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Mit Beiträgen von Patricia McFadden, Jimena Néspolo, Nkiru NzeGWu, Maria Lugones, Evert van der Zweerde, Benjamin Baumann und anderen
Interkulturelle und dekoloniale Perspektiven auf
feministisches Denken
polylogzeitschrift für interkulturelles philosophieren
432020
ISSN
1560
-632
5 I
SBN
978
-3-9
0198
9-42
-1 €
16,–
Gefördert vom Magistrat der stadt Wien poly
log.
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Nr.
43 (2
020)
SONDERDRUCK
7Patricia McFadden
Standpunkt: Sexuelle Selbstbestimmung als Recht der Frau
19Jimena Néspolo
Körper und Textualitäten Subjektivierungsformen und Praktiken des Widerstands gegen Gewalt gegen Frauen im heutigen Argentinien
35Nkiru Nzegwu
Ọkụ Extenders: Women, Sacrality, and Transformative Art
55Maria Lugones
Auf dem Weg zu einem dekolonialen Feminismus
77Evert van der Zweerde
Zwischen Mystik und PolitikKontinuität und Grundmuster im Denken Vladimir Solov’ëvs
101benjamin baumann
Same same but differentEine romantische Dekonstruktion des para-doxografischen Trends in den gegenwärtigen Thai Studien
131
Rezensionen
150 bestellen
152 Impressum
Tipps
polylog 43 | Seite 147
Tipp zu: Ryôsuke Ôhashi: Phänome-
nologie der Compassion. Pathos des
Mitseins mit den Anderen. Freiburg/
München: Verlag Karl Alber 2018.
Die »Compassion« zog im Laufe der Geschichte kaum die Aufmerksamkeit der Philosophie auf sich. Das wirkt einigermaßen überraschend, wenn wir bedenken, von welcher Bedeutung sie für die Geis-testradition ist: die »Com-passion« macht das Herz des Christentums aus, stellt die englische Version des mahayana-buddhisti-schen Terminus karuṇa dar und gleichermaßen eine
Bücher & medien:
polylog 43 | Seite 148
Möglichkeit, das arabische rahma zu übersetzen, das jedes Kapitel des Korans eröffnet. Ohashis Buch nimmt sich also vor, diesen Begriff zu entfalten, indem es ihn von seiner religiö-sen Bedeutung befreit und sich stattdessen einer phä-nomenologischen Analyse hingibt. Dementsprechend ist hier die Rede von der »Compassion« als Pathos des Mitseins mit den An-deren.
Man stellt sich aber die Frage, wer die Anderen überhaupt sind. Ohashi plädiert für eine Ausdeh-nung des Bedeutungsspek-trums. Es geht nämlich nicht nur um die persön-lichen Anderen, sondern auch um die Beziehung der Menschen mit dem imper-sonalen Anderen (den Din-gen), mit dem non-perso-nalen Anderen (dem Tod), mit dem umweltlich um-fassenden Anderen (dem Staat und seinen Instituti-onen) und, letztlich, auch mit dem hyper-personalen Anderen (dem Göttlichen). Die Anderen zu verstehen heißt hier, die Anderen mit
Rücksicht auf den Abgrund zwischen ihnen und mir zu verstehen, denn eben das macht den Kern der »Com-passion« aus (99).
Somit wird eine tief-greifende Perspektive des Begriffs geschaffen, die selbst für gegenwärtige Probleme durchaus re-levant sein könnte: denn denken wir, zum Beispiel, die Umwelt auf diese Wei-se als das Andere, so wer-den wir unmittelbar mit der Erwärmung der Erde konfrontiert. Weitere poli-tische, ethische oder philo-sophische Probleme folgen ebenso aus der Tatsache, dass man sich so die Fra-ge nach der »Compassion« stellt. Eine Auseinander-setzung mit ihr führt da-her zu einer Umwendung des Denkens (18). So geht es hier nicht nur um eine phänomenologische Theo-rie, sondern auch um eine essenzielle Lektüre in Hin-sicht auf Ethik-, Politik-, Erkenntnis- oder Gesell-schaftsfragen. Und indem sie den Ideenaustausch zwi-schen den Kulturen pflegt und wichtige Ansätze ver-
schiedener Herkunft mit einbezieht stellt Ohashis Phänomenologie der Compassi-on einen wertvollen Beitrag für den interkulturellen Dialog dar. Die Lektüre liefert ein komplexes Welt-bild, das für theoretische und praktische Fragestel-lungen der Philosophie höchst wertvoll sein kann.
Cristina Chiţu