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AUSGABE 5/2015 NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG EINEWELT OHNE HUNGER DIE SONDERINITIATIVE DES BMZ HUNGER IST EIN LÖSBARES PROBLEM. Editorial von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller DEM HUNGER DEN KAMPF ANSAGEN. Die wichtigsten Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik HUNGER BRAUCHT INNOVATIONEN. In den Grünen Zentren des BMZ entsteht die Zukunft der Landwirtschaft FLUCHT VOR HUNGER, KRISEN UND ARMUT. Ein Bericht aus dem Südsudan von Entwicklungsexpertin Hilde Johnson

BMZeit 05/2015 Hunger

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NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG _ … EINEWELT OHNE HUNGER. DIE SONDERINITIATIVE DES BMZ _ HUNGER IST EIN LÖSBARES PROBLEM. Editorial von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller _ DEM HUNGER DEN KAMPF ANSAGEN. Die wichtigsten Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik _ HUNGER BRAUCHT INNOVATIONEN. In den Grünen Zentren des BMZ entsteht die Zukunft der Landwirtschaft _ FLUCHT VOR HUNGER, KRISEN UND ARMUT. Ein Bericht aus dem Südsudan von Entwicklungsexpertin Hilde Johnson

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Page 1: BMZeit 05/2015 Hunger

AUSGABE 5/2015 NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

…EINEWELTOHNEHUNGERDIE SONDERINITIATIVE DES BMZ

HUNGER IST EIN LÖSBARES PROBLEM. Editorial von

Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller

DEM HUNGER DEN KAMPF ANSAGEN. Die wichtigsten

Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik

HUNGER BRAUCHT INNOVATIONEN. In den Grünen Zentren

des BMZ entsteht die Zukunft der Landwirtschaft

FLUCHT VOR HUNGER, KRISEN UND ARMUT. Ein Bericht aus

dem Südsudan von Entwicklungsexpertin Hilde Johnson

Page 2: BMZeit 05/2015 Hunger

BMZeit · Ausgabe 5/2015

LIEBE LESERINNEN UND LIEBE LESER,

Hunger ist der größte Skandal auf diesem Pla­

neten. Noch immer gibt es rund zwei Milliarden

Menschen auf der Welt, die hungern oder mangelernährt

sind. Dabei ist genug für alle da. Es wächst ausreichend Nah­

rung, um deutlich mehr als sieben Milliarden Menschen zu

ernähren.

Eine Welt ohne Hunger ist also möglich! Wir dürfen uns nur

nicht im wahrsten Sinne des Wortes den Boden entziehen.

24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden gehen jährlich

durch Nutzung verloren – vergiftet, versiegelt oder schlicht

übernutzt. Jährlich werden 13 Millionen Hektar Wald ver­

nichtet vor allem für Anbauflächen. Zu Lasten des Klimas.

Die Weltgemeinschaft steht vor enormen Aufgaben. Wenn

wir versagen, sind wir alle betroffen. Eine Welt mit Hunger

kann keine friedliche Welt sein. Sie verursacht unsägliches

Leid, ist Nährboden für Terror und Unsicherheit, sie treibt

Menschen zur Flucht.

Dabei haben wir das Werkzeug, das Wissen, die Technik und

die Innovationen, um , EINEWELT ohne Hunger zu schaf­

fen. Das BMZ stellt sich mit seiner gleichnamigen Sonder­

initiative dieser Herausforderung.

Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Vielmehr müssen

wir bekanntes Wissen besser nutzen und Nachhaltigkeit

zum Leitmotiv machen. Und wir müssen auf das Engage­

ment unserer Partner setzen. Wir fördern nicht einfach Ge­

bäude oder Technik, sondern gute Ideen.

Hunger ist kein Schicksal. Sondern das größte lösbare

Pro blem vor dem die Menschheit heute steht. Wir neh­

men diese Verantwortung an. EINEWELT ohne Hunger ist

möglich!

Dr. Gerd Müller, MdB

Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und  Entwicklung

Berlin und Bonn, November 2015

→ www.bmz.de/mueller

EINEWELT OHNE HUNGER IST MÖGLICH

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Die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger wurde An-

fang 2014 von Bundesentwicklungsminister Müller ge-

gründet. Auf den folgenden Seiten berichten wir, wie die

Sonderinitiative mit ihren innovativen Programmen be-

sonders kleinbäuerliche Familienbetriebe weiterbringt.

Zunächst stellen wir Ihnen hier die sechs Schwerpunkte

von EINEWELT ohne Hunger vor:

1ERNÄHRUNG

SICHERNDIE SITUATION in den Entwicklungs­ und Schwellenlän­

dern: Hauptursache von Hunger und Mangelernährung ist

Armut – und nicht, wie oft fälschlicherweise vermutet, das

Fehlen von Nahrungsmitteln. Millionen Menschen verdie­

nen einfach nicht genug Geld, um sich die für die Ernährung

ihrer Familien notwendigen Lebensmittel kaufen zu kön­

nen. Und selbst wenn es den Kleinbauernfamilien in den

ländlichen Gegenden gelingt, sich selbst zu versorgen: Sub­

sistenzwirtschaft ist keine nachhaltige Zukunftsstrategie, da

so oft das Geld für die Schulbildung der Kinder oder die me­

dizinische Versorgung nicht ausreicht. Oft fehlt nicht nur

das Geld für genügend Nahrung, sondern vor allem auch der

Zugang zu Lebensmitteln, die eine gesunde und ausgewo­

gene Ernährung ermöglichen. Etwa 2 Millionen Menschen

leiden am sogenannten verstecktem Hunger, einem Mangel

an lebenswichtigen Nährstoffen.

DIE ZIELE der deutschen Entwicklungszusammenarbeit:

Das BMZ setzt sich dafür ein, dass jedes Kind, jede Frau, je­

der Mann jederzeit Zugang zu den Nahrungsmitteln erhält,

die für ein geistig und körperlich gesundes Leben erforder­

lich sind. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei neben den

kleinbäuerlichen Familienbetrieben den Frauen. Sie sind oft

die Hauptverantwortlichen für das Wohlergehen der ganzen

Familie und werden doch in vielen Ländern benachteiligt.

3INNOVATIONEN

FÖRDERNDIE SITUATION: Damit sich die wachsende Weltbevöl­

kerung auch in Zukunft ernähren kann, muss die globale

Landwirtschaftsproduktion bis 2050 um 60 Prozent gestei­

gert und dabei die natürlichen Ressourcen geschont wer­

den. Für Entwicklungsländer gilt in gleicher Weise wie für

Industriestaaten: Längst ist es nicht mehr der wachsende

Einsatz von Dünger, Wasser und Fläche, der den entschei­

denden Fortschritt bringt, sondern das Wissen um deren

effizienten und effektiven Einsatz.

2HUNGERSNÖTEN

ENTGEGEN WIRKENDIE SITUATION: 795 Millionen Menschen leiden an Hun­

ger und 2 Milliarden an Mangelernährung. Mehrere hundert

Millionen von ihnen leben in Gebieten mit anhaltenden

Krisen, die ihre Ernährung massiv gefährden. Der Klima­

wandel, immer knapper werdende Ressourcen und unklare

Landrechte verschärfen die Situation. Meist sind es gerade

die Verwundbarsten – Frauen und Kleinkinder –, die von

solchen Krisen am härtesten getroffen werden und deren

Ernährung dadurch besonders stark gefährdet ist.

DIE ZIELE: Die Ernährungssicherung für Mütter und Klein­

kinder ist besonders wichtig, denn eine gesunde Ernährung

in den ersten 1000 Tagen eines Kindes ist entscheidend für

sein ganzes Leben. Dabei geht es auch um die Qualität der

Ernährung, also die Versorgung der Menschen mit nähr­

stoffreicher und qualitativ hochwertiger Nahrung und den

Zugang zu sauberem Trinkwasser und Gesundheitsversor­

gung. Das zweite Ziel ist, die Anpassungsfähigkeiten von

Menschen, aber auch von Institutionen zu fördern, damit

Hungerkrisen vermieden bzw. bewältigt werden können.

Vor drohenden Hungerkatastrophen fliehen hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat.

Frauen und Kinder einer Kleinbauernfamilie in Ostäthiopien

Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller lässt ich in Rukka/ Indien beim Besuch der Landwirtschaftsakademie Green College ein neuartiges Pflanzverfahren für Reispflanzen erklären.

www.bmz.de/hunger

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HUNGER HAT VIELE FORMEN

DER VERSTECKTE

HUNGER

Etwa jeder dritte Mensch – und dies nicht nur in Entwick­

lungsländern – leidet an einer Unterversorgung mit Vita­

minen und Mineralstoffen, dem »versteckten Hunger«, so

genannt, weil viele Menschen diese Mangelernährung gar

nicht erkennen und weil die Symptome unspezifisch sind:

Appetitlosigkeit, Erschöpfung, Anfälligkeit für Infekte.

Einen besonders hohen Bedarf an Mikronährstoffen haben

schwangere und stillende Frauen sowie Kinder in den ersten

1000 Tagen zwischen Empfängnis und ihrem 2. Geburtstag.

Wenn dieser Bedarf nicht gedeckt ist, droht sogar der Tod.

Der Mangel führt zu einem geschwächten Immunsystem

und kann in Verbindung mit allgemeiner Unterernährung

zu körperlichen und geistigen Fehlentwicklungen führen.

Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung ist die Vor­

aussetzung für ein gesundes Leben. Doch viele Menschen

haben keinen Zugang zu guten Nahrungsmitteln, weil sie

vor Ort nicht verfügbar sind oder weil ihnen das notwen­

dige Wissen fehlt. Langfristig kann der versteckte Hunger

nur überwunden werden, wenn die zugrundeliegenden

Probleme gelöst werden: Strategien zur Ernährungssiche­

rung müssen neben dem Zugang zu angemessener Nahrung

auch die Nahrungsqualität, also die Vielfalt der Ernährung,

fördern und lokale Ernährungssysteme stärken.

→ www.bmz.de/ernaehrung

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5BODEN

REHABILITIERENDIE SITUATION: Pro Jahr gehen weltweit rund sechs Mil­

lionen Hektar fruchtbarer Boden verloren. Übernutzung

oder falsche Nutzung führen zu Nährstoffverarmung, Erosi­

on und anderen Formen der sogenannten Degradation. Der

Klimawandel verstärkt diese Dynamik. Dadurch verringert

sich die Produktivität der Böden, und die landwirtschaftlich

nutzbare Fläche nimmt ab.

DIE ZIELE: Nachhaltige und klimaverträgliche Landwirt­

schaft schützt natürliche Ressourcen und insbesondere Bö­

den. Die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger fördert

die Rehabilitierung von Boden, damit er wieder fruchtbar

wird und so zur langfristigen Ernährungssicherheit beitra­

gen kann. Außerdem setzt sich das BMZ international für

die Umsetzung der Konvention zur Bekämpfung von Wüs­

tenausbreitung (UNCCD) ein.

6LANDEIGENTUM

SICHERNDIE SITUATION: Für einen Großteil der ländlichen Bevöl­

kerung hängt die Lebensgrundlage direkt vom Zugang zu

Land ab. Viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern weltweit

haben nur informelle Landrechte, die nicht anerkannt und

ausreichend geschützt sind. Frauen sind vielerorts aufgrund

des traditionellen Erb­ oder Familienrechts benachteiligt.

Ohne gesicherte Landrechte ist der Zugang zu Krediten und

die Investition in die Verbesserung des bestellten Bodens

erschwert. Fruchtbares Land gerät außerdem zunehmend

ins Blickfeld ausländischer und einheimischer Investoren.

Sie kaufen oder pachten große Flächen, teilweise auch um

darauf Nahrungs­ und Futtermittel für den Export oder die

Biomasse für Treibstoffe anzubauen. Wird das Land, das die

Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nutzen, verkauft, bleibt

ihnen oft keine Möglichkeit zur Gegenwehr. Vor allem in

Ländern mit schlechter Regierungsführung und schwachen

Verwaltungsstrukturen können Vertreibungen oder Um­

siedlungen die Folge sein.

4PERSPEKTIVEN

SCHAFFENDIE SITUATION: Wer auf dem Land lebt, ist in Entwick­

lungs­ und Schwellenländern eher von Armut und Hunger

betroffen als in der Stadt. Sieben von zehn Hungernden le­

ben in ländlichen Gebieten. Hunger und Armut sind wich­

tige Gründe, warum Menschen ihre ländliche Heimat ver­

lassen. Städte versprechen Arbeit, höhere Löhne und eine

bessere medizinische Versorgung. Auf dem Land sind die

Bildungs­ und Aufstiegschancen oft schlechter, soziale Leis­

tungen gibt es kaum.

DIE ZIELE: Produktive Landwirtschaft benötigt ein för­

derliches Umfeld, etwa durch Energie oder Transportan­

bindung an die städtischen Zentren. Der Strukturwandel

abnehmender Beschäftigung in der Landwirtschaft betrifft

alle ländlichen Räume der Welt. Wichtig ist für ländliche

Gebiete, dass die Wertschöpfung im Lande bleibt, die Zahl

attraktiver Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft

wächst und junge Menschen in den ländlichen Räumen

eine Zukunftsperspektive finden. Das BMZ unterstützt ei­

nen sozial und ökologisch verträglichen Strukturwandel

des ländlichen Raumes und fördert ländliche Entwicklung

als Schwerpunkt in 17 Partnerländern.

Junge Männer, wie hier in Marokko, finden Arbeit in der Landwirtschaft immer attraktiver.

Folge der Dürre: ausgetrockneter Ackerboden in Mozambique

Ohne die Existenz von Grundbüchern sind die Eigentumsverhältnisse von Grund und Boden oft völlig ungeklärt.

DIE ZIELE: Nur eine innovative Landwirtschaft kann Motor

für eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung sein. Deshalb

unterstützt das BMZ den Aufbau von 13 Grünen Zentren.

Hier werden Bäuerinnen und Bauern unter Beachtung der

lokalen Gegebenheiten ausgebildet und Wissensnetzwerke

gegründet. Hier werden Agrarforschungsergebnisse ange­

wandt, z. B. um die lokale Landwirtschaft an die Auswirkun­

gen des Klimawandels anzupassen. Hier wird gezeigt, wie die

gesamte Wertschöpfungskette vom Acker über Lagerung,

Transport und Weiterverarbeitung bis zum Teller gestärkt

werden kann, um Ernteerträge und Einkommen der lokalen

Bevölkerung zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und die

lokale Versorgung mit Nahrungsmitteln zu erhöhen.

DIE ZIELE: Das BMZ investiert in die Aus­ und Fortbildung

von Entscheidungsträgern aus den Partnerländern. Um die

Absicherung von Landrechten zu unterstützen, hat das BMZ

in Addis Abeba gemeinsam mit der VN­Wirtschaftskom­

mission für Afrika (ECA), der Afrikanischen Union (AU) und

der Weltbank ein neues Exzellenznetzwerk für Landpolitik

gegründet. Hier werden Verwaltungskräfte ausgebildet, die

eine faire, transparente und entwicklungsorientierte Bo­

denordnung umsetzen können, die insbesondere die Rech­

te der Kleinbauern einschließt. Darüber hinaus fördert das

BMZ die Umsetzung der Leitlinien des Welternährungsaus­

schusses. Darin ist beispielsweise festgehalten, dass auch die

Gewohnheitsrechte der traditionellen Nutzer berücksichtigt

werden müssen. Damit können die Rechte besonders armer

und an den Rand gedrängter Gruppen geschützt werden.

Diese Leitlinien legt das BMZ in seinen eigenen Program­

men zugrunde und berät die Partnerländer dabei, sie zur

Grundlage der Formulierung ihrer Landpolitik zu machen.

Page 4: BMZeit 05/2015 Hunger

BMZeit · Ausgabe 5/2015

GRÜNE ZENTREN FÜR DIE  ZUKUNFT DER LANDWIRTSCHAFT

POTENZIALE ERSCHLIESSEN, IDEEN HABEN,

CHANCEN NUTZEN

Ein Morgen in dem Grünen Zentrum des BMZ in Katibougou,

einer Kleinstadt südlich von Bamako, der Hauptstadt von

Mali. Ein Laborant arbeitet an der Verbesserung der

Widerstandskraft von Kartoffelsetzlingen. Ein

Bauer und seine Frau lassen sich darüber aufklä­

ren, welche Vorteile ihnen die Mitgliedschaft in

der neuen Erzeugergemeinschaft bringt. Eine

Gruppe von Studenten diskutiert mit ihrer

Lehrerin, wie man Berufe in der Landwirtschaft

begehrter machen kann. Zwei junge Frauen sitzen

über einem Bewerbungsformular. In einem Work­

shop wird Wissen über Nährstoffe vermittelt.

Forschung, Erprobung, Bildung, Ausbildung, Beratung und

Anwendung im Alltag – neue Ideen, neue Chancen, neue

Herausforderungen werden bestmöglich miteinander ver­

zahnt, um die Ernährungssituation der ländlichen Bevölke­

rung in dem westafrikanischen Staat wirtschaftlich nach­

haltig, sozial­ und umweltverträglich zu verbessern.

Trotz enormer landwirtschaftlicher Potenziale werden in

Mali wie in vielen anderen Regionen weltweit nicht ausrei­

chend Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung produ­

ziert. Das BMZ unterstützt die Erschließung der Potenziale

durch die Förderung von 13 Grünen Zentren hauptsächlich

auf dem afrikanischen Kontinent mit einem Etat von 135,8

Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Durch

Innovationen in der Agrar­ und Ernährungswirtschaft kön­

nen das Einkommen kleinbäuerlicher Familienbetriebe

SO ARBEITET DAS BMZ

Grüne Zentren gibt es in Äthiopien, Benin, Burkina

Faso, Ghana, Kamerun, Kenia, Malawi, Mali, Nigeria,

Sambia, Togo, Tunesien und Indien. Partner sind die

jeweiligen Regierungen, deutsche und lokale Wissen­

schaftseinrichtungen, Verbände, Unternehmen und

Nichtregierungsorganisationen.

→ www.bmz.de/hunger

Im Versuchsgarten eines Grünen Zentrums.

Hier  werden neue und bewährte Bewässerungs­

methoden angewendet.

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verbessert, die regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln

gesteigert und neue Jobs in der Weiterverarbeitung geschaf­

fen werden.

Innovation meint dabei keineswegs „Hochtech­

nologie“, sondern umfasst den lokalen Gege­

benheiten angepasste Techniken: etwa den Bau

von Wasserreservoirs, die Mechanisierung der

Anbauprozesse, die Verbesserung von Saatgut

und Dünger, die Einführung von Kühlketten und

die Schaffung neuer Transportwege. Über die Tech­

nik hinaus geht es aber auch um die Vermittlung betriebs­

wirtschaftlichen Knowhows, z. B. für die Gründung von

kleinen und mittleren Unternehmen. Zudem ermöglicht

der Aufbau von Erzeuger­ und Vertriebsgemeinschaften

neue Formen von Zusammenarbeit und die Selbstorgani­

sation in Verbänden verschafft den Kleinbäuerinnen und

Kleinbauern eine politische Stimme.

Idealerweise bilden die Grünen Zentren einen Zusammen­

schluss von sich ergänzenden Einrichtungen der Wissensge­

nerierung und ­vermittlung wie Forschungseinrichtungen,

verschiedenen Demonstrations­ und Versuchsbetrieben,

Landwirtschaftsschulen, dezentralen Aus­ und Weiterbil­

dungsangeboten sowie breitenwirksamen Beratungsdiensten.

Wesentliche Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg der

Grünen Zentren sind der politische Wille und die Eigenver­

antwortung der Partnerregierungen.

Page 5: BMZeit 05/2015 Hunger

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INNOVATIONEN MÜSSEN IN DER  PRAXIS  ANKOMMEN

ZIELE HABEN,

WÜNSCHE ERFÜLLEN

Morgens um 5 Uhr in einem Dorf in West­Kenia:

Ibrahim Odera (Foto), ein 49­jähriger Kleinbau­

er, beginnt sein Tagwerk mit dem Melken sei­

ner vier Kühe. Der Ertrag: rund 20 Liter Milch,

die er auf dem Markt verkaufen kann. Von den

Erlösen seine fünf Kinder zu ernähren, das

Schulgeld zu bezahlen und alle sonstigen Haus­

haltsausgaben zu decken, ist schwierig. Einen ange­

stellten Helfer kann sich Ibrahim jedenfalls nicht leisten.

Ohne seine Frau und den 18­jährigen erstgeborenen Sohn,

der jeden Tag nach der Schule mitarbeitet, könnte er den

Hof nicht bewirtschaften.

Ibrahim Odera hat viele Ideen, wie er seine Situation verbes­

sern kann. Praktische Ideen wie diese: „Wenn ich ein Motor­

rad hätte, dann könnte ich schneller zum Markt kommen

als auf meinem alten Fahrrad“, sagt er. „Ich hätte dann mehr

Zeit, um auf meinem Hof zu arbeiten und könnte meine

Frau entlasten.“ Strategische Ideen wie diese: „Ich wür­

de gern Land kaufen und nicht wie bisher pachten. Dann

könnte ich mehr Futtergras anbauen und mir mehr Kühe

leisten, bessere Erträge haben und mehr Geld verdienen. “

Neben einem Kredit wünscht sich Ibrahim Odera vor allem

auch mehr Wissen. Wie kann er einfache Viehkrankheiten

selbst behandeln, ohne den teuren Tierarzt rufen zu müs­

sen? Macht es Sinn, sein Milchangebot auf dem Markt um

Joghurt und Dickmilch zu erweitern? Wie baut er einen

Silo für die Lagerung von Futtergras? Wie kann sich seine

Familie gesünder ernähren? Könnte er mit seinen vier Kü­

hen bereits eine kleine Biogasanlage für die Erzeugung von

eigenem Strom bauen?

Seit er im Rahmen des Grünen Zentrums das Agricultural

Training Center im nahen Bukura besucht, hat Ibrahim et­

liche seiner Fragen beantwortet bekommen, und er schaut

wesentlich optimistischer in die Zukunft. Foto

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SO ARBEITET DAS BMZ

Die Oderas mit ihren fünf Kindern sind eine der

vielen Millionen typischen kleinbäuerlichen

Familien, die das Rückgrat des afrikanischen

Kontinents bilden. Ihre Förderung steht im

Mittelpunkt der BMZ­Sonderinitiative EINEWELT

ohne Hunger.

→ www.bmz.de/hunger

Viehmärkte in Afrika: Hier wird nicht nur gehandelt

und gefeilscht, hier werden vor allem auch Nachrichten

ausgetauscht.

Page 6: BMZeit 05/2015 Hunger

BMZeit · Ausgabe 5/2015 6

Hilde Johnson, die ehemalige norwegische Entwicklungs-

ministerin, ist eine erfahrene Flüchtlingsexpertin. In den

vergangenen Jahren war sie als Sonderbeauftragte der

Vereinten Nationen für das Krisenland Südsudan Leiterin

der UNMISS Friedensmission.

Hilde Johnson kennt sich aus: Als Tochter einer christlichen

Missionarsfamilie ist sie in Tansania aufgewachsen und als

Anthropologin weiß sie Mentalitäten und kulturelle Unter­

schiede einzuordnen. Johnson ist eine energische Frau und

scheut vor unkonventionellen Entscheidungen nicht zu­

rück. Als im Dezember 2013 die Situation im Südsudan es­

kalierte, stand es für sie außer Frage, die Tore des VN­Stütz­

punktes im Zentrum der Hauptstadt Juba für Tausende um

ihr Leben fürchtende Menschen zu öffnen. In einer einzigen

Nacht wurde aus dem Stützpunkt der Vereinten Nationen

ein Flüchtlings lager, mitten in der Stadt.

„Es geht in einer solchen Situation nur um die Menschen,

vor unserer Tür standen Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder,

die um ihr Leben fürchteten. “ berichtet sie. Im Laufe weni­

ger Woche wuchs das Camp auf mehr als 20.000 Menschen

an, in VN­Stützpunkten in anderen Provinzen waren es

noch einmal 100.000 Menschen.

Die in Teilen des Landes immer wieder auftretenden kriege­

rischen Auseinandersetzungen haben mehr als 1,5 Millionen

Menschen in die Flucht getrieben, in Nachbarländer wie

Uganda, Äthiopien und Kenia, vor allem aber auch als Binnen­

flüchtlinge in die wenigen sicheren Gegenden des Landes.

„Die Situation besonders in der Landwirtschaft ist katastro­

phal. Die Bauern mussten ihre Dörfer verlassen, ihre Felder

verfallen, ihre Tiere sterben“, sagt sie. Die Nahrungsmit­

telproduktion liegt in großen Teilen des Landes brach. „Es

droht eine Hungerkatastrophe von bisher nicht gekannten

Ausmaßen.“

Ohne die Hilfe durch Partnerländer wie zum Beispiel

Deutschland und durch internationale Nichtregierungsor­

ganisationen, die die Nahrungsmittelverteilung und auch

die medizinische Versorgung übernommen haben, würde

die Situation eskalieren.

„In Krisengebieten wie dem Südsudan hat die Herstellung

von dauerhaftem Frieden oberste Priorität,“ sagt Johnson.

Wiederherstellung der Landwirtschaft und Förderung der

Berufsausbildung müssen parallel angegangen werden. „Die

Menschen wollen heraus aus dem Teufelskreis von Gewalt,

Armut und Hunger. Sie wollen zurück in ihre Heimat,“ weiß

sie aus Hunderten von Gesprächen mit Flüchtlingen, die

trotz aller Gefahren und Bedrohungen die Hoffnung auf

eine bessere Zukunft nicht aufgeben wollen.

BMZeit · Ausgabe 5/2015 6

FLUCHT VOR HUNGER, KRISEN UND  ARMUT

SO ARBEITET DAS BMZ

Die Bundesregierung sieht sich verpflichtet, den

südsudanesischen Binnenflüchtlingen und Flücht­

lingen in den Nachbarländern Kenia, Uganda und

Äthiopien rasch und wirksam zu helfen. Das BMZ

unterstützt die Arbeit von Nichtregierungsorganisa­

tionen, fördert z.B. Projekte von AMREF, der Welt­

hungerhilfe und von Tierärzte ohne Grenzen.

→ www.bmz.de/flucht

Ein Mädchen in einem Flüchtlingslager im Südsudan.

Soldaten der Vereinten Nationen sorgen für die

Sicherheit.

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