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1962 –2012 Gemeinsam stark durchs Leben

Broschu re 2011 50Jahre A5 Layout 1 - Lebenshilfe Bayern...3 »Do bin i Dohoim.« Michael Stimpfle, Lebenshilfe Donau-Ries »Gemeinsamkeit und Feste feiern.« Christa Kluge, Lebenshilfe

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Text of Broschu re 2011 50Jahre A5 Layout 1 - Lebenshilfe Bayern...3 »Do bin i Dohoim.« Michael Stimpfle,...

  • 1962 –2012

    Gemeinsam stark durchs Leben

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    »Ich bin etwas wert und das Leben ist dann lebenswert.«Harald Kohl, Lebenshilfe Aschaffenburg

    »Selbstverwirklichung und Zusammenhalt.«Robert Sieber, Lebenshilfe Freising

    »Ich schaffe mehr, als ich dachte.«Judith Flemming, Lebenshilfe Kempten

    »Hier fühle ich mich akzeptiert und anerkannt.«Matthias Meiler, Lebenshilfe Irchenrieth

    »Meine Ideen finden einen Platz.«Heiko Müller, Lebenshilfe Aschaffenburg

    »Ich bin nie mit meinen Sorgen allein.«Christl Schwemmer, Lebenshilfe Amberg-Sulzbach

    »Ich fühl mich wohl – fühl mich geborgen.«Hannelore Metzinger, Lebenshilfe Freising

    »Ich kann mich immer festhalten.«Marianne Baum, Lebenshilfe Kempten

    »Dass man Wertschätzung bekommt.«Markus Schawilye, Lebenshilfe Landshut

    »Ich fühl´ mich in der Lebenshilfe aufgehoben.«Gertrud Hübler, Lebenshilfe Erlangen

    1962 – 2012 | Lebenshilfe heißt für mich

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    »Do bin i Dohoim.«Michael Stimpfle, Lebenshilfe Donau-Ries

    »Gemeinsamkeit und Feste feiern.«Christa Kluge, Lebenshilfe Landshut

    »Ich habe hier gute Freunde.«Andreas Hirth, Lebenshilfe Irchenrieth

    »Hier sind wir zuhause.«Karla Binder und Sonja Frieser, Lebenshilfe Amberg-Sulzbach

    »Arbeit und Freizeit.«Andrea Herrig, Lebenshilfe Erlangen

    Lebenshilfe heißt für mich

    Vorwort

    Grußworte

    Wir gestalten soziale Zukunft

    Persönlichkeiten im Interview

    Die guten Wünsche

    Persönlichkeiten im Interview

    Mehr Begegnungen – Mehr Verständnis

    Wir bleiben am Ball

    Beliebter Treffpunkt auf Sozialmessen

    Das Netz der Hilfe

    Freiwillig Sozial? Ja, klar!

    Prädikat: äußerst empfehlenswert

    Chronik 1962–2012

    Wir sind für Sie da

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    Jubiläumsschrift

    Die Zitate stammen von

    Künstlerinnen und Künst-

    lern, deren Werke bei der

    Jubiläumsausstellung 2012

    der Lebenshilfe Bayern in

    Erlangen gezeigt werden.

  • Auch der Lebenshilfe-Landesverband Bayernist ein Gemeinschaftswerk. Gegründet haben ihndie ersten sechs Lebenshilfen in Bayern. Mittler-weile ist unser Jubilar Dachorganisation von 170Orts- und Kreisvereinigungen, Gesellschaften undStiftungen. Seine fachliche Kompetenz ist aner-kannt. Schlagkräftig und öffentlichkeitswirksamvertritt er die Interessen der Menschen mit Behin-derung und ihrer Familien.

    Die Lebenshilfe in Bayern ist als sozialerDienstleistender immer auch unbedingt eineEltern- und Selbsthilfevereinigung. Betroffene sindBeteiligte. Das macht sie glaubwürdig. Das machtsie menschlich.

    Mein Wunsch zu unserem goldenen Jubiläum:Bündeln wir alle auch künftig unsere Kräfte, damitjeder Mensch mit Behinderung beachtet, gleichge-stellt und selbstbestimmt inmitten unserer Gesell-schaft leben kann. Soziale Inklusion beginnt dort,wo Menschen mit Behinderung zeigen, dass siewie jeder andere Mensch auch Fähigkeiten, Ehr-geiz, Interessen, Wünsche und einfach Lebens -freude haben. Deshalb ist es bedeutend, dass wirweiter Brücken in die Nachbarschaft bauen.

    Dass Menschen mit und ohne Behinderunggemeinsam 50 Jahre Lebenshilfe Bayern feiern, isteine schöne Einladung, auch gemeinsam starkdurchs Leben zu gehen. Nehmen Sie sie an undbringen Sie viele andere Menschen mit!

    Barbara StammPräsidentin des Bayerischen LandtagsVorsitzende der Lebenshilfe Bayern 4

    Lernen können, aktiv sein, beachtet werden, eigeneIdeen einbringen, sich beschützt fühlen, zu Hausesein – das sind Antworten von Menschen mitBehinderung auf die Frage, was ihnen die Lebens -hilfe bedeutet. Antworten, die uns versichern, wie gut, wie richtig, wie wichtig es ist, dass es die Lebenshilfe gibt. Wir blicken auf 50 JahreLebens hilfe-Landesverband Bayern und dürfen stolzsein, wie viel mit vereinten Kräften an Hilfe undUnterstützung erreicht werden konnte, damit Men-schen mit Behinderung und ihre Familien durch einsorgenfreieres und für sie erfüllendes Leben gehenkönnen. Deshalb auch das Motto „Gemeinsam stark durchs Leben“, unter dem wir das Jubiläumgebührend feiern.

    In dieser Jubiläumsschrift berichten uns Men-schen von der beschwerlichen Zeit, in der dieLebens hilfe ihren Anfang nahm. Es sind berührendeBerichte, die zeigen, was eine starke SolidaritätGroßartiges bewegen kann. Eltern, Fachkräfte undEhrenamt liche setzten sich damals mutig und tatkräftig für das Recht der Menschen mit Behinde-rung auf Bildung, Erziehung, Arbeit und ein men-schenwürdiges Leben ein. Mit ihrem Engagementschufen sie das Fundament für die heute fast 900Einrichtungen und Fachdienste der Lebenshilfe inBayern mit ihrer umfassenden Behinderten- undFamilienhilfe – von den Anfängen des Lebens einLeben lang.

    Liebe Mitglieder und Freunde, liebe Förderer und Weggefährten derLebenshilfe in Bayern!

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    Meinen herzlichen Gruß zum Jubiläumder Lebenshilfe Bayern verbinde ich gern mit einem Wort des Dankes an ihrevielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin Bayern!

    Die Lebenshilfe leistet eine großartige Arbeit. In mehr als 170 einzelnen Gruppierungen undInitiativen sorgt sie für das Wohl von Menschenmit Behinderung. Sie organisiert Hilfe und mobili-siert das Interesse der ganzen Gesellschaft. Sieberät in all den vielen Fragen, die im Zusammen-hang mit einer Behinderung auftreten können –und das umfasst die Gebiete von Medizin undBetreuung ebenso wie rechtliche und politischeThemen.

    Sie steht aber nicht nur den Menschen mitBehinderung zur Seite, sondern schenkt auchihren Angehörigen, Freunden und Nachbarn dienotwendige Aufmerksamkeit und Beratung. Vorallem ermutigt sie die unmittelbar Betroffenendazu, im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein selbst-bestimmtes Leben zu führen. Es geht ihr um die„Inklusion behinderter Menschen von Anfangan“, um das realisierbare Maximum an Teilhabeund Integration.

    In diesem Grundsatz stehen Bayerische Staats -regierung und Lebenshilfe Bayern Seite an Seite.Wir begrüßen die vielfältigen Aktivitäten, die sichden Menschen mit Behinderung widmen, dennwir wissen, dass viele von ihnen wertvolle Fähig-keiten in das gesellschaftliche Leben einbringenkönnen. „Wertvoll“ sind diese Fähigkeiten zu -nächst in einem praktischen Sinn, noch wertvolleraber sind sie, wenn sie es Menschen mit Behinde-rung ermöglichen, ein robustes Selbstbewusst-sein zu entwickeln, das auf eigener Leistungberuht.

    Ich wünsche den vielen Aktivisten derLebens hilfe Bayern ein fröhliches Jubiläum. Sie dürfen stolz sein auf ihr Engagement. Ichwünsche ihnen Glück und Erfolg bei seiner Fort-setzung, denn unser Land braucht sie!

    Horst SeehoferBayerischer Ministerpräsident

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  • 50 Jahre Lebenshilfe-LandesverbandBayern – bedeuten 50 Jahre Unter -stützungsarbeit für Menschen mitgeistiger Behinderung und ihre Fami-lien. Sie bedeuten fünf Jahr zehnteunermüdlichen Einsatzes, damitMenschen mit geistiger Be hinderungihren Platz mitten in unsererGesellschaft erhalten.

    Mit ihrer Arbeit hat die Lebenshilfe in Bayern überJahrzehnte hinweg unser Land geprägt: AlsEltern- und Selbsthilfeverein, Fachverband undTräger von Einrichtungen der Behindertenhilfeunterstützen und betreuen die Mitglieder desLebenshilfe-Landesverbandes mehr als 40.000Menschen mit Behinderung und deren Familien.Dieses beeindruckende Engagement verdienthöchste Anerkennung und Dank.

    Das Wirken der Lebenshilfe wurde vonBeginn an getragen von einer vorrangigen Ziel-setzung: Den Menschen mit Behinderung einegleichberechtigte, selbstbestimmte Lebensweisezu ermöglichen. Die beachtliche Bekanntheit derLebenshilfe in Bayern ist das Ergebnis von Konti-nuität, konsequentem Handeln, Leidenschaft unddort wo sinnvoll und notwendig auch Kompro-misslosigkeit. Und die Erfolge können sich sehenlassen. Die Lebenshilfe ist aus der behinderten-politischen Arbeit in Bayern nicht mehr weg -zudenken! Selbstbestimmung und Teilhabe vonMenschen mit Behinderung sind Grundvorausset-zungen für eine inklusive Gesellschaft, wie sie inder UN-Behindertenrechtskonvention festge-schrieben wurde.

    Ich bin davon überzeugt, dass die Lebens-hilfe in Bayern auch in Zukunft einen einzigarti-gen Beitrag in der Arbeit mit und für Menschenmit Behinderung sowie bei der Umsetzung derUN-Behindertenrechtskonvention in Bayern leistenwird. Bereits in der Vergangenheit wurde u.a. mitder Beratungsleistung zum Persönlichen Budgetrichtungweisend gehandelt.

    Als wertvoller Ansprechpartner steht dieLebenshilfe in Bayern meinem Haus seit vielenJahren mit fachlichem und zukunftsgerichtetemKnow-how zur Seite. Die Lebenshilfe hat inBayern einen enormen Beitrag dazu geleistet,dass sich Menschen mit geistiger Behinderung inunserer Gesellschaft mit ihren Vorstellungen, aberauch ihren Sorgen und Wünschen Gehörverschaffen können. Ihre am Selbsthilfegedankenorientierte Arbeit kann durch keine staatlicheInstitution ersetzt werden.

    Zum 50-jährigen Jubiläum gratuliere ichganz herzlich und wünsche Ihnen noch viele Jahr-zehnte erfolgreichen Wirkens.

    Christine HaderthauerBayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen

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    Liebe Mitglieder, Freunde und Unterstützer der Lebenshilfe, in diesem Jahr dürfen wir das 50-jäh-rige Bestehen der Lebenshilfe Bayernfeiern. Ihre Entwicklung lässt sich ambesten durch ein Zitat beschreiben:„Nicht was der Zeit widersteht, ist dauerhaft, sondern was sich kluger-weise mit ihr ändert.“

    Ein halbes Jahrhundert im Dienste mit, von undfür Menschen mit Behinderung! Ursprünglich ausder Liebe und Sorge von Eltern um ihre Kinderentstanden, hat sich die Lebenshilfe im Laufe derZeit nicht nur zu einem modernen Dienstleistermit weit verzweigten, unterschiedlichen Unter-stützungsangeboten weiterentwickelt, sondernauch zu einer einflussreichen Interessenvertre-tung. Dies ist umso mehr von Bedeutung, als dassgleichberechtigte Teilhabe, Inklusion und einerfülltes und glückliches Leben von Menschen mitBehinderung uns alle angehen. Doch wird diesebesonders wichtige Aufgabe durch einen Akteurund Fürsprecher, wie es die Lebenshilfe ist,erleichtert. Gerade in den Fällen, wenn MenschenUnterstützung brauchen. Egal, ob niedrigschwel-lige Beratungsangebote, vielfältige Wohn- undArbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinde-rung oder „Lobbyarbeit“ in der Politik, mit derLebenshilfe ist in allen Lebens bereichen zu rech-nen! In all den Jahren gab es niemals Stillstand.Den Zeichen der Zeit und allen Entwicklungen hatsich die Lebenshilfe Bayern gestellt, ohne dabei jeihren Kerngedanken, nämlich „wirksame Hilfe fürMenschen mit Behinderung aller Altersstufen zuleisten“, aus den Augen zu verlieren. Die Anforde-rungen dieser „Doppelrolle“ hat die Lebenshilfeimmer mit Bravour erfüllt.

    Die im Jahr 2009 verabschiedete UN-Behin-dertenrechtskonvention stellt uns vor immer neueAufgaben. Die Lebenshilfe Bayern hat die Bedeu-tung der Konvention bereits früh erkannt undarbeitet laufend daran, ihr Handeln immer weiterdanach auszurichten. Der Mensch mit Behinde-rung und seine Bedürfnisse müssen im Mittel-punkt stehen. Dies ist nicht immer einfach umzu-setzen. Doch ich weiß, dass Sie auch diese Her-ausforderung angenommen haben und sie mit

    Herzblut weiter vorantreiben. Die LebenshilfeBayern kümmert sich jedoch nicht nur um dieMenschen mit Behinderung und ihre Angehörigenselbst, sondern hat auch stets ihre Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter der verschiedenen Einrich-tungen im Blick. Mit großem Engagement undfachlichem Know-how wurde und wird seit denAnfängen auch in diesem Bereich dafür Sorgegetragen, den Stillstand zu vermeiden und Wissen und Kompetenz zu vergrößern. Nicht ver-gessen werden dürfen die einzelnen Mitglieder,Freunde, Unterstützer und Spender der Lebens-hilfe, ohne die ein erfolgreiches Arbeiten ebensonicht möglich wäre. Sie bilden eine besonderswertvolle Stütze!

    Abschließend bleibt mir nun noch, dieLebenshilfe Bayern zu ihrem Jubiläum ganz herz-lich zu beglückwünschen, mich für die geleisteteArbeit, das große Engagement, die Zeit und denunermüdlichen Einsatz zu bedanken und derLebenshilfe Bayern für die Zukunft viel Erfolg zuwünschen. Gerne nach dem Motto, das ich mirals Beauftragte für meine Arbeit gegeben habe:Alle „Miteinander für ein gelungenes Mittendrin!“

    Irmgard BaduraBeauftragte der Bayerischen Staatsregierungfür die Belange von Menschen mit Behinderung

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    Liebe Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Freunde der Lebenshilfe Bayern!Zum 50-jährigen Bestehen IhresLebenshilfe-Landesverbandesgratuliere ich Ihnen im Namen desBundesvorstands und besonders per-sönlich sehr herzlich. Sie haben allenGrund, mit Stolz und Freude auf dieEntwicklung Ihrer Lebens hilfe zurück -zublicken und den Geburtstag gebüh - rend zu feiern.

    Am Anfang stand wie bei vielen anderen Lebens -hilfen auch die Sorge junger Eltern um ihrebehinderten Kinder und die damit verbundeneHoffnung, mit der Lebenshilfe der kommendenGeneration geistig behinderter Menschen bessereLebensbedingungen – heute würde man sagen:mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – zuermöglichen. Das war der Beginn einer Erfolgs-geschichte ohnegleichen:

    Heute bietet die Lebenshilfe in Bayern inrund 900 Einrichtungen ein umfassendes Netzkompetenter, engagierter Hilfe für über 40.000Kinder, Jugendliche und erwachsene Menschenmit Behinderung. Dieses Engagement hat sichbuchstäblich vom ersten Tag an auch in der akti-ven politischen Arbeit ausgedrückt. Sie warenund sind wertvolle Ansprechpartner vor Ort undhaben die Wohlfahrtspflege in Bayern in all denJahrzehnten erfolgreich mit gestaltet.

    Mit Ihrer Landesvorsitzenden, Frau Land-tagspräsidentin Barbara Stamm, an der Spitze,und in enger Zusammenarbeit mit der Bundes-vereinigung halten Sie das Gedenken an dieEutha nasie-Morde und anderes nationalsozialisti-sches Unrecht lebendig.

    Das scheint umso wichtiger, als wir feststel-len müssen, dass sich bei Teilen der Wissenschafteine vor allem für die behinderten Menschengefahrvolle Denkweise breitmacht. Rechts- undSozialphilosophen formulieren bereits eine groß -zügige „neue Ethik“, wonach ungeborene Kindernoch keine „Personen“ seien und deshalb auchkeinen Anspruch auf verfügbares Lebensrecht

    hätten. Die Debatte um die Präimplantations -diagnostik (PID) hat deutlich gemacht, wie wich-tig es ist, dass die Lebenshilfe ihr „Wächteramt“für behinderte Menschen nicht vergisst, nachhal-tig das uneingeschränkte Lebensrecht für behin-derte Menschen fordert und die Gesellschaftmahnt, aus der Geschichte zu lernen und eineWiederholung der Barbarei von gestern zu ver-hindern.

    In diesem Sinne ermutigt uns Ihre beein-druckende Arbeit vor Ort auch als Bundesvereini-gung Lebenshilfe immer wieder, unsere Lobby -arbeit für Menschen mit geistiger Behinderunggemeinsam mit Ihnen zu verstärken und wo esgeht, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Imgemein samen Bemühen und mit Blick auf Ihreerfolgreiche 50-jährige Geschichte danke ichdem Landes verband der Lebenshilfe Bayern, allenEltern, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,Freunden und Förderern von Herzen für ihrenEinsatz. Ich wünsche Ihnen Kraft und Mut, ver-bunden mit der Bitte: Machen Sie weiter so – inder erfolgreichsten Elternvereinigung für Men-schen mit geis tiger Behinderung in Deutschland.Ihr

    Robert Antretter, MdB a.D.Vorsitzender der Lebenshilfe-Bundesvereinigung

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    Sehr geehrte Mitglieder, Freundinnenund Freunde, Förderinnen undFörderer der Lebenshilfe in Bayern,mit der UN-Behindertenrechts -konvention (UN-BRK) stehen dieInteressen und Rechte von Menschenmit Behinderung endlich im öffent -lichen Fokus. Dafür kämpft dieLebens hilfe seit nunmehr 50 Jahren.Bis dahin war es ein weiter Weg.

    Am Anfang stand der Kampf der Eltern von Kin-dern mit Behinderung, dass ihre Kinder über-haupt zur Schule gehen durften. Erst Ende der60er wurde die Schulpflicht für Kinder mit einergeistigen Behinderung eingeführt. Die damaligeSituation der Eltern und Kinder ist heute kaumnoch vorstellbar: Für die Betroffenen war es eineSchande, wenn ein Kind mit einer Behinderungzur Welt kam. Ihre Kindheit war geprägt vonScham und Verstecken. Hilfe oder Rat gab esnicht.

    In dieser Zeit fanden sich Eltern zusammen,durchbrachen die Isolation und gründeten dieLebenshilfe. Aus der Eltern- und Selbsthilfeverei-nigung erwuchs durch großes Engagement derEinrichtungsträger und Fachverband „Lebens-hilfe“, der er heute ist. Die Lebenshilfe in Bayernbietet mit rund 900 Einrichtungen und 170 Orts-und Kreisvereinigungen, Gesellschaften sowieStiftungen ein umfassendes Unterstützungsnetzfür Menschen mit Behinderung. Seit fast 20 Jah-ren ist die Lebenshilfe ein wichtiger Partner in derLandesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl-fahrtspflege in Bayern.

    Dass Deutschland immer noch einen weitenWeg vor sich hat, bis Menschen mit Behinderunggleichberechtigt an allen Bereichen des gesell-schaftlichen Lebens teilhaben können, zeigt alleinschon der Ratifizierungsprozess der UN-BRK. Esist symptomatisch: anstatt mit Menschen mitBehinderung zu reden, sie selbstverständlich zubeteiligen, wird über sie gesprochen. An derÜbersetzung der UN-BRK wurden Menschen mitBehinderung und deren Verbände nicht beteiligt.

    Deshalb ist die Arbeit der Lebenshilfe sounglaublich wichtig. Sie gibt den Menschen mitBehinderung nicht nur eine Stimme und vertrittderen Interessen, sie befähigt sie auch dazu, fürsich selbst zu sprechen und ihre Interessen selbstzu vertreten. Voraussetzung für die Verwirk -lichung gleicher Rechte sind Selbstbestimmungund Augenhöhe.

    Sehr eindrucksvoll ist das Projekt „Lebens-hilfe aktiv“, das ehrenamtliches Engagement vonMenschen mit Behinderung fördert. Das Ehren-amt ist derzeit in aller Munde. Aber kaum einerdenkt dabei daran, dass auch sehr viele Men-schen mit Behinderung – ob körperlich oder geis tig – ehrenamtlich engagiert sind.

    Im Namen der Landesarbeitsgemeinschaftder Freien Wohlfahrtspflege gratuliere ich derLebenshilfe in Bayern, all ihren Mitgliedern undMitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlichzum 50. Jubiläum und wünsche viel Erfolg für dienächsten 50 Jahre.Ihre

    Margit BerndlVorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaftder Freien Wohlfahrtspflege in Bayern

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    Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder und Freunde derLebenshilfe in Bayern!

    Auf ein halbes Jahrhundert kann der Lebenshilfe-Landesverband Bayern zurückblicken und mitjedem Jahr scheint die Entwicklung schneller undauch komplexer fortgeschritten zu sein. Geradedeshalb ist es wichtig, dass in dieser Jubiläums-broschüre ein Rückblick auf die Meilensteine derLebenshilfe-Arbeit der letzten fünf Jahrzehntegeworfen wird.

    Gleichzeitig ist es Aufgabe eines Landesver-bandes auch Motor und Visionär zu sein. NeueTendenzen müssen frühzeitig erkannt, Perspek -tiven und Lösungswege entwickelt werden.

    Dass so große Aufgaben nicht unabhängigvon den wichtigsten Personen und Gremien inder Lebenshilfe, also den Menschen mit Behin-derungen, den Eltern und den ehren- und haupt-amtlich Verantwortlichen und Tätigen in den Verei-nen, Einrichtungen und Diensten, erfolgen, istselbstverständlich. Und so müssen wir gemeinsamim nächsten Jahrzehnt die Herausforderungenmeistern und die Chancen erkennen, die mit derUmsetzung der immer noch jungen Konventionder Ver einten Nationen über die Rechte behin-derter Menschen verbunden sind.

    Dies soll und muss mit Hartnäckigkeit undlangem Atem aber auch mit Augenmaß undFingerspitzengefühl getan werden: Keiner darfauf der Strecke bleiben, alle sollen davon profi-tieren, dass Teilhabe, Selbstbestimmung undNicht-Ausgeschlossen-Sein zur Normalität undSelbstverständlichkeit werden. Das können undwollen wir erreichen – gemeinsam.

    Dr. Jürgen AuerLandesgeschäftsführer

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    ufgabe und Zweck des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern ist von Anfangan, alle Maßnahmen und Einrichtungen

    zu fördern, „die eine wirksame Lebenshilfebesonders für geistig Behinderte bedeuten“.Auch will sich der Verband „mit allen geeignetenMitteln für ein besseres Verständnis gegenübergeistig Behinderten einsetzen“ (zitiert nach derVereinssatzung vom 18. Juli 1964).

    Als Dachorganisation bietet der Landesver-band „Erfahrungsaustausch und die gegenseitigeAnregung der Mitglieder“ und bearbeitet „Ange-legenheiten, die auf Landesebene geregelt wer-den müssen“ (zitiert nach der „Denkschrift zurSituation der geistig behinderten Kinder in Bayern“,April 1963).

    Um diese Aufgaben dauerhaft bewältigenzu können, wird am 1. Oktober 1970 zunächstein hauptamtlicher Mitarbeiter als sogenannterPraxisberater, der spätere erste Geschäftsführer,angestellt. Der „Tätigkeitsbericht des Landesver-bandes Bayern der Lebenshilfe für die MonateOktober bis Dezember 1970“ gewährt einen klei-nen Einblick in die damalige Aufbauarbeit desVerbandes:

    „(...) In Informationsgesprächen wurden dieEltern von geistig behinderten Kindern undJugendlichen auf die Hilfen für geistig Behinderteaufmerksam gemacht. Dabei wurde festgestellt,wie wenig die Eltern über die Möglichkeiten derHilfen für ihre geistig Behinderten wissen. Nichteinmal 50 Prozent der geistig behinderten Kindergehen in eine Sonderschule. (...) Besonders an

    Am 12. Mai 1962 gründen die ersten sechs bayerischen Lebenshilfen bei einem

    Treffen in Ingolstadt die „Landesarbeitsgemeinschaft Bayern der Lebenshilfe für

    das geistig behinderte Kind“. 50 Jahre später ist der Lebenshilfe-Landesverband

    Bayern mit Sitz in Erlangen die Dachorganisation von gut 170 Mitgliedsorganisa-

    tionen, die gemeinsam ein umfassendes und kompetentes Netz der Lebenshilfe

    für Menschen mit Behinderung aller Alterstufen bieten.

    Werkstätten besteht in Bayern ein sehr großerNachholbedarf. Der Landesverband Bayern derLebenshilfe sieht seine Aufgabe auch darin,neben der Beratung der Eltern, sowie Schulungder Mitarbeiter der Kreisvereinigungen derLebenshilfe, auch den Orts- und Kreisvereinigun-gen bei der Erstellung von Einrichtungen behilf-lich zu sein. (...) Der Landesverband bemüht sichum Verbesserungen der Gesetze und Verordnun-gen, um die Möglichkeit eines weiteren Ausbauesder Hilfe für geistig Behinderte zu erreichen. DasZiel muss eine echte Rehabilitation des geistigBehinderten ohne zusätzliche Belastung derEltern sein.“

    Der junge Verband unterstützt seineMitglieder beim Aufbau von Hilfen

    Nachdem sich die Landesberatungsstelle des Ver-bandes etabliert hat, beschließt die Mitgliederver-sammlung im April 1975, ein eigenes Fortbil-dungsinstitut in Erlangen zu errichten. An denausgewählten Standort in der Kitzinger Straße 6soll auch die Geschäftsstelle ziehen. Der Grund-stein für den heutigen Sitz des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern wird schließlich imDezember 1975 gelegt, bezogen wird die Landes -geschäftsstelle Anfang 1977 mit den BereichenFortbildungsinstitut, Beratungsstelle und Verwal-tung. Hinzu kommen in den folgenden Jahren dieFreiwilligendienste. Im neuen Jahrtausend wirddarüber hinaus der Bereich Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit aufgebaut.

    Wir gestalten soziale Zukunft

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  • Laut der aktuellen Satzung vom 13. Oktober2001 (alle folgenden Zitate) bleibt das obersteZiel des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern„alle Maßnahmen und Einrichtungen anzuregenund zu fördern, die eine wirksame Hilfe für Men-schen mit Behinderung aller Alterstufen, insbe-sondere mit geistiger Behinderung, und für ihreFamilie bedeuten. Hierbei hat der Landesverbandseinen Mitgliedern wirksame Hilfe zu leisten“.

    So unterstützt und berät die Landesbera-tungsstelle weiterhin die Mitglieder in allengrundlegenden konzeptionellen, organisatori-schen, rechtlichen und finanziellen Fragen derBehindertenhilfe und begleitet inhaltlich dieFachausschüsse des Verbandes. Darüber hinauswird regelmäßig zu Fachtagungen eingeladen,die den Führungs- und Fachkräften der Lebens-hilfe in Bayern ein wichtiges Forum für Informa-tion und gegenseitigen Austausch bieten. Außer-dem hat der Landesverband „die Interessen sei-ner Mitglieder gegenüber politischen Gremien,

    Behörden und anderen Verbänden“ zu vertretenund verhandelt die Rahmenbedingungen der Lei-stungen, Qualitätsstandards und die Grundlagender Finanzierung der Behindertenhilfe in Bayern.

    In der Satzung verankert wurde außerdemdie Aufgabe, „Aus-, Fort- und Weiterbildungs-maßnahmen für das Personal in Einrichtungenfür Behinderte“ durchzuführen. Am 26. Juli2003 beschließt die Mitgliederversammlung dieAufgaben des Verbandes noch zu erweitern. Sokann er nun auch „Mitglieder der bayerischenLebenshilfen im Rahmen der gesetzlichenBestimmungen in sozial- und behindertenrecht-lichen Angelegenheiten beraten, vor Gerichtenvertreten, das Klagerecht in der Form der Pro-zessstandschaft übernehmen oder Verbands -klagerechte ausüben“ (zitiert nach Beiblatt zuraktuellen Satzung).

    Die Lebenshilfe Bayern willein echtes Miteinander fördern

    Besonderes Augenmerk der Lebenshilfe Bayerngilt auch heute dem satzungsgemäßen Ziel, „dasVerständnis für die besonderen Probleme derMenschen mit geistiger Behinderung in derÖffentlichkeit ständig zu verbessern“. Deshalbver anstaltet der Lebenshilfe-Landesverband zumBeispiel besondere Aktionstage, Kunstausstellun-gen und Sportfestivals an verschiedenen Orten inBayern. Auch beteiligt sich die Lebenshilfe Bay-ern an verbandsübergreifenden Aktionen undVeranstaltungen. Darüber hinaus präsentiert sichder Verband seit vielen Jahren auf verschiedenenFachmessen wie der ConSozial und beteiligtesich als Aussteller auch am Ökumenischen Kirchen -tag 2010 in München. Mit all diesen öffentlichenAktionen will die Lebenshilfe Bayern immer wiederungezwungene und respektvolle Begegnungenvon Menschen mit und ohne Behinderungenermöglichen und das gegenseitige Verständnisund Miteinander im Sinne einer inklusiven Gesell-schaft fördern.

    Die Lebenshilfe für Menschen mit geistigerBehinderung wurde 1958 von Eltern geistigbehinderter Kinder und interessierten Fach -leuten in der hessischen Stadt Marburggegründet. Die Lebenshilfe ist Elternverbandund Selbsthilfevereinigung, Fachverband undEinrichtungsträger. Sie ist konfessionell undparteipolitisch unabhängig.

    Ziel der Lebenshilfe ist, dass jeder Mensch mitBehinderung – heute und in Zukunft – gleich-berechtigt und so selbstbestimmt wie mög-lich in unserer Gesellschaft leben und teilha-ben kann. Dafür soll jeder die für ihn nötigeHilfe erhalten. Die Lebenshilfe setzt sich auchdafür ein, dass jeder Mensch mit Behinderungwählen kann, wie, wo und mit wem er ineiner inklusiven Gesellschaft leben, arbeiten,lernen oder wohnen will. Darüber hinaus för-dert die Lebenshilfe das Verständnis für diebesonderen Probleme und Herausforderun-gen, vor denen Menschen mit geistigerBehinderung und ihre Familien stehen.

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  • Wolfgang Feiler

    steht für die herausragende Gründergeneration der Lebenshilfe in Bayern:

    Als junger Vater will er nicht mehr hinnehmen, dass seine geistig behinderte Erst-

    geborene tagtäglich benachteiligt wird. Deshalb gründet der Berufsschullehrer

    1964 gemeinsam mit anderen betroffenen Eltern die Lebenshilfe Regensburg.

    40 Jahre lang bleibt Wolfgang Feiler als Vorsitzender die treibende Kraft des

    Vereins und trägt damit maßgeblich Verantwortung für dessen erfolgreichen

    Aufbau. Der Studiendirektor a.D. engagiert sich außerdem über Jahrzehnte hinweg

    überregional für die Interessen von Menschen mit geistiger Behinderung. So ist

    Wolfgang Feiler ab 1967 zunächst stellvertretender Vorsitzender und von 1976

    bis 1983 Vorsitzender des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern. Der heute

    84-Jährige (im Bild mit Tochter Sabine) ist Träger des Bundesverdienstkreuzes

    1. Klasse und wurde unter anderem mit der Goldenen Ehrennadel der Lebenshilfe

    ausgezeichnet.

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    Die Lebenshilfe braucht selbstbewusste Eltern

  • Noch im selben Jahr der amtlichen Ausschu-lung Ihrer Tochter haben Sie dann selbst dieLebenshilfe Regensburg gegründet. Vorwelchen Herausforderungen standen Siedamals gemeinsam mit Ihren Mitstreitern?

    Zunächst mussten wir an die Namen von Familienmit gleichem Schicksal kommen. Nur eine Ner-venärztin war bereit, Anschriften zu nennen. Ichsammelte eine kleine Zahl von Betroffenen undgründete mit Hilfe des Landesverbandes Bayernder Lebenshilfe, der ja zwei Jahre vorher gegrün-det worden war, unsere Ortsvereinigung. Wirwussten nicht, was auf uns zukam, aber die Notwar groß und wir begannen, die Rechte unsererKinder einzufordern.

    Wie reagierten die Öffentlichkeit, die Be -hörden, die Presse in Regensburg im Jahr1964 auf die Gründung Ihrer Lebenshilfe-Vereinigung?

    Von Anfang an unterstützte uns die Presse durchBerichte und die Veröffentlichung von Leser -briefen. Die Behörden waren zurückhaltend. Dieneue Form der Hilfe für unsere Kinder vor Ort warunbekannt und die entstehenden Kosten schreck-ten ab. Auch gab es ja bereits die großen Wohl-fahrtsverbände wie Caritas und Diakonie. Ich willnicht verschweigen, dass die Anfänge teilweisesehr, sehr schwierig waren und es viele harte Aus-einandersetzungen gab. Aber das Gesetz war aufunserer Seite und das sogenannte Subsidiaritäts -prinzip half uns, Einrichtungen zu verwirklichen.Wir als Elternverband konnten dank dieses Prin-zips selbst die Initiative ergreifen und die nötigenWerkstätten, Wohneinrichtungen und Familien-entlastenden Dienste gründen. Dazu mussten wirnicht auf den Staat und die Behörden warten.Hinzu kam, dass durch die Aktion Sorgenkind, dieja heute Aktion Mensch heißt, unsere berechtig-ten Forderungen bei vielen Mitbürgern Zustim-mung fanden, auch wenn sie selbst nicht betrof-fene Eltern waren.

    Sehr geehrter Herr Feiler, Ihre geistig behin-derte Tochter wurde 1964 als „bildungsun-fähig“ eingestuft und damit bereits mitsieben Jahren – wie Sie es selbst einmalausdrückten – „aus der Gemeinschaft derSchulkinder entlassen“. Was bedeutete dasdamals für Sie, für Ihre Tochter, für diegesamte Familie Feiler?

    Die Geburt unserer Tochter mit geistiger Behinde-rung nach einer Toxoplasmoseerkrankung meinerFrau während der Schwangerschaft hat unserLeben entscheidend und für immer verändert.Wissen Sie, wenn in eine Familie ein Kind mit gei-stiger Behinderung geboren wird, versteinern dieGedanken zunächst. Es gibt kaum Worte, um die-ses Gelähmtsein zu beschreiben. In der Regelbringt man den Eltern die volle Wahrheit ja nurscheibchenweise bei, und sie begreifen das, wasauf sie zukommt, auch nur nach und nach. Unddamals 1957, als unsere Tochter geboren wurde,war das ja noch schwerer. Es gab kaum Auskunftund man sah keine Zukunft. Eltern mit behinder-ten Kindern waren auf sich gestellt, es gab nochkeine Zusammenschlüsse wie die Lebenshilfe. DasBundessozialhilfegesetz bot nur spärliche Hilfenan und meist keinerlei Förderung. Und da Kindermit geistiger Behinderung als bildungsunfähigangesehen wurden, gab es auch keine schulischeBildung. Das wollten und konnten wir aber nichthinnehmen. Für uns widersprach die Ausschulungunserer Tochter dem Geist unseres Grundgeset-zes. Schließlich wurde darin die Gleichheit allerMenschen festgeschrieben. Wir fühlten unsdamals allein gelassen und regelrecht ausge-schlossen. Und so gab es nur einen Weg für uns,die Zukunft zu bewältigen: Die Lebenshilfe, die ja1958 in Marburg gegründet worden war.

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  • Sehr geehrter Herr Feiler, Sie haben sichüber Jahrzehnte hinweg federführend auchüberregional für die Interessen vonMenschen mit geistiger Behinderung einge-setzt. So waren Sie ab 1967 zunächst stell-vertretender Vorsitzender und von 1976 bis1983 dann Vorsitzender des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern. Was konnten Siein dieser Pionierzeit der bayernweitenVerbandsarbeit erreichen?

    Von meinem Vorgänger Hans-Peter Ruf habe icheinen wohlgeordneten und leistungsfähigen Lan-desverband übernommen. Zunächst vollendetenwir den Neubau des Fortbildungsinstitutes in derKitzinger Straße in Erlangen, das wir 1978 offi zielleinweihen konnten. Auch die Landesgeschäfts-stelle zog aus einem Kellerraum in Schwabach anden neuen Standort nach Erlangen. Damit fest-igte sich der Zusammenhalt der Ortsvereinigun-gen entscheidend. Bis zum Ende meiner Amtszeit1983 hatte der Landesverband schon über 90Mitgliedsorganisationen. Gemeinsam mit denanderen Vorstandsmitgliedern, den Vorsitzendender Ausschüsse und einer sehr leistungsbereitenVerwaltung gelang es, die Landesgeschäftsstellemit dem Fortbildungsinstitut als Mittelpunkt dervielfältigen Aufgaben des Landesverbandes zuverwirklichen. Verbandsarbeit, Fortbildung,Öffentlichkeitsarbeit, Beratung der Mitgliederund Elternarbeit haben hier in Erlangen seitdemihren festen Sitz.

    Sie überblicken fünf Jahrzehnte Lebenshilfe-arbeit in Bayern und bezeichnen sich heutemit 84 Jahren selbst als „Sprachrohr derälteren Generation“. Was heißt Lebenshilfe für Sie?

    „Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinde-rung“ ist für mich die ständige Aufgabe der Inte-gration, also der Eingliederung. Lassen Sie michaus meinem Fremdwörter-Duden zitieren: „Inte-gration ist die Verbindung einer Vielheit von ein-zelnen Personen oder Gruppen zu einer gesell-schaftlichen Einheit“. In den Lebenshilfe-Vereini-gungen finden die verstreut lebenden FamilienAnsprechpartner mit gleichen Sorgen. Aus der

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    Vielheit wird so eine Gemeinschaft, die sichgegenseitig stützt und Zukunftsängste nimmt.Lebenshilfe ist aber auch Mitbestimmung undMitwirkung. Die Eltern sind in der Lebenshilfekeine Betreuten, sie sind Partner der Fachleute.Dieses Mitspracherecht ist aber mit viel Einsatzund Verantwortung verbunden. Ein wesentlichesMerkmal der Lebenshilfe ist für mich die oft jahr-zehntelange, ehrenamtliche Tätigkeit der Elternim Vorstand und in Elternräten. Eltern müssen dasWächteramt zum Wohle ihrer Kinder ausüben.Sie sollen darüber wachen, dass ihre Kinder sovielSchutz und Hilfe erhalten, wie sie brauchen unddass sie dabei so selbstbestimmt wie möglichleben können. Das ursprüngliche Zeichen derLebenshilfe, das Mädchen mit der schützendenHand auf dem Rücken, gab unserer beschützen-den Aufgabe sehr treffend Ausdruck. Der Schutzunserer sehr hilfebedürftigen Angehörigen sollteauch weiterhin ein unübersehbares Zeichen unse-rer gemeinsamen Arbeit sein. Und nur selbst -bewusste, informierte und uneigennützige Elternkönnen diesen Auftrag erfüllen.

    Sehr geehrter Herr Feiler, Ihre Tochter ist 55Jahre alt und wie Sie selbst sagen „ein sehrglücklicher Mensch“. Was wünschen Sie ihrganz persönlich für die Zukunft?

    Unsere Tochter Sabine hat ihren Platz bei derLebenshilfe in der Werkstatt und in ihrer Wohn-gruppe gefunden. Dort ist sie voll integriert.Sabine ist eine sehr freundliche Tochter, die aberdurchaus auch ihren eigenen Kopf hat. Sie liebtalle Menschen und ist immer hilfsbereit. An denWochenenden kommt sie noch regelmäßig zuuns nach Hause. Leider bekommt sie oft schwereAnfälle. Sie hat Pflegestufe 2. Bei der Lebenshilfewird sie von fürsorglichen Betreuern gefördertund gepflegt. Deshalb ist es für unsere Tochterganz wichtig, dass beide Einrichtungen – dieWerkstatt und die Wohngruppe – erhalten blei-ben. Und was wir als Eltern ihr für die Zukunftwünschen ist ganz einfach: „Vergesst mir dieSchwachen in unserer Mitte nicht!“

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    rnEin fröhliches Kind: Die kleine Sabine mit

    ihrer Mutter Elisabeth Feiler. (Fotos: privat)

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    Ute Senninger

    gilt in Niederbayern als Heldin des Alltags. Die ehemalige Grundschullehrerin

    engagiert sich seit vielen Jahrzehnten nicht nur für behinderte

    Kinder, sondern auch für arme Menschen, für sozial schwache Familien oder für

    Asylsuchende. Die heute 74-Jährige hat zusammen mit ihrem Mann zwölf Kinder

    groß gezogen, darunter neun zum Teil behinderte Pflegekinder. Ute Senninger

    ist seit 1992 Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Regen. Im Ausschuss „Offene

    Hilfen“ der Lebenshilfe Bayern und im überverbandlichen Landeselternbeirat

    setzte sie sich auch viele Jahre überregional für Menschen mit geistiger Behinde-

    rung ein. Ute Senninger (im Bild mit Enkelin Anna) ist Trägerin des Bundesver-

    dienstkreuzes und der Bayerischen Staatsmedaille für besondere soziale Verdienste.

    Kinder lernen unheimlich voneinander

  • Sehr geehrte Frau Senninger, Sie habenzusammen mit Ihrem Mann zwölf Kindergroßgezogen – drei leibliche und neun zumTeil behinderte Pflegekinder. Wie kam es zudiesem doch sehr außergewöhnlichen fami-liären und persönlichen Engagement?

    Ganz einfach: Schritt für Schritt. Angefangen hattealles mit einem Mädchen, das damals – 1972 – inmeiner Klasse war. Es war Vollwaise und hatte beiseiner Großmutter gelebt. Die konnte sich aber imAlter, sie war dement, nicht mehr um das Kindkümmern und der damalige Vormund wollte dieVormundschaft abgeben. Ja, und das Mädchen,es war zwölf Jahre alt, wollte unbedingt zu mir.Die Ämter waren einverstanden. Und auch meinkünftiger Mann sagte ja. Und so bekamen wirunser erstes Pflegekind, das dann übrigens auchauf unserer Hochzeitsreise mit dabei war.

    Und wie ging es dann weiter?

    In den siebziger Jahren gab es in der Zeitschrift„Brigitte“ die Aktion „Holt die Kinder aus den Hei-men!“ Im Grunde wurden da Kinder vorgestellt,die niemand wollte. Uns hat das aber angespro-chen. Vor allem hatte es uns ein Geschwisterpaarangetan. Wir erkundigten uns, wie das so abläuftund wurden ins Heim eingeladen. Die Heime warenfrüher ja noch anders als heute. Dort lebten über20 gleichaltrige Kinder in einem großen Saal. Und auf einmal hingen all diese Kinder an unserenBeinen und haben gebettelt: „Magst du meineMama, magst du mein Papa werden?“

    Das war wirklich schrecklich, dass die Kinderso danach gelechzt hatten, endlich eine Familiezu haben. Dann sahen wir das Geschwisterpaar,beide geistig und leicht körperlich behindert,schwerfällig, Alkohol geschädigte Kinder. DieMutter war bereits gestorben und der Vater hattesie ins Heim gegeben und sich nicht mehr um siegekümmert. Die Heimleitung riet uns davon ab,die beiden zu nehmen. Es hieß: „Ach seid dochnicht blöd, die sind doch behindert, da bekommtihr nur Schwierigkeiten!“ Dann wurde uns nochempfohlen: „Nehmt halt nur das Mädchen, derBub ist doch total daneben, aus dem wird dochnie was!“ Und wir haben gesagt: „Wenn, dann

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    nehmen wir alle zwei, nicht eins, die reißen wirnicht auseinander.“ Das Jugendamt hat zuge-stimmt und dann hatten wir sozusagen kurz nachunserer Hochzeit gleich drei Pflegekinder. Unseredrei leiblichen Kinder kamen erst danach.

    Sie selbst waren in den 1960er und 1970er15 Jahre lang als Grundschullehrerin tätig,ein paar Jahre auch an einer Sonderschulefür lern- und geistig behinderte Kinder. Welche Erfahrungen haben Sie damalsgemacht?

    Eine Art Schlüsselerlebnis hatte ich bereits in den60ern in der Grundschule in Zwiesel, wo ichgerade als junge Lehrerin angefangen hatte. ZumSchuljahresbeginn saß damals im Flur vor denKlassenzimmern eine völlig verzweifelte Muttereines schwer behinderten Mädchens. Sie weinte

    Die Familie wächst: 1975 freuen sich die Pflege -

    kinder Ingrid, Eduard und Claudia über die kleine

    Katharina – die Erstgeborene des Ehepaars Senninger.

    (Fotos: privat)

  • furchtbar und klagte: „Ich möchte doch nur, dasssie wenigstens in der Schule mit drinsitzen kann.Sie braucht ja nichts zu lernen, sie soll bloß einmalwas anderes hören und sehen als bei unszuhause. Sie tut ja niemanden was!“ Und damalsgab es für geistig behinderte Kinder ja überhauptnoch keine Schulen. Da wurde mir als Lehrerinzum ersten Mal bewusst, dass es für diese Kinderauch möglich sein muss, dass sie etwas lernenund vor allem, dass sie dazugehören können!

    Wo gingen später Ihre eigenen behindertenKinder zur Schule? Und wie haben Sie alsPflegeeltern diese Zeit erlebt?

    Ehrlich gesagt, waren wir geschockt, als die Kinderdamals eingeteilt wurden: „Da sind die Lernbehin-derten, da sind die geistig Behinderten“. Und geis -tig behindert hat bedeutet: „Das Kind kann nichtlesen lernen, nicht schreiben und nicht rechnen.“Unser Pflegesohn Christian, geistig behindert,konnte perfekt lesen und rechnen. Das konnte erschon, als er zu uns gekommen war. Nur saß er inder Schule immer unter dem Tisch und wollte danicht heraus. Ich hätte ihm gerne die Chance gege-ben, in die Schule für Lernbehinderte zu gehen. Ermusste einen Test machen und sollte Menschen andie Tafel zeichnen. Christian malte die Füße ganzgroß. Und der Rektor sagte: „Also nein, den kannman nicht einschulen in die Lernbehinderten-schule, der kann ja keine Proportionen.“

    Dabei hat Christian immer Clowns gemaltund die haben nun mal große Füße. Christian hatschon gewusst, was er machte. Aber er warihnen wohl vom Verhalten her zu schwierig. ImGrunde wollten die ihn nicht haben. Insgesamtwar die Schulzeit für uns als Pflegeeltern vonbehinderten Kindern wirklich anstrengend. Wirhaben uns dann eine Privatlehrerin engagiert, diekam dreimal in der Woche zu uns nach Hause.Und all unsere Pflegekinder haben lesen undschreiben gelernt. Irgendwann haben wir aucheinen Elternkreis an der Schule gegründet undlangsam änderte sich was. Wer lernen konnte,durfte endlich auch. Gott sei Dank hat uns derRektor der Lebenshilfe-Schule sehr unterstütztund ist den Weg mitgegangen.

    Das heißt, mit viel Engagement der Elternund des Rektors hat sich in den letzten Jahr-zehnten doch einiges positiv entwickelt?

    Ja, doch. Die Zeit ist einfach auch reif geworden.Ich war von 1994 an sechs Jahre im Landeseltern-beirat aktiv. Dort setzen sich ja Eltern aus ganzBayern gemeinsam für eine bessere Schule fürihre behinderten Kinder ein. Es hat sich vielbewegt und jetzt bewegt sich wieder etwas mitder Inklusion. Das ist gut! Ich jedenfalls habeimmer die Erfahrung gemacht, dass behinderteKinder unheimlich viel von nicht behinderten ler-nen, viel mehr als von Erwachsenen. Unser jüng-stes Pflegekind Matthias zum Beispiel ist einwenig motorisch gestört, aber er spielt Eishockey,weil ihn die Großen immer mitgenommen haben.Der war schon mit vier Jahren auf dem Eis. Undder Christian ist sehr musikalisch und spielt inzwei Blaskapellen Posaune. Das hätte er nie ohneseine nicht behinderten Geschwister gemacht.Das war übrigens das Schöne bei uns, dass sichdie Geschwister nie für die behinderten Pflegekin-der geniert haben. Die wurden einfach überall hinmitgenommen. Die haben immer zusammengehalten und das machen sie auch jetzt noch.Unsere Kinder fühlen sich verantwortlich für diebehinderten Pflegekinder. Das ist gut, weil meinMann und ich doch alt werden.

    Hatten Sie als Eltern eigentlich Angst, selbstbehinderte Kinder zu bekommen?

    Nein, eigentlich nicht. Aber bei meinem Jüngstengab es einen richtigen Zirkus mit den ganzenUntersuchungen. Wegen meines Alters, ich warja schon 43, hatte der Arzt große Bedenken. Ichhabe damals gesagt: „Ja und, wenn es behindertist, dann ist es eben behindert und dann nehmenwir es auch. Da ist es doch egal, ob ich das vor-her weiß oder nicht.“ Ich wurde damals, das warAnfang der 80er Jahre, wirklich sehr unter Druckgesetzt. Was ich doch für eine Verantwortunggegenüber der Familie und der Gesellschaft hätte,was es kosten würde, ein behindertes Kind zurWelt zu bringen. Also der Arzt war unmöglich!Wir hätten allein von der religiösen Einstellungher niemals abgetrieben und warum soll ich dann

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  • Welche Ziele möchten Sie mit Ihrem Enga-gement bei der Lebenshilfe noch erreichen?

    Ganz konkret, dass sich die Werkstätten bei unsändern. Die behinderten Mitarbeiter sollen dieMöglichkeit haben, in verschiedenen Berufen zuarbeiten – nicht nur im Metallbereich. Möglichstintegrativ, mit Außenarbeitsplätzen. Das wärenoch mein großes Lebensziel. Von unseren Pflege -kindern sind ja vier in den Werkstätten hier in derRegion beschäftigt. Deshalb bin ich da selbstnoch direkt betroffen. Manchmal werde ich dannwütend, wenn ich merke, wie ohnmächtig manoft ist, aber ich weiß inzwischen, dass manGeduld braucht und dass sich doch immer wiederetwas zum Besseren hin verändern kann.

    Sehr geehrte Frau Senninger, Sie setzen sichseit vielen Jahrzehnten nicht nur unermüd-lich für behinderte Kinder ein, sondern auchfür arme Menschen, für sozial schwacheFamilien, für Asyl suchende. Dafür haben Sie bereits hohe staatliche Auszeichnungenerhalten. Außerdem hat die Universität Passau Sie in die Liste der „Local Heroes“aufgenommen. Wer sind Ihre Vorbilder undHelden des Alltags?

    Meine Mutter, wie die ihr Leben gemeistert hat!Meine Mutter wurde bereits mit 35 JahrenWitwe, 1943 mitten im Krieg. Mein Vater war anRheumatismus gestorben, da war das jüngsteKind noch gar nicht geboren. Und dann musstenwir 1945 aus Schlesien fliehen, meine Mutter mitnichts als einem Kinderwagen und fünf kleinenKindern. Ich war die Älteste mit sieben, das jüngs -te gerade ein Jahr alt. Als wir mit einem Lazarett-zug in Zwiesel angekommen waren, hatten wirals kleine Truppe übrigens großes Aufsehenerregt. Da konnten sich viele Zwieseler noch Jahrespäter daran erinnern. Ja, und meine Mutter hatdas alles alleine geschafft, die Flucht von Schle-sien nach Niederbayern, fünf Kinder großzuzie-hen und alle auf die höhere Schule zu schicken.Sie hat uns ein gutes Leben ermöglicht und sokonnte ich Grundschullehrerin werden und meinerstes Pflegekind kennen lernen...

    das Kind mit einer Fruchtwasseruntersuchunggefährden? Da kann es ja zu einem Abgang kom-men. Das waren wirklich Kämpfe mit dem Arztund ich weiß, dass in dieser Zeit bereits vieleEltern angefeindet wurden, weil sie ein behinder-tes Kind zur Welt gebracht hatten. Dann hieß es,dass wäre ja wohl nicht mehr nötig. Das brauchees doch nicht.

    Sie sind nun seit über 20 Jahren ehrenamt -liches Vorstandsmitglied der LebenshilfeRegen und Elternbeiratsvorsitzende in dendortigen Werkstätten. Viele Jahre engagier-ten Sie sich auch überregional zum Beispielim Ausschuss „Offene Hilfen“ desLebenshilfe-Landesverbandes Bayern. Waskonnten Sie im Lebenshilfe-Verbund mitanderen Eltern und Fachleuten rückblickendverwirklichen?

    Ehrlich gesagt, war es in den Fachgremien für unsEltern nicht so einfach. Oft ging es um Paragrafenund ob die Wünsche von Eltern überhaupt recht-lich durchsetzbar sind. Da fühlte ich mich manch-mal schon verloren. Das konnte ich ja nicht beur-teilen. Worauf ich aber heute noch sehr stolz bin,ist der Familienentlastende Dienst, den wir in derLebenshilfe Regen aufgebaut haben. Zuersthaben wir das in Regen selbst organisiert. Bei unsgab es zum Beispiel eine Mutter, die ein schwer-behindertes Kind hatte, das dauernd herumgetra-gen werden musste. Und die Mutter hatte nie-manden, der sie mal entlastet hätte. Da habenwir uns als Eltern zusammengetan und einfachselbst eine Gruppe von Helfern aufgebaut. Vonder Lebenshilfe bekamen wir ein bisschen Geld,damit wir die Leute bezahlen konnten. Und mitder Zeit hat dann auch der Verein begriffen, wiewichtig der Familienentlastende Dienst ist und hatdie Sache dann professionell aufgezogen.

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    Birgit Hübner

    setzt sich gerne für andere ein und das durchaus erfolgreich. So erreicht sie als

    Vorsitzende des Bewohnerrats in ihrer ersten Wohnstätte in Lauf, dass alle

    Bewohner einen eigenen Zimmer- und Haustürschlüssel bekommen. Auch die

    Internetanschlüsse in den Wohngruppen der Lebenshilfe Nürnberger Land sind

    Ergebnis ihres Engagements. Darüber hinaus ist die 57-Jährige seit März 2011

    auch Sprecherin der Heimbeiräte aller Lebenshilfen in Mittelfranken – und das

    alles zusätzlich zu ihrer Arbeit in den Moritzberg-Werkstätten. Dabei muss Birgit

    Hübner eigentlich auf ihr Herz aufpassen.

    Früher wurde vieles ohne mich entschieden

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  • Sehr geehrte Frau Hübner, bitte schildernSie uns doch kurz, welche BerufsausbildungSie haben und was genau Sie in den Moritz-berg-Werkstätten der Lebenshilfe NürnbergerLand arbeiten.

    Ich habe keine Berufsausbildung. Ich habe immerbei meinen Eltern zu Hause geholfen. Wir hattenein Hotel in Behringersdorf an der Hauptstraßeund dort habe ich in der Küche mitgearbeitet.Irgendwann haben meine Eltern dann das Hotelverkauft. Da war ich um die 30 Jahre alt. Zuersthabe ich gedacht, dass ich vielleicht eine andereArbeit in Behringersdorf finde. Ich bin dann selbstlosgezogen und habe nach Arbeit gefragt. ZumBeispiel habe ich ein paar Wochen in einer Metz-gerei gearbeitet, aber da hat es mir nicht so gutgefallen. Leider habe ich auch keine andere Stellegefunden. Ich wollte aber arbeiten und nicht nurzu Hause bei meinen Eltern hocken. Seit 1986arbeite ich jetzt in den Moritzberg-Werkstätten –vor allem in der Küche. Was man da machen muss,habe ich ja von zu Hause, vom Hotel her nochgewusst. Ich habe aber mit dem Herzen zu tun. Ichwar deshalb schon viermal im Krankenhaus. DieArbeit in der Küche ist nicht leicht und ich bin jagefährdet wegen dem Herzen. Und deshalb arbeiteich seit August 2011 in der Fertigung 7, da baue ichSchalter zusammen und andere elektrische Sachen.Das ist nicht so stressig wie in der Küche.

    Zusätzlich zu Ihrer Arbeit in der Werkstattsind Sie seit vielen Jahren als Vorsitzende inverschiedenen Bewohnerräten tätig. Waswaren bisher die wichtigen Themen, die Siedort behandelt haben?

    In Lauf in der Wohnstätte am Bitterbach, wo ichvorher gewohnt habe, habe ich mich dafür einge-setzt, dass alle Bewohner einen eigenen Zimmer-und Haustürschlüssel bekommen. Wir wolltenselbst bestimmen, wann wir raus- und reingehenund nicht extra läuten, damit uns jemand auf-macht. Erst haben wir alle davon überzeugenmüssen, also die Eltern, den Vorstand und denGeschäftsführer. Das war gar nicht einfach. Diehaben sich Sorgen gemacht, dass jemand seinenSchlüssel verliert oder einfach die Haustür auflässt

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    oder jemanden mitbringt, der nicht dort wohnt.Wir haben dann noch einen Brief an denGeschäftsführer geschrieben, weil es uns sehrwichtig war. Und hier in der Außenwohngruppein Hersbruck habe ich mich dafür eingesetzt, dasswir die Hausordnung selber erstellen können. Wirhaben zuerst alles gesammelt, was uns wichtig istund das dann zusammengeschrieben. In derHausordnung geht es vor allem darum, wie wirhier zusammen wohnen.

    Seit 2010 nehmen Sie regelmäßig an dengroßen Dienstbesprechungen der Einrich-tungsleiterinnen und Einrichtungsleiter derLebenshilfe Nürnberger Land teil. Sie vertre-ten dort alle Bewohnerräte der LebenshilfeNürnberger Land. Welche Erfahrungenhaben Sie dabei gemacht?

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dortaufgenommen bin wie alle anderen auch. Ichhabe die Möglichkeit, direkt an unserenGeschäftsführer die Wünsche und Probleme vonden Bewohnern zu berichten. 2010 wollten zumBeispiel viele nach Berlin zum Weltkongress derMenschen mit Behinderung fahren. Ich habedann bei der großen Dienstbesprechung gefragt,ob das ginge und was das kosten würde. DerGeschäftsführer hat uns unterstützt und wirkonnten dann mit einer Gruppe mit Betreuernhinfahren. Das war sehr, sehr interessant, weil dieLeute von überall hergekommen sind, aus Japanoder Australien, und davon erzählt haben, wound wie sie dort leben.

  • Wie verschaffen Sie sich eigentlich einenÜberblick über die Wünsche und auchProbleme aller Bewohnerinnen und Bewoh-ner bei der Lebenshilfe Nürnberger Land?

    Alle Bewohnerräte, zum Beispiel aus Lauf, Hers-bruck und Rückersdorf, setzen sich alle drei Mo -nate zusammen oder wir telefonieren auch mit-einander. Wir sprechen über alle Probleme undWünsche, die in den verschiedenen Wohngrup-pen gerade besonders wichtig sind. Ich sammledas alles und lese es bei der großen Dienstbespre-chung vor. Ein Thema war zum Beispiel das Inter-net. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass es inallen Wohngruppen einen Internetanschluss gibt.Und dass jeder, der das will, eine eigene private E-Mail-Adresse haben kann. Da wurde dann erstmal gefragt, ob das denn unbedingt nötig ist.Wie beim Thema Haustürschlüssel haben wirdann einen Brief an den Geschäftsführer ge -schrieben und ihm erklärt, wie wichtig uns das ist,

    dass wir lernen, wie man mit einem Computerumgeht, wie man E-Mails schreibt und so. Ichhabe zum Beispiel im letzten Urlaub in Ungarnjemanden kennengelernt und dem will ich ganzprivat schreiben können.

    Seit 2011 sind Sie auch als Sprecherin derHeimbeiräte aller Lebenshilfen in Mittel -franken aktiv. Was ist hier Ihre Aufgabe?

    Also zunächst will ich darauf hinweisen, dass wir zuzweit sind. Herr Georg Leikam aus Fürth ist als zwei-ter Sprecher gewählt worden. Als Sprecherin undSprecher der Heimbeiräte können wir nun persön-lich beim Ober-Arbeitskreis Wohnen der Lebens -hilfen in Mittelfranken teilnehmen und dort direktunsere Ideen, Vorschläge und Wünsche einbringen.Vorher ging das nur über die Leitungen der Wohn-stätten.

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    Internationaler Austausch: Birgit Hübner mit ihrem Bezugs- und Bewohnerratsbetreuer Anargiros Tsopouridis

    (links) am Infostand „Inclusion Japan“ auf dem Weltkongress in Berlin. (Fotos: privat)

  • Sehr geehrte Frau Hübner, was wünschenSie sich persönlich für die Zukunft?

    Dass ich gesund bleibe, dass ich mich für dieHeimbeiräte und alle Bewohner weiter gut ein -setze und dass der Club nicht absteigt!

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    Und was wollen Sie für die Bewohnerinnenund Bewohner der Lebenshilfe-Wohnstättenin Mittelfranken erreichen?

    Ein ganz großes Thema, für das wir uns einsetzenwollen, ist die leichte Sprache. Es ist oft so, dass ichzusammen mit meinem Betreuer Wörter im Dudennachschlagen muss, die ich bei Besprechungenoder in Protokollen nicht verstanden habe. Und wirHeimbeiräte wollen nun, dass zum Beispiel auch dieMitarbeiter der Lebenshilfe nicht mehr so kom -pliziert reden oder schreiben, damit wir das gleichverstehen können.

    Sehr geehrte Frau Hübner, Sie sind 57 Jahrealt. In Ihrem Geburtsjahr 1954 gab es nochkeine Lebenshilfe in Deutschland oder inBayern. Wie alt waren Sie, als Sie das ersteMal mit der Lebenshilfe zu tun hatten? Und was hat sich seitdem verändert?

    Als ich bei den Moritzberg-Werkstätten angefan-gen habe, war ich 32 Jahre. Mit 43 Jahren bin ichdann von zu Hause ausgezogen in das Wohn-heim Bitterbach nach Lauf. Das war 1997 und dagab es noch keine Außenwohngruppen so wiejetzt. Und oft auch keine Einzelzimmer in denWohnheimen. Damals mussten wir uns viel mehrnach den Betreuern richten. Ich selbst musste frü-her auch immer meine Mutter fragen, wenn ichetwas kaufen oder in den Urlaub fahren wollte,auch als ich schon nicht mehr zu Hause gewohnthabe. Früher wurde vieles entschieden, ohnemich überhaupt zu fragen. Seit ich in der Außen-wohngruppe lebe, bin ich viel selbstständigergeworden. Meine Mutter hat leider immer ge -glaubt, dass ich das nicht schaffen kann, dass ichnicht so selbstständig leben kann, um in dieAußenwohngruppe nach Hersbruck zu gehen.Aber ich wollte es ihr zeigen, dass ich das kann.Und ich habe es geschafft. Jetzt bin ich seit 2004hier. Es gefällt mir hier gut. Wir wohnen mitten inder Stadt. Ich gehe selbst einkaufen und amSamstag lade ich meine Freundin immer ein unddann gehen wir ins Café Bauer. Seit zwei Jahrenhabe ich auch ein eigenes Konto mit Karte undkann mir selbst Geld holen, wenn ich was brauche.

    Birgit Hübner als kleines Kind auf der Schaukel

    im Garten ihrer Eltern. (Fotos: privat)

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    Monika Haslberger

    gehört einer Elterngeneration an, die für ihre 1980 geborene Tochter von

    Anfang an auf die Lebenshilfe bauen konnte. Die heute 57-Jährige gehört aber

    auch einer Elterngeneration an, die sich nun dafür engagiert, dass sich ihre

    Lebenshilfe stetig weiterentwickelt. Seit 1999 ist sie Vorsitzende der Lebenshilfe

    Freising. Zusätzlich setzt sich Monika Haslberger, die als Service Agent der Luft-

    hansa am Flughafen München arbeitet, bayern- und bundesweit für die Interessen

    von Menschen mit Behinderung ein. So ist die Mutter von vier inzwischen

    erwachsenen Kindern (im Bild mit Tochter Elisabeth) sowohl im Vorstand des

    Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern als auch der Lebenshilfe-Bundesvereini-

    gung aktiv, deren stellvertretende Vorsitzende sie seit 2010 ist.

    Wir stellen viel Neues auf die Beine –dank einer soliden Basis

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    Sehr geehrte Frau Haslberger, Sie habensich bereits früh selbst bei der Lebenshilfeengagiert – zunächst im Eltern beirat derSchule, dann im Verwaltungsrat der Werk-stätten, ebenso als Übungsleiterin im Reha-Sport und schließlich im Vorstand derLebenshilfe Freising, deren Vorsitzende Sieseit 1999 sind. Was konnten Sie und IhreMitstreiter für die Menschen mit Behinde-rung und Ihre Familien in den letzten Jahrenerreichen?

    Die Lebenshilfe Freising hat sich in den letzten 20Jahren enorm entwickelt. Als ich 1999 den Vor-sitz übernommen habe, wurde mir von meinemVorgänger im Amt schon eine Lebenshilfe über-geben, die in einem ausgezeichneten finanziellenund wirtschaftlichen Zustand war. Und so konn-ten wir viele neue Projekte weiterentwickeln undverwirklichen. Gerade im integrativen Bereichhaben wir in den vergangenen Jahren einiges aufdie Beine gestellt. Nachdem unsere integrativenKindergärten sehr erfolgreich liefen, versuchtenwir auch im Schulbereich Integration zu verwirk-lichen, was uns nach Überwindung von ganz vie-len Hürden gelungen ist.

    Mit dem Bau einer integrativen Wohnanlagehaben wir eine Möglichkeit geschaffen, dass Men-schen mit Behinderung und Studenten unter einemDach leben. 2003 haben wir eine Integrationsfirmagegründet, die unseren Menschen weitere Arbeits-

    Sehr geehrte Frau Haslberger, 1980 kam Ihr erstes Kind, Ihre Tochter Elisabeth, mitDown-Syndrom zur Welt. Wo lebt sie heute und wie geht es ihr?

    Meine Tochter wurde von Anfang an in den Ein-richtungen der Lebenshilfe Freising betreut, inder Frühförderung, in der schulvorbereitenden Einrichtung und in unserer Fröbelschule. Siearbeitet seit 2001 in der Werkstatt für behinderteMenschen in Freising. Nach einigen Erfahrungenin verschiedenen Ab teilungen ist sie jetzt dort inder Verpackung tätig. Seit 2003 wohnt sie ineiner integrativen Wohnanlage der LebenshilfeFreising, in einer Vierer-Wohngemeinschaftzusammen mit drei weiteren jungen Frauen inihrem Alter. Wir haben diesen Schritt nie bereut!Meiner Tochter geht es dort sehr gut, sie wurdewesentlich selbststän diger und selbstbewusster.

    Die Geburt eines behinderten Kindes ist für viele Eltern zunächst ein schwerer Einschnitt in das bisherige Leben.Wie haben Sie und Ihr Mann diese Zeitdamals erlebt?

    Diese Zeit nach der Geburt war natürlich nichteinfach, wir waren sehr unsicher, ja fast hilflos.Wir sind auch nicht gleich nach der Geburt überdie Behinderung informiert worden, und daunsere Tochter zusätzlich mit einer Kiefer-Gaumen-Spalte auf die Welt gekommen war, wussten dieÄrzte zunächst nicht, ob auch eine Trisomie 21vorliegt. Und so hat man uns diese Diag noseebenfalls erst ein paar Wochen später gesagt.

    Elisabeth mit ihrem

    Brüderchen Ludwig.

    (Fotos: privat)

  • möglichkeiten, neben der Werkstatt, im BereichGastronomie, Reinigung, Gartenpflege und soweiter bieten sollen. Im Moment bauen wir ge -rade eine neue Schule, eine in dieser Zeit derWandlung zur Inklusion sehr anspruchsvolle Auf-gabe. Lassen Sie mich aber betonen, dass an alldiesen Projekten ein Gesamtvorstand beteiligtwar und ist, der mich als Vorsitzende unterstützt.Und natürlich können wir stets auf das sehr hoheEngagement der Mitarbeiterinnen und Mitar -beiter sowie des Geschäftsführers bauen.

    Und worüber haben Sie sich an IhremWohnort Freising am meisten geärgert?

    Ich kann und möchte mich über die Stadt Freisingnicht beklagen. Wir pflegen eine gute Partner-schaft. Natürlich gab es im Zuge unserer Bau -tätigkeiten immer mal wieder Unstimmigkeiten,aber wir haben dann doch immer einen gemein-samen Weg gefunden und bekommen die Unter-stützung von der Stadt, die wir brauchen.

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  • Seit vielen Jahren sind Sie bei der Lebens-hilfe auch überregional aktiv, seit 2005 imVorstand der Lebenshilfe Bayern und seit2008 im Vorstand der Lebenshilfe-Bundes-vereinigung, deren stellvertretende Vorsit-zende Sie seit 2010 sind. Was ist Ihnen beiIhrem landes- und bundesweiten Engage-ment besonders wichtig?

    Es sind ja sehr unterschiedliche Aufgaben, dieman in diesen Gremien auf Bundes- und Landes-ebene zu bewerkstelligen hat, auch wenn esimmer um die gleichen Personen geht – Men-schen mit Behinderung und ihre Eltern und Ange-hörigen. Mir persönlich ist es ein Anliegen – unddafür habe ich auch vom Landesverband denAuftrag bekommen – zum einen die spezifischbayerischen Interessen in der Bundesvereinigungzu vertreten und zum anderen dem Landesver-band zeitnah über Entscheidungen, Beschlüsseund aktuell anstehende Themen aus dem Bundes-vorstand zu berichten. Umgekehrt berichte ich inden Sitzungen des Bundesvorstandes über unsereBeschlüsse und Themen aus dem Landesvor-stand. Ich sehe mich als Bindeglied zwischen denbeiden Ebenen, wobei in dieser Funktion auchgelegentliche Interessenskonflikte nicht ausge-schlossen sind.

    Sehr geehrte Frau Haslberger, Ihre Tochterist heute 32 Jahre alt. Was wünschen Sie ihr ganz persönlich für die Zukunft?

    Meine Tochter hat in der Gemeinschaft, in der sielebt und arbeitet, ein Zuhause gefunden und imMoment wünsche ich ihr, dass sie sich dort nochlange wohlfühlt, dass sie auch, wenn sie älter undkörperlich nicht mehr so fit ist, in diesen Einrich-tungen bleiben kann. Wir wissen alle, dass sichunsere Kinder im Alter verändern, dass unerwartetkörperliche oder psychische Krankheiten auftre-ten können. Deshalb wünsche ich ihr von ganzemHerzen, dass sie davon noch lange verschontbleibt.

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    Elisabeth Haslberger

    mit ihrem Freund Josef.

    (Fotos: privat)

  • Lebenshilfe Erlangen

    Lebenshilfe München

    Lebenshilfe Fürth

    Lebenshilfe Schweinfurt

  • Lebenshilfe NürnbergLebenshilfe Coburg

    Lebenshilfe Augsburg

    Die heutigen Vorsitzenden dersechs Gründer-Lebenshilfen desLandesverbandes gratulierenherz l i ch zum 50- jäh r igenJubiläum und freuen sich überdas starke Rückgrat und diekompetente Interessensvertre-tung in den vergangenen fünfJahrzehnten. Gemeinsam mit derjüngsten Lebenshilfe, der Ver-einigung in Coburg, wünschensie dem Landesverband auchweiterhin Mut und Offenheit,aber auch Geduld und Beharr-l ichkeit , um Menschen mitBehinderung eine inklusiveZukunft in unserer Gesellschaftzu ermöglichen. (Bild: Logo derLebenshilfe bis 1995)

    Die guten Wünsche

  • 32

    Wolfgang Trosbach

    verkörpert eine neue Gründergeneration, die zunächst außerhalb der Lebens -

    hilfe aktiv wird. Als sein jüngster Sohn 1996 mit Down-Syndrom zur Welt

    kommt, schließt er sich mit anderen Eltern zusammen und gründet den Verein

    „Menschen mit Down-Syndrom, Eltern & Freunde Würzburg“. Der Diplom-

    Psychologe, der im medizinischen Controlling tätig ist, merkt aber bald, dass mit

    und über die große Lebenshilfe in Würzburg oft mehr für Menschen mit Behin-

    derung erreicht werden kann. 1999 wird er Vorstandsmitglied, seit 2001 ist er

    Vorsitzender der Lebenshilfe Würzburg. Darüber hinaus engagiert sich der

    47-Jährige seit 2003 als Bezirkssprecher Unterfranken der Lebenshilfe Bayern.

    Wolfgang Trosbach stellte sich für diese Jubiläumsschrift den Fragen des Beirats

    für Menschen mit Lernschwierigkeiten der Lebenshilfe Würzburg.

    Menschen müssen frei wählen können

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    Wie lange sind Sie schon in der Lebenshilfe?

    Gleich nach der Geburt von Fabian im Jahr 1996bekam meine Familie Unterstützung vom Familien -entlastenden Dienst der Lebenshilfe Würzburg.So lernte ich die Lebenshilfe Würzburg kennen.Seit 1999 bin ich im Vorstand der Lebenshilfe,seit 2001 Vorsitzender der Lebenshilfe Würzburg.

    Warum sind Sie in der Lebenshilfe?

    Unser zweiter Sohn Fabian kam mit Down-Syn-drom auf die Welt. Zuerst haben wir einen Vereinfür Familien mit Menschen mit Down-Syndrom inWürzburg gegründet. Dann habe ich erlebt, dassin Würzburg viel mehr über die große Lebenshilfeverändert und erreicht werden kann. Deshalb binich zur Lebenshilfe für Menschen gegangen, diewegen Beeinträchtigungen besondere Unterstüt-zung brauchen. Und ich bin in die Lebenshilfe,damit Menschen mit Behinderung in der Gesell-schaft möglichst überall dabei sein können:gemeinsam in Kindergarten und Schule gehen,gemeinsam Freizeit verbringen, wohnen, leben,arbeiten mit anderen Menschen. So haben meineFrau und ich es auch bei unseren Kindern bisherversucht: Unser Sohn Fabian war in einem inte-grativen Kindergarten und besuchte dann biszum Abschluss der Oberstufe dieselbe Schule wiesein älterer Bruder Lukas – die Montessori-SchuleWürzburg.

    Wie finden Sie die Arbeit in der LebenshilfeWürzburg?

    Die Arbeit in der Lebenshilfe Würzburg ist span-nend, aber anstrengend. Die Lebenshilfe ist sogroß, dass man lange braucht, um zu verstehen,wie sie arbeitet und funktioniert. Und weil sie sogroß ist, dauert es auch meist lange, bis manDinge zusammen mit anderen verändern kann.Da brauche ich viel Geduld.

    Wie finden Sie Ihre Arbeit für die Lebens-hilfe Würzburg?

    Ich finde sie sehr wichtig: Denn es ist gut, wennich für die Lebenshilfe arbeite als Vater voneinem Kind, das selbst bei der Lebenshilfe ist. Daerlebe ich oft, was bei der Lebenshilfe gut läuftund was noch besser werden kann. Auch kenneich viele andere Familien, die bei der Lebenshilfesind und höre von ihnen viele wichtige Sachen,die ich dann wieder in die Arbeit mitnehme.Manchmal finde ich die Arbeit für die Lebenshilfeschwierig, wenn ich zum Beispiel etwas möchte,was bei der Lebenshilfe noch nicht möglich ist:Wir haben zum Beispiel in Unterfranken nochkeine ausreichenden Möglichkeiten für Men-schen mit hohem Unterstützungsbedarf, die inihrer eigenen Wohnung wohnen und ihre Wohn-form selbstständig frei wählen möchten. Und ichfinde die Arbeit bei der Lebenshilfe dann sehrschwierig, wenn zu wenig Geld für die Lebenshil-fearbeit da ist. Gerade hier in Unterfranken wur-de viele Jahre lang zu stark gespart. Zum Beispielzahlt der Bezirk Unterfranken im Vergleich zu denanderen Bezirken in Bayern für jemanden, der indie Werkstatt geht, im Durchschnitt pro Tag fünfEuro weniger. Das sind im Monat pro Werkstät-tenbesucher 150 Euro weniger, obwohl fürWerkstättenbesucher in Unterfranken genausoviel Geld gebraucht wird wie sonst in Bayern.

    Macht Ihnen die Arbeit Spaß?

    Fast immer macht mir die Arbeit Spaß, sonst wür-de ich es nicht schon so lange machen. Aber esgibt auch Tage, da macht es keinen Spaß: Wennes für Probleme noch keine Lösungen gibt oderwenn sich Menschen bei der Lebenshilfe streitenoder traurig sind, weil es zum Beispiel für sie nochkeine passenden Wohnmöglichkeiten gibt.

    Machen Sie das noch lange?

    Ich habe es jetzt schon sehr lange gemacht, es istwichtig, dass auch einmal wieder jemand ande-rer den Vorsitz übernimmt.

  • Sind sie auch Ansprechpartner für denBezirk Unterfranken?

    Ja, als Bezirkssprecher aller Lebenshilfen in Unter-franken bin ich der Ansprechpartner für denBezirk Unterfranken.

    Was ist der Unterschied zwischen demVorsitz in der Lebenshilfe und dem Amt alsBezirkssprecher?

    Der Vorsitzende der Lebenshilfe spricht undarbeitet nur für die Lebenshilfe von Stadt undLandkreis Würzburg. Der Bezirkssprecher derLebenshilfe spricht und arbeitet für alle Lebens-hilfen in ganz Unterfranken und hat als An -sprech partner für den Bezirk Unterfrankenbesonders viel mit Politikern und Verwaltung undGeldfragen zu tun.

    Warum kann man nicht alle Einrichtungender Lebenshilfe mit dem Rollstuhl befahren?

    Weil früher noch nicht dran gedacht wurde, dassMenschen, die im Rollstuhl sitzen, auch selbstver-ständlich allein überall hinkommen wollen. Leiderist es sehr teuer, alles gleich so umzubauen, dassjeder mit Rollstuhl sich überall bewegen kann.Aber wir versuchen es mit jedem Neubau oderhaben es auch jetzt beim Mieten von den neuenRäumen der Offenen Hilfen geschafft!

    Warum müssen wir im Urlaub immer dieBetreuer mitbezahlen? Wieso gibt es dakeine Zuschüsse? Wie geht das zum Beispielmit dem Persönlichen Budget?

    Damit alle Menschen in Urlaub fahren können –egal wie viel Unterstützung sie brauchen – zahltjeder einen festen Beitrag für den Betreuer mit.Wenn jemand hier dringend einen Zuschussbraucht, dann muss er das uns sagen. Vielleichtlassen sich hier Menschen finden, die einenZuschuss oder eine Spende geben können. Wirhaben zum Beispiel in der Schule und TagesstätteSchülerinnen und Schüler, die sich das Schulland-heim nicht leisten können. Dafür gibt es immer

    Was sind Ihre Ziele in der Lebenshilfe in dernäheren Zukunft?

    Viele Staaten auf der ganzen Welt haben zusam-men einen Vertrag unterschrieben: die UN-Behin-dertenrechtskonvention. Darin stehen die Rechtevon behinderten Menschen. Menschen mitBehinderungen haben die gleichen Rechte wieandere Menschen. Die Behindertenrechtskonven-tion gilt auch in Deutschland und somit auch inWürzburg. Dazu muss aber in Würzburg nochviel getan werden und ich werde zusammen mitdem Vorstand der Lebenshilfe, den Mitgliedern,den Mitarbeitern und mit Ihnen vom Beirat allestun, damit auch in Würzburg die Behinderten-rechtskonvention gut gelebt wird. Das, was inWürzburg an Gutem geschaffen wurde, soll wei-terentwickelt und bewahrt werden, das, was inWürzburg noch fehlt, soll geschaffen werden.Menschen sollen zukünftig auch in Würzburg vielmehr frei auswählen können, wie sie zur Schulegehen, leben, wohnen, arbeiten, in Partnerschaftleben, Kinder haben und ihre Freizeit und Urlaubverbringen möchten.

    Wenn Sie sich ein Ziel setzen – können Siedas gut, also konsequent verfolgen?

    Ja, das kann ich! Wenn ich ein Ziel habe, auchwenn es lange dauert, verliere ich das nicht ausden Augen. Wichtige Ziele wie Integration undjetzt Inklusion, mit denen ich vor über zehn Jah-ren bei der Lebenshilfe begonnen habe, die wer-den sogar jetzt erst angegangen.

    Was können Sie sich unter Inklusion vorstellen?

    Dass alle Menschen – so unterschiedlich sie auchsind – in unserer Gesellschaft willkommen sind,dass unsere Gesellschaft vorbereitet und offen istfür verschiedene Menschen, gerade auch fürMenschen mit Behinderungen: im Kindergarten,in der Schule, in der Arbeitswelt, in Vereinen, inder Freizeit, in der Nachbarschaft, in der Kirche,am Sportplatz, dort wo man wohnt – möglichstüberall.

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  • wieder Spenden. Das Persönliche Budget kannhier vielleicht helfen, wenn es genau für jedenEinzelnen prüft, wie viel Unterstützung erbraucht und dann die Kosten für Betreuung gutfestgelegt werden. Leider ist es bisher noch nichtgut gelungen, für Menschen mit Lernschwierig-keiten gute Lösungen mit dem Bezirk Unterfran-ken für das Persönliche Budget zu finden. ZumBeispiel braucht ein Mensch mit Lernschwierig-keiten einen Unterstützer bzw. Assistenten beimPersönlichen Budget, den will aber der BezirkUnterfranken nicht zahlen. Auch will der Bezirkfür den Menschen mit Lernschwierigkeiten ganzgenau festlegen, bei wem er zu genau welchemPreis Unterstützung „einkaufen“ muss. Das istnicht richtig, das ist allein Entscheidung des Budgetnehmers, zwischen verschiedenen gutenAngeboten selbst zu wählen.

    Warum schreibt und sagt die Lebenshilfenicht alles in leichter Sprache? Zum Beispielauch in der „Total Normal“, unserer Würz-burger Lebenshilfe-Zeitung?

    Weil die Lebenshilfe die leichte Sprache erst ler-nen muss. Wir lassen uns immer mehr Texte vom„Büro für Leichte Sprache“ in Bremen übersetzenund üben, die leichte Sprache selbst zu sprechen.Einzelne Mitarbeiter haben zur leichten Spracheauch schon Fortbildungen gemacht. In unsererWürzburger Mitgliederzeitschrift „Total Normal“wird jedes Mal mehr in leichter Sprache geschrie-ben. Auch Einladungen für die Mitgliederver-sammlung der Lebenshilfe sind inzwischen inleichter Sprache und die Geschäftsordnung fürden Beirat der Lebenshilfe, ebenso viele Informa-tionen von Tagesstätte, Schule und Offene Hilfen.Insgesamt ist die Lebenshilfe Würzburg hier gutdabei, muss aber noch besser werden!

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    rnDer Beirat für Menschen mit Lernschwierig-keiten der Lebenshilfe Würzburg wurde am1. Oktober 2010 gegründet und will sich –unabhängig vom selbst gewählten Namen– für alle Menschen mit Behinderung in derLebenshilfe einsetzen. Der Beirat hatte zumZeitpunkt des Interviews folgende achtMitglieder. (Fotos: privat)

    Sonja Scheuplein Erika Senf

    Philipp Götz Rainer Gräbner

    Roland Meyer Nico Nizirov

    Gottfried Reumann Thorsten Schott

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    Michaela Rabus

    engagiert sich seit vielen Jahren als Werkstatträtin in der Lebenshilfe-Werkstatt

    München. Mitsprache in der Werkstatt, Selbstvertretung, Inklusion sowie

    Arbeitsplätze für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind

    Themen, für die sich die gelernte Hauswirtschaftshelferin besonders einsetzt.

    Der größte Wunsch der 35-Jährigen: Eine Festanstellung in dem integrativen

    Kindergarten in München-Pasing, den sie selbst als Kind besucht hat.

    Ich würde sofort ja sagen!

  • Sehr geehrte Frau Rabus, bitte schildern Sie uns doch kurz, welche BerufsausbildungSie haben und was genau Sie in der Lebens-hilfe-Werkstatt München arbeiten.

    Ich habe eine Ausbildung als Hauswirtschafts -helferin, arbeite zur Zeit aber in der Verpackung.Meine Ausbildung habe ich im Magnus-HeimHolzhausen gemacht von 1992 bis 1995. Danachhabe ich ein halbes Jahr im Bayerischen Hof amMarienplatz als Zimmermädchen gearbeitet.Anschließend habe ich eine Maßnahme desBerufsförderzentrums beim Arbeitsamt gemachtund verschiedene Praktika absolviert unter anderemin einem Hotel, einem Wohnheim und in einemAltenheim. Leider waren die Arbeiten auf demallgemeinen Arbeitsmarkt damals zu schwierigund zu stressig für mich. Im September 1998 binich dann in die Lebenshilfe-Werkstatt Münchengekommen. Ich habe im Berufsbildungsbereichangefangen. Nach verschiedenen Praktika habeich mich für die Verpackungsgruppe entschieden.Wir verpacken für die Firma MAN Ersatzteile fürLKWs. Je nach Größe der Ersatzteile werden diese in Kartons für den Transport und Versandeingepackt.

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    Zusätzlich zu Ihrer Arbeit sind Sie seit vielenJahren im Werkstattrat tätig. Was waren bisher die wichtigen Themen,die Sie dort behandelt haben?

    Ganz wichtig ist das Thema Inklusion. Wir wollenzum Beispiel erreichen, dass behinderte und nichtbehinderte Menschen den gleichen Schulwegmachen können. Menschen mit Behinderungdürfen keine Türen verschlossen bleiben undjeder muss die Möglichkeit bekommen, nach seinen Fähigkeiten und nach seinen Interessen zuleben. Jeder Beschäftigte aus einer Werkstatt sollzum Beispiel einen Arbeitsplatz auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt testen können. Die Firmenauf dem allgemeinen Arbeitsmarkt müssen offe-ner werden für Mitarbeiter mit Behinderung unddiese auch fest einstellen wollen.

    Für was setzen Sie sich als Werkstatträtinbesonders ein und was wollen Sie persön-lich für Ihre Kolleginnen und Kollegen in derWerkstatt erreichen?

    Ich setze mich besonders für meine Kollegen einund möchte erreichen, dass meine Kollegenzufrieden sind mit ihrer Arbeit und gerne zurArbeit kommen. In den letzten Jahren haben wirals Werkstattrat erreicht, dass Vertreter vomWerkstattrat beim Auswahlverfahren von neuenGruppenleitern dabei sind. Außerdem nehmenVertreter vom Werkstattrat an verschiedenenArbeitskreisen teil und können somit Einfluss aufdie Entscheidungen in der Lebenshilfe-Werkstattnehmen, zum Beispiel sind sie beim Steuerkreisdabei, wo es um Strategien geht oder beim JourFix, wo aus allen Bereichen der Werkstatt dieMitarbeiter zusammen kommen. Außerdem neh-men wir an den Entgeltrunden teil und sind beimArbeitskreis „Leichte Sprache“ vertreten.

  • 38

    Michaela Rabus arbeitet sehr gerne

    in der Küche des integrativen Kinder-

    gartens in Pasing. (Foto: Pavel Sara)

  • Sie waren auch bereits überregional alsWerkstatträtin aktiv. So informierten Sie zum Beispiel auf dem ÖkumenischenKirchentag und auf der ConSozial jeweilsam Messestand der Lebenshilfe Bayern überIhre Tätigkeit. Welche Erfahrungen habenSie dabei gemacht?

    Es macht mir Spaß, die Lebenshilfe-Werkstatt inder Öffentlichkeit zu vertreten. Beim ersten Besuchauf der ConSozial-Messe in Nürnberg ist uns auf-gefallen, dass viele Firmen etwas für die Behin-dertenwerkstätten tun wollen oder diese präsen-tiert haben. Doch leider waren viel zu wenigSelbstvertreter, also Menschen mit Behinderung,an den Ständen vertreten. Dem Werkstattrat wares ein großes Anliegen, die Lebenshilfe-Werkstattauf den Messen zu vertreten. Wir als Werkstattratund Beschäftigte der Lebenshilfe-Werkstatt konn-ten den Besuchern unsere Sichtweise der Arbeitin einer Werkstatt für Behinderte erläutern. FürFragen, die wir nicht beantworten konnten, hat-ten wir unsere Vertrauensperson dabei.

    Sehr geehrte Frau Rabus, Sie wurden 2010in den Vorstand der Lebenshilfe Münchengewählt. 2011 haben Sie das Amt niederge-legt. Wie hatten Sie sich die Arbeit alsVorstandsmitglied vorgestellt und warumwollten Sie nicht mehr im Vorstand bleiben?

    In den Vorstand der Lebenshilfe Münchengewählt zu werden, ist erst einmal eine großeEhre und eine große Herausforderung. GenaueZiele hatte ich nicht, da ich im Vorfeld die Arbei-ten des Vorstandes nicht so genau kannte. MeineErfahrung war dann, dass viele Leute sich überschwierige Themen unterhalten haben. Mir wurdezwar ein Assistent zur Seite gestellt, der mich beiden Sitzungen unterstützt hat. Und ich habe esausprobiert, aber es war mir einfach zu schwer.Trotzdem würde ich mir wünschen, dass auch inZukunft ein Selbstvertreter im Vorstand aktiv ist.

    Sehr geehrte Frau Rabus, welche Plänehaben Sie persönlich für die Zukunft?

    Ich würde gerne einen festen Arbeitsplatz in demKindergarten bekommen, in dem ich seit einigerZeit immer montags arbeite. Der Kindergarten ist inPasing. Es ist ein Integrationskindergarten, in demcirca 60 Kinder betreut werden. Als kleines Kindwar ich schon selbst in diesem Kindergarten. Heutehelfe ich nun in der Küche mit, damit alle KinderMittagessen bekommen. Da ich schon immer denWunsch hatte, in einem Kindergarten zu arbeiten,habe ich zusammen mit dem pädagogischen Fach-dienst der Lebenshilfe-Werkstatt dort angefragt.Und ich bin sehr froh darüber, jetzt immer mon-tags in der Küche mithelfen zu können. In denFerienzeiten kann ich sogar öfter in dem Kinder-garten arbeiten. Wenn ich im Kindergarten festangestellt werden könnte, würde ich sofort jasagen!

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    Mehr Begegnungen – Mehr Verständnis

    Beim Aktionstag in Würzburg zeigt ein Mitarbeiter

    der Nordschwäbischen Werkstätten, wie Taschen

    genäht werden. (Foto: Lebenshilfe Bayern/Anita Sajer)

    Ganz oben: Die „Kids vom Ring“ der Lebens hilfe

    Kronach begeistern auf der Bühne in Bayreuth.

    (Foto: Lebenshilfe Bayern/Klaus Fengler)

    Mehr Begegnungen zwischen Menschen mitund ohne Behinderung schaffen auch mehrgegenseitiges Verständnis. Das haben die bis-herigen Aktionstage der Lebenshilfe Bayern ein-drucksvoll bewiesen. Los ging es im „Europä-ischen Jahr der Menschen mit Behinderungen2003“ mit einer Infotour durch ganz Bayern undeinem Abschlusstag auf dem Unteren Markt inWürzburg. Tausende von gut gelauntenBesucherinnen und Besuchern waren dort vomtollen Bühnenprogramm und den zahlreichenInfoständen der Lebenshilfe Bayern und desMedienpartners Bayern 1 begeistert – wie auchbei den folgenden Aktionstagen 2005 auf demJakobsplatz in Nürnberg und 2008 auf demEhrenhof in Bayreuth. Die Veranstaltungen wurden von Aktion Mensch gefördert. Haupt-unterstützer der Aktionstage „Mehr Begeg-nungen – Mehr Verständnis“ war Edeka.

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    Eine bunte Bühnenshow bietet die Theatergruppe der Lebenshilfe Dillingen beim Aktionstag in Würzburg.

    Jubelndes Publikum beim Aktionstag 2005 in Nürnberg. (Fotos: Lebenshilfe Bayern/Anita Sajer)

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  • Sport verbindet Menschen mit geballter Leiden -schaft. Deshalb lädt die Lebenshilfe BayernSportfreunde mit und ohne Behinderungimmer wieder zu besonderen Ereignissen. Sowurde anlässlich der Fußballweltmeisterschaftder Menschen mit geistiger Behinderung 2006die große WM-Nacht im Dante stadion inMünchen gefeiert. Darüber hinaus gab es –jeweils zum 25-jährigen Bestehen – Jubiläums - veranstaltungen für die eigenen landesweitenSportturniere: Das Fußballfestival fand 2007 inVestenbergsgreuth statt und zum Tischtennis -jubiläum wurde 2009 in die s.Oliver Arenanach Würzburg geladen. Und natürlich ist auchfür die Zukunft klar: Die Lebenshilfe Bayernbleibt für Menschen mit Behinderung am Ball.

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    Wir bleiben am Ball

    Ein jubelndes Publikum und Wolfgang Fiereck mit

    der Musikband „Honey Sweet & The 7 Ups“ auf

    der WM-Nacht der Lebenshilfe Bayern in München.

    (Fotos: Lebenshilfe Bayern/Eugen Gebhardt)

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    Die Sportler treten beim Fußballfestival 2007 in Vestenbergsgreuth zum Turnierfinale an. (Foto: Lebenshilfe Bayern/Petra Simon)

    Beim Tischtennisjubiläum zeigen die Jugendeuropa-meister von 2002 Andreas Ball und Benjamin Rösnerden Finalteams ihr beeindruckendes Können. (Foto: Lebenshilfe Bayern/Anita Sajer)

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    Beliebter Treffpunkt auf Sozialmessen

    Oben: Sozialministerin Christine

    Haderthauer freut sich auf der

    ConSozial über den druckfrischen

    Jubiläumskalender der Lebenshilfe

    Bayern, den ihr die stellvertretenden

    Vorsitzenden Klaus Meyer (links)

    und Gerhard John (3. von rechts)

    überreicht haben.

    Links: Reges Interesse am Messe-

    stand „Lebenshilfe Fortbildung“

    auf der Werkstättenmesse.

    (Fotos: Lebenshilfe Bayern/Anita Sajer)

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    Der Lebenshilfe-Landesverband Bayern ist seitvielen Jahren mit großem Erfolg auf der Con-Sozial, der führenden Fach messe und Kongressdes Sozialmarktes im deutschsprachigenRaum, vertreten – als ideeller Träger, Mitgliedder Programmkommission und natürlich alsAussteller mit eigenem Messestand. Der bereitstraditionelle Lebenshilfe-Empfang gilt alsbeliebter Treffpunkt vieler Messegäste aus Politikund Wohlfahrt. Darüber hinaus präsentiert dasFortbildungsinstitut seine Qualifizierungs -angebote an einem Gemeinschaftsstandmehrerer Landesverbände auf der Werkstätten-messe, der großen Produkt- und Leistungs-schau der Werkstätten für Menschen mitBehinderung. Beide Messen finden einmaljährlich im Messe zentrum Nürnberg statt.

    Stolz präsentieren die Mitarbeiterinnen und Mit -arbeiter der Moritzberg-Werkstätten ihre Häppchenfür den Lebenshilfe-Empfang am Messestand derConSozial. (Fotos: Lebenshilfe Bayern/Anita Sajer)

  • ie Lebenshilfe in Bayern ist in den ver-gangenen 50 Jahren kräftig gewachsen.Bis Mai 1962 gab es sechs bayerische

    Lebenshilfen, die den Landesverband gründeten:Augsburg, Erlangen, Fürth, München, Nürnbergund Schweinfurt. Anfang 2012 hat der Verbandgut 170 rechtlich selbstständige Mitgliedsorgani-sationen, darunter 69 Orts- und Kreisvereinigun-gen, 61 Gesell schaften wie Gesellschaften mitbeschränkter Haftung (GmbHs), 15 Stiftungenund weitere Lebenshilfe-Organisationen.

    Vielfältig, umfassend, individuell und immernotwendig sind die Hilfen und Angebote derLebenshilfe in Bayern. Sie unterstützt, fördert undbegleitet über 40.000 Kinder, Jugendliche underwachsene Menschen mit Behinderung undderen Familien. Mit rund 900 Einrichtungen undFachdiensten bietet sie ein umfassendes Netzkompetenter Hilfe in ganz Bayern von der Geburtbis ins hohe Alter wie Frühförderung, Eltern-beratung und Familienentlastende Dienste,Kindergärten und Schulvorbereitende Einrichtun-gen,