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Biotechnologie in Deutschland 25 Jahre Unternehmensgründungen

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Biotechnologie in Deutschland25 Jahre Unternehmensgründungen

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Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

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11055 Berlin

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53182 Bonn

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maximal 0,42 Euro /Min. aus den Mobilfunknetzen)

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Internet: http://www.bmbf.de

Text

Ulrich Falke (Wissenschaftsjournalist)

Redaktion

Norbert Grust (wbv), Ulrich Falke, Dr. Daniel Dreesmann (Projektträger Jülich,

Forschungszentrum Jülich GmbH), Wiebke Johannsen (Dipl.-Ing. und Journalistin)

Fachliche Beratung

Dr. Hans-Michael Biehl und Wilfried Wascher (Projektträger Jülich,

Forschungszentrum Jülich GmbH)

Gestaltung

W. Bertelsmann Verlag (wbv), Bielefeld, www.wbv.de, Hauke Sturm Design

Druck

Bonifatius GmbH, Paderborn

Bildnachweis

Titel: clipdealer/alexraths; 4: Henrik Spohler/laif; 5: John F./Panthermedia;

7: Alexander Raths/Fotolia.de; 10: Flad & Flad Communication GmbH; 11: me-

dicalpicture GmbH; 13: picture-alliance/ZB; 14: privat; 18: Wolfgang Deuter/Fotolia.

de; 19: privat; 21: Brian G. Green/Getty Images; 22: Fotolia IV; 25: L’Oréal, Paris; 26:

Helmholtz Zentrum München/Bernd Müller; 27: Jorg Meyer; 30: privat; 31: WISTA-

MANAGEMENT GMBH/www.adlershof.de; 34: Disney; 35: privat; 36: SSPL/Getty

Images; 37: A1PIX/SAT; 38: privat; 42: 2008, The NASDAQ OMX Group, Inc.; 43: privat;

44: Gutenberg-Museum; 45, 47: immatics; 48: Maj Britt Hansen; 49, 50: Orpegen;

51, 52, 53: Biopharm; 54: Susanne Hofmann; 55: medicalpicture GmbH; 56: ScheBo;

57: QIAGEN; 61, 62, 63: Steffen Leiprecht; 64, 65, 66: Miltenyi; 67: Südkurier; 68, 69:

GATC; 70: Schneider-Mergener/Jerini; 75, 76, 77: BioPlanta; 78, 79, 80: MorphoSys AG;

81, 82, 83, 84: Kristian Barthen/BRAIN Archiv; 87, 88, 89: Evotec; 90, 92: MediGene; 91:

OKAPIA KG, Germany; 93: Jeibmann Photographik; 94: Vita 34; 95: Rights protected;

96: BioM GmbH; 100: Anna Blancke; 101, 102: metanomics GmbH/BASF SE; 103:

Ulrich Falke; 104: Marvin Simchen/Fotolia.de; 105: SunGene; 106, 107, 108: Geneart;

109: Thomas Einberger/argum; 112: Idris Kolodziej; 113: Bally/Keystone Schweiz/laif;

114: Capsulution Pharma AG; 115: Antonia Nahas; 116, 117: Direvo; 118: Deniz Saylan/

WirtschaftsWoche; 119, 120: immatics; 121: Sebastian Stiphout; 125, 126: Pressefoto

BASF; 127: vario images; 128 Maj Britt Hansen; 129: Apogenix; 130: Deutsches

Krebsforschungszentrum; Apogenix; 131: Anselm Harz; 132, 133: c-LEcta; 134: Ellen

Klose; 141: Henrik Spohler/laif.

Bonn, Berlin 2010

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Biotechnologie in Deutschland25 Jahre Unternehmensgründungen

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1 InHalT

Inhalt

25 Jahre Unternehmensgründungen in der Biotechnologie – Erfolgsgeschichten durch weitsichtige Förderprogramme 4

Überblick über die Förderprogramme des BMBF 7

Vielseitig, risikofreudig, wachstumsstark – Expertenmeinungen zur deutschen Biotechnologiebranche 13

Biotechnologie in Deutschland – Blick auf eine Branche, der die Zukunft gehört. Von Viola Bronsema 14

… wenn das Gute liegt so nah – Warum kurze Wege für Wagniskapitalgeber wichtig sind. Von Ulrich Abshagen 18

Geldgeber mit Köpfchen – Wege zum wirtschaftlichen Erfolg am Beispiel TaconicArtemis. Von Peter Stadler 23

„Hochkarätige Berater für junge Firmen“ Interview mit dem Genetiker Klaus Rajewsky über seine Motive bei der Gründung von Artemis Pharmaceuticals und die Erfolgsbedingungen junger Unternehmen 28

Zurück in der Zukunft – Was Bund und Länder erreichen, wenn sie an einem Strang ziehen. Von Kai Uwe Bindseil 30

Schlüssel zur Realisierung von Ideen – Keine Vermarktung von Patenten ohne klare Strategien. Von Claas Junghans 34

Achterbahn auf DNA-Strängen – Über die Beziehung zwischen Biotechnologie und Risikokapital. Von Marion Jung 38

Business Angels – Starthelfer für innovative Unternehmen ohne Eigenkapital. Von Ute Günther und Roland Kirchhof 43

Von Forschern, Tüftlern, Pionieren – Beispielhafte Unternehmensgründungen 47

ORPEGEN Pharma GmbH – Abwehrstarkes Unternehmen 48

BIOPHARM GmbH – Durchbruch zum Erfolg per Handschlag 51

ScheBo Biotech AG – 20 Jahre privat und geschäftlich ein Paar 54

„Es hapert bei der Entwicklung marktfähiger Produkte“ Interview mit Peer Schatz, dem Vorstandsvorsitzenden von QIAGEN, über den Erfolg seines Unternehmens und das Potenzial der jungen deutschen Biotechnologiebranche 57

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2 InHalT

Mikrogen GmbH – Erfolg durch serologische Testsysteme 61

Miltenyi Biotec GmbH – Mit MACS MicroBeads den Weltmarkt markiert 64

GATC Biotech AG – Erbgutanalyse mit Hightech und Family Flair 67

„Zum richtigen Zeitpunkt verkauft“Interview mit Jens Schneider-Mergener, Gründer der Jerini AG, über den Börsengang des Unternehmens, die Schwierigkeiten am Aktienmarkt und den Exit im Jahre 2008 70

BioPlanta GmbH – Exotische Frucht aus der Umweltbiotechnologie 75

MorphoSys AG – Antikörperbibliothek fast schon ein Selbstläufer 78

BRAIN AG – Nachhaltigkeit aus Tradition 81

„Nicht ohne die jungen Wilden aus den Universitäten“ Interview mit Jürgen Eck, Mitgründer der BRAIN AG, zum Verhältnis zwischen Akademia und Industrie 84

Evotec AG – Balance zwischen Plattformtechnologie und Wirkstoffentwicklung 87

MediGene AG – Vorreiter der Medikamentenentwicklung 90

VITA 34 AG – Erste und größte Nabelschnurblutbank in Deutschland 93

„Der internationale Wettbewerb erfordert den Schulterschluss der Regionen“Interview mit Horst Domdey, Geschäftsführer von Bio M, über den Ansatz des Münchner Biotechnologieclusters und die Kunst, aus Solisten einen wohlklingenden Chor zu formen 96

metanomics GmbH – Hermeneutik der Gene als Geschäftsidee 100

SunGene GmbH – Bodenständiges Unternehmen im Wandel 103

GENEART AG – „Goldstandard“ für die Impfstoffherstellung 106

„Innovative Start-ups brauchen bessere Bedingungen für Wagniskapital“Interview mit dem Innovationsforscher Dietmar Harhoff über Hürden bei Kapitalbeteiligungen und die Notwendigkeit innovationsfreundlicher Steuerpolitik 109

Capsulution Pharma AG – Nanokapseln gegen schwere Krankheiten 112

DIREVO Biotech AG – Fortsetzungsgeschichte mit Happy End 115

immatics biotechnologies GmbH – Kleine Ampullen gegen den Krebs 118

„Bei der Arzneimittelentwicklung fällt Deutschland zurück“ Interview mit Peter Buckel, Geschäftsführer von SuppreMol, über die Planbarkeit von Innovationen und Barrieren bei der Umsetzung von Produktideen 121

ORGANOBALANCE GmbH – Diversität der Natur nutzen 125

Apogenix GmbH – Neue Strategien im Kampf gegen den Krebs 128

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3 InHalT

c-LEcta GmbH – Enzymdesigner aus Leipzig 131

„Nicht jede Idee braucht eine Firma“ Interview mit Friedrich von Bohlen und Halbach und Christof Hettich, den Geschäftsführern der dievini Hopp BioTech holding, über die Voraussetzungen erfolgreicher Investitionen und den Einfluss baltischer Hausgötter 134

Anhang:

Unternehmensgründungen in der Biotechnologie 1985 bis 2010 141

Personenverzeichnis 149

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4 EInlEITUnG

25 Jahre Unternehmensgründungen in der Biotechnologie Erfolgsgeschichten durch weitsichtige Förderprogramme

Biotechnologie ist schon lange mehr als das Brauen von Bier, das Backen von Brot oder die Herstellung von Joghurt und Käse. Mit modernen biotechnologischen Verfahren werden inzwischen Impfstoffe, antibiotika und innovative Medikamente hergestellt und neue Diagnose- und Therapiekonzepte zum Beispiel für die klassischen Volkskrank-heiten entwickelt. abwasserreinigung und Energiegewinnung aus Biomasse zählen ebenfalls zu den vielversprechenden an-wendungsgebieten der Biotechnologie. Und im alltag vielfach unbemerkt, werden längst auch Waschmittelenzyme und Fein-chemikalien, Vitamine und lebensmittel-zusatzstoffe mithilfe umweltfreundlicher biotechnologischer Verfahren produziert.

Während der vergangenen 25 Jahre hat sich die Bio-technologie zu einer typischen Querschnittstech-nologie entwickelt. Neben dem Gesundheitswesen, der chemischen Industrie und der Landwirtschaft arbeiten Biotechnologen in Deutschland heute auch erfolgreich mit Physikern, Informatikern und Ingenieuren zusammen.

Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit findet nicht nur in den Laboren von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen statt, sondern auch in den mehr als 500 reinen Biotechno-logieunternehmen mit ihren insgesamt über 14.000 Beschäftigten. Zu ihnen kommen etwa 100 Unter-nehmen hinzu, die neben der Biotechnologie auch in anderen Geschäftsfeldern wie Pharma, Chemie oder Saatgutproduktion tätig sind. Allein im Jahr 2008 stieg der Umsatz der deutschen Biotechnolo-giebranche auf 2,2 Milliarden Euro an. Die Biotech-nologie ist ohne Zweifel ein Innovationstreiber für mehr Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand.

Die Biotechnologiebranche in Deutschland ist bunt – fast so bunt wie die hier dargestellen Analyseergebnisse von DNA-Sequenzen. Die Produkte der etwa 500 Unternehmen kommen sowohl in der Landwirtschaft als auch in Medizin und Industrie zum Einsatz.

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5 EInlEITUnG

Biotechnologie – Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts

„Biotechnologie ist die Anwendung von Wis-senschaft und Technik auf lebende Organis-men, Teile von ihnen, ihre Produkte oder Modelle von ihnen zwecks Veränderung von lebender oder nicht lebender Materie zur Erweiterung des Wissensstandes, zur Herstel-lung von Gütern und zur Bereitstellung von Dienstleistungen.“

Diese Definition der Organisation für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird in ihrer Abstraktheit den vielfäl-tigen Möglichkeiten der Biotechnologie zwar grundsätzlich gerecht. Die Einsatzgebiete und Anwendungen der rund 30 Jahre alten Schlüs-seltechnologie sind jedoch so vielfältig und in so unterschiedlichen Branchen anzutref-fen, dass man die Biotechnologie umgangs-sprachlich in die Farben Grün, Rot und Weiß eingeteilt hat. Dabei steht die Farbe Grün für die Pflanzenbiotechnologie, die sich mit der Erzeugung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen mit verbesserten Eigenschaften befasst, Rot für die medizinische Biotechnologie von der Diagnostik bis hin zur Therapie und die Farbe Weiß für die industriellen Anwendungen der Biotechnologie mit ihrem großen Potenzial bei der Etablierung energie- und ressourcen-schonender und damit umweltfreundlicher Produktionsverfahren.

Für die Bundesregierung ist die Förderung der Biotechnologie deshalb ein zentraler Schwerpunkt ihrer Forschungspolitik. Im Rahmen der im Jahr 2006 von ihr ins Leben gerufenen Hightech-Stra-tegie für Deutschland will sie den Transfer von Ergebnissen deutscher Spitzenforschung in die wirt-schaftliche Anwendung nachhaltig unterstützen. Die Biotechnologie zählt zu den sieben Schlüssel-technologien der Hightech-Strategie, die nicht nur Motor für Wachstum und Wohlstand sind, sondern auch Lösungsvorschläge für die Herausforderungen unserer Zeit bieten.

Mit dem Rahmenprogramm „Biotechnologie – Chancen nutzen und gestalten“ hat das Bundes-

ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bereits Anfang 2001 den politischen Rahmen für die Förderung der Biotechnologie in diesem Jahrzehnt gesteckt, um den hohen internationalen Leistungs-standard in den deutschen Biowissenschaften zu sichern und ihre Innovationspotenziale zu erschlie-ßen. Insgesamt wurden von 2001 bis 2005 über 980 Millionen Euro für Biotechnologieprojekte be-reitgestellt. Nach einer erneuten Notifikation durch die Europäische Kommission wurde das Programm im Jahr 2006 um weitere fünf Jahre verlängert und etwa eine Milliarde Euro an Fördermitteln veran-schlagt. Viele Biotechnologieunternehmen haben in den vergangenen 25 Jahren von der BMBF-Förde-rung profitiert.

Biotechnologisch hergestellte Produkte bieten auch im Haushalt viele Vorteile. Mit Enzymen im Waschmittel lässt sich Wäsche effizienter und damit auch umweltschonender waschen.

Die Bandbreite der deutschen Biotechnologie-unternehmen ist enorm. Viele Gründungs- und Erfolgsgeschichten sind häufig eng verknüpft mit den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und seinen Vorgängern eingesetzten Förderprogrammen. Mit ihrer Hilfe war es zahl-reichen Wissenschaftlern möglich, auch in Deutsch-land den Sprung aus Wissenschaft und Forschung hinein in Wirtschaft und freien Markt zu wagen – und ihn dann erfolgreich weiterzuführen. So stellen die weitsichtigen Förderprogramme des Bundesfor-schungsministeriums seit den 1980er-Jahren auch die Grundlagen für die Erfolgsgeschichten deut-scher Biotechnologieunternehmen dar. Dabei hat der im Jahr 1995 vom damaligen Bundesministeri-um für Forschung und Technologie (BMFT) initiierte BioRegio-Wettbewerb wie eine Initialzündung gewirkt: Eine hohe Zahl von Unternehmensgrün-

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� EInlEITUnG

dungen – vor allem aus der Wissenschaft heraus – hat Deutschland seither hinsichtlich der Zahl der Biotechnologieunternehmen europaweit an die Spitze geführt. Mehr als die Hälfte der heutigen in der Biotechnologie tätigen Unternehmen in Deutschland sind erst nach 1996 entstanden. Sie ha-ben wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland in Europa die Spitzenposition bei der Biotechnolo-gie erreichen konnte und sie noch heute hält.

Die Geschichte von 25 Jahren Unternehmens-gründungen in der Biotechnologie handelt aber nicht nur von ambitionierter Forschung, gelun-genem Technologietransfer und internationalen

Ausgründungen. Sie erzählt auch von dem Mut und der Motivation einzelner Unternehmer. Die Porträts von Biotechnologieunternehmen, Exper-teninterviews und Textbeiträge namhafter Akteure und Kenner der Branche zeigen auf den folgenden Seiten exemplarisch, dass die Rechnung der Initia-toren spezifischer Fördermaßnahmen aufgegangen ist. Sie handeln von Gründungen, die klassisch in einer Garage gestartet sind, von Unternehmern, die ihr erstes Labor noch selbst renoviert haben, von ganzen Regionen, in denen inzwischen ausschließ-lich Biotechnologieunternehmen angesiedelt sind, und von Menschen, die nicht nur beruflich, sondern auch privat zum „Dream-Team“ wurden.

Standorte und Entwicklungsbereiche der porträtierten Biotechnologieunternehmen

Capsulution Pharma aG

Medizinische Biotechnologie

pflanzenbiotechnologie

industrielle Biotechnologie

plattformtechnologien und dienstleistungen

Berlin

TüBingen

leipzig

gaTersleBen

BRaIn aG

München

haMBurg

heidelBerg

Berg. gladBach

Köln

Bioplanta GmbH

C-lecta GmbH

Vita 34 aG

apogenix GmbH

BIOPHaRM GmbH

Orpegen Pharma GmbH

Evotec GmbH

metanomics GmbH

Organobalance

DIREVO GmbH

Taconicartemis GmbH

SunGene GmbH

Mikrogen GmbH

MorphoSys aG

immatics GmbH

zwingenBerg

Miltenyi GmbH

giessen

ScheBo aG

regensBurg

Geneart aG

KOnsTanz

GaTC Biotech aG

hilden QIaGEn GmbH/ DIaGEn

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7 FöRDERPROGRaMME DES BMBF

Überblick über die Förderprogramme des BMBF

1983 bis 1988 Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen (TOU)

Einen ersten wichtigen Impuls gab das Bundesfor-schungsministerium im Jahr 1983 mit der „Förde-rung technologieorientierter Unternehmensgrün-dungen“ (TOU). Ziel des Programms war es, ein gründungs- und innovationsfreundliches Klima in Deutschland zu schaffen und die Start- und Wachs-tumsbedingungen für junge Technologieunterneh-men zu verbessern. Denn diese Unternehmen ent-wickelten Produkte auf Feldern, die wirtschaftlich besonders risikoreich waren. Neben der finanziellen Förderung erhielten die Gründerinnen und Grün-der Unterstützung auch bei unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Fragen.

Das Programm war zunächst auf sechs Regionen begrenzt. Neben dem Raum Hamburg und Berlin (West) waren dies das Ruhrgebiet, das Saarland,

Ostbayern sowie der Raum Karlsruhe/Pforzheim. Ab Ende 1984 erweiterte das Bundesministerium seine Initiative um 15 Technologiezentren. Unter-nehmen, die sich dort ansiedelten, konnten nun ebenfalls Fördermittel beantragen. Außer dieser „Regionalvariante“ bot das Konzept eine „Technolo-gievariante“. Ohne regionale Beschränkung öffnete sich damit bundesweit für alle Neugründungen aus dem Bereich der Mikroelektronik der Zugang zu dieser Förderung. Ein dritter, ebenfalls bundesweit gangbarer Weg hatte zur Bedingung, dass an dem Technologieunternehmen mindestens eine Risiko-kapitalgesellschaft beteiligt war.

Das BMBF-Programm TOU gab der Biotechnologie in Deutschland wichtige Impulse. Unternehmen, die mit einem interdisziplinären Team von Biolo-gen, Chemikern und Medizinern neue Produkte entwickelten, hatten gute Aussichten auf Fördergelder.

Ebenfalls noch 1984 erweiterte das Bundesfor-schungsministerium die Technologievariante auf ausgewählte, besonders anspruchsvolle und risiko-reiche Segmente der Biotechnologie. Aussichtsreich waren beispielsweise Anträge von Unternehmen, die bereits in ihrer Entwicklungsphase für ein neues Verfahren oder Produkt eine interdisziplinäre

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8 FöRDERPROGRaMME DES BMBF

Kernmannschaft aus Biologen, Chemikern, Verfah-rensingenieuren, teilweise auch Medizinern und anderen Fachrichtungen zusammenstellen muss-ten. Sie hatten deshalb einen sehr hohen Finanzie-rungsbedarf.

Die Resonanz auf die Programmerweiterung war wesentlich größer als erwartet. Die ursprünglich geplante Laufzeit des Förderprogrammes wurde um zwei weitere Jahre bis Ende 1988 verlängert. Die Initiatoren verfolgten damit vor allem das Ziel, den Venture-Capital-Gesellschaften ein stärkeres Engagement auch bei jungen Technologiefirmen zu ermöglichen.

1989 bis 1994 Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen (BJTU)

Mit dem weitgehenden Rückzug der Risikokapital-anbieter im Laufe der 1980er-Jahre fehlte ein we-sentliches Element des Anreizes für junge Techno-logiegründungen. Das Bundesforschungsministe-rium wollte mit seinem neuen Förderinstrument „Beteiligungskapital für junge Technologieunter-nehmen“ (BJTU) Impulse setzen für eine Auswei-tung des Risikokapitalangebots für Technologie-gründungen. Das Programm baute auf den Er-fahrungen aus TOU auf und lief von Mitte 1989 bis Ende 1994. Im Gegensatz zum Vorgänger wurden allerdings die nicht rückzahlbaren Zuschüsse und Bankbürgschaften für die Unternehmensgrün-dungen gestrichen.

Gleichzeitig wollten die Initiatoren des Pro-gramms zeigen, auf welchem Wege die Finanzie-rung Erfolg versprechender Jungunternehmen dauerhaft sichergestellt werden konnte. Dabei suchten sie auch nach den Ursachen für die Engpäs-se aufseiten der Beteiligungsgesellschaften bei der Finanzierung von jungen Technologieunterneh-men und nach geeigneten Gegenmaßnahmen. Außerdem beschäftigte sie die Frage, inwieweit die Akzeptanz des Finanzierungsinstruments „Beteili-gungskapital“ bei den Gründungen erhöht werden konnte.

Die Fördermaßnahme hatte zunächst zu einer deutlichen Stimulierung des Angebots an Risiko-kapital beigetragen. Selbst klassische Beteiligungs-gesellschaften engagierten sich nun zunehmend

bei jungen Technologieunternehmen. Gleichzeitig traten weitere Anbieter von Risikokapital auf, beispielsweise neu gegründete Seed-Capital-Ge-sellschaften sowie eine Reihe von Kreditinstituten, über deren Darlehen die Gründer ihre Kapitalbasis verbreitern konnten.

Das Koinvestmentmodell, dessen Konditionen primär auf eine Senkung des Beteiligungsrisikos zielten, nutzten vor allem Venture-Capital-Gesell-schaften und solche Seed-Capital-Gesellschaften, denen die Kapitalbereitstellung kaum Schwierig-keiten bereitete. Auch für diese bedeutete die Risi-koabsicherung über das Programm BJTU ein wich-tiges Akquisitionsargument bei der Gewinnung von privaten Kapitalanlegern. Die Förderung, mit der Hemmnisse bei der Refinanzierung überwunden werden konnten, nahmen in erster Linie mittel-ständische Beteiligungsgesellschaften, Seed-Ca-pital-Gesellschaften mit geringem Fondsvolumen und Kreditinstitute in Anspruch. Letztere hätten im Rahmen ihrer üblichen Geschäftspolitik sonst kaum Risiko tragendes Kapital für junge Technologieun-ternehmen bereitstellen können.

1995 bis 2000 Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen (BTU)

Um auch nach Auslaufen des Programms BJTU das Angebot von Risikokapital zu sichern, führte das Bundesforschungsministerium 1995 die Förder-maßnahme „Beteiligungskapital für kleine Tech-nologieunternehmen“ (BTU) ein. Sie beruhte auf den Erfahrungen des Vorgängerprogramms und war ebenfalls mit Managementunterstützung verbunden. Die stillen Beteiligungen der Deutschen Ausgleichsbank (tbg) als Ko- oder Leadinvestor und die Refinanzierung von Beteiligungen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhöhten die Rendite und minderten das Risiko von Kapital-gebern der kleinen Technologieunternehmen. Mit den Beteiligungen erhielten die Unternehmen den nötigen Spielraum, um ihre Investitionen für ange-wandte Forschung und Entwicklung bis zur Reife und Markteinführung ihrer Produkte finanzieren zu können.

Im Gegensatz zum Vorgängermodell wurden die Zugangsvoraussetzungen bei dem neuen För-derinstrument breiter gefasst: Die Unternehmen

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9 FöRDERPROGRaMME DES BMBF

konnten bis zu zehn Jahre alt sein. Sie mussten aber der EU-Definition für kleine Unternehmen entspre-chen.

Mit diesem Programm und seinem Vorgänger BJTU hatte seit Anfang der 1990er-Jahre zuerst das Bundesforschungsministerium und dann das Bundeswirtschaftsministerium in Deutschland die Entwicklung eines Venture-Capital-Marktes im engeren Sinne unterstützt. Die Fördermodelle ebneten jungen, risikoreichen, aber hohes Wachs-tum versprechenden Technologieunternehmen den Weg zu Beteiligungskapital und qualifizierter Unterstützung.

1990 bis 199� Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen in den neuen Bundesländern (TOU-nBl)

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands konzi-pierte das Bundesforschungsministerium aufbau-end auf den Erkenntnissen des Modellversuchs TOU in den alten Bundesländern das Programm „För-derung technologieorientierter Unternehmens-gründungen in den neuen Bundesländern“ (TOU-NBL). Fehlendes Startkapital bei den Gründern, der enorme Arbeitsplatzabbau und die Produkti-vitätslücke im verarbeitenden Gewerbe machten eine Unterstützung in den neuen Bundesländern besonders notwendig.

Mit dieser Maßnahme war die Erwartung verbunden, dass Technologiegründungen zum Strukturwandel beitragen und den Innovations-fortschritt unterstützen. Die Unternehmen sollten neue Märkte erschließen, innovative Strukturen aufbauen und qualifizierte Arbeitsplätze schaffen, um damit die regionale Entwicklung insgesamt anzukurbeln.

Tatsächlich gründeten sich im Rahmen des För-derprogramms 1990 bis 1996 insgesamt 348 High-tech-Unternehmen, darunter eine große Zahl im Bereich der Lebenswissenschaften. Damit hat das Programm in den östlichen Bundesländern einen großen Beitrag zur Stabilisierung der Industrie geleistet.

1997 bis 2003 Förderung und Unterstützung technologie-orientierter Unternehmensgründungen in den neuen Bundesländern und Berlin-Ost (FUTOUR) und FUTOUR 2000

1997 wurde aus der Fördermaßnahme TOU-NBL das Programm „FUTOUR“ für die neuen Bundesländer. Seit dem Regierungswechsel Ende 1998 stand es unter der Verantwortung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Zielgruppe dieser Förderung waren technisch-innovative Grün-dungen und Unternehmen mit Wachstumspoten-zial, die bald auch internationale Märkte erreichten.

Die Kombination aus Zuschuss und stiller Betei-ligung bei FUTOUR sollte Gründer finanziell besser ausstatten als bei TOU-NBL. Die Unternehmen waren nun eher in der Lage, die komplexen Forschungs- und Entwicklungsprojekte und die damit im Inno-vationsprozess anfallenden Aufgaben zu realisieren. Die Eigenkapitalausstattung erhöhte sich, was güns-tigere Voraussetzungen für nachfolgende Finanzie-rungsrunden schuf. Die Unternehmen sollten nach Ablauf der Förderung in der Lage sein, sich auf dem Markt ohne staatliche Zuwendung aus eigenen Kräf-ten zu behaupten. Unter dem Titel FUTOUR 2000 wurde das Programm bis Ende 2003 verlängert.

1997 bis 2005 BioRegio-Wettbewerb zur Förderung junger Biotechnologieunternehmen

Im BioRegio-Wettbewerb haben sich nationale und grenzüberschreitende Wirtschaftsräume in BioRe-gionen mit dem Ziel strukturiert, integrale Konzepte für die biotechnologische Forschung zu entwickeln und die Ergebnisse in unternehmerisches Handeln umzusetzen. Vorhandene wissenschaftliche und wirtschaftliche Potenziale sollten gebündelt, lang-fristige Ziele definiert und praxisnahe Strategien entworfen werden. Die aus 17 Bewerbungen von einer unabhängigen und international besetzten Jury ausgewählten Modellregionen „Rheinland“, „München“ und „Heidelberg“ sowie das mit einem Sondervotum herausgehobene „Jena“ haben über einen Zeitraum von fünf Jahren von 1997 an bevor-zugten Zugang zu den speziell bereitgestellten Projektfördermitteln des BMBF im Gesamtvolumen von 90 Millionen Euro erhalten. Mit diesen Förder-

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10 FöRDERPROGRaMME DES BMBF

mitteln wurden zehnmal mehr private als öffent-liche Finanzierungsmittel eingeworben.

Im sich unmittelbar anschließenden BioProfile-Wettbewerb wurden drei Regionen prämiert, die das Potenzial haben, in selbst gewählten Anwen-dungsfeldern der modernen Biotechnologie eine starke Wirtschaftskraft zu entfalten. Ausgezeichnet wurden hier die Region Potsdam/Berlin mit dem Profil „Ernährungsbedingte Krankheiten (Nutrige-nomik)“, die Region Braunschweig/Göttingen/Han-nover mit dem Thema „Funktionelle Genomanalyse“ sowie die Region Stuttgart/Neckar-Alb (BioRegion STERN) mit dem Schwerpunkt „Regenerationsbio-logie“. Zusammen haben diese drei BioRegionen 50 Millionen Euro an Projektfördermitteln erhalten.

Biotechnologie ist auf die Akzeptanz in der Bevölkerung angewiesen. Im mobilen BIOTechnikum, einem fast 17 Meter langen und 4 Meter hohen Truck, der durch ganz Deutschland tourt, informiert das BMBF im Rahmen der Informationskampagne „BIOTechnikum. Leben er-forschen – Zukunft gestalten“ über den Nutzen biotechnologischer Forschung.

1999 bis heute Förderung kleiner und mittlerer Biotechnologieunternehmen

Innerhalb des Biotechnologieprogramms des BMBF waren bereits die Fördermaßnahmen BioChance (1999 bis 2003) bzw. BioChancePlus (2004 bis 2007) auf die speziellen Bedürfnisse der überwiegend jungen Biotechnologie-KMU zugeschnitten. Seit 2007 erfolgt die Förderung von KMU in der Bio-technologie unter dem Dach der Fördermaßnahme KMU-innovativ. Mit ihr verfolgt das BMBF das Ziel, das Innovationspotenzial kleiner und mittlerer Unternehmen in der Spitzenforschung zu stär-ken sowie die Forschungsförderung für KMU in allen Teilgebieten der modernen Biotechnologie noch attraktiver zu gestalten. Gleichzeitig sollen Risiken für innovative FuE-Projekte abgemildert, die Kooperation von Unternehmen miteinander und mit Großunternehmen sowie akademischen Gruppen verstärkt und der Technologietransfer beschleunigt werden. Neben neu gegründeten oder schon einige Jahre existierenden Biotechno-logieunternehmen werden mit KMU-innovativ auch Unternehmen angesprochen, die erstmals biotechnologische Aktivitäten aufnehmen möch-ten. Dabei erhalten solche FuE-Vorhaben bei der Auswahl Priorität, die in eine wachstumsorientierte Unternehmensstrategie eingebettet sind. Wichtige Förderkriterien sind neben wissenschaftlicher Ex-zellenz auch Innovationsgrad, Vernetzung und die Bedeutung des Beitrags zur Lösung gesellschaftlich relevanter Fragestellungen.

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11 FöRDERPROGRaMME DES BMBF

Die BMBF-Fördermaßnahme „BioEnergie 2021“ soll dabei helfen, den Anteil von Biomasse an der Energieversorgung zu erhöhen. Besonderen Nutzen verspricht man sich dabei von Mikroalgen.

KMU-innovativ leistet damit einen Beitrag zum Ziel der Hightech-Strategie der Bundesregierung, den Biotechnologiestandort Deutschland nicht nur hinsichtlich der Zahl der Unternehmen, sondern auch hinsichtlich der Umsatz- und Beschäftigten-zahlen an die Spitze zu führen.

2005 bis heute Gründungsoffensive Biotechnologie (GO-Bio)

Der BMBF-Wettbewerb GO-Bio gibt jüngeren, in der Forschung bereits erfahrenen Wissenschaftlern die Möglichkeit, in Deutschland mit einer eigenen Arbeitsgruppe innovative Forschungsthemen aus dem Gebiet der Biowissenschaften weiterzuent-wickeln und zielgerichtet einer wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen. Im Rahmen der Förderung soll das Anwendungspotenzial der Entwicklung herausgearbeitet, technologisch validiert und die kommerzielle Verwertung prioritär mit dem Ziel der Gründung eines Biotechnologieunternehmens vorbereitet werden.

Gefördert werden Forschergruppen an Hoch-schulen oder außeruniversitären Forschungsein-richtungen, die als Preisträger aus dem Wettbewerb hervorgehen. Die Förderung erfolgt in zwei Phasen

von jeweils maximal drei Jahren Dauer. In der ersten Förderphase soll von der Arbeitsgruppe das Anwendungspotenzial der Entwicklung heraus-gearbeitet und technologisch validiert werden (sogenanntes Proof of Concept). Begleitend sollen konkrete Kommerzialisierungs- oder klinische An-wendungsstrategien für die weitere Umsetzung der Ergebnisse entwickelt werden. Um die Ausrichtung an Kommerzialisierungsoptionen zu forcieren, werden die Projektleiter aufgefordert, spätestens ab der zweiten Förderphase eine privatwirtschaftlich aufgebrachte Kofinanzierung für die Durchführung des GO-Bio-Vorhabens einzuwerben.

Die „Gründungsoffensive Biotechnologie“ (GO-Bio) wurde 2005 initiiert, um das Gründungsge-schehen in der Biotechnologie wieder zu beleben. Während Ende der 1990er-Jahre vergleichsweise viel Wagniskapital zur Verfügung stand, um kommerzialisierbare Ideen frühzeitig aus Hoch-schulen und Forschungsinstituten auszugründen, verlangen Investoren mittlerweile eine deutlich stärkere technologische Validierung von Grün-dungsideen. Akademische Forschungsergebnisse genügen diesen Anforderungen vielfach nicht. Die Fördermaßnahme GO-Bio will diese Lücke schließen und ist damit ein Prototyp für die häufig geforderte „Validierungsforschung“.

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13 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Vielseitig, risikofreudig, wachstumsstark – Expertenmeinungen zur

deutschen Biotechnologiebranche

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14 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Biotechnologie in Deutschland Blick auf eine Branche, die sich innerhalb weniger Jahre zu einem Motor für die Wirtschaft entwickelt hat

Von Viola Bronsema

Viola Bronsema ist geschäftsführerin von BiO deutschland. der Branchenverband hat 240 Mitglieds-firmen und vertritt die interessen der innovativen Biotech-nologieunternehmen. Bronsema ist Mole-kularbiologin, wurde

in heidelberg promoviert und hatte nationale und internationale Führungspositionen in der pharma- und diagnostikindustrie inne.

Die Biotechnologiebranche gehört zu den innovationsfreudigsten und modernsten in Deutschland. zu ihren Errungenschaften zählen die Entwicklung neuer Therapien und arzneimittel, die züchtung verbesserter nutzpflanzen und die Bereitstellung von Rohstoffen für die Industrie. Dennoch hat die Branche mit Problemen zu kämpfen. nur wenn es gelingt, sie zu beheben, kann die Biotechnologie ihren internationalen Spit-zenplatz behaupten.

Die Biotechnologie blickt auf ein rasantes Wachs-tum zurück. In weniger als drei Jahrzehnten ist die Zahl der Unternehmen auf etwa 500 gestiegen. Sie beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiter, vor allem in kleineren und mittleren Betrieben. Auch in Firmen, bei denen die Biotechnologie nur einen Teil der unternehmerischen Tätigkeit ausmacht, gewinnt sie zunehmend an Bedeutung. 92 dieser Firmen – vor allem Pharmaunternehmen sowie Hersteller von Chemikalien und Saatgut – beschäftigen mehr als 15.500 Mitarbeiter in Bereichen, die mit der Bio-technologie verzahnt sind. Somit ergibt sich für die kommerzielle Biotechnologie eine Gesamtzahl von etwa 30.000 Beschäftigten.

Umsatzsteigerungen um fast zehn Prozent

Der Branchenumsatz stieg 2008 um 9 Prozent und überschritt damit das zweite Jahr in Folge die Grenze von zwei Milliarden Euro. Ein Großteil die-ses Wachstums, fast 60 Prozent, geht auf erfolg-reiche Dienstleister (häufig im Bereich der Dia-gnostik) zurück. Parallel dazu erhöhten sich die Investitionen in Forschung und Entwicklung leicht um 1,1 Prozent. Therapeutische Unternehmen mit fortgeschrittener Pipeline im klinischen Bereich leisteten dabei einen Beitrag zu den hohen Ausga-ben für Forschung und Entwicklung (rund 80 Mil-lionen Euro). Weiterhin ist ein Umsatz von etwa 54 Millionen Euro des industriellen Biotechnolo-

giesektors zu berücksichtigen (Quelle: biotechno-logie.de, Die deutsche Biotechnologie-Branche 2009).

Auch die weltweit vertretene Wirtschaftsprüfer-gesellschaft Ernst & Young hat eine Studie zu den Unternehmen der Branche durchgeführt. Ihr Bio-technologiereport berücksichtigt allerdings keine Niederlassungen von Unternehmen, deren Firmen-sitz außerhalb Deutschlands liegt, selbst wenn sie nicht nur im Vertrieb tätig sind. Damit gehen auch deutsche Unternehmen wie QIAGEN in Hilden nicht in die Erhebung ein, weshalb die Zahl der im Report untersuchten Unternehmen geringer ist.

Dennoch liegt Deutschland, was die Anzahl der Biotechnologieunternehmen angeht, in der Studie von Ernst & Young an der Spitze in Europa. Groß-britannien rangiert weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz.

Schwerpunkte Gesundheits-wesen und Biomedizin

Die geografische Verteilung dieser Unternehmen (siehe Abbildung rechts) ist das Ergebnis des BioRegio-Wettbewerbs, eine der erfolgreichsten Regierungsinitiativen der Neunzigerjahre. Die Regionen um München und Heidelberg, die Region Nordrhein sowie Berlin und Umgebung zählen heute zu den größten Biotechnologieclustern in Deutschland.

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15 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Geografische Verteilung der Biotechnologie-unternehmen in Deutschland

Gesundheitswesen und Biomedizin sind unver-kennbar die wichtigsten Branchensegmente (siehe Abb. S. 16). 222 Unternehmen (44 Prozent) entwi-ckeln neue Arzneimittel oder diagnostische Tests. 186 Firmen (37 Prozent) arbeiten in erster Linie als Dienstleister für die Biotechnologieindustrie oder als Zulieferer für Biotechnologieunternehmen. 45 Unternehmen (9 Prozent) sind im Bereich indus-trielle Biotechnologie tätig. Sie befassen sich mit der Produktion technischer Enzyme, der Entwick-lung neuer Biomaterialien oder der Einführung biotechnologischer Produktionsprozesse. Obwohl das Hauptaugenmerk der auf Biotechnologie spezialisierten Unternehmen nicht auf diesem Bereich liegt, ist er doch von großer Bedeutung für die chemische Industrie, die als Schlüsselbranche in

Deutschland eine lange Tradition hat. Daher ist die ökonomische Bedeutung der industriellen Bio-technologie wohl weitaus größer, als sich aus den vorliegenden Daten erschließt.

Zur Pflanzenbiotechnologie, auch als „grüne“ Biotechnologie bezeichnet, zählen nur 26 Unter-nehmen (5 Prozent). Wie bei der industriellen Bio-technologie dominieren auch hier Großunterneh-men. Dies ist nicht zuletzt auf die Gesetzgebung in Deutschland zurückzuführen. Viele Gesetze berück-sichtigen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreichend und hindern innovative Unter-nehmen daran, neuartige Produkte zu entwickeln und zu vermarkten. In Deutschland gewonnene Er-kenntnisse werden daher ausschließlich im Ausland erprobt und zum Produkt weiterentwickelt. Dies führt dazu, dass Deutschland als wirtschaftlicher Standort und Hort von Innovationen auf dem Gebiet der Pflanzenbiotechnologie den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren droht.

Steigende zahl biotechnologisch hergestellter Medikamente

Die Unternehmen in den Bereichen Gesundheits-wesen und Biomedizin, die zu einem großen Teil in den späten Neunzigerjahren gegründet wurden, gelten als verhältnismäßig junge Branche. Dennoch verzeichnet Deutschland bereits eine eindrucks-volle Pipeline neuartiger medizinischer Produkte in diesem Bereich. Derzeit sind nahezu 100 Arznei-mittel in der klinischen Prüfung, drei befinden sich in der Zulassungsphase, und sechs Produkte sind bereits auf dem Markt. Die Rolle der Biotechnologie in diesem Sektor wächst unvermindert weiter: Im Jahr 2008 betrug der Anteil von biotechnologisch hergestellten Medikamenten am Arzneimittel-Gesamtumsatz in Deutschland nach einer Unter-suchung der Boston Consulting Group (BCG) be-reits 16 Prozent (4,4 Milliarden Euro).

Mit Wachstumsraten zwischen 20 und 30 Pro-zent gilt die industrielle Biotechnologie als Sek-tor mit der größten Dynamik und dem stärksten Wachstum. Als Bezugsquelle innovativer „Roh-stoffe” für die chemische und pharmazeutische Industrie sowie für die Kosmetikindustrie wird er immer bedeutsamer. In diesem Zusammenhang profitiert Deutschland weiterhin von der Existenz großer deutscher Chemieunternehmen wie BASF, Bayer oder Evonik.

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1� ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Tätigkeitsschwerpunkte der Biotechnologieunternehmen

4,4 %

Medizinische Biotechnologie

pflanzenbiotechnologie 44,3 % 37,1 %

industrielle Biotechnologie

plattformtechnologien und dienstleistungen

Bioinformatik

9,0 % 5,2 %

Neben der medizinischen oder „roten“ Biotech-nologie tragen die stetig an Einfluss hinzugewin-nenden Akteure der industriellen Biotechnologie sehr stark zur Weiterentwicklung der Branche bei. Die industrielle oder „weiße“ Biotechnologie bietet breite Einsatzmöglichkeiten – beispielsweise bei der Herstellung von Vitaminen oder Lebensmittelzu-satzstoffen. Diese neuen Technologien ersetzen die traditionellen Verfahren der chemischen Synthese oder der natürlichen Gewinnung. Beispielsweise wird derzeit intensiv geforscht, wie man Bakterien oder Enzyme sinnvoll bei der Herstellung nutzbarer neuer Materialien einsetzen kann. In der Pflanzen-biotechnologie können Pflanzen durch den Einsatz von Gentechnologie nährstoffreicher oder mit größerer Widerstandskraft gegen Schädlinge ge-züchtet werden. In der industriellen Biotechnologie bedient Deutschland bereits heute weltweit einen Markt, der auf 80 Milliarden US-Dollar beziffert wird und zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Deutschland verfügt über das Potenzial, heute und in Zukunft in diesem Bereich eine entscheidende Rolle zu spielen.

Exzellente Forschungsbedingungen für Wissenschaftler aus aller Welt

In den letzten Jahren wurde sehr stark in deutsche Biotechnologieunternehmen investiert, was zu einem enormen Wachstum biopharmazeutischer Produktionskapazitäten geführt hat: Allein im Jahr 2005 wurden 800 Millionen Euro in diesen Bereich investiert (Quelle: BCG: Medizinische Biotechnolo-

gie in Deutschland 2006). Derzeit verfügt Deutsch-land mit einer Gesamtproduktionskapazität von über 800.000 Litern über das weltweit zweitgrößte Fermentervolumen hinter den USA (Quelle: biotech-nologie.de).

Die anhaltende Innovationskraft der Biotech-nologiebranche ist direkt auf die Forschungs-aktivitäten in Deutschland zurückzuführen. Her-vorragende Forschungsbedingungen haben dazu beigetragen, dass sich Deutschland zu einem einzigartigen Standort für die Branche entwickelt hat. An über 300 deutschen Universitäten sowie großen Forschungseinrichtungen forschen erst-klassige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einem internationalen Bildungshintergrund in allen Bereichen der modernen Biotechnologie und sind häufig mit großzügigen finanziellen Mit-teln ausgestattet. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Max-Planck-Institute, die Fraun-hofer-Gesellschaft und die Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft zu nennen, die internatio-nales Ansehen genießen.

Neben Umsatz ist Venture-Capital eine wichtige Quelle der Finanzierung deutscher Unternehmen. Derzeit wird ein Viertel bis ein Drittel aller auf Bio-technologie spezialisierten Unternehmen zumin-dest teilweise durch Beteiligungsgesellschaften finanziert. Innerhalb Europas wurde 2008 in Deutschland die höchste Summe an Beteiligungs-kapital bereitgestellt. Nahezu 304 Milliarden Euro wurden in private und börsennotierte Biotechno-

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17 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

logieunternehmen investiert, was gegenüber dem Vorjahr eine Verminderung von etwa 30 Prozent be-deutete. Das Wagniskapital schrumpfte dabei um ein Drittel (2008: 211 Millionen Euro, 2007: 294 Millionen Euro), ebenso wie der in börsennotierte Firmen inves-tierte Betrag (Quelle: Transkript-Sonderheft Kapital und Börse 2009).

Der hohe Kapitalbedarf erfordert neue Finanzierungswege

Das klassische Modell der Risikokapitalfinanzierung wird in der Biotechnologiebranche zunehmend in Frage gestellt. Gründe hierfür sind der sehr hohe Kapitalbedarf, der lange Finanzierungshorizont sowie ein signifikant höheres Risiko im Vergleich zu anderen Industriezweigen. Private Investoren mit flexiblen Zeit- und Renditeerwartungen spielen erfreulicherweise zwar eine zunehmend wichtige Rolle in Deutschland (beispielsweise die Hexal-Gründer Thomas und Andreas Strüngmann sowie SAP-Gründer Dietmar Hopp). Sie allein können jedoch nicht eine ganze Branche finanzieren. Und Börsengänge sind in der aktuellen Situation am Kapitalmarkt eher nicht möglich, auch wenn sich gerade ein amerikanisches Biotechnologieunter-nehmen erfolgreich auf das Parkett der Frankfurter Börse gewagt hat. Alternative Finanzierungswege und kreative Optionen sind gefragt, etwa neue Fondsmodelle, strukturierte Finanzierungen, Phar-makooperationen und Auslizenzierungen.

Deutschlands Biotechnologieunternehmen benötigen in den nächsten drei Jahren mindestens eine Milliarde Euro an privaten Finanzmitteln, um zumindest das jetzige Niveau zu halten. Eine nach-haltige Verbesserung vor allem der steuerlichen Rahmenbedingungen ist dringend notwendig, um die geeigneten Investoren anzuziehen und Eigen-kapital als wichtigste Innovationsquelle für die Branche zur Verfügung zu stellen.

Bereits die Expertenkommission der Bundesre-gierung für Forschung und Innovation forderte im Jahr 2009, die wesentlichen Hemmnisse für den

innovativen Mittelstand auszuräumen. Darüber hi-naus hilft eine verbesserte Kreditverfügbarkeit, wie im Konjunkturpaket II der Bundesregierung vorge-sehen, den innovativen Unternehmen nur begrenzt weiter. Denn nicht Kredite, sondern Eigenkapital ist die mit Abstand wichtigste Finanzierungsquelle für Innovationen. Die Beseitigung der Diskrimi-nierung von kleineren innovativen Unternehmen durch die steuerliche Belastung von Investitionen in Forschung und Entwicklung ist dagegen der erste unverzichtbare Schritt, privates Kapital für Forschung und Innovation zu mobilisieren. Der Anteilskauf durch die unbeschränkte Verrechnung von Verlusten mit zukünftigen Gewinnen muss ermöglicht werden.

Forschung und Entwicklung müssen stärker gefördert werden

Andere Länder gleichen die Benachteiligung kleiner nicht profitabler Unternehmen gegen-über Großkonzernen dadurch aus, dass sie Teile (in England sind es 24 Prozent, in Kanada bis zu 35 Prozent) des Aufwands für Forschung und Ent-wicklung gleich an die Unternehmen auszahlen, anstatt Verluste vorzutragen. Dies, gekoppelt mit der Möglichkeit zur Verrechnung von F&E-Investi-tionen bei privaten Anteilseignern, wäre auch ein praktikabler Weg für Deutschland.

Darüber hinaus würden maßgeschneiderte För-derprogramme für innovative kleine und mittlere Biotechnologieunternehmen deren Wettbewerbs-fähigkeit stärken. Auch die Aufhebung politisch motivierter Restriktionen gegenüber neuartigen Technologien – beispielsweise in der Pflanzen- und Lebensmittelbiotechnologie – unterstützt den inno-vativen Mittelstand.

Mithilfe solcher Maßnahmen würden wir nicht nur der Biotechnologie in Deutschland einen Spitzenplatz als international wettbewerbsfähiger Branche sichern. Es wäre auch ein wichtiger Beitrag zur zukunftsfähigen Wirtschaftskraft Deutschlands und Europas.

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18 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

... wenn das Gute liegt so nah Invesitionen in die Biotechnologie sind riskant. Wer das Risiko verringern will, sollte Wert auf kurze Kommunikationswege legen

Von Ulrich abshagen

Wirksame Innovationsförderung muss regio-nal ansetzen. Diese Überzeugung beruht auf der Erkenntnis, dass jede zündende Idee ein fertiles Umfeld braucht, um zu einer erfolg-reichen Innovation zu reifen. Dieses notwen-dige Umfeld ist die Region mit kritischer Masse an wissenschaftlicher Exzellenz, wirt-schaftlicher und unternehmerischer Kom-petenz, mit begeisterungsfähigen, risikobe-reiten Entrepreneuren sowie intelligentem Kapital.

Von dieser Erkenntnis ging wohl auch das damalige Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, For-schung und Technologie aus, als es 1995 BioRegio als Wettbewerb der Regionen um die überzeugendsten Konzepte für die Umsetzung von Ideen in Produkte im Bereich der Biotechnologie in Deutschland ausschrieb. Damit war klar, dass die BioRegio-Förde-rung wesentlich mehr anstrebte und umfassender

konzipiert war als die klassische Wissenschaftsförde-rung des BMBF. Die geniale Idee eines Wettbewerbs der Regionen als innovatives marktwirtschaftliches Instrument einer Fördermaßnahme mobilisierte vielerorts aktives Engagement von vorher Unbetei-ligten, deren Beitrag für das Entstehen von Innova-tionsclustern aber entscheidend war.

Obwohl von allen Erfolgsfaktoren eines Innova-tionsclusters das erforderliche Kapital im Prinzip am unpersönlichsten ist und am wenigsten regional gebunden erscheint, trifft dies für Gründungen und frühe Finanzierungen von Firmen nicht zu. Hier ist „smart money“, das heißt qualifiziertes, intelligen-tes Geld, gefragt. Schon deswegen und wegen des sehr hohen Risikos und der in aller Regel nicht dar-stellbaren banküblichen Sicherheiten kann dies kein institutionelles Fremdkapital sein. Innovationsfinan-zierung ist und bleibt die Domäne von Wagniskapi-tal in Form von voll haftendem Eigenkapital.

Die Rhein-Neckar-Region wurde beim BioRegio-Wettbewerb des BMBF 1996 für ihr innovatives Konzept ausgezeichnet.

Erstes Wagniskapital für die BioRegion

Ein Venture-Capitalist kann nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn er ein hinreichend fundiertes Urteilsvermögen hat für das Geschäftskonzept, die

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19 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Nachhaltigkeit des angestrebten Wettbewerbsvor-teils einschließlich seiner technologischen Realisie-rung zu marktgerechten Preisen und insbesondere für die Fähigkeit des Managements, Pläne auch unter Schwierigkeiten umzusetzen oder veränder-ten Realitäten anzupassen. Dieses Urteilsvermögen erwirbt man nicht am Schreibtisch, sondern vor allem durch eigene Erfahrungen im einschlägigen operativen Geschäft. Nur dann kann ein Wagniska-pitalgeber nicht nur verantwortbar investieren, son-dern auch die häufig notwendige Begleitung bis hin zu unvermeidlichen, gelegentlich schmerzlichen Korrekturen im Geschäftsablauf einbringen, um das Investment zum Erfolg zu führen.

Damit wird aber die physische Nähe zur Firma und zum Geschäftsablauf ein ganz wesentlicher Er-folgsfaktor für das Gelingen eines Investments. Wir haben es uns zum Beispiel zum Prinzip gemacht, nur in Firmen zu investieren, die wir in einem Tag hin und zurück mit einem ordentlichen Zeitbudget vor Ort erreichen können. Bei Finanzierungen in der Frühphase, die oft noch intensivere Betreuung brauchen, sollte die Firma in einer Stunde erreich-bar sein, was häufig mit der örtlichen Definition ei-ner Region oder eines Clusters übereinstimmt. Das heißt umgekehrt, dass die Dichte von qualifizierten Wagniskapitalgebern in einer Region zu den lang-fristigen Erfolgsfaktoren gehört. Man kann das am Paradebeispiel München sehen, wo die Venture-Capital-Szene schon vor dem BioRegio-Wettbewerb stark vertreten war.

In der BioRegion Rhein-Neckar war Heidelberg Innovation als zentraler Baustein des Wettbewerbs der erste Wagniskapitalfinanzierer. Inzwischen sind hier acht weitere dazugekommen. Darüber hinaus hat die Rhein-Neckar-Region noch das Glück, dass sie eine Reihe finanzstarker und enga-gierter Privatinvestoren beherbergt, die sich zum Teil als Business Angel betätigen.

Bei aller regionalen Verwurzelung, physischen Nähe und Verfügbarkeit eines Frühphasen-Geldge-bers ist jedoch dessen gleichzeitige internationale Vernetzung in der Finanzwelt wie in der einschlä-gigen Industrie von hoher Bedeutung für das Zu-standekommen schlagkräftiger Konsortien weiterer Finanzierungsrunden und für die Anbahnung von Transaktionen bis hin zum Exit durch gewinn-bringenden Verkauf des Investments. Der quali-fizierte regionale Venture-Capitalist trägt damit

ganz entscheidend zur Entwicklung eines über-regional bedeutenden Clusters bei.

alantos – Phönix aus der asche

Diese bisher abstrakten Aussagen will ich im Folgen-den an einem gelungenen Beispiel konkretisieren, nämlich der Geschichte von Alantos (alias Thera-scope) von der Gründung bis zum Verkauf. Das ur-sprüngliche Geschäftskonzept dieses Startup-Unter-nehmens ging auf eine geniale Idee des wissenschaft-lichen Gründers und Nobelpreisträgers für Chemie des Jahres 1987 Professor Jean-Marie Lehn zurück.

Ausgehend von dem Gedanken, dass im Ziel-molekül (Target) eines Arzneimittels alle Informa-tionen beschlossen sein müssen, um den optimal bindenden Liganden zu definieren, schlug er eine Methode vor, vom Zielmolekül ausgehend den op-timal bindenden Liganden selbst zu synthetisieren (target driven synthesis). Bildlich gesprochen, statt wie beim üblichen Screening-Prozess die sprich-wörtliche Nadel im Heuhaufen von Hunderttausen-den von Substanzen zu suchen, das Heu beiseitezu-lassen und die Nadel direkt zu finden mittels der aus dem Target extrahierten Information. Dies hätte einen Effizienzsprung in der Wirkstofffindung bei der Arzneimittelforschung mit sich gebracht.

Jean-Marie Lehn hatte eine Riege hochkarätiger Gründer um sich geschart, und Heidelberg Inno-vation wurde als möglicher Seed-Investor bereits im Vorgründungsstadium in die Diskussionen um

ulrich abshagen ist architekt des preisge-krönten Konzepts der rhein-neckar-region im Bioregio-wettbe-werb. der frühere prä-sident der pharmaspar-te von Boehringer Mannheim gründete 1997 die heidelberg innovation gmbh als

Transferorganisation, die einen ersten regio-nalen Venture-capital-Fonds betrieb sowie drei Jahre später einen zweiten Fonds. absha-gen ist professor für Klinische pharmakologie an der universität heidelberg.

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20 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Businessplan und die Frage der Ansiedelung der zukünftigen Firma einbezogen. Ausschlaggebend für die Wahl von Heidelberg versus Boston, Straß-burg oder München war sicherlich Heidelberg Inno-vation als kompetenter Lead Investor vor Ort mit hervorragender Vernetzung sowohl in die exzel-lenten akademischen Lifescience-Institutionen vor Ort als auch in die internationale Venture-Capital-Szene und in die forschende Pharmaindustrie. Auch die Kompetenz von Heidelberg Innovation bei der Erlangung unterschiedlicher Förderprogramme hat eine wichtige Rolle gespielt.

Das Venture-Capital-Konsortium war neben Heidelberg Innovation von Anfang an internatio-nal mit einem französischen und amerikanischen Koinvestor besetzt. Die ersten Versuche, Jean-Marie Lehns Idee in eine industrialisierbare Methode um-zusetzen, verliefen vielversprechend, wenngleich – wie meist – der Teufel im Detail zu stecken schien. Zu diesem Zeitpunkt brachte Heidelberg Innova-tion als neuen Forschungsleiter einen exzellenten Medizinalchemiker in die Firma ein, der breite Managementerfahrung in der pharmazeutischen Industrie auf beiden Seiten des Atlantiks aufweisen konnte. Um die vorgenannten Teufel auszutreiben, war allerdings auch mehr Geld erforderlich.

Die Brillanz des Ansatzes von Jean-Marie Lehn und der im positiven Fall zu erwartende gewinn-trächtige Paradigmenwechsel in der Arzneimittel-forschung erlaubten es, in einer zweiten großen Finanzierungsrunde weitere erstklassige Venture-Capital-Investoren wie zum Beispiel Oxford Biosci-ence, Schröder Ventures, ABN Amro, Earlybird und VenTech einzuwerben. Im Rahmen dieser Finan-zierung hatten sich die Investoren darauf geeinigt, eine Tochtergesellschaft in Boston zu gründen, um näher an potenziellen Kunden sowie Finanzie-rungsquellen in den USA zu sein, den Firmennamen in Alantos umzubenennen und einen erstklassigen amerikanischen CEO einzustellen.

Dieser war kaum an Bord, als wir die nieder-schmetternde Nachricht bekamen, dass die geniale Grundidee von Jean-Marie Lehn zwar in Einzelfällen zielführend, aber nicht industriell realisierbar war. Das entzog der Firma über Nacht den Boden. Statt nun das Abenteuer zu beenden und das Investment abzuschreiben, zerbrachen sich Management und Investoren gemeinsam die Köpfe, ob und wie man

aus dem in gut drei Jahren Geschaffenen Ansatz-punkte für ein neues aussichtsreiches Geschäftskon-zept extrahieren könnte. Die in diesen drei Jahren erarbeitete Kernkompetenz war zweifelsohne die Medizinalchemie.

Hierauf und auf die Erfahrung des von Heidel-berg Innovation eingebrachten Forschungsleiters aufbauend, wurde ein Geschäftsmodell eines „fast followers“ mit systematisch reduziertem Risiko ent-wickelt, nach dem Muster: Verwende nur klinisch validierte Targets mit hohem Potenzial, verwende interessante Leitsubstanzen anderer, sofern noch chemischer Raum für patentierbare Modifikationen erkennbar ist, die leicht nachweisbare, relevante Verbesserungen erwarten lassen, verstärke das Kernteam mit erfahrenen Expertinnen und Ex-perten aus der Pharmaforschung, die vertretbare Abkürzungen zur Exploration und Plausibilisierung von Hypothesen auf dem Weg zum Proof of Concept beurteilen und durchführen können.

aus der Mutter wird die Tochter

Gleichzeitig mit dieser inhaltlichen Neubestim-mung restrukturierten die Venture-Capitalists die Firmenarchitektur: Die amerikanische Tochter wurde zur Mutter und die ursprüngliche deutsche Mutter zur Tochter mit klarer Aufgabenteilung, nämlich Medizinalchemie in Deutschland und Pharmaentwicklung in den USA.

Es war ein anspruchsvolles, um nicht zu sagen arrogantes Konzept, aus den Trümmern einer Platt-formfirma mit den richtigen Leuten als kleine Firma mit kurzen Wegen in kurzer Zeit Arzneimittelent-wicklung bis zur Klinik besser und effizienter als Big Pharma treiben zu wollen. Mit zugegebenermaßen etwas Glück gelang das Experiment. Innerhalb von nur etwas mehr als zwei Jahren konnten zwei unter-schiedliche Entwicklungsprogramme so weit getrie-ben werden, dass ein Kooperationsvertrag zu einem Programm mit der Firma Servier für alle Länder au-ßerhalb der USA geschlossen werden konnte, der der Firma erhebliche, nicht verdünnende Mittel zuführte und die weiteren Entwicklungskosten entlastete.

Vielversprechende erste klinische Daten nach knapp einem weiteren Jahr, somit drei Jahre nach Start des Programms und erster Synthese neuer Moleküle (!), erweckten dann das Interesse großer

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Pharmafirmen. So war letztlich im Juli 2007 ein Verkauf von Alantos an Amgen für 304 Millionen US-Dollar möglich.

Therascope/Alantos ist eine Geschichte, die die Funktion und Bedeutung von Wagniskapitalfinan-zierern in vielfacher Hinsicht zeigt: von Gründung und Ansiedlung in einer Region über radikale in-haltliche, personelle wie gesellschaftsrechtliche Re-strukturierung und Neudefinition des Geschäfts bis zur intelligenten Finanzierung über Kooperationen und Loans und letztendlich bis zum erfolgreichen Exit. Dabei war die unbedingte Voraussetzung dieses Erfolgs die Entschlossenheit und Einigkeit des Konsortiums sowie die gute Zusammenarbeit mit einem exzellenten Management. Leider habe ich auch mehrere Beispiele erlebt, wo diese Bedin-gungen nicht gegeben waren und Firmen daran zugrunde gegangen sind.

Finanzspritzen in Form von Seed-Investments sind für Unternehmen in der Frühphase ihrer Entwicklung oft unverzichtbar. Bis zum Exit sind allerdings weitere Finanzierungsrunden erforderlich, wodurch die Gewinnaussichten der Seed-Investoren sinken.

Ich möchte nun das Beispiel Alantos nutzen, um die Problematik von Seed-Investments, die uner-setzbar notwendig für Innovationen sind, kritisch zu beleuchten. Seed-Investor für dieses letztlich hocherfolgreiche Unternehmen war Heidelberg Innovations kleiner erster Fonds BioScience Venture (BSV) I, der im Rahmen von BioRegio als reiner Seed-Capital-Fonds aufgelegt worden war. Als solcher konnte er bei den notwendigen Folgeinvestitionen nicht mehr mitinvestieren und musste erhebliche

Verdünnungen hinnehmen. Während Heidelberg Innovations zweiter, wesentlich größerer Fonds (BSV II), der auch in späteren Finanzierungsrunden mitfinanzieren konnte, beim Exit knapp das Sechs-fache seines Einsatzes realisieren konnte, entfiel so auf BSV I am Ende nur das 1,2-Fache.

In vielen Fällen sind die Unterschiede noch wesentlich krasser, wenn zu der unvermeidlichen Verdünnung, insbesondere bei sogenannten Down Rounds, für nicht mehr satisfaktionsfähige Erstin-vestoren noch infolge sogenannter „pay to play“-Klauseln der Verlust von Antidilutionsschutz und saftige Liquidationspräferenzen dazukommen. In einem Fall einer nach Reorganisation letztlich sehr erfolgreichen anderen Portfoliofirma von Heidel-berg Innovation erreichte unser Seed-Capital-Fonds sogar nur noch das 0,09-Fache (!) des investierten Kapitals, während unser zweiter Fonds immerhin Aussicht hat, einen bescheidenen Return on Invest-ment zu erwirtschaften.

Die Verdünnung der Seed-Investoren, die in Folgerunden nicht mitinvestieren können, führt außerdem dazu, dass die resultierenden Minianteile zu einem Verlust des Einflusses und der Steuerungs-fähigkeit des Investments führen und auch für Verkäufe an sogenannte Secondary-Fonds unin-teressant werden. Das heißt, dass ausschließliche Seed-Investments in der Regel wirtschaftlich nicht

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vertretbar sind. Gewinnorientierte Seed-Invest-ments lassen sich nur vertreten, wenn sie gewisser-maßen eine Angelhakenfunktion für einen Investor erfüllen, der mit tiefen Taschen in der Lage, fähig und willens ist, in Folgerunden bis zum Exit mitzu-investieren. Die Alternative von wesentlich nied-rigeren Initialbewertungen, die dem Seed-Investor hohe Anteile an der zu gründenden Firma sichern, um vorhersehbare Verdünnungen „abwettern“ zu können, scheint bislang an den Wertvorstellungen der Gründer zu scheitern.

Beim Exit von Alantos erzielte der zweite Fonds von Heidelberg Inno-vation fast das Sechsfache seines ursprünglichen Einsatzes.

Ein weiteres Problem von Seed-Finanzierungen im Bereich von Biotechnologie und Arzneimittel-forschung sind die langen Zeiten von Gründung und Exit, die ein klassischer geschlossener Fonds mit zehn Jahren Laufzeit fast nicht mehr darstellen kann. Selbst in den USA beträgt inzwischen der mittlere Zeitbedarf von erster Finanzierungsrunde bis zu einem möglichen Exit 8,6 Jahre. Eine Verlän-gerung der Laufzeit von Fonds oder das Umschalten auf sogenannte Evergreens ist hierbei keine Lösung, da ohnehin die langen derzeitigen Haltedauern von Erstinvestoren deren „internal rate of return“ inak-zeptabel verschlechtern. Aus wirtschaftlicher Sicht müssen also die durchschnittlichen Haltedauern verkürzt und nicht verlängert werden.

Wege aus dem Dilemma

Eine Möglichkeit hierzu sind reifere, spätere Grün-dungen, die schneller exitfähig werden. Die andere Möglichkeit, Haltedauern sozusagen vom anderen Ende her zu verkürzen, könnte theoretisch durch die Schaffung mehrerer Liquiditätsereignisse ent-lang der Entwicklungslinie einer Firma darstellbar sein, wo Investoren der Frühphase nach Erreichen definierter Wertzuwächse ihre Anteile gewinnbrin-gend an Spätinvestoren (Secondaries, Tertiaries) in Analogie zu LBOs (Leveraged Buy-out) verkaufen – gewissermaßen eine Defragmentierung der Finan-zierungskette.

Bislang scheint diese theoretische Möglichkeit angesichts aktueller Bewertungen allerdings nur ausnahmsweise gewinnbringend realisierbar. Zur Vermeidung der für die späten 90er- und den An-fang der 2000er-Jahre typischen unreifen „Früh-geburten“ von Firmen mit hohen Ausfallraten und selbst im Erfolgsfall langen Entwicklungszeiten sind jedoch begrüßenswerte Programme auf nationaler

(GO-Bio, Hightech-Gründerfonds) wie europäischer Ebene (Technology Transfer Accelerator des Euro-päischen Investment Funds) eingerichtet worden, die dem erstgenannten Ziel dienen können.

Allerdings darf man nicht übersehen, dass die Versorgung der gesamten „Nahrungskette“ von Finanzierungsmöglichkeiten für Hightech-Un-ternehmen in balancierter Weise sichergestellt werden muss. Die durch die obigen Programme in den letzten wenigen Jahren wieder in Gang ge-kommenen und nun qualitativ deutlich besseren Gründungsaktivitäten in Deutschland drohen in ein neues „financing gap“ in den späteren Finanzie-rungsphasen zu laufen.

Der Absturz des Volumens der Venture-Capital-Finanzierung im Lifescience-Bereich im Jahr 2008 und das komplett bis auf lange Zeit geschlossene Börsenfenster für Neuemissionen wie für Follow-ons lassen Schlimmes erwarten. Damit die für eine regionale Innovationsförderung unverzichtbare Bereitstellung von Risiko tragendem Eigenkapital erhalten werden kann, muss dessen Geschäftsmo-dell für Investoren wieder attraktiv werden.

Das erfordert zum einen Änderungen in der Struktur des Geschäftsmodells, von denen einige kurz angedeutet wurden, zum anderen eine weitere Verbesserung der steuerrechtlichen Rahmenbedin-gungen für Venture-Capital-Fonds (zum Beispiel Verlustvortrag, Wesentlichkeitsgrenzen) und vor allem kompetente Venture-Capital-Manager und Unternehmergeist aufseiten der Investoren, der Investmentmanager und der Firmenführer.

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23 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Geldgeber mit Köpfchen Die Entwicklung von Taconic artemis zeigt: Junge Biotechnologieunternehmen brauchen Investoren, die sich in der Branche bestens auskennen

Von Peter Stadler

peter stadler ist Mit-gründer von artemis pharmaceuticals und und war bis ende 2009 geschäftsführer des nachfolgeunterneh-mens Taconicartemis. zuvor war er zehn Jahre lang leiter des Bereichs pharma-Bio-technologie bei der

Bayer ag. der autor vieler wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer publikationen ist honorarprofessor an der universität Bielefeld.

Elf Jahre Taconicartemis – bis november 2007 artemis Pharmaceuticals GmbH. Elf sehr intensive Jahre, von der Gründung am 3. Juni 1998 bis heute, da das Unternehmen profitabel und wirtschaftlich erfolgreich ist. letztendlich ist die Firma Kind zweier wesentlicher Einflussfaktoren: des BioRegio-Wettbewerbs und meiner damaligen, ganz persönlichen Suche nach neuen beruflichen Herausforderungen.

Der ehemalige Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers und seine Mitarbeiter hatten BioRegio im Oktober 1995 zur Schaffung vernetzter regionaler In-frastrukturen für die Förderung der kommerziellen Nutzung von Bio- und Gentechnik aufgelegt. Das Programm war gestaltet als Wettbewerb deutscher Regionen um privilegierte finanzielle Förderung, insbesondere aber um das Image, eine Exzellenz-Region zu sein. Damit enthielt es einige bemerkens-werte, für Deutschland neuartige Elemente.

Deutschland sollte den im internationalen Wett-bewerb entstandenen Rückstand aufholen. Dazu wurde stark auf die Gründung von Biotechnologie-firmen nach amerikanischem Strickmuster gesetzt, wobei nun endlich die Vernetzung von Hochschule und Neugründung – also der Technologietransfer – eine wesentliche Rolle spielte. Als Mitglied des Planungsteams für das „BioRegio Rheinland“-Kon-zept konnte ich meine in den USA gesammelten Erfahrungen bezüglich der Biotechnologiebranche einbringen und schließlich das Konzept gemeinsam mit Wolfgang Clement, damals Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, der Jury in Bonn vortragen. Nach fast zehnjähriger Fundamentaldebatte um die vermeintlichen Risiken der Gentechnik kehrte in der Bundesrepublik – zumindest was die An-wendungsbereiche Arzneimittel und Diagnostika anging – endlich Normalität ein. Sehr spät , aber – wie sich zeigen sollte – nicht zu spät.

Der Rahmen für die Schaffung einer deutschen Biotechnologiebranche, für die Neugründung entsprechender Firmen auf der Basis von Technolo-gien aus der Akademia, finanziert mit Risikokapital und Fördergeldern aus Bundes- und Landesmitteln, war geschaffen. Dies alles faszinierte mich sehr, und es wurde mir klar, dass die Gründung einer eigenen Biotechnologiefirma mir selbst nun nicht mehr undenkbar erschien.

an der Firmengründung beteiligt sich die nobelpreisträgerin nüsslein-Volhard

Die Konzernwelt, in der ich seit über 20 Jahren tätig gewesen war, wollte ich aus sehr persönlichen Gründen verlassen. In diesem Gedanken wurde ich sehr von meinem langjährigen Freund George Scangos, Ex-Bayer-Kollege, bestärkt. Er hatte im Jahre 1996 die damals noch sehr kleine Biotechno-logiefirma Exelixis, South San Francisco, als CEO übernommen und schwärmte mir vor, wie attrak-tiv, gestalterisch und herausfordernd die Tätigkeit eines Biotechnologiefirmenchefs sei.

Dann nahmen die Dinge ihren Lauf. George Scangos gelang es, im Juli 1997 ein Treffen mit Christiane Nüsslein-Volhard, Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, im Snowbird Lodge Resort in Utah zu organisieren. Als Nobelpreis-

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trägerin des Jahres 1995 nahm sie dort als Ehrengast an einem Symposium der Entwicklungs-biologie teil. George Scangos hatte mich gebeten, ihn dorthin zu begleiten. Ich sollte dabei helfen, sie für eine Mit-gliedschaft im Wissenschaftlichen Beirat von Exelixis zu gewinnen.

Christiane Nüsslein-Volhard war bis dahin stets äußerst zurückhaltend, was ein mögliches indus-trienahes Engagement anging. Sie war von Droso-phila inzwischen auf den Zebrafisch als Modellor-ganismus übergewechselt. Ihr absolutes Primär-interesse galt der Entwicklungsbiologie dieses Vertebraten, und sie wollte Forschung betreiben und nicht die Industrie beraten.

In höchst überraschender Weise jedoch brach das Eis in kürzester Zeit während des Treffens, als ich ihr – für mich selbst irgendwie unerwartet – vorschlug, eine gemeinsame Firma zu gründen. Wissenschaftliche Basis sollte der Zebrafisch als genetischer Modellorganismus für die Biologie des Menschen sein. Durch Anwendungen mutations-genetischer Methoden sollten letztlich Screening-targets für die Arzneimittelforschung identifiziert werden. Deren Verkauf an Pharmafirmen sollte – zumindest in der ersten Entwicklungsphase – die Basis zur Erzielung von Umsätzen sein.

Noch während der Besprechung in den Bergen von Utah schlug Christiane Nüsslein-Volhard vor, Klaus Rajewsky, damals noch an der Universität zu Köln Direktor des berühmten Institutes für Genetik, zu fragen, ob er ein Mitgründer der Firma werden wollte. Meine Bedenken, dass Professor Rajewsky sich gegenüber der Industrie immer sehr auf Dis-tanz gehalten habe, wischte sie mit der Bemerkung zur Seite: „Wenn ich ihn anrufe, macht Klaus hun-dertprozentig mit!“

Sie sollte recht behalten. Klaus Rajewsky sagte ihr am Telefon spontan zu, und schon eine Woche später war ich in sein Haus in Köln eingeladen. Wir tranken russischen Tee und wurden uns – umgeben von seinen Katzen – sehr schnell einig, unsere Firma als Dreierteam zu gründen. Nun auch mit einer äu-ßerst attraktiven wissenschaftlichen Basis: einerseits die Identifizierung von Screeningtargets mithilfe von mutationsgenetischen Methoden angewendet am Zebrafisch. Die wissenschaftliche Expertise wür-de von Christiane Nüsslein-Volhard eingebracht.

Andererseits die Validierung dieser Targets mithilfe des konditionalen Gentargetings in der Maus als Säuger – dem Goldstandard der Targetvalidierung.

Mit Klaus Rajewsky war einer der weltweit ab-solut führenden Wissenschaftler im Bereich der molekularen Mausgenetik an Bord. Ich selbst würde die notwendige Managementerfahrung einbrin-gen, meine Kontakte und eine Industrieexpertise, die in einer circa 20-jährigen Tätigkeit bei Bayer in verschiedenen Funktionen in Deutschland und den USA gewachsen war.

Strategische allianz bei Milchkaffee und Cognac

Außerdem planten wir von vornherein eine stra-tegische Allianz mit Exelixis, die bereit war, Seed Money bereitzustellen. Dies wurde dazu benötigt, die Kosten zu decken, die bis zur Gründung anfallen würden, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Geld aus der ersten Finanzierungsrunde auf unseren Konten sein würde. In einem langen Meeting in New York bei unzähligen Tassen Milchkaffee, von denen die letzte einen Schuss Cognac bekam, einigten George Scan-gos und ich uns auf die Details, und das Großprojekt konnte gestartet werden. In einem Memorandum wurden die Eckpunkte für die neue Firma festgelegt. Es war quasi die Kurzfassung des Businessplans.

Ich hatte beschlossen, erst dann bei Bayer zu kündigen, nachdem ich Venture-Capital-Investoren gewonnen hatte, die – wenn zunächst auch nur per Handschlag – eine Beteiligung zusagten. Die Allianz mit Exelixis zeigte dabei ihren großen Wert. Schon im September und Oktober 1997 traf ich mich in New York mit zwei prominenten Vertretern aus der US-Biotechnologieinvestmentszene: Stelios Papadopoulos von SG Cowen und Jean-Francois Formela von Atlas Venture. Beide waren Mitglieder im Aufsichtsrat von Exelixis. Von großer Bedeu-tung war auch die Tatsache, dass Jürgen Drews, Exforschungsvorstand von Roche und Vater der Genentechnologieakquisition, an einer Beteiligung interessiert war. Er hatte nach seinem Ausscheiden bei Roche in der Schweiz einen auf Biotechnologie fokussierten Venture-Capital-Fonds aufgelegt, die International Biotech Holdings. Ich kannte ihn sehr gut aus unserer gemeinsamen Arbeit für EuropaBio, dem europäischen Dachverband für die Biotechno-logieindustrie.

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25 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Christiane Nüsslein-Volhard gehört zu den Mitgründern von Artemis. Die Nobelpreisträgerin für Medizin ist heute Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen.

Die drei Namen stehen für ein Prinzip, das jeder Firmengründer, wenn immer möglich, verfolgen sollte: Venture-Capital ist zwar notwendig für eine Gründung, aber allein nicht hinreichend. Das Geld wird erst dann wirklich interessant, wenn es sich

um „intelligent money“ handelt, das heißt, wenn die hinter dem Kapital stehenden Investment-fonds beziehungsweise deren Manager über große Erfahrung verfügen und auf hohem professionellen Niveau operieren. Drews, Papadopoulos und For-mela gehören zweifellos zu den Topakteuren ihrer Branche. Ihre persönliche Beteiligung an Artemis sollte sich noch als sehr wichtig erweisen.

ausstieg bei Bayer und Gründung von artemis Pharmaceuticals im Juni 1998

Schon Ende Oktober 1997 war es dann so weit: Nach einer Serie von fünf Wochenendreisen zu Verhand-lungen mit interessierten Investoren nach New York hatten sich die Firmen International Biomedi-cine Holdings, die als Lead-Investoren fungierten, Atlas Venture, Advent International, Life Science Ventures und Oxford Biosciences Partners münd-lich zu einem Investment verpflichtet. In der Tat ein starkes Konsortium. Am 8. November 1997 tat ich dann einen Schritt, der mein Berufsleben grund-sätzlich verändern sollte: Ich kündigte bei Bayer –

interessanterweise im Rahmen eines Biotechnolo-giesymposiums, das Bayer im Waldorf Astoria Hotel in Manhattan veranstaltete.

Nun ging es darum, den Artemis-Businessplan zu erarbeiten. Ein erstes diesbezügliches Treffen fand im Dezember 1997 im Dom Hotel in Köln statt. Dabei wurden einige wichtige Beschlüsse gefasst. Die Firma würde zwei Standorte haben. Einerseits Tübingen, auf dem Gelände des MPI für Entwick-lungsbiologie. Das Fischhaus des MPI und eine von Artemis neu errichtete Fischanlage mit Laborein-heiten sollten in möglichst enger räumlicher Nähe liegen, um eng kooperieren und um den Technolo-gietransfer vom MPI zu Artemis möglichst intensiv gestalten zu können. Andererseits der Standort Köln. Die räumliche Nähe zum Institut für Genetik und die Verfügbarkeit eines noch von Bayer auf dem Gelände des später als Pharmazentrum Köln (PZK) bezeichneten Industrieparks errichteten La-borgebäude mit Tierhaltungseinrichtungen gaben hier den Ausschlag.

Demgemäß ergab sich folgende Basis für den Businessplan. Artemis ist eine Biotechnologiefirma mit Betriebsstätten in Köln und Tübingen. Die wis-senschaftliche Basis sind genetische, genomische und bioinformatische Forschung an Zebrafischen und Mäusen als vertebrate Organismen, die als Modelle für die Biologie des Menschen dienen. Syste-matische genetische Screens am Zebrafisch sollen Targets für das Screening von Arzneimittelwirk-stoffen liefern. Die werden danach mithilfe des „Con-ditional Gene Targeting“ an der Maus validiert. Die so gewonnenen und in vivo hochrelevant validierten Targets sollen an Arzneimittelfirmen verkauft werden. Die Einnahmen werden in Verbindung mit dem verfügbaren Venture-Capital dazu genutzt, das Unternehmen wachsen zu lassen, seine Technolo-giebasis zu erweitern, den Unternehmenswert zu steigern und letztendlich an die Börse zu bringen.

Auf der Basis dieses Plans konnten dann inner-halb von zwei Finanzierungsrunden circa 60 Millio-nen D-Mark an Finanzmitteln eingeworben werden. Darunter war ein erheblicher Anteil von staatlichen Zuschüssen und stillen Beteiligungen. Derartige Fi-nanzierungskonzepte, in denen sogenanntes „Mat-ching Money“ enthalten war, machten Deutschland damals zu einem bevorzugten Standort für Investi-tionen internationaler Investoren. Zu den Investo-

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2� ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

ren der zweiten Artemis-Runde gehörten zum Bei-spiel 3i, Sal. Oppenheim und die Commerz Beteili-gungsgesellschaft. Die Max-Planck-Gesellschaft war Anteilseignerin schon seit der ersten Runde. Am 3. Juni 1998 wurden die Gründungsverträge in Köln notariell besiegelt. Die Artemis Pharmaceuticals GmbH hatte das Licht der Welt erblickt. Von nun an entwickelte sich die Firma bis heute auf einem sehr dynamischen Weg, der ein Weg des Wandels und der Anpassung an ein sich wandelndes biotechnolo-gisches Umfeld bedeutete.

Mit genetischen Screens an Zebrafischen wurden menschliche Krankheitsgene identifiziert. Die gewonnenen Targets wurden an Mäusen als Modell für die Biologie des Menschen validiert.

Weg in die wirtschaftliche Unabhängigkeit

In Tübingen starteten wir zusammen mit dem Institut von Christiane Nüsslein-Volhard den welt-weit größten bisher überhaupt durchgeführten Zebrafisch-Screen „Tübingen 2000“. Es wurden ins-gesamt zwölf Millionen mutierte Zebrafischlarven phänotypisiert. Ein gigantisches Projekt. Dadurch wurden zum Beispiel alle diejenigen Gene iden-tifiziert und in ihrer Funktion charakterisiert, die Angiogenese und Vaskulogenese steuern. In Köln wurden die Methoden des konditionellen Gene Targeting weiterentwickelt und optimiert. Erste kommerzielle Kooperationen sind wir mit Bayer und der Firma Pharmacia & Upjohn eingegangen.

Nach etwa zweieinhalb Jahren hatte das Unter-nehmen 90 Mitarbeiter, die meisten in den wissen-schaftlich-technischen Bereichen tätig. Das mit den

Investoren abgesprochene mittelfristige Unterneh-mensziel war ein Börsengang am Neuen Markt. An-fang 2001 jedoch geriet die Biotechnologiebranche in eine weltweite Krise der Unternehmensbewer-tungen. Die Aktienkurse und damit die Marktwerte der Firmen stürzten in den Keller, die Möglichkeiten für Börsengänge hatten sich verflüchtigt. Keine Börsengänge, keine Finanzierungsrunden.

Frühzeitig erkannten wir, dass es für uns als sicheren strategischen Weg nur den Merger mit Exelixis gab. Nach zähen Verhandlungen mit zu-mindest einem Teil unserer Investoren, die weiter-hin von einem Börsengang träumten, erreichten wir Konsens, dass wir Artemis an Exelixis verkaufen würden, um das Unternehmen zunächst einmal finanziell in einen sicheren Hafen zu bringen. Die Akquisition wurde im Mai 2001 rechtswirksam. Der Kaufpreis war so gut, dass letztendlich alle Inves-toren und auch unsere Angestellten als Teilnehmer an einem Aktienoptionsplan zufriedengestellt waren. Von da an war Artemis für etwa zwei Jahre gleichsam als In-vivo-Forschungsressort für die Mut-terfirma Exelixis tätig. Exelixis trug alle Kosten.

Im Herbst 2003 beschlossen Paul Rounding, Leiter des Bereichs Business Development und Ope-rations und damals gerade zu meinem Stellvertreter ernannt, und ich wieder einmal eine grundsätzliche Veränderung der Unternehmensstrategie. Dieser lag die Überlegung zugrunde, dass Exelixis sich angesichts des gigantischen Kapitalbedarfs für die

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Finanzierung der klinischen Prüfungen der Onko-logie-Pipeline des Unternehmens auf Dauer den Luxus eines Bereichs wie Artemis nicht leisten kön-ne. Die neue Strategie hatte nur ein Ziel, nämlich Artemis so schnell wie möglich in die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu führen und profitabel zu ma-chen. Der einzige realistische Weg dahin basierte auf einem Konzept des Verkaufs von wissenschaftlichen Dienstleistungen. Dazu wurde das Unternehmen neu strukturiert, die Aktivitäten auf dem Zebrafisch-gebiet wurden zu Exelixis nach South San Francisco verlagert und der Personalbestand in Köln drastisch reduziert, um die Kosten zu senken.

aus artemis wird Taconicartemis

Das Konzept beruhte also auf der Überlegung, auf Basis der inzwischen erworbenen Stärke in der molekularen Mausgenetik Partnern in der Pharma-und Biotechnologieindustrie die Generierung von modifizierten Mausmodellen anzubieten, die bei unseren Kunden zur Beantwortung wichtiger wis-senschaftlicher Fragen im Umfeld der Erarbeitung neuer Therapiemethoden eingesetzt werden konn-ten. Wir wollten auch auf diesem Gebiet die Besten werden. Schon im ersten Halbjahr 2004 entwickelte sich dieses Konzept – zu unserer eigenen Überra-schung – so gut, dass wir aufgrund steigender Kun-denaufträge anfangen mussten, Personal aufzubau-en. Dieser Aufbau hat sich, finanziert durch unseren eigenen Cashflow, bis heute fortgesetzt. Heute beschäftigen wir in Köln circa 110 Mitarbeiter.

Zu unseren Kunden zählen alle großen, multi-nationalen Arzneimittelfirmen, viele Biotechnolo-gieunternehmen und neuerdings auch sehr viele akademische Institutionen. Die Zahl unserer Kun-den in der Akademia dürfte im Jahre 2009 etwa 75 sein. Es ist uns gelungen, durch eigene Forschungs-anstrengungen wie auch Einlizenzierung ent-sprechender Technologien das weltweit breiteste Portfolio an wissenschaftlichen Methoden in der molekularen Mausgenetik zusammenzustellen. Wir sind stolz darauf, als die weltweit führende Firma in diesem Segment eingestuft zu werden. Im Jahre 2006 erreichten wir das bisher wichtigste Unternehmensziel: die Profitabilität. Nun stand der nächste strategische Wechsel an. Wir beschäftigten uns mit der Frage: Was machen wir nun mit dieser profitablen Firma? Weiterhin organisch wachsen,

eine neue Finanzierungsrunde, um unsere Wachs-tumsdynamik deutlich zu beschleunigen, oder eine Kombination mit einer zu uns komplementär passenden Firma? Relativ schnell hatten wir uns auf die letztgenannte Alternative festgelegt.

Unsere Freunde bei Exelixis erklärten sich bereit, etwa 80 Prozent der Anteile an eine geeignete und interessierte Firma zu verkaufen. Den Zuschlag er-hielt Taconic Farms Inc., mit Hauptquartier in Hud-son, upstate New York. Die Kaufverträge wurden im November 2007 unterzeichnet. Mit Taconic hat TaconicArtemis nun eine Mutter- und Partnerfir-ma, die in hervorragender Weise komplementäre Ressourcen einbringt, wie das auch im Falle Taco-nicArtemis vice versa der Fall ist. Damit sind wir für die nächste Wachstumsphase gerüstet. Wir legen seit vier Jahren jährlich circa 20 Prozent im Umsatz zu, verfügen über einen hoch qualifizierten Kun-denstamm und ein wissenschaftliches Beratergre-mium, das mit Persönlichkeiten wie Klaus Rajewsky, Rudolf Jaenisch, Francis Stewart und Ron Evans über Weltklasseniveau verfügt. Die Technologiebasis ist erstklassig, jedoch sind unsere Mitarbeiter unser wichtigstes Gut. Hoch qualifiziert, engagiert und eingebettet in eine dichte Firmenkultur sind sie Garant für eine erfolgreiche Zukunft.

Welche sind nun unsere Erfolgsfaktoren? Zu-nächst einmal die Verpflichtung zu absoluter Qua-lität. Qualität in der Wissenschaft, in der Arbeit, der Beschäftigten, der Geschäftsprozesse, der wissen-schaftlichen Berater und im Umgang mit Partnern und Kunden. In der Wissenschaft zählte bei uns immer nur Elite, von Beginn an. Enorm wichtig ist auch ein permanent selbstkritischer Ansatz bezie-hungsweise der Bewertung des eigenen Unterneh-mens. Alles ist dauernd kritisch infrage zu stellen nach dem Motto „Sind wir gut genug?“ bezüglich wichtiger Unternehmensfaktoren. Optimismus ist gut und wichtig. Unerlässlich ist aber die dauernde Suche nach Schwachstellen im Unternehmen und deren Beseitigung.

Dies alles sollte eingebunden sein in eine Unter-nehmenskultur, die geprägt ist von Ehrlichkeit, Fair-ness, Fleiß, Teamwork und vorbildlichem Verhalten der Vorgesetzten. Derartige Kulturen sind zwar nicht größenabhängig, aber in kleineren Unterneh-men aufgrund der flexibleren prozessualen Realität im Allgemeinen schneller zu realisieren.

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28 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

„Hochkarätige Berater für junge Firmen“

Ein Gespräch mit Prof. Klaus Rajewsky, Immunologe und Genetiker

Klaus rajewsky, international renommierter immunologe

und genetiker, war bis kurz vor seiner emeritierung direktor

am institut für genetik der universität Köln. zusätzlich war

er programmkoordinator des Mouse Biology program of the

european Molecular Biology laboratory der Mouse Biology

unit in Monterotondo, italien. heute forscht und lehrt er an

der harvard Medical school, usa.

Sie sind Mitbegründer des 1998 gestarteten Biotechnologieunternehmens Artemis, heute der TaconicArtemis GmbH, mit Sitz in Köln. Was war Ihre Motivation für die Gründung?

Rajewsky: Die Initiative ging von Frau Nüss-lein-Volhard aus. Sie rief mich eines Tages an und sagte: „Ich will eine Firma gründen. Du bist der beste Mausgenetiker hier, wollen wir das nicht zusammen machen?“ Mit Professor Peter Stadler hatte sie schon einen sehr guten CEO an ihrer Seite. Außerdem war eine amerikanische Firma, die Exelixis, beteiligt, die von Topwissenschaft-lern gegründet war. Inhaltlich ging es um die Identifizierung menschlicher Krankheitsgene durch genetische Screens in einfachen Modell-organismen und die anschließende gezielte Ana-lyse in Mäusen. Das hörte sich alles interessant

an und kam zudem von Frau Nüsslein-Volhard. Hinzu kam der günstige Zeitpunkt. Wir hatten damals gerade die konditionale Mutagenese bei Mäusen entwickelt. Junge Mitarbeiter von mir, die daran beteiligt waren, suchten Jobs. Ich sagte sofort zu.

Welche Funktion nahmen Sie in der Firma ein?

Rajewsky: Ich wurde einer der wissenschaft-lichen Gründer, wobei sich meine Tätigkeit im Wesentlichen auf Beratung beschränkte. Ich blieb ja weiter Professor in Köln und Koordinator des Mausbiologieprogramms des Europäischen Molekularbiologielabors, EMBL, in Monterotondo bei Rom.

Gab es für Sie auch Augenblicke, wo Sie sich überlegt hatten, ganz in das Unternehmen einzusteigen und die anderen Aufgaben sein zu lassen?

Rajewsky: Das ist mir nie in den Sinn gekom-men. Ich bin ja ganz bewusst in die Wissenschaft gegangen und nicht in die Industrie.

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Hat sich die Situation bei der Gründung von Biotechnologiefirmen in der Zwischenzeit verändert?

Rajewsky: Sehr stark. Als Artemis gegründet wurde, stand viel Venture-Capital zur Verfü-gung, das auch für Projekte eingeworben wer-den konnte, die langfristige wissenschaftliche Forschung voraussetzten, wie es bei Artemis in ziemlich extremer Weise der Fall war. Das wäre heute gar nicht mehr möglich. Heute wird viel stärker darauf geachtet, dass die angestrebten Ziele kurzfristig realisierbar sind und Produkte in Reichweite liegen.

Aber wird bei dieser wirtschaftlich domi-nierten Sichtweise nicht Potenzial ver-schenkt?

Rajewsky: Für die Industrieforschung schon, aber es gibt ja schließlich auch den akademi-schen Bereich – den muss man allerdings vor zu viel Anwendungssucht schützen!

Sind Sie denn aktuell noch mit der Artemis verbunden?

Rajewsky: Ich bin nach wie vor Berater dort.

Wie stehen Sie persönlich als Mitgründer zu dem Unternehmen? Hängt immer noch Herzblut daran?

Rajewsky: Viele in der Firma sind ehema-lige Mitarbeiter von mir, die ich schätze und zu denen ich Kontakt halte. Letzteres gilt natürlich auch für Peter Stadler. In der Tat hat Artemis ein bisschen was von einem eigenen Kind. Ur-sprünglich ist ja der Schwerpunkt des derzei-tigen Hauptgeschäftes, die Entwicklung gene-

tisch modifizierter Mausstämme, aus der Arbeit meiner Arbeitsgruppe am Institut für Genetik der Universität Köln entstanden.

Können Sie jungen Wissenschaftlern und Gründern Empfehlungen geben? Was sollten sie auf ihrem Weg beachten?

Rajewsky: Man braucht wohl kaum zu sagen, dass es ohne eine gute Idee nicht geht – und, wie ich immer wieder von Firmengründern höre, dazugehörende Patente. Und dann denke ich, dass insbesondere für eine junge Firma ein mit hochkarätigen Wissenschaftlern besetztes Bera-tungsgremium gut angelegtes Kapital ist.

Gründet sich darauf auch die Erfolgsgeschich-te von Artemis?

Rajewsky: Ja, wir hatten eine sehr starke Gruppe von Beratern.

Wie wichtig ist der universitäre Hintergrund für das Beratergremium?

Rajewsky: Der Bezug zur akademischen Forschung ist so besonders wichtig, weil sich die Wissenschaft heute ungeheuer schnell entwickelt und man sehr schnell den Anschluss verlieren kann. Flexibilität und Innovation setzen eine intime Kenntnis der Forschungslandschaft voraus.

Sie leben und arbeiten in den USA. Wie stellt sich Ihnen das im Vergleich mit Deutschland dar?

Rajewsky: Frische, Flexibilität, gute Laune und Optimismus stehen hierzulande traditionell hoch im Kurs.

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30 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Zurück in der Zukunft Die Biotechnologie in Berlin-Brandenburg ist im aufwind. Bund und länder haben mit ihrer Innovationspolitik wesentlich dazu beigetragen

Von Kai Uwe Bindseil

Kai uwe Bindseil leitet das aktionszentrum BioTOp Berlin-Bran-denburg und ist seit 2007 sprecher des arbeitskreises deut-scher Bioregionen. im Jahr 2000 gründete der promovierte che-miker die analyticon

discovery gmbh, die sich auf naturstoffe für die arzneimittelentwicklung spezialisiert hat.

Seit den zeiten renommierter nobelpreisträ-ger wie Paul Ehrlich, Robert Koch oder Max Delbrück setzen Medizin und lebenswissen-schaften aus Berlin weltweit Maßstäbe. Bis in die 1930er-Jahre wuchs um die Universi-täten und Institute der Kaiser-Wilhelm-Ge-sellschaft die führende deutsche Industrie-und Finanzmetropole. nach dem zweiten Weltkrieg verlor Berlin sein Umland, wich-tige Firmensitze und Produktionsstätten. Seit anfang der 1990er-Jahre arbeiten die länder Berlin und Brandenburg aber daran, die Region als Technologiestandort zu pro-filieren und die Entstehung eines lifescience- und Gesundheits-Clusters zu fördern. Es ist ein leistungsfähiger Cluster mit mehr als 20.000 arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe entstanden. Hinzu kommen über 10.000 arbeitsplätze in Forschungseinrich-tungen, bei zulieferern und Dienstleistern.

Die Erfahrungen zeigen, dass es im Hochtech-nologiebereich möglich ist, wissenschaftliche Exzellenz als Ausgangspunkt für den Aufbau voll-kommen neuer Industriesegmente zu nutzen. Sie zeigen aber auch, dass allein kohärente Impulse von Bund und Ländern, koordiniertes Handeln an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft und langfristige Maßnahmen die gewünschten Erfolge bringen. Zentrale Aufgabe des wiedervereinigten Berlins und des neuen Bundeslandes Brandenburg war eine abgestimmte Wissenschaftspolitik zur Sicherung und Stärkung der Lebenswissenschaften in der Region, verbunden unter anderem mit der Profilierung von Universitäten, Fachhochschulen und Spitzeninstituten der Fraunhofer-, Helmholtz-, Leibniz- und Max-Planck-Gesellschaften. Wesent-liche Träger des heutigen Clusters – unter anderem das Max-Delbrück-Centrum (MDC), die Max-Planck-Institute für Infektionsbiologie und für molekulare

Pflanzenphysiologie, das Leibniz-Institut für mole-kulare Pharmakologie (FMP) – wurden in den frühen 1990er-Jahren gegründet und konnten dann oft Jah-re später in geeignete Räumlichkeiten einziehen.

Im Rahmen dieser Entwicklung konnten einer-seits traditionelle Standorte der Lebenswissen-schaften wie Berlin-Buch wieder in eine interna-tionale Spitzenposition geführt und andererseits vollkommen neue Standorte wie Potsdam-Golm, heute Campus von drei Max-Planck-Instituten, zwei Fraunhofer-Instituten und der Universität Potsdam, etabliert werden.

aufbau von Biotechnologie- und Industrieparks

Erst Mitte der 1990er-Jahre wurden in Deutschland die wirtschaftlichen Chancen der Biowissenschaften erkannt. Dabei kam dem BioRegio-Wettbewerb des damaligen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie entschei-dende Impulsfunktion zu.

In Berlin und Brandenburg stand, in Ermange-lung einer starken Industrie, zunächst die Schaffung geeigneter Infrastrukturen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Vordergrund. Basierend auf den guten Erfahrungen, die man mit dem 1983 auf Initiative der Technischen Universität Berlin etablierten ersten deutschen Gründerzentrum, dem Berliner Innovations- und Gründerzentrum (BIG),

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gemacht hatte, entstanden der Biotechnologiepark Berlin-Buch sowie spezialisierte Immobilien am Standort Berlin-Adlershof. An den Brandenburger Standorten Potsdam-Hermannswerder und Lu-ckenwalde wurden vormals vom Militär genutzte Flächen für den Aufbau neuer Biotechnologieparks zur Verfügung gestellt. Die Standorte Hennigsdorf und Charlottenburg (berlinbiotechpark) nutzen ehemalige Industrieflächen.

Berlin Adlershof ist einer der erfolgreichsten Hochtechnologiestandorte Deutschlands. Auf einer Fläche von mehr als vier Quadratkilometern haben sich knapp 800 Unternehmen und 18 wissenschaftliche Institute niedergelassen.

Die einzelnen Standorte wurden über die Jahre bedarfsgerecht vergrößert und durch weitere Standorte (zum Beispiel Potsdam-Golm) ergänzt, sodass nun mehr als 150.000 Quadratmeter Labor-flächen für Gründer und KMU zur Verfügung stehen. Damit wirklich wirtschaftliche Impulse gesetzt werden konnten, waren allerdings nicht allein Investitionen in Gebäude erforderlich, sondern ein intelligentes Zusammenspiel von Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik. So wurden Investitionen in Höhe von 59 Millionen Euro in den Jahren 1996 bis 2006 für die ersten drei Baustufen des Biotechnologieparks Berlin-Buch erst durch weitere Investitionen in Höhe von mehr als 120 Mil-lionen Euro in den Ausbau von MDC und FMP so-

wie 8 Millionen Euro in ein Highspeed-Kommu-nikationssystem aktiviert.

Vernetzung der Partner – Gründung von Unternehmen

Von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Biotechnologiestandortes ist die rasche Überführung wissenschaftlicher Ergebnisse in die Anwendung (zum Beispiel Produkte, Ver-fahren oder Therapien) mithilfe effektiver Formen des Technologietransfers. Es war klar, dass diese komplexe Aufgabe nur koordiniert erfolgen konnte. Zu diesem Zweck gründeten die Länder Berlin und Brandenburg während des BioRegio-Wettbewerbs die Initiative BioTOP, die sie seitdem zu gleichen Teilen finanzieren.

Eine wichtige Grundlage für den Technologie-transfer bildet die enge, inhaltlich möglichst kom-plementäre Verzahnung beziehungsweise Vernet-zung der in der Region durchgeführten Aktivitäten (unter anderem Forschung und Entwicklung) für den Aufbau stabiler und Synergien hervorbrin-gender Kooperationsbeziehungen. Daher besitzen

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die Herausbildung von Netzwerken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft auf besonders aus-sichtsreichen Themenfeldern sowie das regionale Netzwerkmanagement einen besonderen Stellen-wert in der Technologiepolitik und ihrer operativen Umsetzung.

Die ersten Netzwerkstrukturen betrafen die RNA-Technologien und das Tissue Engineering:

• Das aus der Freien Universität Berlin hervor-gegangene RNA-Netzwerk wird seit Mitte der 1990er-Jahre als Public-Private-Partnership betrieben und vom Bund und dem Land Berlin anteilig finanziert. Aus diesem Netzwerk sind Verbundprojekte mit einem Volumen von mehr als 40 Millionen Euro und Firmen wie die NOXXON AG, die Silence Therapeutics AG und die RiNA GmbH hervorgegangen.

• Aus der Charité heraus entstand 1996 die „Inte-ressengemeinschaft Tissue Engineering“, die zunächst von BioTOP und später mit Unterstüt-zung des Landes Berlin über das Instrument eines interdisziplinären Forschungsverbundes mit eigenen Ressourcen untersetzt wurde. Mithilfe dieser Strukturen konnte die Konzeption „Ber-lin-Brandenburg Center for Regenerative The-rapies“ (BCRT) erarbeitet werden, das 2006 seine Arbeit aufnahm und ein international beachtetes Modellzentrum für die Translation wissenschaft-licher Exzellenz in medizinische Produkte ist.

Weitere Themenschwerpunkte und Netzwerk-strukturen wurden in den Bereichen Bioinformatik, Glykobiotechnologie, Nutrigenomforschung und Systembiologie aufgebaut.

In vielen der genannten Schwerpunkte waren Ende der 1990er-Jahre überhaupt keine industriellen Akteure vorhanden. Es war eine der zentralen Heraus-forderungen der Clusterentwicklung, Unterneh-mensgründungen zu forcieren, zu finanzieren und zu begleiten. Dazu haben die Länder eine Reihe von Maßnahmen und Instrumenten etabliert. Zunächst wurden durch die Länder beziehungsweise ihre Förder- oder Landesbanken Venture-Capital-Fonds eingerichtet, um Firmengründungen Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Über die Fonds von BC Brandenburg Capital, der IBB Beteiligungsgesell-schaft und der LBB Beteiligungsgesellschaft konnten

im Lauf der Jahre mehr als 50 Millionen Euro Kapital allein für die Biotechnologiebranche bereitgestellt werden, die im Rahmen von Syndizierungen ein Viel-faches der Summe an Eigenkapital hebeln konnten.

Seit 1994 sind in der Hauptstadtregion mehr als 3.000 Arbeitsplätze in der Biotechnologie entstan-den, die ihrerseits einen wichtigen Beitrag dazu ge-leistet haben, dass die Zahl der Pharmaarbeitsplätze auf über 10.000 stabilisiert wurde.

aktuelle Herausforderungen: Technologie-transfer, Translation, Professionalisierung

Die stürmische Geburtsphase der Branche Bio-technologie ist in Deutschland wie auch in Berlin-Brandenburg abgeschlossen. Die Wissenschaft ist strukturiert, Infrastruktur vorhanden, und der Unternehmensbestand wächst kontinuierlich. In einer Branche, die zu mehr als 80 Prozent den hoch regulierten Gesundheitsmarkt bedient, deren Kundenkreis im Wesentlichen aus wenigen Hun-dert Industrieunternehmen besteht und in der die Entwicklung eines neuen Medikaments eine Milliar-de Euro kostet und länger als ein Jahrzehnt dauert, bleiben Probleme, und es sind neue entstanden, die gelöst werden wollen.

So sind der Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft und die Translation in die medizinische Praxis von Klippen und Flaschenhälsen geprägt:

• Der Übergabepunkt von der Wissenschaft in die Industrie hat sich dramatisch verschoben. Neue Erkenntnisse haben oft nur dann eine Chance, wenn industrielle Aspekte von Anfang an be-rücksichtigt werden.

• In einem schwierigen demografischen Umfeld benötigt die Branche nicht allein wie vor zehn Jahren Naturwissenschaftler und Techniker, sondern zunehmend Business Developer und Mitarbeiter, die GMP (Good Manufacturing Practice)-regulierte Produktionsprozesse steuern oder klinische Studien planen können.

• Nachdem die Branche nach rund zehn Jahren Entwicklungszeit einen Reifegrad erreicht hat, der hohen Kapitalzufluss erfordert, ist das Finanzmarktumfeld im letzten Jahr extrem schwierig geworden.

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33 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Unternehmensgründungen aus Berliner und Brandenburger F&E-Einrichtungen

Unternehmen Wissenschaftliche Einrichtung Jahr

Jerini Charité 1994

nOxxOn FU Berlin 1997

Epigenomics MPI für molekulare Genetik 1998

metanomics MPI für molekulare Pflanzenphysiologie 1998

Mologen FU Berlin 1998

Scienion MPI für molekulare Genetik 2000

Capsulution MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung 2000

OrganoBalance TU Berlin 2001

Glycotope MDC 2001

imaGenes nGFn Ressourcenzentrum 200� Cyano Biofuels HU Berlin 2007

In diesem Umfeld setzen die Akteure und die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg, aber auch in vielen anderen Regionen Deutschlands und Europas auf folgende Instrumente:

Gezielte Fördermaßnahmen: So fließen mehr als 70 Prozent der Fördermittel der Landesregierungen in das Hochtechnologiesegment, etwa ein Viertel davon in die Biotechnologie und Medizintechnik.

Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen: Schüler-labore oder das Programm „Call a Scientist“ sollen junge Menschen früh für die Lebenswissenschaften begeistern. Zu den Weiterbildungsangeboten für die Branche zählen die neu konzipierten MBA (Mas-ter of Business Administration)-Studiengänge für Naturwissenschaftler an der Universität Potsdam oder der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, die Biotech & Pharma Summer School in Ber-lin-Buch, die Parexel Akademie und das Programm BB Life, das Weiterbildungen zu regulatorischen Themen anbietet.

Neue Tranlationszentren: Beispiele in Berlin-Bran-denburg sind das Berlin-Brandenburg Center for Re-generative Therapies (BCRT), das Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und das Zentrum für Molekulare Diagnostik und Bioanalytik (ZMDB).

Das in 2006 neu gegründete BCRT ist ein gutes Beispiel, wie wichtig das Zusammenspiel regiona-

ler und überregionaler Impulse und Ressourcen ist. Es verfügt über ein Gesamtbudget von circa 50 Millionen Euro für die ersten vier Jahre und wird finanziell vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), den Ländern Berlin und Brandenburg sowie der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert. Es ist eine gemeinsame Initiative des größten Universitätsklinikums Europas, der Charité, sowie Deutschlands führender Forschungsorganisa-tion, der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC und GKSS, Teltow).

Das Konzept des BCRT basiert auf einem interak-tiven Forschungsprogramm sowie einem Konsorti-um von 40 international anerkannten Expertinnen und Experten, die sowohl aus der Grundlagen-forschung als auch aus der klinischen Forschung kommen. Inhaltliche Schwerpunkte sind Grundla-genforschung, Bio-Engineering, Translation sowie die klinischen Felder Immunologie, Herz-Kreislauf-System, Neurologie und Muskuloskeletales System.

In den vergangenen Jahren wurden wichtige Erfolge beim Aufbau der deutschen Biotechnologie erreicht. Es wäre aber fatal, jetzt nachzulassen. Von Singapur über Norwegen bis in die USA intensivie-ren wesentliche Volkswirtschaften ihre Anstrengun-gen für die Biotechnologie. Sie haben erkannt, dass diese Branche für zukünftige Exportchancen in der Gesundheitswirtschaft, aber auch für Ernährung, Energie und Umweltschutz erfolgsrelevant ist.

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34 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Schlüssel zur Realisierung von Ideen Wer Patente erfolgreich vermarkten will, braucht eine klare Strategie. Schon bei der Entwicklung sollte man die kommerzielle Verwertung im Blick haben

Von Claas Junghans

Erfinden macht glücklich, sogar euphorisch. Dabei ist egal, ob die Idee aus dem augen-blick entstanden ist oder Frucht monatelan-gen Grübelns und Experimentierens. Wer kennt nicht die Freude, ein Problem gelöst zu haben? Wenn es etwas gibt, was noch glücklicher macht, als zu erfinden, dann ist es wahrscheinlich: die Erfindung zu realisie-ren. Erfinder wollen ihre Ideen auch verwirk-licht sehen. Die Mitwelt soll teilhaben an den Früchten des eigenen geistigen Schaf-fens. Den Schlüssel dazu liefern Patente. Sie machen Ideen greifbar – und für Investoren interessant.

Matthias Schroff erinnert sich noch gerne an einen Moment, der mehr als zehn Jahre zurückliegt. Damals versuchte er als Diplomand an der Freien Universität Berlin monatelang, Zellen genetisch zu verändern. „Mein Vater und ich haben dann eine Ergänzung der Gene-Gun auf der Drehbank im Keller gebaut. Das Teil funktionierte auf Anhieb. Wir waren im siebten Himmel. Das war wahrscheinlich der schönste Augenblick in meinem Forscherleben.“ Aus der Erfindung wurde ein vielfach verkauftes Produkt, und Schroff ist heute Vorstandsvorsitzender der Mologen AG, die seine Erfindung lizenzierte. Die Er-findung war ein erster Schritt auf einem langen Weg.

Daniel Düsentrieb ist der Prototyp eines genialen Erfinders. Um Erfindungen wirtschaftlich nutzen zu können, bedarf es allerdings auch kaufmännischer Tugenden, die der berühmten Comicfigur von Walt Disney leider fehlen.

Auch Matthias Schroff hatte erst einmal nicht an Ruhm oder Geld gedacht, als er seine Erfindung zum Patent anmeldete. Es war eher der Spaß, sich vorzustellen, ein Ergebnis der Arbeit in einem Katalog zu sehen und zu denken: „Das war ich.“ Als Schroffs damaliger Doktorvater, Professor Burg-hardt Wittig, dann anfing, die ersten Versuche zur genbasierten Therapie von Krebs in die Klinik zu bringen, waren Patente plötzlich sehr wichtig.

Die Umsetzung einer Idee kostet fast immer Geld. Häufig sogar so viel Geld, dass die eigenen

Mittel nicht ausreichen. Die Beteiligung von Geld-gebern ist erforderlich. Als Folge landet die im Reich der Euphorie schwebende Erfindung schnell auf dem harten Boden der Realität. Wer Geld gibt, will Sicherheit. Eine Idee ist jedoch nicht so leicht fassbar wie ein Grundstück oder eine Maschine. Um Inves-toren die Beteiligung an der Idee zu ermöglichen, muss die Erfindung verbindlich „fassbar“ gemacht werden. Hier kommen Patente ins Spiel.

Joe Lewis, Gruppenleiter am European Molecu-lar Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg und Geschäftsführer der ELARA Pharmaceuticals GmbH, einer Ausgründung des EMBL, kennt die Realität der Unternehmensgründung. „Wir haben ein großar-tiges Team und mit dem EMBL die beste Umgebung, die man sich für Pharmaentwickler vorstellen kann. Aber die erste Frage aller Investoren ist immer die nach Patenten“, sagt Lewis.

Der Wettbewerbsvorteil bestimmt den Wert von Patenten

Die Entwicklung eines Medikaments, von der ersten Leitstruktur bis zum erfolgreichen Abschluss der klinischen Prüfung, kostet einen dreistelligen Millionenbetrag. Den ganzen Weg geht kaum ein junges Unternehmen. Es gibt jedoch erfolgreiche

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35 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Gründungen, die ihre „Kandidaten“ bis in die klinische Phase II begleiten und dann lizenzieren. Auch hierfür sind neben sehr viel Glück und Pro-fessionalität sicher mehr als zehn Millionen Euro erforderlich. Dr. Lewis geht diesen Weg mit der ELARA Pharma GmbH; das Unternehmen ist eines der ersten, welches durch das GO-Bio-Programm des BMBF gefördert wird. Patente sind dabei von größter Bedeutung.

Die Erfindung muss wissenschaftlich und patentrechtlich abgesichert sein

Ein Patent ist letztlich die Projektion einer Erfin-dung aus dem Reich der Ideen in die Form eines ver-bindlichen Rechts. Patente können eine Erfindung zum Eigentum machen. Dies kann dann gehandelt und „vermietet“ werden wie ein Auto oder ein Haus. Noch besser – anders als bei einem Haus – kann die Erfindung an beliebig viele Lizenznehmer „ver-mietet“ werden, beispielsweise für die Nutzung in unterschiedlichen Anwendungsgebieten.

Ob nun Geldgeber für die Realisierung gefun-den werden können, bestimmt vor allem der Wert der Erfindung. Auch wenn die Vermarktbarkeit der Erfindung für viele Erfinder sicher nicht das wesentliche Kriterium der Bewertung ist, so ist Geld aber die Einheit, in der Labore und Forscher bezahlt werden. Geld ist auch für eventuelle Investoren der wichtigste, wenn nicht der einzige Maßstab.

Der Geldwert eines Patentes erwächst aus einem Vorteil am Markt, den es seinem Inhaber verschafft. Ein Patent ist ein vom Staat erteiltes Recht, andere vom gewerbsmäßigen Gebrauch der Erfindung auszuschließen. Wenn die Erfindung ein Produkt besser verkäuflich macht, hilft das Patent, diesen Vorteil vor Nachahmung oder Kopie durch Konkur-renten zu schützen.

Für den Wert der Erfindung kommt es nicht auf die Genialität der Erfindung an, sondern nur darauf, ob sie ein Problem löst, welches für viele Menschen wichtig ist und nicht anders gelöst werden kann. Um das Potenzial einer Erfindung so weit wie mög-lich auszuschöpfen, bedarf es einer Strategie. Diese muss die Patentierung und Finanzierung in den Mittelpunkt stellen. Das gesamte Projekt muss auf das Ziel ausgerichtet werden, die Erfindung wissen-schaftlich und patentrechtlich so abzusichern, dass

sie für einen zukünftigen Lizenznehmer möglichst attraktiv ist. Die Weichenstellungen dazu erfolgen in der Regel sehr früh, in den Monaten um die erste Patentanmeldung herum.

Enno Klußmann entwickelt Arzneimittel, die Herzinsuffizienz lindern oder heilen sollen. Die Indikation gehört medizinisch und wirtschaftlich zu den wichtigsten ungelösten Problemen. Klußmann, der im Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakolo-gie in Berlin-Buch in einem der modernsten biome-dizinischen Forschungszentren Deutschlands tätig ist, betreibt sowohl Grundlagenforschung als auch die Entwicklung von Anwendungen auf höchstem Niveau. Dieses Nebeneinander erfordert eine klare Trennung bei der Konzeption der Programme.

„Unsere erste Patentanmeldung haben wir zu-nächst für ein Jahr zur Seite gelegt“, sagt Klußmann. „Glücklicherweise stellte sich heraus, dass die Sache für unser Projekt nicht wichtig war. Für unsere heutigen Erfindungen machen wir einen Entwick-lungsplan, noch bevor wir dem Patentanwalt das Material schicken!“

Babelon unterstützt, wie andere Beratungsfir-men auch, Erfinder und Firmengründer bei der Pla-nung und Finanzierung ihrer Gründungsvorhaben. Dabei sehen wir immer wieder, dass faszinierende Ideen ihr Potenzial am besten dann realisieren, wenn die Forschungsarbeit klar das Ziel der Paten-tierung verfolgt und die Entwicklung die kommer-zielle Anwendung im Blick hat.

claas Junghans berät gründer und junge unternehmen bei der Vermarktung ihrer erfindungen sowie in Fragen von patent- und lizenzstrategie (www.babelon.eu). er ist als Vertreter vor dem europäischen patentamt zugelassen

und hat zehn Jahre Managementerfahrung bei Technologieunternehmen im Bereich life-sciences.

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3� ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Patentschutz weltweit zu erlangen ist prinzi-piell einfach. Das durch Verträge zwischen fast allen Industriestaaten errichtete System erlaubt es, zunächst mit einer Patentanmeldung in Deutsch-land zu beginnen, die relativ einfach und preiswert einzureichen ist.

Chromosomen als genetische Goldminen – auch ein neuartiger, sequenzierter DNA-Abschnitt ist eine Erfindung, die im Falle einer Firmengründung patentrechtlich geschützt werden sollte.

Für eine erfolgreiche Vermarktung müssen die ziele frühzeitig feststehen

Die Erfinder haben dann ein Jahr Zeit, um dieselbe Erfindung im Ausland einzureichen, ohne dass ihnen in der Zwischenzeit veröffentlichte Erkennt-nisse schädlich werden können. Soweit sie dies auf dem Weg des PCT-Abkommens (Patent Cooperation Treaty) tun, bleiben ihnen dann noch einmal 18 Mo-nate, bis die Entscheidung zu teuren Anmeldungen im Ausland getroffen werden muss.

Dieses System birgt Tücken, die erst in der Praxis offenbar werden. Die großzügig wirkenden Fristen laufen schneller als erwartet ab und sind nicht verschiebbar. Viel Arbeit muss geleistet werden, um die Freiräume des Patentsystems optimal zu füllen. Dazu bedarf es eines klaren strategischen Plans.

Idealerweise werden bereits vor der ersten Anmeldung die Ziele definiert, die erreicht werden müssen, damit die Erfindung auf dem Markt eine

Chance hat. Im ersten Jahr – nach der Patentan-meldung in Deutschland – werden alle Anstren-gungen in die Erweiterung der Erfindung gesteckt. Die Grenzen der Erfindung werden ausgelotet, diese werden möglicherweise später entscheidend für die Patentierung. Anwendungen werden ent-wickelt, möglicherweise als neue Patentanmel-dungen vorbereitet. Parallel muss die Finanzierung dieser Arbeiten vorbereitet werden. Aufgaben müssen delegiert, häufig auch ganze Strukturen geschaffen werden, die der neuen Aufgabe ange-passt sind. Dies reicht oft bis hin zur Unternehmens-gründung.

Viele dieser Arbeiten unterscheiden sich grund-sätzlich von der klassischen akademischen Arbeit. Manche scheinen dem publizierenden Wissen-schaftler fremd und unproduktiv. Nach den Krite-rien der hochkarätigen Veröffentlichung sind sie das wohl auch. Das bedeutet: Die Entscheidung zur erfolgreichen Realisierung einer Erfindung – und zur Patentierung als Voraussetzung dieser Rea-lisierung – erfordert ein radikales Umdenken von der akademischen hin zur an kommerzielle Werte orientierten Forschung.

Trotzdem kann dieses Ziel leicht erreicht wer-den, wenn alle Beteiligten sich darauf einigen und es kompromisslos verfolgen. Das mag bedeuten,

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37 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

dass einzelne Forscher – mindestens auf Zeit – weni-ger publizieren. Die Befriedigung, neue Arbeitsme-thoden kennenzulernen, wiegt diesen Verzicht alle-mal auf.

Bakterienfreie Hefe gehört zu den ersten patentrechtlich geschützten Erfindungen in der Biotechnologie. Das französische Patentamt stellte es im Jahr 1873 dem Mikrobiologen Louis Pasteur aus, der durch ein Verfahren zum Haltbarmachen von Milch berühmt geworden ist.

Es ist unserer Erfahrung nach kaum möglich, quasi nebenbei eine Erfindung zu patentieren und erfolgreich zu verwerten. Die Entscheidung, sich der Realisierung einer Erfindung zu widmen, sollte also nicht leichtfertig getroffen werden. Die erfolgreiche Patentierung und kommerzielle Ver-wirklichung der Forschungsergebnisse erfordert nicht nur eine Reorientierung der akademischen Forschung, sondern meist auch neue Strukturen und Kompetenzen.

Klußmann hat die Erfahrung gemacht, dass die Vorbereitung einer Ausgründung eine neue Dimen-sion hat. Als Wissenschaftler müsse man plötzlich Businesspläne schreiben, Verträge verhandeln, Qualitätsmanagement einführen, bei der Entwick-lung von pharmazeutischen Wirkstoffen industrie-konform vorgehen und sich eine auf das zu grün-dende Unternehmen ausgerichtete Patentstrategie überlegen. „Alles Neuland, aber es macht natürlich

auch großen Spaß zu sehen, wie ein akademisches Projekt zur Kommerzialisierung geführt wird“, sagt Klußmann.

nebeneinander von akademischer und anwendungsorientierter Forschung

Dabei gibt es keine unüberbrückbaren Gegensätze zwischen akademischer und patent- oder anwen-dungsorientierter Forschung. Es kommt darauf an, den Augenblick zu erkennen, in dem die Strukturen für die kommerzielle Verwertung neben die Grund-lagenforschung gestellt werden müssen. Die besten Erfindungen sind von jeher aus der Grundlagenfor-schung entstanden, sie ist die Grundlage unserer Technologie.

Das GO-Bio-Programm des BMBF ist ein gelun-genes Beispiel einer Förderpolitik, die diese Er-kenntnis auch in den Strukturen der Projektför-derung umsetzt. Grundlagen- und anwendungs-orientierte Forschung können so in getrennten Strukturen unter demselben Dach gefördert wer-den. Wir sind gespannt, welche Erfolge sich daraus in den nächsten Jahren entwickeln werden.

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38 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Achterbahn auf DNA-Strängen Investoren in die Biotechnologie sind vorsichtiger geworden. Maßnahmen wie der Hightech-Gründerfonds helfen, Engpässe zu überbrücken

Von Marion Jung

Marion Jung ist Betei-ligungsmanagerin bei earlybird, einem Technologieinvestor, der sich auf frühe un-ternehmensphasen spezialisiert hat. sie be-gleitet Firmen aus der gesundheitsbranche von der Finanzierung durch earlybird über

nachfolgende Finanzierungsrunden bis zum ausstieg des investors. zuvor war die promo-vierte Molekularbiologin in der akademischen Forschung tätig.

Robert Koch, Paul Ehrlich, Otto Warburg, Feo-dor lynen, Max Delbrück: Die namen dieser deutschen nobelpreisträger stehen weltweit für einen exzellenten Ruf deutscher Forschung auf dem Gebiet der Medizin. Bis in die acht-zigerjahre galt Deutschland mit seiner inter-national wettbewerbsfähigen chemischen Industrie deshalb als „apotheke der Welt“.

So bedeutsam deutsche Forscher für Innovationen in der Medizin waren – eine Vorreiterrolle in der Biotechnologie nimmt Deutschland nicht ein. Die Wiege dieser vergleichsweise jungen Disziplin steht in den USA. Im Jahr 1976 wurde in San Francisco das weltweit erste Biotechnologieunternehmen Genentech gegründet. Basis für die Gründung war das Vertrauen in das therapeutische Potenzial der Methode zur Expression von zum Beispiel mensch-lichen Proteinen in Mikroorganismen – der soge-nannten rekombinanten DNA-Technologie. 1982 wurde mit humanem Insulin das erste rekombinant hergestellte Medikament zugelassen.

Die deutsche Politik hat die Chancen der Biotech-nologie zu diesem Zeitpunkt leider falsch einge-schätzt und die Anwendung genetischer Verfahren zur Entwicklung und Herstellung von Medikamen-ten blockiert. Das führte dazu, dass viele hochkarä-tige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ins Ausland abwanderten, wo sie günstigere bürokra-tische und finanzielle Bedingungen vorfanden.

Erst zehn Jahre später stellte die Bundesregie-rung die entscheidenden Weichen. Der Startschuss fiel mit der Novellierung des Gentechnik-Gesetzes im Jahr 1993. Zwei Jahre später folgte der Aufruf zum BioRegio-Wettbewerb um die besten regio-nalen Technologiezentren. Er setzte enorme Ener-gien bei Forschungsinstituten und Industrieunter-nehmen frei.

Die Siegerregionen Rheinland, Rhein-Neckar-Dreieck, München und Jena erwarben dadurch bevorzugten Zugang zu Mitteln des Bundesfor-

schungsministeriums. Die daraus entstehende Interaktion zwischen Universitäten, Politik, Indus-trie und Kapitalgebern löste eine Dynamik aus, die weit über die Siegerregionen hinausging und bis heute spürbar ist. Zugleich ging 1996 mit QIAGEN das erste deutsche Lifescience-Unternehmen an die US-Technologiebörse Nasdaq. Im Jahr darauf wurde QIAGEN am Neuen Markt in Frankfurt aufgenom-men. Der Neue Markt als Äquivalent zur Nasdaq war ins Leben gerufen worden, um jungen Technologie-unternehmen eine Eigenkapitalfinanzierung über die Börse zu ermöglichen.

Goldene Gründerjahre

Von 1995 bis zum Jahr 2000 stieg die Zahl der deutschen Biotechnologieunternehmen von 75 auf 350. Das Angebot an qualifizierten Arbeitsplätzen in der Branche wuchs rasant. Ausschlaggebend für dieses Wachstum war, dass die Branche hohe Erwartungen an die Entschlüsselung des mensch-lichen Genoms knüpfte. Die Aussicht, mithilfe der Kenntnis aller menschlichen Gene die Funktion und den Ursprung bislang unzureichend therapierbarer Erkrankungen verstehen zu können, gab dieser Eu-phorie Nahrung. In den Jahren 1998 bis 2001 wurden vor allem Unternehmen gegründet, die mit soge-nannten Plattformtechnologien am internationalen Boom teilhaben wollten. So schloss der Pharmakon-zern Bayer mit dem US-Unternehmen Millenium eine 465 Millionen US-Dollar schwere Forschungs-

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39 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

kooperation auf dem Gebiet der Genomforschung ab. Mit dem Wachstum der Biotechnologiebranche etablierten sich zunehmend Venture-Capital-Ge-sellschaften in Deutschland. Mit dem Neuen Markt als Ausstiegskanal für schnell wachsende Technolo-gieunternehmen bestand für Wagniskapitalgeber erstmals die Möglichkeit, ihre Beteiligungen über die Börse zu verkaufen. Für die kapitalintensive Bio-technologiebranche wurden die Venture-Capital-Gesellschaften bald zu den wichtigsten Investoren. Mit Unterstützung der staatlichen Förderbank KfW und der staatlichen Technologiebeteiligungsge-sellschaft (tbg) wurden zahlreiche Venture-Capital-Fonds im Bereich Biotechnologie aufgelegt. Allein im Boomjahr 2000 nahmen deutsche Biotechnolo-gieunternehmen mehr als eine halbe Milliarde Euro an Risikokapital auf – mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr. Dieser Wert wurde seitdem nie wieder erreicht (siehe Abbildung unten).

VC-Finanzierung der deutschen Biotechnologieunternehmen seit 199� (in Mio. EUR)

5�5 525

32� 313 319

175145

21 �1

207 21� 23�

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Die allgemeine Euphorie führte jedoch sowohl seitens der Unternehmensgründer als auch seitens der Kapitalgeber zu einem Überangebot im Markt. Nach dem Absturz der Börsen, dem Platzen der New-Economy-Blase und der Ernüchterung dar-über, dass sich die Erkenntnisse aus der Genomfor-schung nicht schnell in neue Produkte umsetzen lassen würden, rutschte die Biotechnologieindus-trie in eine tiefe Krise. Es begann eine Phase der Konsolidierung.

Rückschläge und Konsolidierung

Die Plattformtechnologien gerieten in die Kritik, weil die Kosten in der jahrelangen vorklinischen Forschungsphase drastisch in die Höhe geschnellt

waren, ohne dass sich die Wahrscheinlichkeit er-höht hatte, dadurch neue und bessere Therapeutika herzustellen. In Zeiten, in denen sich viele Block-buster-Medikamente dem Ende des Patentschutzes nähern und durch Wettbewerb bedroht werden, sind neue Therapeutika aber wichtige Wachstums-treiber der Pharmaindustrie. Viele deutsche Bio-technologieunternehmen wandelten sich deshalb von Plattformanbietern zu Wirkstoffentwicklern oder kombinierten beide Geschäftsmodelle.

Die Venture-Capital-Industrie hatte zu dieser Zeit ebenfalls gravierende Probleme, weil es keine Aussicht auf attraktive Börsengänge gab und der Ka-pitalbedarf bestehender Unternehmen im Portfolio im Wettbewerb zu neuen Beteiligungen stand. Da-her zogen sich viele unerfahrene Investoren zurück. Die verbleibenden Investoren hängten die Messlatte für Qualität und Reife eines neuen Investments deut-lich höher als in den Jahren zuvor. Immerhin betrug die Venture-Capital-Finanzierung für deutsche Bio-technologieunternehmen in den Jahren 2002 und 2003 mehr als 200 Millionen Euro und wuchs auch in den Folgejahren stetig. Die Werte der Euphoriejahre 2000 und 2001 wurden freilich nicht mehr erreicht.

Die meisten Unternehmen, die Opfer der Kon-solidierungswelle wurden, befanden sich in der zweiten Finanzierungsrunde, die nicht erfolgreich geschlossen werden konnte. Das verdeutlicht, dass sich die deutsche Biotechnologiebranche damals in einem sehr frühen Reifestadium befand.

Viele Unternehmen sind aus dieser Krise gestärkt hervorgegangen – oft mithilfe von Zusammen-schlüssen, Lizenzvereinbarungen oder Fokussie-

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40 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

rung. Die verbleibenden Firmen wollten nun nichts weniger als eine Industrie schaffen, die internatio-nalen Ansprüchen genügt. Die Anzahl von Wirk-stoffen in vorklinischer und klinischer Entwicklung nahm in der Folgezeit deutlich zu (siehe Abbidung oben). 2004 brachte Medigene als erstes deutsches Biotechnologieunternehmen ein Produkt auf den Markt: das Krebsmedikament Eligard.

1999

Wirkstoff-Entwicklungspipeline deutscher Biotechnologieunternehmen nach Phase

200 187

2001

2002

178 173

150 2003

122 117 2004

2005

2006�8 73 �9 �2

20074� 34 35 34 37 38 39

30 27 27 22 1� 17 15 10 12 11 �4 3 5 3 1 1 1 20 0 0

präklinik phase i phase ii phase iii zulassungsphase

Ein gemeinsamer Kraftakt der Bundesregierung, zunehmend erfahrener Unternehmer und Venture-Capital-Geber, die wieder verstärkt investierten, führte dazu, dass die Talsohle der deutschen Bio-technologieindustrie im Jahr 2005 durchschritten war. Die Venture-Capital-Finanzierung deutscher Biotechnologieunternehmen stieg um knapp 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Teils durch Konsolidierung (z.B. die Fusion von Curacyte mit IBFB Pharma), teils aus eigener Kraft wurden kapi-talmarktfähige Unternehmen aufgebaut – mit Wirk-stoffkandidaten in späterer Entwicklung als Wert-treiber und einer meist kleinen, aber feinen Produkt-palette. Wilex und Curacyte gelang es beispielswei-se, Finanzierungsrunden im Volumen von rund 30 Millionen Euro zu stemmen. Mit Paion und Jerini wagten sich im Jahr 2005 erstmals wieder zwei deutsche Biotechnologieunternehmen an die Börse. Im Jahr darauf gab es vier weitere Börsengänge.

Die Krisenjahre hatten dazu geführt, dass Geld-geber immer seltener in Frühphasen finanzierten und die Branche damit der Möglichkeit beraubten, Unternehmensgründungen voranzutreiben. Die

Eigenkapitalgeber setzten stattdessen zunehmend auf Sicherheit: spätere Unternehmensphasen mit stabilem Geschäftsmodell. Wenn ihnen mitunter mangelnde Risikobereitschaft vorgeworfen wird, wird oft übersehen, dass Venture-Capital-Gesell-schaften nur dann neue Fonds auflegen können, wenn sie ihren Investoren die versprochenen Rendi-ten auf das eingesetzte Kapital bieten können – also den sogenannten Track Record vorweisen können. Der hohe Kapitalbedarf der Biotechnologieindus-trie, ein hohes Ausfallrisiko in der klinischen Ent-wicklung und zeitweise nicht existente Märkte für die Veräußerung von Beteiligungen machen dies zu einer großen Herausforderung für die Performance von Venture-Capital-Fonds.

Venture-Capital-Industrie in Deutschland

Die Bundesregierung hat mit ihrer Hightech-Initia-tive und Programmen wie BioChance, BioFuture, GO-Bio und EXIST-Seed glücklicherweise neue Impulse setzen können. Diese Programme können die Nachhaltigkeit der Biotechnologieindustrie in Deutschland voraussichtlich auch bei den Neu-gründungen sichern. Besonders erwähnenswert ist dabei der Hightech-Gründerfonds, der 2005 als ge-meinsame Initiative der Bundesregierung, einiger Industrieunternehmen und der KfW mit 260 Millio-nen Euro ins Leben gerufen wurde mit dem Ziel, Fi-nanzierungslücken in der Frühphase zu schließen. Damit kann ein enormer Professionalisierungsgrad junger Unternehmen erreicht werden – sei es durch weitere Serien eines Entwicklungskandidaten in

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41 ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

einem Tiermodell oder durch die Produktion eines Prototypen.

Schon in der Start-up-Phase ist der Kapitalbedarf eines Biotechnologieunternehmens viel höher als in anderen Technologiesegmenten. Erschwe-rend kommt hinzu, dass Entwicklungszeiten für Technologien oder Wirkstoffe selten unter 10 bis 15 Jahre betragen und einem hohen Ausfallrisiko unterliegen. Aus eigener Geschäftstätigkeit können sich solche Unternehmen nur in kleinem Umfang finanzieren. Langfristig sind sie auf Eigenkapital von Venture-Capital-Gebern oder Privatinvestoren angewiesen. Nicht selten sind 100 Millionen Euro Ei-genkapital nötig, um ein Biotechnologieunterneh-men aufzubauen. Von Dow Jones analysierte Daten belegen, dass der durchschnittliche Kapitalbedarf für Biotechnologieunternehmen bei 36 Millionen Dollar liegt (siehe Abbildung unten). Um ein gut diversifiziertes Portfolio von etwa 20 Unternehmen aufzubauen, wären also Fonds mit Volumen von mehr als 700 Millionen US-Dollar (rund 500 Millio-nen Euro) notwendig.

Durchschnittlicher Kapitalbedarf von Technologie-Startups in Mio. USD

dienstleistungen

23

1�

3�

iTc Medizintechnik Biotechnologie

1718,7

Während in den Boomjahren in Deutschland mehr als 150 Venture-Capital-Gesellschaften präsent waren, sind es heute noch etwa 30. Nicht alle investieren in Biotechnologie, und nur eine Handvoll managt einen Fonds mit einem Volumen von mehr als 150 Millionen Euro. Zum Vergleich: In den USA gibt es mehr als 250 Venture-Capital-Ge-sellschaften mit Fonds dieser Größe. Die Venture-Capital-Industrie in Deutschland ist – ebenso wie die Biotechnologieindustrie – noch sehr jung. Diese Tatsache empfinden viele institutionelle Investoren

als problematisch: Sie bemängeln, dass die Ven-ture-Capitalists noch nicht erprobt sind und bisher nicht genügend Erfolge, sprich hohe Renditen, in Deutschland vorweisen konnten.

Diese Skepsis teilen wir nicht. Wir sind davon überzeugt, dass international wettbewerbsfähige Renditen für deutsche Fonds möglich sind. Unsere erste Fondsgeneration von 1998 konnte dies schon unter Beweis stellen. Es bedarf harter Überzeu-gungsarbeit, bei institutionellen Investoren Ver-trauen für die Attraktivität des Standorts Deutsch-land beziehungsweise Europa zu gewinnen. Zudem sind die in den USA starken Investorengruppen der Pensionseinrichtungen und Stiftungen in Deutsch-land stark unterrepräsentiert, obwohl theoretisch zahlreiche Institutionen über genügend Kapital verfügen.

Vor diesem Hintergrund ist die Auflage eines Venture-Capital-Fonds in Deutschland kein leichtes Unterfangen. Ergebnis: In Relation zur Wirtschafts-leistung fließen deutschen Unternehmen nur 0,02 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Form von Venture-Capital zu. Das ist zu wenig. In den Ver-einigten Staaten beträgt der Anteil zum Beispiel 0,17 Prozent (Quelle: OECD, Venture Source). Es wäre ein Jammer, wenn in Deutschland nur deshalb weniger Neugründungen finanziert würden, weil weniger Risikokapital im Markt ist. Problematisch sind auch die unzureichenden neuen Gesetze der Politik zur Modernisierung der Rahmenbedin-gungen für Kapitalbeteiligungen. Die Begrenzung hinsichtlich der Eigenkapitalhöhe ist beispielsweise für Biotechnologieunternehmen nicht sachgerecht.

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Es ist unbestritten, dass die Biotechnologie eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts ist. Es lässt sich auch nicht verbergen, dass die interna-tionale Pharmaindustrie stark auf die Biotechno-logieindustrie angewiesen ist, um ihre eigenen Wachstumsziele erreichen zu können. Schon heute stammen 25 bis 55 Prozent der in der Entwicklung befindlichen Pharmaprodukte aus Lizenzverein-barungen oder aus Partnerschaften mit oftmals kleinen Biotechnologieunternehmen. Der Wert von Lizenzvereinbarungen solcher Partnerunter-nehmen hat sich in den letzten Jahren verfünffacht und gibt Biotechnologieunternehmen ein stärkeres Gewicht (Analyse: Oliver Wyman).

In den 1990er-Jahren befand sich die Biotechnologie im Aufwind. Mit QIAGEN ging 1996 das erste deutsche Biotechnologieunternehmen an die Tech-nologiebörse Nasdaq.

auf dem Weg zum Erfolg

Die Deutsche Biotechnologiebranche muss sich nicht verstecken: Das beweisen Allianzen wie die von MorphoSys-Novartis, Evotec-Roche, Idea-Al-pharma oder Wilex-UCB. Einen großen Sprung nach vorne machte die deutsche Biotechnologiebranche

im Jahr 2008 mit der Übernahme des Kölner Bio-technologieunternehmens amaxa durch den Schweizer Lonza-Konzern, der Akquisition der Münchner U3 Pharma durch Daiichi Sankyo, dem Verkauf der Kölner Direvo an Bayer und der Über-nahme der börsennotierten Berliner Jerini durch den britischen Pharmakonzern Shire. Auch für die beteiligten Venture-Capital-Geber haben sich die Investments an diesen Unternehmen durch den erfolgten Ausstieg gelohnt. Es geht also doch! Ebenfalls wichtig ist, dass die Unternehmen un-ter Führung der neuen Muttergesellschaften in Deutschland erhalten bleiben. Für amaxa können wir dies bestätigen.

Dank der fortwährenden Initiativen der Bundes-regierung und der Verfügbarkeit von Venture-Ca-pital stünde die deutsche Biotechnologieindustrie längst nicht so gut da wie heute. Wir hoffen, das bleibt auch in Zukunft so, damit Deutschland seine junge Biotechnologieindustrie in die Profitabilität führen kann. Das Potenzial dazu hat sie jedenfalls.

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Business Angels Kapital und Know-how für wachstumsstarke Unternehmen

Von Ute Günther und Roland Kirchhof

ute günther und roland Kirchhof stehen dem Business angels netzwerk deutschland e.V. (Band) vor. der Verband engagiert sich für den aufbau der Business-angels-Kultur in deutsch-land und fördert Kooperationen. als dachver-band des informellen Beteiligungskapitalmark-tes vertritt Band die interessen der Business-angels-netzwerke gegenüber politik und öffent-lichkeit.

Für junge Unternehmen ist die Kapitalsuche extrem schwierig. Potenziellen Kapitalge-bern ist es kaum möglich, die Erfolgsaus-sichten der Gründungen zu beurteilen. Es mangelt ihnen an Informationen über inno-vative Technologien und neue Märkte, Erfah-rungen und Vergleichszahlen. Der zeitpunkt erster Umsatzerlöse ist nicht vorhersehbar, Gewinnschwellen werden meist erst nach Jahren überschritten. Oft helfen risikobereite Privatleute, die Finanzierungslücke zu schlie-ßen. Da sie für die betroffenen Unternehmen oft der letzte ausweg sind, bezeichnet man sie auch als „Business angels“.

Wo Sicherheiten in der Regel nicht oder nur in geringem Umfang vorhanden sind, das Verlustpo-tenzial aber beträchtlich ist, scheiden Banken als Kapitalgeber in der Pre-Seed- oder Seed-Phase weit-gehend aus. Auch für Beteiligungsgesellschaften ist ein Engagement zu diesem Zeitpunkt der Unter-nehmensentwicklung leider oft uninteressant: Das Risiko ist ihnen zu hoch, der Finanzbedarf zu gering und der Betreuungsaufwand zu groß. Öffentliche Fördermittel reichen meist nicht aus oder sind an Bedingungen gebunden, die von den Gründern nicht erfüllt werden können.

Dennoch sind gerade in der Startphase erheb-liche Investitionen nötig: für die Entwicklung und Markteinführung neuartiger Produkte, für die Umsetzung einer Idee in verwertbare Resultate bis hin zum Prototyp.

Die Auswahl, die junge Unternehmen auf der Suche nach Finanzierung haben, ist somit gering, die Finanzierungsarten sind begrenzt. Die Rede ist daher von einer Finanzierungslücke in der Früh-phase.

Junge, innovative Unternehmen haben aber nur dann eine Chance, sich am Markt zu etablieren und die Basis für schnelles Wachstum zu legen, wenn es

ihnen gelingt, die Finanzierungslücke zu schließen. Hier sind Business Angels gefragt. Sie finanzieren Innovationen in der Frühphase. Sie sind bereit, Risiken zu tragen und den Aufwand auf sich zu neh-men, gerade weil es – neben Renditeorientierung – ihr Ziel ist, junge, vielversprechende Unterneh-men zu entwickeln. Gemeinsam mit dem aus dem Bundeswirtschaftsministerium, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (kfw) und einiger deutscher Groß-unternehmen gespeisten Hightech-Gründerfonds sind Business Angels die Frühphasenfinanzierer in Deutschland.

Was sind Business angels, und wie unterstützen sie Unternehmen?

Finanziers, die Unternehmen auf den Weg bringen und befördern, sind im Wirtschaftsleben nichts Neues. So half beispielsweise der Kölner Kaufmann Friedrich Sölling dem von Friedrich Krupp gegrün-deten Stahlimperium aus der anfänglich beinahe ruinösen Talsohle heraus. Der Begriff „Business An-gel“ soll Anfang des 20. Jahrhunderts am Broadway aufgekommen sein und risikobereite Investoren bezeichnet haben, die die Produktion neuer Broad-waystücke finanziert haben. In den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts verbreitete sich der Begriff von

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den USA aus nach Kontinentaleuropa. Heute hat er sich in nahezu allen europäischen Sprachen in der englischen Fassung etabliert. In Deutschland hat der Business-Angel-Gedanke mit der Gründung des Business Angels Netzwerks Deutschland e.V. (BAND) im Jahre 1998 Fuß gefasst.

Business Angels unterstützen junge, innovative Unternehmen mit Kapital, mit unternehmerischer Erfahrung und mit ihrem Netzwerk. Sie kennen die Märkte, die Finanzwelt, aber auch die unternehme-rische Denkweise und bieten dem Gründerteam einen umfangreichen Erfahrungsschatz, von dem dieses profitiert. Im Gegenzug erhalten sie Anteile an dem Unternehmen. Business Angels lassen sich ihr Engagement weder durch Beratungshonorare noch durch Dauervergütungen bezahlen. Sie profi-tieren von der späteren Veräußerung ihrer Firmen-anteile, die dann, wenn alles nach Wunsch verläuft, erheblich an Wert gewonnen haben. Business Angels wollen am Erfolg teilhaben und erwarten für ihre Investitionen eine überdurchschnittliche Rendite. Sie wissen, dass Frühphaseninvestments extrem unsicher sind. Sie reduzieren dieses Risiko, indem sie ihr Management-Know-how in die Gründungen

einbringen. Sie greifen generell jedoch nicht ins operative Geschäft ein. In der Regel investieren sie zwischen 50.000 Euro und 150.000 Euro und haben sich bereits vor ihrer Beteiligungsentscheidung mit den Gründern über spätere Exitstrategien verstän-digt.

Vorsicht vor Business Devils

In der Branche gibt es auch Investoren, die kaum am Erfolg der Unternehmen interessiert sind, sondern vor allem daran, deren Potenziale für andere Zwecke auszubeuten. Diese „Business Devils“ engagieren sich dann, um neue Kunden-kontakte für eigene Geschäfte zu erhalten, für eine Anstel-lung oder eine Geschäftsführerposition, oder sie wollen Patente oder Technologien anderweitig vermarkten.

Business Devils verlangen Sicherheiten wie Immobilien oder Bürgschaften und beteiligen sich erst, wenn der Start mit anderen bereits geglückt ist. Sie sichern sich in der ersten Finanzierungsrunde hohe Gesellschaftsanteile, sodass die Existenzgründer in der zweiten Runde zu unbedeutenden Minderheitsgesellschaftern degradiert werden. Andere geben in der ersten Runde wenig Kapital für einen geringen Gesellschaftsanteil und lassen sich vertraglich zusichern, dass gegen ihren Willen keine neuen Gesellschafter auf-genommen werden können. Im Gegensatz zu den Angels bieten Devils Beratung zum Preis einer Beteiligung. Auch Geldgeber dieser destruktiven Art sind im Wirtschaftsleben wohlbekannt.

Johannes Gutenberg, das wohl berühmteste Opfer eines „Business Devils“. Sein ehemaliger Finanzier Johannes Fust beschuldigte ihn der Veruntreuung und übernahm nach einem Gerichtsprozess dessen Werkstatt.

Welche Unternehmen sind für Business angels interessant?

Business Angels sind überwiegend an Unterneh-men mit einer innovativen Geschäftsidee interes-siert, die hervorragende Wachstumsperspektiven und Wertsteigerungspotenziale versprechen. Ihre zentrale Frage lautet: Handelt es sich wirklich um ein Produkt oder eine Dienstleistung, die dem Wettbewerb überlegen ist und nicht schnell imitiert werden kann?

Die Qualifikation des Gründerteams ist eines der wichtigsten Kriterien für ihre Beteiligungsent-scheidungen. Ein Business Angel legt Wert auf ein starkes Gründerteam von mindestens zwei Per-sonen. Einzelkämpfer haben kaum eine Chance. Technische, kaufmännische und persönliche Fähig-

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keiten und der unbedingte Wille, ein Unternehmen zum Erfolg zu führen, müssen vorhanden sein.

Auch Biotechnologieunternehmen profitieren von risikobereiten Privatpersonen. Bei dem Pharmaunternehmen immatics stieg im Jahr 2003 der ehemalige Verleger von Kinderbuchautor Michael Ende, Hansjörg Weitbrecht, als Business Angel ein.

Ganz wichtig und häufig unterschätzt ist, dass die Chemie zwischen den Gründern und dem Busi-ness Angel stimmen muss. Sind die Unternehmer überhaupt bereit, Anteile abzugeben und den Rat eines zunächst Außenstehenden zu akzeptieren? Hinzu kommt, dass manche Angels nur in Unter-nehmen investieren, die in einem Umkreis von bis zu 150 km von ihrem Wohnort angesiedelt sind.

Außerdem fordern sie, dass der Businessplan in den Grundzügen ausgearbeitet ist, die Ertrags-perspektive stimmt und die Finanzierungsfragen lösbar sind. Der Wunsch nach Risikokapital durch einen Business Angel muss sich in der realistischen Größenordnung zwischen 50.000 und 1 Million Euro bewegen. Größere Beträge sind nur in Kooperation mit anderen Geldgebern oder mit Venture-Capital-Gesellschaften realisierbar, was viele Business An-gels durchaus begrüßen, schließlich wird dadurch das Risiko reduziert und das Know-how vervielfäl-tigt.

In Deutschland sind die Weichen gestellt für einen funktionierenden Business-Angels-Markt. Was durch Gründung von BAND 1998 begann, hat sich inzwischen zu einem unverzichtbaren

Standortvorteil entwickelt. BAND steht unter der Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministers und ist deutschlandweit bekannt und anerkannt als Promotor der Business-Angels-Kultur.

Neben BAND als übergreifender Organisation arbeiten in Deutschland an die 40 Business-Angels-Netzwerke mit mehr als 1.000 Business Angels als Foren im Markt des informellen Beteiligungskapi-tals.

Diese Netzwerke bringen ganz konkret Grün-dungsunternehmer und Business Angels zusam-men, um eine Beteiligung zu initiieren. Sie bieten eine Plattform, auf der sich Kapital suchende Unter-nehmen und Business Angels treffen können. Scree-ning und Matching sind die Kernkompetenzen der Netzwerke.

Welchen nutzen bieten Business-angels-netzwerke?

Im Screeningprozess werden die Kapital suchen-den Unternehmen auf ihre Eignung für den Markt des informellen Beteiligungskapitals geprüft. Der Matchingprozess organisiert das Zusammentref-fen der Business Angels mit denjenigen Unterneh-men, die den Screeningprozess positiv beendet haben.

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4� ExPERTEnMEInUnGEn zUR DEUTSCHEn BIOTECHnOlOGIEBRanCHE

Für junge Unternehmen auf der Suche nach informellem Beteiligungskapital ist das Vorhan-densein eines flächendeckenden Angebotes von Business-Angels-Netzwerken von unschätzbarem Wert. Anerkannte Netzwerke, insbesondere jene, die Mitglied in BAND sind, bieten eine hinreichende Gewähr für die Seriosität ihrer Netzwerkmitglieder. Der Verband wählt seine Mitglieder sorgfältig aus. Auch in der Folge achtet er darauf, dass sie den Angels-Prinzipien treu bleiben. Finanziers, die sich in Wahrheit als Devils entpuppen, werden aus-geschlossen. Auch die Gründungen müssen sich weitere Prüfungen gefallen lassen. Durchläuft ein junges Unternehmen den Screeningprozess eines Netzwerkes, wird dessen Projektidee auf seine Er-folgsaussichten und auf seine Stärken und Schwä-chen hin analysiert.

Die Gründer erhalten qualifiziertes Feedback und wertvolle Hinweise, wie sie ihre Ideen optimie-ren und weitere Schritte auf ihren Weg in die Pro-sperität unternehmen können. Diese Gründungen haben jetzt die Möglichkeit, zwischen verschiede-nen potenziellen Business Angels auszuwählen. Gleichzeitig ermöglicht die gebündelte Kompetenz eines Netzwerkes eine konstruktive Kritik am Unter-nehmerteam und der Geschäftsidee.

Durch den Kontakt zu Venture-Capital-Gesell-schaften, Kreditinstituten, Fachanwälten und Bera-tungsunternehmen steht außerdem professionelles Wissen über „Private Equity“, außerbörsliches Ei-gentum, zur Verfügung. Auf diese Weise kann das Risiko für Gründer und Anleger verringert und Know-how weiter fokussiert werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund organisieren mehr und mehr

Netzwerke Weiterbildungsveranstaltungen, die für die speziellen Fragen des informellen Beteiligungs-kapitalmarktes qualifizieren.

Vorteile einer Business-angel-Beteiligung

Business Angels vereinen wichtige Elemente, die nicht nur für die Gründung, sondern generell für das operative Geschäft einer Unternehmung von hoher Bedeutung sind.

Der Business Angel investiert in einer Phase, in der den Banken das Risiko zu hoch ist und Sicherheiten fehlen. In dieser Phase halten sich auch Venture-Capital-Gesellschaften zurück, weil ihnen die Erfolgsaussichten und das Volumen der Investitionen zu gering sind. Eine Business-Angel-Beteiligung erleichtert die Fremdkapitalakquise. Da es sich dabei in der Regel nicht um ein Darlehen handelt, erhöht sich der Eigenkapitalanteil des Un-ternehmens. Im Gegensatz zu einem Bankkredit müssen bei einer Business-Angels-Beteiligung keine Raten und Zinsen zurückgezahlt werden. Und auch das ist von Vorteil: Weil Business Angels über gute Kontakte in die VC-Welt verfügen, können sie die Weichen für eine nächste Finanzierungsrunde stellen.

Neben dem monetären Anteil investiert ein Busi-ness Angel sein Know-how, sein unternehmerisches Wissen und seine Managementexpertise. Die Syner-gien, die sich ergeben, können angelfinanzierten Unternehmen früh Wettbewerbsvorteile sichern, und der Erfahrungsschatz des Engels hilft ihnen, Fehler zu vermeiden.

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Von Forschern, Tüftlern, Pionieren – Beispielhafte Unternehmensgründungen

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ORPEGEn Pharma GmbH

Abwehrstarkes Unternehmen

Christian Birr zählt zu den Pionieren der deutschen Biotechnologie. Im Jahr 1982 gründete er mit ORPEGEN eines der ersten Unternehmen der Branche.

Kaum ein Unternehmer der deutschen Bio-technologiebranche weiß mehr zu erzäh-len als Christian Birr. 1982 gründete der

habilitierte Protein-Chemiker die seither von ihm geleitete ORPEGEN Pharma GmbH in Heidelberg. Durchbrüche und Tiefschläge wechselten in der Firmengeschichte einander ab. Beteiligungen gro-ßer Konzerne und deren plötzlicher Ausstieg gehö-ren zu der facettenreichen Arbeitswelt des heute 72-jährigen Unternehmers genauso wie Erfahrun-gen mit schwierigen Finanziers. Aber auch auf

Auszeichnungen wie die Berufung in den Technolo-gie-Rat des seinerzeit amtierenden Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl oder den „Technologie-Transfer-Preis“ des Bundesforschungsministeriums kann Birr zurückblicken. „Ich bereue auf keinen Fall, als Un-ternehmer tätig geworden zu sein. Aber parallel als außerplanmäßiger Professor zu lehren entspricht eben meinem Naturell“, sagt Birr. Auf Erlebnisse wie damals, als er mit seinem Team über Nacht einen der Rohstoffe für die enzymatische Herstellung von Insulin zu produzieren hatte, möchte er keines-

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wegs verzichten. Auch nicht auf die anregenden Diskussionen in den Vorstandsetagen der betei-ligten Großkonzerne und im Bundeskanzleramt. Trotz dieses reichhaltigen Schatzes an Erfahrungen vermisst Birr die Kreativität der forschenden Tätig-keit, die er als Unternehmer kaum noch einbrin-gen kann. Bis zur Firmengründung leitete Birr am Heidelberger Max-Planck-Institut für medizinische Forschung eine Peptid-Forschungsgruppe. Aus dieser Zeit stammen auch einige Patente, die die Max-Planck-Gesellschaft später dem Urheber über-lassen hat.

Der name ist Programm

Den roten Faden seines Wirkens sieht Birr in der Beschäftigung mit der molekularen Kontrolle des Immunsystems. Der Name ORPEGEN ist Programm. Das Akronym steht für organisch, peptidisch und genetisch. Hinzugekommen ist der Bereich „Phar-ma“. Anfangs betrieb das Unternehmen Vertragsfor-schung. Den ersten Großauftrag erhielt Birr von der Hoechst AG. Mit dem eigenen Verfahrenspatent pro-duzierte ORPEGEN das Derivat „Di-tert.butyl-Threo-nin x Acetat“. Diesen pharmazeutischen Rohstoff benötigte der Konzern zur direkten enzymatischen Umwandlung von Schweine- in Humaninsulin. Humanes Insulin wird inzwischen längst gentech-

nisch hergestellt. In kleineren Mengen versorgt das Unternehmen aber noch heute Pharmafirmen am Weltmarkt mit diesem auf chemischem Wege gewonnenen Derivat. 1985 war ORPEGEN eine, wie Birr sagt, „Ehe mit der Deutschen Shell AG einge-gangen“. Der Raffineriekonzern war auf der Suche nach einem Zugang zu neuen Technologien. Aus-gestattet mit deren Kapitaleinlage gelang es durch eigene medizinische Forschungen, Peptidwirkstoffe gegen opportunistische Infektionen nach Chemo-oder Strahlentherapien zu entwickeln. Wegen der klinischen Prüfungsrisiken beendete Shell jedoch dieses Engagement nach circa drei Jahren. Birr kaufte die Anteile des Konzerns zurück, verfolgte die Entwicklung trotz vielversprechender Zwischen-ergebnisse jedoch nicht weiter. Es fehlte eine ausrei-chende Finanzierungsmöglichkeit.

Für die Herstellung von Peptidwirkstoffen sind komplexe Aufbauten erforderlich. Mittlerweile hat ORPEGEN den Bereich an ein Tochterunternehmen übertragen.

EPO-Probe im Grundstein bewahrt

Zur gleichen Zeit suchte die Heidelberger Zement AG, an der die MERKLE-Gruppe eine Aktienmehr-heit hält, Kontakt zu dem Unternehmer. Zunächst ging es um die Mitwirkung an dem vom BMBF geförderten Projekt zur mikrobiologischen Opti-mierung der Abwasserklärung und um das Problem der Betonkorrosion. Jedoch war Dr. Adolf Merkle, seinerzeit Aufsichtsratsvorsitzender der Heidel-

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berger Zement, eigentlich an der Entwicklung von Erythropoietin interessiert.

Für die biotechnologisch-pharmazeutische Produktion von Glyko-proteinen mittels Säugerzellkulturen hat ORPEGEN einen speziellen Fermenter entwickelt.

EPO ist ein natürliches Glykoprotein, das in der Niere erzeugt wird und die Bildung von roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt. Aus einer noch nicht für pharmazeutische Zwecke qualifizierten Zelllinie, die MERKLE aus den USA einlizenziert hatte, entwickelte ORPEGEN in nur 4,5 Jahren eine anmeldungsfähige Zellbank und das komplette Produktionsverfahren für EPO. Eine Probe dieses Biologicals mit Blockbuster-Potenzial hatte Adolf Merkle damals im Beisein von Birr in den Grundstein seines neuen Verwaltungsgebäudes in Ulm einzementiert. Jedoch nahm die aussichts-reiche Entwicklung ein unerwartetes Ende. Der

US-Konzern Johnson & Johnson kündigte als welt-weiter Lizenznehmer der EPO-Vermarktungsrechte der AMGEN einen Patentstreit in Europa an. Die MERKLE-Gruppe verteidigte ihre Position in Europa nicht, und ORPEGEN konnte sich den drohenden Rechtsstreit nicht leisten.

Wieder stand Birr vor der Aufgabe, seine Firma neu auszutarieren. Der wandlungsfähige Unterneh-mer konzentrierte sich auf Biotechnologiedienst-leistungen und hatte damit Erfolg. Ein späterer, zweiter Anlauf, EPO selbst herzustellen, kam nur sehr verlustreich voran, da der neue Investor mehr versprochen hatte, als er dann zu halten bereit war. Das Patent der amerikanischen Firmengruppe war inzwischen abgelaufen. ORPEGEN ging schließlich einen Dienstleistungsvertrag zur Auftragsentwick-lung von biogenerischem EPO mit einem großen deutschen Mischkonzern ein. Dieser erfolgreiche F&E-Auftrag war verbunden mit dem Verkauf des dabei gewonnenen Produktions-Know-hows. Im Mai 2008 vereinbarte Birr mit der GLYCOTOPE GmbH Berlin die Übernahme des Biotechnologie-und Diagnostikasegments der ORPEGEN. Finanzie-ren konnte GLYCOTOPE den Kauf dieses Betriebs-teiles durch eine Kapitalerhöhung der beteiligten Jossa Arznei GmbH, des Family Office der Brüder Strüngmann.

Für den Bereich pharmazeutische Peptidwirk-stoffe, Aminosäurederivate und chemische Pro-dukte hatte Birr bereits 2003 den stillen Mantel „ORPEGEN Peptide Chemicals GmbH“ (OPC) ins Handelregister eintragen lassen. Die OPC nimmt seit 2008 als eigenständige Einheit die pharmazeu-tischen Chemiegeschäfte der ORPEGEN Pharma wahr. Birr ist zuversichtlich, dass dieser Zweig ertragreich sein wird. Er kann aus dem schriftlich niedergelegten Wissen über rund 450 verschie-dene Aminosäurederivate und einer Reihe von Peptidwirkstoffen schöpfen. Eigentlich wollte er zwar etwas kürzertreten, bekennt Birr. Aber im Sinne seiner Mitarbeiter und bis zur vollen Entfal-tung des jungen, eigenen Tochterunternehmens am Markt sei zurzeit seine ganze Aufmerksamkeit im Betrieb erforderlich.

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BIOPHaRM GmbH

Durchbruch zum Erfolg per Handschlag

Michael Paulista kam als Quereinsteiger zur Biotechnologie. Von deren Potenzial war er so überzeugt, dass er 1986 ein eigenes Unternehmen gründete.

Meterlang reihen sich die Originaldoku-mente mit den japanischen Schriftzeichen in den Räumen des Neubaus in Eppelheim

aneinander. Die deutschen Übersetzungen der viel-fach geprüften Forschungsergebnisse sind ebenfalls akkurat in einer Unzahl von Aktenordnern einsor-tiert und füllen weitere lange Regalmeter. Aus Ja-pan stammt auch der kunstvoll aus dunklem Holz gefertigte Schrank, der Michael Paulista, Gründer und Geschäftsführer der BIOPHARM Gesellschaft zur biotechnologischen Entwicklung von Pharmaka

mbH, täglich an die Zeit des entscheidenden Durch-bruchs erinnert. Und vis-à-vis zu diesem Unikat er-zählt er die ganze Geschichte seines 1986 in Heidel-berg gegründeten Unternehmens und welche Rolle ein Handschlag dabei spielte. Zur Biotechnologie sei er, der gelernte Kaufmann, „wie die Jungfrau zum Kinde“ gekommen. Vor 30 Jahren hätte er von der gesamten Gentechnik noch keinen blassen Schim-mer gehabt. Das Interesse an dieser faszinierenden Branche ist bei ihm eher durch einen Zufall geweckt worden. Alles fing damit an, dass der Betriebswirt,

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der seinerzeit Unternehmensbeteiligungen organi-sierte, zu einer Jazz-Dampferfahrt auf dem Neckar eingeladen war. Dort setzte er sich zu dem ihm vorher unbekannten Gründer der Genbiotec, einem gerade erst gestarteten biopharmazeutischen Betrieb aus Heidelberg. Die beiden Gäste kamen miteinander ins Gespräch, und sein Tischnachbar eröffnete ihm, dass er auf der Suche nach Investoren sei. Paulista besichtigte bald darauf die neue Firma und übernahm anschließend die Akquisition.

Er stand nun vor der Aufgabe, ein Exposé anzu-fertigen, um bei Pharmaunternehmen Kapital für seinen Auftraggeber einzuwerben. „Genetics in Cartoons“ hieß seine erste Lektüre, mit der er sich der ihm noch fremden Materie annährte. Seine Ausarbeitung führte zum Erfolg. Der damalige Forschungsleiter der Plantorgan, einer Firma aus Bad Zwischenahn, war daran interessiert, Hirudin gentechnisch produzieren zu lassen. Die Beteiligten unterzeichneten einen Entwicklungsvertrag, und nach circa einem Jahr konnte das Heidelberger Unternehmen den durch Bakterien gewonnenen Wirkstoff gegen blaue Flecken und Sportverlet-zungen präsentieren. Die Firmenbeteiligung war besiegelt, und für Paulista endete mit diesem geglückten Abschluss sein erster „Ausflug“ in die Biotechnologie.

Inzwischen war Paulista von der Branche so be-geistert, dass er beschloss, selbst eine Biotechnolo-giefirma zu gründen. Zusammen mit seinem wis-senschaftlichen Leiter konnte er ein exzellentes Forschungsteam aufbauen. Über Dienstleistungen gewannen sie neue Kunden.

Patent auf omnipotentes Molekül rhGDF-5

Der Durchbruch gelang, nachdem die Wissen-schaftler den humanen Wachstums- und Diffe-renzierungsfaktor mit der Bezeichnung rhGDF-5 (Abkürzung für recombinant human Growth/ Differentiation Factor 5) entdeckt hatten und ihn gentechnisch herstellen konnten. „Dieser Faktor hat sich als omnipotent herausgestellt“, sagt Paulista: „Er regt die körpereigene Regenerations-fähigkeit wieder an und steigt dann aus, ohne zu wuchern. Er wirkt wie ein Katalysator.“ BIOPHARM besitzt inzwischen den kompletten Drug Master File, der umfassende präklinische Informationen inklusive toxikologischer Daten enthält. Der DMF ist bei der US-amerikanischen Zulassungsbehör-de FDA und den europäischen Gesundheitsbehör-den eingereicht. An Weiterentwicklungen von Proteintherapeutika ist das Unternehmen durch Lizenzen, Meilensteinzahlungen und Royalties beteiligt.

BIOPHARM hat früh in die Erforschung humaner Wachstumsfaktoren investiert. Mit der Entdeckung der vollständigen Sequenz des Faktors rhGDF-5 gelang dem Unternehmen im Jahr 1993 der Durchbruch. Das Darmbakterium Escherichia coli war hierbei jahrzehntelang aus der biotechnologischen Forschung nicht wegzudenken.

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Auch die Analyse von Arzneimitteln und Wirkstoffen im Kundenauftrag ist ein wichtiges Standbein von BIOPHARM.

Der erste große Deal mit dem international patentierten Protein glückte Paulista Anfang der 90er-Jahre mit Hoechst, Japan. Zünftig, per Hand-schlag, besiegelten der damalige Hoechst-Direktor, Dr. Thomas Hofstätter, und der BIOPHARM-Gründer ihre Übereinkunft auf dem Frankfurter Flughafen. In einer, wie Paulista sagt, „supermodernen Anla-ge“ im japanischen Kawagoe wurde das Protein gentechnisch hergestellt. Doch aus Hoechst wurde bald Hoechst Marion Roussel, und dessen neuen Forschungsleiter interessierten rekombinante Moleküle nicht. Der Konzern wollte sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Zurück blieb die umfangreiche Dokumentation der Entwicklung, die jetzt in dem Archiv des Urhebers lagert.

Forschung zur abwehr von Krebszellen

Lizenznehmer von rhGDF-5 bei orthopädischen Ap-plikationen ist heute DePuy Spine Inc., eine Tochter der Johnson & Johnson-Gruppe. Im Jahr 2001 erhielt die Münchner Scil Technology GmbH die Lizenz für den Einsatz bei der Mund-, Kiefer- und Gesichts-chirurgie. Die klinischen Studien sind für beide Anwendungsbereiche vielversprechend verlaufen. Neben ihrem Hauptprotein forscht die BIOPHARM an weiteren aussichtsreichen Substanzen, wie zum

Beispiel Antikörpern, die zur Immunabwehr von Krebszellen entwickelt werden.

Das zweite Standbein des Unternehmens bilden Dienstleistungen wie die Analysen von Wirkstoffen und Arzneimitteln für die Industrie, die sowohl der Qualitätssicherung als auch der Dokumentation die-nen. Zu den Kunden zählen namhafte Pharmafirmen aus der Rhein-Neckar-Region sowie Biotechnologie-unternehmen deutschlandweit. Außerdem werden Entwicklungsdienstleistungen von Biosimilars sowie Zelllinien und deren Charakterisierung angeboten. Hier hat BIOPHARM bereits mehrere Produkte erfolgreich entwickelt. Heute beschäftigt das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Heidelberg rund 35 überwiegend akademisch ausgebildete Mitarbeiter.

Für die Zukunft hat der Gründer weitere große Pläne. In seinem Büro steht das Architekturmodell eines modernen Produktions- und Verwaltungsge-bäudes. Die Früchte seines Schaffens will Paulista, wenn alles gut läuft, in eine Stiftung überführen, die sich in den für ihn wichtigen Bereichen Bildung, Kultur und Soziales engagiert. Dann wären alle Seg-mente der BIOPHARM und damit das Lebenswerk des Biotechnologen aus Leidenschaft unter einem neuen Dach vereint.

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ScheBo Biotech aG

20 Jahre privat und geschäftlich ein Paar

Forschen allein machte Ursula Scheefers-Borchel und Hans Scheefers nicht glücklich – sie wollten die Ergebnisse auch in die Praxis umsetzen. Ein Resultat ist der ELISA-Test, der es ermöglicht, BSE-Risikomaterial in Fleischwaren zu erkennen.

Seit dem Studium sind Ursula Scheefers-Borchel und Hans Scheefers zusammen und seit 20 Jah-ren auch geschäftlich ein Paar. 1989 gründe-

ten die promovierte Molekularbiologin und der promovierte Biochemiker die ScheBo Biotech AG in Gießen. Die Firmierung, ein Akronym ihrer Nachna-men, unterstreicht diese Verbundenheit. Seitdem haben sich viele, nicht nur private Wünsche des Gründerpaares erfüllt: Ihr auf In-vitro-Diagnostika spezialisiertes Unternehmen führt den Weltmarkt im Nachweis von Bauchspeicheldrüsenerkran-

kungen an. Ergänzt wird das Portfolio durch die Herstellung eigener Wirkstoffe. Kennengelernt hatten sich die Lebensgefährten an der Universität Köln. Noch während ihres Studiums heirateten sie und siedelten nach erfolgreichem Abschluss gemeinsam in die USA über. Ein Gastprofessor hatte dem Paar am Cell Research Institute der Texas University in Austin Projektleiterstellen angebo-ten. So kam ihr Sohn in den USA zur Welt. Doch obwohl sich die junge Familie dort wohlfühlte, zog es sie nach zweieinhalb Jahren wieder zurück

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nach Deutschland. In Gießen fanden beide Wissen-schaftler neue Aufgaben als Gruppenleiter – in einer klinischen Forschungsgruppe der Max-Planck-Ge-sellschaft.

Unten das labor, oben die Familie

Hier reifte auch ihr Wunsch, selbst ein Unterneh-men zu gründen. „Die Arbeit am Institut war zwar sehr interessant, aber letztlich konnten wir relativ wenig umsetzen“, sagt Scheefers-Borchel. Sie er-fuhren von dem Programm „Förderung technolo-gieorientierter Unternehmensgründungen“ (TOU) des Bundesforschungsministeriums und bewarben sich mit einem Schwerpunktprojekt. Ihr Antrag hatte Erfolg und brachte ihnen eine Fördersumme von insgesamt 900.000 D-Mark.

Dieses Startkapital reichte, um mit zusätzlichem hohen Eigenanteil im Untergeschoss ihres Hauses die Labore einzurichten und mit der Entwicklung ihres ersten Tests beginnen zu können. „Vieles ha-ben wir selber gemacht“, sagt Scheefers-Borchel. So-gar die Wände wurden von ihnen selber gekachelt. Die obere Etage blieb Wohntrakt für die inzwischen vierköpfige Familie plus – das wird betont – einem Hund. „Wir haben klein angefangen und hart gearbeitet, finanziell zunächst immer am äußersten Limit“, sagt Scheefers-Borchel. Gewinne wurden allesamt reinvestiert. So ist ScheBo aus eigener Kraft kontinuierlich gewachsen. Heute beschäftigt das mit einer weiteren Mitarbeiterin gestartete Unter-nehmen rund 35 Fachkräfte.

„Zuerst haben wir ausschließlich Forschung und Entwicklung betrieben und gedacht, den Vertrieb übernimmt später eine große Firma“, sagt Scheefers-Borchel. Doch es stellte sich als schwierig heraus, Interessenten für diese Aufgabe zu finden. Viele Gespräche, die sie mit weltweit tätigen Diagnostik-firmen geführt hatten, blieben ergebnislos, und der einzige Interessent sprang kurzfristig ab. Die Grün-der zogen daraus die Konsequenz und taten den nächsten Schritt nach vorn: „Nun machen wir alles selbst“, waren die Worte, mit denen sie sich damals gegenseitig anspornten. Jetzt galt es, sich zusätzlich in die komplexe Materie des Vertriebs einzuarbeiten und ein tragendes Netzwerk für die Logistik aufzu-bauen. „Im Nachhinein war das die richtige Entschei-dung“, sagt die Unternehmerin. Inzwischen unter-hält ScheBo Tochtergesellschaften in England und den USA und kooperiert weltweit mit Distributoren.

Krebszellen mit Zellausläufern auf der Oberfläche der Darminnen-wand. Zur Früherkennung von Darmkrebs präsentierte ScheBo im Jahr 2003 einen Test, der herkömmlichen Diagnoseverfahren deutlich überlegen war.

Maßgeblich für den Durchbruch war die Ent-wicklung des ersten nicht invasiven Tests zur Überprüfung der Bauchspeicheldrüsenfunktion, den ScheBo 1993 auf den Markt bringt. Für Patien-ten entfällt seitdem die unangenehme Untersu-chung mit der Sonde, bei dem der Patient einen Schlauch schlucken muss. Der Test beruht auf zwei monoklonalen Antikörpern. Prüfstoff ist das Eiweiß spaltende Verdauungsenzym Elastase, das über die Bauchspeicheldrüse gebildet wird und im Stuhl

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nachgewiesen werden kann. Das zuverlässige und vergleichsweise günstige Diagnostikverfahren wurde auch von der amerikanischen Zulassungsbe-hörde anerkannt und hat sich international durch-gesetzt. In der medizinischen Fachliteratur wird es als Goldstandard beschrieben. Das schlug sich auch in der Bilanz der ScheBo positiv nieder.

Der Firmensitz von ScheBo in Gießen. Anfangs haben die beiden Firmengründer die Räume noch selber renoviert. Mittlerweile gibt es Tochtergesell-schaften im Vereinigten Königreich und in den USA.

1998 folgte die Markteinführung eines ebenfalls stoffwechselbasierten Tests, durch den sich alle Krebsarten anhand ihres jeweils typischen meta-bolischen Zustands erkennen lassen. Er gibt gleich-zeitig Auskunft über die Aktivität und Aggressivität der möglichen Tumore. Weitere fünf Jahre später kann ScheBo einen innovativen Test zur Darmkrebs-früherkennung präsentieren. Auch er erweist sich im Vergleich zu den damals gängigen Diagnose-verfahren als überlegen. Parallel entwickelt das Unternehmen neuartige Antikrebsstoffe, für die bereits vielversprechende präklinische Ergebnisse vorliegen.

Ein weiterer Meilenstein liegt in der Entwick-lung eines Testverfahrens, das Risikomaterial in Fleischprodukten, wie beispielsweise Hirn- und Rückenmark, erkennt und damit Konsumenten vor

BSE schützt. Diesen Test führt ScheBo, inzwischen mit Dr. René Kröger im Vorstand ergänzt, erstmals im Jahr 2000 als Western-Blot- und 2004 als ver-feinerten ELISA-Test ein.

Das selbst geflieste Untergeschoss des Wohn-hauses wurde für das expandierende Unternehmen, das bereits nach vier Jahren schwarze Zahlen schreiben konnte, schnell zu klein. Auch die Zwi-schenstation in der ehemaligen Zigarrenfabrik „Rinn & Cloos“, wo über mehrere Jahre eine Etage nach der anderen angemietet wurde, bot am Ende zu wenig Platz. 1999 wurde eine umgebaute ehe-malige Kaserne bezogen. Dort steht nun mit rund 2.000 Quadratmetern genügend Fläche für Produk-tion, Lager und Kühlräume zur Verfügung.

Dass sie als Unternehmerpaar für die Branche etwas Besonderes darstellen, ist Scheefers-Borchel durchaus bewusst. Für sie ist es ein Gewinn, privat und geschäftlich miteinander verbunden zu sein. „Es klappte und klappt dadurch, dass wir uns lieben und gleichzeitig die gleichen Sorgen und Nöte, aber auch Freuden teilen. Wir haben ein gemeinsames Grundverständnis.“ Und gerade darin liegt vermut-lich das Geheimnis dieser Erfolgsgeschichte.

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„Es hapert bei der Entwicklung marktfähiger Produkte“

Peer Schatz über den Erfolg von QIaGEn und das Potenzial der jungen deutschen Biotechnologiebranche

Peer Schatz ist Vorstandsvorsitzender von Qiagen, einem weltweit führenden Biotechno-logieunternehmen. unter seiner leitung stei-gerte das unternehmen, dem 3.100 Mitarbeiter angehören, seinen umsatz auf fast 900 Millio-nen us-dollar. schatz hat Qiagen als erste deutsche Firma an die nasdaQ gebracht und ist Mitglied der regierungskommission corpo-rate governance index.

QIAGEN ist mit Abstand das größte Biotechnolo-gieunternehmen Deutschlands. Wie fühlen Sie sich in dieser Position: einsam oder spitze?

Peer Schatz: Mir persönlich fällt es schwer, mich mit einem dieser Begriffe zu identifizieren.

Sicherlich, gemessen am kommerziellen Erfolg hat QIAGEN hierzulande eine Ausnahmestellung. Das führt dazu, dass wir häufig als Beispiel für das enorme Potenzial der Biotechnologie als Leitindus-trie des 21. Jahrhunderts herangezogen werden. Gleichwohl existieren in Deutschland auch andere, hoch innovative Biotechnologieunternehmen, die in ihren Segmenten zur internationalen Spitze zählen. Einsam fühlen wir uns also mit Sicherheit nicht. Was fehlt, ist häufig nur die kritische Masse von Unternehmen, die international schlagkräftig auftreten und die eigenen Produkte vermarkten können. Womit ein weiterer Aspekt angesprochen wäre: Die Märkte in der Biotechnologie sind global, allein nationaler Champion zu sein hilft nicht weiter. Der Maßstab, an dem wir uns messen lassen wollen, ist daher global.

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Was sind die Gründe dafür, dass es nur eine QIAGEN in Deutschland gibt?

Schatz: Entscheidend dürfte aus meiner Sicht sein, dass wir uns hierzulande so schwer mit der Vermarktung von Innovationen tun. Deutschland genießt als Wissens- und Forschungsstandort einen

exzellenten Ruf, doch wenn es um die Umsetzung der Erkenntnisse aus der Basisforschung in markt-fähige Produkte geht, hapert es häufig. Hier über-lassen wir den Vortritt nur allzu häufig externen Akteuren. Sie müssen sich lediglich Beispiele wie die Übernahme von Coley durch Pfizer zur Stärkung der eigenen Impfstoffforschung und der RNAi-Ent-wicklung oder von Direvo durch Bayer-Schering anschauen. Um dies zu ändern, brauchen wir nicht zwingend mehr, sondern wie erwähnt schlagkräf-tigere Einheiten. Wer diese Forderung ernst nimmt, muss aber darüber diskutieren, ob die bisherigen Förderstrukturen nach dem „Gießkannenprinzip“ hierzu geeignet sind.

„Es ist fraglich, ob die Förderung nach dem Gießkannenprinzip geeignet ist, schlag-kräftige Unternehmen hervorzubringen.“

Die Biotechnologie ist eine noch relativ junge Branche. Rechnen Sie damit, dass sie sich mit zu-nehmender Reife so ausbilden wird wie andere Wirtschaftszweige auch – mit wenigen Markt-führern, gefolgt von einem Pulk aus kleinen und mittleren Unternehmen?

Schatz: Diese Struktur sehe ich auf internatio-naler Ebene im Prinzip bereits schon heute. Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die in einzel-nen Bereichen zu den Marktführern zählen und wie QIAGEN weltweit Standards setzen. Ich denke auch, dass der Trend hin zu größeren Einheiten und die

Konsolidierung des Marktes noch weiter anhalten werden. Ebenso bin ich aber davon überzeugt, dass der Markt für weitere, neue Anbieter durchlässig bleiben wird. Die Markteintrittsbarrieren sind in der Biotechnologie längst nicht so hoch wie in anderen Industrien. Mit einer guten Idee und genug Kapital im Rücken werden neue Anbieter sich auch in Zu-kunft erfolgreich ihren Weg bahnen können. Dafür müssen wir aber auch die entsprechenden Voraus-setzungen schaffen, zum Beispiel steuerlicher Art.

Wie ist QIAGEN groß geworden?

Schatz: Die Grundlage war auch bei QIAGEN die Erfindung einer hochinnovativen Technologie, mit der die Arbeitsabläufe in der Molekularbiologie nachhaltig verändert wurden. Eine gute Idee allein reicht aber nicht aus, um nachhaltig erfolgreich zu sein. So kam bei QIAGEN bereits sehr früh der Fokus auf die Vermarktung dieser Erfindung dazu. Die entscheidende Weichenstellung für unsere Entwicklung war aber der Börsengang 1996, mit dem wir Zugang zu internationalem Kapital und die notwendigen Ressourcen für den internationalen Ausbau unseres Geschäfts erhalten haben. Hinzu kommen eine sehr klare Strategie und die Fokussie-rung auf unsere Kernkompetenzen im Bereich der Probenvorbereitungs- und Testtechnologien, die uns entscheidende Vorteile im Wettbewerb bringt.

Was hat von den Visionen der QIAGEN-Gründer bis heute Bestand? Musste möglicherweise etwas als Ballast abgeworfen werden oder hat sich als Irrtum herausgestellt?

Schatz: Die heutige QIAGEN hat nur noch wenig mit dem ursprünglichen Plan zu tun. Dieser hätte es uns nicht erlaubt, die heutige Größe zu erreichen. Aber es zeichnet ein Unternehmen gerade oft aus, wenn es sich wandeln kann. So haben wir im Laufe der Zeit die Strategie ausgebaut und unseren Fokus auf die Proben- und Testtechnologien definiert, wodurch wir erfolgreich neue Marktsegmente wie die molekulare Diagnostik erschließen konnten. Auf der anderen Seite hat QIAGEN von Anfang an die Vision verfolgt, mit den eigenen Produkten letztlich einen Beitrag zur Verbesserung der menschlichen Lebensqualität zu leisten. Diese Idee ist heute aktueller denn je, egal ob wir über die molekulare Diagnostik, unseren Beitrag in der pharmazeutischen und der Lifescience-Forschung oder bei angewandten Testverfahren wie Forensik

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oder Lebensmittelkontrolle sprechen. Auch viele andere Entscheidungen wie zum Beispiel der Ver-trieb unserer Produkte als gebrauchsfertige Kits, das klare Bekenntnis zum Standort Deutschland und die frühzeitige Internationalisierung des Unterneh-mens haben sich als goldrichtig erwiesen.

Wie präsent sind Metin Coplan, Karsten Henco, Detlev Riesner und Jürgen Schumacher heute noch bei QIAGEN? Gibt es so etwas wie einen von den vier Gründern geprägten Spirit?

Schatz: Auch wenn keiner der Gründer mehr in das operative Geschäft eingebunden ist, sind sie noch auf die eine oder andere Weise mit dem Unternehmen verbunden. So ist Prof. Riesner Auf-sichtsratsvorsitzender. Alle Gründer werden von den Mitarbeitern für ihre Arbeit geachtet. In den letzten 25 Jahren und speziell seit dem Börsengang hat QIAGEN allerdings eine rasante Entwicklung durchgemacht. Wir sind heute ein internationales, dynamisches Unternehmen, in dem selbstverständ-lich ganz andere Strukturen als noch vor einigen Jahren vorherrschen. Dies wirkt sich auch auf die Unternehmenskultur aus.

Für dieses Jahr haben Sie angekündigt, die Milli-arden-Dollar-Grenze übersteigen zu wollen. Ist dieses Umsatzziel noch realistisch?

Schatz: Wir wollen mittelfristig jährlich 10 Pro-zent und mehr beim Umsatz zulegen. Diesen Wert haben wir in den vergangenen Jahren durch sehr starkes organisches Wachstum, aber auch kataly-tische Akquisitionen im Schnitt deutlich übertrof-fen. Auf dieser Grundlage hatten wir bereits im ver-gangenen Jahr das Ziel formuliert, unter konstanter Wechselkursbetrachtung in 2009 die Umsatzmil-liarde zu erreichen. Dazu stehen wir nach wie vor. Auf Basis konstanter Wechselkurse rechnen wir für 2009 mit einem Umsatzanstieg in Höhe von 11 bis 16 Prozent auf bis zu 1,04 Milliarden Dollar.

Gilt das trotz der Finanzkrise?

Schatz: Absolut. Im Vergleich zu anderen Unternehmen ist QIAGEN nicht so stark von der Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen. Dies hat mehrere Gründe. Einer der wichtigsten Faktoren ist sicherlich, dass wir uns großteils in defensiven Märkten bewegen. In Bereichen wie der Diagnostik und Forschung werden Budgetentscheidungen

langfristig getroffen. Auch in der aktuellen Situati-on werden Krankenhäuser oder Polizeilabore nicht damit aufhören, Patientenproben oder Tatort-spuren zu untersuchen. In manchen Bereichen wie der Lifescience-Forschung sehen wir sogar positive Tendenzen. Die US-Regierung hat erst kürzlich eine massive und nachhaltige Erhöhung der Ausgaben im Forschungsbereich beschlossen, dazu kommen kurzfristig Mittel aus dem bereits verabschiedeten Stimuluspaket. Lediglich im Bereich der Wirkstoff-

forschung bei Pharmaunternehmen entwickelt sich der Markt aktuell schwächer, dieser steht aber nur für einen kleinen Teil unserer Umsätze. Weitere Faktoren, die QIAGENs Wachstum stützen, sind un-sere Ausnahmestellung als weltweiter, unverzicht-barer Standard in molekularbiologischen Laboren und die vergleichsweise niedrigen Penetrationsra-ten in unseren Zielmärkten. Schauen Sie sich hier als ein Beispiel nur die HPV-Diagnostik an, in der wir ei-nen großen Anteil unserer Umsätze erwirtschaften. In den USA als wichtigstem Markt liegt der Penetra-tionsgrad bei rund 30 Prozent. Es gibt also hier wie in anderen Märkten noch viel Potenzial nach oben.

„Die Biotechnologie ist die Leitindustrie des 21. Jahrhunderts. Die spannendsten Zeiten liegen noch vor uns.“

Mit der Übernahme Ihres vormals amerikani-schen Konkurrenten Digene sind Sie jetzt auch Weltmarktführer in dem Segment der Moleku-lardiagnostik. Hier sind Sie ganz oben angekom-men. Wo wollen Sie noch hin?

Schatz: Die Übernahme von Digene in 2007 war ein großer Schritt vorwärts bei dem Ausbau unserer Aktivitäten im Bereich der molekularen Diagnos-tik. Seitdem ist die Entwicklung aber nicht stehen geblieben. Wir haben kontinuierlich sowohl unser Produktportfolio als auch unsere Technologiebasis erweitert, sodass wir unseren Kunden komplette

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automatisierte Lösungen von der Probe zum finalen Ergebnis anbieten können. Das Testportfolio und die Auswahl an passenden Detektionstechnologien dürften in der Breite ihresgleichen in der Industrie suchen. Darauf wollen und können wir uns aber nicht ausruhen. Für die Zukunft sehe ich im Bereich der molekularen Diagnostik zum Beispiel großes Potenzial im Bereich der personalisierten Medizin, also der Individualisierung von Therapien in Ab-hängigkeit von der genetischen Ausstattung der Patienten. Ebenso glaube ich, dass molekulare Test-verfahren langfristig näher an den Patienten rücken werden und die Palette klinischer Anwendungen zunehmend breiter wird. Auch in Bereichen wie den angewandten Testverfahren werden neue Anwendungen entstehen, die heute zum Teil noch nicht abzusehen sind. Allgemein betrachtet stehen für QIAGEN die weitere geografische Expansion sowie der Ausbau unseres Geschäfts in bestehenden Märkten weiter im Vordergrund.

An die Adresse der Finanzpolitik gewandt haben Sie im Interview mit dem Handelsblatt formu-liert: „Wenn ich vorhätte, eine neue Biotechno-logiefirma auf die Beine zu stellen, würde ich sehr intensiv darüber nachdenken, ob ich das in Deutschland täte.“ Haben Sie sich mit diesem hypothetischen Fall weiter beschäftigt? Gilt Ihre Einschätzung noch? Was muss sich ändern, damit Sie Gründern uneingeschränkt empfeh-len können, ihr Unternehmen in Deutschland zu starten?

Schatz: Wenn es um Standortdebatten geht, bin ich grundsätzlich kein Freund von Diskussionen um Nachkommastellen bei Steuersätzen. Ich glaube auch, dass Deutschland und speziell auch NRW für QIAGEN grundsätzlich gute Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum bieten. Mit der Ankündi-gung zum weiteren Ausbau unserer operativen Zentrale in Hilden haben wir hier ein klares Be-kenntnis abgegeben. QIAGEN unterscheidet sich aber deutlich von Start-ups, die zum Teil jahrelang keine marktfähigen Produkte im Markt, dafür aber einen großen Kapitalbedarf haben. Solche Unter-nehmen werden durch die aktuellen steuerlichen Regelungen massiv benachteiligt, die veränderten Regeln für den Verlustvortrag kommen einer Strafsteuer auf Innovationen gleich. Die Finanzkri-se tut ihr Übriges, um die Suche nach Investoren

für solche Unternehmen zu erschweren. Hier muss die Politik entgegensteuern, wenn sie die weitere Entwicklung von Biotechnologie in Deutschland unterstützen will. Wir brauchen in Deutschland keine teuren Rettungspakete für Biotechnologie-unternehmen, sondern schlichtweg die Erkenntnis, dass Investitionen in Forschung und Innovation absolut zentral für den langfristigen Erhalt unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und des gesellschaftlichen Wohlstands sind. Schließlich müssen wir mehr für die gesellschaftliche Akzep-tanz neuer Technologien werben. Denn bislang wird die öffentliche Debatte allzu häufig von der Ri-sikobetrachtung dominiert – die Chancen geraten so leicht in den Hintergrund.

Was würden Sie allgemein Gründern der Bran-che raten? Möchten und können Sie ihnen Mut machen?

Schatz: Selbstverständlich. Die Biotechnolo-gie ist die Querschnitts- und Leitindustrie des 21. Jahrhunderts. In vielen Bereichen stehen wir am Anfang, und die spannendsten Zeiten liegen noch vor uns. Ich sehe hier nicht nur für QIAGEN, sondern auch für andere Unternehmen enorme Chancen. Persönlich könnte ich mir kein interessanteres und zugleich befriedigenderes Betätigungsfeld vorstel-len. Gerade als Unternehmer sollte man aber einen langen Atem und die Fähigkeit mitbringen, mit Widerständen und unvorhergesehenen Herausfor-derungen fertig zu werden.

Wo wird und wo sollte die Biotechnologie in Deutschland am Ende des kommenden Jahr-zehnts stehen?

Schatz: Die Biotechnologie ist bereits jetzt aus vielen Bereichen des Alltags nicht mehr wegzuden-ken. Ich bin überzeugt, dass ihre Bedeutung sowohl in dieser Hinsicht als auch als Beschäftigungs- und Wirtschaftsfaktor weiter zunehmen wird. Im inter-nationalen Vergleich hängt vieles davon ab, wie gut es uns gelingt, Forschung, Innovationen und Neugründungen in diesem Bereich zu fördern. In ei-nigen Bereichen wie der Diagnostik zählt Deutsch-land bereits zur weltweiten Spitze. Ich hoffe und wünsche mir, dass wir nicht nur diese Position hal-ten, sondern diese ausbauen und auch in anderen Bereichen Führungspositionen erreichen können.

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Mikrogen GmbH

Erfolg durch serologische Testsysteme

Erwin Soutschek (links) und Manfred Motz haben auf den Verkauf von Firmenanteilen bislang verzichtet. Die Maxime der beiden Mikrogen-Gründer lautet: Was das Unternehmen ausgibt, muss es zuvor eingenommen haben.

Vor 20 Jahren starteten Manfred Motz und Erwin Soutschek ihr Spin-off der Ludwig-Ma-ximilians-Universität in München. 30 Jahre

waren die beiden Postdocs damals alt. Aus dem „Think small“-Unternehmen, zu dem eine weitere Mitarbeiterin gehörte und in dem die Labormöbel noch selbst zusammengebaut wurden, ist inzwi-schen ein stattlicher Betrieb mit rund 120 Beschäf-tigten geworden. Der Durchbruch gelang 1991 zwei Jahre nach der Gründung mit der Entwicklung eines Tests zum Nachweis der durch Zeckenbisse über-

tragenen Borreliose. Ausgangspunkt dieser Erfolgs-geschichte war die Idee, Testverfahren mithilfe von speziell hergestellten Antigenen zu verfeinern und zu beschleunigen. Konzentriert hatten sich die bei-den promovierten Molekularbiologen zunächst auf den Nachweis von HIV-Erregern. Eine Million D-Mark benötigten sie 1989 als Startkapital. Drei Viertel da-von stellte das heutige BMBF im Rahmen des Förder-programms TOU (Technologieorientierte Unterneh-mungsgründung) zur Verfügung. Den Rest mussten sie selbst aufbringen. „Mit dem Salär eines wissen-

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schaftlichen Mitarbeiters war das kaum machbar“, sagt Soutschek. Also halfen die Familien, Freunde, Professoren und Bekannte. So wichtig diese finanzi-elle und vor allem auch moralische Unterstützung aus dem privaten Umfeld war, ohne die Anschubfi-nanzierung des Bundesministeriums würde sich die Geschichte der Mikrogen GmbH heute anders lesen, darin sind sich beide Gründer einig.

Auf fremdes Kapital in Form von Firmenbeteili-gungen konnten und wollten die Geschäftsführer bis heute verzichten. „Wir haben immer nur so viel ausgegeben, wie wir an Einnahmen erzielten“, sagt Soutschek. „Für uns stand die Frage im Vorder-grund: Was können wir verkaufen?“ Dass sie sofort anfingen, betriebswirtschaftlich zu denken und auf kontinuierliches Wachstum zu setzen, sei nicht zuletzt ein Verdienst der mit dem Förderprogramm verbundenen Beratung gewesen.

Der erste Besprechungstisch war von IKEa

Bereits 1991, zwei Jahre nach ihrem Start, gelang es Soutschek und Motz, schwarze Zahlen zu schreiben. Ihren eigenen Lebensunterhalt trug das Haupt-geschäftsfeld ihres Unternehmens zu dieser Zeit allerdings noch nicht. Durch Dienstleistungen wie das Reinigen von Genen und die Beratung von Forschungsgruppen konnte die anfängliche

Durststrecke überwunden werden. „Unseren ersten Besprechungstisch hatten wir bei IKEA gekauft“, sagt Motz über ihre bescheidenen Ansprüche als Pioniere der erst aufkeimenden Biotechnologie-branche in Deutschland.

Mikrogen konnte zwar einen optimierten HIV-Test entwickeln, aber neue strengere Regularien verhinderten die Zulassung. Das dabei gewonnene Know-how konnte das Unternehmen aber für die Entwicklung weiterer serologischer Testsysteme nutzen, bei denen die Zulassung problemlos erfolgte. Einsatz fanden diese neuen Verfahren in medizinischen Labors zur Diagnose von Autoim-munerkrankungen und Infektionskrankheiten, die durch Bakterien oder Viren verursacht werden. Bei ihren Testverfahren wird das Patientenserum mit dem Teststreifen, auf denen Antigene des nach-zuweisenden Erregers aufgetragen sind, zusam-mengebracht. Befinden sich spezifische Antikörper gegen diesen Erreger in dem Serum, dann binden sich diese an die Antigene und werden anschlie-ßend sichtbar gemacht.

Mit einem Test zum Nachweis von Borreliose gelang Mikrogen Anfang der 1990er-Jahre der Durchbruch.

Der Vorteil: Die Antigene lassen sich mit moleku-larbiologischen Methoden vergleichsweise einfach und kostengünstig herstellen. Das ist besonders wichtig bei Antigenen von Erregern, die sich nur schwer anzüchten oder reinigen lassen wie bei-

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spielsweise bei dem Verursacher des Pfeiffer’schen Drüsenfiebers, dem Epstein-Barr-Virus. Außerdem werden Kreuzreaktionen, wie sie sonst bei der Untersuchung von Bakterienpräparaten oder anderen komplexen Antigengemischen auftreten können, vermieden. Das erhöht die Präzision, und fehlerhafte Diagnosen sind so gut wie ausgeschlos-sen. Sogar Rückschlüsse auf den Zeitpunkt einer Infizierung sind durch diese Tests möglich. Gerade bei schwangeren Patientinnen kann dieses Wissen entscheidend für die Behandlungsstrategie sein.

Um Antigene in hoher Qualität gewinnen zu können, werden die einzelnen Reinigungsschritte sorgfältig analysiert.

1991 war nicht nur der wirtschaftliche Durch-bruch des Unternehmens. Ein weiterer Meilen-stein lag in diesem Jahr in der Entwicklung ihres Western-Blot-Tests zum Nachweis von Borreliose. Das durch Zecken übertragene Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht diese Infektionskrankheit, die sich im gesamten Körper manifestieren kann. Das Portfolio wuchs seitdem ständig unter anderem durch Testverfahren zum Nachweis des Parvo-Virus, des Verursachers der Ringelröteln. Ebenfalls nach-gewiesen werden können dank der Forschungsan-strengungen von Mikrogen das Bakterium Helico-bacter pylori, das zu Magenkrebs führen kann, und das Hepatitis-C-Virus. Im Schnitt bringt das Unter-nehmen ein neues Produkt pro Jahr auf den Markt und erzielt damit inzwischen einen Jahresumsatz von rund 10 Millionen Euro. Ungefähr ein Drittel

davon wird durch den Verkauf an Partner innerhalb der EU realisiert. Weitere Märkte finden sich in den USA, Japan und China. Darüber hinaus betreibt Mikrogen die Entwicklung mehrerer Testformate mit Unterstützung von BMBF-Förderprojekten. Es handelt sich dabei um sogenannte „Biochips“, die eine parallele Detektion einer Vielzahl von Antikör-pern in einem Testansatz erlauben.

Mit dem Wachstum gewachsen

Dass sie frühzeitig ihren Vertrieb selbst übernom-men haben, sieht Motz in der Rückschau als großen Vorteil an. Im direkten Kontakt zu den Kunden hät-ten sie vor Ort erfahren, was dort benötigt wird. Den meisten Wissenschaftlern können sie diese Erfah-rung heute nicht mehr bieten. „In einer Organisa-tion von über 100 Mitarbeitern sind klare Strukturen notwendig“, sagt Motz. Auch die Chefs selbst hätten erst lernen müssen, aus einer kleinen forschungs-orientierten Firma ein mittelständisches Unterneh-men zu gestalten, dessen Schwerpunkt jetzt bei Produktion und Vertrieb liegt. Umso wichtiger sei es, dass intern alle an einem Strang ziehen. Durch die von ihnen gepflegte flache Hierarchie schaffen sie das Gefühl von einer großen Familie. Auch das Verhältnis zwischen den beiden Geschäftsführern wirkt äußerst harmonisch – und es hält schließlich seit 20 Jahren.

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Miltenyi Biotec GmbH

Mit MACS MicroBeads den Weltmarkt markiert

Miltenyi verfügt über Zweigstellen in zwölf Ländern. Hauptsitz des Unternehmens ist aber nach wie vor das beschauliche Bergisch Gladbach.

Fast wie aus dem Bilderbuch beginnt die Erfolgsgeschichte des Weltmarktführers im Bereich der magnetischen Zellseparation.

Erzählt wird sie von Professor Uwe Heinlein, Leiter der Unternehmenskommunikation der Miltenyi Biotec GmbH, die 1989 von Stefan Miltenyi in Ber-gisch Gladbach gegründet wurde. Buchstäblich in der Garage hatte der Gründer angefangen, seine Erfindung zu vermarkten. Im Nebengebäude seines Elternhauses gelang es ihm, eine Methode markt-reif zu entwickeln, durch die sich Zellen kennzeich-

nen und magnetisch voneinander trennen lassen. Heute führt Miltenyi damit den Weltmarkt an. Den Auftrag, eine möglichst einfache und effizi-ente Technologie für die Isolierung von Zellen zu suchen, hatte der junge Physiker während seines Studiums erhalten. Unterstützt wurde er dabei von seinem Mentor am Kölner Institut für Genetik, Pro-fessor Andreas Radbruch, der heute das Deutsche Rheumaforschungszentrum Berlin (DRFZ) leitet. Miltenyis Erfindung beruht auf sogenannten Micro-Beads. Das sind Nanopartikel, die aus Eisenoxid und

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Polysacchariden bestehen, an die sich Antikörper koppeln lassen. Die Wahl der eingesetzten Anti-körper richtet sich nach den gesuchten Zielmole-külen, an die sie nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip andocken. Beim Fließen des Zellprobengemisches durch eine Säule, die von einem starken Magnetfeld umgeben ist, werden die mit den MicroBeads mar-kierten Zellen zurückgehalten. Die magnetisierten Zellen können so leicht von den unmarkierten Zellen separiert werden. Zusätzlich bietet das Un-ternehmen kompakte technische Geräte an, die das Zellgemisch automatisch trennen und die Zielzellen gleichzeitig analysieren. „Die Isolierung lässt sich damit innerhalb von nur 20 Minuten durchführen. Die Zellen liegen anschließend in einer Reinheit von bis zu 99 Prozent vor“, erklärt Heinlein die Vorzüge des Miltenyi-Systems.

Mit der von Miltenyi entwickelten Technologie lassen sich Zellen in einer nahezu hundertprozentigen Reinheit isolieren.

In wenigen Monaten bis zur Marktreife

Diese als MACS (Magnetic Cell Separation) bezeich-nete Technologie bildet das Kerngeschäft des Unter-nehmens. Um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent ist die seit 20 Jahren erfolgsgewohnte GmbH jährlich gewachsen. Der Jahresumsatz beträgt inzwischen mehr als 100 Millionen US-Dollar und wird über-wiegend durch Auslandsgeschäfte, vor allem mit

den USA, erzielt. Die Kunden sind zumeist Kliniken, Laborärzte und Forschungseinrichtungen. Für den Service und Vertrieb unterhält Miltenyi Biotec insge-samt ein Dutzend Zweigstellen weltweit, darunter die USA, Japan, Australien und China. Derzeit beschäf-tigt das Unternehmen rund 1.100 Fachkräfte. Knapp die Hälfte der größtenteils akademisch ausgebildeten Angestellten arbeitet in Bergisch Gladbach. Ihre zweitgrößte Produktionsstätte unterhält Miltenyi Biotec an ihrem Standort in Mecklenburg-Vorpom-mern. Das Werk in Teterow produziert Biochemika-lien und pharmazeutische Erzeugnisse nach Good Manufacturing Practice, dem höchsten internatio-nalen Qualitätsstandard für Medizinprodukte.

Zur Philosophie des Unternehmens gehört, dass alles „inhouse“ durchgeführt wird. „Von der Idee bis zum Produkt, von Forschern für Forscher“, sagt der Kommunikationschef. Derzeit hat Miltenyi Biotec ungefähr 1.400 Produkte am Markt. Allein von den für das Analyseverfahren benötigten Säulen werden jeden Tag durchschnittlich 15.000 Stück produ-ziert. In der Regel gelingt es den Projektteams, ihre medizintechnischen Neuentwicklungen innerhalb von wenigen Monaten bis zur Marktreife zu führen. Trotzdem bevorzugt das Management, wie Heinlein sagt, „eher die leisen Töne“.

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Von den Anwendern werden die separierten Zellen therapeutisch und zur Erforschung von Krankheiten, speziell des Immunsystems, genutzt. Hämatologen setzen die so gewonnenen adulten Stammzellen beispielsweise zur Geweberegenera-tion nach einem Herzinfarkt ein. Onkologen nutzen sie für die Krebstherapie. Auch in der Neurologie spielen adulte Stammzellen eine immer wichtige-re Rolle. Separierte Abwehrzellen werden von Immunologen zur Stärkung und zum Aufbau des Immunsystems benötigt. Für die Forschung sind vor allem isolierte Moleküle wie DNS, RNS und Proteine interessant. Aber es gibt noch weitere Einsatzfelder. „Neue Produktfelder liegen in der Prozessierung von Zellen für die Zelltherapie und auf dem Gebiet der DNA-Chip-Technologie zur Analyse genetisch bedingter Krankheiten“, so Heinlein. In der For-schung ist die MACS-Technologie längst das Stan-dardverfahren geworden. In mehr als 12.000 wis-senschaftlichen Publikationen ist die Technologie aufgeführt. Allein für das klinische CliniMACS-Sys-tem sind nahezu 30.000 Anwendungen weltweit dokumentiert.

Die Miltenyi-Projektteams führen medizintechnische Neuentwicklungen meist innerhalb weniger Monate zur Marktreife. Derzeit hat das Unterneh-men weit über tausend Produkte am Markt.

Charme einer Privatuniversität

Das Ohr dicht an den Kunden zu haben gehört zu den wichtigsten Aufgaben des wissenschaftlichen Personals. Denn was in den Forschungs- und Ent-

wicklungsabteilungen der führenden Labore künftig benötigt wird, das erfahren sie am ehesten im Dialog vor Ort und durch Teilnahme an Kon-gressen, Messen oder Workshops. Die Unterneh-menssprache ist nicht allein aus diesem Grund Englisch. Auch in Deutschland selbst sind viele Stellen international besetzt. Stolz weist Heinlein auf die Ergebnisse einer jüngst durchgeführten Mitarbeiterumfrage hin. Danach ist die Zufrie-denheit unter den Miltenyi-Biotec-Beschäftigten besonders hoch. Sie schätzen vor allem flache Hierarchien, offene Diskussionen, die Nähe zum Entscheidungsprozess und die sich selbst konstitu-ierenden Projektteams. Das Unternehmen ähnelt einer Privat-Universität.

Zu dieser „Campus-Atmosphäre“ trägt am Standort Bergisch Gladbach auch die moderne Ar-chitektur am Rande eines Waldstücks bei. Auf dem aufgelockerten und parkähnlich angelegten Gelän-de befindet sich auch der Betriebskindergarten. Er ist konsequent ebenfalls international ausgerichtet: Die Erzieherinnen sprechen Deutsch und Englisch. Durch diese Einrichtung wird es den jungen Fach-kräften leichter gemacht, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Ein Angebot, das dankend angenommen wird. Corporate Social Responsibi-lity – auch dies ist bei Miltenyi Biotec ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur.

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GaTC Biotech aG

Erbgutanalyse mit Hightech und Family Flair

Die Brüder Thomas und Peter Pohl (von links) gehören beide dem Vorstand der GATC Biotech AG an. Den Grundstein für das Unternehmen legte ihr Vater in den 1980er-Jahren mit einer patentierten Technik zur DNA-Sequenzierung.

In den Laborräumen der GATC Biotech AG in Konstanz summt es wie in einem Bienenstock, denn hier unterstützt Hightech die Sequenzie-

rung von DNA-Material. Vier Roboterarme tau-chen auf Paletten angeordnete Pipetten in die zu untersuchenden Proben, ziehen automatisch eine exakte Menge der Lösungen auf und verteilen diese zur Analyse in die dafür vorgesehenen Röhren. Vor jedem Tauchvorgang gibt es einen kurzen Zwischenstopp am Reinigungsbecken, um jegliche Kontamination auszuschließen. Für die lückenlose

Dokumentation steuern die Roboter nach jedem Arbeitsschritt einen Kontrollpunkt mit Barcode an. Möglich machte diesen Hightech-Park die Erfin-dung des Physikers Professor Fritz Pohl. Der Hoch-schullehrer der Universität Konstanz hatte seine Technik zur DNA-Sequenzierung 1982 patentieren lassen und zunächst auslizenziert. 1990 entschied er sich zusammen mit seinen drei Söhnen zur Grün-dung einer GmbH. Die Brüder Thomas und Fritz Pohl übernahmen das operative Geschäft und bau-ten die Firma auf. Peter Pohl, jetziger CEO der GATC,

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war ebenfalls von Beginn an Mitgesellschafter, stieg aber erst 1996 in das Familienunternehmen ein.

„Die Technik war eine kleine Revolution“, sagt Peter Pohl. Bis dahin war es üblich, die DNA-Proben radioaktiv zu markieren. Das von seinem Vater entwickelte Analysegerät verzichtet darauf. Es be-ruht auf elektrischer Spannung. Das Laborpersonal bleibt so von Strahlenlast verschont.

Die Reaktionsgefäße werden für den automatisierten Prozess mit Barcodes versehen.

Sein Vater sei aber nicht nur ein Visionär, son-dern auch Realist gewesen, so Pohl. Er habe genau gewusst, dass er großes technisches, aber kaum kaufmännisches Talent besitzt. Als sein Wunsch immer stärker wurde, eine eigene Sequenzierfirma zu eröffnen, suchte er sich deshalb Unterstützung für die Managementaufgaben bei seinen Söhnen. Zuerst rief er seinen Sohn Thomas an und fragte ihn. Dieser war spontan bereit, seine Anstellung als Mo-lekularbiologe in Heidelberg aufzugeben und nach Konstanz umzuziehen. Auch seine beiden anderen Söhne begeisterte er von seiner Gründungsidee.

Erste Sequenzierfirma Europas

Ihr erstes Quartier hatte noch nicht viel mit High-tech gemeinsam. Auf einem Hinterhof mit Lade-rampe standen ihnen anfänglich 180 Quadratmeter Labor- und Bürofläche zur Verfügung. Die Wände

hatten die Brüder selbst gefliest und geweißt. Auch bei ihrer Erstausstattung übten sie sich in Beschei-denheit. Die gesamte Laboreinrichtung mit Tischen, Pipetten und Zentrifugen kauften sie gebraucht für insgesamt rund 2.000 D-Mark. Hier schraubten sie auch ihre ersten Sequenziergeräte zusammen. Rund 400 Stück verkauften sie davon weltweit über einen Partnervertrieb.

Der Name GATC leitet sich ursprünglich von den DNA-Basenpaaren Guanin-Cytosin und Adenin-Thymin ab, wobei die Reihenfolge zugunsten der Lesbarkeit und des Klanglauts geändert wurde. Da diese Art der Abkürzungen im Gesellschaftsrecht nicht erlaubt sind, wählten die Unternehmer die Bezeichnung „Gesellschaft für Analyse-Technik und Consulting GmbH“. Eine Fernsehreportage über Consulting-Unternehmen brachte den erlösenden Einfall, um bei der Firmierung nicht auf ihr krea-tives Akronym verzichten zu müssen.

Gleich mit dem ersten Auftrag hatten die jungen Geschäftsführer in dem Pharmaunternehmen Byk Gulden GmbH, heute Nycomed AG, ihren ersten Großkunden gewonnen. Zusätzlich beteiligte sich GATC an verschiedenen EU-geförderten Genom-projekten. Das bekannteste beschäftigte sich mit der Entschlüsselung der Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisae). Die Firma zeichnete sich unter den bis zu 70 beteiligten Forschungslabors durch das größte Volumen und die beste Qualität aus.

GATC setzt auf eigenverantwortliche Mitarbeiter. Seit der Umwand-lung in eine AG haben sie die Möglichkeit, sich an der Firma zu beteiligen.

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GATC war das erste Sequenzierunternehmen Eu-ropas und hält auch heute seine führende Position in der Branche. Stolz sind die Unternehmer auf ihre Unabhängigkeit gegenüber einzelnen Großkunden und Geräteherstellern. Kein Auftrag übersteigt 1,5 Prozent des Gesamtumsatzes, und bei den Ange-boten der Lieferanten zählt allein die Qualität der technischen Ausstattung. Beides wird von dem weltweit rund 10.000 Einrichtungen umfassenden Kundenstamm honoriert.

Tendenz weiter steigend

Von Anfang an haben die Unternehmer alle Ge-winne in den Betrieb reinvestiert. Der Hinterhof wurde schnell zu klein, und im Jahr 2000 zog die Firma dann in ein größeres Gebäude um. Inzwi-schen gibt es auch hier Pläne für einen zusätz-lichen Anbau. Neben dem Hauptsitz in Konstanz bestehen Vertriebsbüros in Berlin, Frankfurt, Kiel, München, Stuttgart und der Schweiz. Außer-dem eröffnete das expandierende Unternehmen Niederlassungen in Cambridge, Marseille und Stockholm. Europaweit beschäftigt GATC heute rund 100 Mitarbeiter, die sich ebenfalls an dem wirtschaftlichen Erfolg der GATC erfreuen können. Denn bei der Umwandlung der GmbH in eine AG bekamen sie Gelegenheit, sich an der Firma zu beteiligen.

So sonnig, wie es sich anhört, war es allerdings nicht immer. Vor allem im Jahr 1996 wurden ent-scheidende Weichen für das Unternehmen gestellt. Große Projekte waren damals ausgelaufen, und ein Mitbewerber hatte eine überragende Analysetech-nik marktreif gebracht. Mehrtägige Klausuren des Familienrates sollten über die Zukunft entscheiden. Peter Pohl, der damals noch nicht im Unterneh-men arbeitete, nahm sich Urlaub, um gemeinsam mit der Familie zu beraten. Sie legten Stärken und Schwächen schonungslos offen und entschieden sich, auf die eigene Technikproduktion zu verzich-ten und sich stattdessen ausschließlich auf die Opti-mierung ihrer Dienstleistung zu konzentrieren. Für Peter Pohl sind aus den 14 Tagen Urlaub inzwischen 14 Jahre an der Spitze des Unternehmens geworden, denn die Entscheidung, dass er das Ruder zusam-men mit seinem Bruder Thomas übernehmen sollte, wurde ebenfalls getroffen. Der Vorstand ist inzwi-schen durch den Biologen und früheren Berater Dr. Marcus Benz komplettiert. Fritz Pohl wechselte als Vorsitzender in den Aufsichtsrat.

Auch die Technik hat sich weiterentwickelt. GATC kann heute ein Humangenom innerhalb weniger Tage sequenzieren. Zusätzlich zur DNA-Se-quenzierung ist GATC inzwischen in die molekulare Diagnostik mit einem eigenen Tochterunterneh-men eingestiegen.

GATC war in Europa das erste Unternehmen, das DNA-Material sequenzierte. Die Forschungsabteilung zeichnet sich nach wie vor durch höchste Qualität aus. Der Kundenstamm von GATC umfasst 10.000 Einrichtungen.

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70 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

„Zum richtigen Zeitpunkt verkauft“ Jens Schneider-Mergener über den Börsengang der Jerini aG, die Schwierigkeiten am aktien-markt und den Exit im Jahre 2008

Jens Schneider-Mergener gründete im Jahr 1994 die Jerini ag. das pharmaunternehmen ent-wickelte neuartige arzneimittel und ging im Jahr 2005 an die Börse. im Oktober 2008 übernahm shire pharmaceuticals aus großbritannien Jerini für 375 Millionen euro. der habilitierte Biochemi-ker ist heute Vorstand einer von ihm gegründeten stiftung, die die erforschung des zusammen-hangs zwischen psyche und gesundheit fördert.

Herr Schneider-Mergener, der 1994 von Ihnen gegründeten Jerini AG gaben Sie einen Namen, der sich aus den jeweils ersten beiden Buch-staben der Vornamen von Ihnen, Ihrer Frau und Ihres Sohnes zusammensetzt. Sie werden auch deshalb als Familienmensch beschrieben. Stimmt das?

Jens Schneider-Mergener: Ja, bei meinen vielen Aufgaben gab und gibt mir meine Familie viel Kraft und vor allem emotionale Unterstützung.

Sie lebten vorher im „sonnigen Kalifornien“ und nun im eher mäßig temperierten Berlin. Was war der Grund für den Umzug?

Schneider-Mergener: Ich habe mir Berlin bewusst ausgesucht. Berlin ist eine der interes-santesten Städte Europas. Als ich mich für Berlin entschieden hatte, war die Mauer noch nicht gefal-len. Das passierte erst, ein, zwei Wochen bevor ich in Berlin landete. Daher entstand meine Idee, etwas im Osten zu machen. Nach der Wiedervereinigung war ich dann auch der erste „Wessi“ in der Charité. Die Arbeitsbedingungen waren natürlich nicht so ideal wie in Kalifornien. Es war damals noch DDR, man musste allem hinterherlaufen. Anfangs hatten wir noch nicht einmal ein Telefon. Ich wohnte in

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71 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

Westberlin und musste morgens und abends dort meine Telefonate führen, tagsüber war ich in der Charité. Von dort Telefonate zu erledigen hätte Tage gedauert.

Sie hatten dort eine Abteilung geleitet?

Schneider-Mergener: Ja, die habe ich mir mehr oder weniger selbst kreiert. Meine Idee war: Ich baue euch hier eine Arbeitsgruppe auf, und die Forschungsgelder dafür akquiriere ich selber. Ich hatte dann das Glück, vom BMFT, dem heutigen BMBF, eine Nachwuchsforschergruppe zu bekom-

men. Zehn Forschergruppen waren in den neuen Bundesländern ausgesucht worden, eine davon hatte ich erhalten. Neben den Fördermitteln vom damaligen BMFT bekam ich zusätzliche Mittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG und von der Schering AG. So war ich sehr gut ausgestat-tet und konnte sozusagen pro Forschungsantrag weiter aufbauen und Forschung betreiben. Ich habe in der Zeit auch habilitiert und später noch den Ruf auf eine Professur an der Charité erhalten. Die Fir-mengründung lief 1994 parallel. Ich hatte zunächst einen Geschäftsführer eingestellt, mich dann aber 2000 entschlossen, das Ruder selbst zu überneh-men. Der Grund dafür war, die Technologiefirma zu einer Produktionsfirma umzubauen. Die Tech-nologie, die wir an der Charité und in meiner Firma weiterentwickelt hatten, sollte dazu verwendet werden, eigene Produkte zu entwickeln.

„Die Investoren, die im Laufe der Jahre Geld in die Firma gesteckt haben, wollen den Exit.“

Wie ging es dann mit Ihrer Firma weiter? Wie ist sie gewachsen?

Schneider-Mergener: In den ersten Jahren hatten wir noch kein Wagniskapital und sind aus ei-gener Kraft langsam gewachsen. Im Jahr 2000 fand dann die erste Finanzierungsrunde mit Wagniska-

pital statt. Danach sind wir kontinuierlich jedes Jahr gewachsen, bis zum Verkauf waren wir 170 Leute.

Wagniskapital bringt zum einen ja einen Spiel-raum, zum anderen starke Bindungen oder auch Vorgaben. Haben Sie eine Einschätzung oder Empfehlungen, wie vorsichtig oder auch groß-zügig Firmengründer mit diesem Instrumenta-rium umgehen sollten?

Schneider-Mergener: Es kommt ja immer darauf an, was man machen will. Für die Wirkstoff-entwicklung braucht man sehr viel Geld, also sehr viel Wagniskapital. Sie kommen anders gar nicht klar. Keine Bank leiht Ihnen so viel Geld. Wir haben allein von 2000 bis 2005 einschließlich unseres Börsengangs über 130 Millionen Euro eingeworben. 83 Millionen haben wir über Wagniskapital und 50 Millionen über die Vorkasse der Börse eingenom-men.

Ist es richtig, dass die Jerini AG das einzige Bio-technologieunternehmen in Deutschland ist, das die Produktion eines Medikamentes bis zur Markteinführung vorangetrieben hat?

Schneider-Mergener: Nein, so weit hatten wir es auch nicht gebracht, aber wir hatten als bisher einziges Unternehmen ein Produkt, das zwar da-mals auch von Aventis lizenziert war, durch sämt-liche klinischen Phasen gebracht. Und wir haben es in einer neuen Indikation entwickelt und uns anschließend um die Zulassung gekümmert.

Das war ein Medikament, das in den USA gleich-zeitig entwickelt wurde?

Schneider-Mergener: Wir hatten Konkurrenz aus den USA in der gleichen Indikation. Allerdings basierte das Konkurrenzprodukt auf einem ganz an-deren molekularen Mechanismus. Es war auch kein synthetisches Peptid, sondern ein gentechnisch hergestelltes Protein.

Was sind nach Ihren Erfahrungen die Unterstüt-zer und Förderer bei der Gründung und Ent-wicklung eines Biotechnologieunternehmens? Welche Hindernisse und Hürden mussten Sie nehmen? Ist das immer eine ganz individuelle Geschichte oder lässt sich hier etwas generalisie-ren?

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72 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

Schneider-Mergener: Grundsätzlich muss man, wenn man eine Firma gründet, erst einmal überle-gen: Was ist mein Produkt, was ist meine Produkt-idee? Und dieses Produkt muss man verkaufen, darüber generiert man Werte. Die Firmenwerte kann man berechnen über die erzielten Gewinne beziehungsweise auch über zukünftige Gewinne. Und man muss sich überlegen: Die Investoren, die im Laufe der Jahre Geld mit in die Firma gesteckt haben, die wollen den Exit. Das muss einem Grün-der glasklar sein. Die wollen ihr eingelegtes Kapital vervielfacht haben. Und das könnte entweder über einen Börsengang oder einen Trade Sale möglich sein.

Bei uns war das Realszenario, eigentlich nicht zu verkaufen, sondern die Firma weiterzuführen. Wir brauchten frisches Kapital, um das Produkt am Markt einzuführen, und das bei einem schlechten Marktumfeld. Dadurch, dass wir die europäische Zulassung für das Medikament erhalten hatten, kamen andererseits Begehrlichkeiten von anderen Firmen auf, die an dieses Produkt herankommen wollten. Und weil das Produkt den Hauptwert der Firma darstellte, gab es eigentlich nur die eine Mög-lichkeit: Wenn jemand das Produkt haben möchte, dann muss er gleichzeitig die Firma kaufen.

Der 24. April 2008 war der schlimmste Tag der Jerini AG. Da lag der Wert bei einem Euro pro Aktie. Dieser Wert hatte sich durch die Zulassung anschließend zwar wieder ein bisschen stabilisiert, aber er lag dann immer noch bei nur 1,5 bis 2 Euro. Und wenn in diesem Moment eine Firma sagt: „Ja, die kauf’ ich zu einem Wert von 6,25 Euro“, da kann man nicht mehr Nein sagen. Die alten Investoren haben dabei natürlich auch verdient und diese Exit-Möglichkeit bevorzugt.

Die alten Investoren waren bei diesen Verhand-lungen immer vertreten?

Schneider-Mergener: Nein, das nicht. Die mi-schen sich zwar immer gern ein. Wir hatten einen aus sechs Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat, davon waren zwei Mitglieder Vertreter unserer größten Investoren. Es gibt im Vorfeld des Verkaufs natürlich heiße Diskussionen, wie man es macht. Sechs Leute, sechs Meinungen. Schließlich haben wir, Gott sei Dank, zu diesem Zeitpunkt verkauft, denn zwei Wochen später wäre der Preis von 550 Millionen Dollar auch nicht mehr erreichbar gewesen.

Trotzdem ist es Ihnen vermutlich nicht leicht-gefallen, sich von Ihrer Firma zu trennen. Wäre alles anders gelaufen, wenn Sie auch die ameri-kanische Zulassung erreicht hätten?

Schneider-Mergener: Wenn wir die Probleme mit den Amerikanern nicht gehabt hätten, dann wäre sicherlich der Kurs völlig anders gewesen. Wir hätten schon ein Jahr vorher Geld hereinholen

können. Dann wäre die Geschichte völlig anders ge-laufen, und statt der 550 Millionen wären wir über eine Milliarde wert gewesen.

„Jerini-Aktien waren auch Zockerpapiere. Was wir inhaltlich machten, interessier-te nicht. Das ist keine schöne Erfahrung.“

Bedauern Sie im Nachhinein, keinen Einfluss oder Einblick in die weitere Entwicklung und in das Produkt mehr zu haben?

Schneider-Mergener: Es ist schon klar, dass sie uns außen vor lassen. Der Käufer lässt sich nicht in die Karten gucken. Die wollten uns naturgemäß schnell loswerden. Wir haben das wichtigste Ziel erreicht, aber auch nicht alles, immerhin im euro-päischen Raum die Zulassung. Das war insofern auch für mich persönlich ein passender Zeitpunkt für den Exit. Ich wollte die Firma nicht mehr sehr viel länger führen, noch ein oder zwei Jahre, weil es schon sehr anstrengend war. Ein enormer Stress, gerade in der Zeit, nachdem wir an die Börse gegangen waren. Laufend kommen Leute und fragen, wo steht der Aktienkurs? Oder wenn der Aktienkurs ein paar Cent fällt, dann gibt es auch verrückte Leute, die einen gleich anrufen: „Was ist denn los?“ Man merkte, dass Papiere wie von Jerini auch Zockerpapiere waren. Es besteht kein Interesse daran, was wir inhaltlich machen. Und das ist keine schöne Erfahrung.

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Wie hoch war der Kurs beim Einstieg?

Schneider-Mergener: 3,20 Euro. Beim Verkauf befanden wir uns schon in fallenden Märkten. Damals war gerade die GPC mit ihrem Produkt ge-scheitert. Die sind dann ins Bodenlose gestürzt, von zwischenzeitlich 25 auf zum Schluss 3 bis 2 Euro. Das hat uns anscheinend mit in die Tiefe gerissen. Das war mit einer der Gründe, weshalb wir kaum eine andere Möglichkeit als den Verkauf hatten. Wir sind mit in Sippenhaft genommen worden. Auch insofern war ein Verkauf das Beste.

Im Rückblick würden Sie sich gerade auch finan-ziell aber doch auf der Gewinnerseite sehen?

Schneider-Mergener: Ja, über Geld brauche ich jetzt nicht mehr nachzudenken. Aber die Investoren haben auch verdient. Und die Mitarbeiter haben über ihre Aktienoptionen auch Geld verdient. Leid tut es mir nur um den Forschungsbereich mit über 60 Leuten. Hier probieren wir gerade, die Produkte, an denen Shire kein Interesse hat, wieder zu lizen-zieren und darum eine neue Firma mit dem Namen Jenowis AG zu bauen.

Wie schwierig ist es als Unternehmer, den rich-tigen Zeitpunkt für den Absprung zu finden?

Schneider-Mergener: Erst einmal ist es immer wichtig, Produkte zu entwickeln. Das hat immer Toppriorität, der Rest folgt dann. Wenn ich ein Pro-dukt entwickelt habe, muss ich damit in die Profita-

bilität kommen. Das muss das ganz klare Ziel sein – nicht nur forschen, sondern profitabel ein Produkt entwickeln!

„Wir haben ein gutes Beispiel gegeben, welche Werte mittelständische Biotechnologieunterneh-men schaffen können.“Und dann muss man sich überlegen: Bin ich

der richtige Mann zu jedem Zeitpunkt? Das kann

schwer sein, gerade wenn man wie ich aus der For-schung kommt. Es gibt viele, die dann mit den neu-en Aufgaben nicht mitwachsen. Es gilt, nüchtern zu überlegen: Was ist jetzt das Beste für die Firma, für die Mitarbeiter, für die Aktionäre? Viele Aspekte reichen in eine Firma hinein und müssen berück-sichtigt werden. Das ist ein komplexes Gebäude. Bei uns war der Verkauf das Beste. Deshalb habe ich mich auch nicht dagegen gesträubt. Und wir haben für Deutschland ein gutes Beispiel abgegeben, was man als mittelständisches Biotechnologieunter-nehmen für einen Wert schaffen kann. Und wenn man ein guter Unternehmer ist, kommt das nächste Projekt von selbst.

Und haben Sie schon ein nächstes Projekt? Sie erwähnten ja schon den Forschungsbereich der ehemaligen Jerini.

Schneider-Mergener: Die Firma Jenowis haben wir mit dem alten Vorstand der Jerini gegründet. Ich bin der Aufsichtsratsvorsitzende. Außerdem bin ich mit einem ehemaligen Mitarbeiter dabei, eine neue Firma zu gründen, die sich mit dem Bereich der Krebsdiagnostik und -therapie beschäftigt. Die heißt 3B-Pharmaceuticals.

Da geht es auch um ein Produkt? Wobei Produkt ja auch Dienstleistung sein kann. Gerade in der Biotechnologie leisten ja viele Zuarbeit.

Schneider-Mergener: Man kann auch for-schend ein Produkt anentwickeln in der Form, wie wir es mit der Jenowis vorhaben, wo wir mit drei, vier Entwicklungen in die klinische Prüfung gehen. Dann hat man noch kein zugelassenes Produkt, aber durchaus ein Produkt, womit Sie fruchtbares Interesse wecken können, was man durchaus auch verkaufen kann.

Im Gespräch mit anderen Unternehmern wurde deutlich, dass sie möglichst weit vorn zur Spitze der Wertschöpfungskette aufrücken wollen.

Schneider-Mergener: Ich weiß, das will jeder. Die Chance liegt allerdings fast bei null. Die dafür nötigen hohen Aufwendungen kann sich kaum einer vorstellen. Wir sind die Ausnahme, wir haben es zunächst sehr naiv gesehen und haben es schließ-lich geschafft. Aber man sollte, wenn man es nicht schafft, auch nicht verzweifeln.

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74 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

Was muss stimmen, damit der Verlauf eines Unternehmens wie der Jerini AG zur Erfolgs-geschichte wird?

Schneider-Mergener: Sie brauchen vor allem gute Teams mit erfahrenen Leuten. Wir hatten ei-nen sehr erfahrenen Entwickler. Wir hatten einen sehr guten Finanzvorstand und einen sehr guten Marketingchef. Natürlich, die Qualität des Pro-duktes selber muss auch stimmen, aber wichtiger ist das Team. Die Entwicklung eines Wirkstoffes

ist eine unglaublich komplexe Angelegenheit, bestimmt durch unendlich viele Regularien und Anforderungen der Behörden. Zur Bewältigung dieser komplexen Aufgaben brauchen Sie ein Topteam.

„Die Qualität des Produktes muss stim-men, aber wichtiger ist das Team.“

Medikamente auf den Markt zu bringen schaf-fen eigentlich nur die Großen?

Schneider-Mergener: Die scheitern auch meis-tens, trotz eines Forschungsbudgets in Milliarden-höhe. Inzwischen kommen schon mehr Produkte von den kleineren Unternehmen.

Wie wichtig war für Sie die Förderung durch das BMBF gerade auch bei der Gründung?

Schneider-Mergener: Enorm wichtig! Es war einer der Förderer, der großes Geld zur Verfügung stellte. Das hat sehr geholfen, um die Gruppe zu starten. In der Phase war das BMBF sehr großzügig. Das war auch gut so. Gut war vor allem auch, dass die Förderung auf fünf Jahre angelegt wurde. Fünf Jahre sehr gutes Geld, unkompliziertes Geld – das war sehr entscheidend.

Gibt es etwas, was Sie Gründern mit auf den Weg geben können? Sie haben ja schon einiges an-gesprochen wie zum Beispiel, das Produkt muss stimmen, es muss verkäuflich sein.

Schneider-Mergener: Ja, die Produktidee, natürlich geschützt durch Patente. Außerdem das richtige Team aufbauen und gucken, dass man sich wirklich zu jedem Zeitpunkt überlegt, was ist eigentlich notwendig für das, was wir hier machen. Die Anforderungen ändern sich andauernd. Und dem muss man sich stellen.

Empfehlen Sie auch Berater, die man sich zu be-stimmten Themen als Externe ins Unternehmen holt.

Schneider-Mergener: Ja, Berater haben wir viele gehabt, in allen Bereichen. Das tut man sowie-so. Auch dafür muss man enorm Geld investieren. Ich denke aber, jeder, der ein bestimmtes Persön-lichkeitsprofil hat, wie auch immer das gestaltet ist, muss sich selber überlegen: Wie handhabe ich meinen Job? Bin ich mir über meine Stärken und Schwächen im Klaren?

Und Networking – spielt das für Sie auch eine große Rolle?

Schneider-Mergener: Selbstverständlich. Man reist ja nur durch die Welt, ist auf Konferenzen. Es ist klar, man muss ein Netzwerk haben, um Kontakt zu den Firmen aufzubauen und um zu verkaufen.

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BioPlanta GmbH

Exotische Frucht aus der Umweltbiotechnologie

André Gerth, Gründer von BioPlanta, setzt auf steril gezüchtete Pflanzen, die bei der Boden- und Wasserreinigung und bei der Entwicklung von Arznei-mitteln genutzt werden.

Wenn man André Gerth nach dem Profil der BioPlanta GmbH fragt, dann ordnet er es sowohl der Pflanzen- als auch der

Umweltbiotechnologie und ein wenig dem phar-mazeutischen Zweig zu. Denn alle drei Bereiche bedient das von ihm 1991 in Leipzig gegründete Un-ternehmen. In der Farbenlehre der Biotechnologie übersetzt, heißt das am ehesten „graugrün“. „Wir sind in einem Nischenmarkt aktiv“, sagt der pro-movierte Agraringenieur. Zu dieser Nische gehört allerdings auch einer der größten Grundbesitzer der

Bundesrepublik, die Bundeswehr, in deren Auftrag BioPlanta bereits Sickerwasser gereinigt hat. Die Wurzeln seines, wie Gerth sagt, „nicht ganz typi-schen Biotechnologieunternehmens“ gehen auf sei-ne Auslandserfahrungen als Doktorand der Univer-sität Leipzig zurück. Ende der 1980er-Jahre arbeitete Gerth in einer landwirtschaftlichen Forschungsein-richtung auf Kuba. Auf der fernen Karibikinsel kam er das erste Mal mit der Pflanzenbiotechnologie in Kontakt. Forschungsobjekte waren Bananen und andere exotische Früchte, berichtet Gerth. Es ging

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um Optimierungen der Pflanzen und um die Gewin-nung von Wirkstoffen für Arzneien.

Gewächshäuser sorgen für Bedingungen, unter denen die für die Forschung benötigten Pflanzen optimal gedeihen können.

Zurück in Leipzig, reifte in ihm die Idee, sich in diesem Bereich der Pflanzenbiotechnologie selbstständig zu machen. Als er dann von dem speziell für die neuen Bundesländer modifizierten Modellversuch des Bundesforschungsministeriums zur „Förderung technologieorientierter Unterneh-mensgründungen“ (TOU-NBL) erfuhr, war Gerths Entschluss für die Gründung aus der Uni heraus endgültig gefasst. Er arbeitete den Antrag aus und hatte damit Erfolg. Über das Programm erhielt er Startkapital in Höhe von 800.000 D-Mark. „Ohne diese Förderung hätte ich nicht beginnen können“, sagt Gerth, „ich war damals ja noch armer Student.“

„Gibt’s nicht“ gibt’s nicht

Damit waren die Voraussetzungen für die Umset-zung seines Traums erfüllt – dachte er. Doch wie exotisch eine Gründung in dieser Branche damals noch war, macht eine Anekdote deutlich: Als Gerth seine Firma beim Gewerbeamt eintragen lassen wollte, traf er dort zunächst auf Unverständnis. „Biotechnologie der Pflanzen? Das gibt’s nicht“, beschied ihm eine Sachbearbeiterin und bot ihm

stattdessen den Eintrag als „Gärtnerei“ an. Gerth be-stand jedoch auf der Firmierung „Biotechnologie“. „Doch, das gibt’s“, sprang ihm eine zweite Sachbe-arbeiterin zur Seite. Ihr Schwiegervater arbeite auch „in so einem Betrieb“. Gerth bekam nun auch von Amts wegen Brief und Siegel für den Start seines Unternehmens.

1992 war das Labor schließlich komplett einge-richtet und das Unternehmen somit arbeitsfähig. BioPlanta konzentrierte sich anfänglich auf die Züchtung und das Klonen von Pflanzen für die Bo-den- und Wasserbehandlung sowie die Gewinnung von Wirkstoffen für die pflanzliche Medizin. „Diese Wirkstoffe bieten wir in weltweit einzigartiger Qua-lität“, sagt Gerth. Dafür hat BioPlanta eine eigene Technik, sogenannte Bioreaktoren, entwickelt. Das ist eine In-vitro-Kultivierung, bei der der Nährstoff-und Sauerstoffaustausch für Wurzeln, Knollen, Blätter oder komplette Pflanzen vollautomatisch geregelt ist. Mit der Gesundheitsreform 1997 nahm die Nachfrage nach pflanzlichen Wirkstoffen im Inland allerdings drastisch ab. Medikamente mit pflanzlichen Heilstoffen beispielsweise aus der Pazifischen Eibe, dem Maienapfel oder dem Chine-sischen Glücksbaum sind hierzulande nicht mehr über die Krankenkassen abrechnungsfähig. Auf

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dem heimischen Markt dienen diese Pflanzenex-trakte daher hauptsächlich als Zusätze von Nah-rungsmitteln und Kosmetika. Der weitaus größere Teil wird exportiert. Dennoch mussten weitere Geschäftsfelder für die Zukunftsfähigkeit der Firma erschlossen werden.

Reinigung von altlasten im Uranerzbergbau

Gerth verlegte den unternehmerischen Schwer-punkt auf Verfahren zur Regenerierung und Reini-gung von kontaminierten Böden und Wasser mit-hilfe von Phytopflanzen. Außerdem beteiligt sich das zwölf Personen starke und interdisziplinäre Unternehmen an der Erforschung und Entwick-lung von nachwachsenden Rohstoffen. Aktuell hat BioPlanta dafür den „IQ Innovationspreis Mittel-deutschland“ gewonnen.

Zu seinen jüngsten Referenzen zählt die Rei-nigung von sulfatbelastetem Wasser aus dem Bergbau, unter anderem in Chile. Kern der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Lösung bildet ein von BioPlanta errichtetes „Constructed Wetland“. Für die Dekontamination von schwerme-tallbelastetem Klärschlamm hat BioPlanta speziell dafür gezüchtetes und optimiertes Schilf auf einer Fläche von mehreren Hektar eingesetzt. Ein wei-

teres Beispiel für das internationale Engagement der Firma ist ein vom BMBF gefördertes Projekt der nachhaltigen Rekultivierung von Abraumhalden und der Reinigung von kontaminiertem Wasser aus dem Kohlebergbau in Vietnam.

Renommee über die Landesgrenzen hinaus er-langte das in diesem Bereich der Umweltbiotechno-logie führende Unternehmen insbesondere durch Aufträge der Wehrverwaltung. Hierbei geht es um die Reinigung von Wasser, welche durch spreng-stofftypische Verbindungen kontaminiert sind. Auch dort setzt BioPlanta ihre passiv biologische Behandlungstechnologie ein.

Rund 300.000 Hektar umfassen die Liegen-schaften der Bundeswehr. Das ist knapp ein Hun-dertstel der Fläche der Bundesrepublik. Im Rahmen des vor 20 Jahren gestarteten „Altlastenprogramms der Bundeswehr“ ist die Militärverwaltung dabei, ein Areal nach dem anderen auf mögliche Konta-minationen zu untersuchen, um gegebenenfalls geeignete Maßnahmen für die Sanierung der Bö-den und des Grund- und Oberflächenwassers zu veranlassen. Bei diesem großen Auftraggeber hat BioPlanta bereits mehr als nur den Fuß in der Tür – die Nische kann so zu einem weiten Feld werden.

Zum Züchten und Klonen von Pflanzen hat BioPlanta Bioreaktoren entwickelt. Die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff wird darin voll-automatisch geregelt.

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MorphoSys aG

Antikörperbibliothek fast schon ein Selbstläufer

Es war ein Neuseeländer, der im Jahr 1999 das erste deutsche Biotechnologieunternehmen an die deutsche Börse brachte: Simon E. Moroney, Gründer und Vorstandsvorsitzender der MorphoSys AG.

Fischen gehen, heißt es bei MorphoSys mitunter recht locker, wenn ein passender Antikörper zu einem Zielmolekül gefunden werden soll.

Seine Aufträge erhält das Biotechnologieunterneh-men aus Martinsried sowohl von Forschungsein-richtungen und Universitäten als auch aus der Phar-maindustrie. Aber was hier so leicht klingt, ist alles andere als einfach. Nur hoch spezialisierte Unter-nehmen können mithilfe einer über Jahre gereiften und kontinuierlich erweiterten Technologie diese Aufgabe meistern. Bei der MorphoSys AG heißt diese

schlicht HuCAL (Humane kombinatorische Anti-körperbibliothek), und es ist kaum zu glauben, dass eines der größten Pharmaunternehmen aktuell be-reit ist, eine zehnjährige Kooperation einzugehen, bei der jährlich 40 Millionen Euro fließen werden. So viel ist es aktuell wert, auf das gesammelte Know-how der MorphoSys zugreifen zu können.

1992 gründete der gebürtige Neuseeländer Simon E. Moroney das auf die Synthetisierung von Antikörpern spezialisierte Unternehmen zusam-

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men mit seinem Kollegen Professor Andreas Plück-thun vom Max-Planck Institut für Biochemie in Mar-tinsried. Seit 1994 leitet Moroney die MorphoSys und führte sie als erstes deutsches Biotechnologie-unternehmen 1999 an die deutsche Börse. Inzwi-schen ist die AG in den Prime Standard der Techno-logieindexes TecDAX aufgenommen.

Dabei waren die Aussichten für die Biotechno-logiebranche in Deutschland zum Zeitpunkt der Gründung nicht gerade rosig, so Moroney. Die politischen Restriktionen in der Bundesrepublik waren hoch, Biopharmazeutika konnten nicht in Deutschland produziert werden. Die Strategie einiger Pharmakonzerne war daher, die Produktion ins Ausland zu verlegen und das fertige Produkt zu importieren. Vor diesem Hintergrund war es für die MorphoSys-Gründer schwer, für ihre Idee bei den großen Konzernen Gehör zu finden.

Mehr Erfolg hatten sie bei zwei Risikokapitalge-bern, Korda & Co. aus London und Technostart aus Stuttgart. „Es war unser Glück, dass wir solche erfah-renen Investoren fanden. Es war von Anfang an klar, dass es mindestens fünf Jahre dauern wird, bis wir an die Börse gehen können und sie die Möglichkeit für ihren Exit haben“, sagt Moroney. 1,1 Millionen D-Mark erhielten die Gründer aus dieser ersten Finan-zierungsrunde. Eine weitere Million floss ihnen von der staatlichen Technologie Beteiligungsgesell-schaft (TGB) zu. Bis zum Börsengang folgten noch

drei Finanzierungsrunden, an denen sich wei-tere führende Risikokapitalgesellschaften betei-ligten.

antikörper per Katalogbestellung

Moroney und sein Team konnten nun konse-quent ihr Ziel des modularen Aufbaus einer um-fangreichen Antikörper-Bibliothekensammlung weiterverfolgen. Mit dem Umfang der Bibliothek wuchs auch das Personal. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 340 Fachkräfte, und ihre Sammlung umfasst 45 Milliarden unterschiedliche, vollständig humane Antikörper. Das ist mehr als das Zwanzigfache der durchschnittlichen Anzahl von zwei Milliarden Antikörpern im menschlichen Blut. „Diese sehr hohe Anzahl beruht auf einem kombinatorischen Effekt“, erklärt der promovierte Biochemiker: „Durch den gezielten Austausch der Bausteine haben wir die Möglichkeit, die Antikör-per zu optimieren.“ Der in Form von Reagenzien gespeicherte Wissensschatz, aus dem Wirkstoffe gegen alle erdenklichen Krankheiten hergestellt werden können, wird an verschiedenen Standor-ten sicher aufbewahrt und weltweit durch Patente geschützt.

Das Geschäftsmodell von MorphoSys unterteilt sich in zwei Segmente: die Entwicklung therapeu-tischer und forschungsadaptierter Antikörper.

Isolierung von Antikörpergenen im Labor von MorphoSys. Mit einem Skalpell wird hierzu die in einem Agarosegel aufgetrennte DNA vorsichtig herausgeschnitten. Hierzu wird ein Farbstoff verwendet, der unter UV-Licht orange fluoresziert. Das Unternehmen bietet eine Auswahl von mehr als 10.000 Forschungsantikörpern und immunologischen Reagenzien zum Kauf an.

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Unter dem Markennamen AbD Serotec bietet das Unternehmen seinen Kunden aus dem akademi-schen und industriellen Umfeld spezifische mono-klonale Antikörper an. Diese sind speziell für den Einsatz in Forschung und Diagnostik optimiert und können innerhalb von nur acht Wochen bereitge-stellt werden. Außerdem können die Geschäftspart-ner jederzeit komfortabel über einen Katalog aus mehr als 10.000 Produkten wählen. Die Forschungs-antikörper und immunologischen Reagenzien können direkt online bezogen werden. MorphoSys konnte in den Jahren 2005 und 2006 zwei britisch-amerikanische Firmen zukaufen und so die Posi-tion in diesem Marktsegment entscheidend aus-bauen.

Gewinnbeteiligung durch Meilenstein-zahlungen und Tantiemen

Bei der Synthetisierung für den therapeutischen Einsatz unterhält das Unternehmen zahlreiche Partnerschaften zu Marktführern der pharmazeu-tischen Industrie. Derzeit ist es in mehr als 50 Anti-körper-Entwicklungsprogrammen involviert und bleibt durch entsprechende Kooperationsverträge mit den jeweiligen Partnern an deren erfolgreichen Entwicklungen beteiligt. Erreicht ein Medikament den Markt, erhält MorphoSys Tantiemen, deren Höhe sich an den Umsätzen orientiert.

Zusätzlich hat das Unternehmen eigene Wirk-stoffe zur Behandlung von Krebs und entzündliche Krankheiten entwickelt. Ziel ist, dass an einer Ver-marktung interessierte Partner entsprechend Li-zenzen erwerben können. Ein erstes Präparat mit dem Namen MOR103 hat bereits die klinische Phase-1-Studie nahezu abgeschlossen. Es soll zur Behandlung von rheumatischer Arthritis eingesetzt werden. Ein zweites, als MOR202 bezeichnetes Mittel hat aktuell die präklinischen Studien erfolgreich durchlaufen. Künftig soll es verschiedene Erscheinungsformen von Brustkrebs, multipler Myeloms und spezielle Leukä-miearten bekämpfen. Angriffspunkt ist das Molekül CD 38, ein Glykoprotein, das auf der Oberfläche von bestimmten Krebszellen stark überrepräsentiert ist. Studien haben gezeigt, dass die entwickelten humanen Antikörper in der Lage sind, diese Krebs-zelllinien effizient abzutöten. Reinvestitionen der Gewinne aus Kooperationen und Partnerschaften bieten die finanzielle Grundlage, um diese Eigenent-wicklungen voranzutreiben und weiter auszubauen.

MorphoSys ist inzwischen zu einem der weltweit führenden Biotechnologieunternehmen im Bereich der humanitären Antikörper aufgestiegen. Moro-neys Konzept des stetigen Ausbaus der firmeneige-nen Antikörperbibliothek ist bereits seit Langem aufgegangen und scheint inzwischen fast schon zu einem Selbstläufer geworden zu sein.

Die Fertigstellung der Antikörperbibliothek HuCAL GOLD im Jahr 2001 war ein Meilenstein in der Geschichte von MorphoSys. Mittlerweile hat das Unternehmen einen Nachfolger vorgestellt, bei dem Anzahl und Bandbreite der Antikörper deutlich gesteigert werden konnte.

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BRaIn aG

Nachhaltigkeit aus Tradition

Für Holger Zinke, Mitgründer der BRAIN AG, ist Profit nicht alles. Sein Unternehmen beliefert die Industrie mit Stoffen, die eine ressourcenschonende Produktion ermöglichen. Im Jahr 2008 erhielt er dafür den Deutschen Umweltpreis.

Holger Zinke, Mitgründer und Vorstandsvor-sitzender der BRAIN AG, sieht sich in der Tra-dition eines Unternehmertums verankert,

wie es in Deutschland seit Generationen erfolgreich vorgelebt wird: der Kultur des gründergeführten Technologieunternehmens. „Jede Volkswirtschaft sollte sich auf ihre Stärken fokussieren“, sagt Zinke: „Und die liegt bei uns in einem Unternehmertypus, der zumindest anfänglich selber tüftelt und Ma-schinen oder Technologien entwickelt.“ Mit diesem Selbstverständnis haben er und sein Gründerkom-

pagnon, Jürgen Eck, Vorstand für Forschung und Entwicklung der BRAIN AG, 1993 ihr Hightech-Unternehmen peu à peu von einem Zweimann-betrieb zu dem heutigen Vorzeigeunternehmen der industriellen „weißen“ Biotechnologie mit inzwischen rund 75 Mitarbeitern aufgebaut. Auf eine Kurzformel gebracht, betreibt die BRAIN AG (Biotechnology Research And Information Network Aktiengesellschaft) vor allem „molekulare Bionik“. Genauer gesagt sucht sie auf molekularer Ebene, was die Natur zu bieten hat: Mikroben, deren Stoff-

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wechselprodukte per se solche Eigenschaften besitzen, wie sie für die nachgefragten Produkte benötigt werden. Diese mikroskopisch kleinen „Haustiere“ werden in einem zweiten Schritt unter Anwendung diverser molekularbiologischer Me-thoden so weit aufgepeppt, dass sie exakt die benö-tigten Stoffe erzeugen. Bei diesem als „Metabolic Engineering“ bezeichneten Verfahren bedienen sich die Mikroben-Designer entweder aus der um-fangreichen Genombibliothek ihres Hauses oder sie greifen auf die „gelenkte Evolution“ zurück. Nach dem Zufallsprinzip werden im Erbgut der Einzeller so lange Veränderungen ausgelöst, bis die Mikro-ben die gesuchten Biokatalysatoren entwickelt haben.

Zwei BRAIN-Wissenschaftlerinnen suchen in Metagenom-Bibliotheken des Unternehmens nach neuartigen Enzymen und Biokatalysatoren. Eine solche Bibliothek enthält bis zu einer Million unterschiedlicher Bakterienklone.

Die Tiefkühltruhe als Schatzkiste

Das typische Produkt der BRAIN AG gibt es aller-dings nicht. Auf den ersten Blick wirkt das Portfolio, so Zinke, „eher wie ein Bauchladen“. Der Schatz der BRAIN AG liegt gut gekühlt in einem weltweit ein-zigartigen Bioarchiv. Mehr als 80 Tiefkühlschränke beherbergen Lösungen für unterschiedlichste in-dustrielle Fragestellungen, eine wahre Fundgrube.

Neue Wirkstoffe für Wellnessprodukte, bioaktive Kosmetik, Waschmittelenzyme oder Biokatalysa-toren für die klassische chemische Industrie – das alles ist möglich. Ein aktuelles Beispiel kommt aus dem Flugzeugbau, wo Beschichtungen von Oberflä-chen benötigt werden, die vor Vereisungen schüt-zen. Werkstoffe, die bisher petrochemisch unter Einsatz des knappen Rohöls hergestellt werden mussten, können jetzt durch biotechnologisch ent-wickelte Produkte ersetzt werden.

Die Herausforderung bei diesen unbegrenzt scheinenden Möglichkeiten besteht allerdings darin, die winzigen Problemlöser zu entdecken. Erst dann kann man sie gentechnisch optimieren. Der-zeit sind nur circa ein Prozent der vermuteten zwei Milliarden in der Natur vorkommenden Mikroben-arten bekannt. Rund 20.000 Mikroorganismen wur-den bisher unter Laborbedingungen kultiviert, und nur circa 100 davon konnten in industrielle Prozesse eingebunden werden. Noch immer kann sich Zinke für die Welt der, wie er sagt, „scheinbar rückstän-digen, primitiven, ursprünglichen Mikroorganis-men“ begeistern. Er ist überzeugt davon, dass sich jedes technische Problem durch diesen „Urschleim des Lebens“ lösen lässt. Dieser reich gedeckte Tisch

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der Natur und die immer noch zweistelligen Wachs-tumsraten der weißen Biotechnologie speisen denn auch seinen Optimismus, wenn er von der bereits begonnenen „Biologisierung der chemischen In-dustrie“ spricht.

ausgezeichnet mit dem bedeutendsten Umweltpreis Europas

Doch auch auf einem anderen Gebiet sind Zinke und sein Kompagnon aktiv: Zwei Jahre nach der Gründung wurde der Firmensitz ins südhessische Zwingenberg verlegt und ein 1934 im Bauhausstil errichtetes Industriegebäude bezogen. Für die behutsame Revitalisierung dieses zuvor über Jahre leer stehenden architektonischen Kleinods sind die Bauherren und die beteiligten Baumeister inzwi-schen mehrfach ausgezeichnet worden. In dieser denkmalgeschützten Labor- und Produktionsstätte begegnet Zinke – im Wortsinne – auf Schritt und Tritt der gestalteten positiven Gründerphilosophie. Seine Erfahrung reflektiert er unter anderem in dem 2007 von ihm herausgegeben Buch „Weiße Biotechnologie – Ein Blick zurück nach vorn“, wo er von den vielen Übereinstimmungen des früheren Hausherrn und Betriebsleiters, des Pharmazeuten Dr. Arthur Sauer, mit seinem eigenen Selbstver-ständnis schreibt. Kaum mag er deshalb bei dieser Ortswahl noch an Zufall glauben: „Es ist der Geist des nachhaltigen Unternehmertums, der im Tech-nologieunternehmen BRAIN eine Heimat fand.“ Und umgekehrt: Die preisgekrönte Bauhaus-Indus-triearchitektur ist eine Heimat für nachhaltiges Unternehmertum geworden.

Genau dafür jedenfalls ist der CEO zusammen mit dem Wissenschaftler Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker mit dem Deutschen Umweltpreis 2008 geehrt worden, dem, wie es Bundespräsident Horst Köhler in seiner Ansprache zu der von ihm verliehenen Auszeichnung hervorhob, „wichtigsten Umweltpreis in Europa“. Zinke und sein Unterneh-men hätten gezeigt, dass „Visionen keine Utopien bleiben müssen“. Spätestens seit dieser Ehrung gilt der promovierte Molekularbiologe als wegweisend für die gesamte Branche.

Das nächste Ziel von Zinke und seinem Kompa-gnon ist der Aufbau einer industriellen Fertigung. Dafür haben sie erstmals neue Finanzmittel in Höhe

von insgesamt 20 Millionen Euro eingeworben. Auf ihrem Gelände wird derzeit eine Produktionshalle eingerichtet, die nicht nur Fermentationsanlagen mit bis zu 3.000 Liter Fassungsvermögen Platz bie-ten wird, sondern zugleich großzügig Raum für Kunst, Kommunikation und Begegnung. Denn das ist den beiden Gründerpersönlichkeiten von Beginn an wichtig: der intensive Austausch unter Kollegen, das gute Arbeitsklima und genügend Freiraum für die individuelle Lebensplanung und für gemein-same Unternehmungen. Auch darin liegt für sie der Wert von Nachhaltigkeit.

Der neue Fermenter der BRAIN AG fasst ein Volumen von 3.000 Litern. Die Produktionsanlage wird zur Herstellung von bioaktiven Substan-zen, Enzymen und Biokatalysatoren herangezogen, die für die Weiter-verwendung in der Industrie infrage kommen.

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„Nicht ohne die jungen Wilden aus den Universitäten“ Jürgen Eck, Mitgründer der BRaIn aG, zum Verhältnis zwischen akademia und Industrie aus der Sicht eines Praktikers

als Vorstand für Forschung und entwicklung ist Jürgen Eck verantwortlich für das technologi-sche Fundament der Brain ag. zum gründungs-team des unternehmens stieß der Molekular-biologe im Jahr 1994, nachdem er am institut für Biochemie der Technischen hochschule darm-stadt promoviert wurde.

Herr Eck, Sie sind Mitgründer und Wissen-schaftsvorstand der BRAIN AG. Welche Rolle übernimmt ein Unternehmen wie die BRAIN innerhalb des Innovationsprozesses in Deutsch-land?

Jürgen Eck: Der Innovationsprozess, in den wir eingebunden sind, besteht aus den drei Akteuren: Großindustrie, KMU und Akademia. Zwischen

ihnen herrscht Arbeitsteilung. Es sind in erster Linie die KMU wie die BRAIN, welche die mittelfristigen, innovativen Forschungs- und Entwicklungsthe-men aufgreifen und bearbeiten und die Rolle des eigentlichen Innovationsmotors übernehmen. Wir schöpfen dabei auch aus dem Potenzial unserer Kooperationspartner aus den akademischen For-schungsgruppen, die eher langfristige Forschungs-ideen bearbeiten und neue Konzepte evaluieren. Die Großindustrie positioniert sich zunehmend über marktnahe Entwicklungsprojekte, die über ein absehbares und oftmals kurzfristig realisierbares Marktpotenzial verfügen. Diese Arbeitsteilung kommt besonders in Forschungsverbünden gut zur Geltung, mit dem KMU als Knotenpunkt in diesem Netzwerk. Wir brauchen diese Arbeitsteiligkeit, um unsere Position auch im internationalen Wettbe-werb beibehalten zu können. Nur so können wir in

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Deutschland zu Innovationen kommen und schnel-le Entwicklungszeiten realisieren.

Wie ist Ihr Netzwerk gespannt?

Eck: Wir kooperieren mit akademischen Part-nern, die zum Teil in BMBF-geförderten Verbund-projekten mitwirken. Unser Ziel ist es, unsere Partner mit ihren frühen, oftmals aus der Grund-lagenforschung stammenden Ideen einzubinden. Dafür halten wir den direkten Kontakt. Diese Ver-bundenheit spiegelt sich auch in unserer Personal-politik wider. Wir versuchen den akademischen

Nachwuchs in das Wachstum der BRAIN zu in-tegrieren. Rund zwei Drittel unserer Mitarbeiter haben einen Hochschulabschluss.

„Statt eines Beirats brauchen wir die vor Ideen sprühenden Postdocs, die sich am Puls der Zeit bewegen.“

Ist dieser Vernetzungsgedanke bundes- oder sogar europaweit oder eher regional zu sehen?

Eck: Wir sind vor allem bundes-, aber auch europaweit vernetzt. Kooperationspartner sind beispielsweise die Universitäten Greifswald, Dort-mund, Darmstadt, Aachen, Hohenheim, Tübingen, Wien, Graz, Cambridge, um nur einige zu nennen. Von einer regionalen Strukturierung der Wettbe-werbe halte ich wenig. Für uns stehen Expertisen, bestmögliche Ideen und inhaltliche Zusammenhän-ge im Vordergrund.

Der wissenschaftliche Beirat ist traditioneller-weise auch ein Instrument von Unternehmen, um die Verbindung zur Akademia wachzuhal-ten. Was Ihnen vorschwebt, geht weit darüber hinaus?

Eck: Die heute geforderten schnellen Entwick-lungszeiten sind nur über solche Netzwerke und Kooperationen zu organisieren. Das ist auch der Grund dafür, dass sich die Großindustrie genau auf diesen Weg einlässt. Sie öffnet sich zunehmend für externe Partner und bezieht die KMU-Szene und ganz besonders Biotechnologieunternehmen ein.

Statt eines gesetzten Beirats brauchen wir die jungen Wilden. Wir brauchen die hungrigen, vor Ideen sprühenden Postdocs, Leute, die sich am Puls der Zeit bewegen. Wir bringen uns mit der BRAIN schon sehr erfolgreich in das Netzwerk ein. Diesen Beitrag brauchen wir insgesamt für das Innova-tionssystem. Das wurde und wird durch das BMBF auch erkannt, und der Förderung von Verbundpro-jekten zwischen akademischen Partnern und KMU kommt eine immer größere Bedeutung zu. Außer-dem fördert das BMBF auch direkt diesen wichtigen akademischen Nachwuchs, der auf dem Postdoc-Le-vel steht. Andere Länder schlagen uns um Längen, was die Anzahl an Wissenschaftlern angeht. Wir müssen durch unsere Effizienz überzeugen. Das ge-lingt nur über die Struktur und das Zusammenspiel der Akteure.

Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass nicht jegliche universitäre Forschung mit dem Stempel „anwendungsorientiert“ versehen wird. Wir brau-chen die kreativen Ideen dieser jungen Wilden, deren Realisierungen vielleicht erst in zehn Jahren möglich sind, die aber schon heute die Grundlage für völlig neue Produkte liefern. Innerhalb dieser Arbeitsteilung muss das die Aufgabe der Akademia bleiben.

Diese Struktur wird von den drei Akteuren aner-kannt?

Eck: Die akademische Lehre und Forschung hat sich geöffnet und fragt zunehmend in Richtung der KMU-Industrie nach den Realisierungsmöglich-keiten. Auch der Großindustrie wurde klar, dass sie ihre Türen öffnen und kooperative Netzwerke und Verbünde schmieden muss. Die KMU bilden sehr effizient die Brückenköpfe zwischen Akademie und Großindustrie. Das bedeutet, die Akteure lassen sich auf diese Arbeitsteiligkeit ein.

Lässt sich die Vernetzung auch durch perso-nellen Wechsel und parallele Karrieren in Uni-versitäten und Industrie weiter verstärken?

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Eck: Eine parallele Lehrtätigkeit ist als Unterneh-mer kaum möglich. Dann müsste der Tag viele Stun-den mehr haben. Wir stellen uns aber der Verpflich-tung, unseren Beitrag für akademische Ausbildung zu leisten. So sehe ich auch meine Mitgliedschaft in verschiedenen Beiräten von Hochschulen oder die diversen Vorlesungen und Vorträge an Universi-täten als Beitrag. Zweigleisig fahren wir auch durch

die Verbundprojekte, die auf akademischer Seite häufig von Postdocs und Doktoranden mit bear-beitet werden. Ihnen bieten wir sehr praktischen Einblick in die Arbeit eines Biotechnologie-KMU. Nicht zuletzt beteiligen wir uns an Workshops oder Summer-School-Initiativen, weil ich glaube, dass

wir gerade durch Präsenz und direkte Interaktion mit den Hochschulen die ideenreichen Talente für die industrielle Biotechnologie begeistern können. Und schlussendlich profitieren beide Seiten, die Bio-technologieindustrie und die Universitäten davon.

„Durch direkte

Interaktion mit den

Hochschulen können

wir Talente für die indus-

trielle Biotechnologie

begeistern.“

Könnten auch F&E-Abteilungen der Großindus-trie die Funktion als Brückenköpfe innerhalb der Arbeitsteilung ausfüllen?

Eck: Zwei Dinge sind für den Erfolg im Innovati-onsprozess entscheidend: Zeit und Effizienz. Es geht darum, in kurzer Zeit eine Lösung auf Grundlage der möglichst besten Idee zu haben. Die schnellere und effizientere Lösung wird sich durchsetzen. Und ich behaupte, dass die kooperative Nutzung von bestehenden Einrichtungen, die Einbindung und Integration von spezialisierten Expertisen, sei es aus der KMU-, sei es aus der akademischen Ecke, im Vergleich zur oftmals noch autark organisier-ten Großindustrie der schnellste und effizienteste Weg ist. Die KMU haben bewiesen, dass sie diese Schlagkraft besitzen. Sie bringen den Ideenreichtum der Akademie zusammen mit anwendungsnahem Know-how und industriellen Anforderungen. Mit dieser Arbeitsteilung, bei der auch die Förderung des BMBF von akademischen Forschungsgruppen und Verbundprojekten eine wichtige Rolle spielt, sind wir in Deutschland auf einem guten Weg. Wir sollten dafür sorgen, dass sich diese Struktur weiter ausprägt und durch Förderung noch intensiviert wird.

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Evotec aG

Balance zwischen Plattformtechnologie und Wirkstoffentwicklung

Werner Lanthaler steht seit 2009 an der Spitze von Evotec. Die Investoren des Hamburger Unternehmens setzen große Hoffnungen in den Österrei-cher, der zuvor für die Finanzen bei der Wiener Intercell AG verantwortlich war.

Die 1993 ins Leben gerufene Evotec AG kann mit großen Gründervätern aufwarten: dem Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 1967

Professor Manfred Eigen und mit Dr. Karsten Henco, einem der agilsten Akteure der deutschen Biotech-nologieszene überhaupt. Heute beschäftigt Evotec rund 350 Mitarbeiter, unterhält neben der Zentrale in Hamburg Tochterunternehmen in England und Singapur und ist sowohl an der Frankfurter Wert-papierbörse als auch am NASDAQ Global Market notiert. Die Wurzeln dieses Erfolgs liegen in dem

Hochdurchsatz-Suchsystem „EVOscreen“ und in der Chemieplattform des im Jahr 2000 übernommenen englischen Unternehmens Oxford Asymmetry Inter-national. Aber als reinen Technologielieferanten sahen Henco und sein CEO-Nachfolger Jörn Aldag Evotec nie. Sie wollten auch Wirkstoffe entwickeln. Beides verfolgt Werner Lanthaler, seit 2009 neuer Firmenchef, konsequent weiter. „Wir sind stark“, sagt Lanthaler, „jetzt müssen wir aber unsere Wurzeln weiter festigen, um in Zukunft die eigene Wirkstoffforschung ausbauen zu können.“ Dafür

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will er die führende Position als Allrounddienstleis-ter für die präklinische Forschung der Pharmain-dustrie stabilisieren. Evotec arbeitet mit zahlreichen namhaften Unternehmen der Pharmabranche zusammen. Gegenwärtig bestehen umfangreiche strategische Kooperationen unter anderem mit Boehringer Ingelheim, Novartis und Ono Pharma-ceutical. Die Arzneimittelhersteller binden den Produktoptimierer möglichst weit vorn in der Wert-schöpfungskette ein. Denn, so Lanthaler, „wir haben die Technologien und das Know-how, um aussichts-reiche Kandidaten für unsere Kunden zu finden und weiterzuentwickeln“. So können die Partner schon früh abschätzen, ob ihr Wirkstoff sicher und wirksam ist, was ihnen beim weiteren Projektverlauf viel Zeit und Geld sparen kann. Ein neues Medikament erfor-dert meist Investitionen im dreistelligen Millionen-bereich und Entwicklungszeiten bis zu zehn Jahren. Da ist ein „Frühwarnsystem“ von großem Vorteil.

Risikostreuung durch strategische allianzen

Diese Expertise setzt Evotec auch für die eigene Wirkstoffforschung und -entwicklung ein. Das Unternehmen konzentriert sich hierbei auf drei Indikationsgebiete: Neurowissenschaft, Schmerz und Entzündung. Der neue CEO setzt zur Risiko-streuung verstärkt auf Allianzen. „Ein erster Vor-bote dieser strategischen Fokussierung war die im März begonnene Entwicklungspartnerschaft mit Roche“, sagt Lanthaler. Die Phase-1-Studien des gemeinsamen Kandidaten „EVT 101“ zur Behand-lung von Erkrankungen des zentralen Nervensys-tems verliefen vielversprechend. So konnte unter anderem nachgewiesen werden, dass der Wirkstoff in entscheidenden Gehirnregionen die gewünsch-te Aktivität hervorruft. Der nächste Schritt ist eine Phase-2-Wirksamkeitsstudie an Probanden mit behandlungsresistenten Depressionen. Ein Erfolg des Produktes könnte dieser Patientengruppe neue Hoffnung geben, denn für rund ein Drittel aller an Depressionen leidenden Menschen gibt es bisher kein wirksames Medikament. Auch wirtschaftlich ist das, wie Lanthaler sagt, „hochriskante Projekt“ interessant. Denn, so der CEO, „es ist an einen Markt mit einem Volumen von 3 Milliarden Euro adres-siert, in dem der Wettbewerb extrem gering ist“.

Evotec setzt innovative Technologien ein, um die Erforschung von Wirkstoffen zu verbessern. Das Bild zeigt den Versuch, das Verhalten von primären neuronalen Zellen mittels einer High-Content-Analyse aufzuzeigen.

Ebenfalls vielversprechend verläuft derzeit die Entwicklung des Antagonisten „EVT 401“ zur

Behandlung von Entzündungskrankheiten wie beispielsweise Gelenkrheumatismus. Die Substanz hat sich in ihrer ersten Phase-1-Studie als sicher und gut verträglich erwiesen. Hier finanziert der Phar-makonzern Pfizer die klinische Entwicklung. Ihr Portfolio in diesem Indikationsbereich hat Evotec durch die Übernahme von Renovis im Jahr 2008 gezielt erweitert. In der Pipeline befindet sich aktu-ell ein weiteres Entwicklungsprojekt zur Therapie verschiedener akuter und chronischer Schmerz-zustände.

Frühere Wirkstoffkandidaten wie die zur Rau-cherentwöhnung und zur Behandlung von Schlaf-störungen sind dagegen entweder in der klinischen Entwicklung gescheitert oder wurden nicht wei-tergeführt, weil sich dafür kein geeigneter Part-ner fand. „Wenn alles geklappt hätte, dann wären das heute wichtige Produkte“, sagt Lanthaler. „Fakt ist aber, dass wir mit den Programmen nicht

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erfolgreich waren.“ Umso wichtiger ist es dem CEO, nach vorn zu schauen. Dabei sieht er sich ganz dem Namen der Firma verpflichtet, der diese Zukunfts-gewandtheit unterstreicht. Evotec steht für Evolu-tionary Technology. „Das ist eine kluge Wortkon-struktion“, sagt Lanthaler, „weil sie ausdrückt, dass sich auch Technologien entwickeln.“

Firmenlenkung mit Psychologie und Sachverstand

Seinen ersten Kontakt zu Evotec hatte der aus Österreich stammende Lanthaler als Kunde. Er war zu dieser Zeit Finanzvorstand des Impfstoffherstel-lers Intercell in Wien, den er mit aufgebaut und auf Erfolgskurs gebracht hat. Nicht zuletzt wegen dieser Referenz boten die Investoren dem heute 40-jährigen Manager die CEO-Nachfolge an. In der Hansestadt begrüßten sie ihn augenzwinkernd: „Er

versteht nicht viel von der Biotechnologie, aber es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn ein Österreicher nach Hamburg kommt. Weil Trainer Ernst Happel auch ein Österreicher war. Und der hat den HSV zum Meistertitel geführt.“ So erzählt es Lanthaler. Dass der promovierte Ökonom, Diplom-Psychologe und Politologe viel von der Materie versteht, wissen die Entscheider. Schließlich bewegt sich Lanthaler seit rund 15 Jahren in der Branche. Begonnen hatte er seine Karriere als Consultant bei McKinsey & Company in den USA, für die er unter anderem Pharmaunternehmen in Mexiko und in Europa be-raten hatte. Wie einst dem österreichischen Trainer wird auch Lanthaler sein Geschick in der Menschen-führung helfen, das Hamburger Unternehmen wei-ter an die Spitze zu führen. Denn es gilt: Mindestens die Hälfte der Wirtschaft ist Psychologie. Da kann es nur nützlich sein, wenn ein Profi auch dieser Diszi-plin die Geschicke des Unternehmens lenkt.

Ein Wissenschaftler von Evotec führt in-vitro-pharmakokinetische Experimente durch, um wesentliche Eigenschaften von vielversprechenden Sub-stanzen zu bestimmen.

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MediGene aG

Vorreiter der Medikamentenentwicklung

Mit der Gründung des Biotechnologieunternehmens MediGene wollte Peter Heinrich ein Zeichen setzen: Was in anderen Ländern funktionierte, konn-te in Deutschland nicht verkehrt sein. Aus der Leitung des Unternehmens hat sich der ehemalige Geschäftsführer mittlerweile zurückgezogen.

Die in Martinsried beheimatete MediGene AG konzentriert sich auf die Erforschung und Entwicklung innovativer Medikamente

gegen Krebs- und Autoimmunkrankheiten. Seit ihrer Gründung 1994 gehört MediGene zu den Pionieren der Biotechnologiebranche. So war sie die erste deutsche Biotechnologiefirma überhaupt, die Medikamente auf den Markt gebracht und diese über Partner vertrieben hat. Das rund 130 Mitarbei-ter starke Unternehmen ist inzwischen weltweit aktiv, unterhält Niederlassungen in Oxford und

San Diego und ist als eines der wenigen deutschen Biotechnologieunternehmen im Prime Standard börsennotiert. Auch in den Auswahlindex der Deutschen Börse, den TecDAX, ist MediGene inzwi-schen aufgenommen worden. Neuer Vorstands-vorsitzender ist seit Frühjahr 2009 Frank Mathias. Der promovierte Pharmakologe war ein Jahr zuvor zunächst als Chief Operating Officer zur MediGene gewechselt. Mathias sieht seine Aufgabe als CEO vor allem darin, das Unternehmen langfristig profitabel zu gestalten. Gewinne erzielt MediGene schon jetzt

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mit „Eligard“, einem Medikament für die Therapie von Prostatakrebs. Ein weiteres Präparat, „Veregen“ zur Behandlung von Genitalwarzen, wird seit 2009 in den USA vertrieben. Mathias rechnet in Kürze mit der Zulassung dieses Produkts auch für den gesamten europäischen Markt. Aktuell kann er als Erfolg verbuchen, dass die Pharmafirma Juste aus Madrid die Vermarktungsrechte des Medikaments für Spanien und Portugal erworben hat. MediGene bleibt an künftigen Gewinnen in Form von Meilen-steinzahlungen beteiligt.

Mathias hat das Zepter von dem langjährigen CEO und Mitgründer Peter Heinrich übernom-men. Der promovierte Biochemiker hatte das Unternehmen als Ausgründung des Münchner Genforschungszentrums begonnen und gilt als ein „Urgestein“ der deutschen Biotechnologie-branche. Zur Gründungsgeschichte gibt Heinrich Auskunft: „Der Impuls kam aus unseren damals geführten Diskussionen. Wir fragten uns, warum es in den USA und in Japan Biotechnologieun-ternehmen gibt und hier in Deutschland nichts passiert.“ Zusammen mit zwei weiteren Gründern zog er daraus die Konsequenz und beschloss, mit dem eigenen Unternehmen ein Signal zu setzen. Seine Erfahrungen aus der Industrie hätten ihn

zusätzlich angespornt, so Heinrich. Dort konnte er als Manager zwar auch viel bewegen, letztlich fehlte ihm aber der genügend große Freiraum für die eigene Kreativität.

Seine erste Herausforderung als Unternehmer bestand im Einwerben von Kapital. Heinrich entwi-ckelte federführend die Geschäftspläne. „Damals gab es kaum Venture-Capital-Geber“, sagt er, „und kaum jemand hat in Lifescience investiert.“ Den-noch gelang es ihm, einen Finanzier zu gewinnen, der den Visionen der Gründer gegenüber offen-stand.

Premiere in der anschubfinanzierung

Mit ihrem Kapitalgeber hatten sie eine Investition in Höhe von 2 Millionen D-Mark ausgehandelt. „Tatsächlich brauchten wir für den Start die drei- bis vierfache Summe“, sagt Heinrich. Entscheidend geholfen hätten die Förderprogramme des For-schungsministeriums, die vom Projektträger Jülich koordiniert wurden, sowie eine stille Beteiligung der früheren Technologiebeteiligungsgesellschaft (TGB). „Mit diesem Finanzierungspaket aus priva-tem Kapital und staatlicher Förderung waren wir absolute Vorreiter“, sagt Heinrich.

MediGene entwickelt Medikamente gegen Krebs und Immunerkrankungen. Das erste Mittel, mit dem das Unternehmen an den Markt ging, war ein Hormonpräparat zur Behandlung von Prostatakrebs. Das Bild zeigt Prostatakarzinome in einer Falschfarbenaufnahme.

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Laborarbeiten bei MediGene. Der von dem Unternehmen entwickelte Medikamentenkandidat EndoTAG-1 befindet sich derzeit in der zwei-ten Phase der klinischen Erprobung. Die dritte Phase wird voraussicht-lich 2011 beginnen.

Nachdem es ihm geglückt war, die stark for-schungsorientierte Biotechnologiefirma in profi-table unternehmerische Strukturen zu überfüh-ren, folgte im Jahr 2000 der Gang an die Börse in Frankfurt. Doch trotz allen Erfolgs blieben dem Unternehmen auch Rückschläge nicht erspart. Bei einem von der damaligen Höchst AG unterstützten Medikamentenkandidaten kam es in den klinischen Studien zu Komplikationen. Grundlage für die Substanz war die erfolgreiche Entschlüsselung von Genen, die bestimmte Herzerkrankungen verursa-chen. Da die schwer herzkranken Patienten neben dem neuen Medikament gleichzeitig mit ihren Standardtherapien weiterbehandelt wurden, ist es möglicherweise durch diese Kombination bei

einigen der Probanden zu problematischen Neben-wirkungen gekommen. „Wir haben damals das Projekt abgebrochen“, so Heinrich. „Ich sage jetzt, das hätte nicht sein müssen. Wir waren eben noch relativ unerfahren.“ MediGene hatte sich anschlie-ßend komplett aus dem Bereich der Kardiologie zurückgezogen.

Sieben Jahre Marktexklusivität

In der Pipeline befinden sich heute Wirkstoffe zur Behandlung von rheumatoider Arthritis, therapeu-tische Impfstoffe und sogenannte onkolytische Viren. Hierbei handelt es sich um gentechnisch ver-änderte Herpes-Simplex-Viren, die sich ausschließ-lich in Tumorzellen vermehren und diese zerstören.

Große Chancen versprechen sich Mathias und sein Team mit ihrem derzeit führenden Medika-mentenkandidaten „EndoTAG“ gegen Bauch-speicheldrüsenkrebs. „Wir konnten mit unserer kontrollierten Phase-II-Studie bereits sehr positive Ergebnisse veröffentlichen“, sagt Mathias. Der Wirkstoff greift selektiv Endothelzellen an, die die Tumorblutgefäße versorgen. Dies verhindert zugleich das Wachstum neuer Gefäße, und das weitere Tumorwachstum wird unterbunden. Die Plattformtechnologie, die auf diesem Prinzip auf-baut, wird derzeit auch in der Indikation Brustkrebs erprobt. „EndoTAG könnte eine Alternative oder Er-gänzung zur herkömmlichen Chemotherapie wer-den“, sagt Mathias. „Unser Präparat birgt ein sehr großes Potenzial.“ Zu dieser vielversprechenden Entwicklung kann der CEO aktuell einen weiteren Erfolg vermelden. In den USA erhielt MediGene für ihren Kandidaten den Orphan-Drug-Status. Damit garantiert die amerikanische Zulassungsbehörde dem Hersteller ab dem Stichtag der Medikamenten-zulassung für sieben Jahre Marktexklusivität.

So ist eine weitere wichtige Weiche in Richtung prosperierender Unternehmensentwicklung ge-stellt. Ob bereits jetzt die nächsten „sieben fetten Jahre“ für MediGene angebrochen sind, wird die Zu-kunft zeigen. Die Vorzeichen für eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte jedenfalls stehen gut.

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VITa 34 aG

Erste und größte Nabelschnurblutbank in Deutschland

Für Eberhard Lampeter, den Gründer von VITA 34, ist es auch persönlich befriedigend, dass mit den eingelagerten Stammzellen Krankheiten wie Krebs oder Diabetes besser behandelt werden können.

Rund 60.000 Präparate lagern heute in der Bio City Leipzig, dem Firmensitz der Vita 34 AG. Große Stickstofftanks beherbergen bei minus

200° Celsius die in temperaturresistenten Spezial-beuteln eingelagerten Stammzellen. Denn Vita 34 ist die erste und größte Nabelschnurblutbank für die Eigenversorgung in Deutschland. Das 1997 zu-nächst als GmbH gestartete Unternehmen wird von dem Gründer Eberhard Lampeter geführt, der sich damit seinen Lebenstraum erfüllt hat: möglichst vielen Neugeborenen alle Chancen der modernen

regenerativen Medizin offenzuhalten. Der Name Vita 34 hat einen hohen Wiedererkennungswert und könnte kaum treffender sein: Vita als Begriff für den Schutz des Lebens wird ergänzt durch die Zahl 34, die für das Oberflächenmolekül steht, das die blutbildenden Stammzellen charakterisiert. „Mir schwebte Vita als Begriff schon seit längerer Zeit vor“, sagt Lampeter. Doch ihm und seinem Finanz-investor klang der Name noch zu unspezifisch und zu sehr nach Nahrungsmittel oder Konsumgut. „Können wir nicht eine Zahl ranhängen?“, schlug

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der Kapitalgeber vor. In dem Moment wurde Lam-peter klar, wie seine Firma heißen soll. „Für die Na-mensfindung haben wir gerade mal zehn Minuten gebraucht.“

10.500 Fachärzte und Hebammen zur nabelschnurblutentnahme geschult

Im Vergleich zum Tempo der Namensfindung brauchten die Gründer für die nächsten Schritte ei-nen längeren Atem. „Wir hatten eine hochwertige Technologie, aber keine Kunden“, sagt Lampeter. Die besondere Herausforderung habe darin bestan-den, von Beginn an dezentral zu arbeiten. Ihr Ziel war es, alle Gynäkologen, Hebammen und Geburts-helfer der rund 900 Entbindungskliniken und -pra-xen im deutschsprachigen Raum zu erreichen und Weiterbildungen zur Entnahme von Nabelschnur-blut anzubieten. Inzwischen ist das Vita-34-Team mit rund 10.500 geschulten Fachkräften diesem Ziel bereits sehr nahe gekommen.

„Wir hatten Entwicklungsaufgaben übernom-men und einen völlig neuen Service in das Gesund-heitssystem eingeführt“, erklärt der promovierte

Immunologe die Hintergründe der anfangs knap-pen Liquidität. Schließlich half die staatliche Tech-nologiebeteiligungsgesellschaft (TBG) die lange Startphase zu überwinden. Zusätzlich standen Gelder aus dem FUTOUR-Programm des Bundes-forschungsministeriums zur Verfügung. Mit diesen Mitteln konnte die Firma eine neue Technologie der Nabelschnurblutgewinnung, -aufbereitung und -lagerung entwickeln. Vita 34 arbeitet nach dem höchsten internationalen medizinischen Standard, der Good Manufacturing Practise (GMP). Diese garantiert, dass die Präparate binnen 24 Stunden nach der Entnahme ins staatlich akkreditierte Rein-raumlabor nach Leipzig befördert werden. Dieses Zeitlimit wird nicht nur innerhalb Deutschlands eingehalten, sondern auch bei Transporten aus der Schweiz, Österreich und seit Neuestem auch aus Slowenien und Spanien.

Die Stammzellen werden in Spezialbehältern gelagert, wo sie nur geringfügig altern. „Sie sind mindestens ein Leben lang nutzbar“, sagt Lampeter.

Das Nabelschnurblut wird dabei ausschließlich in eigens dafür entwickelten Boxen transportiert. Die wertvolle Fracht gelangt darin gut geschützt per Spezialkurier von der Entbindungsklinik ins Labor. Wichtig ist, die Temperatur des Präparats konstant zu halten. Ein Chip registriert deshalb die

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Temperatur im Inneren des Transportbehälters und zeichnet diese vom Zeitpunkt der Versendung bis zum Eintreffen im Labor auf. Umfangreiche Tests und sterile Arbeitsbedingungen im Labor garantie-ren, dass das wirksame Nabelschnurblutpräparat bei Bedarf sofort verfügbar ist. Für diesen reibungs-losen Ablauf sorgen die mehr als 110 qualifizierten Mitarbeiter der seit 2007 an der Frankfurter Börse notierten Aktiengesellschaft.

nabelschnurblutstammzellen besonders vital

Stammzellen aus Nabelschnurblut sollen zukünftig in der Krebs-therapie, bei Autoimmunkrankheiten, bei Diabetes Typ 1 sowie zur Regeneration bei Hirnschädigungen eingesetzt werden.

Die in den Spezialbehältern eingelagerten Stamm-zellen altern nicht signifikant, sagt Lampeter. „Sie sind mindestens ein Leben lang nutzbar.“ Die Kun-den sind in der Regel gut über die Technologie und das Verfahren informiert. Einem einmaligen Betrag bei der Entnahme folgen geringe jährliche Gebüh-ren für die fachgerechte Lagerung. Neben dem Eigenbedarf gibt es auch die Möglichkeit, Nabel-

schnurblut zu spenden. Vita 34 bietet in Zusammen-arbeit mit dem Norddeutschen Knochenmark- und Stammzellspenderregister (NKR) diese Möglichkeit, um so weltweit Patienten zu helfen, die eine Stamm-zellspende benötigen. Seit 2007 gibt es außerdem die „VitaplusSpende“. Ein Einlagerungsmodell, von dem sowohl die Spender als auch das Stammzell-spenderregister profitieren. Das Präparat steht als Spende zur Verfügung, allerdings kann der Spender ebenfalls darauf zurückgreifen. Kosten für Entnah-me und Lagerung werden erst bei Bedarf fällig.

Für Lampeter bedeuten die Stammzellen von Neugeborenen eine „sehr wichtige Ressource der Natur“. Denn sie haben gegenüber den später aus dem Knochenmark gewonnenen Zellen den Vorteil, dass sie keinen Umwelteinflüssen und Infektionen ausgeliefert waren. Sie sind gut verträglich und zudem flexibel, sodass sie sich in viele verschiedene Körperzellen differenzieren können. Der Vorteil der eigenen im Vergleich zu gespendeten Stamm-zellen liegt darin, dass Immunreaktionen, wie sie bei Fremdtransplantaten auftreten, ausgeschlossen werden. Stammzellen aus Nabelschnurblut werden heute weltweit zunehmend in der Krebstherapie, bei Autoimmunkrankheiten, bei Diabetes Typ 1 sowie zur Regeneration bei Hirnschädigungen eingesetzt.

Inzwischen wurden auch in Deutschland erste Therapien mit Nabelschnurblut erfolgreich durch-geführt. In Bochum wurde zum Beispiel ein zwei-jähriger, schwer hirngeschädigter Junge mit bei Vita 34 eingelagertem Nabelschnurblut behandelt. Sieben Wochen nach der Transplantation zeigte der zuvor spastische Junge deutliche Verbesserungen in Motorik und Verhalten. Er war in der Lage, selbst-ständig zu essen, interagierte mit seiner Umwelt, begann zu sprechen, zu laufen und zu lachen. „Als wir die Videos der Ärzte sahen, waren wir zutiefst bewegt“, sagt Lampeter. Es sind Erfolge wie dieser, die die großen Hoffnungen in diese Technologie begründen.

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9� BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

„Der internationale Wettbewerb erfordert den Schulterschluss der Regionen“ Horst Domdey, Geschäftsführer von BioM, über den ansatz des Münchner Biotechnologieclusters und die Kunst, aus Solisten einen wohlklingenden Chor zu formen

Horst Domdey ist Mitgründer des Biotechno-logieunternehmens Medigene, Vorstandsmit-glied von BiO deutschland und sprecher des bayerischen Biotechnologieclusters. seit 1997 steht er an der spitze von BioM, einer Techno-logietransfergesellschaft aus Martinsried. im Jahr 1996 führte er die Biotechnologieregion München zum gewinn des Bioregio-wettbe-werbs. damals arbeitete er als Biochemiker am Münchner genzentrum.

Worin bestehen die primären Aufgaben der BioM

Biotech Cluster Development GmbH?

Horst Domdey: Die BioM GmbH ist eine öffent-lich finanzierte Fördereinrichtung für die Münch-

ner Biotechnologie. Die Aufgaben umfassen die Beratung, Information, Weiterbildung und Vernet-zung von Akteuren aus Wissenschaft und Wirt-schaft der Biotechnologie und inhaltlich benach-barter Branchen. Außerdem gibt es mit der BioM AG eine davon separate Einheit, die ein eigenständiges Finanzierungsinstrument für junge Unternehmens-gründer ist.

Wie kam es zur Gründung?

Domdey: Der maßgebliche Anlass für die Grün-dung der BioM AG war der Sieg im BMBF-BioRegio-Wettbewerb im Jahr 1996. Dies erforderte die Schaf-fung einer Institution, welche die erhaltenen Pro-jektfördergelder und deren Verteilung zum An-schub von Start-up-Konzepten koordinierte. Die Aufspaltung in die Einheiten „AG“ und „GmbH“

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ist aber erst vor wenigen Jahren vorgenommen worden.

Warum ist es überhaupt sinnvoll, ein Cluster für die regionale Entwicklung im Bereich der Biotechnologie zu entwickeln?

Domdey: Die Erfolgsgeschichte des Münchner Biotechnologieclusters ist wohl die beste Ant-wort auf diese „Sinnfrage“: Am Anfang stand die Entwicklung und gezielte Hilfestellung für eine damals kaum existente Branche in Deutschland, die Biotechnologie. Zwar waren bereits rund 30 Biotechnologiefirmen in Martinsried und München gegründet worden, die größere Aufmerksamkeit – insbesondere von Investoren – konnte aber erst mit der erfolgreichen Beteiligung beim BioRegio-Wett-bewerb erzielt werden. Durch das damit parallel auf den Weg gebrachte „Clusterentwicklungsmanage-ment“ gelang es, die circa 25 Millionen Euro Förder-mittel des BMBF als effektiven Anschub wirken zu lassen. Rückblickend konnten in den vergangenen zwölf Jahren zusätzlich mehr als 2 Milliarden Euro an privatem Kapital akquiriert werden. Mehr als 100 Firmengründungen hat dabei unsere Gesell-schaft begleitet. Heute haben wir über 120 sehr sta-bile Biotechnologieunternehmen im Großraum München. Das sind 120 mehr als 1989!

Arbeiten Sie auch mit Universitäten und For-schungseinrichtungen zusammen?

Domdey: Sehr intensiv! Gerade der Münchner Biotechnologiecluster zeichnet sich dadurch aus, dass die überwiegende Mehrheit der Firmengrün-dungen aus den Forschungsinstituten der Hochschu-len sowie der Max-Planck- und Helmholtz-Institute kommt. In anderen europäischen Spitzenclustern waren und sind es eher die Spin-offs großer Pharma-firmen, die die Gründungsszene dominieren. Die Zusammenarbeit mit der akademischen Szene hört aber mit einer Firmengründung nicht auf, sondern geht danach unter dem Vorzeichen einer stärkeren Anwendungsorientierung intensiv weiter. Wir ver-stehen uns als eine unabhängige und nach allen Seiten offen agierende Technologietransfereinrich-tung, die mit viel Know-how gerade die schwierigen ersten Schritte erleichtern kann.

Ist dies ein Konzept, das passgenau für Bayern entwickelt wurde, oder greift diese Strategie auch in anderen Regionen?

Domdey: Das Münchner Biotechnologiecluster hat in der Tat schon an anderen Standorten Pate gestanden. Es ist also durchaus in großen Teilen übertragbar. Aber man braucht dann tatsächlich auch die gleichen Voraussetzungen, und die sind nicht überall in gleicher Art und Weise gegeben. Wir hatten von Anfang an ein schlagkräftiges Team, das sich im Laufe der Jahre immer noch weiter

steigern konnte. Und wir hatten die exzellente Wissenschaftsszene, die nicht aufgehört hat, immer wieder neue, innovative Unternehmenskonzepte zu generieren. Außerdem hatten und haben wir eine wirtschaftsliberale Politik, die Ausgründungen aus den Instituten schon seit Anfang der Neunzigerjah-re wohlwollend begleitet hat. Von Anfang an war man nicht auf Fördergelder für jede x-beliebige Idee fixiert, sondern die Konzepte mussten immer den wirtschaftlichen Erfolg im Fokus haben.

„Innerhalb Deutschlands setzen wir auf Kooperation mit den anderen deut-schen Biotechnologie-regionen.“

Was sind für Sie die spezifischen Merkmale Ihres Modells?

Domdey: Insbesondere unser Konzept der Anschubfinanzierung mit privatem Seed-Kapital erwies sich als eine zumindest in den Neunziger-jahren ziemlich einzigartige Strategie, die wir auch erfolgreich umsetzen konnten. Der von uns erzielte Mobilisierungsfaktor von weiterem Kapital liegt bei circa 40. Es konnte also mit circa 8 Millionen Euro investiertem Seed-Kapital mehr als 300 Millionen Euro privates Investitionskapital mobilisiert wer-den. Auf diesen Erfolg sind wir schon ein wenig stolz. Natürlich gab es auch eine Reihe von Misser-folgen, die will ich hier gar nicht verschweigen. Man

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kann und darf sie bei dieser Vorgehensweise nicht ausschließen, sie gehören einfach dazu.

Stehen Sie eigentlich in Konkurrenz mit Insti-tutionen und Gesellschaften, die die Cluster-bildung der Biotechnologieforschung und -entwicklung in anderen Regionen des Bundes-gebietes forcieren, oder gibt es da eine Zusam-menarbeit?

Domdey: Unsere wirklichen Wettbewerber sehen wir eher in der internationalen Szene. Innerhalb Deutschlands setzen wir daher eher auf Kooperation mit den anderen deutschen Bio-technologieregionen. Dies wird wohl am ehesten dadurch belegt, dass wir vor circa fünf Jahren die Bildung eines „Arbeitskreises der BioRegionen Deutschlands“ initiiert haben. Eines der Ziele dieses Arbeitskreises war und ist, neue Konzepte in der Förderpolitik zu entwickeln und an die Politik her-

anzutragen. Außerdem versuchen wir, uns durch den gemeinsamen Schulterschluss als ein großes deutsches Biotechnologiecluster zu präsentieren. Für einen Investor aus den USA oder Asien wollen wir uns vorzugsweise als eine geschlossene wett-bewerbsfähige Region darstellen. Die erfolgreiche Entwicklung eines Medikaments in Berlin oder Hamburg ist aus diesem Grund auch für die Ver-marktung des Münchner Standorts durchaus ein positiver Faktor.

„Kein Geld der Welt kann die klugen Köpfe ersetzen, die man als Basis für Innovation am dringendsten benötigt.“

Wie wichtig ist die staatliche Förderung bei der Bildung von Clustern und vor allem, wie wichtig ist sie überhaupt für den Bereich der Biotechno-logie und für die Gründung von Unternehmen?

Domdey: Für die Entwicklung einer Hochtech-nologiebranche wie der Biotechnologie ist ein gutes Clustermanagement nicht zu unterschätzen. Allerdings kann dies nicht von den Start-up-Unter-nehmen selbst finanziert werden. Diese Gelder muss daher der Staat zur Verfügung stellen. Und auch etablierte Unternehmen sind wegen des hohen Risikos ihrer Technologie- oder Produktent-wicklungen auf staatliche Fördergelder angewie-sen. Nur so können laufend Innovationen generiert werden. Am wichtigsten ist aber in jedem Fall das private Kapital, um wirtschaftliche Realisierbarkeit gewährleisten zu können. Doch alles Geld dieser Welt kann nicht die klugen Köpfe ersetzen, die man als Basis für Innovation am dringendsten benötigt. Die Förderung der wissenschaftlichen und tech-nologischen Basis an unseren universitären und außeruniversitären Forschungsinstitutionen ist und bleibt daher essenziell.

Was sollte Ihrer Meinung nach insbesondere von der politischen und administrativen Seite aus unternommen werden, damit die Biotechnolo-gie in Deutschland eine positive Zukunft hat und eine führende Rolle auch im internationalen Vergleich einnimmt?

Domdey: Die Zukunft liegt in der Grundlagen-forschung; daher muss diese exzellent sein. Und sie muss frei sein von allzu viel gesetzgeberischer Bedenkenträgerei, wie es beispielsweise dieser Tage bei der „grünen Gentechnik“ geschieht. Die größten Probleme liegen derzeit wohl in den gesetzlichen Rahmenbedingungen des Investitionsbereichs. Unsere Unternehmenssteuergesetze locken auslän-dische Investoren nicht an, sondern sie schrecken sie ab. Man muss sich nicht wundern, dass Inves-toren aus dem Ausland – und im Übrigen auch die aus dem Inland – lieber in unseren Nachbarländern investieren. Die Folge wird schließlich sein, dass die Unternehmen dem Kapital folgen und auch ins Aus-land gehen werden. Hier besteht ein immens großer Handlungsbedarf.

Was sind Ihre größten Erfolge bei Ihrer bishe-rigen Tätigkeit als Geschäftsführer von BioM? Sie sprachen auch Fehlschläge an? Was waren die Ursachen dafür? Gibt es ein Muster für Erfolg – oder auch Misserfolg – bei Gründungen inner-halb der Branche?

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99 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

Domdey: Bei der großen Vielfalt und hohen Komplexität unseres Aufgabenbereichs gibt es verständlicherweise nicht nur Erfolge. Wichtig ist, dass die Zahl und Qualität der Erfolge die der Misserfolge deutlich überwiegt. So präsentiert sich erfreulicherweise auch die Geschichte der BioM und des von ihr betreuten Münchner Biotechnologie-

clusters. Zu den Erfolgen zähle ich in erster Linie die siegreichen Bewerbungen beim BioRegio-Wett-bewerb und beim Wettbewerb BioIndustrie 2021. Bei vielen der zahlreichen positiven Förderzuwen-dungsbescheide war die unterstützende Hand des BioM-Teams auch nicht ganz unwichtig. Was die Misserfolge betrifft, so war es interessanterweise so gut wie niemals ein Scheitern der Technologie oder der Wissenschaft, auf deren Basis das Unternehmen gegründet worden war. In den allermeisten Fällen lag der Grund in einer unzureichenden Qualität des Managements oder in der mangelnden Kompetenz einer Reihe von Investoren. Es genügt also bei einer Unternehmensgründung nicht, dass Wissenschaft und Technologie den notwendigen Anforderungen entsprechen, sondern genauso wichtig ist die Qua-lität des Managements und der Investoren. Und da haben wir offensichtlich in einigen Fällen bei deren Selektion nicht unbedingt ein glückliches Händ-chen gehabt.

„Seien Sie bei der Aus-wahl Ihrer Mitstreiter genauso vor- und um-sichtig wie bei der Wahl Ihres Ehepartners.“

Welche Tipps und Anregungen können Sie künf-tigen Gründern geben, die den Aufbau eines

Unternehmens im Bereich der Biotechnologie planen?

Domdey: Suchen Sie sich einen Standort mit exzellenter wissenschaftlicher Basis für Ihr Unter-nehmenskonzept. Suchen Sie sich einen vertrau-enswürdigen Berater, der einerseits die Kompetenz besitzt, Ihren Businessplan in jeglicher Hinsicht zu verstehen und zu beurteilen, und dem es in erster Linie darum geht, dass Ihr Unternehmenskonzept erfolgreich umgesetzt wird. Und arbeiten Sie vor-zugsweise in einem Team, wobei Sie hier bei der Auswahl Ihrer Mitstreiter genauso vor- und umsich-tig sein sollten wie bei der Wahl Ihres Ehepartners. Wenn Sie nämlich erfolgreich sind, werden Sie wahrscheinlich mehr Zeit mit Ihren Geschäftspart-nern verbringen als mit Ihrem privaten Ehepartner.

Was sind Ihre Planungen und Visionen für die Zukunft?

Domdey: Die Zukunft mag ja in den Augen vieler als sehr düster erscheinen. Man muss ja nur jeden Morgen die Zeitung aufschlagen. Ich sehe unsere Zukunft allerdings überhaupt nicht so schwarz, nicht in unserer Branche und nicht an unserem Münchner Standort. Vielmehr glaube ich, dass Innovationen und „Hightech“ eine Re-naissance erfahren werden und dass die Ressource Wissen in Zukunft mit sehr viel mehr Fördermitteln unterlegt werden muss und wird. Für den Münch-ner Biotechnologiecluster wünsche ich mir ganz konkret, dass er in den nächsten 10 Jahren so etwas wie eine Transformation zu einem noch viel stärker interagierenden Lifescience-Campus erfährt. Wir haben in unserem jetzigen Cluster viele hoch aufra-gende Leuchttürme, sowohl im wissenschaftlichen als auch im industriellen Bereich, die sich zwar sehr wohl wahrnehmen, aber noch nicht die vielen Möglichkeiten einer intensiven Interaktion nutzen. Die Aufgabe von BioM könnte und sollte also vor allem darin bestehen, dass aus den wohlklingenden Arien vieler einzelner Solisten ein imposanter Chor wird, aus dem dann auch immer wieder einmal eine besonders prächtige Arie eines einzelnen herausge-schmettert werden kann und wird.

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100 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

metanomics GmbH

Hermeneutik der Gene als Geschäftsidee

Arno Krotzky hat sich mit seinem Unternehmen frühzeitig darauf spezialisiert, die Funktionen von Genen zu untersuchen. Kunden aus aller Welt greifen mittlerweile auf das Wissen und die Erfahrungen von metanomics zurück.

Zu einer Zeit, als alle Welt hinter der Sequen-zierung des menschlichen Genoms herlief, haben wir uns auf die Entschlüsselung der

Funktion von Genen spezialisiert. Viele haben uns damals deswegen für verrückt erklärt“, sagt Arno Krotzky, Managing Director von metanomics. Gegründet wurde die Biotechnologiefirma 1998 als Joint Venture von der BASF und leitenden Wissen-schaftlern aus dem Kreis um Professor Lothar Will-mitzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Mole-kulare Pflanzenphysiologie in Golm. Krotzky, der

zuvor in leitender Funktion in der BASF-Forschung für den Bereich Pflanzenschutz in North Carolina, USA, tätig war, verantwortet seither als Geschäfts-führer die Ausrichtung des Berliner Unternehmens. Heute ist metanomics weltweit führend bei der Bestimmung von Genfunktionen in Pflanzen. Im Vergleich zu anderen Start-ups fanden die metano-mics-Gründer allerdings eine „komfortable Situati-on“ vor, sagt der promovierte Biochemiker. In den ersten fünf Jahren sponserte die BASF das Unterneh-men mit rund 25 Millionen Euro. Zusätzlich flossen

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Fördergelder aus dem BMBF in die Firma ein. Auch wenn diese staatliche Förderung nur einen relativ bescheidenen Teil des Budgets ausmachte, sei die moralische Unterstützung durch die Politik für das Unternehmen gerade in seiner Gründungsphase enorm wichtig gewesen.

Täglich mehrere Hunderttausend analyseergebnisse

270.000 Experimente an der Modellpflanze Acker-schmalwand (Arabidopsis thaliana) hat die Firma insgesamt durchgeführt. Die Herausforderung be-stand darin, das komplette Genom des Wildkrauts zu identifizieren und gleichzeitig zu erfassen, welche Funktion jedes der einzelnen Gene anspricht. Mit die-ser Kenntnis sollen unter anderem stressresistentere und ertragreichere Nutzpflanzen gezüchtet werden.

Mitarbeiter von metanomics begutachten im Gewächshaus gentechnisch veränderte Ackerschmalwand-Pflanzen.

Im sogenannten Knock-out-System konnte be-stimmt werden, welche Veränderungen am Ende beim Stoffwechsel der Pflanze herauskommen, wenn einzelne Gene „ausgeschaltet“ werden. Außerdem wurden Tausende Gene einzeln in die Pflanzen übertragen. Dazu dienten Agrobakterien, natürliche Bodenbakterien, die auch in der Natur ihre Gene in Pflanzen einbauen können. Bei diesem komplexen Analyseverfahren werden Stoffwech-selprodukte, die Metabolite, als „Sensoren“ für den

Funktionszustand der Pflanze abgefragt. Heute be-sitzt das Unternehmen Wissen über das komplette Genom einer Pflanze, einer Mikrobe und einer Hefeart. Das bedeutet, metanomics hat Kenntnis von insgesamt mehr als 55.000 Genen und ihren spezifischen Funktionen.

In ihren Laboren prüfen die rund 100 Fachkräfte des Unternehmens die gelieferten Proben auf Ver-änderungen bei bis zu 10.000 Metaboliten. Dafür stehen ihnen 70 firmeneigene Massenspektrometer zur Verfügung. Die Analysen erfolgen auf Basis von zwei miteinander kombinierten Wegen, der Hoch-druckflüssigkeits- und der Gas-Chromatografie. Ar-beitsroboter in den Laboren sorgen für fortlaufend gleiche Abläufe und Bedingungen. Die Software für die speziell ausgerichteten IT-Hochleistungssys-teme ist zum großen Teil selbst entwickelt.

Diese Expertise überzeugt Auftraggeber aus der ganzen Welt. Pro Jahr erreichen das Berliner Unter-nehmen die Lieferungen von mehr als 100.000 Pro-ben mit jeweils 1.000 bis 9.000 Daten. Täglich wer-den im Schnitt rund 320.000 Analyseergebnisse automatisch generiert. Ihre Erkenntnisse über die technische Nutzung von Genfunktionen speichert metanomics jährlich in rund 40 Millionen Da-tenfiles. „Wir sind State of the Art“, sagt Krotzky: „Dieses Wissen ist unser Kapital.“ Das hat sich

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metanomics in Schutzrechten gesichert. Im Schnitt kommt alle fünf Tage ein neues Patent hinzu.

Früherkennung von alzheimer und anderen Krankheiten

Der Geschäftsführer weist zudem auf Synergien zwischen den verschiedenen Bereichen der Biotech-nologie hin. So können mithilfe von Metaboliten-Messungen beispielsweise Stoffwechselverände-rungen beim Menschen und damit Krankheiten in sehr frühen Stadien oder sogar noch vor ihren Ausbrüchen erkannt werden. Dies ist beispielsweise für die Prophylaxe der Alzheimerkrankheit interes-sant.

Ein weiteres wichtiges Feld für die Pharmain-dustrie liegt in der Prognose der Wirksamkeit von Medikamenten und möglicher Nebenwirkungen bei bestimmten Patienten. Mithilfe der Metabo-liten-Analytik kann vermutlich schon bald voraus-gesagt werden, welches Medikament bei spezifisch konditionierten Patienten anschlagen wird und welches Pharmazeutikum für ihre Therapie ausge-schlossen werden kann. Diese Konvergenz zwischen grüner und roter Biotechnologie ist inzwischen zu einem wichtigen Geschäftsfeld der 2003 gegründe-ten metanomics Health geworden, ebenfalls einer Tochter der BASF Plant Science und von Krotzky mitgeleitet.

Das vielfältige Engagement von Krotzky doku-mentiert sich auch in seiner Funktion als Mitgrün-der der „Generation 21“, einer Initiative der deut-schen Biotechnologieindustrie und des Verbandes der chemischen Industrie (VCI), die sich dafür ein-setzt, über Nutzen und Risiken der Gentechnologieaufzuklären.

Hightech im metanomics-Labor: Mitarbeiter prüfen, wie sich in den Proben die Metabolite verändert haben.

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SunGene GmbH

Bodenständiges Unternehmen im Wandel

Seit Jens Lerchl an der Spitze von SunGene steht, konzentriert sich das Unternehmen auf Dienstleistungen für externe Auftraggeber. Schwerpunkte sind hier die Charakterisierung gentechnisch veränderter Pflanzen, die wie hier gezeigt auch unter sterilen Bedingungen angezogen werden. Aber auch die Bioinformatik stellt inzwischen einen wichtigen Tätigkeitsschwerpunkt von Sungene dar.

Eine der führenden Adressen für Pflanzenbio-technologie in Deutschland liegt im Nordharz nahe Quedlinburg auf einem idyllischen Areal

am Rande des Dorfes Gatersleben. 1998 gründete sich dort die SunGene GmbH. Neben der Tochter der BASF Plant Science GmbH haben sich noch gut ein Dutzend weitere Unternehmen und Einrich-tungen der sogenannten grünen Biotechnologie in unmittelbarer Umgebung niedergelassen. Grund ist die exklusive Nachbarschaft des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung

(IPK), das ein internationales Renommee im Bereich der Pfanzengenforschung genießt. Außerdem ver-fügt das IPK über eine der größten Pflanzengen-Datenbanken der Welt, die „bundeszentrale ex-situ Genbank landwirtschaftlicher und gärtnerischer Kulturpflanzen“. Für den Ort spricht auch seine geo-grafische Lage, sagt Jens Lerchl, Geschäftsführer der SunGene: „Der Boden hier in der Börde, im Wind-schatten des Brockens, ist sehr hochwertig. Die kli-matischen Bedingungen sind besonders günstig.“ Außerdem sieht Lerchl in dem Vernetzungsgedan-

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ken einen entscheidenden Standortvorteil für die SunGene. Diesen will der promovierte Biochemiker, der innerhalb der BASF-Gruppe von Schweden in den Harz wechselte, künftig noch stärker ausbau-en. Deshalb engagiert sich Lerchl zusätzlich als Sprecher von „Green Gate Gatersleben“. Mit dieser Initiative wollen die in der Region ansässigen Unternehmen und Forschungseinrichtungen den Standort durch ein besonders inspirierendes und servicefreundliches Umfeld noch attraktiver ma-chen. Dafür wollen sie lokale Entscheidungsträger und Politiker mobilisieren und deren Unterstüt-zung einholen.

Die BASF wollte mit ihrer Beteiligung an der als Joint Venture gegründeten SunGene das Ziel errei-chen, externes Know-how im Bereich des Metabolic Engineerings aufzunehmen. Weitere Partner waren das IPK und Professor Uwe Sonnewald, Leiter der Abteilung Molekulare Zellbiologie des IPK. Eben-falls mit dabei war Dr. Karin Herbers, die als wissen-schaftliche Direktorin für die SunGene verantwort-lich zeichnete. Sonnewald und seine ehemalige Mitarbeiterin Herbers haben sich inzwischen aus dem Unternehmen zurückgezogen.

Mit der Übernahme der Leitung in 2005 durch Lerchl änderte sich auch die Strategie der SunGene entscheidend. Das Ziel, durch eigene Produkte Pflanzen und Gene effizient zu nutzen, musste der Umgestaltung des Unternehmens zu einem pro-fitablen Serviceanbieter weichen. Hintergrund ist die schwierige Gesetzeslage in Europa. „Auf abseh-bare Zeit wird es in Europa keine neuen Projekte mehr geben, da die Umsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für gentechnisch veränderte Pflanzen unzureichend sind“, sagt Lerchl. Nach den 2008 erfolgten Umstrukturierungen beschäftigt das Unternehmen heute 47 Fachkräfte.

Von agrarprodukten zu IT-gestützten Dienstleistungen

Ein Hauptgeschäftsfeld dieser neuen Ausrichtung liegt in der Charakterisierung von gentechnisch ver-änderten Pflanzen. Die Aufträge und Lieferungen kommen aus allen Teilen der Welt. Für die Analyse des Materials aus diesen transgenen Pflanzen ste-hen neueste, automatisierte Labortechnik und Robotik zur Verfügung. Die Labore sind im unteren Geschoss des im Jahr 2000 von der BASF errichteten zweistöckigen Gebäudes untergebracht. Hier wer-

den die Genkopiezahlen und das exakte genetische Erbbild der Pflanze bestimmt.

Ein weiterer Servicebereich ist die Qualitätskon-trolle für Feldversuche in ganz Europa. Bei den un-tersuchten Kulturpflanzen handelt es sich vorwie-gend um gentechnisch veränderte Kartoffeln, Mais sowie um Raps aus dem europäischen Raum.

Bei Nutzpflanzen wie Raps untersucht SunGene, wie sich die gentechnisch veränderten Eigenschaften weitervererben. Dies ist wichtig, um die richtige Auswahl der Elternlinien für Kreuzungen treffen zu können.

Mit der Gentechnikkartoffel amflora am Scheideweg

Zunehmend wichtiger wird auch der Bereich der Bioinformatik. SunGene arbeitet mit Hochdruck an „LIMS“, dem Laborinformations-Managementsys-tem. „Wir wollen weg von der Beschreibung und hin zur Vorhersage“, umreißt Lerchl das Ziel dieses Geschäftsfelds. Mithilfe dieses Systems können sämtliche Analyseschritte vollständig rückverfolgt werden. Das erleichtert die Prüfung, ob sie mit den gesetzlichen und intern definierten Regularien übereinstimmen. Abläufe werden dadurch opti-miert, Daten gesichert, Durchlaufzeiten beschleu-nigt und Entscheidungsprozesse erleichtert. Die umfangreichen Datenmengen werden in verständ-liche Informationen umgewandelt und im Unter-nehmen sinnvoll verteilt.

Trotz dieser Erfolge im Dienstleistungsbereich möchte sich Lerchl nicht vollständig von der Pro-duktion gentechnisch veränderter Pflanzen ver-

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abschieden. Wie schwierig dies in Europa ist, zeigt das Beispiel der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora. Die Knolle wurde ursprünglich in Schweden als Stärkelieferant entwickelt. Durch das gezielte Ausschalten eines Gens mithilfe der sogenannten Antisense-Technologie produziert die Kartoffel nur noch eine Sorte von Stärke, das Amylopektin. Die in konventionellen Knollen ebenfalls enthaltene Amylose, die für eine optimale industrielle Verwertung störend ist, fehlt der Amflora. So könnte – nach einer Zulassung – der mühselige Reinigungsprozess vermieden werden, was der Industrie und der Umwelt zugutekäme.

Mitarbeiter von SunGene prüfen die Blüten- und Samenbildung bei Testpflanzen.

Wiederholt ist die Kartoffelsorte von der EFSA, der europäischen Behörde für Lebensmittelsicher-

heit, als sicher erklärt worden, zuletzt im Juni 2009. Dennoch wurde die endgültige Zulassungsent-scheidung auf politischer Ebene immer wieder hinausgezögert. Der Streit dauert inzwischen mehr als zehn Jahre. Deshalb hat BASF als erster und bis-her einziger Konzern die Europäische Kommission wegen Untätigkeit verklagt. Der Beschluss, der eine weitreichende Signalwirkung haben wird, steht noch aus. Für Lerchl und SunGene bedeutet die Entscheidung der Kommission entweder das endgültige Aus von Projekten dieser Art oder einen Neustart für weitere Produkte. Bleibt zu hoffen, dass eine weise Entscheidung getroffen wird, nicht nur im Interesse des Standorts Gatersleben, sondern all-gemein im Sinne von seriöser und verantwortungs-voller Forschung und Entwicklung in der Branche.*

* Wie nach Redaktionsschluss bekannt wurde, hat die Europäische Kommission die Kartoffelsorte Amflora im März 2010 für den kom-merziellen Anbau zugelassen.

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GEnEaRT aG

„Goldstandard“ für die Impfstoffherstellung

Ralf Wagner (links) und Marcus Graf haben bei der Gründung von GENEART den richtigen Riecher gehabt: Auf künstliche Gene, wie das Unternehmen sie liefert, verzichtet bei der Impfstoffentwicklung heute keine Firma mehr.

Von 4 auf fast 200 Mitarbeiter innerhalb von zehn Jahren, Umsatzsteigerungen von jährlich bis zu 60 Prozent – die Erfolgsge-

schichte der GENEART AG ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. 1999 als Spin-off der Universität Regensburg gestartet, gilt GENEART heute als Welt-marktführer für synthetisch hergestellte Gene. Das Regensburger Unternehmen ist an der Frankfurter Börse im Entry Standard gelistet und unterhält Nie-derlassungen in Toronto und in der San Francisco Bay Area.

Gegründet wurde das Unternehmen von Ralf Wagner und Marcus Graf, einem seiner ehema-ligen Doktoranden. Wagner ist Vorstandsvorsitzen-der und als Chief Science Officer für die Koordina-tion und Strategie aller wissenschaftlichen Projekte zuständig, während Graf als Chief Operating Officer für die Produktion verantwortlich zeichnet. Dritter im Bund ist Bernd Merkl. Er ist als Chief Business Officer für den Bereich Unternehmensentwicklung zuständig.

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Ausgangspunkt des Geschäfts war das universi-täre Forschungsteam von Wagner. In den 1990er-Jahren arbeitete die Gruppe im Rahmen eines vom Bundesforschungsministerium geförderten Pro-jekts an einem Impfstoff gegen HIV. „Wir haben uns ein HIV-Gen nach dem anderen vorgenommen“, sagt Wagner. Schließlich wurden sie fündig. Bei der Frage, wie sie die entdeckte Sequenz als Impfstoff bereitstellen konnten, war ihre Antwort die Gensyn-thetisierung.

GENEART hat die Synthese von Genen innerhalb weniger Jahre von einem aufwendigen manuellen Verfahren zu einem großindustriellen Prozess weiterentwickelt. Viele Arbeitsschritte werden inzwischen von Robotern ausgeführt.

„Das machen wir selbst“

Zunächst recherchierte sein Team nach Gendesi-gnern und telefonierte mit Firmen rund um den Globus. Doch deren Angebote erwiesen sich als unerschwinglich. Pro künstlich hergestelltem Ba-senpaar hätte die Universität damals 15 bis 20 US-Dollar zahlen müssen. Die Sequenz von Wagners Arbeitsgruppe bestand aus rund 1.500 Basenpaaren und hätte damit bis zu 30.000 US-Dollar gekostet. So fiel der Entschluss, es doch selbst zu versuchen. „Das war eine Herkulesaufgabe. Über ein halbes Jahr haben wir dafür gebraucht“, sagt Wagner.

Auf welches Potenzial Wagner und sein Team mit ihrem neu erarbeiteten Know-how gestoßen waren, wurde ihnen erst richtig deutlich, als sie 1998 ihr Ergebnis den Projektpartnern eines füh-renden Pharmaunternehmens präsentierten. „Die

Profis aus der Industrie waren davon begeistert“, sagt Wagner. „Sie erkannten, dass der gesuchte HIV-Impfstoffkandidat auf diesem Weg günstig entwickelt werden konnte.“ Diese Reaktion war der entscheidende Impuls für die Gründung von GENEART.

Werkzeuge für die Goldsucher

Danach dauerte es noch ein gutes halbes Jahr, bis der Businessplan geschrieben und das nötige Startkapital eingeworben war. Von Beginn an konzentrierte sich GENEART auf die Gensynthese und damit auf die Herstellung von Werkzeugen für die Biotechnologie. „Wir suchen nicht nach Gold, sondern wir verkaufen die Schaufel“, so Wagner. „Gensynthetisierung ist bei der Impfstoffentwick-lung zum Goldstandard geworden. Heute gibt es keine Firma mehr, die bei der Impfstoffentwicklung nicht auf künstliche Gene setzt.“

Früh ist den Gründern bewusst geworden, dass sie mit ihrem Know-how über eine Basistechnologie für die unterschiedlichsten Bereiche der Lifescience-Industrie verfügen. Die von GENEART maßgeschnei-derten Gene spielen eine Schlüsselrolle für Kunden aus der pharmazeutischen, biotechnologischen und chemischen Industrie. Arzneimittelhersteller setzen sie für die Entwicklung von Therapeutika und Impfstoffen ein. Die chemische Industrie nutzt

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die synthetisierten und optimierten DNA-Bausteine zur Verbesserung von Enzymen beispielsweise als Zusätze für Waschmittel. Andere Auftraggeber verwenden sie, um damit genetisch veränderte Bakterien zu konstruieren, etwa zur Herstellung oder, umgekehrt, zum Abbau komplexer Stoffe und Verbindungen wie Bioethanol, Kunststoffe oder Erdöl.

Renommee durch Referenzprojekt in den USa

Heute stellt das Hightech-Unternehmen zwei bis drei Millionen Basenpaare pro Monat her. Die Software für die Optimierung der Gene und für die automatisierten Prozesse ist zum großen Teil selber entwickelt. Neben Molekularbiologen gehören daher auch Bioinformatiker, Ingenieure und Kon-strukteure zum interdisziplinär aufgestellten Team der GENEART. Den meisten Umsatz erzielt das welt-weit operierende Unternehmen am europäischen und amerikanischen Markt. Einen kleineren Teil generiert es in Asien, hier vor allem in Indien und China, und in Ozeanien.

Ihren bislang größten Coup landete GENEART im Jahr 2007. Damals holte das Unternehmen ein Projekt der amerikanischen Gesundheitsbehörde komplett nach Deutschland. Wagner ist stolz, dass ihm dies, trotz der deutschen Außenseiterposition, die GENEART bei der Ausschreibung hatte, gelun-

gen ist. Das Vorzeigeprojekt beschäftigte sich mit der Synthetisierung von mehr als 3.500 Genen und Genvarianten, die durch andere Methoden nicht darstellbar waren. Ein Jahr später wurde das Projekt erfolgreich abgeschlossen und bescherte GENEART neben internationalem Renommee auch einen kräf-tigen Wachstumsschub. Nicht nur die Logistik und Infrastruktur mussten binnen kürzester Zeit aus-gebaut werden, auch der Personalbestand wurde mehr als verdoppelt. GENEART hat es anschließend geschafft, den Großauftrag, der die Umsätze in den ersten neun Monaten 2008 signifikant beeinflusst hat, durch zwei Folgeaufträge und eine Vielzahl von kleinen und mittleren Aufträgen mehr als zu kompensieren.

Neben seiner Aufgabe als Vorstand ist Wagner noch als Universitätsprofessor tätig. Für ihn ist der dauernde Perspektivenwechsel eine Bereicherung für beide Seiten seiner beruflichen Laufbahn. Als Unternehmer bleibt er am Puls der Zeit und hat Zugang zu den neuesten Entwicklungen. Als Hoch-schullehrer kann er seinen Studenten Techniken und Verfahren aus seinem Unternehmen vorstellen und sie so auf Wirtschaft und Unternehmertum vor-bereiten. „In den USA ist dieses Wandeln zwischen den beiden Welten viel üblicher“, sagt Wagner. Auch Deutschland sollte hier nachziehen, damit der Weg für Erfolgsgeschichten im Stil der GENEART geebnet werden kann.

Mit den von GENEART produzierten Genen können Medikamentenhersteller schneller und effizienter Wirkstoffe entwickeln. Im Jahr 2009 konnten mithilfe solcher Gene in kurzer Zeit Impfstoffe gegen die Schweinegrippe hergestellt werden.

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„Innovative Start-ups brauchen bessere Bedingungen für Wagniskapital“ Der Innovationsforscher und Politikberater Dietmar Harhoff fordert, innovative Unternehmen steuerlich stärker zu entlasten und Hindernisse für Kapitalbeteiligungen abzubauen

Dietmar Harhoff leitet das institut für innova-tionsforschung, Technologiemanagement und entrepreneurship an der ludwig-Maximilians-universität München. der professor für Betriebs-wirtschaftslehre ist Mitglied des council of econo-mic advisors des europäischen patentamtes und Vorsitzender der expertenkommission Forschung und innovation, die die Bundesregierung im Jahr 2006 eingerichtet hat.

Herr Harhoff, Sie sind Vorsitzender der Exper-tenkommission Forschung und Innovation und beraten in dieser Funktion die Bundesregierung. Ihr „Gutachten 2009 zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit“ haben Sie kürzlich Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht. In Ihrer Analyse hat die Experten-kommission Schwachstellen der gegenwärtigen

Forschungs- und Innovationspolitik aufgedeckt und hierzu Verbesserungen angeregt. Wie ist Ihr Gutachten bei der politischen Spitze aufgenom-men worden?

Dietmar Harhoff: Die Bundeskanzlerin stimmt mit der Expertenkommission darin überein, dass Forschung und Innovation gerade in der Krise von außerordentlicher Bedeutung sind. Sie hat sich jedoch nicht festgelegt, welche Handlungsempfeh-lungen konkret umgesetzt werden sollen. Bundes-forschungsministerin Schavan hat einige unserer Vorschläge in ihren Achtpunkteplan für Innovation und Wachstum einfließen lassen, den sie am 5. Mai dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt hat. So spricht sie sich für eine Verbesserung der Rah-menbedingungen für Kapitalbeteiligungsgesell-schaften, die Einführung einer steuerlichen Förde-rung von Forschung und Entwicklung sowie eine Befreiung innovativer Start-ups von Sozialabgaben

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aus. Aufgegriffen hat sie außerdem die Empfeh-lungen der Expertenkommission, Zuwanderungs-bedingungen für Hochqualifizierte zu erleichtern und neue Freiräume für wissenschaftliche Einrich-tungen zu schaffen.

Sie merken an, dass die Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Innovationen noch immer nicht optimal sind. Sie empfehlen eine fiskalische Lösung, wodurch Forschung und Entwicklung stärker als bisher steuerlich geför-dert werden sollten. Welche steuerrechtlichen Schrauben müssen neu justiert werden?

Harhoff: Zu den zentralen Schwächen des deutschen Innovationssystems gehören in der Tat die Finanzierungsbedingungen für Innovationspro-jekte in Unternehmen. Die Expertenkommission plädiert für eine steuerliche Unterstützung von Unternehmen, bei der die Förderung an die Höhe der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung gekoppelt ist. Diese Förderung sollte als Steuergut-schrift ausgestaltet werden. Zudem sollte die Förde-rung für Unternehmen ohne Steuerschuld in einen sofort fließenden Zuschuss umgewandelt werden können. Davon profitieren dann auch innovative Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen, die keine Gewinne haben, die sie mit der steuer-lichen Förderung verrechnen könnten. Die meisten EU- und OECD-Länder haben in den letzten 10 bis 15 Jahren die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung eingeführt. Die vorliegenden Eva-luationsstudien zeigen ermutigende Ergebnisse. At-traktiv ist dabei vor allem, dass die Förderung ohne einen Apparat für die Begutachtung von Anträgen und deren Bewilligung auskommt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Beteiligungs-finanzierung. Was muss sich ändern, damit vor allem kleine und mittlere Unternehmen sowie technologiebasierte Start-ups mit genügend Eigenkapital ausgestattet werden?

Harhoff: Innovationsprojekte sind häufig teuer und risikoreich. Deshalb haben viele Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen Schwierigkeiten, sie über eigenen Cashflow oder Kredite zu finan-zieren. Ein Ausweg können Kapitalbeteiligungen sein. Doch der Markt für privates Eigenkapital ist in Deutschland noch relativ schwach ausgeprägt. In anderen EU-Ländern – allen voran Dänemark, Großbritannien und Schweden – sind Kapitalbetei-

ligungen wesentlich weiter verbreitet. Das liegt vor allem daran, dass hierzulande Eigenkapital gegen-über Fremdkapital steuerlich benachteiligt wird. Zudem unterliegt der Markt für Wagniskapital rechtlichen Regelungen, die Kapitalbeteiligungen unnötig schwer machen. Der Gesetzgeber hat im Jahr 2008 mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungsgesellschaften, dem sogenann-ten MoRaKG, einen Schritt in die richtige Richtung gemacht und die neue Rechtsform der Wagnis-kapitalbeteiligungsgesellschaft geschaffen. Das Gesetz setzt an zwei entscheidenden Hebeln an: der Einordnung der Wagniskapitalbeteiligungsgesell-schaften als vermögensverwaltend und der sachge-mäßen Nutzung von Verlustvorträgen. Wesentliche Regelungen bedürfen noch der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU. Aber auch wenn diese erteilt wird, so werden die Effekte des Gesetzes sehr begrenzt sein, da die Regelungen äußerst restriktiv ausgestaltet sind. Die Expertenkommission spricht sich deshalb für eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wagniskapital aus.

Wie wirkt sich die gegenwärtige Kreditknapp-heit infolge der weltweiten Bankenkrise auf die Innovationsfinanzierung aus?

Harhoff: Die Expertenkommission geht davon aus, dass sich die Zurückhaltung der Banken bei der Vergabe von Krediten nur in beschränktem Maße auf die Innovationsfinanzierung auswirkt. Es gibt nämlich nur sehr wenige Unternehmen, die Innovationsprojekte ausschließlich über Kredite finanzieren. Schwerwiegender ist, dass in der Krise die Umsätze und Gewinne einbrechen. Damit wird der Spielraum für die Innenfinanzierung geringer. Es steht zu befürchten, dass die Unternehmen ihre Aktivitäten in Forschung und Innovation merklich reduzieren müssen.

Wie verzahnt muss man sich den inzwischen auch inflationär benutzten Begriff „Innovation“ denken, um seine komplexe Bedeutung zu erfas-sen? Was ist für Sie eine schlüssige Definition?

Harhoff: Der Begriff der Innovation wird von der Expertenkommission weit gefasst. Innovatio-nen sind Neuerungen, die tatsächlich umgesetzt werden oder bei denen zumindest versucht wird, sie umzusetzen. Der „gute Gedanke“ allein reicht nicht aus. Im Falle einer Produktinnovation wird

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ein neues oder verbessertes Gut auf den Markt gebracht. Das kann ein Sachgut oder aber eine Dienstleistung sein. Bei einer Prozessinnovation wird ein neues oder verbessertes Herstellungsver-fahren eingeführt. Eine Innovation kann auch die Implementierung einer neuen Marketingmaßnah-me oder eine organisatorische Neuerung sein.

Sehen Sie dieses Innovationsdenken in den politischen, wirtschaftlichen und wissenschaft-lichen Strukturen genügend abgebildet?

Harhoff: Nein, das ist nicht der Fall. Eine Regie-rung will nach Ablauf der Legislaturperiode wie-dergewählt werden. Deshalb werden in der Politik langfristige Ziele nicht immer mit der gleichen Intensität verfolgt wie Maßnahmen, die schnelle

Erfolge versprechen. Doch gerade bei der Innova-tionspolitik braucht man einen langen Atem. Die meisten Instrumente der Politik greifen erst nach einiger Zeit. Zudem müssen Interaktion und Kom-munikation der Akteure in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft weiter verbessert werden.

„Innovationspolitik ver-

langt einen langen Atem.

Die meisten Instrumente

der Politik greifen erst nach

einiger Zeit.“ Wird die Rolle des Wissens- und Technologie-transfers bisher nicht ernst genug genommen?

Harhoff: Hochschulen und öffentlich getragene Forschungseinrichtungen haben eine zunehmende Bedeutung für die Innovationsdynamik. Ihre Ergebnisse können wesentlich zur Entwicklung kommerziell erfolgreicher Innovationen beitra-gen. Ich denke, da besteht weitgehend Konsens. Es gibt aber verschiedene Ansichten darüber, wie der Wissens- und Technologietransfer effektiv organi-siert werden kann. Die Expertenkommission ist der Überzeugung, dass die Politik den Hochschulen kei-

ne Transferstrukturen vorschreiben sollte. Es muss vielmehr darum gehen, adäquate Rahmenbedin-gungen und Anreizsysteme zu schaffen, beispiels-weise Public-Private-Partnerships zu unterstützen, leistungsbezogene Anreize für Wissenschaftle-rinnen und Wissenschaftler sowie für die Beschäf-tigten von Transferstellen zu schaffen oder aber die Beteiligung von Hochschulen und Forschungsein-richtungen an Ausgründungen zu erleichtern.

Gibt es auch Positives zu vermelden? Wo ist die Politik auf einem guten Weg?

Harhoff: Die Bundesregierung hat die Heraus-forderungen des Innovationsstandorts Deutschland erkannt. In den letzten Jahren sind die Mittel für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung deutlich erhöht worden. Überdies hat die Politik vor nun-mehr knapp drei Jahren mit der Hightech-Strategie einen neuen Politikansatz ergriffen, um die Innova-tionsförderung über alle Bundesministerien hinweg abzustimmen. Die Expertenkommission bewertet das Konzept der Hightech-Strategie im Grundsatz positiv, auch wenn sie in einigen Bereichen Verbes-serungen anmahnt.

Zum Schluss noch eine Frage an den Hochschul-lehrer mit der Bitte um eine kurze Antwort: Wie haben sich im Laufe Ihrer wissenschaftlichen Tä-tigkeit die theoretischen Konzepte entwickelt, auf denen die Forschungs- und Innovationspoli-tik beruht?

Harhoff: Lange Zeit hat sowohl im wissenschaft-lichen als auch im politischen Raum die Vorstellung dominiert, dass Innovation ein sequenzieller Pro-zess ist. Nach diesem Modell werden neue wissen-schaftliche Erkenntnisse zur Technologie, diese wird zur Innovation und diffundiert dann über Märkte. Nach heutiger Auffassung handelt es sich bei der Ent-stehung von Innovationen hingegen um einen weit-aus komplexeren, technisch und sozial bestimmten Prozess, in dem es vielfältige Austausch- und Rück-kopplungseffekte gibt – sowohl zwischen einzelnen Phasen des Innovationsprozesses als auch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Verbrauchern. Mit dieser Veränderung des Innovationsmodells ist das Spektrum der von der Forschungs- und Innovations-politik berührten Politikbereiche deutlich breiter geworden. Es reicht von der Bildungspolitik über die Wissenschafts-, Technologie- und Industriepolitik bis hin zur Wettbewerbs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.

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Capsulution Pharma aG

Nanokapseln gegen schwere Krankheiten

Bei der Leitung ihres Unternehmens gehen die beiden Gründer arbeitsteilig vor. Alexander Herrmann ist für die Finanzen zuständig, Andreas Voigt für den wissenschaftlichen Part. Auf dem Bild hält er das Modell einer Nanokapsel in der Hand.

An einem der innovativsten Orte Deutsch-lands, dem Technologiepark Berlin Adlers-hof, stellt die Capsulution Pharma AG Kap-

seln im Nanomaßstab für die pharmazeutische Industrie her. Damit lassen sich Medikamente wirksamer und zielgerichteter einsetzen. Das im Jahr 2000 als Spin-off des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm gegründete Unternehmen fusionierte 2008 mit der Magdeburger NanoDel Technologies GmbH. Heute beschäftigt Capsulution insgesamt

rund 25 Fachkräfte. „Adlershof haben wir als Stand-ort bewusst gewählt“, sagt Andreas Voigt, Mitgrün-der und Chief Scientific Officer (CSO) der Capsulu-tion. „Uns wurde früh klar, dass wir mit unserem Unternehmen in eine kommerzielle Umgebung ziehen müssen, wo wir gut vernetzt sind und kurze Wege zu anderen Betrieben, aber auch zu Universi-tätsinstituten haben.“ Bis zu ihrem Umzug nach Ber-lin hatte das Unternehmen zwei Labore und meh-rere Büros am Fraunhofer Institut für Angewandte Polymerforschung in Potsdam-Golm angemietet.

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Zum Gründerteam gehörten neben Voigt vier ehemalige Kollegen des Potsdamer Instituts und ein Betriebswirtschaftler. An ihrer ersten Adresse stie-ßen die Gründer jedoch schnell an Kapazitätsgren-zen und ungeahnte Herausforderungen: So war es schwierig, die Anforderungen der Kunden an die Geheimhaltung zu erfüllen, da durch die Bullaugen in den Türen quasi jeder Einsicht in die Labore hat-te. Gründe genug also für die jungen Unternehmer, sich ein neues Domizil zu suchen. Dabei hatten sie großes Glück, denn in Adlershof konnten sie Räume übernehmen, in denen zuvor zwei Lehrstühle des Instituts für Chemie der Berliner Humboldt-Univer-sität untergebracht waren. „Bautechnisch war hier alles auf dem neusten Stand“, sagt der promovierte Biophysiker.

Gestärkt nach Hindernislauf um das Startkapital

Weniger glatt lief es hingegen zu Beginn mit der Finanzierung. Eine Förderung durch das FUTOUR-Programm des BMBF war zwar beantragt. Jedoch musste zur Überbrückung bis zur Bewilligung eine weitere Finanzierungsquelle gefunden werden. Ein erster Härtetest für die Gründer. Unterstützung fanden sie beim Berlin Seed Capital Fund und bei Brandenburg Capital. Auch das Max-Planck-Institut stieg mit einer fünfprozentigen Beteiligung in das Unternehmen ein. Kurz darauf folgte die erste Finan-zierungsrunde in Höhe von 3 Millionen Euro mit

den beiden Kapitalbeteiligungsgesellschaften. „Wir hatten kein Geld und mussten ein hochwertiges Pa-tentpaket in die Firma bekommen“, erläutert Voigt den Hintergrund des Deals um die Lizenzrechte.

Das Drug-Delivery-Unternehmen konnte sich nun ganz seinen Geschäften und dem Ausbau des Kerngeschäfts widmen, der am Max-Planck-Institut unter Leitung von Professor Helmuth Möhwald ent-wickelten Layer-by-Layer-Technologie. Bei diesem patentierten Verfahren werden Polyelektrolyte mit unterschiedlichen Ladungsvorzeichen zu nano-meterdünnen Filmschichten mit maßgeschnei-derten Eigenschaften zusammengefügt. Auf dieser Grundlage gelingt es der Firma, Nanokapseln und -komplexe herzustellen, die als Transportcontainer für unterschiedliche Partikel dienen. Diese können, verschieden kombiniert, mit pharmazeutischen, biochemischen, elektrischen, optischen und ma-gnetischen Eigenschaften versehen sein. Dadurch können beispielsweise Arzneimittelwirkstoffe zielgerichteter und effektiver eingesetzt werden, womit sich die sogenannte Bioverfügbarkeit der Medikamente deutlich erhöhen lässt.

Die Entwicklung begann mit der zufälligen Be-gegnung zweier Forscher. Bei einer gemeinsamen S-Bahn-Fahrt nach Feierabend kam ein Kollege von Voigt mit einem Spezialpartikelunternehmer ins Gespräch. Der Wissenschaftler war auf der Suche nach instabilen auflösbaren Mikropartikeln.

Brustkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten. Zur besseren Früherkennung entwickelt Capsulution Nanokapseln, die eine ziegerichtete Verabrei-chung von Kontrastmitteln ermöglichen sollen.

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Der Unternehmer hatte solche bereits präpariert, brauchte sie aber eigentlich in stabiler Form. Für ihn war seine Entwicklung deshalb Abfall. Das Gespräch war der Auftakt einer fruchtbaren Zusammenar-beit, in deren Verlauf Capsulution die winzigen Transportbehälter entwickeln konnte, die nun für vielfältige Aufgaben verwendet werden.

Mikrocontainer für individualisierte Therapien

Und Aufgaben gibt es für die Nanocontainer viele. Bereits 2001 stellte das Unternehmen die ersten drei Mitarbeiter ein. Mit den kontinuierlich steigenden Umsätzen und den bisher besten Geschäftsjahren 2006 und 2007 wuchs die Zahl der Beschäftigten auf mehr als 20 Fachkräfte. Drei der fünf wissenschaft-lichen Gründerkollegen haben ihr Unternehmer-tum durch Berufungen auf Professorenstellen in Leipzig, London und Melbourne ergänzt.

Derzeit entwickelt Capsulution Transportcon-tainer für schwer wasserlösliche und makromole-kulare Wirkstoffe aus der Werkstatt der Biotech-nologie. Ziel ist unter anderem die Bekämpfung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems und von verschiedenen Krebsarten. Weitere Pro-jekte beschäftigen sich mit der Entwicklung von

pharmazeutischen Ansätzen im Zusammenhang mit Herzmuskelzellentzündungen, Autoantikör-pern, Netzhautablösungen und Alzheimer. Das Aufgabenspektrum ist groß und längst nicht nur auf die Zuarbeit in der Medikamentenherstellung beschränkt. Entsprechend weit reichen die Verbin-dungen auch zu den Marktführern aus Pharmazie und Chemie. Unternehmerisches Ziel von Capsu-lution ist jetzt, sich möglichst weit vorn in dieser Wertschöpfungskette zu positionieren.

Was aber macht den Reiz des Unternehmertums aus? Auch hierzu hat der CSO klare Vorstellungen. Zum einen ist es die deutlich geschärfte Sicht für die einzelnen Facetten der Wirtschaft. Zum anderen zählt er dazu straffe Arbeitsorganisation, Zielge-richtetheit bei kurzfristiger Terminsetzung, einen intelligenten Umgang mit Ressourcen und hohes Kostenbewusstsein. Für Außenstehende klingt das nach viel Stress. Voigt verweist aber auf sein starkes Team, mit dem es ihm gemeinsam gelingt, das Auf und Ab der Wirtschaft erfolgreich zu meistern. Im Gegensatz dazu sei, so Voigt, „Forschung und Lehre doch eine geradezu paradiesisch ruhige Arena“. Man bräuchte ungefähr ein Jahr, um sich vom Forscherleben auf das Geschäftsleben einstellen zu können, meint der Unternehmer: „Wer das ge-schafft hat, möchte es nicht mehr missen.“

Die Wirkung von Arzneimitteln im menschlichen Körper kann mithilfe von Nanokapseln zeitlich kontrolliert werden. Dadurch sinken das Risiko von Nebenwirkungen und die Anzahl der Anwendungen.

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DIREVO Biotech aG

Fortsetzungsgeschichte mit Happy End

Thomas von Rüden brachte frischen Wind in die Direvo AG. Sein erklärtes Ziel ist der Exit. Mit der Übernahme der pharmazeutischen Abteilung durch die Bayer HealthCare AG ist der erste Schritt getan.

Die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt – die Geschichte der Kölner DIREVO erzählt sich spannend. Hauptak-

teure sind ein Nobelpreisträger, ein Gründerstar, exzellente Wissenschaftler, weitsichtige Investoren und nicht zuletzt ein cleverer Manager, der den größten deutsch-deutschen Deal in der Geschichte der Biotechnologie einfädelte. Aber der Verkauf der DIREVO Biotech AG an den Bayer-Konzern ist noch lange nicht das Ende der Geschichte. Gegenwärtig läuft die Fortsetzung unter dem Titel DIREVO Indus-

trial Biological GmbH. Doch zurück an den Anfang: Im Jahr 2000 wurde die DIREVO Biotech AG als Ausgründung des Max-Planck-Instituts für Biophy-sikalische Chemie, der Abteilung des Nobelpreis-trägers Professor Manfred Eigen, ins Leben gerufen. Seine Mitarbeiter Dr. Andre Koltermann, Dr. Ulrich Kettling und Dr. Jens Stephan gründeten das auf Protein-Engineering spezialisierte Biotechnologie-unternehmen in Göttingen und transferierten es im Jahr 2001 nach Köln. Beteiligt war außerdem die Hamburger Evotec AG unter der damaligen Lei-

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11� BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

tung von Dr. Karsten Henco, dem Mitgründer von QIAGEN und damit ein echter Star der deutschen Biotechnologieszene. Der Name DIREVO steht für „directed evolution“ und weist auf das Ziel des Un-ternehmens hin: die Entwicklung von optimierten Proteinen für pharmazeutische, chemische und industrielle Anwendungen.

neustart als Konsequenz aus Stärke-Schwäche-analyse

Die dafür eingesetzte Technologie beruht auf Eigens Arbeiten, in deren Zentrum die Laserspek-troskopie steht. Die von DIREVO entwickelte und immer weiter verfeinerte Technologie zeichnet sich durch ihre extrem hohe Sensitivität aus. Selbst Ein-zelmoleküle werden erfasst und ausgewertet. Kun-de ist die chemische Industrie, die beispielsweise optimierte Enzyme für umweltschonende Wasch-mittel benötigt. Aber auch für die pharmazeutische Industrie gibt es interessante Produkte, wie die Ent-wicklung von optimierten Proteasen, die katalytisch wie Antikörper wirken. Dieser herausragenden Expertise verdankt es DIREVO, dass Leitinvestoren wie die TVM Capital trotz mancher Durststrecke an den Erfolg glauben und die Nerven behalten.

Mithilfe hoch entwickelter Technologie ist es DIREVO möglich, selbst einzelne Moleküle zu erfassen und auszuwerten.

Als 2006 die Position des Vorstandschefs frei wird, übernimmt Thomas von Rüden, der zuvor sechs Jahre im Vorstand der MorphoSys AG tätig

war, diese Rolle. Für von Rüden stellte sich DIREVO zu diesem Zeitpunkt als, wie er sagt, „extrem se-lektiv und innovativ“ dar. Gleichzeitig erkannte er aber, dass das Unternehmen die Start-up-Phase noch nicht überwunden hatte. Zudem stufte er eini-ge der Entwicklungen, an die innerhalb der DIREVO große Hoffnungen geknüpft wurden, als erfolgskri-tisch ein. Das betraf insbesondere die Herstellung optimierter Proteasen für die pharmazeutische Industrie. „Uns war schnell klar, dass diese Produkte klinischen Prüfungen nicht standhalten würden“, sagt der promovierte Molekularbiologe. „Auch wenn das eine Meisterleistung des Protein-Engi-neerings gewesen ist, haben sie nicht die Kriterien erfüllt, die man an ein Medikament stellen muss.“

Mit von Rüden als CEO kam der benötigte frische Wind in die Firma, um neue Richtungen einzuschla-gen. „Nach sieben Jahren war das Unternehmen alt genug, um auf eigenen Füßen zu stehen. Es sollte nicht länger am Tropf der Investoren hängen.“ Als Konsequenz wurden, bis auf eine Ausnahme, alle laufenden Projekte auf null gefahren, um das Un-ternehmen 2007 neu starten zu können. Erklärtes Ziel war der Exit, durch den DIREVO, wie von Rüden sagt, „bei einem Käufer aufgehen und so seine volle Innovationskraft entfalten kann“. Wichtig war es daher auch, die beiden Segmente, die Biophar-maceuticals und die industrielle Biotechnologie, konsequent voneinander zu trennen. Denn, so von

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Rüden, „Investoren und potenzielle Käufer wollen keinen Gemischtwarenladen, die wollen entweder in die Rote oder in die Weiße Biotechnologie inves-tieren.“

Ein Mitarbeiter von DIREVO vor einem 150 Liter fassenden Fermenter. Das Unternehmen ist imstande, weit über 100.000 Proteine pro Tag zu testen und zu optimieren.

Von dem Verkauf haben auch die Mitarbeiter profitiert

Um die Attraktivität des Unternehmens auf dem Markt zu präsentieren, gab es einige Beispielpro-jekte. In Kooperation mit dem Pharmariesen Pfizer gelang es DIREVO, den Wert seiner Technik für die Entwicklung von Medikamenten zu beweisen. So

wurde zum Beispiel die Wirksamkeit eines thera-peutischen Antikörpers um ein Vielfaches erhöht. Die Ergebnisse dieser Projekte wurden dokumen-tiert und publiziert. Mit drei von zwölf potenziell Interessierten verhandelte die Firmenleitung. Am Ende erhielt die Bayer HealthCare AG für 210 Millio-nen Euro den Zuschlag an dem pharmazeutischen Teil der DIREVO. „Von diesem Verkauf haben alle profitiert“, sagt von Rüden und betont, dass sämt-liche 50 Arbeitsplätze und Köln als Forschungs-standort erhalten bleiben. Außerdem hätten laut von Rüden die Mitarbeiter nun alle Vorteile, die mit einem Großunternehmen verbunden sind. „Forschungsprojekte im Verbund bis zur Marktreife entwickeln zu können ist eine tolle Aussicht.“

Eine ähnliche Strategie verfolgt von Rüden nun auch mit der zweiten Einheit, der als GmbH ge-führten DIREVO Industrial Biotechnology. In das Start-up sind im September 2008 Investoren mit ins-gesamt 8 Millionen Euro Eigenkapital eingestiegen. Mit seinen neuen Anlagen kann das Unternehmen pro Tag 100.000 bis 150.000 individuelle Proteine an Enzymen oder Bakterienstämmen testen, die geeig-netsten herausfiltern und diese mit Fermentations-technologie optimieren. Schwerpunkte sind dabei nachwachsende Rohstoffe und die Verwertung von Abfallprodukten. Als strategische Ausrichtung gilt, selbst keine eigenen Produkte auf den Markt zu bringen, sondern andere dazu zu befähigen. Ziel ist auch hier das Aufgehen in einem größeren Unter-nehmen. Adressat des geplanten Verkaufs ist im weitesten Sinne die chemische Industrie.

Dass er sich dadurch selbst überflüssig macht, ist für von Rüden kein Problem, im Gegenteil. „Wenn ich nach drei Jahren meine Aufgabe erfolgreich erfüllt habe und weggehe, dann ist das ein Erfolg“, sagt von Rüden. „Ich fühle mich dann wie ein Scout, der seinen Treck zum Ziel gebracht hat. Danach geht er einfach wieder zurück und holt sich die nächste Aufgabe.“ Und schreibt dabei sicherlich wieder neue Erfolgsgeschichten.

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immatics biotechnologies GmbH

Kleine Ampullen gegen den Krebs

Harpreet Singh, Niels Emmerich und Toni Weinschenk (von links) gehören zum Gründungsteam von immatics. Paul Higham kam im Jahr 2008 als Geschäftsführer in das Unternehmen.

Wer zu immatics will, muss dem Weg zu den Sternen folgen. Der Max-Planck-Campus in Tübingen, auf dem die imma-

tics biotechnologies GmbH beheimatet ist, liegt auf dem gleichen Berg wie die ehemalige Sternwarte, die inzwischen ein Speiselokal beherbergt. „Eine willkommene Abwechslung, um hier mit Geschäfts-partnern essen zu gehen“, sagt Niels Emmerich. Der promovierte Immunologe ist Geschäftsführer* und Mitgründer des im Jahr 2000 gestarteten biophar-mazeutischen Unternehmens, das sich zum Ziel

gesetzt hat, Krebskrankheiten durch neue Immun-therapien wirkungsvoll zu bekämpfen.

* Niels Emmerich hat das Unternehmen im September 2009 verlassen.

Dieses Ziel hat Emmerich sprichwörtlich täglich vor Augen. Denn in seinem Büro hängt die Mikroskopieauf-nahme einer Kampfszene, wie sie sich ständig in unseren Körpern abspielt. „Was sich da schlängelt, ist ein Mikroorganismus, der gerade durch Zellen des Immunsystems attackiert wird“, so der Chief Operating Officer. Emmerich setzt mit immatics

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ausschließlich auf die Stärkung der körpereigenen Verteidigung und konzentriert sich auf die Ent-wicklung neuer Immuntherapien, die das Abwehr-system gezielt stimulieren. Was die Evolution über Jahrmillionen an Mechanismen geschaffen hat, wollen die Forscher nun nutzen, um den Krebs zu bekämpfen.

Den Krebszellen auf der Spur

Ihre Lösung heißt Impfung. „Mit dem Immunsystem haben wir das stärkste Werkzeug unseres Körpers, um Erkrankungen zu verhindern“, sagt Emmerich. „Die gezielte Mobilisierung des Immunsystems hilft, sich gegen mutierte körpereigene Zellen zur Wehr zu setzen.“ Als Beispiel für den Erfolg von Impfungen nennt er die weltweite Eliminierung von Pocken.

Der Lösungsansatz des Unternehmens geht auf Arbeiten von Professor Hans-Georg Rammensee Anfang der 90er-Jahre zurück. Rammensee ist Leiter der Abteilung Immunologie der Universität Tübin-gen und Mentor des sechs Köpfe starken immatics-Gründungsteams. Damals hatte der Grundlagenfor-scher Peptide charakterisiert, anhand derer die so-genannten Killerzellen des Immunsystems andere

Zellen identifizieren können. Diese Merkmale befinden sich an der Oberfläche der Zellen und machen eine Zelle so unverwechselbar wie einen Fingerabdruck. „So kann man auch fast jede Krebs-zelle identifizieren“, sagt Emmerich. „Dieses Wissen übersetzten wir bei immatics in Produkte.“ Das Unternehmen stellt diese spezifischen Signale von Krebszellen in synthetischer Form her, um damit die Immunabwehr gezielt anzuregen. Diese peptid-basierten Impfstoffe wollen die Entwickler bis zur Marktreife führen. „Meine Vision ist, unser Konzept in Form einer kleinen Ampulle im Apothekenregal stehen zu sehen. Das wäre großartig.“

Mitarbeiterinnen von immatics untersuchen Blutproben von Patienten, die mit IMA901 behandelt wurden. Der Krebsimpfstoff ist der am weitesten entwickelte Produktkandidat in der Pipeline von immatics.

lehrjahre bei McKinsey

Wie systematisch der Unternehmer sein Ziel bisher verfolgt hat, wird an der Gründungsgeschichte der immatics deutlich. Von Anfang an war den Grün-dern, zu denen auch Dr. Harpreet Singh gehört, die Bedeutung von ausreichend eingeworbenem Kapital klar. Allerdings musste erst die Technologie vorangetrieben werden. Diese Aufgabe hatten vor allem die mehr wissenschaftlich orientierten Grün-der übernommen. Emmerich nutzte diese Zeit ganz bewusst, um sich, wie er sagt, „als Berater Einblick bei den Großen des Lifescience-Sektors zu bekom-

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men“. Er arbeitete in dieser Phase für das Consul-ting-Unternehmen McKinsey & Company. Seine Rückkehr in das operative Geschäft der immatics erfolgte, wie mit seinen Gründerkollegen abgespro-chen, als die technische Basis stand. Inzwischen ist mit Paul G. Higham neben Emmerich und Singh ein CEO aus der pharmazeutischen Industrie hinzuge-kommen.

Wieder zurück, konnte Emmerich seine neuen Kenntnisse, technisches Know-how in eine Sprache zu transferieren, die bei potenziellen Kapitalgebern Interesse weckt, gut gebrauchen. Denn es mussten Kontakte zu über einhundert Venture-Capital-Ge-sellschaften geknüpft werden, bis sich der Erfolg einstellte. „Circa 90 Prozent unserer Zeit haben uns damals diese Bemühungen gekostet“, sagt Emme-rich. „An diesem Punkt muss man sich entscheiden: Will man weiter im Labor arbeiten oder den nächs-ten Schritt tun?“ Die immatics-Gründer haben sich für die Verwirklichung ihres Traumes entschieden und konnten sich im Team gegenseitig stärken und notfalls auch aufbauen. Diese Erfahrung sei für ihn persönlich und für die Entwicklung des Unterneh-mens entscheidend gewesen, so Emmerich.

In Hansjörg Weitbrecht, dem Entdecker und Ver-leger des bekannten Schriftstellers Michael Ende, fanden sie schließlich den engagierten Business Angel, der es ihnen ermöglichte zu wachsen. Ein Businessplan wurde erstellt, und im Jahr 2004 gelang der Abschluss der ersten Finanzierungs-runde in Höhe von 14 Millionen Euro. 2007 folgte die zweite Runde mit einem Volumen von 40 Mil-lionen Euro, die damals größte private Biotechno-logiefinanzierung seit Langem in Deutschland. Die dievini Hopp BioTech holding ist nun der neue Lead-Investor des heute rund 60 Personen starken Unternehmens.

Wachstum als unendliche Geschichte

Das eingeworbene Eigenkapital verschafft der Geschäftsleitung Freiraum für die Entwicklung neuer Produkte. Ihr führender Therapeutikakan-didat zur Behandlung von Nierenzellkrebs schloss bereits die internationale Phase-1-Studie erfolg-reich ab. Das zweite Produkt von immatics für die Bekämpfung von Darmkrebs wird gegenwärtig in einer klinischen Studie auf seine Verträglichkeit und Wirksamkeit geprüft. Ein weiteres Produkt hat bereits die präklinischen Studien erfolgreich ab-geschlossen. Es soll später für die Behandlung von Hirnkrebs eingesetzt werden. Daneben befinden sich noch weitere vielversprechende Kandidaten in der Pipeline des Unternehmens.

Zwar würde sich Emmerich wünschen, den Namen und das Logo von immatics auf den Ver-packungen der künftigen Medikamente zu sehen. Wesentlich wichtiger ist ihm allerdings, dass sich das immatics-Produktkonzept durchsetzt. Er würde sich immer zugunsten der Produktidee entschei-den, auch wenn das Medikament unter dem Namen eines, so Emmerich, „großen internationalen Powerplayers“ auf den Markt käme. Wenn sein Blick dann auf das Regal mit den Ampullen fallen würde, dann wisse er, ist immatics ganz oben – bei den Ster-nen – angekommen. Emmerich und sein Team sind auf dem besten Weg, dieses zu erreichen.

Mittlerweile wird bereits der zweite Krebsimpfstoff in einer klinischen Studie auf seine Verträglichkeit und Wirksamkeit geprüft.

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„Bei der Arzneimittelentwicklung fällt Deutschland zurück“ Peter Buckel, Geschäftsführer von SuppreMol, über die Planbarkeit von Innovationen und die Barrieren bei der Umsetzung Erfolg versprechender Produktideen

nachdem Peter Buckel an den gründungen zahlreicher Biotechnologiefirmen beteiligt war, wechselte er im Jahr 2005 als geschäfts-führer zu suppreMol in Martinsried. er gehört zu den initiatoren von Bio deutschland und war Mitglied der Bioregio-initiative in München. seit 1988 lehrt der Mitbegründer des Münchner Biotechnologieclusters BioM Biotechnologie an der ludwig-Maximilians-universität.

Herr Buckel, Ihre Karriere begann bei Boehrin-ger Mannheim, Sie leiteten die Atugen AG und hatten sich schließlich mit der Xantos Biomedi-cine AG selbstständig gemacht. Was waren Ihre Beweggründe, ins Lager der Unternehmer zu wechseln?

Peter Buckel: Bei Boehringer Mannheim waren wir gewohnt, unternehmerisch und innovativ zu denken. Wir waren ja de facto die erste Biotech-nologiefirma in Deutschland, die rekombinante Produkte als Forschungsreagenzien, Diagnostika und Therapeutika erforschte, entwickelte und auf den Markt brachte. Wir klonierten fast alle Enzyme, die heute in der klinischen Diagnostik verwendet werden, und entwickelten unter anderem auch einen Antikörper, der heute als sogenannter „Entstörantikörper“ in praktisch allen Immun-tests eingesetzt wird. Des Weiteren haben wir mit dem rekombinanten Plasminogenaktivator „Rete-plase“ das erste in Deutschland gentechnisch herge-stellte Biotherapeutikum von der Forschung bis zur Marktzulassung gebracht. Bei Boehringer Mann-heim gründeten wir aus meinem Bereich heraus damals einige Firmen, die heute alle erfolgreich sind. Als ich dann im BioRegio-Wettbewerb und bei

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der Gründung der BioM, der Bioregion München, direkt mit involviert war, wuchs bei mir das Interes-se, den Schritt in die eigene Firmengründung zu gehen.

Sie sind mit der SuppreMol GmbH in einem wei-teren Unternehmen involviert. Warum? Haben Sie Gefallen an der Initiierung und Leitung von Unternehmen gefunden?

Buckel: SuppreMol wurde im Jahr 2002 von Uwe Jacob, Peter Sondermann und Robert Huber im Max-Planck-Institut für Biochemie in Martins-ried gegründet. Als dann eine Finanzierung für die präklinische Entwicklung anstand und dafür ein erfahrener Manager gesucht wurde, kam ich mit der Gruppe ins Gespräch. Damals bestand bereits eine über viele Jahre zurückgehende fruchtbare Kooperation des Labors von Nobelpreisträger Professor Huber mit Boehringer Mannheim, die auf sehr innovative Methoden der Stabilitätsverbesse-

rung von Proteinen zurückging. Als wir uns Anfang der 1990er-Jahre Gedanken machten, wie wir die immer wichtiger werdenden Strukturfragen in der Diagnostik- und Pharmaforschung bearbeiten können, hatten wir uns bei Boehringer Mannheim entschlossen, keine eigene Röntgenstrukturgrup-pe aufzubauen. Stattdessen planten wir mit Herrn Huber zusammen, eine Boehringer-Mannheim-Gruppe direkt in seiner Abteilung am Max-Planck-Institut unterzubringen, um an der damals rasch fortschreitenden technologischen Entwicklung in diesem Gebiet partizipieren zu können. So wurde eine von der Industrie bezahlte Arbeitsgruppe vom MPIB eingerichtet, die an dem Wissen und dem technologischen Fortschritt des führenden akade-

mischen Umfeldes teilhaben konnte. Im Rahmen der bestehenden Kooperation wurde die Expertise der Industriearbeitsgruppe auch ab und zu für an-dere Projekte des Instituts genutzt. Eines davon war die Strukturaufklärung des Fc-Rezeptors „FcγRIIb“, eines zentralen Regulators des Immunsystems, die dann letztendlich zur Gründung von SuppreMol führte. Somit schloss sich für mich der Kreis.

„Viele Programme versuchen die Entste-hung von Innovationen zu fördern. Nur lässt sich Innovation kaum planen.“

Ist SuppreMol also ein „klassisches“ Spin-off-Unternehmen?

Buckel: Ja. SuppreMol ist ein klassisches Spin-off-Unternehmen aus dem akademischen Umfeld heraus. Die Wechselbeziehung mit Boehringer Mannheim hat aber möglicherweise eine wich-tige Rolle gespielt. Deshalb ist mir ein Punkt sehr wichtig: Innovation entsteht, wenn Wissen aus der Forschung eine praktische Anwendung findet. Diese Umsetzung Realität werden zu lassen be-schäftigt viele Technologietransferprogramme von Regierungen, Universitäten, Instituten und Firmen. Das Problem ist nur: Innovation lässt sich kaum planen. Das belegt auch die geringe Erfolgsrate der weltweiten Pharmaforschung in der Großindustrie. Deshalb ist es wichtig, Kompetenzen zu „clustern“ und Erfolg versprechende Erfindungen in ein geeignetes industrielles Umfeld zu bringen. Denn dort, wo Spitzenforschung mit professionellen, industriellen Anwendern zusammenkommt, sind die besten Voraussetzungen für das Entstehen von Innovation gegeben.

Haben Sie deswegen eine Industriegruppe am Max-Planck-Institut ins Leben gerufen?

Buckel: Die Etablierung einer Industriearbeits-gruppe in einer Max-Planck-Abteilung war seiner-zeit zunächst ein umstrittenes Projekt. Es war auch schwierig, in einem Vertrag das Selbstverständnis beider Parteien abzubilden. Aber der Wille der Beteiligten zu diesem Projekt hat eine Einigung schließlich möglich gemacht: So hat dieses Konzept vielfältige Früchte getragen, indem es das Anwen-dungspotenzial akademischer Forschung bewusster gemacht hat. Auch bei den Überlegungen einer Produktentwicklung auf der Grundlage der Struk-turaufklärung des löslichen Fcγ-Rezeptors hat diese besonders ausgeprägte Anwendungsorientierung im akademischen Umfeld des MPIB eine bedeu-tende Rolle gespielt. Entscheidend war, dass es nicht bei Überlegungen geblieben ist, sondern dass

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ein Mitglied der Gruppe, Uwe Jacob, die Planung und Entwicklung der Firma beharrlich durch manchmal schwierige Phasen von SuppreMol vorangetrieben hat. Noch müssen viele Hürden ge-nommen werden, bis aus diesem Entwicklungspro-jekt wirklich ein neues und innovatives Arzneimittel entstehen wird.

Was waren denn bisher Ihre größten Erfolge? Was sind Ihre nächsten Ziele?

Buckel: SuppreMol hat mit der ersten Finanzie-rung im Jahr 2005 das Geld aufnehmen können,

welches notwendig war, um das Leitprodukt der Firma, SM101, durch die präklinische Entwicklung zu bringen und die Produktion voranzutreiben, um GMP Material für die klinische Forschung zur Verfü-gung zu stellen. Mit der zweiten Finanzierung dann im Jahr 2008 ist es uns gelungen, so viel Geld aufzu-nehmen, dass wir nun die klinischen Phasen I und II durchführen und die Wirksamkeit im Menschen prüfen können. Ich glaube, es ist ein großer Erfolg, dass wir mit einer kleinen Mannschaft von anfangs 7 und jetzt 14 Mitarbeitern von der Forschung bis in die klinische Entwicklung gekommen sind. In großen Pharmafirmen stehen oft zehnmal mehr Mitarbeiter für solche Entwicklungen zur Verfügung. Ein wei-terer großer Erfolg war im Jahr 2008, dass wir, als es kaum noch Finanzierungen durch Venture-Capital in Deutschland gab, ein hochrangiges Investoren-syndikat aus Venture-Capital und Privatinvestoren zusammenstellen konnten. Sehr wichtig war für uns auch, dass wir tatsächlich, so wie wir es zeitlich geplant hatten, mit der klinischen Entwicklung star-ten konnten. Das ist immer einer der großen Meilen-steine für eine Biotechnologiefirma.

„Dass wir mit einer kleinen Mannschaft bis in die klinische Entwick-lung gekommen sind, ist ein großer Erfolg.“

Unser nächstes Ziel ist natürlich die zügige Weiterentwicklung unseres Produktes. Gleichzeitig beschäftigen wir uns damit, weitere Projekte im Umfeld von Immunerkrankungen voranzubringen und neue zu starten. Letztendlich ist es eine wesent-liche Motivation für einen Arzneimittelentwick-ler, eine Produktentwicklung für den Menschen nutzbar zu machen und etwas zur Gesundheit und zum Wohl der Menschen beitragen zu können. Da für Investoren der Erfolg aber auch durch Erträge gemessen wird, ist für uns der finanzielle Exit eben-falls ein entscheidendes Ziel.

Sie hatten sich kürzlich kritisch mit dem Schar-nier von Forschung und Anwendung ausein-andergesetzt (transkript 3/09). Wo liegen die Ursachen für die Lücken im Transfer?

Buckel: Ich glaube, inzwischen haben die meisten erkannt, dass die Biotechnologie eine der wichtigen Zukunftstechnologien ist, die einem rohstoffarmen Hochpreisland wie Deutschland eine Überlebens-chance bietet. Aber es fällt uns schwer, die notwen-digen Maßnahmen zu ergreifen, um deren Entwick-lung nachhaltig voranzubringen. Uns fehlt es nicht an der Qualität der Wissenschaft, aber uns fehlen die Mittel und Konzepte, um gute Produktideen rasch in eine industrielle Entwicklung und Vermarktung zu bringen. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Förder-maßnahmen und Startkapitalmöglichkeiten, um mit guten Ideen Firmen gründen zu können. Aber in der kostenintensiven Phase der frühen Arzneimittelent-wicklung, in der ein aussichtsreicher Produktkandi-dat produziert und präklinisch und klinisch getestet werden muss, um wirklich Wert generieren zu kön-nen, versiegen die Förder- und Investitionsquellen. Eine Überbrückung dieser frühen Entwicklungspha-se haben bisher Risikokapitalfirmen übernommen. Inzwischen sind diese Venture-Capital-Firmen selbst unter Druck. Aufgrund des schwierigen Börsen-platzes Deutschland und der Ernüchterung bei institutionellen Investoren und Banken durch die weltweite Finanzkrise haben die VCs selbst Pro-bleme, Geld einzuwerben und ihre Fonds zu füllen. Das heißt, wir haben eine äußerst kritische Finanzie-rungslücke in der frühen Arzneimittelentwicklung, die Deutschland zurückfallen lässt.

Wie sollte Ihrer Meinung nach staatliche Förde-rung aussehen, damit diese Lücken möglichst ganz gefüllt werden und generell Deutschland prosperiert?

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Buckel: Die Übersetzung der akademischen Forschungsergebnisse in eine industrielle Entwick-lung wird am besten durch eine enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie erreicht, und zwar so, dass jede Seite ihre Stärken und Kompe-tenzen am effektivsten einsetzen kann.

Deshalb müssen Förderprogramme so orien-tiert sein, dass nur gefördert werden kann, wenn ein Industriepartner bereit ist, das Projekt aktiv zu planen, zu managen und die Verantwortung für die Fördersumme zu übernehmen. Im Endeffekt muss ein strategisches Interesse des Industriepartners an dem Projekt gegeben sein.

Nach dem Modell des Technologietransfers der University of California, San Fransisco (UCSF), könnte man in abgewandelter Form ein gezieltes Förderprogramm etablieren, das der deutschen Bio-technologie einen deutlichen Schub durch kritische Phasen geben könnte:

Ein professionelles, unbürokratisches und un-abhängiges Expertenteam mit aktueller operativer Produktentwicklungs- und Managementerfahrung in den jeweiligen Fördergebieten wählt vorge-schlagene Projekte aus dem akademischen oder forschenden industriellen Umfeld aus, die dann in Biotechnologiefirmen durch die präklinische und frühe klinische Phase gefördert werden.

Das Expertenteam achtet darauf, dass unter Qualitäts- und Zeitaspekten ausreichend Budget-mittel zur Verfügung gestellt werden, um das Pro-jekt wirksam voranzubringen. Das heißt, dass zum Beispiel ein bestimmter Entwicklungsschritt auch bei den Serviceanbietern bearbeitet werden kann, die diese Arbeit am besten und schnellsten durch-führen können. Qualität und Geschwindigkeit sollten entscheiden. Jeder Tag, der in der Entwick-lung verloren geht, verringert die Chance, die enormen Entwicklungskosten letztendlich am Markt wieder zu verdienen.

Dieses Netzwerkmanagement, das gut finan-zierte Biotechnologiefirmen erfolgreich durch-führen, hat den Vorteil, dass auch professionelle lokale Serviceanbieter unterstützt werden und eine kompetente Biotechnologieinfrastruktur gestärkt wird.

Finanziert werden könnte solch ein Förderpro-gramm zum Beispiel über eine Stiftung, vergleich-bar der UCSF, um möglichst eine volle Projektförde-rung erreichen zu können.

Sie üben zusätzlich eine Lehrtätigkeit an der LMU München aus. Wäre es allgemein zielfüh-rend, wenn die Übergänge zwischen Universi-tätskarriere und freier Wirtschaft fließender werden?

Buckel: Der entscheidende Weg zum Erfolg und zu Innovation ist meines Erachtens, wenn wirkliche Expertisen aus zwei Welten zusammenkommen und aus eins plus eins drei wird. Meine Lehrtätigkeit an der LMU ist nichts anderes als ein Versuch, meine Erfahrung und Erkenntnisse aus der Industrie den Studenten nahezubringen. Ich möchte erreichen, dass die Studenten im Hochschulumfeld auch Interesse entwickeln, wie die Forschung in der In-dustrie aussieht und wo die Unterschiede zwischen akademischer Forschung und Industrieforschung und -entwicklung liegen. Ich halte nichts davon, wenn ein Hochschullehrer Industrieforschung betreibt oder in der Industrie reine Grundlagen-forschung betrieben wird. Die Übergänge können sicher fließend sein, aber die Messlatten sind ein-fach unterschiedlich. An der Universität zählt der Erkenntnisgewinn und die Publikation, in der Industrie zählt das Patent und das Produkt, das am Markt erfolgreich ist. Dazu braucht man vollständig unterschiedliche Denkansätze und Einstellungen. Die Kunst eines Innovationsmanagements ist es, beide Seiten kreativ zusammenzubringen, um eine Entdeckung zum Produkt zu machen.

Im Zusammenhang mit den Vor- und Nachtei-len von Auslandsaufenthalten für den wissen-schaftlichen Nachwuchs wird einerseits beklagt, dass damit möglicherweise die besten Köpfe aus Deutschland abwandern. Andererseits sind „Lehr- und Wanderjahre“ im Ausland eine Berei-cherung. Was raten Sie jungen Wissenschaftlern?

Buckel: Ich rate unbedingt, einen fachlichen Auslandsaufenthalt einzuplanen. Mindestens ein Jahr in einem englischsprachigen Institut oder einer Firma im Ausland ist heute fast Standard und bereichert nicht nur die fachliche Weiterent-wicklung, sondern auch die sprachliche Kommu-nikationsfähigkeit in unserem Tätigkeitsbereich. Außerdem bringen frühe „Lehr- und Wanderjahre“ wichtige fachliche und persönliche Beziehungen, die ein Leben lang von Nutzen sind.

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ORGanOBalanCE GmbH

Diversität der Natur nutzen

„Ich hatte Lust, etwas zu machen, aus dem etwas Konkretes entsteht“, sagt Christine Lang, Gründerin von ORGANOBALANCE. Die vom Unternehmen gefilterten Mikroorganismen werden in den Bereichen Ernährung, Kosmetik und Gesundheit eingesetzt.

Durch Latexhandschuhe und Plastikbrillen geschützt träufeln Laboranten in weißen Kitteln Proben mit Pipetten auf Nährböden

in Petrischalen. Die Mitarbeiter der ORGANOBA-LANCE GmbH bereiten Untersuchungen an Bakte-rienstämmen vor. Durch die Fenster in den Sicher-heitstüren kann man das konzentrierte Treiben im Inneren der hellen Laborräume beobachten. Hier in Berlin-Wedding auf einem gründerzeitlichen Fabrikgelände hat sich 2001 Christine Lang ihren Traum vom eigenen Unternehmen verwirklicht.

Zusammen mit ihrem Team erschließt sie das Potenzial spezieller Bakterien und Hefen zum Nutzen für Kosmetika, Medizinprodukten und Functional Food. Der Ursprung für die Gründung lag in der Rettung einer Stammbank, die aus rund 5.000 probiotischen Bakterien und Hefen bestand. „Dieses Wissen wäre sonst vollständig ausgelöscht gewesen“, sagt Lang. Gemeinsam mit ihren beiden Kollegen Professor Ulf Stahl und Dr. Michael Wall-meyer entschloss sie sich, diesen Wissensschatz zu übernehmen. Ein Forschungsprojekt war damals

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abgeschlossen, und das Institut wollte die Mikro-benstämme nicht mehr aufbewahren.

Mit Milchsäurebakterien lässt sich Karies bekämpfen. Ein von ORGANOBALANCE und BASF entwickeltes Zahnpflegemittel wird voraussichtlich im Jahr 2010 auf den Markt kommen.

Mitte der 1980er-Jahre war Lang als Leiterin der Forschungsabteilung von Hüls, heute Degussa, nach Berlin gekommen. Nachdem Hüls sich Anfang der 1990er-Jahre aus Berlin zurückgezogen hatte, wech-selte die Biologin zur Technischen Universität. Über Drittmittelprojekte kann sie ihre Forschungen voran-treiben und sich 1996 habilitieren. Lang ist bei dieser Arbeit schnell klar geworden, dass die Geldgeber der Drittmittelprojekte deutlich stärker an der Anwen-dung als an der Grundlagenforschung interessiert sind. Das entsprach auch mehr ihrem Naturell. „Ich hatte Lust, etwas zu machen, aus dem etwas Kon-kretes entsteht“, sagt Lang. Gegen die Uni sprach außerdem, dass die Projekte dort sofort enden, wenn das Geld aus den Drittmitteln aufgebraucht ist.

Nicht zuletzt deswegen fiel der Entschluss für die Gründung des eigenen Unternehmens nicht allzu schwer. Auch die Universität hat sich ihr gegenüber sehr fair gezeigt, sagt Lang. Sie wurde freigestellt, und die Hochschule stellte sogar Räume zu günsti-gen Konditionen auf ihrem Gelände zur Verfügung. Bis heute hat Lang nicht alle Brücken zum univer-

sitären Leben abgebrochen. Sie lehrt inzwischen als außerplanmäßige Professorin weiter Genetik an der TU Berlin. „Mir bringt das Lehren Spaß“, sagt sie. Und das klingt ein wenig nach bewusstem Aus-gleich zu ihrer Aufgabe als Geschäftsführerin.

Verzicht auf weitere Kredite

Ganz anders und wesentlich schwieriger gestaltete sich jedoch die Ausstattung mit Startkapital. „Zwei Jahre haben wir an unserem Businessplan gebrü-tet“, sagt Lang. Letztlich war die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bereit, dem Unternehmen ei-nen Kredit in Höhe von 150.000 Euro zu geben. Das reichte, um das Labor einzurichten und für andere wichtige Investitionen. Nach gut einem Jahr bahnte sich die erste schwere Entscheidung an. „Wir hatten kein Geld mehr, und die Zeit war für Biotechnologie überhaupt nicht gut“, sagt Lang. Sie mussten sich entscheiden, ob sie sich weiter durch Darlehen und Förderprogramme finanzieren wollten oder durch einen ersten in Aussicht stehenden Auftrag. „Wir haben sehr ernsthaft geprüft: Trauen wir uns das zu?“, sagt Lang. „Wir haben schließlich den Auftrag angenommen und auf Kredite verzichtet. Das war die richtige Entscheidung.“

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Lang übernahm von nun an allein das operative Geschäft, die Gründerkollegen Stahl und Wallmey-er blieben dem Unternehmen als Mitgesellschafter und Mitglieder des Aufsichtsrats verbunden. Ihr erstes Projekt als freie Unternehmerin wurde zum Erfolg, und schon bald konnte ORGANOBALANCE weiteres Personal einstellen. Heute beschäftigt das Unternehmen rund 30 Mitarbeiter. Die Kunden kommen aus verschiedenen Bereichen der Indus-trie. Das tragende Netzwerk der ORGANOBALANCE ist inzwischen nicht nur deutschlandweit aufge-spannt, sondern reicht über Europa bis in die USA.

auf jede Frage die richtige antwort

Die Schwerpunkte der Arbeiten liegen im Bereich von Nahrungszusätzen und der Gesundheits-prophylaxe. Aber auch andere Themen werden bearbeitet. „Jeder Kunde hat eine eigene Fragestel-lung“, sagt Lang und nennt Beispiele wie Deodo-rants, Hautcremes oder auch die Frage nach einem effektiven Mittel gegen die Geruchsbelästigung in Schweineställen. Für all diese Aufträge greifen die Forscher auf die Bakterienstammsammlung zu und suchen diejenigen Mikroorganismen, die für die Fragestellung am besten geeignet erscheinen. OR-GANOBALANCE bedient sich dabei modernster Ver-fahren der Biotechnologie und der hocheffizienten Screening-Technologien der Pharmaforschung. Lang ist stolz darauf, dass sie bisher noch keinem Kunden eine Antwort schuldig bleiben mussten.

Aktuell arbeitet ORGANOBALANCE in Ko-operation mit BASF an einem Projekt zur Karies-prophylaxe. Es gelang, einen Bakterienstamm zu isolieren, der Kariesbakterien wirkungsvoll und auf natürliche Weise bekämpft, indem er sich an die Karies verursachenden Bakterien anheftet und sie verklumpt. Die so entstandenen Bakterien-knäuel lassen sich anschließend einfach aus dem Mund spülen. Lang rechnet in Kürze mit der Ver-marktung dieses neuen Zahnpflegemittels in Form von Kaugummi, Bonbons oder Zahncreme durch die BASF.

Aber auch die eigenen Ideen zählen hoch bei ORGANOBALANCE. Im Flur hängt die gut genutzte „Ideenbox“, in die jeder Mitarbeiter seine Vorschlä-ge für künftige Forschungs- und Entwicklungs-themen des Unternehmens einwerfen kann. „Wir wollen die Nase vorn haben“, sagt Lang. Ruhigere Phasen werden genutzt, um die eigenen For-schungsfragen zu forcieren.

Neue Betätigungsfelder für ORGANOBALANCE sind auch schnell identifiziert. Lang setzt große Hoffnungen in Milchsäurebakterien für die Pro-phylaxe in Bereichen wie Gastritis oder Hautpflege. Interessant sind auch neue Hefestämme für die biotechnologische Gewinnung von Bernsteinsäure. Als Basismaterial für Kunststoffe könnte sie bald petrochemische Stoffe ersetzen.

Bei der Abwehr schädlicher Keime setzt ORGANOBALANCE auf natürliche Kulturen. Die geeigneten Bakterienstämme findet das Unternehmen in einer Stammdatenbank, die 8.000 Mikroorganismen umfasst.

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apogenix GmbH

Neue Strategien im Kampf gegen den Krebs

Thomas Höger, einer der beiden Geschäftsführer der Apogenix GmbH, blickt zuversichtlich in die Zukunft. Seit Dezember 2009 wird der erste Patient mit einem Produkt der Firma behandelt, ein weiterer Medikamentenkandidat befindet sich in der präklinischen Phase.

Für Thomas Höger, CEO der Apogenix GmbH in Heidelberg, war die Finanzierungszusa-ge der dievini Hopp BioTech holding fast so

etwas wie ein Ritterschlag. Denn geben die beiden Geschäftsführer des Investors, Dr. Friedrich von Bohlen und Halbach und Professor Christof Hettich, ihr „Go“, sind sie von den Chancen und dem Poten-zial der neuen Firma überzeugt – ohne Wenn und Aber. „Nach der Präsentation des Unternehmens-konzepts war klar, wir bekommen den Betrag“, sagt der promovierte Biologe. Nachbesserungen,

weitere Verhandlungen und neue Termine, die Investmententscheidungen häufig in die Länge ziehen, fielen damit weg. Immerhin ging es bei der Neugründung der Apogenix GmbH im Jahr 2005 um rund 15 Millionen Euro. „Vieles war allerdings schon im Vorfeld geklärt worden“, räumt Höger ein. So stand fest, dass Höger und Dr. Harald Fricke die Leitung von Apogenix übernehmen werden. Beide weisen erstklassige Referenzen auf. Höger hat zuvor in der Pharmaforschung der BASF AG gearbeitet, bevor er 2000 als Biotechnologieanalyst zur DZ

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Bank in Frankfurt wechselte. Fricke war lange Jahre in leitenden Positionen für die Entwicklung von Medikamenten verantwortlich, unter anderem bei Fresenius Biotec. Genau die richtige Mischung, um zusammen als erfahrenes Managementteam das Unternehmen zu lenken.

Das Vorgängerunternehmen, die Apogenix Bio-technology AG, musste 2004 Insolvenz anmelden. Das ursprünglich als Spin-off des Deutschen Krebs-forschungszentrums (DKFZ) entstandene Unterneh-men wurde bis zu diesem Zeitpunkt von Professor Henning Walczak geleitet, der es zusammen mit Professor Krammer, Leiter der Immungenetik-Abteilung des DFKZ, gegründet hatte. Walczak forschte zeitgleich am DFKZ und folgte 2006 dem Ruf als Professor ans Imperial College in London. Beide sind der neu gegründeten Apogenix GmbH weiterhin verbunden und stehen als wissenschaft-liche Berater zur Verfügung.

„Die Idee zur Gründung der Apogenix kommt aus den Befunden, die wir aus dem Labor erhoben und 1989 in Science publiziert haben“, sagt Kram-mer rückblickend. „Wir sahen die Möglichkeit, Apo-ptose, den programmierten Zelltod, entweder zu reduzieren oder zu blockieren.“ Die Grundlage für diese mögliche Beeinflussung war die Entdeckung

eines Rezeptors, den die Forscher damals „Apo-1“ getauft hatten und der in der offiziellen Nomenkla-tur CD95 heißt.

APG101 ist der am weitesten entwickelte Medikamentenkandidat von Apogenix.

Apoptose ist ein natürlicher, körpereigener Prozess, der zum gesteuerten Zelltod führt. Der Körper hält durch Apoptose die Anzahl seiner Zel-len relativ konstant und kann so das Gleichgewicht zwischen neuen und sterbenden Zellen erhalten. In bestimmten Situationen wird dieses Gleichgewicht allerdings gestört. Einerseits kann sich die Anzahl der sterbenden Zellen – verursacht durch Stress, Strahlung, Viren oder chemische Wirkstoffe – erhö-hen. Andererseits gibt es Krankheiten, wie zum Bei-spiel Krebs, bei denen erkrankte Zellen nicht schnell genug zerstört werden. Der Prozess des Zelltods verläuft in diesen Fällen zu langsam.

löslicher Rezeptor als lösung

Apoptose wird im Körper durch die gezielte Inter-aktion mit Todesrezeptoren auf der Zelloberfläche reguliert. „Wenn dieser Todesrezeptor durch einen natürlichen Liganden oder durch stimulierende Reagenzien ‚gekitzelt‘ wird, löst das in sensitiven Zellen die Apoptose aus“, so Krammer. „Um nicht gleichzeitig gesunde Zellen zu zerstören, ist eine Manipulation und Stimulation des Rezeptors im Tu-mor mit ein paar Tricks und Kniffen unerlässlich.“ Die Forscher entdeckten tatsächlich einen solchen stimulierenden Antikörper, und sie konnten nach-weisen, dass man durch ihn Apoptose in Krebszel-len auslösen und so Tumore eliminieren kann. In der Folge entwickelten sie daraus einen löslichen Rezeptor.

Zunächst sei er mit seiner Entdeckung selbst von Freunden belächelt worden. So erinnert sich Kram-mer an seinen ersten öffentlichen Vortrag zum Thema Apoptose. „Jetzt bringt er sogar Zellen um“, hätten sich dort einige Zuhörer über ihn lustig ge-macht. Ihm selbst sei die Tragweite seiner Erkennt-nis aber damals schon klar gewesen. Bei den heute von Apogenix entwickelten Medikamentenkandi-daten geht es unter anderem um die Beeinflussung und das Austarieren der Apoptose auf Grundlage eines löslichen Rezeptors. Denn während bei Krebserkrankungen zu wenige Todesrezeptoren wirken, ist die Apoptose bei akut und chronisch de-struktiven Erkrankungen wie zum Beispiel Gehirn-schlag, Herzinfarkt oder Aids erhöht.

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Krammer blickt heute wieder hoffnungsfroh nach vorn: „Wir haben einen sehr erfolgreichen Neuanfang geschafft“, sagt der alte und neue Grün-der. Wenn er, wie er hofft, mit den Medikamenten einmal viel Geld verdient, will er seinen Anteil für eine Stiftung verwenden. Wichtiger als das Geschäft ist für ihn aber seine Reputation als Wissenschaftler.

Vor allem geht es ihm darum, tatsächlich Menschen zu helfen. Krammer gibt aber auch zu, dass der Fehlschlag der alten Apogenix nicht spurlos an ihm vorübergegan-gen ist: „Ich habe viele Haare verloren. Das waren sehr turbulente Zeiten.“ Die früheren Kapitalgeber hatten 2004 den Geldhahn gnadenlos zugedreht.

Peter Krammer hat den Vorgänger der heutigen Apogenix GmbH mitgegründet. Dem Unternehmen steht der angesehene Krebsfor-scher weiterhin als Berater zur Verfügung.

Mit der Unterneh-mensentwicklung der neuen Apogenix ist Höger zufrieden. Die klinische Phase-1-Stu-

die für den bisher am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten mit der Bezeichnung APG101 ist erfolg-reich verlaufen. Eine zweite Entwicklung, der „IL-4-Blocker“, befindet sich mit vielversprechenden Da-ten in der präklinischen Phase. Dem Management ist es außerdem gelungen, 2008 in einer zweiten Finanzierungsrunde insgesamt 28 Millionen Euro einzuwerben. Die dievini Hopp BioTech holding hat ihr Investment um weitere 27,5 Millionen Euro erhöht. Und erstmals beteiligt sich das DKFZ mit

0,5 Millionen Euro an dem Unternehmen. Für die Forschungseinrichtung ist dieses Investment-engagement eine Premiere.

Die Apogenix GmbH und ihre derzeit 26 Mit-arbeiter sind somit auf dem besten Weg, sich als anerkannte Medikamentenentwickler zu etablieren und so die Vision der Gründer in die Wirklichkeit umzusetzen.

Bei der Entwicklung von Medikamenten arbeitet Apogenix eng mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum zusammen.

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c-lEcta GmbH

Enzymdesigner aus Leipzig

Marc Struhalla gehört zu den Mitgründern von c-LEcta. Das Unternehmen deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab – von der Entdeckung bis zur Herstellung von Enzymen für Industrie, Forschung und Diagnostik.

Biokatalysatoren identifizieren, optimieren und produzieren – so hilft c-LEcta ihren Kunden weiter. Doch damit sich die 2004 in

Leipzig gegründete GmbH auf dem Markt etablie-ren konnte, brauchten die Gründer Marc Struhalla und Thomas Greiner-Stöffele selbst ein wenig Hilfe. Ihren Business Angel fanden sie auf eine Art, die man so nicht vermuten würde: per Zeitungsan-nonce. Klaus Warning, in der Chemiebranche zu Hause, wurde auf die Anzeige im „CHEManager-Magazin“ aufmerksam. Ihn überzeugte die Idee

der Jungunternehmer so sehr, dass er in das Un-ternehmen einstieg. Begonnen hat die Geschichte des Unternehmens an der Universität von Leipzig. Dort entwickelten Struhalla und Greiner-Stöffele ein Screening-Verfahren, mit dem es gelang, be-stimmte Enzyme selbst in großen Bibliotheken zu identifizieren. Diese Technologie meldeten die bei-den promovierten Biochemiker zum Patent an und machten sich damit selbstständig. Doch zunächst mussten die Firmengründer noch eine Menge lernen. „Als Unternehmer waren wir praktisch

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noch grün hinter den Ohren“, sagt Struhalla. So arbeiteten sie sich zuallererst intensiv in das Thema Patente ein, um ihre Anmeldung anschließend in eine Kapitalgesellschaft zu übertragen. „Das war vor allem für die Akquisition wichtig, um Investoren zu zeigen, hier gibt es geistiges Eigentum als Basis für den Aufbau eines Technologieunternehmens“, so Struhalla.

Förderung aus dem Programm BioChancePlUS

Danach galt ihre ganze Energie der Finanzierung. „Wir haben alle Instrumente bewegt, die möglich sind“, sagt der Geschäftsführer. Rund ein Jahr dau-erte es, bis diese Bemühungen fruchteten. Als Erste beteiligte sich die Stadt Leipzig mit einem kleineren Finanzierungsvolumen aus einem Fonds an der Firma. Auch die Sparkasse und die Betreibergesell-schaft Bio Net der BIO CITY LEIPZIG unterstützten die Jungunternehmer. Sie halfen bei Themen wie Bilanzerstellung, Finanzierungsinstrumente und Businessplan. Struhalla weiß diese gute Infrastruk-tur der Stadt zu schätzen: „Die haben uns damals ans Händchen genommen.“ Auch das Bundesfor-schungsministerium beteiligte sich an der An-schubfinanzierung durch die Förderung aus seinem Programm BioChancePLUS. Damit konnte c-LEcta ein Forschungsprojekt verwirklichen und den Auf-

bau ihrer Technik voranbringen. Dafür ist Struhalla dem Ministerium noch heute dankbar. „Ohne diese Förderung wäre der Start kaum möglich gewesen“, sagt der Unternehmer.

Über eine Mehrkanalpipette wird eine Mikrotiterplatte mit einer Lösung beschickt.

Der eigentliche Durchbruch gelang 2006 mit dem Einstieg des Business Angel Klaus Warning, in-zwischen Mitglied des Leitungs- und Beraterteams der c-LEcta. „Für uns war das ein echter Glücksfall“, sagt Struhalla. Warning professionalisierte das Management und brachte neben Kapital auch wert-volle Kontakte mit ein. Seit Ende 2008 ist mit der SHS auch ein Venture-Capital-Fonds an dem Unterneh-men beteiligt.

Inzwischen zählt die Firma 35 Mitarbeiter. Sie kann auf ein weit gespanntes Netzwerk aus Ko-operationen und Partnerschaften bauen, darunter Marktführer wie BASF, Symrise und Cognis. „Wir haben erreicht, was sich alle wünschen: Technolo-gietransfer aus der Forschung heraus“, sagt Struhal-la, „c-LEcta ist eine klassische Universitätsausgrün-dung.“

Fachlich blieb c-LEcta diesen universitären Wurzeln treu und konzentriert sich weiterhin auf Proteine mit katalytischen Eigenschaften. Die Kunden kommen sowohl aus der Industrie als auch aus der Forschung, und die Anwendungsgebiete

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sind vielfältig. So werden Enzyme für Waschmittel, Backwaren oder für die Herstellung von Arznei-stoffen entwickelt. Die Biotechnologieschmiede spürt die geeigneten Katalysatoren in natürlichen Quellen auf, optimiert sie oder stellt sie mit ihren proprietären Technologien selbst her. „Unsere Partner legen uns ihre Fragestellungen offen. Wir suchen für sie dann die beste Lösung“, erklärt Struhalla ihre Geschäftsabläufe. Neben der Lösung von Fragestellungen ihrer Kunden beschäftigt sich c-LEcta auch mit eigenen Produktideen und dem Ziel, diese zu vermarkten. Dabei setzen sie auch auf Kooperationen mit interessierten Partnern. So hat das Unternehmen aktuell zusammen mit einem In-dustriepartner ein Enzymprodukt entwickelt, durch das sich hartnäckige Grasflecken in Textilien beim Waschen entfernen lassen.

Ein weiteres aussichtsreiches Projekt zielt darauf, die Acrylamid-Bildung in Lebensmitteln zu verhin-dern. Die Substanz ist giftig und gilt als krebserre-gend. Acrylamid ist beispielsweise in Pommes Frites, Chips und Cornflakes oder auch in Kaffee enthalten. Der Giftstoff bildet sich unter anderem beim Frittie-ren, Grillen und Rösten und immer dann, wenn Lebensmittel unter hohen Temperaturen hergestellt oder behandelt werden. Das Enzym von c-LEcta un-terdrückt die Vorläufersubstanz, sodass sich der schädliche Stoff gar nicht erst bilden kann. Diese Entwicklung hat sich das Unternehmen bereits pa-tentieren lassen. Derzeit führt das Management Ver-kaufsgespräche mit Interessenten aus der Industrie.

Enzyme gegen Giftstoffe in Pommes, Chips und Cornflakes

Ein weiterer FuE-Schwerpunkt liegt in der Optimie-rung der Synthese von Chemikalien. Gegenwärtig sind für chemische und pharmazeutische Herstel-lungsprozesse noch hohe Temperaturen, hoher Druck oder der Einsatz belastender Chemikalien und Lösungsmittel nötig. c-LEcta verfolgt hier den Ansatz der sogenannten grünen Chemie. Sie nutzt Enzyme, um die bislang heftigen Reaktionsbedin-

gungen zu ersetzen und beispielsweise Wirkstoffe billiger, schonender und insgesamt effizienter herzustellen. In diesem Segment arbeitet das Unter-nehmen an mehreren Projekten mit Herstellern von pharmazeutischen Produkten zusammen.

Für die Zukunft will Struhalla das erfolgreiche Geschäftsmodell weiterentwickeln und vermehrt Produkte vermarkten, die das Unternehmen aus der eigenen Forschung gewinnt. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt und verschiedene Folgeprojekte bereits in Sicht. Struhalla ist zuversichtlich, dass sein Unternehmen im gleichen Tempo wie bisher wachsen wird.

Ein Mitarbeiter stellt im Molekularbiologielabor verschiedene Reak-tionsansätze zusammen.

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„Nicht jede Idee braucht eine Firma“Interview mit Friedrich von Bohlen und Halbach und Christof Hettich, den Geschäftsführern der dievini Hopp BioTech holding GmbH & Co. KG

Friedrich von Bohlen und Halbach ist gründer mehrerer unternehmen in den lifesciences. der promovierte Biochemiker und Betriebswirt hat über zehn Jahre unternehmerische erfahrung in dieser Branche. professor Christof Hettich ist Jurist und partner der sozietät rittershaus rechts-anwälte, Mannheim und Frankfurt am Main, mit schwerpunkt gesellschaftsrecht, Kapitalmarkt-recht und umstrukturierung von unternehmen. zusammen gründeten sie dievini im Jahr 2005. die beiden geschäftsführer betreuen das portfolio und unterstützen mit ihrem expertenteam diet-mar hopp bei der auswahl und Begleitung seiner investments. dietmar hopp, ehemaliger Vor-standsvorsitzender und aufsichtsratsvorsitzender der sap, investiert seit einigen Jahren speziell in den Bereichen Biopharmazie und Biotechnologie.

Herr von Bohlen, Herr Hettich, wer heute in Bio-technologieunternehmen investiert, ist der ein Idealist oder ein Kaufmann?

Friedrich von Bohlen und Halbach: Es hilft sehr, wenn man der Branche zugeneigt ist und an ihr Potenzial glaubt, zumal es eine für das zukünf-tige Gesundheitswesen sehr wichtige Branche ist. Von der Verantwortlichkeit her muss man natürlich Kaufmann sein. Es geht darum, Erfolg versprechen-de innovative Ansätze zu identifizieren und sie mit geeigneten Teams bis zur Markteinführung zu ent-wickeln. Da sind die kaufmännischen und unter-nehmerischen Fähigkeiten sicher wichtiger als die Fähigkeiten, die sich hinter dem Begriff Idealist verbergen. Wenn Sie allerdings unter Idealist ein gewisses Selbstverständnis verstehen, dass nicht gleich die Welt untergeht, wenn etwas schiefgeht, dann schadet das sicherlich nicht.

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135 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

Christof Hettich: Wer heute, in Zeiten der Krise, das Wagnis annimmt, der kühl rechnet, der will etwas bewegen, der will auch an den Märkten etwas bewegen. Und der wählt bestimmt im Moment nicht den einfachen Weg.

Was sind die Auswahlkriterien Ihrer Unterstüt-zung von Unternehmen? Stehen hier die kauf-männischen Kriterien im Vordergrund?

von Bohlen: Wir investieren in personalisierte Medizin sowie in Medikamentenentwicklung in den Bereichen Onkologie, zentrales Nervensystem, zellbasierte Medizin. Mit der Dietmar Hopp Stiftung unterstützen wir das von uns mitinitiierte Heidel-

berger Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin, HI-STEM. Das ist auch eine Ideen- und Patentgenerierungsorganisation für zukünftige zelltherapeutische Ansätze.

„Wir sind nah genug am Spielfeld, dass wir die Mannschaft verstehen und unterstützen kön-nen.“ Hettich: Darüber hinaus müssen die Entwick-

lungsansätze neu sein. Uns genügt ein „etwas besser machen als“ nicht. Auch wenn das Risiko dadurch für uns höher ist. Und wichtig ist: Sie entscheiden sich für Menschen, die diese Projekte entfalten kön-nen. Man darf nicht den Ehrgeiz haben, aus einem guten Wissenschaftler einen guten Unternehmer zu machen. Aussichtsreicher wird es, wenn einem Top-wissenschaftler Manager zur Seite gestellt werden, die die nächsten Schritte durchführen.

von Bohlen: Das ist überhaupt eine unserer vornehmsten Aufgaben, dass wir in den Unter-nehmen geeignete Personen zusammen mit einer Mannschaft finden und sie befähigen, die Ziele zu erreichen. Wir können die Firmen nicht selber führen, das wollen wir auch gar nicht. Aber wir sind

als Investorenvertreter verantwortlich dafür, dass die Firmen, an denen wir beteiligt sind, so gut wie möglich aufgestellt sind. Einen großen Teil unserer Zeit verwenden wir darauf, Organisationen und Strukturen zu entwickeln und zu entfalten.

Sie sind dann eher Managementberater in den Unternehmen?

von Bohlen: Wir sehen uns als eine Art „com-pany builder“ und sind vielleicht am ehesten ver-gleichbar mit einem Coach. Wir sind nah genug am Spielfeld, dass wir die Mannschaft verstehen und so gut es geht unterstützen können.

Wie ist es zu Ihrer eigenen Gründung, der dievini, gekommen? Die erste Silbe „die“ steht vermutlich für Dietmar?

Hettich: (lacht) Nein, überhaupt nicht – Dietmar und Wein – nein, da ist zwar Dietmar mit drin, klar, aber nicht, dass es da draufsteht.

Das war eine ganze einfache und wirklich schöne Geschichte. Es fing damit an, dass Dietmar Hopp, der sein Metier ja in ganz anderen Branchen hatte, losen Kontakt auch zum Bereich der Biotechnologie bekam. Er hatte das Gespür für den kommenden Markt, die nächste Welle. Das war aber noch über-haupt nicht strukturiert, sondern entstand bei ihm aus einer Kombination aus wissenschaftlicher Neu-gier, ökonomischem Gespür und immer auch einem philanthropischen Ansatz. Ich arbeite mit Herrn Hopp seit zwölf Jahren zusammen und kenne sein Geschick als „Menschenfänger“ im positiven Sinne, als jemand, der anderen Menschen Vertrauen schenkt. Er war dann interessiert, in dem Bereich zu investieren, und rief mich eines Tages an: „Ich treffe mich nachher mit Herrn von Bohlen. Es geht um Lifescience, und Sie haben doch gerade die Dinge organisiert.“ Ich konnte an dem Termin nicht dabei sein, aber er rief mich dann nochmals auf meinem Handy an: „Ich sitze gerade mit Herrn von Bohlen zusammen. Sie müssen sich mal mit ihm treffen.“ Später hat er mir einmal gesagt: „Ich hatte damals gedacht: Sie passen zusammen.“ Friedrich von Boh-len und ich haben uns bald danach zusammenge-setzt und beschlossen, wenn wir so etwas machen, dann geben wir uns auch eine Struktur. Wir haben anschließend dievini zunächst als Beratungsgesell-schaft gegründet und 2007 zur Beteiligungsgesell-schaft umgestaltet, in der alle Beteiligungen organi-siert sind. Mit dem Unternehmen ist nicht nur etwas

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13� BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

sehr Produktives entstanden, sondern auch etwas, was richtig Spaß macht. Und ich habe darüber einen Freund gewonnen. Das ist für mich eine ganz tolle Lebenserfahrung.

von Bohlen: Bei der Namensgebung hatten wir uns überlegt, einen Begriff aus der Mythologie zu wählen, möglichst mit hellen Vokalen, weil die positiver klingen. Dievini kommt aus dem Baltikum. Es sind die guten Hausgötter. Und das passt ja auch, denn uns geht es darum, das Haus zu bestellen und dafür zu sorgen, dass alles so gut wie möglich läuft. Der Termin bei Dietmar Hopp war Anfang 2005. Er kam zustande, weil ich mir zu dem Zeitpunkt auf Bitten eines Freundes ein biopharmazeutisches Un-ternehmen, die Cosmo Pharmaceuticals, genauer angeschaut hatte. Wegen dieses möglichen Invest-ments hatte ich mich mit Herrn Hopp getroffen, von dem ich kurz zuvor in der hiesigen Presse gelesen hatte, dass er in ein Heidelberger Biotechnologie-unternehmen investiert hatte. Das Thema Cosmo war sehr schnell abgehakt, positiv. Er hat das Ganze dann gleich eine Stufe weitergetragen und gesagt: „Übrigens, Sie müssen mal Herrn Hettich treffen“, den er dann ja auch sogleich anrief. Das war ohne konkreten Auftrag, einfach im Vertrauen auf das, was da kommen würde. Und ich kann das eben Gesagte nur bestätigen: Mit Christof Hettich habe ich nicht nur einen einzigartigen Partner gewon-nen, mit dem ich mich gut ergänze. Es ist eine sehr intensive Freundschaft entstanden.

Es kommt vermutlich dennoch darauf an, die Bereiche abzustecken, was von wem bearbeitet wird?

von Bohlen: Ja und nein, das ist ein sehr dyna-mischer Prozess. Sicher, jeder hat seine Schwer-punktbereiche, und die sind dem anderen auch klar. Das wird immer akzeptiert. Und genau deshalb können wir je nach Situation variieren. Letztlich geht es darum, die Arbeit für Dietmar Hopp und für dievini so gut wie möglich zu erledigen.

Hettich: Wir sprechen die gleiche Sprache und betrachten die Dinge ähnlich, und wir respektieren uns gegenseitig. Das bedeutet, wir lassen uns den nötigen Raum und können darauf Vertrauen, dass die Dinge zum Besten betrieben werden. Die Basis ist die Kommunikation. Das heißt ja nicht, dass wir immer Kuschelkurs fahren, die offene Ansprache gehört dazu. Ich sage den Geschäftsführern in

den Unternehmen auch: „Keine Feigheit vor dem Freunde!“ Dieses Motto ist uns bei unseren regelmä-ßig halbjährlich stattfindenden Meetings wichtig. Das heißt: in einem konstruktiven Kontext ambitio-niert an die Themen rangehen und auch das klar ansprechen, was einem nicht passt.

Wie umkämpft ist das Geschäft der Venture-Capitalists – oder sehen Sie sich eher als Business Angels?

Hettich: Was wir tun, ist Venture. Wir sind keine Kapitalgesellschaft oder Business Angels im klassischen Sinne. Ein Venture-Capital-Fonds sammelt typischerweise Geld auf dem Markt ein und investiert es für einige Jahre in verschiedene Firmen. Sie folgen mit ihrem Investment ihrem eigenen Anlagenhorizont und nicht dem Horizont der Unternehmen. Wir sind auch nicht Business Angels, diesen Begriff verwendet man klassisch im Bereich der frühen Phase: Wie helfe ich mit viel Know-how und meist nur limitierten Mitteln? Wir versuchen die Geschäftsleitung von der Notwen-

digkeit, sich ständig Gedanken um neues Funding zu machen, freizuhalten. Das Kapital kommt von einem Unternehmer. Damit haben wir einen Rie-senvorteil. Für die Firmen, in die wir investieren, heißt das: erst einmal keine zeitliche Begrenzung. Wir können, wenn nötig, auch Altinvestoren aus-kaufen oder Firmen zusammenlegen. Das fällt VC-Gesellschaften schwerer. Wir sind Unternehmer im Lifescience-Bereich, die interessiert sind, dort gut zu investieren und erfolgreiche unternehmerische Strukturen zu schaffen. Wir betreiben „company building“.

„Es fing an mit einer Kombination aus wis-senschaftlicher Neu-gier, ökonomischem Gespür und philanthro-pischem Ansatz“

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137 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

Sie sind an 17 Unternehmen beteiligt?

Hettich: Ja.

Und die veröffentlichte Zahl von 350 Millionen Euro stimmt noch?

Hettich: Es sind eher 400 Millionen Euro.

Ist denn jetzt noch Spielraum für neue Beteili-gungen?

von Bohlen: Wir schauen uns nach wie vor neue Firmen an. Das machen wir schon deshalb, um zu sehen, was sich tut, wer mit welchen Konzepten un-terwegs ist. In erster Linie geht es uns aber jetzt da-rum, die Unternehmen, an denen wir beteiligt sind, nach vorne zu entwickeln. Wir konzentrieren uns auf die laufenden und auf die Folgeinvestitionen. In eine für uns sehr interessante Firma würden wir sicher auch neu investieren.

Eine Kritik, die sich gegen VC-Gesellschaften richtet, ist, dass sie aktuell zu wenig risiko-freudig sind. Sie würden zu wenig in Start-ups investieren und sich stattdessen die eher gestan-denen Unternehmen aussuchen, bei denen die Erfolgsaussichten schon erkennbar sind? Wie sieht das bei Ihren Investments aus?

Hettich: Sie sprechen da einen interessanten Punkt an. Was Sie jetzt beschreiben, gehört auch in dieses Bild von Venture-Fonds, die einen be-grenzten Zeithorizont haben und die bestimmten Spielregeln folgen, den „high crossover invest-ments“. Ein Fonds muss sich immer refinanzieren. Beim Einwerben vom Geld ist er abhängig von dem, was am Markt gerade en vogue ist. Das entspricht nicht immer dem, woran er selber glaubt. Es gibt Moden in dieser Branche, wie aktuell, wonach möglichst nur in „label stage investments“, also Phase III bei der Medikamentenzulassung, inves-tiert wird oder in Buy-out-Varianten zu einer noch viel späteren Phase. VCs laufen zwangsläufig diesen Moden nach. Wir versuchen uns davon freizuma-chen. Wir investieren in ganz bestimmte Teilbe-reiche. Wir wollen durchaus gezielt Produktpipe-lines aufbauen und investieren deshalb sowohl in Früh- und Spätphasen. Vor allem aber müssen die Entwicklungen neu sein. Hier wollen wir ganz vorne mitspielen.

Wie läuft das in der Praxis ab? Die Firmen kom-men überwiegend zu Ihnen? Oder schauen Sie sich auch auf dem Markt um? Möglicherweise gibt es auch Kandidaten, die „umkämpft“ sind, weil sie besonders hohe Erfolgsaussichten ver-sprechen?

Hettich: Es gibt eine ganze Menge Anfragen. Viele Unternehmen kennen wir unter anderem aus Publikationen. Wir haben kein Problem, mit anderen zusammen zu investieren, auch nicht mit VC-Fonds, solange die Struktur dadurch überschau-bar bleibt. Wir sind nicht diejenigen, die versuchen, bessere Angebote zu machen. Im Gegenteil, wir for-

mulieren klar unsere Einschätzung und sagen auch: „Wir geben euch eine schlechte Bewertung. Wenn ihr aber die und die Punkte noch holt, dann bessern wir nach.“ Und wir sagen: „Ihr habt über uns einen Unternehmer an eurer Seite. Ihr könnt entscheiden zwischen einer Unternehmerlösung oder einer VC-Lösung.“

„Wir investieren nur, wenn die Entwick-lungen neu sind. Hier wollen wir ganz vorne mitspielen.“ von Bohlen: Den wirklich harten Wettbewerber

mit der Exklusivität „wir oder ihr“ gibt es in Europa nicht. Den gibt es vielleicht in Kalifornien und Boston mit den dort vielen Investoren und deren vielem Geld. Wir selbst investieren so gut wie nicht in den USA, denn wenn wir da etwas angeboten be-kämen, wären das kaum die Perlen, sondern Fälle, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem Markt bereits durchgefallen sind. Es gibt dort Investoren vor Ort, und wir sind Investoren vor Ort. Wir sehen unseren Investitionsbereich eher in einem Zwiebel-schalensystem. Der Raum Rhein-Neckar wird von uns bevorzugt, ferner Deutschland, und in Richtung Europa dünnt es sich allein aufgrund der geogra-fischen Distanz rasch aus. Die Erfahrung zeigt, dass

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138 BEISPIElHaFTE UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

wir bei den Unternehmen, an denen wir Interesse haben und an denen auch andere interessiert oder bereits beteiligt sind, schon in den Initiierungsge-sprächen klären können, wie wir am besten mitein-ander kooperieren. Nur bei bisher zwei Unterneh-

men, in die wir inhaltlich gern investiert hätten, haben wir aufgrund der dort völlig verfahrenen Strukturen davon Abstand genommen.

„Forschungsein-richtungen leisten sich noch immer den Luxus, Patente als etwas Anrüchiges anzusehen.“

Wie sieht es umgekehrt mit amerikanischen Kapitalgesellschaften als Konkurrenten hier in Deutschland aus, die sich möglicherweise dann die aussichtsreichsten Kandidaten, die Perlen, wegschnappen?

von Bohlen: Sie finden hier wenig amerika-nisches Investment. Vor allem: Der sicherlich be-kannteste Biotechnologieinvestor in den USA, Klei-ner Perkins, sagt ganz klar: „Wir investieren nicht außerhalb der USA.“ Aus gutem Grund. Denn wegen der Entfernung würde das rasch zu einer Kondi-tionsfrage. Biotechnologie ist auch ein Synonym für: Es kommt das falsche Problem zum falschen Zeitpunkt! Ich kenne keine Biotechnologiefirma, die straight durchläuft. Dann käme zum ohnehin schon engen Terminplan auf einmal ein unerwar-tetes Thema zum Beispiel aus den USA, weil da gerade eine Studie ein Problem macht. Und dann müssen Sie in den Flieger und rüber. Das bedeutet gleich auch mehrere Tage Ausfall hier, die Sie ja ganz anders eingeplant hatten. Das geht auf die eigene persönliche Leistungsfähigkeit und auf die Qualität der Betreuung. Dann haben Sie nachher zwei Aufgaben nur halb erledigt und hätten min-destens das eine besser gleich sein lassen sollen.

Hettich: Das führt mich zu ganz grundsätzlichen Aussagen, zu der Frage, welche Bedeutung die Bio-technologie in Deutschland heute und in Zukunft hat.

Erstens: Biotechnologie ist überall ein riskantes Geschäft. Sie muss auf einem wissenschaftlichen Toplevel stattfinden. Noch hat Deutschland dieses Niveau. Ich betone: noch. Das ist mit den USA vergleichbar. Was Deutschland nicht hat, ist die Struktur. Wir haben eine vergleichsweise geringere Dichte der forschenden pharmazeutischen Indus-trie. Die ist nun einmal Hauptkunde und -partner der Biotechnologieindustrie.

Zweitens: Der Kapitalmarkt hält für spätere Phasen nicht im ausreichenden Maße Geld bereit. Diesen Mangel an Entrepreneurs und erst recht im Kapitalbereich hat unter anderem eine OECD-Studie herausgearbeitet. Hier muss entsprechend gegengesteuert werden.

Amerikaner investieren nicht in Deutschland, sie übernehmen die Technologien. Die Entwicklung haben wir dann hier geleistet, dafür möglicher-weise Wissenschaftsförderung eingesetzt, und am Schluss, sofern es noch gut läuft, kriegen wir allen-falls ein paar Lizenzen. Wenn sich auf Dauer daran nichts ändert, dann werden die guten Köpfe auch nicht mehr in Deutschland bleiben, weil die sich auch das Umfeld anschauen.

Drittens: In Deutschland fließt richtig viel Geld in die Wissenschaftseinrichtungen, das ist so weit ja auch gut. Was aber nicht funktioniert, ist der Wis-senschaftstransfer. Die Positionen an den Stellen werden oft aus dem Überhang besetzt mit Leuten, die daran gar kein Interesse, geschweige denn Spaß oder Ahnung haben. Es fehlen funktionierende ökonomische Einheiten. In der Politik brüstet man sich damit, wie viele Gründungen entstanden sind. Als ob die Zahl entscheidend wäre. Die Frage ist, mit welcher Substanz das stattfindet. Wir sagen auch: Nicht jede Idee braucht eine Firma.

Und ein letzter Punkt: Die Diskussionen um den Bereich Gesundheit und Medikamente werden bei uns allein auf das Thema Kosten reduziert. Wir spre-chen aber nicht darüber, dass Lifescience ein Wert schaffender Bereich ist. Das ist in den USA anders.

von Bohlen: Die deutsche Patentlandschaft ist, im Vergleich zu den USA, lückenhaft. Hier leisten sich Forschungseinrichtungen noch immer den Lu-xus, Patente als etwas Anrüchiges anzusehen, weil das mit dem schnöden Mammon zusammenhängt. Die sagen sich, „wir kriegen unsere Forschung

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doch bezahlt – vom Steuerzahler“. Dabei zeigt zum Beispiel Stanford, wie sich eine Universität durch Patente und Ausgründungen höchst erfolgreich finanzieren kann. Und kaum jemand wird behaup-ten, dass das der Qualität geschadet hat. In Deutsch-land gab es eine ganze Reihe verpasster Chancen. Innovationen und Patentierungen werden nicht konsequent unterstützt, vor allem wird deren unter-nehmerische Umsetzung nicht richtig incentiviert. Um es pointiert zu sagen: Ich hätte kein Problem, alle Förderprogramme zu streichen, wenn es dafür den Innovationen und dadurch den Gründern, Un-ternehmern und den sie begleitenden Finanziers an-reizvoller gemacht würde. Ein vorbildliches Beispiel, wo gezielt und originell finanzpolitisch Anreize für Patente und damit implizit für Gründungen geschaffen wurden, ist Luxemburg. Dort gibt es eine 80-prozentige Steuerentlastung auf Erträge, die auf

in Luxemburg generierten Patenten basieren. Bravo! Bei uns muss der Innovationsgedanke erst wieder neu definiert werden. Wir reden zwar viel über Innovation, tun aber wenig wirklich Konkretes oder Sinnhaftes, um Innovationen und deren Umsetzung durch intelligente Anreize für Unternehmer und Investoren so richtig schmackhaft zu machen.

„Das wichtigste ist die eigene tiefe Überzeugung von einem Produkt oder einer Idee.“ Hettich: Noch zwei ergänzende Sätze hierzu:

Wenn wir glauben, dass man den Wohlstand

über die Vermögensverwaltung erhalten kann, dann täuscht man sich. Wenn man keine wirklich unternehmerischen Aktiven im eigenen Land hält, die auch Risiko tragen, dann wird es über kurz oder lang den Wohlstand nicht mehr geben. Davon bin ich fest überzeugt.

Das Zweite: Ein ganz simpler Vorschlag: Lassen Sie uns einfach von diesen öffentlichen Förderpro-grammen wegkommen – bewusst auch in dieser Branche. Stattdessen erhält jeder, der in diesem Bereich privat investiert, ob über Fonds oder direkt, für jeden Euro noch einmal von der öffentlichen Hand, quasi treuhändlerisch, einen weiteren Euro. Wenn er Geld verliert, verliert er immer auch sein Geld, 1 : 1, mit. Wenn er etwas verdient, kriegt er ein Drittel dieses Profits, der aus diesen öffentlichen Euro entstanden ist. Den darf er behalten. Also ein ganz einfaches Beispiel. Das wäre einmal, ganz un-bürokratisch, ein Anreiz. Da brauchen wir auch gar nicht über Steuern zu reden. Ich glaube, nur dann funktioniert es.

Welche Tipps können Sie angehenden Gründern mit auf ihren Weg geben?

von Bohlen: Das Wichtigste ist die eigene tiefe Überzeugung von einem Produkt oder einer Idee und damit Unternehmer zu werden. Dann muss man seine Fähigkeiten nüchtern analysieren, die Stärken wie die Schwächen. Man muss nicht alles selber können, sondern kann sich Kräfte dazuho-len, um Fehlendes und Schwächen auszugleichen. Das kann für einen Topwissenschaftler bedeuten, sich einen CEO zu holen und sich selbst mit der Funktion des CSO zufriedenzugeben oder sogar ganz aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen. Im Sinne des unternehmerischen Erfolgs muss man bereit sein, über seine Person hinwegsehen und Verantwortung weiterreichen und auch abgeben zu können. Ein guter Unternehmer bleibt gedank-lich frei.

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Unternehmensgründungen in der Biotechnologie 1985 bis 2010

Dargestellt sind Biotechnologieunternehmen, die in den ersten drei Jahren ihres Bestehens eine Förderung des Bundesforschungsministeriums erhalten haben.

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Biotechnologie-Unternehmensgründungen 1985 bis 199�

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Medizinische Biotechnologie

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industrielle Biotechnologie

Bioinformatik

plattformtechnologien und dienstleistungen

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143BIOTECHnOlOGIE-UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

unternehmen Ort website gründung

1 asa spezialenzYMe gmbh wolfenbüttel www.asa-enzyme.de 1991

2 Bavarian nordic gmbh Martinsried www.bavarian-nordic.com 1994

3 BiOpharM gmbh heidelberg www.biopharm.de 1986

4 Bioplant gmbh ebstorf www.bioplant.de 1985

5 BioTez Berlin-Buch gmbh Berlin www.biotez.de 1992

6 bitop ag witten www.bitop.de 1993

7 cellgenix Technologie Transfer gmbh Freiburg www.cellgenix.com 1994

8 co.don® ag Teltow www.codon.de 1993

9 epilogic gmbh Freising www.epilogic.de 1996

10 evotec ag hamburg www.evotec.com 1993

11 gaTc Biotech ag Konstanz www.gatc-biotech.com 1990

12 genotype gmbh wilhelmsfeld www.genotype.de 1991

13 Medigene ag Martinsried www.medigene.de 1994

14 Morphosys ag Martinsried www.morphosys.com 1992

15 Oncotest gmbh Freiburg www.oncotest.com 1992

16 prophyta biologischer pflanzenschutz gmbh Malchow / poel www.prophyta.com 1992

17 r-Biopharm ag darmstadt www.r-biopharm.de 1988

18 rhein Biotech gmbh (dynavax europe) düsseldorf www.dynavax.com 1985

19 scientific research and development gmbh Oberursel www.srd-biotec.de 1995

20 seratec gesellschaft für Biotechnologie mbh göttingen www.seratec.com 1987

21 siFin institut für immunpräparate und nährmedien gmbh Berlin www.sifin.de 1991

22 Tinplant Biotechnik und pflanzenvermehrung gmbh Klein wanzleben www.tinplant-gmbh.de 1992

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144 BIOTECHnOlOGIE-UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

Biotechnologie-Unternehmensgründungen ab 1997

pOTsdaM

TüBingen

halBersTadT

München

haMBurg

sTuTTgarT

dOrTMund

leVerKusen

heidelBerg

FranKFurT aM Main

regensBurg

hannOVer

düsseldOrF

FreiBurg

Mainz darMsTadT

Kassel

BOnn aachen

Jena

Berlin 30

29

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BreMerhaVen 135

72

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91

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115

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110 57

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Medizinische Biotechnologie

pflanzenbiotechnologie

industrielle Biotechnologie

Bioinformatik

plattformtechnologien und dienstleistungen

71

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114 99 81 32

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145BIOTECHnOlOGIE-UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

unternehmen Ort website gründung

23 4sc ag Martinsried www.4sc.com 1997

24 aBiTep gmbh Berlin www.abitep.de 2005

25 adnagen ag langenhagen www.adnagen.com 1999

26 affectis pharmaceuticals ag Martinsried www.affectis.com 2003

27 affimed Therapeutics ag heidelberg www.affimed.com 2000

28 agrobiogen gmbh Biotechnologie hilgertshausen-Tandern www.agrobiogen.com 1997

29 amptec gmbh hamburg www.amp-tec.com 2005

30 analyticon discovery gmbh potsdam www.ac-discovery.com 2000

31 andiaTec gmbh & co. Kg Kornwestheim www.andiatec.com 2003

32 aokin ag Berlin www.aokin.de 2005

33 aplagen gmbh Baesweiler www.aplagen.com 2001

34 apogenix gmbh heidelberg www.apogenix.com 2005

35 armbruster Biotechnology gmbh Bensheim www.armbruster-biotechnology.com 2001

36 arthro kinetics ag esslingen www.arthro-kinetics.com 2000

37 aTTO-laB gmbh lübeck www.atto-lab.com 2003

38 BF-BiOlabs gmbh denzlingen www.bf-biolabs.com 2004

39 BiOBase gmbh wolfenbüttel www.biobase-international.com 1997

40 Biofrontera ag leverkusen www.biofrontera.com 1997

41 Biopheresis gmbh heidelberg www.biopheresis.de 2005

42 BiOTecmarin gmbh Mainz www.BiOTecmarin.de 2002

43 BioTesys gmbh esslingen www.biotesys.de 2000

44 c-a-i-r biosciences gmbh Tübingen www.cair-biosciences.de 2006

45 capsulution pharma ag Berlin www.capsulution.com 2000

46 cellasys gmbh Kronburg www.cellasys.com 2007

47 cellca gmbh laupheim www.cellca.de 2005

48 cellMed ag alzenau www.cellmed.de 2000

49 celOnic gmbh Jülich www.celonic.com 1998

50 cenix Bioscience gmbh dresden www.cenix-bioscience.com 1999

51 chimera Biotec gmbh dortmund www.chimera-biotec.com 2000

52 coley pharmaceutical gmbh düsseldorf www.pfizerrnai.com 1997

53 conaris research institute ag Kiel www.conaris.de 1999

54 c-lecta gmbh leipzig www.c-lecta.de 2004

55 conogenetix biosciences gmbh Martinsried www.conogenetix.de 2002

56 corimmun gmbh Martinsried www.corimmun.com 2006

57 corlife gbr hannover www.corlife.eu 2006

58 creaTOgen laboratories gmbh potsdam 2004

59 crelux gmbh Martinsried www.crelux.com 2005

60 curacyte ag München www.curacyte.eu 2000

61 cureVac gmbh Tübingen www.curevac.de 2000

62 cyano Biofuels gmbh Berlin www.cyano-biofuels.com 2007

63 cytoTools ag darmstadt www.cytotools.de 2000

64 decOdOn gmbh greifswald www.decodon.com 2000

65 dermatools Biotech gmbh darmstadt 2003

66 develogen ag göttingen www.develogen.com 1997

67 entelechon gmbh regensburg www.entelechon.de 1999

68 epigenomics ag Berlin www.epigenomics.com 1998

69 epiontis gmbh Berlin www.epiontis.com 2003

70 euroderm gmbh leipzig www.euroderm-biotech.de 2002

71 eurofins Medigenomix gmbh ebersberg www.medigenomix.de 1997

72 evocatal gmbh düsseldorf www.evocatal.com 2006

73 febit holding gmbh heidelberg www.febit.de 2005

74 Fresenius Biotech gmbh gräfelfing www.fresenius-biotech.com 2003

75 Friz Biochem gesellschaft für Bioanalytik neuried www.frizbiochem.de 2004

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14� BIOTECHnOlOGIE-UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

unternehmen Ort website gründung

76 genearT ag regensburg www.geneart.com 1999

77 genomatix software gmbh München www.genomatix.de 1997

78 genterprise gmbh Mainz www.genterprise.de 1998

79 genXpro gmbh Frankfurt a. M. www.genxpro.de 2005

80 gesellschaft für individualisierte Medizin mbh (indyMed) rostock www.indymed.net 2004

81 glycotope gmbh Berlin www.glycotope.com 2001

82 gpc Biotech ag Martinsried www.gpc-biotech.com 1997

83 graffinity pharmaceuticals gmbh heidelberg www.graffinity.com 2006

84 greenovation Biotech gmbh heilbronn www.greenovation.com 1999

85 heidelberg pharma ag ladenburg www.heidelberg-pharma.com/ 2004

86 hyglos gmbh regensburg www.hyglos.de 2009

87 imusyn gmbh & co. Kg hannover www.imusyn.de 2001

88 imVision gmbh hannover www.imvision-therapeutics.com 2005

89 insilico Biotechnology ag stuttgart www.insilico-biotechnology.com 2001

90 interMed discovery gmbh dortmund www.intermed-discovery.com 2006

91 Jennewein Biotechnologie gmbh rheinbreitbach www.jennewein-biotech.de 2005

92 Julich chiral solutions gmbh, a codexis company Jülich www.codexis.com 1999

93 KinaXO Biotechnologies gmbh Martinsried www.kinaxo.de 2006

94 m2p-labs gmbh aachen www.m2p-labs.com 2005

95 Matricel gmbh herzogenrath www.matricel.com 2001

96 Merlion pharmaceuticals gmbh Berlin www.merlionpharma.com 2000

97 MelTec gmbh & co. Kg Magdeburg www.meltec.de 1999

98 metanomics gmbh Berlin www.metanomics.de 1998

99 metanomics health gmbh Berlin www.metanomics-health.de 2003

100 Microdiscovery gmbh Berlin www.microdiscovery.com 2000

101 mosaiques diagnostics and therapeutics ag hannover www.mosaiques.de 2001

102 mtm laboratories ag heidelberg www.mtmlabs.com 1999

103 Multimmune gmbh München www.multimmune.de 1999

104 nexttec gmbh leverkusen www.nexttec.biz 2001

105 n-zyme BioTec gmbh darmstadt www.n-zyme.de 1999

106 paiOn ag aachen www.paion.de 2000

107 panaTecs gmbh Tübingen www.panatecs.com 2005

108 pharmedartis gmbh aachen www.pharmedartis.de 2004

109 phenex pharmaceuticals ag ludwigshafen www.phenex-pharma.com 2002

110 phenos gmbh hannover www.phenos.com 2002

111 pieris ag Freising www.pieris-ag.com 2001

112 pls-design gmbh hamburg www.pls-design.de 2004

113 proBiodrug ag halle www.probiodrug.de 1997

114 proteome Factory ag Berlin www.proteomefactory.com 2001

115 proteosys ag Mainz www.proteosys.com 2000

116 proteros Biostructures gmbh Martinsried www.proteros.de 1998

117 rina netzwerk rna-Technologien gmbh Berlin www.rina-gmbh.eu 1998

118 rlp agroscience gmbh neustadt www.agroscience.de/ 2005

119 scienion ag Berlin www.scienion.de 2000

120 scil proteins gmbh halle www.scilproteins.com 1999

121 signature diagnostics ag potsdam www.signature-diagnostics.de 2004

122 silence Therapeutics ag Berlin www.silence-therapeutics.de 1998

123 sirs-lab gmbh Jena www.sirs-lab.com 2001

124 sloning BioTechnology gmbh puchheim www.sloning.com 2000

125 spheroTec gmbh Martinsried www.spherotec.com 2006

126 sungene gmbh gatersleben www.sungene.de 1998

127 sYgnis pharma ag heidelberg www.sygnis.de 2006

128 Taconicartemis gmbh Köln www.taconicartemis.com 1998

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147BIOTECHnOlOGIE-UnTERnEHMEnSGRÜnDUnGEn

unternehmen Ort website gründung

129 Targos Molecular pathology gmbh Kassel www.targos-gmbh.de 2005

130 TeTec reutlingen www.tetec-ag.de 2000

131 Therapyselect gmbh & co. Kg heidelberg www.therapyselect.de 2003

132 TopoTarget germany ag Frankfurt a. M. www.topotarget.com 2001

133 Traitgenetics gmbh gatersleben www.traitgenetics.de 2000

134 Viroactiv & Virofem wiesbaden www.virofem.de 1998

135 zytoVision gmbh Bremerhaven www.zytovision.com 2004

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148

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149 PERSOnEnVERzEICHnIS

Personenverzeichnis

Abshagen, Ulrich 18, 19

Aldag, Jörn 87

Benz, Marcus 69

Bindseil, Kai Uwe 30

Birr, Christian 48, 49, 50

Bohlen und Halbach, Friedrich von 128, 134 –139

Bronsema, Viola 14

Buckel, Peter 121, 122, 123, 124

Clement, Wolfgang 23

Coplan, Metin 59

Delbrück, Max 30, 38

Domdey, Horst 96, 97, 98, 99

Drews, Jürgen 24, 25

Eck, Jürgen 81, 84, 85, 86

Ehrlich, Paul 30, 38

Eigen, Manfred 87, 115, 116

Emmerich, Niels 118, 119, 120

Evans, Ron 27

Formela, Jean-Francois 24, 25

Fricke, Harald 128, 129

Fust, Johannes 44

Gerth, André 75, 76, 77

Graf, Marcus 106

Greiner-Stöffele, Thomas 131

Günther, Ute 43

Gutenberg, Johannes 44

Harhoff, Dietmar 109, 110, 111

Heinlein, Uwe 64, 65, 66

Heinrich, Peter 90, 91, 92

Henco, Karsten 59, 87, 116

Herbers, Karin 104

Herrmann, Alexander 112

Hettich, Christof 128, 134 – 139

Higham, Paul 118, 120

Hofstätter, Thomas 53

Höger, Thomas 128, 130

Hopp, Dietmar 17, 134, 135, 136

Huber, Robert 122

Jacob, Uwe 122, 123

Jaenisch, Rudolf 27

Jung, Marion 38

Junghans, Claas 34, 35

Kettling, Ulrich 115

Kirchhof, Roland 43

Klußmann, Enno 35, 37

Koch, Robert 30, 38

Kohl, Helmut 48

Köhler, Horst 84

Koltermann, Andre 115

Krammer, Peter 129, 130

Kröger, René 56

Krotzky, Arno 100, 101, 102

Krupp, Friedrich 43

Lampeter, Eberhard 93, 94, 95

Lang, Christine 125, 126, 127

Lanthaler, Werner 87, 88, 89

Lehn, Jean-Marie 19, 20

Lerchl, Jens 103, 104, 105

Lewis, Joe 34, 35

Lynen, Feodor 38

Mathias, Frank 90, 91, 92

Merkel, Angela 109

Merkl, Bernd 106

Merkle, Adolf 49, 50

Miltenyi, Stefan 64

Möhwald, Helmuth 113

Moroney, Simon E. 78, 79, 80

Motz, Manfred 61, 62, 63

Nüsslein-Volhard, Christiane 23, 24, 25, 26, 28

Papadopoulos, Stelios 24, 25

Pasteur, Louis 37

Paulista, Michael 51, 52, 53

Plückthun, Andreas 79

Pohl, Fritz 67, 68, 69

Pohl, Peter 67, 68, 69

Pohl, Thomas 67, 68, 69

Radbruch, Andreas 64

Rajewsky, Klaus 24, 27, 28, 29

Rammensee, Hans-Georg 119

Riesner, Detlev 59

Rounding, Paul 26

Rüden, Thomas von 115, 116, 117

Rüttgers, Jürgen 23

Sauer, Arthur 83

Scangos, George 23, 24

Schatz, Peer 57, 58 ,59, 60

Schavan, Annette 109

Scheefers, Hans 54

Scheefers-Borchel, Ursula 54, 55, 56

Schneider-Mergener, Jens 70, 71, 72, 73, 74

Schroff, Matthias 34

Schumacher, Jürgen 59

Singh, Harpreet 118, 119, 120

Sölling, Friedrich 43

Sondermann, Peter 122

Sonnewald, Uwe 104

Soutschek, Erwin 61, 62

Stadler, Peter 23, 28, 29

Stahl, Ulf 125, 127

Stephan, Jens 115

Stewart, Francis 27

Struhalla, Marc 131, 132, 133

Strüngmann, Andreas 17, 50

Strüngmann, Thomas 17, 50

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150 PERSOnEnVERzEICHnIS

Voigt, Andreas 112, 113, 114

Wagner, Ralf 106, 107, 108

Walczak, Henning 129

Wallmeyer, Michael 125, 127

Warburg, Otto 38

Warning, Klaus 131, 132

Weinschenk, Toni 118

Weitbrecht, Hansjörg 45, 120

Weizsäcker, Ernst Ulrich von 83

Willmitzer, Lothar 100

Wittig, Burghardt 34

Wyman, Oliver 42

Zinke, Holger 81, 82, 83

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