachniveau.php

94

8. Empfehlungen an die (Hochschul-)Politik

Weiterentwicklung des Talentscoutings

Ein sehr wichtiger Ansatz ist das von der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen entwi-

ckelte Talentscouting, das durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und For-

schung zunächst bis Ende 2020 finanziert wird. Das Talentscouting richtet sich herkunftsun-

abhängig an Jugendliche, um unter ihnen Bildungstalente zu identifizieren, sie bei ihren

schulischen Defiziten anhand konkreter Hilfestellungen zu unterstützen, Wege und Möglich-

keiten einer beruflichen oder akademischen Ausbildung aufzuzeigen und sie beim Hoch-

schulzugang zu begleiten. Mit Blick auf die hier untersuchte Gruppe der Bildungsinlän-

der*innen mit Migrationshintergrund ist dieser Ansatz ausgesprochen vielversprechend, da

er eine „Schere“ zwischen Bildungsaspiration und faktischer Bildungsferne in Einwanderer-

familien in besonders hohem Maße durch Unterstützung zu schließen vermag und damit

dazu beiträgt, dass mehr Jugendliche den Übergang in die Hochschule meistern.

In den in der vorliegenden Studie präsentierten Fällen wurden die Widrigkeiten ohne eine

solche Unterstützung durch die emotional-psychologische Motivation der Eltern, positive Rol-

le von Lehrenden oder Vorbilder im sozialen Milieu überwunden. Ähnliche Bedingungen fin-

den nicht alle Schüler*innen gleichermaßen vor, weshalb besonders Jugendliche aus bil-

dungsfernen- und Migrantenfamilien mithilfe struktureller Maßnahmen nachhaltig erreicht

und unterstützt werden müssten. Dadurch können Schulabschlussquoten, der Übergang in

einer duale Ausbildung bzw. die Hochschulzugangspotenziale angehoben werden.

Gleichwohl machen ihre Bildungsbiographien deutlich, wo Risiken liegen, die durch Förde-

rung adressiert werden können. Insofern wäre ein flächendeckender Ausbau des Talent-

scoutings bzw. ähnlicher Förderinstrumente sinnvoll. Das Kriterium der bildungsfernen Her-

kunft erweist sich in diesem Zusammenhang auch für die Bildungsinländer*innen mit Migrati-

onshintergrund als tragfähig, weil mit ihr zahlreiche Schwierigkeiten angesprochen sind, die

laut den hier durchgeführten problemzentrierten Interviews herkunftsunabhängig von Bedeu-

tung sind, was aber besondere herkunftsspezifische Bedarfe nicht ausschließt.

Angesichts der Fluchtmigration nach NRW stehen, ungeachtet dieser Betrachtung, Hoch-

schulen vor der Herausforderung, das relativ hohe Hochschulpotenzial unter dieser Gruppe

95

gezielt anzusprechen und einen Rahmen für eventuelle Nachqualifizierungen zu entwi-

ckeln.75

Mögliche Maßnahmen zur Förderung des Hochschulzugangs und des Studienerfolgs von

Bildungsinländer*innen mit Migrationshintergrund

Speziell an herkunftsbedingte Hürden ansetzende Maßnahmen auf Ebene der einzelnen

Hochschulen oder des Landes können Schüler*innen mit Hochschulzugangsambitionen

bereits in der Oberstufe effektiver informieren und Studierende zu Beginn ihres Studiums

auf ihre akademische Laufbahn vorbereiten. Die problemzentrierten Interviews machen

deutlich, dass bereits geringe Förderungen durch Familienangehörige oder Lehrende

von großer Bedeutung sind, dadurch erfolgreiche Bildungswege ermöglicht werden und

später im Hochschulzugang münden können. Zentral erscheint die emotional-

psychologische Motivation der Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Bildungswer-

degang, dass trotz der besonderen Milieuzugehörigkeit ein gesellschaftlicher Aufstieg

möglich ist. Hierzu erscheint die familiare Unterstützung ausgesprochen wichtig zu sein.

Dabei könnten Besonderheiten der Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei der Maß-

nahmenentwicklung zusätzlich berücksichtigt werden, evtl. auch einzelne herkunftsbe-

stimmte Spezifika. Hier zeigen unserer Ergebnisse insbesondere, dass mit dem Migrati-

onshintergrund eine hohe Bildungsaspiration der Familien verbunden ist, dem aber, ver-

schärft durch mitunter fehlende Sprachkompetenzen und niedrigem Bildungsniveau der

Eltern, große Kenntnislücken über das Bildungswesen gegenüber stehen. Diese oben

schon angesprochene „Schere“ ist nochmals deutlich weiter geöffnet als es in herkunfts-

deutschen nicht-akademischen Familien der Fall ist. Insofern sind an Zielgruppen gerich-

tete Angebote insbesondere in der Muttersprache sinnvoll, die zunächst in den Familien

für mehr Transparenz über Voraussetzungen und Anforderungen des Hochschulstudi-

ums ansetzen. Darüber hinaus können die Eltern und dabei besonders die Mütter gezielt

angesprochen und informiert werden.

Die bisher üblichen Angebote sowohl durch die Hochschulen als auch die Berufsinforma-

tionszentren scheinen bei den befragten Studierenden wenig effektiv zu sein. Deshalb

sollten zur Deckung von Informationsdefiziten und zur besseren Orientierung Hochschu-

len ihre Angebote wie „Tage der offenen Tür“ verstärkt kommunizieren, sie an mehreren

75

Siehe hierzu auch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016): Hochschulzugang von Flüchtlingen. Eine Handreichung für Hochschulen und Studentenwerke. Nürnberg.

96

Tagen im Jahr - auch als Pflichtveranstaltung im Schulbetrieb - anbieten und gezielt

Schülerprogramme aufstellen, um sie an den Hochschulen mit den Studienabläufen, -

inhalten und -bedingungen sowie Berufsperspektiven vertraut machen und an den weiter-

führenden Schulen Beratungs- und Informationsangebote ausbauen. Dadurch können

Schüler*innen frühzeitig Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft treffen, wodurch

eventuelle Abbrüche in der beruflichen oder akademischen Ausbildung reduziert werden.

Die problemzentrierten Interviews hatten gezeigt, dass speziell bei den Studierenden mit

Migrationshintergrund Vorbilder für die erfolgreiche Bildungskarriere eine herausgehobe-

ne Rolle spielen. Diesen Umstand können sich Unterstützungsmaßnahmen zu Nutze

machen, z.B. durch die verstärkte Einbindung von solchen Vorbildern als Mentoren, die

idealerweise aus relevanten Herkunftsmilieus stammen, bei schulischen Orientierungs-

angeboten berücksichtigt werden. Solche Ansätze könnten zum einen durch die Schulen

eigenständig verantwortet werden, indem Absolvent*innen mit erfolgreichen Bildungsbio-

graphien aus ihren Reihen in solche Maßnahmen integriert und als Regelangebot ange-

boten werden und andererseits in Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen vor Ort

durchgeführt werden.

Einbezug von Migrantenorganisationen

Migrantenorganisationen als Schnittstellen zwischen Bildungseinrichtungen, Schüler*innen

und Eltern bieten viele zusätzliche Möglichkeiten, Bildungspotenziale innerhalb der Familien

mit Migrationshintergrund zu erschließen und zu nutzen, da die hohe Bildungsaspiration der

Eltern nicht ausreichend in konkrete Begleitung der Kinder beim Engagement in Schulstruk-

turen, Hilfe bei der Hausaufgabenbetreuung, Unterstützung bei der Wahl der Schulformen

und des Ausbildungsweges - übersetzt wird. Migrantenorganisationen verfügen über den

notwenigen Zugang zu den Eltern, den sie jedoch häufig aufgrund fehlender eigener finanzi-

eller, zeitlicher und personeller Ressourcen nur begrenzt einsetzen können und dadurch eine

Nachhaltigkeit nur bedingt gesichert werden kann.

Durch die Verankerung der Migrantenorganisationen in den jeweiligen lokalen und regio-

nalen Milieus und ihrer Kultur- und Sprachkompetenz können sie gezielt Eltern - und im

besonderen Maße die Mütter - erreichen und sie in Bildungsfragen qualifizieren. Die psy-

chisch-emotionale Unterstützung der Mütter als bedeutender Faktor für den Bildungser-

folg der Kinder ist in den problemzentrierten Interviews deutlich hervorgetreten, weshalb

die Stärkung und Qualifizierung der Mütter als „Bildungsakteure“ eine wichtige Maßnah-

97

me für die Förderung des Bildungsniveaus unter Kinder und Jugendlichen mit Migrati-

onshintergrund darstellt.

Eine enge Kooperation zwischen dem Wissenschafts-, dem Schul- und dem Integrati-

onsministerium erscheint hier sinnvoll, um über vorhandene (Schul-)Strukturen in enger

Kooperation mit Migrantenorganisationen effektiver und nachhaltiger an die Eltern und

besonders an die Mütter heranzutreten und sie - auch anhand muttersprachlicher (Bil-

dungs-)Multiplikatoren - in Schulbildungsfragen zu qualifizieren und sie dadurch in Schul-

strukturen stärker und nachhaltiger einzubinden. So können insbesondere Mütter befä-

higt werden, ihre Kinder in ihrer Bildungslaufbahn gezielter zu fördern. Einerseits erhalten

die Bildungseinrichtungen somit wertvolle Partner für die Erfüllung ihres Bildungsauf-

trags, andererseits bekommen die Migrantenorganisationen zusätzliche Ressourcen,

Schüler*innen außerhalb der Schulen und des Regelunterrichts etwa durch Hausaufga-

benhilfe, Sprachqualifizierung oder Mentorenprojekte zu unterstützen und zu fördern, in-

dem sie Ehrenamtliche aus der Schüler- oder Studierendenschafft akquirieren können.

Von daher gilt es, Migrantenorganisationen sowohl in der NRW-Talentförderung als auch

in den Angeboten einzelner Schulen und Hochschulen verstärkt zu berücksichtigen, z.B.

im Rahmen einer Elternakademie oder vergleichbaren Instrumenten. Dieser Ansatz

könnte durch eine verstärkte Förderung der zahlreichen in der Bildungsförderung aktiven

Migrantenorganisationen in NRW flankiert werden. Empfehlenswert ist eine konkrete

Maßnahmenentwicklung mit der Perspektive einer nachhaltigen Integrationsstruktur in

Bildungseinrichtungen. Anhand eines Pilotprojektes zwischen der NRW-Talentförderung,

ausgewählten Migrantenorganisationen mit Bildungsangeboten (für Eltern und Jugendli-

che) und Schulen ab der Sekundarstufe I können Maßnahmen erprobt werden, um an-

hand einer Evaluierung Modifizierungspotenziale zu identifizieren und die Maßnahmen

an die Bedarfe anzupassen.

Weiterentwicklung der studienbegleitenden Hochschulangebote aus Sicht der Bildungsinlän-

der*innen mit Migrationshintergrund

Geht es um den Studienzugang und -erfolg von Bildungsinländer*innen mit Migrationshinter-

grund, so ist deren Erfahrung mit wahrgenommenen Angeboten der Studienbegleitung an

den Hochschulen bzw. ihre Nichtwahrnehmung von Bedeutung. Im Rahmen einer zukünfti-

gen Weiterentwicklung dieser Angebote kann auf mehrere Aspekte geachtet werden. Dazu

zählen eine stärker aufsuchende Tätigkeit bereits in der Sekundarstufe I und verstärkt in der

98

Sekundarstufe II, um Schüler*innen mit Studienambitionen gezielt anzusprechen und ihnen

konkrete Informationen über das Hochschulstudium, Studienfächer, Berufsperspektiven und

Finanzierungsfragen einschließlich der Beratung bei Stipendien geachtet werden. Sinnvoll ist

die Evaluation solcher Angebote im Allgemeinen und im Blick auf die Zielgruppe der Bil-

dungsinländer*innen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten im Besonderen.

Weitergehende Empfehlungen

Aus den bisherigen Ergebnissen der Bildungsforschung sind folgende weitergehende Emp-

fehlungen zu nennen, deren Relevanz auch für unsere Studie Geltung beanspruchen kann:

Bei der Ansprache der Schüler*innen können auf Aspekte wie berufliche Zukunftsper-

spektiven verstärkt hingewiesen werden, um im Allgemeinen eine Orientierungsstütze bei

der Auswahl von Studienfächern zu leisten und im Besonderen auf Berufsfelder mit

Fachkräftebedarf aufmerksam zu machen. Ein Schwerpunkt kann dabei in der verstärk-

ten Vermittlung des Lehrer*innenberufs liegen, da der Bedarf von Lehrkräften mit Migra-

tionshintergrund in den Schulen hoch ist, um die (mehr-)sprachlichen Kompetenzen der

Schüler*innen zu erkennen, zu fördern und sie für anspruchsvolle Bildungswege zu moti-

vieren. Zugleich können über die Rolle der Lehrenden mit Migrationshintergrund als Vor-

bilder wichtige Anknüpfungspunkte für Schüler*innen mit Migrationshintergrund angebo-

ten werden.

Durch den steigenden Anteil der Schüler*innen mit Migrationshintergrund benötigen

Lehrkräfte stärkere interkulturelle Kompetenzen in ihrer Ausbildung, um ihre Sensibilität

für Lebenslagen von Kindern mit diversen kulturellen Hintergründen zu schärfen. In Kon-

fliktfällen zwischen Schüler*innen mit Lehrenden und Eltern werden solche fehlenden

Kompetenzen durch die Involvierung von Vertreter*innen aus Migrantenorganisationen

kompensiert, was jedoch nur bedingt nachhaltige und nur punktuell erfolgreiche Lösun-

gen hervorbringt.

Bildungs- und sozialpolitisch ist geboten, die schulische Ausstattung besonders in sozial-

benachteiligten Quartieren - die oft konfundiert sind mit Wohnorten von Zuwanderern zu

verbessern, weil auch diese gelegentlich den Zugang an anspruchsvolle Bildungsange-

bote blockieren können.

Die Bildungspolitik bzw. konkret die Hochschulen können mit einer stärkeren Würdigung

(Preise, Ehrungen etc.) der Erfolge von Zuwanderern die öffentliche Aufmerksamkeit auf

99

diese Gruppe und dadurch auch ihre Vorbildwirkung innerhalb der Migrantencommunities

vergrößern.

Studierende mit Zuwanderungsgeschichte weisen insbesondere bei den sog. CALP-

Fähigkeiten (Cognitive Academic Language Proficiency) Defizite auf; Hochschulen könn-

ten dem mit einer Intensivierung ihrer Angebote, wie etwa dem „akademischem Schrei-

ben“ etc. begegnen, um Studienerfolg bzw. Studienabschluss nachhaltig zu sichern.

Empfehlungen zur Integration von Geflüchteten in die Hochschulen

Unter den rund 300.000 Geflüchteten sind 19% aus dem Hochschulkontext, von denen ein

großer Teil durch gezielte Maßnahmen für eine akademische Laufbahn gewonnen werden

und anschließend für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen kann. Für jene mit Bleibeper-

spektive und Wunsch zur Fortführung bzw. Anerkennung des Studiums ist die Sprachqualifi-

kation und Anerkennung von Studienleistungen bzw. Abschlüsse Voraussetzung. Die

Sprachqualifikation wird derzeit in der Regel bis zum Sprachniveau B1 durch die Jobcenter

übernommen.

Für die Aufnahme von und die Fortführung des Studiums, der Anerkennung von Ab-

schlüssen und einer möglichen Nachqualifikation ist das kostenpflichtige Sprachniveau C

notwendig. Die Finanzierung des Spracherwerbs stellt eine wesentliche Hürde für Neu-

zugewanderte dar, die als Konsequenz dann statt eines Hochschulstudiums entweder

den direkten Einstieg in den Arbeitsmarkt - darunter oft durch die Aufnahme von unquali-

fizierten Tätigkeiten - eine berufliche Ausbildung beginnen und dadurch potenzielle Fach-

kräfte nicht erschlossen werden. Für die studienvorbereitenden Maßnahmen (z.B. DSH-

Kurs - Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang - teilnehmen zu können, wird

das Einstiegsniveau B2 verlangt. Trotz punktueller Maßnahmen zur Sprachförderung sei-

tens der Hochschulen ist eine Finanzierungsstruktur notwendig, um Geflüchtete mit Blei-

beperspektive und Hochschulaspiration den Spracherwerb, die fachliche Einführung und

das Anerkennungsverfahren zu finanzieren, um diese Lücke zu schließen. Als Fördermit-

telgeber könnten das Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF),

das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) in Kooperation mit den Job-

centern bzw. Bundesagentur für Arbeit Mittel bereitstellen.

Zur weiteren Sprachförderung sollten strukturelle Angebote seitens der Hochschulen in

Kooperation mit den Sprachkursanbietern wie z.B. das „Sprachtandem“ eingeführt wer-

100

den. Dabei können Geflüchtete mit einem deutschsprachigen Studierenden aus ähnli-

chen Fachbereichen unterstützt werden, sowohl die deutsche als auch die Fachsprache

gezielter und effektiver zu lernen und dadurch die Spracherwerbsdauer reduzieren.

Zur Überwindung finanzieller Hürden von Geflüchteten, trotz fehlenden Anspruchs auf

finanzielle Unterstützung wie das Bafög doch ein Hochschulstudium aufzunehmen, könn-

ten gesonderte Finanzierungsmodelle gezielt für diese Gruppe seitens der Landesregie-

rung bzw. des MIWF eingeführt werden.

Eine engere und strukturelle Kommunikations- und Kooperationsstruktur zwischen Hoch-

schulen bzw. dem MIWF und den Jobcentern ist notwendig, um den Informationsfluss si-

cherzustellen und mögliche Unterstützungsmaßnahmen zeitnah und gezielt zu vermitteln.

Es besteht die Gefahr, dass dieser Personenkreis in der Verwaltungsstruktur zur Redu-

zierung der Arbeitslosigkeit unter den Geflüchteten in den Ausbildungs- oder Arbeits-

markt vermittelt werden, ohne über konkrete Unterstützungs- und Heranführungsmaß-

nahmen informiert zu sein. Hier eignen sich regelmäßige Qualifizierungs- und Fortbil-

dungsmaßnahmen für das Personal aus den Arbeitsagenturen bzw. Jobcentern aus den

Teams für akademische Berufe, um über Maßnahmen immer informiert zu sein.

Die gezielte Vermittlung von Angeboten aus dem dualen Studium an studieninteressierte

Geflüchtete ist eine weitere konkrete Maßnahme, die eine enge Kooperation zwischen

der Politik, der Verwaltung und den Unternehmen erfordert. Unternehmen mit Fachkräf-

temangel können durch zusätzliche Angebote ihr Fachpersonal ausbilden und Geflüchte-

ten die Möglichkeit eines Hochschulstudiums mit Arbeitsmarkteinstiegsperspektive bie-

ten.

Studienerfahrung- bzw. Abschlüsse von Geflüchteten wie etwa aus geistes- und gesell-

schaftswissenschaftlichen Fächern können auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht unmit-

telbar verwertet werden. Hier ist eine Maßnahmenentwicklung sinnvoll, um bestehende

Erfahrungen an konkrete (Ausbildung-)Angebote zu koppeln und dadurch Kompetenzen

zu bündeln.

101

Nicht zuletzt gilt es, neben dem klassischen Hochschulzugang, Geflüchteten verstärkt

Hinweise auch auf Online Lern-und Informationsplattformen zu geben, die einen kosten-

losen Zugang zu Bildung und Informationsaustausch betreiben.76

76

Vgl. Petra Bendel (Hrsg.): Was Flüchtlinge brauchen – ein Win-Win Projekt. Ergebnisse einer Befragung in Erlangen, FAU University Press, 2016, S. 214

102

9. Literaturverzeichnis

Aver, Caner (2015): Transnationale Migration zwischen Deutschland und der Neuen Türkei. In: Yoldaş, Yunus; Gümüş, Burak; Gieler, Wolfgang (Hrsg.): Die Neue Türkei. Eine grundle-gende Einführung in die Innen- und Außenpolitik unter Recep Tayyip Erdogan, Frankfurt a.M.

Barz, Heiner; Cerci, Meral/Demir, Zeynep (2013): Bildung, Milieu & Migration. Kurzfassung der Zwischenergebnisse 12/2013, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Becker, Birgit (2010): Bildungsaspirationen von Migranten. Determinanten und Umsetzung in Bildungsergebnisse. Working Paper Nr. 137. Mannheimer Zentrum für Europäische Sozial-forschung. Mannheim.

Bendel, Petra (Hrsg.): Was Flüchtlinge brauchen – ein Win-Win Projekt. Ergebnisse einer Befragung in Erlangen, FAU University Press, 2016.

Bialystok, Ellen; Barac, Raluca (2012): Emerging bilingualism: Dissociating advantages for metalinguistic awareness and executive control. In: Cognition 122 (1), 67-73.

Babka von Gostomski, Christian; Böhm, Axel; Brücker, Herbert; Fendel, Tanja; Friedrich, Martin; Giesselmann, Marco; Holst, Elke; Kosyakova, Yuliya; Kroh, Martin; Liebau, Elisa-beth; Richter, David; Romiti, Agnese; Rother, Nina; Schacht, Diana; Scheible, Jana A.; Schmelzer, Paul; Schupp, Jürgen; Siegert, Manuel; Sirries, Steffen; Trübswetter, Par-vati; Vallizadeh, Ehsan (2016): IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten. Flucht, An-kunft in Deutschland und erste Schritte der Integration. Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. IAB Kurzbericht 24/2016. Nürnberg.

Bundesagentur für Arbeit (2016): Gute Bildung - gute Chancen. Der Arbeitsmarkt für Akade-mikerinnen und Akademiker in Deutschland. Nürnberg.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016): Hochschulzugang von Flüchtlingen. Eine Handreichung für Hochschulen und Studentenwerke. Nürnberg.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013): Arbeitsmarktprognose 2030. Eine strate-gische Vorausschau auf die Entwicklung von Angebot und Nachfrage in Deutschland. Bonn.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2012) (Hrsg.): Familienpolitik und Fertilität - demografische Entwicklungen und politische Gestaltungsmöglichkeiten. Moni-tor Familienforschung, Beiträge aus Forschung, Statistik und Familienpolitik. Ausgabe 27. Berlin.

Diehl, Claudia; Hunkler, Christian/Kristen, Cornelia (2016) (Hrsg.): Ethnische Ungleichheiten im Bildungsverlauf. Mechanismen, Befunde, Debatten. Wiesbaden.

Industrie- und Handelskammer NRW – Fachkräftemonitor NRW. Abrufbar unter: http://www.ihk-fachkraefte-nrw.de/index.html

Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) Geschäftsbereich Statistik Referat 514 (2016): Mikrozensus 2015. - Privathaushalte, Arbeitsmarkt.

Halm, Dirk/Sauer, Martina (2015): Soziale Dienstleistungen der in der Deutschen Islam Kon-ferenz vertretenen religiösen Dachverbände und ihrer Gemeinden, Hrsgg. vom Bundesminis-terium des Inneren im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz. Berlin. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/DE/Downloads/WissenschaftPublikationen/soziale-dienstleistungen-gemeinden.pdf?__blob=publicationFile

103

Kempert, Sebastian; Edele, Aileen; Rauch, Dominique; Wolf, Katrin M. Paetsch, Jennifer; Darsow, Annkathrin; Maluch, Jessica; Stanat, Petra (2016): Die Rolle der Sprache für zu-wanderungsbezogene Ungleichheiten im Bildungserfolg. In: Diehl, Claudia; Hunkler, Christi-an; Kristen, Cornelia (Hrsg.): Ethnische Ungleichheiten im. Bildungsverlauf. Mechanismen, Befunde, Debatten. Wiesbaden.

Krenner, Daniela; Horneffer, Birgit (2013): Hochqualifizierte in Deutschland 2011. Erhebung zu Karriereverläufen und internationaler Mobilität von Hochqualifizierten. Hrsgg. vom Statisti-schen Bundesamt. Wiesbaden.

Kultusministerkonferenz der Länder (2002) (Hrsg.): PISA 2000 – Zentrale Handlungsfelder - Zusammenfassende Darstellung der laufenden und geplanten Maßnahmen in den Ländern . Beschluss der 299. Kultusministerkonferenz vom 17./18.10.2002.. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2002/2002_10_07-Pisa-2000-Zentrale-Handlungsfelder.pdf

Lokhande, Mohini; Nieselt, Thimo (2016): Doppelt benachteiligt? Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem. Eine Expertise im Auftrag der Stiftung Mercator. Hrsgg. vom Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Berlin.

Matzner, Michael (2012): Handbuch Migration und Bildung. Weinheim/Basel.

Middendorff, Elke; Apolinarski, Beate; Poskowsky, Jonas; Kandulla, Maren; Netz, Nicolai (2012): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. So-zialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hoch-schulforschung. Hannover.

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2016) (Hrsg.): Entwicklung der Schülerzahlen im Schuljahr 2016/17. Schuljahresauftaktpressekonferenz am 19. August 2016 in Düsseldorf.: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Ministerium/Presse/Pressekonferenzen/2016/2016_08_19-Schuljahresauftaktpressekonferenz/Folien_Presse.pdf

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2016) (Hrsg.): Das Schulwesen in Nordrhein-Westfalen aus quantitativer Sicht. Statistische Übersicht Nr. 391 - 1. Auflage, 2015/2016. Düsseldorf.

Nauck, Bernhard; Diefenbach, Heike; Petri, Kornelia (1998): Intergenerationale Transmission von kulturellem Kapital unter Migrationsbedingungen. Zum Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien in Deutschland. In: Zeitschrift für Pädagogik (ZfPäd) 44, 701-722.

Relikowski, Ilona; Yilmaz, Erbil; Blossfeld, Hans-Peter (2012): Wie lassen sich die hohen Bildungsaspirationen von Migranten erklären? Eine Mixed-Methods-Studie zur Rolle von strukturellen Aufstiegschancen und individueller Bildungserfahrung. In: Becker, Rolf; Solga, Heike (Hrsg.): Soziologische Bildungsforschung. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozial-psychologie. Sonderheft 52 / 2012.

Sacher, Werner (2006): Einflüsse der Sozialschicht und des Migrationsstatus auf das Ver-hältnis zwischen Elternhaus und Schule. Nürnberg.

Sauer, Martina (2016): Teilhabe und Befindlichkeit: Der Zusammenhang von Integration, Zugehörigkeit, Deprivation und Segregation türkeistämmiger Zuwanderer in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse der Mehrthemenbefragung 2015. http://zfti.de/wp-content/uploads/2016/11/NRW-Mehrthemenbefragung-2015_Bericht_end.pdf

104

Schröder, Susanne (2014): Migrantenorganisationen in der kooperativen Elternarbeit: Poten-tiale, Strukturbedingungen, Entwicklungsmöglichkeiten (Zusammenfassung). Hrsgg. vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration Berlin.

Statistisches Bundesamt – Pressestelle (2015). Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Pressemitteilung Nr.057 vom 19.02.2015. Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2015): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 13. koordinierte Be-völkerungsvorausberechnung. Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2015): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrati-onshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus 2014. Fachserie 1, Reihe 2.2. Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2016): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrati-onshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus 2015. Fachserie 1, Reihe 2.2. Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2016): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalt und Familien Ergebnisse des Mikrozensus 2015. Fachserie 1, Reihe 3. Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2015): Über 13.200 ausländische Berufsqualifikationen im Jahr 2014 anerkannt. Pressemitteilung 365/15 vom 30.September 2015

Statistisches Bundesamt (2016): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Vorläufige Wande-rungsergebnisse. Top 20 Zuzüge von Personen insgesamt nach Herkunftsländern 2015. Wiesbaden. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/Wanderungen/vorlaeufigeWanderungen5127101157004.pdf?__blob=publicationFile#page=10

Statistisches Bundesamt (2017): Sonderauswertung des Mikrozensus 2015. Wiesbaden.

Thränhardt, Dietrich (2013): Migrantenorganisationen. Engagement, Transnationalität und Integration. In: ders./Schultze, Günther (Hrsg.): Migrantenorganisationen. Engagement, Transnationalität und Integration. WISO-Diskurs, Juni 2013.

Weber, Brigitte; Weber, Enzo (2013): Qualifikation und Arbeitsmarkt. Bildung ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. IAB Kurzbericht: Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeits-markt- und Berufsforschung. 4/2013. Nürnberg.

Internetquellen

https://www.uni-siegen.de/kosi/kompetenzzentrum/?lang=de

https://www.uni-due.de/ontop

http://www.tu-dortmund.de/uni/Einstieg/bewerbung/gasthoerer/index.html

http://www.rwth-aachen.de/cms/root/Studium/Im-Studium/Engagement-Freizeit/Engagement-International/~bpei/BeBuddy/

https://www.uni-due.de/de/studium/ombudsstelle/

https://www.hs-niederrhein.de/services/studieninteressierte/studienberatung/barrierefrei-studieren-multikulti-erleben/studieren-mit-migrationshintergrund/

https://www.w-hs.de/studieren/meine-talentfoerderung/

https://www.fh-muenster.de/internationaloffice/international_students_staff/fhirst_1273271.php

105

http://international.uni-koeln.de/academicrefugeesupport.html

http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/meldung/2015/07/meld02840.html.de

http://www.uni-duesseldorf.de/home/internationales/interkulturell-aktiv/mate-for-you.html

http://www.rwth-aachen.de/cms/root/Studium/Vor-dem-Studium/Internationale-Studierende/~kljn/Akademische-Fluechtlingshilfe/

https://www.bamf.de/DE/Service/Left/Glossary/_function/glossar.html?lv3=1504436

http://www.ihk-fachkraefte-nrw.de/fachkraeftemonitor.html#ivih7-ig2v6

http://www.europaeischer-referenzrahmen.de/sprachniveau.php

106

10. Anhänge / Interviewbögen

Interview Nr.:____________

Hochschule__________________

Datum: ______________

Herkunft: _________________

Leitfaden für problemzentrierte Interviews mit Studierenden

Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Geflüchteten an

der Hochschulbildung in NRW

Einleitung

Die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen führt eine Studie zur Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Geflüchteten an der Hochschulbildung in NRW durch. Unser Auftraggeber ist das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Argumente für die Teilnahme: Warum ist das wichtig?

Bildung ist die zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Geringe Bildung senkt die Chance auf Beschäftigung und führt häufig zu Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Desin-tegration. Die individuelle Chancengerechtigkeit hinsichtlich des Bildungszugangs ist nicht für alle Menschen in Deutschland gewährleistet. Junge Menschen aus Familien mit Migrations-hintergrund und solche aus sozial schwachen Familien scheinen in besonderem Maße von Bildungsungleichheiten betroffen zu sein. Mit dieser Studie möchten wir herausfinden, wo Hemmnisse liegen und durch welche Faktoren trotz schlechter Ausgangsbedingungen einen Hochschulzugang erreicht wird.

Die Interviews mit Studierenden ohne Migrationshintergrund dienen als Vergleichsgruppe, um mögliche Unterschiede herauszukristallisieren.

Informationen zum Ablauf

Im Rahmen des Projekts werden wir mit Studierenden unterschiedlicher Herkunft (italienisch, russisch, türkisch) und mit Studierenden ohne Migrationshintergrund problemzentrierte Inter-views durchführen. Ein Interview dauert etwa 30 bis 40 Minuten. Im ersten Teil beginnen wir mit standardisierten biographischen Fragen, im zweiten Teil folgen Fragen zum Bildungs-weg.

Anonymität und Datenschutz

Das Interview ist selbstverständlich anonym und freiwillig. Wir versichern, dass alle Ihre Ant-worten absolut anonym und vertraulich behandelt werden. Ihre Antworten werden lediglich in Form aggregierter Daten kenntlich, d.h. sie sind in keinem Fall Ihrer Person zuzuordnen.

107

Teil 1. Fragen zur Person

Alter

Geschlecht

Geburtsland und evtl. Soziali-sationsland (Wo sind Sie aufgewachsen?)

Familienstand

verheiratet ledig getrennt verwitwet

Hochschulform Universität Fachhochschule

Studienfach

2. Fach (falls vorhanden)

Semesterzahl Regelstudienzeit

Sprachkompetenzen

Abiturdurchschnitt

Geburtsland der Eltern

Mutter: __________________ Vater: ___________________

Familienstand der Eltern

verheiratet (miteinander) getrennt verwitwet Alleinerziehend

Beruflicher Status der Eltern

Mutter: __________________ Vater: ___________________

(Aus-) Bildung der Eltern (Mehrfachnennungen möglich)

Mutter:

Vater: kein Schulabschluss

Haupt-/Volksschule Gesamtschule Real-/Mittelschule Gymnasium Berufl. Ausbildung Hochschulabschluss

kein Schulabschluss Haupt-/Volksschule Gesamtschule Real-/Mittelschule Gymnasium Berufl. Ausbildung Hochschulabschluss

Wie finanzieren Sie Ihr Studi-um? (Mehrfachnennungen möglich)

Bafög Nebenjob Stipendium familiäre Unterstützung (Eltern) Ehepartner/in Sonstiges

108

Teil 2. Problemzentriertes Interview

I. Elternhaus und soziales Umfeld

Können Sie Ihren schulischen Werdegang kurz erläutern? Haben Sie eine Klasse wiederholt? Wenn ja, wann und warum?

Welche Rolle haben Ihre Eltern, Ihre sozialen Umfeldes, die Lehrer*innen gespielt? Wer hat Sie un-terstützt und in welcher Weise? Haben Sie während der schulischen Bildungslaufbahn Unterstüt-zung durch Eltern, Lehrer oder Freunde erhalten? Gab es Einfluss aus dem sozialen Umfeld?

Wie ist der Übergang von der 4. Klasse zur weiterführenden Schule verlaufen? Welche Empfehlung hatten Sie? Sind Sie bzw. Ihre Eltern dieser Empfehlung gefolgt?

Bitte beschreiben Sie den Stadtteil, in dem Ihre weiterführende(n) Schule(n) lag(en) - (soziales Mili-eu, Migrantenanteil)

Wie verlief der Übergang von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II? (Empfehlung, Nachkommen mit dem Lernstoff, Unterstützung).

109

In einigen Schulen stellen Schülerinnen mit Migrationshintergrund inzwischen die quantitative Mehr-heit dar. Wie war die Zusammensetzung der Schüler*innen bei Ihnen?

Wie würden Sie Ihren Freundeskreis beschreiben? (Migrationshintergrund, nationale Herkunft, so-ziale Herkunft?)

Hatten Sie Vorbilder oder Motivatoren im schulischen Werdegang? Wer war das?

Hatten Sie Deutschenfeindlichkeit in der Schule empfunden (von Mitschülerinnen mit Migrationshin-tergrund oder anderen) Wenn ja, in welcher Form? Wie sind Sie damit umgegangen?

Haben Sie Ausgrenzung von Migrant*innen an der Schule beobachtet? Wenn ja, in welcher Form?

II. Schulischer Werdegang / Zugang zur Hochschule

Warum haben Sie sich für ein Studium entschieden? Gab es Studienorientierungsangebote in der Oberstufe?

Was haben Ihre Freunde nach dem Abitur gemacht?

110

Was haben Sie zwischen Abitur und Hochschule gemacht? (Auslandsaufenthalt, Auslandspraktikum, FSJ, Zivildienst etc.)

Wie verlief der Übergang zur Hochschule? Welche Schwierigkeiten hatten Sie?

Gab es Probleme wie Zulassungsbeschränkungen, Umwege in den Studiengängen, usw.?

Wie verlief die Studienfachwahl? Wer oder was hat dabei eine Rolle gespielt? (Eltern, familiäres Um-feld, NC, räumliche Nähe, soziales Umfeld)

Haben Sie das Studienfach gewechselt? In welchem Semester? Was war die Ursache? Waren Sie mit dem Wechsel zufrieden?

III. Hochschulleben

Gab es bei Studienbeginn Unterstützungsbedarf und in welcher Hinsicht? Haben Sie an der Hoch-schule Kurse, Veranstaltungen oder Maßnahmen erhalten bzw. besucht?

Hatten Sie familiäre Unterstützung? Durch wen und in welcher Weise?

111

Wie ist Ihnen die Anpassung an das studentische Leben und die Selbstständigkeit gelungen? Wel-che Schwierigkeiten hatten Sie?

Wie kamen Sie mit dem Lernstoff zurecht? Hatten Sie Lerngruppen?

IV. Außeruniversitäres Engagement

Haben Sie sich außeruniversitär in Vereinen, Parteien oder anderen Organisationen engagiert? Wenn ja, warum?

Haben Sie sich nach Studienbeginn oder im Verlauf mit anderen Studierenden zusammengeschlos-sen, sind Sie einer Gruppe, Organisation o.ä. beigetreten?

Hat Ihr Engagement zu Ihrer persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung beigetragen? In wel-cher Weise?

Was würden Sie in dieser Hinsicht anderen Studierenden empfehlen? Warum?

V. Schwierigkeiten / Hürden im Hochschulbetrieb

Gab es während Ihres Studiums Schwierigkeiten oder Hürden und wie haben Sie diese überwun-den?

112

Welche Stärken haben Sie, die für das Studium wichtig sind? Warum sind Sie im Studium erfolg-reich?

Gibt es aus Ihrer Sicht Unterschiede zwischen Studierenden mit und ohne Migrationshintergrund? Welche?

Gab es bei Ihnen familiäre oder finanzielle Hürden im Studienverlauf?

Falls ja, wie oder wodurch haben Sie diese überwinden können?

VI. Rückblick und Zukunftsperspektive

Was würden Sie heute anders machen? (anderes Fach, schneller studieren, Praktika, Auslandsstu-dium, fachbezogene Nebenjob, etc.)

Wie sehen Ihre akademischen und beruflichen Pläne aus? (Master, Promotion, Berufswahl).

Sehen Sie eine berufliche Zukunft auch im Ausland? Wo? Unter welchen Umständen? Haben Sie bisher schon Schritte dahingehend unternommen? Welche?

113

Was erwarten Sie von Ihrer beruflichen Zukunft? Welche Hürden und Chancen sehen Sie?

Wären Sie bereit, dafür auch von Familie und sozialem Umfeld wegzuziehen?

Danksagung

114

Interview Nr.:________

Datum: ______________

Stadt: _______________

Herkunft: _________________

Standardisierte Befragung von Studierenden mit Migrationshinter-grund

Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Geflüchteten an der Hochschulbildung in NRW

Einleitung

Die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen führt eine Studie zur Beteiligung von Bildungsinländern77 mit Migrationshintergrund und Geflüchteten an der Hochschulbildung in NRW durch. Da sich in der Einwanderungsgesellschaft in NRW in der sozialen Herkunft begründete und migrationsbedingte Hindernisse beim Zugang zur Hoch-schulbildung überlappen - indem junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte überpropor-tional häufig sozial benachteiligten Milieus entstammen - stellt sich die Frage, welche zusätz-lichen Maßnahmen geboten sind, speziell migrationsbestimmte Zugangshürden zu adressie-ren und Erfolgsfaktoren zu ermitteln, die trotz dieser Hürden einen Hochschulzugang und -abschluss möglich machen. Unser Förderer ist das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Argumente für die Teilnahme: Warum ist das wichtig?

Sie helfen uns mit Ihrer Teilnahme dabei, die Zufriedenheit mit und Erwartungen an Hoch-schulangebote zu erfassen und Schwachstellen aufzuzeigen. Durch diese Informationen können die Angebote verbessert werden.

Informationen zum Ablauf

Im Rahmen des Projekts führen wir mit Studierenden mit Migrationshintergrund aus ver-schiedenen Ländern 20-minütige standardisierte Interviews durch und fragen nach der Be-kanntheit und Zufriedenheit von Hochschulangeboten.

Anonymität und Datenschutz

Wir versichern, dass alle Ihre Antworten absolut anonym und vertraulich behandelt werden. Ihre Antworten werden lediglich in Form aggregierter Daten verwendet, d.h. sie sind in kei-nem Fall Ihrer Person zuzuordnen.

77

Mit Bildungsinländern sind jene gemeint, die ihren Bildungswerdegang hauptsächlich in Deutschland absolviert haben.

115

1.a. Sind Ihnen die folgenden Hochschulangebote bekannt? 1.b. Falls ja, haben Sie daran teilgenommen? 1.c. Falls ja, wie zufrieden waren Sie damit? Bitte vergeben Sie hierfür Schulnoten von 1 bis 6.

Angebote Bekannt-heit (ankreuzen)

Teilnahme

(ankreuzen) Zufriedenheit (Zahl eintragen) 1 = sehr zufrieden

2 = zufrieden

3 = eher zufrieden 4 = eher unzufrie-den

5 = unzufrieden

6 = gar nicht zufrie-den

Ja Nein

Ja Nein

Stipendium (International Office/ DAAD)

Studienbegleitende Sprachkurse

Schreibevents / Schreibwerkstät-ten

Tutorien

Buddy Programm

Beratung (psychische, rechtliche und Sozialberatung) (Bitte Zutreffendes unterstrei-chen)

Informationsveranstaltungen für Erstsemester

Austauschprogramm, Sprach-Café, Tandem

(Bitte Zutreffendes unterstrei-chen)

Qualifizierungsangebote (z.B. SPSS, o.a.) (Bitte eintragen)

Sonstiges: Bitte eintragen

2. Welche Erwartungen an Angebote zum Hochschulzugang und zur Studienbeglei-tung hatten Sie? Ich lese Ihnen nun einige Aussagen zu Angeboten in der Oberstufe bzw. zum Hochschulzugang vor. Bitte sagen Sie mir, ob Sie dieser Aussage voll zu-stimmen, zustimmen, teilweise zustimmen, eher nicht zustimmen oder gar nicht zu-stimmen.

116

Stimme voll zu

Stimme zu

Stimme teilweise

zu

Stimme eher

nicht zu

Stimme gar nicht

zu

Keine Angabe

Angebote in der Oberstufe

Ich hätte mir eine umfangrei-chere Informationsvermittlung über den Hochschulzugang sowie zur Fach- und Universi-tätsauswahl gewünscht

1 2 3 4 5 9

Die „Tag der offenen Tür“ - Ver-anstaltungen an den Universitä-ten waren ausreichend, um eine Entscheidung zu treffen

1 2 3 4 5 9

Es fehlten Informations-veranstaltungen über berufliche Perspektiven nach der Universi-tät

1 2 3 4 5 9

Es fehlten Vorbereitungskurse für das Studium

1 2 3 4 5 9

Es fehlten mehr Sprachkurse für ausländische Studierende

1 2 3 4 5 9

Sonstiges (ggf. notieren)

3. Jetzt kommen wir zu den Angeboten im ersten Semester bzw. zu Studienbeginn. Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen hierzu zu?

Stimme voll zu

Stimme zu

Stimme teilweise

zu

Stimme eher

nicht zu

Stimme gar nicht

zu

Keine Angabe

Die Betreuung für Erstsemester durch das Buddy – Programm war sehr gut

1 2 3 4 5 9

Ich war zu Studienbeginn orien-tierungslos

1 2 3 4 5 9

Ich hätte mir eine intensivere Betreuung zu Studienbeginn gewünscht

1 2 3 4 5 9

Mir haben Nachholkurse ge-fehlt, um fachliche Defizite aus der Oberstufe zu decken

1 2 3 4 5 9

Die Angebote zu Studienbeginn waren zu meiner Zufriedenheit

1 2 3 4 5 9

Sonstiges (ggf. notieren)

4. Wie beurteilen Sie die Kommunikation der Angebote? Ich lese Ihnen wieder einige Aussagen hierzu vor, bitte sagen Sie mir, ob Sie dieser Aussage voll zustimmen, zu-stimmen, teilweise zustimmen, eher nicht zustimmen oder gar nicht zustimmen.

117

Stimme voll zu

Stimme zu

Stimme teilweise

zu

Stimme eher

nicht zu

Stimme gar

nicht zu

Keine Angabe

Ich erwarte eine bessere Kommunikation über vor-handene Angebote der Hochschule

1 2 3 4 5 9

Ich erwarte eine bessere Kommunikation zwischen Lehrstuhl und Fachschaft, damit die Informationen, An-gebote und Termine besser weitergegeben werden

1 2 3 4 5 9

Die Kommunikation müsste auch in der Muttersprache stattfinden

1 2 3 4 5 9

Ich erwarte von der Hoch-schulen eine aufsuchende Kommunikation, indem Mit-arbeiter gezielt Studierende über Angebote informieren

1 2 3 4 5 9

Die Hochschulen müssten regelmäßig einen Informati-onstag anbieten, um über Angebote zu informieren

1 2 3 4 5 9

Sonstiges(ggf. notieren)

5. Kommen wir zur Beratung. Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?

Stimme voll zu

Stimme zu

Stimme teilweise

zu

Stimme eher

nicht zu

Stimme gar

nicht zu

Keine Angabe

Während des Studiums müssen mehr Angebote zur individuellen Beratung vor-handen sein

1 2 3 4 5 9

Es müssen mehr soziale, psychische und rechtliche Beratungsleistungen ange-boten werden

1 2 3 4 5 9

Es müssen mehr Schreib-werkstätten angeboten wer-den

1 2 3 4 5 9

Es gibt ausreichend Übun-gen bzw. Tutorien

1 2 3 4 5 9

Sonstiges (ggf. notieren)

6. Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zur Studienfinanzierung zu?

118

Wir bedanken uns herzlich für die Teilnahme an der Umfrage und wünschen weiterhin viel Erfolg im Studium. Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung Caner Aver Programmverantwortlicher für Hochschule und Migration [email protected]

Stimme voll zu

Stimme zu

Stimme teilweise

zu

Stimme eher

nicht zu

Stimme gar

nicht zu

Keine Angabe

Stipendien für Studierende aus einkommensschwachen Familien sind ausreichend vorhanden

1 2 3 4 5 9

Die Bafög-Laufzeit muss in schwierigen Lebenssituatio-nen erweitert werden können

1 2 3 4 5 9

Der Bafög-Satz muss erhöht werden

1 2 3 4 5 9

Die Steuerfreibeträge für Zusatzverdienste müssen angehoben werden

1 2 3 4 5 9

Die Hochschulen müssen einige Lernmaterialien kos-tenlos bereitstellen

1 2 3 4 5 9

Sonstiges (ggf. notieren)

119

Leitfaden für Interviews mit Geflüchteten

Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Geflüchteten

an der Hochschulbildung in NRW

Einleitung

Die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen führt eine Studie zur Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Geflüchteten an der Hochschulbildung in NRW durch. Unser Förderer ist das Ministerium für Innovation, Wissen-schaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Argumente für die Teilnahme: Warum ist das wichtig?

Sie helfen uns mit Ihrer Teilnahme dabei, Zugangsbarrieren von Geflüchteten zu den Hoch-schulen in NRW zu erkennen. Mit diesen Erkenntnissen können Angebote und Maßnahmen zur Unterstützung von Geflüchteten besser an die Bedürfnisse angepasst werden.

Informationen zum Ablauf

Im Rahmen des Projekts führen wir mit Geflüchteten aus verschiedenen Ländern 30-minütige Interviews durch. Im ersten Teil beginnen wir mit standardisierten sozio-demographischen Daten und im zweiten Teil folgen die themenbezogenen Fragen.

Anonymität und Datenschutz

Wir versichern, dass alle Ihre Antworten absolut anonym und vertraulich behandelt werden. Ihre Antworten werden lediglich in Form aggregierter Daten verwendet, d.h. sie sind in kei-nem Fall Ihrer Person zuzuordnen.

120

Teil 1. Fragen zur Person

Alter

Geschlecht

Geburtsland und evtl. Soziali-sationsland (Wo sind Sie aufgewachsen?)

Seit wann sind Sie in Deutschland?

Familienstand ledig verheiratet getrennt verwitwet Sonstiges

Haben Sie Familien-angehörige hier in Deutsch-land?

Ja Nein

Falls ja, welche Ihrer Fami-lienangehörigen leben in Deutschland? (Mehrfachnen-nung möglich)

Ehefrau / Ehemann Kinder Eltern: Mutter / Vater / beide Geschwister Sonstige: __________________________________

Wo lebt Ihre Familie bzw. der Teil Ihrer Familie, der nicht in Deutschland ist?

In Syrien Im Irak In der Türkei In: __________________________

Welchen Aufenthaltsstatus haben Sie aktuell?

BÜMA (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender) Aufenthaltsgestattung (Person befindet sich im Asylverfah-

ren; endgültiger Status noch offen) Duldung (Kein Recht zum Aufenthalt/Ausreisepflicht; Ab-

schiebung vorübergehend ausgesetzt) Aufenthaltserlaubnis (zunächst befristetes Aufenthaltsrecht

aus humanitären Gründen) Sonstige_____________________________________

Wo haben Sie Ihren höchsten allgemeinen Schulabschluss gemacht?

Im Heimatland In__________

Welchen höchsten allgemein-bildenden Schulabschluss haben Sie erworben?

Keinen Schulabschluss Grund-/Volksschule Mittlere Schule Abitur Anderer Abschluss Keine Angabe Sonstigen _____________________

121

Welchen höchsten berufli-chen Ausbildungsabschluss haben Sie?

Keinen beruflichen Ausbildungsabschluss Berufsfachschulabschluss Techniker/in / Fachakademie Fachhochschulabschluss Universitätsabschluss Anderer Berufsabschluss ______________________ Keine Angabe

Wenn Fachhochschule oder Universität, welchen Ab-schluss haben Sie?

Ich habe einen Bachelorabschluss Ich habe einen Masterabschluss Ich bin promoviert

Wo haben Sie diesen berufli-chen Ausbildungsabschluss erworben?

Im Heimatland In__________

Haben Sie in Ihrem Herkunfts-land bereits studiert?

Ja Nein

Welche berufliche Stellung hatten Sie zuletzt in ihrem Herkunftsland?

Schüler Student Arbeitslos Arbeiter/in (angelernt) Facharbeiter/in Einfache/r Angestellter/r (ohne Fachausbildung) Mittlere/r Angestellter/r (mit Fachausbildung) Höhere/r Angestellter/r (Führungs-/Leitungsposition) Beamt/in/er Selbstständig/r in freien akademischen Beruf (Arzt, Rechts-

anwalt etc.) Selbstständiger/r in Handel, Gewerbe, Dienstleistung, In-

dustrie Mithelfende/r Familienangehörige/r Sonstige________________________ Bitte geben Sie Ihre Tätigkeit genau an:

11. Welche Berufserfahrun-gen haben Sie? Wie lange haben Sie bereits gearbeitet

122

12. Welche Sprachkenntnisse haben Sie und auf welchem Niveau können Sie die Spra-che sprechen?

Niveau (1 sehr gut, 6 sehr schlecht)

Arabisch _____ Farsi ______ Dari ______ Paschto ______ Urdu ______ Englisch _____ Deutsch ______ Spanisch _____ Französisch _____ Sonstige:___________________________

13. Sind Sie derzeit erwerbs-tätig und falls ja, in welchem Umfang?

Vollzeit erwerbstätig (34 Wochenstunden oder mehr) Teilzeit erwerbstätig (weniger als 34 Wochenstunden/mehr

als 400 Euro) Geringfügig beschäftigt (bis 400 Euro monatlich) Nicht erwerbstätig Keine Angabe

14. Falls nicht erwerbstätig: Zu welcher der folgenden Gruppen gehören Sie?

Arbeitslos Hausfrau/- mann Keine Arbeitserlaubnis Aus anderen Gründen nicht erwerbstä-

tig:_____________________

Teil 2. Perspektive

Wo stellen Sie sich Ihre Zukunft vor? In welcher zeitlichen Perspektive?

Können Sie sich vorstellen, eines Tages in Ihr Heimatland zurückkehren? Was wären Ihre Motiva-tion dafür? Welche Umstände müssten gegeben sein?

Wie stellen Sie sich Ihre private Zukunft in Deutschland vor? Welche Pläne haben Sie?

Haben Sie Familienangehörige in Ihrem Herkunftsland, die Sie nachholen möchten? Wissen Sie, wie das gelingen könnte?

123

Wie stellen Sie sich Ihre berufliche Zukunft in Deutschland vor? Welche Pläne haben Sie?

(Deutschkurse, Studium, Anerkennung der Abschlüsse, Fortbildung, Nachqualifizierung usw.)

Haben Sie sich hinsichtlich Ihrer beruflichen Pläne informiert und/oder beraten las-sen?

Was haben Sie zuerst unternommen und was folgte dann? Durch wen erfolgte die Beratung? Und welche Erfahrung haben Sie damit gemacht? Konnte Ihnen weiter-geholfen werden?

Beratung zu Durch wen (Instituti-on/Person)

Erfahrung/Hilfe

4. Inwieweit wurden Ihre bisherigen akademischen und beruflichen Qualifikationen in Deutschland anerkannt? Wie läuft der Anerkennungsprozess bzw. die Nachquali-fizierung? Welche Erfahrung haben Sie damit gemacht?

5. Wie willkommen fühlen Sie sich in Deutschland?

Danksagung

124

rt

Datum: _____________

Organisation: _______________

Leitfaden für Interviews mit Experten aus Migrantenorganisationen

Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Geflüchteten

an der Hochschulbildung in NRW

Einleitung

Die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen führt eine Studie zur Beteiligung von Bildungsinländern mit Migrationshintergrund und Geflüchteten an der Hochschulbildung in NRW durch. Unser Auftraggeber ist das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Argumente für Teilnahme: Warum ist das wichtig?

Bildung ist die zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Geringe Bildung senkt entsprechend die Chance auf Beschäftigung und führt häufig zu Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Desintegration. Die individuelle Chancengerechtigkeit hinsichtlich des Bildungszu-gangs ist nicht für alle Menschen in Deutschland gewährleistet. Junge Menschen aus Fami-lien mit Migrationshintergrund scheinen noch in besonderem Maße von Bildungsungleichhei-ten betroffen zu sein. Um Maßnahmen und Angebote insbesondere zur Unterstützung des Hochschulzugangs zu verbessern, möchten wir gerne Ihre Erfahrung in unsere Studie einbe-ziehen.

Informationen zum Ablauf

Im Rahmen unserer Studie möchten wir herausfinden, wie Migrantenorganisationen junge Menschen in ihrem Bildungsweg unterstützen und welche Maßnahmen sie dafür anbieten. Das Interview wird etwa 30-40 Minuten dauern.

Anonymität und Datenschutz

Das Interview ist selbstverständlich anonym und freiwillig. Wir versichern Ihnen, dass alle Ihre Antworten absolut anonym und vertraulich behandelt werden. Ihre Antworten werden lediglich in Form aggregierter Daten kenntlich, d.h. sie sind in keinem Fall Ihrer Person zu-zuordnen.

125

Vereinsziele

Zunächst würden wir gerne etwas über Ihren Verein erfahren. Wofür setzt sich Ihr Verein ein, welche Ziele verfolgen Sie?

Welche soziale Struktur hat die Zielgruppe Ihres Vereins? (Soziales Milieu, Wohnraumumfeld)

Welche konkreten Aktivitäten oder Projekte bieten Sie an, um Zukunftsperspektiven von

Kindern und Jugendlichen zu fördern?

Können Sie uns konkrete Beispiele nennen, bei denen sich Ihr Verein erfolgreich für die

schulischen und akademischen Werdegang von Kindern oder Jugendlichen einsetzen

konnte?

Problemwahrnehmung

Wo liegen aus Ihrer Sicht die zentralen Schwierigkeiten im Bildungswerdegang von Kindern

und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland?

Wie könnten diese Probleme aus Ihrer Sicht gelöst werden? Was müsste von der Politik

getan werden, um die Situation zu verbessern?

Strukturelle Situation des Vereins

126

Danksagung.

Welche Probleme und Schwierigkeiten haben Sie bei der Ausübung Ihrer Tätigkeiten? (z.B. zu wenige Mitarbeiter im Verein, ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, finanzielle Situation, Räumlichkeit, bürokratische Hürden)

Arbeiten Sie auch mit Schulen, Bildungseinrichtungen oder dem Schulministerium zusammen? Welche Erfahrungen haben Sie dabei gewonnen mit Blick auf die Akzeptanz, Kooperationsbereitschaft und Integration Ihrer Angebote?

Förderinstrumente

Haben Sie jemals öffentliche Projektmittel beantragt? Welche Erfahrung haben Sie damit gemacht? Würden Sie erneut Projektmittel beantragen? Führen Sie aktuell geförderte Projekte durch?

Wo genau sehen Sie Unterstützungsbedarf für Ihre Vereinsarbeit? Was würde Ihnen helfen? Welche Art von Förderinstrument ist aus Ihrer Sicht für Ihre Vereinsarbeit notwendig?

Gibt es aus Ihrer Sicht noch etwas zu ergänzen, worüber wir noch nicht gesprochen haben?