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C H R O N I K der Ereignisse 1998 - 1999 Sammlung der Beiträge zum aktuellen Geschehen aus dem ANTIFA-INFO

C H R O N I K · seinen Parteichef Haider, dieser mache eine schwierige Phase durch und sei „zur Zeit nicht besonders motiviert. Umso mehr ist die Partei aufgerufen, ihn wieder

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C H R O N I K

der Ereignisse

1998 - 1999

Sammlung der Beiträge zum aktuellen Geschehen aus dem ANTIFA-INFO

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1998 Jänner 1998: Das Bundesdenkmalamt stellt die Welser ÖTB-Turnhalle unter Denkmalschutz, der Lan-deskonservator empört sich wegen der Übermalung des ÖTB-Hakenkreuzes, die 1996 im Auftrag des Hal-lenbesitzers erfolgte.

Begründung für diese Ansicht: Das Turnerhakenkreuz stamme aus der Vornazizeit. Das ist aber interes-sant! Wir wiederholen daher: im NEUEN BROCKHAUS vierbändige Ausgabe Leipzig 1937, steht unter "Ha-kenkreuz" u.a.: „ein Heilszeichen in Gestalt eines Kreuzes, dessen vier Arme (Haken) rechtwinkelig oder bogenförmig gestaltet sind, wodurch der Schein einer Bewegung erweckt wird.(...) In der Neuzeit wird das H. von antisemitischen und völkischen Verbänden als Sinnbild des Ariertums (der nordischen Rasse) verwendet.“ Daß die Turner somit laut authentischer Definition aus der NS-Zeit eine antisemitische und völkisch-arische Organisation waren, juckt den Herrn Konservator augescheinlich nicht. Er stellt sich auf den Standpunkt, daß ein Kennzeichen des Antisemitismus und extremen Deutschnationalismus ein schützenswertes Kulturgut ist. Wir gewähren einer solch unbeirrbaren Gesinnung ein tiefergebenes "Heil Hitler!"

2.Jänner 1998: Innenminister Schlögl verkündet eine Erfolgsbilanz: Im Jahre 1997 wurden 11.434 illegale Grenzgänger aufgegriffen, das sind um 31% mehr als 1996. Wozu hier wieder einmal betont werden muß: Wenn sich 1989 der damalige Außenminister Mock mit seiner Drahtschere nicht so wichtig getan hätte an der ordentlichen östlichen Grenzsicherung, der Innenminister müßte jetzt gar keine Bilanz ziehen!

3.Jänner 1998: Ein weiterer Innsbrucker FP-Gemeinderat tritt aus dem FPÖ-Klub aus. Von ursprünglich fünf Mandataren bleiben nur noch zwei.

In Kärnten gibt es sensationelle Troubles in der FPÖ: In Eberndorf, St.Kanzian und Sittersdorf gingen FPÖ-Gemeinderäte Allianzen mit Mandataren der slowenischen Minderheit ein. Der Hotelier und freiheitli-che Gemeindevorstand in St.Kanzian, Heinz Marolt sagt: „Wir leben vor Ort und suchen den Konsens mit der Minderheit. Wir wollen keine Ewiggestrigen sein. Die Landes-FP unterstützt die Olympischen Winter-spiele ohne Grenzen 2006. Wie soll Senza confini funktionieren, wenn wir nicht einmal bereit sind, auf Gemeindeebene Grenzen in den Köpfen zu beseitigen?“ Eine sehr gute Frage!

5.Jänner 1998: Beim Grazer Landesgendarmeriekommando langt eine scharfe Briefbombe ein. Die Bau-art weicht völlig von den bisherigen Briefbomben ab, ihre Sprengwirkung ist durch die Verwendung von Nitro-Penta wesentlich höher. Zuerst wird vermutet, der Sprengstoff stamme aus dem Ausland oder aus Heeresbeständen, dann klärt sich, daß Nitro-Penta auch aus Zündschnüren recyclet werden kann. Da es keine Bekennerbotschaften gibt, bleiben die Absichten, die mit der Bombe verbunden sind, im Dunkeln.

6.Jänner 1998: In Prag wird Miroslav Sladek, der Vorsitzende der rechtsextremistischen REPUBLIKANER wieder einmal verhaftet, er soll wegen Rassismus und Volksverhetzung vor Gericht gestellt werden. "Be-rühmt" wurde er durch seine Äußerung, man könne nur bedauern, 1945 zuwenig Deutsche totgeschlagen zu haben.

7.Jänner 1998: Haider steigt in die Slowenenhetze seines Klagenfurter Stadtrates Gassner ein, es sei schwer vorstellbar, daß Slowenien in die EU aufgenommen werde, wenn dort noch Gesetze existieren, die jeden Österreicher oder Deutschen für vogelfrei erklärten.

8.Jänner 1998: NEWS berichtet: Jörg Haiders Vater erhält die "Goldene Medaille für Verdienste um die Republik Österreich". Das bekannteste "Verdienst" von Haider sen. dürfte in der Teilnahme an einem hochverräterischen Überfall auf einen Grenzposten im Jahre 1934 während des Naziputsches bestanden haben.

Der österreichischen Ordensverteilzentrale: Unser ergebenes "Heil Hitler!"

8.Jänner 1998: In New York werden zwei Schiele-Bilder aus der Sammlung Leopold vorläufig als "Diebs-gut" beschlagnahmt.

9.Jänner 1998: Der Salzburger Polizeidirektor Karl Schweiger soll seines Amtes enthoben werden, ver-langt die FPÖ. Er habe einen der „fleißigsten und tüchtigsten Polizeibeamten überhaupt beruflich zur Schlachtung freigegeben“, gemeint sind damit Suspendierung und Hausdurchsuchung im Falle des FPÖ-Polizisten Paul W., der im Verdacht steht, Haider fleißig mit internen Polizeidaten versorgt zu haben.

10.Jänner 1998: SP-Klubobmann Kostelka sagt ein klares Wort zur NATO: „Die Position der SPÖ in der Frage eines NATO-Beitritts ist eindeutig und deckt sich mit jener, die zwei Drittel der Bevölkerung einneh-men: wir wollen der NATO nicht beitreten, und damit hat sich's. Es geht jetzt wohl darum, wie der Koaliti-onspartner damit fertig wird.“ Die Pro-NATO-Stimmen in der SPÖ (wie z.B. vom Renegaten Josef Cap, der bekanntlich seit seinem Engagement in der Friedensbewegung in den Achtzigerjahren einen Schwenk um

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180° vollführte) bezeichnet Kostelka als "Einzelmeinungen".

Wenn Euer Chronist an Josef Cap denkt, geistert ihm die Comic-Figur von Walter Moers "Das Kleine Arschloch" durch den Hinterkopf. Daher sei hier ernsthaft festgestellt, Cap ist kein kleines Arschloch.

11.Jänner 1998: Mit 18.000 Besuchern kann die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" in Graz erfolg-reich Bilanz ziehen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung habe nicht stattgefunden, es sei entweder dage-gen polemisiert oder dazu geschwiegen worden, meint Ausstellungsleiter Wolfgang Gulis. Außer dem Grazer Bürgermeister Stingl hat kein führender steirischer Politiker die Ausstellung besucht. In Rahmen-veranstaltungen mit 6.000 Besuchern wurde der Beginn einer Aufarbeitung der Vergangenheit versucht. „Wir sind in der Bewältigung unserer Geschichte erst am Anfang“, sagt dazu Gulis.

Man kann das Verhalten der Politiker gar nicht mehr als symptomatisch bezeichnen. Der Nationalsozialis-mus ist in Österreich einfach noch derart in der Bevölkerung verankert, daß es die Riesenmehrheit der Po-litiker entweder nicht wagt, eine nicht nationalsozialistische Meinung zu äußern oder selber im Geiste im-mer noch mitmarschiert. Diesen treuen Volksgenossen ein deutliches "Heil Hitler".

11.Jänner 1998: Beim FPÖ-Neujahrstreffen läßt Haider seiner Enttäuschung freien Lauf. 1997 waren die Erfolge nicht besonders üppig, speziell das Anti-Euro-Volksbegehren wurde zum Flop. Die Suche nach Schuldigen bringt an den Tag: laut Haider sind es geltungssüchtige und laxe Funktionäre, die den Schlendrian einreißen ließen und mehr Engagement zu zeigen hätten. Er wolle nur bleiben, wenn er „wie-der das Feuer der Begeisterung spüre“. So ein Bewegungsführer hat es schwer in der Kampfzeit! Wenn nicht bald die Machtergreifung gelingt, dann können die Funktionäre ihren Dreck alleine machen, jawoll!

12.Jänner 1998: Für bisher nicht entschädigte NS-Opfer in Osteuropa stellt die deutsche Bundesregie-rung 200 Millionen Mark bereit.

12.Jänner 1998: Laut Polizeidirektor Schweiger förderte die Hausdurchsuchung beim datenklauver-dächtigen Salzburger Polizisten u.a. auch einen abgenommenen Führerschein, einen sichergestellten Rei-sepaß, Vormerkkarten von Verwaltungsstrafverfahren und 50 Schuß Polizeimunition zutage. Zufolge einer Meldung im FALTER soll der Polizist auf der Adressenliste von Küssel gestanden sein.

12.Jänner 1998: Der Grazer Bürgermeister Alfred Stingl kündet in Zusammenarbeit mit dem Grazer Uni-versitätsprofessor Helmut Konrad die Gründung eines Komitees "Gegen das Vergessen - für Men-schenrechte und Demokratie" an. Die Wehrmachtsausstellung müsse im Geiste weitergetragen werden, Stingl habe „eine schreckliche Bilanz des politischen Bewußtseins ziehen und die Verharmlosung des schmerzvollsten Kapitels unserer Geschichte registrieren“ müssen. „Wovon die Ausstellungsorganisatoren berichtet haben, von bedenklichen Geschichtsbildern und antisemitischen Äußerungen habe ich in 50facher Ausfertigung an Briefen auf den Tisch bekommen oder in Anrufen erfahren müssen.“

Was werden dazu die Verschweiger, Verharmloser und Gesinnungstreuen sagen und tun? Darf denn das sein, daß sich ein österreichischer Politiker gegen den Nationalsozialismus engagiert? Wo doch unsere Väter, Mütter, Großväter und -mütter so für den Hitler waren (und allem Anschein nach immer noch sind)?

13.Jänner 1998: Kulturministerin Gehrer veranlaßt die Prüfung der Herkunft der Kunstwerke in den Muse-en, das Archivmaterial über Beschlagnahme, Sicherung, Bergung und Rückerstattung von Kunstwerken während und nach dem Zweiten Weltkrieg werde nunmehr offengelegt.

15.Jänner 1998: Via NEWS läßt Haider seinen FP-Abgeordneten ausrichten: Die FPÖ verzichte gerne auf Leute, die schlechte Stimmung machen, er könne sich durchaus vorstellen, daß sich die Partei in den nächsten Monaten von dem einen oder anderen Abgeordneten trenne.

16.Jänner 1998: Im STANDARD erscheint ein Beitrag über neu veröffentlichte sowjetische militärische Ge-heimdokumente aus der Zeit vor Kriegsbeginn. Die Generalstabsdirektiven an die Befehlshaber der westli-chen Militärbezirke vom 15.Mai 1941 ordneten an: Hauptaufgabe ist die Verteidigung der Grenze, bei günstigen Verhältnissen sollen aktive Truppen und Reserveeinheiten bereit sein, auf Befehl des Ober-kommandos die Aufmarschformation des Gegners zu zerschlagen und die Kampfhandlungen auf dessen Territorium verlegen. Der gültige strategische Plan (vom Herbst 1940) sah eine Gegenoffensive 30 Tage nach einem Angriff vor. Während des deutschen Aufmarsches vor dem sowjetischen Grenzgebiet, schlug der Generalstab einen Präventivschlag gegen die sich für einen Angriff entfaltende deutsche Wehrmacht vor. Da Mitte Mai 1941 nur deutsche Infanterie-, aber noch keine Panzereinheiten aufgestellt waren, hätte ein solcher Präventivschlag die Situation der ROTEN ARMEE deutlich verbessert. Als Generalstabschef Schukov Stalin diesen Vorschlag übermittelte, ließ ihm der Diktator die Drohung ausrichten, „er soll mir keine Schreiben an den Staatsanwalt überreichen.“ Stalin vertraute darauf, Hitler werde vor einem Sieg über England keinen Angriff gegen die UdSSR beginnen.

Damit dürften die in den letzten Jahren aufgetauchten Märchen aus Nazi- und Revisionistenkreisen, der Überfall auf die Sowjetunion sei ein Präventivkrieg gewesen, auch dokumentarisch widerlegt sein.

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16.Jänner 1998: In der Türkei werden die Islamfaschisten Erbakans, die sogenannte "Wohlfahrtspartei" vom Verfassungsgerichtshof verboten. Begründet wird das Verbot mit dem Verstoß gegen die strikte Trennung von Staat und Kirche.

16.Jänner 1998: Slowenien anerkennt die Existenz einer deutschsprachigen Volksgruppe auf seinem Staatsgebiet. Das ergeben Verhandlungen der Außenminister Schüssel und Frlec.

16.Jänner 1998: Haider ist beleidigt auf den KURIER, weil diese Zeitung mehrmals negativ über seinen Salzburger Daten-Polizisten berichtete, er verweigert der Zeitung die Fragebeantwortung. Darauf fragen ihn auch die anderen Journalisten nichts mehr.

16.Jänner 1998: Zu einem der in New York beschlagnahmten Schiele-Bilder kann belegt werden, daß die Erbfolge anders ablief als die Klageführer annehmen. Die Erbfolge des im KZ ermordeten Fritz Grünbaum (Doppelconferencepartner von Karl Farkas in den Dreißigerjahren) lief über die Frau Grünbaums und nicht über seine eigene Verwandtschaft, da Frau Grünbaum Alleinerbin war und ihren Mann überlebte (sie wur-de ein Jahr nach ihrem Mann ermordet).

16.Jänner 1998: In einem STANDARD-Beitrag schreibt Anton Pelinka über ein Beispiel wie noch immer die NS-Zeit bewältigt wird. Ein gewisser Anton Böhm ist vor kurzem verstorben. Dieser Böhm war in den Drei-ßigerjahren einer der glühendsten Nazis aus dem katholischen Lager, dem sein Parteigenosse, Naziminis-ter Seyss-Inquart, bescheinigte: „Wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der Katholiken Österreichs dem Anschluß freundlich gegenüberstand, so ist dies vor allem auf Böhms Arbeit zurückzuführen.“ Die PRESSE rief dem Böhm jetzt nach, er sei zukunftsträchtig wie irrend, kühn wie umstritten gewesen. Einer, der sich große Verdienste um den Nationalsozialismus erworben hat, der ist im Österreich des Jahres 1998 schlimmstenfalls ein umstrittener Irrender. Und sonst ein braver Anständiger.

17.Jänner 1998: Nach entsprechender Kritik wird die Gedenktafel am Judenplatz doch etwas christenkriti-scher formuliert werden 1 - es soll jetzt zu den mittelalterlichen Judenpogromen u.a. heißen: „Christliche Prediger dieser Zeit verbreiteten abergläubische judenfeindliche Vorstellungen und hetzten somit gegen die Juden und ihren Glauben.“

18.Jänner 1998: Das Verbot der türkischen Islamfaschisten ruft Kritik in westlichen Staaten hervor. An der türkischen Politik gibt es wahrlich genug zu kritisieren. Gerade in diesem Fall ist aber wohl das Verbot und nicht die Kritik daran gerechtfertigt, man erinnere sich nur an den Klerikalfaschismus in Österreich, der nicht nur Elend und Unterdrückung über das Land brachte, sondern vor allem auch die Stimmung für den Nationalsozialismus massiv aufbaute. Kampf dem religiösen Faschismus!

19.Jänner 1998: In einem PROFIL-Interview sagt der Kärntner LH-Stellvertreter Karl-Heinz Grasser über seinen Parteichef Haider, dieser mache eine schwierige Phase durch und sei „zur Zeit nicht besonders motiviert. Umso mehr ist die Partei aufgerufen, ihn wieder aufzubauen.“ Haider findet dies Äußerung unan-gebracht, Generalsekretär Westenthaler verlautbart, der Parteivorsitzende sei motiviert, „demotivierend wirken höchstens überflüssige Wortspenden aus den eigenen Reihen.“ Grasser beeilt sich darauf sofort, seine Äußerung zurückzunehmen und künftighin das Gegenteil zu behaupten.

20.Jänner 1998: Dem chilenischen Ex-Diktator Pinochet, der sich nach seinem Rücktritt eine Karriere als Militärkommandant und Senator festschreiben hatte lassen, droht jetzt trotzdem ein Prozeß wegen Völ-kermordes. Ein Gericht in Santiago ließ eine entsprechende Klage der Kommunistischen Partei zu. Nach dem Putsch von 1973 wurden zahllose Aktivisten der politischen Linken ermordet oder sind bis heute ver-schwunden. Der gewählte sozialistische Präsident Salvador Allende wurde erschossen.

20.Jänner 1998: Haider setzt sein kommendes Schwerpunktthema in Szene: NEIN zur Ost-Erweiterung der EU. Davon kann er sicherlich politisch einige Jahre leben. Er gibt auch bekannt, daß sein Rücktritts-versprechen (Drohung kann das ja keine sein!) absolut ernst meinte, er erwartet aber, daß sich die Partei am Riemen reißt, damit der Kapitän an Bord bleibt. Zur Bundespräsidentenwahl sei noch keine Entschei-dung gefallen, bei den nö. Landtagswahlen erwarte er ein gutes Abschneiden.

20.Jänner 1998: Der Kärntner FP-Chef erhält eine schwere Abreibung von seinem Führer. Er habe sich zu wenig gegen rot-schwarze Umarmungsversuche gewehrt.

21.Jänner 1998: Erfolgsbilanz von Jörg Haider. Im Jahre 1990 wurden in Österreich rund 20.000 Flücht-linge betreut, Ende 1997 waren es noch 655.

22.Jänner 1998: Von SFOR-Truppen wird Goran Jelisic festgenommen. Der "serbische Adolf" steht im

1 20.November 1997: Die katholische Kirche will auf Initiative von Erzbischof Schönborn am Wiener Judenplatz eine Gedenkta-fel zum mittelalterlichen Judenpogrom mit erzwungenem Massenselbstmord und 200 Verbrennungen (1420/21) anbringen. Darin soll der Satz stehen: „Heute wird sich die Christenheit ihrer Mitschuld an den Judenverfolgungen immer deutlicher bewußt und erkennt ihr Versagen“.

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Verdacht als Kommandant eines Gefangenenlagers für schwere Kriegsverbrechern verantwortlich zu sein.

22.Jänner 1998: Die Träger des Kreisky-Preises für Menschenrechte 1997: Der Schauspieler Otto Tausig, Willi Resetarits und das österreichische Netzwerk gegen Armut.

22.Jänner 1998: In einem STANDARD-Interview sagt FP-Klubchef Stadler, er glaube nicht, Haider werde die Drohung, sich eventuell in die Kärntner Landespolitik zurückziehen, wahr machen. Zu Grasser sagt er nur, er habe gehört, daß die Gefahr bestünde, Grasser lasse sich von Rot und Schwarz vereinnahmen.

22.Jänner 1998: In der Kronenzeitung: In den Wind gereimt

Der beste Führer bringt nichts weiter, wenn träge seine Mitarbeiter

Es treibt das MitteImaß der Menge selbst den Genialen in die Enge. So geht es auch dem Ritter Jörg.

Kommt er noch einmal übern Berg? WoIf Martin

Ja, wenn ihm der Martinek weiterhin so treu zur Seite steht, dann wird er schon über den Berg kommen, der Führer! Teile der restlichen Kronenzeitung schreiben ja heutzutage nimmer mit demselben Engage-ment wie früher für den Bewegungsführer!

So findet es das bisherige Haider-Leibblatt überhaupt nicht gut, daß der Bewegungsführer den ehemaligen SPÖ-Betriebsratsobmann im ORF, einen gewissen Doucha, als FPÖ-Vertreter in das ORF-Kuratorium entsenden will. Doucha hallt der Ruf nach, ein karrieresüchtiger Betriebskaiser der übelsten Art gewesen zu sein. Also eine Gestalt, wie sie die FPÖ bisher gerne angeprangert hatte.

22.Jänner 1998: Der FPÖ-Nationalrat Haupt sagt, in Kärnten sei eine Kurskorrektur gerechtfertigt gewe-sen, Grasser habe den einen oder anderen Punkt nicht richtig erkannt, man habe das klargestellt und er hätte das ordnungsgemäß korrigiert. Die Kärntner Landespartei sei drauf und dran gewesen sich durch Geschäftemacherei und Postenschacher rund um die Olympiabewerbung von ÖVP und SPÖ korrumpie-ren zu lassen. Haupt hofft, daß Haider nach Kärnten zurückkehre, weil das Land dringend einen Reforma-tor wie Haider als Landeshauptmann brauche.

22.Jänner 1998: Bei der Eröffnung einer Jagd- und Sportwaffenausstellung äußert Jörg Haider zur laufen-den Diskussion über die Einschränkung des privaten Waffenbesitzes, jeder zuverlässige Staatsbürger müsse das Recht haben, sich zu bewaffnen.

Schließlich standen seinerzeit die Anständigen auch alle unter Waffen.

23.Jänner 1998: Der italienische Staatspräsident begnadigt vier ehemalige österreichische Südtirol-Terroristen. Pardon, das heißt vier Südtirol-Aktivisten, wie die österreichische Sprachregelung vorschreibt.

23.Jänner 1998: In Prag spricht ein Gericht den Vorsitzenden der rechtsextremen Republikaner, Miroslav Sladek, vom Vorwurf der Volksverhetzung frei (siehe � 6.1.).

23.Jänner 1998: Zum fünften Jahrestag des Lichterfestes gegen die Ausländerfeindlichkeit zieht die Grü-ne Terezija Stoisits Bilanz: Die Bundesregierung habe die Forderungen von Haiders Antiausländervolks-begehren von 1993 fast vollständig erfüllt.

23.Jänner 1998: Die Redaktion der Satirezeitschrift SIMPLICISSISMUS erhält einen Brief der BAJUWARI-SCHEN BEFREIUNGSARMEE. Das Schreiben wendet sich an den SPIEGEL und ist eine Antwort auf einen Bei-trag von Helmut Zilk (siehe � 22.12.). Der Brief wird mit Skepsis aufgenommen, er enthält wörtliche Zitate aus früheren und in Medien veröffentlichten BBA-Schreiben, stilistisch wird versucht, die BBA-Sprache zu imitieren. Es dürfte sich um eine Fälschung handeln.

24.Jänner 1998: Nachdem sich die FPÖ-interne Auseinandersetzung um den Kärntner LH-Stellvertreter Grasser gelegt hat, gerät der nächste Funktionär ins Feuer. Klubobmann Strutz hatte Grasser bei Haider als „verlängerten Arm der Freimaurer“ angeschwärzt. Und Freimaurerei, das war schon seinerzeit bei den Anständigen was ganz Unverzeihliches!

25.Jänner 1998: Die Gemeinderatswahlen in Graz bringen ein gänzlich unerwartetes Resultat:

Partei %-1998 % -1993 Sitze 98 Sitze 93 SPÖ 30,6 34,7 18 21 FPÖ 27,1 20,1 16 12 ÖVP 23,0 26,1 13 15 KPÖ 7,9 4,2 4 2

Grüne 5,7 5,3 3 3

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LiF 2,7 nicht kand. 1 0 sonst. 3,0 5,8 1 3 Die Medien sind völlig perplex. Da wählen plötzlich ein paar tausend Leute links ! Ja, dürfen's denn das? Die KPÖ erreicht sogar einen Stadtrat, sie war in ihrer ganzen Geschichte in Graz niemals so erfolgreich gewesen. Rasch maßschneidert man aus dem KPÖ-Spitzenkandidaten Ernst Kaltenegger einen schrulli-gen Mieterschützer, der einer Partei angehört, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Wenn schließlich die Leute ihr Mißfallen über die neoliberalistische Wirtschaftsdiktatur nicht nur in Stimmen für Rechtspopulis-ten, sondern auch in Stimmen für Linksparteien auszudrücken beginnen, das könnte politisch lästig wer-den!

Daß die FPÖ zur zweitstärksten Partei wird, war zu erwarten gewesen und freut in alter Liebe besonders die Kronenzeitung, die feststellt, daß von einer FP-Krise wohl keine Rede mehr sein könne.

26.Jänner 1998: So motiviert Haider seine Politiker: Wenn die nö. FPÖ bei den Landtagswahlen am 22.März mehr als 20% erhält (+7,95%), dann will der Jörg dem nö. FP-Chef Gratzer einen Porsche schen-ken.

27.Jänner 1998: Die Gattin von US-Präsident Clinton bezeichnet die Kampagne um etwaige Sex-Ge-schichten ihres Angetrauten als rechtsreaktionäre Verschwörung, um die Resultate zweier Wahlen zunich-te zu machen.

27.Jänner 1998: Gegen den Ex-SSler Priebke 2 beginnt in Rom das Berufungsverfahren. Im Zuge weite-rer Erhebungen gerät ein österreichischer SS-Kollege von Priebke in Verdacht der Mittäterschaft. Gegen den jetzt 83jährigen Kärntner Wilhelm Sch. soll ermittelt werden.

27.Jänner 1998: Die deutsche Bundesregierung gedenkt der Befreiung des KZ Auschwitz. Der Leiter der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem, Yehuda Bauer, spricht vor dem deutschen Bundestag.

28.Jänner 1998: Der designierte KP-Stadtrat in Graz, Ernst Kaltenegger, schlägt vor, den Grazer Stadtse-nat zu verkleinern. Die KPÖ sei nicht angetreten, um hochbezahlte Posten zu ergattern. Da die Stadträte laut Statut immer eine ungerade Anzahl sein müssen, müßte neben der KPÖ auch die FPÖ bei einer Re-duzierung auf einen Sitz verzichten. Und schon stehen die angeblichen Privilegienbekämpfer in Unterho-sen da, sie sind zu einem Verzicht auf den mit 120.000 Schilling dotierten Posten keinesfalls bereit. Kalte-negger reibt ihnen noch genüßlich über den Rüssel, daß er dann von seinem Stadtratsbezug nur rund 20.000 netto für sich annehmen werden. Der STANDARD stellt dazu fest, daß die FPÖ mit ihrer 60.000-Schilling-Grenze daneben "ziemlich altparteiisch" ausschaue.

28.Jänner 1998: Die SchülerInnen der AHS in der Wiener Rahlgasse weigern sich, weiterhin in der Jahn-Turnhalle des ÖTB zu turnen. Die Halle trägt am Eingang die Aufschrift: „Dem Deutschen kann nur durch Deutsche geholfen werden, fremde Helfer bringen uns immer tiefer ins Verderben.“ Es ist eine Freude, zu hören, daß die Enkel der seinerzeitigen anständig Gesinnungstreuen nicht mehr auf dem rechten Weg sind. Der Stadtschulrat verspricht, sich um eine weniger vorbelastete Halle zu kümmern.

28.Jänner 1998: Ein Zwischenbericht einer Kommission über den anatomischen Atlas des Nazi-Arztes Pernkopf, den dieser in den Fünfzigerjahren fertigstellte, kommt zum Ergebnis, daß Pernkopf Euthanasie-Opfer für den Atlas verwendete.

29.Jänner 1998: Die ZEUGEN JEHOVAS legen ihre NS-Opfer-Bilanz vor. Von 25.000 Mitgliedern sind unge-fähr 10.000 inhaftiert worden, 2.000 landeten im KZ, von diesen starben 1.200, 250 davon wurden hinge-richtet. In Österreich gab es 145 Todesopfer unter den Zeugen. Sie starben mit derselben Begründung wie Jägerstätter, wegen Wehrdienstverweigerung. Es wäre langsam angebracht, diesen Opfern die Würdigung zukommen zu lassen, die die katholische Kirche für ihren Märtyrer Jägerstätter erhalten hat. Für den Schuleinsatz wurde ein Video "Standhaft - trotz Verfolgung, Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime" ges-taltet.

Letzte Jännerwoche 1998: Ein Symposium auf der Baumgartner Höhe in Wien beschäftigt sich mit dem Thema "Zur Geschichte der NS-Euthanasie in Wien". Dort gerät die Karriere des Psychiaters Hermann Gross wieder in den Blickpunkt. Gegen den „Mörder Gross“, wie ihn Gesundheitsstadtrat Rieder bezeich-net, wird weiter ermittelt. Nach 1945 hatte NS-treuen Elemente in der Justiz mittels verschiedener Kniffe eine rechtskräftige Verurteilung von Gross, der der SPÖ beitrat, verhindert.

30.Jänner 1998: Die Freiheitlichen Südtirols sind finanziell am Ende, selbst der Gerichtsvollzieher findet nichts mehr vor. Sie hatten den Verleumdungsprozeß gegen einen früheren sozialistischen Abgeordneten

2 22.Juli 1997: In Italien wird der SS-Offizier Priebke wegen der Beteiligung an den Massenmorden in den Ardeatinischen Höl-len am 24.3.1944 zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt.

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verloren, der die Partei als faschistoid und Haider als Deutschnationalen in brauner Soße bezeichnet hatte.

30.Jänner 1998: Mit einer Klage gegen die FPÖ reagiert ORF-Redakteur Stoppacher auf eine freiheitliche Inseratenkampagne, in welcher er als "enger Freund von SP-Geschäftsführer Rudas", der als "innenpoliti-scher Chef sein Unwesen treibt" bezeichnet wurde.

31.Jänner 1998: Die OÖNACHRICHTEN schildern folgendes Geschehen: Der Journalist Walter Kohl habe für sein Buch über die Massenmorde an Behinderten während der NS-Zeit in Hartheim ("Die Pyramiden von Hartheim") keinen Einblick in die Akten dazu im Landesarchiv erhalten.

Rudi Anschober von den Grünen fragte deshalb im Landtag bei LH Pühringer an. Peppi Pühringer ließ wissen, weil die Daten über psychisch Kranke zu den sensibelsten gehörten, betrage die Sperrfrist statt der sonst üblichen 30 hier 100 Jahre.

Zur Wehrmachtsausstellung sagte der LH seinerzeit, er sei dagegen, weil man keine Gräben zwischen den Generationen aufreißen wolle. Auch in dieser Frage handelt er so: Die Untaten der Mörder 3 von da-mals werden unter der niederträchtigen Ausrede, die Opfer zu schützen, behütet. Ausnahmen für die Ar-chivsperre gebe es nur für "qualifizierte Wissenschaftler", läßt uns der Landeshauptmann noch wissen. Was ist ein entsprechend qualifizierter Wissenschaftler? Offenbar niemand, der ein Buch über die Morde schreibt. Ein gepflegtes "Heil Hitler!" allen anständigen Beschützern einer ordentlichen Vergangenheit!

31.Jänner/2.Februar 1998: Im STANDARD beschäftigt sich ein zweiteiliger Artikel von Hans Rauscher mit den Forschungen des deutschen Historikers Christian Gerlach. Dieser hat mittels neu aufgefundener Do-kumente den Zeitpunkt nach dem 11.12.1941 (als Hitler den USA den Krieg erklärte) für Hitlers Anordnung des Holocaust festgelegt. Der abgewehrte Angriff auf Moskau, der Kriegszustand mit den USA dürften die Motive für die Entscheidung zum industriell organisierten Massenmord gewesen sein. Am 12.12. dürfte Hitler vor Reichs- und Gauleitern den Ermordungsbeschluß bekanntgegeben haben. SS-Chef Himmler no-tierte zu einer Besprechung mit Hitler am 18.12.1941: „Judenfrage: als Partisanen ausrotten“ . Am 20.1.42 wurde auf der berüchtigten Wannsee-Konferenz mit der Organisation des Holocaust begonnen.

1.Februar 1998: Die KRONENZEITUNG sieht sich bestätigt, laut Innenminister Schlögl sei der Stimmenrück-gang der SPÖ in Graz auf die Zunahme farbiger Asylanten in der Stadt zurückzuführen. Vielleicht sollte bei den nächsten Gemeinderatswahlen der KuKluxKlan kandidieren?

Schlögl ist der Meinung, man solle Zuwanderer und Asylanten nicht auf einige Bezirke konzentrieren.

1.Februar 1998: In Oberwart wird zum Gedenken der vier Opfer des Bombenterrors vom 4.2.1995 ein Mahnmal enthüllt.

2.Februar 1998: Nachdem Vermutungen auftauchten, die Behörden hätten gegen Franz Fuchs eigentlich keine Beweise über die Briefbombenserie, bestätigt die Grazer Staatsanwaltschaft das Vorhandensein ausreichender Materialien.

2.Februar 1998: In Wels beginnt der Prozeß gegen einen 17jährigen wegen des Brandanschlages vom 17.5.1997 gegen ein Ausländerwohnheim. Der Anschlag forderte ein Menschenleben. Der Beschuldigte ist nicht wegen Brandstiftung, sondern wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung angeklagt.

3.Februar 1998: FPÖ-Chef Haider fordert "lebenslänglich" für Kinderschänder.

3.Februar 1998: In Cavalese (Italien) sterben 20 Menschen, weil ein amerikanischer NATO-Pilot im Tief-flug mit seiner Maschine das Trageseil einer Seilbahn durchtrennt.

Daß Außenminister Schüssel auf einen noch schnelleren NATO-Beitritt Österreichs gedrängt haben soll, weil unser Land für NATO-Übungsflüge auch eine Menge Seilbahnseile zu bieten hätte, wurde bisher nicht bestätigt.

Anfang Februar 1998: Allerheiligen 1997 hatten Antifaschisten am Salzburger Friedhof einen Kranz „zum Gedenken an Deserteure, ermordet von der SS“ niedergelegt, einige der Teilnehmer an der Gedenkkund-gebung trugen Davidsterne. Die Polizei schritt dagegen ein.

In einem Schriftsatz der Polizeidirektion liest man nun dazu: Die Teilnehmer seien verdächtig „durch ihr besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung in ungerechtfertigter Weise gestört zu ha-ben“, im einzelnen wird vorgeworfen: „Behinderung von Gedenkfeiern im Bereich des Kriegerdenkmals, verbale Auseinandersetzungen mit Friedhofsbesuchern und provokante Verwendung von Davidsternen“. Die angeführten Gedenkfeiern, die angeblich behindert wurden, waren die Feiern der Waffen-SS.

Österreich heute: SS-Veteranen repräsentieren die öffentliche Ordnung, Davidsterne sind eine Provokati-on. Wenn wir dem zuständigen Polizeijuristen ein kräftiges "Heil Hitler!" übermittelten, würde er dies als

3 wahrscheinlich lauter anständige Väter und Großväter, die nur ihre Pflicht erfüllt haben

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Lob auffassen?

5.Februar 1998: Der Salzburger Polizeidirektor Karl Schweiger wird heuer selbst an den Kranzniederle-gungen zu Allerheiligen in Salzburg teilnehmen. Die Bezeichnung von Davidsternen als "provokant" be-zeichnet er als „nicht sehr intelligent formuliert“.

5.Februar 1998: Die Herkunft des zweiten in New York beschlagnahmten Schiele-Bildes ließ sich eben-falls lückenlos rekonstruieren.

6.Februar 1998: Die CDU legt dem deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vor, der die Einstellung al-ler staatlichen Leistungen für abgelehnte Asylwerber vorsieht.

6.Februar 1998: Im STANDARD räumt Peter Sichrovsky, Jude und freiheitlicher Europaabgeordneter mit diesem ewigen Antifaschismus auf. Erinnerung und Trauer werden bei ihm zu „eine(r) Privatangelegenheit für die Nachkommen der Toten“. Der Antifaschismus habe keine Moral, weil er sich „nur über einen Geg-ner definiert“. Als Alternative sieht er „das deliberative, das nicht hierarchisch organisierte, transversale Denken und Handeln, das auf demokratische Selbstverantwortung und Errichtung ziviler Beziehungsge-flechte zielt.“ Der Zeitungsleser versteht diesen Satz möglicherweise nicht gleich, kennt vielleicht nicht alle verwendeten Fremdwörter, er schaut im Lexikon nach und übersetzt: das überlegende, das nicht rangmä-ßig organisierte, querlaufende Denken und Handeln, das auf volksherrschaftliche Selbstverantwortung und Errichtung ziviler Beziehungsgeflechte zielt.

Vastehst?

Erste Februarhälfte 1998: Peinliche Preisverleihung in Innsbruck. Ein gewisser Helmuth Leisch sollte ein Literaturstipendium erhalten. Da erschien ein Leserbrief von ihm in einer Wochenzeitung: „Die Israeliten, die auch Österreich politisch und wirtschaftlich beherrschen, betrachten sich schon wieder einmal als die Herren der Welt“ Die Weltbeherrschung der Juden beweist sich darauf sofort praktisch (zumindest wird es dieser Leisch so sehen): Kein Stipendium für den 55-jährigen Gesinnungstreuen.

7.Februar 1998: Der STANDARD berichtet über das ehemalige KZ-Lager Aflenz. Der steirische SPÖ-Klubobmann im steirischen Landtag a.D., Franz Trampusch, der neben der Außenstelle des KZ Mauthau-sen aufwuchs, versucht seit langer Zeit die Ereignisse dort historisch aufarbeiten zu lassen. Seine Partei-freunde bedeuteten ihm, er solle sich lieber Zukunftsfragen widmen.

Erste Februarhälfte 1998: Schimanek junior stellt Antrag auf Freilassung (acht Jahre Haft wegen NS-Betätigung 1995), weil zwei der Geschworenen der Volksgruppe der Roma angehörten und nach dem O-berwarter Anschlag befangen gewesen sein könnten, seine Kreise nichts mit der Briefbombenserie zu tun hätten und andere Täter in gleich gelagerten Fällen geringere Strafen erhielten. Schimanek junior steht immer noch in Kontakt mit der "Hilfsorganisation für nationale Gefangene".

7.Februar 1998: Neue Erkenntnisse über die NS-Euthanasie in der Wiener Anstalt "Spiegelgrund" werden höchstwahrscheinlich zu einem Mordprozeß gegen Dr. Gross führen.

8.Februar 1998: Im Radio-Kabarett "Guglhupf" wird über die Flohmarkt-Vertragsverlängerung Bregartners für Rechtsaußen Reinthaler die Vermutung aufgestellt: Vielleicht kennt Bregartner von seinem Stammtisch her nur Rechtsextremisten.

Die Bundeskontrolle der SPÖ beschäftigt sich inzwischen wieder mit dem Welser Bürgermeister: Hat er die seinerzeitige Braune-Flecken-Vereinbarung eingehalten?

8.Februar 1998: Massive Proteste gegen einen Parteitag der rechtsextremen NPD gibt es Passau. Vor der für rechtsextreme Veranstaltungen berüchtigten Nibelungenhalle protestieren 2.000 Antifaschisten. Die NPDler versammeln sich unter massivsten Polizeischutz.

9.Februar 1998: Im STANDARD weist der Geschichtsdozent Christian Fleck an Hand der Wählerzahlen nach, daß für die Grazer SPÖ-Niederlage kein Zusammenhang mit Ausländerfeindlichkeit besteht: Die SPÖ hat 14.000 Stimmen verloren, die FPÖ gewann nur 1600 dazu, die KPÖ aber 2700 und das LiF als neue Liste 2800. D.h., daß maximal 11,5% der verlorenen SPÖ-Wähler zur ausländerfeindlichen FP ge-wechselt sein könnten.

9.Februar 1998: Als verfassungsgegnerischer Hetzer betätigt sich die Österreichische Offiziersgesell-schaft. Laut gültiger Verfassung ist Österreich neutral. Die Herren Offiziere legen nun eine Broschüre vor, in der sie apodiktisch den NATO-Beitritt fordern und verfassungskonforme Politiker als "unverantwortlich" bezeichnen.

9.Februar 1998 und danach: Laut Meinungsumfrage schwindet die Mehrheit für Klestil. Sie fiel von 62% im November auf 55% im Jänner. Seine Beamtenpension, die er nach Erhalt nicht beantragt haben will, wird die Wiederwahlbereitschaft weiter absenken, was Kandidaturüberlegungen der FP fördern könnte. Sollte bis zum Wahlanmeldeschluß Klestils Wahl im ersten Durchgang nicht mehr sicher sein, könnte so-

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gar Haider selbst die Bürde einer Kandidatur auf sich nehmen. Auch nach einem Gespräch Haiders mit Klestil fiel einstweilen noch keine Entscheidung über die FPÖ-Kandidatur. Der Bundespräsident erklärt ge-genüber der französischen Zeitung LE MONDE, es wäre falsch, Jörg Haider mit der extremen Rechten gleichzusetzen, „eine demokratisch gewählte Partei hat das Recht, entweder in der Oppostion oder in der Regierung an der Definition der Politik mitzuwirken.“

9.Februar 1998: Die FPÖ weitet sich aus, nach dem "KATHOLISCHEN KLUB" von Klubobmann Stadler zur Reorganisation des christlichen Abendlandes, nunmehr eine eigene Gewerkschaft (die am 1.5.98 tatsäch-lich gegründet werden soll). Die Vereinsmeldung einer FREIEN GEWERKSCHAFT ÖSTERREICHS durch FPÖ-Funktionäre wird nach zwei Rechtsgutachten des Innenministeriums jetzt doch genehmigt. Gleichzeitig wird bekannt, daß Gewerkschaftsgründer Reinhart Gaugg an Unternehmer Bettelbriefe zur Finanzierung der neuen "unabhängigen" Gewerkschaft ausgesandt hat. Früher, vor der Gründung des einheitlichen ÖGB, gab es von Unternehmern gesponserte Gewerkschaften, die man "gelbe Gewerkschaften" nannte. Aber im gegenständlichen Fall drängt sich auch die Vorstellungsverknüpfung auf, daß seinerzeit nach der Zerschlagung der Gewerkschaften im Mai 1933 die DEUTSCHE ARBEITSFRONT Unternehmer und Arbeiter in eine Organisation steckte, um eine „wirkliche Volks- und Leistungsgemeinschaft“ zu bilden.

11.Februar 1998: Der SPÖ-Bezirksleitung St. Veit an der Glan wird eine Briefbombenattrappe zugesandt.

12.Februar 1998: Nachdem in Salzburg die FP-internen Streitereien beilegt wurden, werden jetzt in Tirol die beiden verbliebenen Innsbrucker FP-Gemeinderäte von der Landesparteiführung aller Parteiämter ent-hoben und aus der Partei ausgeschlossen. Die ursprünglich fünf FP-Gemeinderäte hatten seinerzeit eine Vereinbarung unterzeichnet, in der sie sich der gegenseitigen Unterstützung, besonders auch gegen Par-teiobmann Haider (!!), versicherten. „Der Bundesparteiobmann selbst setzt sich über demokratisch gefaßte Beschlüsse und das Parteiprogramm hinweg, duldet keinerlei Kritik, versucht seine Kritiker mundtot zu machen und schreckt auch nicht davor zurück, rechtswidrige Enthebungen und Parteiausschlüsse zu ver-anlassen“, heißt es in der Abmachung. Der ausgeschlossene Stadtrat Federspiel will weiterhin als Touris-mus-Stadtrat tätig sein.

12.Februar 1998: Die USA fordern die osteuropäischen NATO-Beitritteswerber auf, die geplanten Militär-aktionen gegen den Irak zu unterstützen, obwohl nicht einmal für NATO-Mitglieder eine solche Verpflich-tung besteht.

14.Februar 1998: In Budapest veranstaltet die "Ungarische Nationale Front" eine Kundgebung „zu Ehren der Helden der Waffen-SS, die im Kampf gegen den Zion-Bolschewismus gefallen“ sind. Erwartet werden auch Nazi-Gruppen aus Österreich und Deutschland.

Erste Februarhälfte 1998: Zum Umgang mit der Vergangenheit in Salzburg stellen sich Fragen: Warum übernehmen der Salzburger Bürgermeister Dechant (ÖVP) und der Stadtrat Mitterndorfer (FPÖ) den Eh-renschutz der Ausstellung des Kameradschaftsbundes gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg"? Be-kommt der Kameradschaftsbund die Ausstellungsräumlichkeiten im Rathaus kostenlos? Warum lehnt der Landesschulratspräsident den Besuch von Schulklassen in der Ausstellung "Vernichtungskrieg" ab? Wieso wird also eine vom Alt-SSler Walther Groß gestaltete Ausstellung offiziell gewürdigt, eine NS-kritische aber verdammt? Allem Anschein nach achtet man in Salzburg die NS-Vergangenheit und verdammt die Kritik am Nationalsozialismus.

15.Februar 1998: In Tschechien werfen drei Skinheads eine Roma in die Elbe, die Mutter von sechs Kin-dern ertrinkt. Von den Sozialdemokraten wird ein Verbot der Skinheads gefordert. Die Gerichtsurteile bei rassistischen Straftaten fallen häufig sehr niedrig aus.

15.Februar 1998: Unser aller Lieblingsdichter reimt: „Wenn Peymann nächstes Jahr, gottlob, die "Burg" verläßt, sein Biotop, das er erfüllt mit Sumpfes Fäule, dann braucht es wohl noch eine Weile, bis daß die Bretter wieder blank und sich verzogen der Gestank des wahrlich penetranten Drecks, der Mühls, Turrinis, Jelineks.“ Ja, lieber Wolf Martin, früher, zu Zeiten unserer anständigen Eltern und Großeltern, da hat es solch entarteten Dreck am Theater nicht gegeben!

16.Februar 1998: Die österreichische Bevölkerung liest die KRONENZEITUNG nicht ordentlich! Laut einer Meinungsumfrage meinen 51% der Extremismus komme von rechts!

16.Februar 1998: Meinungsumfrageergebnis, welche Aufgaben soll die Regierung lösen: Weitaus am wichtigsten erscheint den Menschen, das was von der Regierung am wenigsten getan wird: Das Sichern der Arbeitsplätze.

17.Februar 1998: Ernst Jünger, der Schriftsteller des deutschen Herrenmenschentums, stirbt in 103. Le-bensjahr. Die bürgerliche Welt hatte ihm in seinen letzten Lebensjahrzehnten wieder zugejubelt. Seine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus war ihm verziehen worden, da er sich von diesem aus a-ristokratischer Überheblichkeit distanziert hatte.

19.Februar 1998: NEWS berichtet, der jetzige FP-Europa-Abgeordnete Peter Sichrovsky habe im Jahre

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1989 als Medienberater der Mühl-Kommune fungierte.

20.Februar 1998: Der Gemeinderat von Amstetten beschließt die Errichtung eines Denkmals für die er-mordeten und vertriebenen jüdischen Mitbürger der Stadt. Der Beschluß wird gegen die Stimmen der FPÖ und der ÖVP gefaßt. Die Schwarzen sind der Ansicht, es gebe schon genug Denkmäler. Was gibt es dafür von uns? Richtig, ein lautes "Heil Hitler!" allen anständigen Gesinnungstreuen!

20.Februar 1998: Der freiheitliche Oberkatholik Stadler freut sich sehr darüber, daß Bischof Krenn den Pfarrer Udo Fischer seines Amtes enthoben hat. Fischer habe um seine Enthebung „förmlich gebettelt“, Krenn habe unglaubliche Geduld gezeigt. Wochenlang erscheinen nach dieser Aussage in der KRONEN-ZEITUNG Leserbriefe gleichen Inhaltes. Was unter anderem die Rundfunk-Kabarett-Sendung DER GUGLHUPF dazu veranlaßt, Krenn als Betriebsseelsorger für die KRONENZEITUNG vorzuschlagen.

21.Februar 1998: Im STANDARD beginnt eine Serie, die sich mit dem österreichischen Vorgehen in Sachen geraubter Kunstwerke aus jüdischem Besitz beschäftigt. Häufig wurde in den Nachkriegsjahren die Aus-fuhr von rückerstatteten Kunstwerken von Schenkungen an staatliche Kunstsammlungen abhängig ge-macht.

23.Februar 1998: Meinungsumfrage zu den bevorstehenden nö. Landtagswahlen: ÖVP 42%, SPÖ 32%, FPÖ 14%, LiF 6%, Grüne 6%.

23.Februar 1998: Der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der APA, Heinz Altschul, gibt sein "Gol-denes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich" zurück, weil Haiders Vater, der als illega-ler Nazi und Angehöriger der hochverräterischen Österreichischen Legion aktiv „an der Untergrabung der damals noch unabhängigen Republik Österreich“ mitgewirkt habe, mit einem österreichischen Orden aus-gezeichnet wurde, obwohl er niemals öffentlich „von seiner damaligen politischen Einstellung“ Abstand ge-nommen habe. Dem Sozialministerium ist diese Kritik egal, gegen die Auszeichnung Haiders hätten keine Bedenken bestanden. Heil Hitler.

24.Februar 1998: Die SPÖ legt sich endlich fest: Kein NATO-Beitritt unter den gegebenen Umständen.

25.Februar 1998: Die geplante Kandidatur der evangelischen Bischöfin Gertraud Knoll bei der Bundes-präsidentenwahl veranlaßt Günter Traxler im STANDARD zu Vorschlag eines weiteren Kandidaten: Kurt Krenn. „Wenn er kandidiert, müßte Krenn sich natürlich, schon um der Chancengleichheit mit Frau Knoll herzustellen, unter Verzicht auf seine Bezüge von seinem St.Pöltner Bischofsamt karenzieren lassen. Al-lein das würde seine Beliebtheit enorm steigen lassen. Die Aussicht, daß er im Fall seiner Wahl auf sein Kirchenamt verzichtet, sichert ihm die Stimmen von gut 90% aller aktiven Katholiken, ein Wert, den Tho-mas Klestil auch dann nicht erreichen dürfte, wenn Krenn nicht kandidiert. Mindestens 6000 Unterstüt-zungsunterschriften kämen allein aus der Gemeinde Paudorf und Umgebung. (...) Endlich wäre Jörg Hai-der sein Dilemma los: er hätte einen Kandidaten, der seine Auffassung von Autorität teilt und sich darin angenehm von etlichen seiner Funktionäre unterscheidet. (..) Die SPÖ wäre den Alpdruck los, sich mit der FPÖ in Thomas Klestil teilen zu müssen, und die "Krone" dürfte hoffen, zum ersten Mal einen ihrer Kolum-nisten in der Hofburg unterzubringen. Womit der Wahlkampf wohl gelaufen wäre. Nur wie Dichand das seinem Ombudsman beibringt, wäre noch spannend. Vielleicht gibt er ihm die Kolumne "500 Zeilen mit Zilk".

25.Februar 1998: Haider hält in Ried im Innkreis wieder seine Aschermittwochkundgebung ab. Diesmal hat es ihm Gertraud Knoll angetan, sie sei eine der übelsten Ausgrenzerinnen der FPÖ, ihr Programm sei der Haß gegen die FPÖ, sie sei die Heide Schmidt im Priestergewand. „Knollenblätterpilze brauchen wir nicht!“ Klestil erhält Lob, weil er die FPÖ als gleichberechtigten demokratischen Partner anerkannt habe. Sonst unterhält er die Bierzeltseligen mit entsprechenden Witzen: Die Regierung sehe aus wie eine Blue Jean, die Nieten sitzen überall an den entscheidenden Stellen.

26.Februar 1998: Der amerikanische Nazi-Führer Gary Lauck wird nicht vorzeitig aus der Haft entlassen. Er muß die vier Jahre absitzen, zu denen er 1996 in der BRD wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß und Verbreitung von Nazi-Propaganda verurteilt wurde. Lauck hatte aus den USA (wo die NSDAP nicht verboten ist) seit vielen Jahren mit seiner NSDAP-AUSLANDS- UND AUFBAUORGANISATION Na-zimaterial in alle Welt verbreitet, auf einer Europatournee war er in Dänemark verhaftet und an die BRD ausgeliefert worden.

26.Februar 1998: Das Parlament ratifiziert einstimmig das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten.

27.Februar 1998: In einem Interview im STANDARD sagt der britische Historiker Tony Judt zur den laufen-den Versuchungen der Rechten, zur eigenen Entlastung Nationalsozialismus und Kommunismus gegenzu-rechnen: „Wenn man den Blick auf die gelebte Erfahrung der Betroffenen richtet, wäre es obszön, eine Un-terscheidung zwischen Kommunismus und Faschismus zu treffen. Dennoch gibt es einen elementaren Un-terschied zwischen einem System, das, so grotesk immer es gewesen sein mag, Leute ermordet und aus-

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gerottet hat, um seine Projekte durchzusetzen, und einem System, dessen Projekt es war, Leute zu er-morden und auszurotten.“

27.Februar 1998: Alfred Hrdlicka feiert seinen 70. Geburtstag. Wir wünschen dem immer aktiven Antifa-schisten alles Gute!

27.Februar 1998: In Wels wird ein 17jähriger Lehrling wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren, davon vier Jahre bedingt, verurteilt. Er hatte im Mai 1997 ein Auslän-derwohnheim in Brand gesetzt, wodurch ein Mazedonier ums Leben kam. Die Welser Polizei hatte damals alles daran gesetzt, vor der Öffentlichkeit den rechtsextremistischen Hintergrund der Tat zu verheimlichen.

Die Grünen stellen dazu jetzt eine Anfrage an den Innenminister.

Zu hinterfragen wäre auch das Strafausmaß für den verurteilten Skinhead. Wenn NS-Wiederbetätiger wie Küssel und Schimanek langjährige Haftstrafen für NS-Gesinnungstaten (NS-Material verbreiten, NS-Organisationen bilden usw.) bekommen, dann sind wohl zwei Jahre unbedingt für Brandstiftung mit To-desopfer absolut lächerlich.

Ende Februar 1998: Auf einem Kongreß tschechischer Roma wird die Forderung erhoben, mehr Roma in den Polizeidienst aufzunehmen.

Februar 1998: In einer Zeitschrift für altsprachlichen Unterricht wird auf Latein ein satirischer Text veröf-fentlicht, in dem korinthische Krokodile in die Karawanken einfallen und dort den Braunbärenbestand de-zimieren. Für den FPÖ-Abgeordneten Haupt ein Grund, wutschnaubend eine Anfrage an die Unterrichts-ministerin zu richten.

Anfang März 1998: In Indien siegt bei den Parlamentswahlen die rechtsextreme Hindu-Partei BJP, ohne aber die absolute Mehrheit zu erreichen.

1,März 1998: Landtagswahlen in Niedersachsen. Die SPD erhält 47,9% (44,3), die CDU 35,9 (35,4), die Grünen bekommen 7% (7,4) und die FDP verfehlt mit 4,9 (4,4) die 5%-Klausel knapp. Der SPD-Spitzenkandidat Schröder qualifiziert sich mit diesem Wahlerfolg zum Kanzlerkandidaten der deutschen Sozialdemokraten für die nächste Bundestagswahl.

2.März 1998: Nach dem Untersuchungsbericht der Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages sind rechtsextremistische Vorfälle in der deutschen Bundeswehr von 44 im Jahre 1996 auf 177 im Jahre 1997 gestiegen. Angekreidet wird der Bundeswehrführung, daß „die gebotene Distanz zur deutschen Wehr-macht“ nicht immer und überall eingehalten werde.

3.März 1998: In einem STANDARD-Interview bezeichnet der steirische ÖVP-Landesrat Hirschmann die FPÖ als „durchaus regierungsfähig“.

Das Dilemma liegt hierzu nicht bei der ÖVP, die sich die Option VP/FP immer offenhalten wird, sondern bei der SPÖ, die nach wie vor kaum Anstrengungen unternimmt, ihre Stammwählerschaft entsprechend zu betreuen. Die zur FPÖ abgewanderten Arbeiter ließen sich relativ leicht zurückholen, wenn man sich nicht darauf kaprizierte, die bessere Partei für das Großkapital sein zu wollen. Mit dem Verstoßen der Ar-beiterklasse verhindert die SPÖ aber auch die Möglichkeit einer Ampelkoalition und bleibt notgedrungen den Taktiken der ÖVP ausgeliefert.

5.März 1998: In Toulouse demonstrieren 15.000 Menschen gegen die rechtsextremistische FRONT NATIO-NAL Le Pens.

6.März 1998: Ein Spaß der besonderen Art: Bela Rabelbauer, bekannt durch seine verunglückte Mil-lionenspende an die ÖVP und diverse Strafprozesse wegen Betrugs, erklärt seine Absicht, sich um das Amt des Bundespräsidenten zu bewerben. Als weltanschaulichen Hintergrund präsentiert er seine konser-vativ-katholische Gesinnung. Altkardinal Groër soll ihn unterstützen.

6.März 1998: Zum 150-Jahr-Jubiläum der Revolution 1848 erklärt Jörg Haider die FPÖ als direkte Fortfüh-rung der damaligen Revolution und sieht sich heute von Metternich umzingelt. Parteifreund Scheibner ver-gleicht Haider mit dem Bauernbefreier Hans Kudlich.

7.März 1998: Urteil des Berufungsgerichtes in Rom im Verfahren über das Massaker in den Ardeatini-schen Höhlen im Jahre 1944: Die Angeklagten Ex-SSler Priebke und Hass werden beide zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Anwälte der Verurteilten kündigen Berufung an.

8.März 1998: Wahlen in die Landwirtschaftskammern in Wien und im Burgenland. In Wien erreicht der ÖVP-Bauernbund 14 (bisher 16) Mandate, der SPÖ-Arbeitsbauernbund 5 (3) Mandate und die freiheit-lichen Bauern bekommen 1 (1) Sitz . Im Burgenland erzielt der Bauernbund 22 (21) Sitze, der Arbeitsbau-ernbund 7 (7), die Freiheitlichen 2 (1) Mandat, Verlierer der burgenländischen Wahl ist die "Notwehrge-meinschaft" des Rechtsextremisten Robert Dürr, die zwei ihrer drei Sitze einbüßt.

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10.März 1998: Der ehemalige Diktator und Massenmörder Pinochet wird auf Lebenszeit zum chilenischen Senator bestellt. Mit dieser Konstruktion hatte sich der Faschist vor seinem seinerzeitigen Rücktritt einen straflosen Lebensabend gesichert. 1973 hatte Pinochet als Militärchef mit US-Unterstützung gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende geputscht.

10.März 1998: Aussendung der KATHOLISCHEN AKTION zum Jahrestag des "Anschlusses": „Wir erinnern daran, daß viele Österreicher den neuen Herren zujubelten. Wir erinnern daran, daß andere Landsleute zu Hause blieben und nicht der Verführung nationalsozialistischer Verheißung erlagen. Wir erinnern daran, daß es auch in Österreich Gerechte gab, wenn auch nur wenige.“ Vor allem gelte es, der Menschen zu gedenken, die dem NS-Terror zum Opfer fielen, insbesondere der Juden, die nicht nur dem Terror der Machthaber, sondern auch dem Terror von Teilen der österreichischen Bevölkerung ausgesetzt waren. Für die Bewältigung der Zukunft sei „die Erinnerung und das Annehmen der Last der Geschichte“ notwen-dig.

Wozu man gleich fragen kann: Wo bleibt die Erinnerung an die Last der schleimigen Anbiederung der Bi-schof an die Hitlerei, wo bleibt eine Auseinandersetzung der katholischen Organisationen mit ihrer Mitver-antwortung für die klerikalfaschistische Diktatur, die wesentlich dazu beitrug, daß der Nationalsozialismus seine Österreichbesetzung zu einem selbst von Hitler nicht erwarteten Triumph machen konnte, wo bleibt die Auseinandersetzung mit der Fluchthilfe für Kriegsverbrecher via Vatikan 1945?

10.März 1998: Voll in die Vergangenheitsbewältigung greift die Vorarlberger Landesregierung: Für ehema-lige ukrainische Zwangsarbeiter (Ill-Werke) wird es keine Entschädigungen geben, die Beteiligung an der Renovierung zweier ukrainischer Altersheime in denen auch ehemalige Zwangsarbeiter untergebracht sind, wird verweigert.

10.März 1998: In Bad Radkersburg bleibt die Tafel, die „dem Führer, der uns ward“ gedenkt und befiehlt „seid deutsch“ ohne kommentierenden Zusatz. Die Inschriften wurden 1929 angebracht und sollen sich auf den Bürgermeister nach dem Ersten Weltkrieg beziehen, der die Untersteiermark bei den Verhandlungen in Saint Germain vertreten hatte. ÖVP und FPÖ halten einen entsprechenden Hinweis für überflüssig.

Erste Märzhälfte 1998: Der Kameradschaftsbund in Salzburg gibt seine Mitgliederadressen an die KRO-NENZEITUNG weiter, die die "lieben Kameraden" anschreibt und ihr Blatt wegen seiner ka-meradenfreundlichen Blattlinie anpreist.

Wenn man so fanatisch für die Hitler-Wehrmacht ist, dann soll sich das auch rechnen, oder?

Erste Märzhälfte 1998: Der Journalist Hans Pretterebner muß laut Gerichtsurteil 50.000 Schilling an einen Verwandten der Opfer des Oberwarter Anschlages bezahlen, weil er behauptet hatte, dieser habe die At-tentäter begünstigt.

12.März 1998: NEWS berichtet, daß nach einer Zeugenaussage der mutmaßliche Briefbombenattentäter Franz Fuchs während seiner Teilnahme an Geschichtsvorlesungen an der Grazer Uni im Sommersemes-ter 1997 über die Geschichte der Bajuwaren in Begleitung eines anderen Mannes gekommen und gegan-gen sei.

12.März 1998: Im Neuen Rathaus in Linz wird eine Ausstellung zum 60. Jahrestag des Einmarsches deut-scher Truppen und des "Anschlusses" Österreichs an Hitlerdeutschland eröffnet. Am Linzer Hauptplatz gedenken die Zeugen Jehovas ihrer wegen Wehrdienstverweigerung von den Nazis inhaftierten und er-mordeten Mitglieder.

12.März 1998: Bundespräsident Klestil zum Anschluß der Ostmark an das Deutsche Reich vor sechzig Jahren: „An diesem Tag wurde, leider auch vielfach von Jubel und falschen Hoffnungen begleitet, eine La-wine des Leidens losgetreten, die bruchlos zu einer der größten Tragödien der Weltgeschichte überleitete: Zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust des Jüdischen Volkes.“

Was soll heißen "auch vielfach von Jubel begleitet"? War es nicht so, daß es zwar auch Nicht-Jubler gab, in der Regel aber gejubelt wurde? War nicht die Mehrheit der Menschen dieses Landes so begeistert vom Nationalsozialismus, daß die NSDAP alsbald eine Aufnahmesperre verfügen mußte und die Ausschreitun-gen gegen Juden und politische Gegner kaum zu bremsen waren?

Vergessen wir am besten das Herumgestotter der Politiker um den auch nach 60 Jahren noch heißen Brei. Die Mehrheit der Österreicher war 1938 für den Nationalsozialismus, ein sehr beträchtlicher Teil ist heute noch zumindest unkritisch dazu eingestellt. Gegenwärtig wird immer noch so getan, als wäre die NS-Herrschaft eine Diktatur über alle gewesen - die authentischen Dokumente 4 des SS-Spitzeldienstes belegen eindeutig: Der Nationalsozialismus war eine Diktatur über eine antifaschistische Minderheit.

12.März 1998: Die KPÖ-Zeitung VOLKSSTIMME hält es für angebracht, einen von einem gewissen Stefan 4 siehe ANTIFA-INFO-Serie "Meldungen aus dem Reich"!

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Broniowski verfaßten Artikel zu veröffentlichen, in dem Alfred Hrdlicka heruntergemacht wird. Wie schon seinerzeit zur Attacke von Hrdlicka auf Biermann glaubt man anscheinend, man müsse als Zeichen libera-ler Meinungsvielfalt fallweise die Kronenzeitung überholen.

15.März 1998: Gemeinderatswahlen in Tirol (außer Innsbruck). Alle Parteien scheinen dazugewonnen ha-ben, was aber auch im Lichte der umstrittenen Zuordnung diverser Namenslisten zu sehen ist. Die FPÖ erhöht ihre GR-Sitze von 114 auf 225, die Grünen steigen von 26 auf 33.

15.März 1998: Vor sechzig Jahren verkündete Adolf Hitler am Wiener Heldenplatz: „Ich kann somit in die-ser Stunde dem deutschen Volk die größte Vollzugsmeldung meines Lebens abstatten. Als der Führer und Kanzler der deutschen Nation und des Reiches melde ich vor der Geschichte nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich.“ Hitler war von der Begeisterung der österreichischen Bevölkerung selbst überrascht worden, er hatte nicht mit einer derart überwältigenden Zustimmung gerechnet.

15.März 1998: Bei den französischen Regionalwahlen gewinnt das linke Wahlbündnis deutlich hinzu, die bisherigen rechten Mehrheiten bröckeln ab, die Nationalisten gewinnen geringfügig.

15.März 1998: In Riga veranstalten ehemalige lettische SSler Gedenkfeiern. Neben zwei Divisionen der Waffen-SS gab es lettische Freiwillige in SS-Polizeibataillonen, die sich mit besonderer Brutalität an den deutschen Massenmorden beteiligten.

15.März 1998: Fernsehfilm "Der Opernball" nach dem Roman von Josef Haslinger. Rechtsextremisten verüben Anschlag auf Opernball, tausende Tote. Der Anfang des Films wirkt überzeugend, der Rest ist absoluter Schmonzes. Ein "Führer" einer rechtsextremen Kleingruppe, wie er im Film dargestellt wird, wür-de niemanden auch nur zum Fenstereinschmeißen motivieren können, die dazu noch präsentierten staatsverschwörerischen "Hintergründe" waren derart hanebüchen, daß man eigentlich dem Autor das Buch um die Ohren schlagen müßte. Antifaschistische Filme gibt es nie zu viele! Aber bitte nicht so! Von so einem Schmarrn hat niemand was!

März 1998: In Villach sollte der Enkel eines von den Nazis als "entarteter Künstler" verfolgten Malers einen Saal gestalten. Die FPÖ und die Kärntner KRONEN ZEITUNG verhindern einstweilen, daß der "Fäkalien-künstler" 5 Cornelius Kolig den Auftrag bekommt. Heil Hitler!

16.März 1998: Der Vatikan veröffentlicht ein Dokument zum Holocaust. Wie nicht anders zu erwarten wird darin die stillschweigende Duldung des Völkermordes durch Papst Pius XII. nicht kritisiert, ebensowenig findet die massive Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher im Jahre 1945 Erwähnung. Man bedauert bloß tief, „daß das Schweigen den Holocaust begünstigt“ habe, den jahrhundertelangen christlichen Antisemitismus sieht man nicht als Grundlage für den rassistischen Antisemitismus. Von jüdischer Seite wird der Text als "zu allgemein" kritisiert.

16.März 1998: Laut Meinungsumfrage sind 54% der Österreicher gegen und nur 28% für einen NATO-Beitritt.

16.März 1998: Sendung in Ö1: Eine Deutsche versucht, die Überreste ihrer autistischen Schwester, die in der Nazi-Zeit in Wien in der Klinik "Am Spiegelgrund" ermordet und deren Gehirn konserviert wurde, zur Beerdigung freizubekommen. Jahrelang mußte sie unter Einschaltung des Gesundheitsministeriums, des Bundeskanzlers, des Bundespräsidenten darum kämpfen. Schließlich gelangt es ihr. Konservierte Körper-teile weiterer 400 Opfer harren in Wien weiterhin ihrer Beisetzung und der mutmaßliche Mörder Gross war-tet fast 60 Jahre nach den Taten auf seinen Prozeß. Heil Hitler, liebes Österreich!

18.März 1998: Haider gibt seine Unterstützung für die Kandidatur Klestils bekannt. Da die aktuelle Sachla-ge vermuten läßt, daß Klestil im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen wird, kann sich Haider eine eigene Kandidatur, die dann wahrscheinlich hinter dem Stimmenanteil von Gertraud Knoll liegen wür-de, ersparen. Klestil wird durch diese Wahlempfehlung sicherlich Stimmenverluste erleiden, da ihn die meisten Haider-Wähler wohl auch so gewählt hätten, Haider-Gegner dies aber jetzt eher nicht tun werden. Im einen Interview für NEWS hatte Haider schon vor der Abstimmung im FP-Parteivorstand gewußt, daß der Beschluß einstimmig ausfallen wird.

22.März 1998: Landtagswahlen in Niederösterreich.

LTW 93 NRW 95 LTW 98 ÖVP 412.730 335.223 405.000 SPÖ 316.516 368.884 274.644 FPÖ 112.433 167.935 145.350

Grüne 29.598 36.244 40.486 LiF 47.773 49.387 19.219

5 zeitgemäßer Ausdruck für "entartet"

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Liste Wagner n.kand. n.kand. 7.053 KPÖ 2.170 1.785 5.805

Bürgerl.GrüneÖ 11.242 n.kand. 5.197 Die Liberalen scheitern an der 4%-Klausel, die SPÖ verliert zwei Mandate an die FPÖ, die Grünen ziehen mit zwei Sitzen in den Landtag ein. Ob in Niederösterreich auch farbige Asylanten für die SP-Niederlage verantwortlich sind? Man müßte den Innenminister 6 fragen!

Haider hatte dem freiheitlichen Spitzenkandidaten Gratzer einen Porsche versprochen, wenn er 20% er-reicht. Mit 16% (plus 4%) geht es sich für den Porsche nicht aus.

24.März 1998: Haider präsentiert den konservativen amerikanischen farbigen Bürgerrechtler Roy Innis, dem er einreden konnte, die FPÖ sei in Österreich sowas wie eine Bürgerrechtspartei.

24.März 1998: Erst jetzt wird bekannt, daß sich am 15.3. ein Somalier, dem die Abschiebung drohte, in Graz erhängt hatte.

24.März 1998: Die Wiener Philharmoniker geben ihre Absicht bekannt, am 7.5.2000 im ehemaligen KZ Mauthausen anläßlich der Befreiungsfeier ein Beethovenkonzert zu spielen.

24.März 1998: Das argentinische Parlament hebt das Amnestiegesetz auf, daß die Verbrechen der Mili-tärdiktatur von 1976 - 1983 straffrei stellte.

25.März 1998: Zu den Kärntner Ulrichsbergfeiern wird die Bildung eines "Runden Tisches" bekanntgege-ben. Traditionsverbände der Naziwehrmacht, die Ulrichsberggemeinschaft, Opferverbände, Slowenenor-ganisationen und der Kärntner Heimatdienst sollen dort über eine gemeinsame Gedenkfeier verhandeln. Prof. Peter Gstettner vom MAUTHAUSEN-AKTIV KÄRNTEN/KOROŠKA ist wohl mit Recht skeptisch.

25.März 1998: Die Ermittlungen gegen den der Briefbombenattentate verdächtigen Franz Fuchs stehen vor dem Abschluß, allerdings fehlen noch eine Reihe von Gutachten. Nach wie vor liegt kein Geständnis zu einzelnen Tatbeständen vor, da sich Fuchs hinter der "Bajuwarische Befreiungsarmee" versteckt. Der Prozeßbeginn ist für Oktober geplant.

26.März 1998: Die Schweizer Banken erklären sich nach amerikanischen Sanktionsdrohungen bereit, Entschädigungen für die einbehaltenen Guthaben auf den "nachrichtenlosen Konten" ermordeter Juden zu leisten.

26.März 1998: NEWS berichtet, daß die Witwe des ehemaligen NDP-Führers Norbert Burger mehrere Mil-lionen an eine deutsche Stiftung zurücküberweisen muß, die Burger als "Berater" der Stiftung für die Nazi-Szene zweckentfremdete.

27.März 1998: Im deutschen Bundestag geht ein Gesetz in Beratung, mit dem alle NS-Unrechtsurteile aufgehoben werden sollen. Die Zahl der aufrechten politischen Gerichtsurteile der NS-Zeit wird auf 190.000 geschätzt.

29.März 1998: Zu Ehren der Opfer des "Südostwalls", eine von Zwangsarbeitern, politischen und jüdi-schen KZ-Häftlingen im südlichen Burgenland unter riesigen Opfern errichtete Verteidigungsanlage der Wehrmacht, findet in Rechnitz eine Gedenkveranstaltung statt.

Auf Rechnitz lastet ein besonderer Makel: Dort haben am 24.3.1945 die NS-Honoratioren ein Fest ver-anstaltet, dieses zwischendurch rasch verlassen und 180 kranke jüdische Zwangsarbeiter erschossen und dann weitergesoffen. Als nach dem Krieg deswegen Ermittlungen eingeleitet wurden und sich ein Ortsbe-wohner bereit erklärte, über die Mordbeteiligten auszusagen, wurde er ebenfalls umgebracht und sein Haus niedergebrannt. Den Behörden wurde dann ein zweiter Zeuge bekannt, eines der Opfer des Massa-kers hatte überlebt und sollte nun die Mörder identifizieren. Auf der Fahrt zur Aussage wurde auch er er-schossen. Bis heute schweigen alle Mitwisser im Dorf.

29.März 1998: Der Wiener FP-Obmann Pawkowicz stirbt an einem Gehirntumor. Zuletzt hatte der deutschnationale Burschenschaftler mit Stadler und Haider Meinungsverschiedenheiten über die neue christliche Linie der FPÖ.

30.März 1998: Die Kronen Zeitung muß ein Gerichtsurteil veröffentlichen: Am 8.5.95 hatten vier Krone-Schreiber in einem Artikel behauptet "Linksradikale rüsten gefährlich auf" und damit u.a. Wiener Homose-xuellen-Funktionäre verleumdet. Das Quartett wurde nun dafür zu Geldstrafen verurteilt.

31.März 1998: Das hat zwar nicht mit unserer Thematik zu tun, aber der Rücktritt von Gerhard Zeiler als ORF-Chef verdient eine Erwähnung. Aus dem SPÖ-Lager kommend, hat er sich in seiner Funktion nur da-

6 1.Februar 1998 1998: Die KRONEN ZEITUNG sieht sich bestätigt, laut Innenminister Schlögl sei der Stimmenrückgang der SPÖ in Graz auf die Zunahme farbiger Asylanten in der Stadt zurückzuführen.

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für eingesetzt, aus dem ORF einen Kommerzsender zu machen. Sein Motto war: Statt Programme für die Zuschauer, Zuschauer für die Werbeeinschaltungen. Es ist beschämend, wenn der "linken" Landeshälfte solche überdrüber Kapitalismusfanatiker entspringen!

Ab zweite Märzhälfte 1998: In der KRONEN ZEITUNG wird auf Weisung Dichands die Bundespräsident-schaftskandidatur von Getraud Knolls wohlwollend abgehandelt.

Zweite Märzhälfte 1998: Von Schweizer Juden wird gegen überzogene Kritik aus den USA Stellung be-zogen. Speziell der Vergleich der Schweizer Flüchtlingslager in der Zeit des Zweiten Weltkrieges mit Zwangsarbeitslagern oder gar KZs wird zurückgewiesen.

Ende März 1998: Die österreichischen Behörden arbeiten wieder mit den USA bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen zusammen. Als Ende der 80er Jahre mutmaßliche Kriegsverbrecher nach Österreich ausgewiesen 7 wurden, stellte Österreich 1990 die Zusammenarbeit ein.

31.März 1998: Am 1.4. tritt der Schengen-Vertrag für Österreich in Kraft, daher werden die Grenzbalken zu den anderen EU-Staaten aufgelassen.

1.April 1998: Zum 60. Jahrestag des ersten Transportes von Österreichern ins KZ Dachau findet am Westbahnhof Wien eine Gedenkveranstaltung statt.

1.April 1998: Die SPÖ ist nicht bereit, in einen Regierungsbericht zum Thema Sicherheit, die Option eines NATO-Beitrittes einzubeziehen. Die ÖVP

schäumt deswegen und legt einen eigenen Bericht vor. Günter Traxler stellt dazu der ÖVP eine ganz ein-fache Frage: „Welche Gefährdung seiner Sicherheit könnte Österreich nur durch einen NATO-Beitritt ab-wenden?“ NATO-Vorbeter Schüssel wird die Frage nicht beantworten können.

2.April 1998: In Frankreich wird in erster Instanz dem Führer der Nationalisten, Jean-Marie Le Pen wegen Körperverletzung für zwei Jahre das passive Wahlrecht entzogen. Er hatte eine sozialistische Politikerin geschlagen. Wenn das Urteil rechtsgültig wird, muß er seinen Sitz im EU-Parlament zurücklegen.

2.April 1998: In erster Instanz erhält der frühere Funktionär der Vichy-Regierung und nachmaliger Minister Maurice Papon 8 zehn Jahre Haft wegen seiner Beteiligung an Judendeportationen. Der 87jährige beruft.

3.April 1998: Der Tiroler Landeshauptmann Weingartner will die Anbringung einer Gedenktafel am Ge-bäude, das in der NS-Zeit die Gestapo beherbergte, verhindern. Das "schöne Gebäude" soll nicht zu ei-nem Gestapo-Haus gemacht werden. Der Präsident der Tiroler Nazi-Opfer, Heinz Mayer, nennt dies eine „unverschämte Beleidigung der Opfer“.

4.April 1998: Vor dreißig Jahren wurde in Memphis/Tennessee der farbige Bürgerrechtler Martin Luther King von einem weißen Attentäters ermordet.

5.April 1998: In der TV-Pressestunde erklärt die Präsidentschaftskandidaten Heide Schmidt, sie würde als Bundespräsidentin Haider selbst dann nicht mit der Regierungsbildung betrauen, wenn die FPÖ die man-datsstärkste Partei wäre. Für diese Aussage erhält sie am 6.4. die Schlagzeile der KRONEN ZEITUNG, " Schmidt voller Haß", was ihr viel Sympathie einbringt.

6.April 1998: Wählerstimmungslage im März: Die Sozialdemokraten kämen auf 38%, die ÖVP auf 27, die FPÖ auf 25, die Liberalen und die Grünen auf je 5%.

Erste Aprilhälfte 1998: In Kärnten tun die SPÖ, FPÖ und ÖVP weiterhin alles, um die Rechte der slowe-nischen Minderheit zu beschneiden. Zur Zeit verhindert man in den gemischtsprachigen Gemeinden die Einrichtung zweisprachiger Kindergärten.

8.April 1998: Nachdem der ehemalige KZ-Kommandant des kroatischen Vernichtungslagers Jasenovac, Dino Sakic in Argentinien aufgespürt worden war, kann dieser vor seiner Festnahme untertauchen.

8.April 1998: Die rechtsliberale UDF schließt drei Regionalpräsidenten aus, die mit Hilfe der Nationalisten Le Pens bei den französischen Regionalwahlen gewählt worden waren.

Erste Aprilhälfte 1998: Spannungen zwischen Rußland und Lettland. Im baltischen Staat nehmen die

7 Ende September 1988 wurde ein gewisser Josef Eckert (SSler in Auschwitz) aus den USA ausgewiesen, im März 1989 folgte ein weiterer ehemaliger KZ-Wächter. Beide waren nach 1945 in die USA eingewandert.

8 Anfang März 1996: In Frankreich wird darüber beraten, ob gegen den ehemaligen Finanzminister Maurice Papon ein Verfah-ren eröffnet werden soll. Der heute 85jährige steht im Verdacht sich während der deutschen Besatzungszeit als Judendeportierer betätigt zu haben. 8.Oktober 1997: In Frankreich wird der Prozeß gegen Maurice Papon eröffnet. Der heute 87jährige ehemalige Minister steht im Verdacht, während der NS-Zeit als Beamter des Kollaborateur-Regime Pétains an Judendeportationen mitgewirkt zu haben. Bis-her hatte man sich auch in Frankreich erfolgreich vor einer detaillierten Aufarbeitung der Vergangenheit gedrückt.

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Rechtstendenzen deutlich zu, auf die russische Botschaft wird ein Anschlag verübt, die russische Minder-heit wird weiter diskriminiert.

10.April 1998: Haider schränkt seine Unterstützung für Klestil ein: „Klestil ist nicht unser Kandidat“. Bau-meister Lugner macht sich Hoffnungen auf FPÖ-Stimmen.

10.April 1998: Der ehemalige faschistische Diktator und Massenmörder Augusto Pinochet bleibt un-bestraft. Das chilenische Parlament lehnt mit einer Mehrheit von 62 zu 52 die Aufhebung der Immunität des "Senators auf Lebenszeit" ab.

11.April 1998: Vor dreißig Jahren: Rudi Dutschke, Vorstandsmitglied des Sozialistischen Deutschen Stu-dentenbundes (SDS), wird in Westberlin durch Revolverschüsse schwer verletzt. Die Polizei faßt den von der Hetze der Springer-Zeitungen gegen linke Studenten aufgestachelten rechtsextremen Attentäter Josef Bachmann kurz nach der Tat. Der Mordanschlag aktiviert auf breiter Basis, was heute Achtundsech-zigerbewegung genannt wird.

11.April 1998: Kroatien verlangt von Argentinien die Auslieferung des KZ-Kommandanten D. Sakic.

14.April 1998: In Feldkirch soll an der Friedhofsmauer beim Bahnhof eine Gedenkstätte in der Form eines Zuckmayer-Zitates eingerichtet werden. Für viele Flüchtlinge war der Bahnhof Feldkirch die letzte Station im Nazi-Österreich auf dem Weg in die Emigration.

15.April 1998: Die Komplizen der alten Kameraden aus der Hitler-Wehrmacht unter den heutigen Politi-kern haben auch in Salzburg danebengegriffen: Mit 20.000 Besuchern stellte die Ausstellung "Vernich-tungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht" einen neuen Rekord auf. Wie sehr der Geist von damals immer noch umgeht zeigt sich auch darin, daß die Stadt Salzburg der Ausstellung "Vergnügungssteuer" in der Höhe von 40.000 öS vorschrieb. Man zeigt es den Antifaschisten!

15.April 1998: Die Grünen bringen im Parlament eine Anfragenserie über Kunstwerke im Staatsbesitz aus jüdischem Eigentum ein.

16.April 1998: Einen Gag liefert die FPÖ im Parlament: Man beantragt den Beitritt Österreichs zur NATO. Die NATO-Fanatiker in der ÖVP können dem Antrag wegen des Koalitionsabkommens nicht zustimmen, so ein Pech!

16.April 1998: NEWS bringt den neuen Extremismusbericht des Innenministers. 1997 gab es zwei An-schläge, die der linken Szene zuzuordnen sind (einer davon war die Demontage der NS-Heldenstätte am Ulrichsberg in Kärnten), rechte Delikte wurden 322 gezählt, 11% mehr als 1996.

16.April 1998: Es wird bestätigt, daß der ehemalige kambodschanische Diktator Pol Pot, Chef der "Roten Khmer", tot ist. Euer Chronist will in diesem Zusammenhang an folgendes erinnern: Als 1979 Truppen des kommunistischen Vietnam das Regime des Massenmörders beendeten, hatten viele sonst eifrig die Men-schenrechte verteidigende Politiker und Journalisten plötzlich Sympathien für den steinzeitkommunisti-schen Herrscher: Vietnam war Richtung Sowjetunion orientiert, Pol Pot Richtung China, China war mit der UdSSR verfeindet, also unterstützten die USA von Thailand aus Pol Pot und die amerikanischen Sprach-rohre in unseren Landen empörten sich über die "völkerrechtswidrige" Aktion Vietnams. An diesen Schachzug sollte man gelegentlich denken!

18.April 1998: In Salzburg kündigt FPÖ-Partei- und Klubobmann Karl Schnell seinen Rücktritt an, weil ihm Haider am Vortag das Vertrauen entzogen hatte.

19.April 1998: Bundespräsidentenwahl: • Thomas Klestil 63,5% • Getraud Knoll 13,5% • Heide Schmidt 11,1% • Richard Lugner 9,9% • Karl W. Nowak 2%

Naja, was soll man dazu sagen?

20.April 1998: In Salzburg werden alle FPÖ-Funktionäre des Landes vom Parteivorstand ihrer Ämter ent-hoben. Viele Funktionäre hatten sich unerwünschterweise mit Karl Schnell solidarisiert und mit Austritten gedroht. Daß der Beschluß, den Aufmüpfigen zu zeigen, wer der Führer der Partei ist, ausgerechnet am Geburtstag eines anderen bekannten Führers gefällt wurde, gehört ins Kapitel "unfreiwillige Selbstironie".

20.April 1998: Für österreichische Verhältnisse ungewohnten Mut zeigt Heide Schmidt: „Ich habe nicht die Absicht, mich der Kronen Zeitung zu beugen. Ich werde mich nicht arrangieren.“ Die Zeitung habe nur so-viel Macht, wie ihr die Politiker geben. Und das ist genau das Problem.

20.April 1998: In der BRD wurden 1997 insgesamt 11.720 Delikte mit rechtsextremen Hintergrund began-

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gen, das sind rund 3.000 mehr als 1996 und auch mehr als 1993, dem bisher schlimmsten Jahr. Im Ver-gleich zu Österreich kann man feststellen, daß die Straftaten in der BRD pro Kopf ungefähr dreieinhalbmal so hoch liegen. Die Straftaten nehmen zwar auch hierzulande zu, aber offenbar wirkt das Verbotsgesetz mit seinem Strafenkatalog entsprechend präventiv.

21.April 1998: Gernot Rumpold wird Geschäftsführer der FPÖ-Salzburg. Gegen die Absetzung aller ge-wählter Funktionäre regt sich zunehmend innerparteiliche Kritik.

22.April 1998: Funktionäre eines Lambacher Schützenvereins sollen sich als Waffenschieber betätigt ha-ben, die Gendarmerie nimmt mehrere Personen fest. Einer der mutmaßlichen Täter soll mit der VAPO-Gmunden in Verbindung gestanden sein. (Ab 11.November 1992 fand in Wels der Prozeß gegen die Gmundner "Volkstreue Außerparlamentarische Opposition" statt. Fünf Aktivisten wurden wegen des Brandanschlages in Traunkirchen vom Jänner d.J. und wegen NS-Wiederbetätigung angeklagt.)

23.April 1998: Die Anzeige gegen Franz Fuchs ist fertig und wird demnächst der Grazer Staatsan-waltschaft vorgelegt werden. Sie umfaßt 750 Seiten.

24.April 1998: Wieder ein großer Erfolg für die INITIATIVE WELSER GEGEN FASCHISMUS. Innenminister Schlögl verbietet dem Verein "Dichterstein Offenhausen" jede Tätigkeit und leitet ein Verfahren zur Ver-einsauflösung ein. Heuer hätten die "braunen Wallfahrer", wie sie SP-Landesgeschäftsführer Buchinger bezeichnete, einen Namensstein zu Ehren von Robert Jan Verbelen (in Belgien in Abwesenheit zum Tode verurteilter SSler, der dem Lauf der Gerechtigkeit durch Gesinnungsfreunde im österreichischen Staats-apparat entzogen wurde) enthüllen und dem nö. "Dichter" Konrad Windisch den "Dichtersteinschild" verlei-hen wollen. Windisch wurde übrigens über viele Jahre vom nö. ORF-Lokalprogramm gefördert, obwohl er seit 1963 als Funktionär der "Arbeitsgemeinschaft für Politik" (1975 behördlich aufgelöst) und der "Aktions-gemeinschaft für Politik", später "Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik" und als Leiter der "Kom-mentare zum Zeitgeschehen" einschlägig in Erscheinung trat.

Das für die Maßnahme entscheidende Gutachten ist auszugsweise an anderer Stelle in dieser Nummer wiedergegeben. Die oö. Behörden hatten bisher die rechtsextremistische Tätigkeit des Vereins geduldet. Pech für diese treudeutschen Gesinnungsfreunde, daß der Innenminister nunmehr dem Recht zum Durchbruch verhilft.

Zweite Aprilhälfte 1998: Jahreshauptversammlung der Kärntner Ulrichsberggemeinschaft. Landes-hauptmann Zernatto (ÖVP) und LH-Stellvertreter Grasser (FPÖ), Militärkommandant Ebner und andere Personen erhalten Vereinsauszeichnungen. Frech wird bei der Veranstaltung gelogen: Der Ulrichsberg sei niemals Treffpunkt alter und neuer Nazis gewesen. Daß jedes Jahr rudelweise ehemalige SS-Offiziere und fallweise sogar die Tochter von SS-Chef Himmler dort umhergelaufen sind, haben sich die Beobachter wahrscheinlich nur eingebildet. Aber vermutlich hat es in Österreich sogar von 1938 bis 1945 keine Nazis gegeben...

26.April 1998: Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt (in der ehemaligen DDR): SPD 35,9% (+1,9), CDU 22% (-12,4), PDS 19,6% (-0,3), Bündnis90-Grüne 3,2% (-1,9), FDP 4,2% (+0,6) und DVU 12,9% (+12,9).

Die rechtsextreme DEUTSCHE VOLKSUNION des Herausgebers der "NATIONALZEITUNG", Gerhard Frey, schafft beim ersten Antreten den Sprung in den Landtag. Obwohl Sachsen-Anhalt den geringsten Auslän-deranteil aller deutschen Bundesländer hat, brachte eine primitive Ausländerhetze diese enorme Zustim-mung für die DVU. Die Rechtsextremen gehen nun daran, für die Bundestagswahlen eine entsprechende Wahlstrategie zu basteln. Die 12,9% sind das höchste Resultat, das eine Rechtsextremistenpartei in Deutschland seit 1945 bei Land- oder Bundestagswahlen erzielte. Die enorme Arbeitslosigkeit in den Neu-en Bundesländern treibt die politisch unbedarften Bevölkerungsteile den Predigern einfacher Erklärungen und einfacher Lösungen in die Arme.

Bemerkenswert in der Medienberichterstattung war, daß versucht wurde, den DVU-Erfolg mit der PDS in Zusammenhang zu bringen. Obwohl aus dem Wahlergebnis klar erkennbar ist, daß die DVU-Stimmen ü-berwiegend von der CDU gekommen sein müssen, präsentierte man immer wieder DVU-Wähler mit der Aussage, sie hätten früher PDS gewählt, als sei also ein Wechsel von linksaußen nach rechtsaußen er-folgt. Wie das allerdings bei einem Minus von 12,4 Prozent bei der CDU und einem Minus von 0,3 Prozent bei der PDS funktioniert haben soll, bleibt recht rätselhaft...

27.April 1998: Vertreter des Kärntner Volksgruppenzentrums stellen fest, daß es zur Zeit vor allem eine Taktik der SPÖ sei, zweisprachige Kindergartengruppen zu verhindern, zum Teil sogar gegen die ÖVP und selbst die FPÖ (!!).

Es ist ja nicht unbekannt, daß 1945 in Hitlers "treuestem Gau" eine starke Wanderbewegung von der NSDAP zur SPÖ stattfand. Von dort stammt beispielsweise der Witz, daß neue Mitglieder des BSA (Bund Sozialistischer Akademiker) nach der Bedeutung der Abkürzung "BSA" gefragt haben sollen: Was SA heißt, weiß ich, aber was heißt das B? Die Frage scheint auch heute noch nicht ganz geklärt zu sein. Je-denfalls ein herzhaftes "Heil Hitler!" allen Gemeinderäten, die auch 1998 noch slowenischsprachige Kin-

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dergartengruppen zu verhindern verstehen.

27.April 1998: Haider nimmt seinen Salzburger Rundumschlag zurück. Die abgesetzten Funktionäre wer-den wieder eingesetzt, der geschaßte Landesobmann Schnell wird wieder Landesparteichef. Alle verspre-chen, in Zukunft brav zu sein. Mit dem §15 des FPÖ-Parteistatuts hat der Parteichef die Möglichkeit, bei Gefahr im Verzug vorläufige Maßnahmen zu setzen, das heißt er kann praktisch machen, was er will.

30.April 1998: ÖVP-Klubobmann, Vordenker und Chefmoralist Andreas Khol verströmt vor dem 1.Mai in einem STANDARD-Interview folgendes: „Der Mißbrauch von Sozialleistungen übersteigt sicherlich den Mißbrauch bei Subventionen. Natürlich werden wir auch bei Steuerprüfungen sehr sorgfältig vorgehen und die Rückstände aufarbeiten. Aber es muß zu einer Steuersenkung für den Mittelstand kommen. Ich glaube, die Streichung der Freibeträge für Wohnraumbeschaffung, beim Aktiensparen und bei der Altersvorsorge müssen wir zum Teil wieder rückgängig machen.“ Frage: „Also die Arbeitslosen sollen die Steuersenkung für den Mittelstand finanzieren? “ Khol: „So ist es nicht, aber der Mittelstand möchte nicht weiter die ar-beitsunwilligen Arbeitslosen durchfüttern.“

Ist er nicht wunderbar, unser Khol? Aktiensparen muß gefördert werden! Wenn es ein Mehrfaches an Ar-beitslosen gegenüber den offenen Stellen gibt, dann liegt das an der Arbeitsunwilligkeit! Arbeitsplätze wer-den also durch Arbeitswilligkeit geschaffen!

30.April 1998: In Argentinien wird der ehemalige Kommandant des kroatischen KZs Jasenovac, Dinko Sakic, verhaftet. Er soll an Kroatien ausgeliefert werden. Im KZ Jasenovac dürften bis 600.000 Menschen ums Leben gekommen sein.

30.April 1998: Gespräche zwischen FPÖ und katholischer Kirche. Haider ist für Zusammenarbeit, wo ge-meinsame Zielvorstellungen gegeben seien: Bekämpfung des islamistischen Fundamentalismus, Erhal-tung des arbeitsfreien Sonntags, Kampf gegen Hedonismus und Nihilismus, Begleitmaßnahmen zur Fris-tenlösung. Er kritisiert: „Die Kirche neigt dazu, nicht so begeistert zu sein, daß wir uns zu christlichen Wer-ten bekennen“, den Dialog mit der SPÖ Kreiskys habe die Kirche mit Begeisterung begrüßt.

Die katholische Seite, vertreten durch Generalvikar Schüller, bleibt zurückhaltend, Friedrich Engelmann von der extremkatholischen Zeitung DER 13. ist aber von Haider begeistert.

1.Mai 1998: In Leipzig marschieren rund 10.000 Anhänger der rechtsextremen NPD auf. Die Polizei schützt mit massivem Einsatz die Marschierer vor antifaschistischen Gegendemonstranten. Drei Versu-che, die NPD-Veranstaltung verbieten zu lassen, waren von den Gerichten abgelehnt worden, die NPD sei keine verbotene Partei, die Kundgebung daher nicht zu untersagen.

Seit in Österreich durch das Verfassungsgerichtshoferkenntnis von 1986 9 das Verbotsgesetz von den Be-hörden wieder beachtet werden muß, sind wir etwas in Vorteil: Die NDP Norbert Burgers ist verboten!

1.Mai 1998: In Tulln wird die FP-treue FREIE GEWERKSCHAFT ÖSTERREICHS (FGÖ) gegründet. Erster Vor-sitzender wird der aus Mistelbach stammende "Mistelbacher" 10 Josef Kleindienst, der auch gleich die ent-sprechende Forderung aufstellt: „Zuerst Arbeit für Inländer“. Ist ja auch ganz einfach: Arbeitslose Lehrer werden Bauhilfsarbeiter, wegrationalisierte Bürokräfte kommen zur Putzbrigade und lehrstellenlose Ju-gendliche in die Polizeischule.

Haider, der mit der "Mitgliedsnummer 1" aufgenommen wird, vergleicht bei seinem Auftritt den SPÖ-Mai-aufmarsch in Wien mit einem „moslemischen Kirtag in Istanbul“, weil kein deutsches Wort zu verstehen gewesen sei. Vermutlich war Haider in Wien in die Maidemonstration der KPÖ und anderer Linksgruppen geraten, an der immer kurdische und türkische Linksgruppen teilnehmen.

Anfang Mai 1998: Die DVU und die REPUBLIKANER beraten über eine Zusammenarbeit bei den deutschen Bundestagswahlen.

Anfang Mai 1998: Von einem Solidaritätskomitee aus Vorarlberg werden in Krementschug in der Ukraine an 33 ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter Spenden überreicht. Da sich das Land Vorarl-berg beharrlich weigert, an diesen Personenkreis Entschädigungen zu leisten, wird die Solidaritätsaktion auf privater Basis weitergeführt.

4.Mai 1998: Vor 60 Jahren starb der am 3.10.1889 in Hamburg geborene Carl von Ossietzky. Er ist als bedeutender pazifistischer Schriftsteller und Publizist der Weimarer Republik zu einer Symbolfigur des Wi-derstands gegen die Nazidiktatur geworden. Als Nachfolger von S. Jacobsohn leitete er ab 1927 die Zeit-

9 Der zentrale Satz des Urteils: Der §3 des NS-Verbotsgesetzes enthält ein "unmittelbar wirksames, von jedem Staatsorgan im Rahmen seines Wirkungsbereiches zu beachtendes Verbot".

10 In Wien war "Mistelbacher" eine geläufige Bezeichnung für "Polizist", weil der Polizeinachwuchs häufig aus den Landbezirken um Wien kam

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schrift WELTBÜHNE, die er zu einem vielgelesenen Organ gegen den Militarismus machte. Wegen der Ver-öffentlichung geheimer Aufrüstungspläne wurde er 1931 erstmals, 1933 in der Nacht des Reichstags-brands abermals verhaftet und in mehreren KZs inhaftiert. 1936 wurde ihm der Friedensnobelpreis für das Jahr 1935 verliehen, den der inhaftierte Publizist nicht entgegennehmen durfte. Hitler verbot darauf allen Deutschen die Annahme des Nobelpreises. Wegen Tuberkulose und Gehirnhautentzündung als Folgen der Inhaftierung war Ossietzky von 1936 bis zu seinem Tode unter Gestapo-Bewachung im Krankenhaus.

5.Mai 1998: Erstmals wird im Parlament der "Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus" begangen. Welch Heldentat! 53 Jahre nach Kriegsende wagen es die öster-reichischen Politiker einen Gedenktag für die NS-Opfer zu begehen. Die letzten 52 Jahre zog man es vor, hauptsächlich der Helden der Hitlerwehrmacht zu gedenken. Weiter nicht verwunderlich: Die Antifaschis-ten waren eine kleine Minderheit, die Nazis eine große Mehrheit. Ein ehrliches "Heil Hitler!" unseren ein-schlägigen anständigen Vorfahren! Und auch den politischen Schleimscheißern, die den alten Nazis bis zum Aussterben in den Arsch gekrochen sind, ein verdientes "Heil Hitler!"

5.Mai 1998: Erste Zeitungsberichte: Der FPÖ-Nationalrat Peter Rosenstingl ist seit einer Woche abgängig, seine Gläubiger machen sich Sorgen.

5.Mai 1998: Gegen Rosenstingl werden Anzeigen wegen des Verdachtes der Veruntreuung und des Be-truges erstattet.

5.Mai 1998: Die FDP-Führung weist die Versuche von CDU und CSU zurück, durch Schwenke ins Ex-tremrechte, Wählerabwanderung zur DVU zu verhindern. „Wenn die CSU glaubt, mit brutalen Thesen und mehr oder weniger ausländerfeindlichen Parolen Erfolg zu haben, senkt sie die Hemmschwelle für diejeni-gen, die wirklich ausländerfeindlich sind.“

5.Mai 1998: In Innsbruck wird von der antifaschistischen Plattform "Adele Obermayr" (benannt nach einer sozialistischen Widerstandskämpferin) provisorisch eine Gedenktafel für die NS-Opfer am ehemaligen Gestapo-Gebäude in der Herrengasse angebracht. ÖVP-Landeshauptmann Weingartner versucht weiter-hin, die fixe Anbringung einer Tafel zu verhindern.

6.Mai 1998: Der deutsche Verfassungsschutz beziffert die gewaltbereiten Neonazis mit 7.600, die orga-nisierten Rechtsextremisten mit 48.400. Besondere Sorge macht die Zunahme der Bewaffnung dieser Kreise.

6.Mai 1998: Es soll schon länger Hinweise auf Veruntreuungen durch den FP-Politiker Rosenstingl gege-ben haben. Der nö. FP-Obmann Gratzer will von nichts gewußt haben.

6.Mai 1998: Im Tiroler Landtag lehnen ÖVP und FPÖ einen Antrag der Grünen, die Gedenktafel am ehe-maligen Gestapo-Gebäude in Innsbruck endlich anzubringen, ab. Die FPÖ ist der Meinung es gebe „drin-gendere Probleme“, eine beliebte Ausrede, wenn man Antifaschistisches verhindern will, die ÖVP will mit-tels einer Historikerkommission klären, was sich im Gestapo-Hauptquartier abgespielt habe. Wer weiß was dabei herauskommt? Vielleicht stellt sich heraus, daß die Innsbrucker Gestapo eine Einrichtung der Nächstenliebe und Wohltätigkeit war? Dem Herrn Landeshauptmann entbieten wir ein stilles "Heil Hitler".

7.Mai 1998: Die FPÖ schließt den abgängigen Abgeordneten Rosenstingl aus. Man vermißt nun auch Geld aus der nö. Parteikasse.

8.Mai 1998: Gegen Rosenstingl wird ein internationaler Haftbefehl erlassen, seine Firma OMIKRON geht in Konkurs. In der KRONEN ZEITUNG erscheint ein Haider-Interview, in welchem der FP-Obmann behauptet, Rosenstingl sei eine "Altlast", die er von seinem Vorgänger geerbt habe. Das ist wieder eine der speziellen Haider-Wahrheiten: Haider ist seit 1986 Obmann, Rosenstingl wurde 1989 nö. Landesobmann des Ringes freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RFW), 1990 Gemeinderat und Nationalratsabgeordneter, 1991 Vize-bundesobmann des RFW, 1992 Vizelandesparteiobmann in NÖ.

8.Mai 1998: In einer Anfragebeantwortung sagt Innenminister Schlögl, 1997 habe es 366 Beschwerden gegen die Exekutive (davon 253 gegen die Polizei in Wien) wegen „unzulässiger Gewaltausübung im Dienst“ gegeben. Bisher kam es deswegen zu keiner einzigen Verurteilung, 23 Verfahren sind noch offen. Es ist ja auch bekannt, daß Verdächtige meist sehr unbeholfen sind, etwa häufig über Türstaffel stolpern, gegen Heizkörper fallen oder sich auf andere ungeschickte Arten selbst Verletzungen zufügen.

9.Mai 1998: In einem Leserbrief an die TIROLER TAGESZEITUNG kritisiert Altbischof Stecher das alberne Getue von Landeshauptmann Weingartner, der um jeden Preis die Anbringung einer Gedenktafel am e-hemaligen Gestapo-Haus verhindern will: „Das Tor Herrengasse 1 habe auch ich mit Bangen durchschrit-ten. Alles was irgendwie im Widerstand zum Regime stand, ging durch diese Pforte: ob Jugendkaplan oder aufrechter Sozialist, ob Feindsenderhörer oder mutige Hausfrau, ob protestierender Kapellmeister oder Märtyrerpfarrer.“ Stecher habe zwar keine Vorliebe für heroische Denkmäler, „aber ich verstehe beim bes-ten Willen nicht, weshalb ein Gedenken an die Zeit des Terrors und des Widerstandes an diesem Tor Probleme mache“, die Verhinderung der Tafel werfe einen Schatten auf den Rechtsstaat.

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10.Mai 1998: Tausende Menschen aus ganz Europa gedenken in Mauthausen der Befreiung vom Na-tionalsozialismus. Kardinal König und Bundeskanzler Klima halten die Gedenkansprachen.

10.Mai 1998: Erster Durchgang der ungarischen Parlamentswahlen. Die SOZIALISTEN verlieren geringfügig (jetzt 32%), ihr Koalitionspartner (die FREIEN DEMOKRATEN) verlieren mehr als die Hälfte der Stimmen (von 20 auf 8%), die JUNGEN DEMOKRATEN steigen von sieben auf 28%, die rechtsstehenden KLEINEN LANDWIR-TE von neun auf 14%. Ebenfalls den Einzug ins Parlament schafft die rechtsextreme WAHRHEITS- UND LE-BENSPARTEI ( gut 5%).

11.Mai 1998: Der tschechische Staatspräsident Havel begnadigt zwei Roma, die am Wochenende dem Chef der rechtsextremen Republikaner einige Watschen verabreicht hatten, als dieser in einer Rede Havel attackierte.

12./13./14.Mai 1998: Wahre Solidarität zeigt die FPÖ: Zum Verbot der Tätigkeit des Dichtersteinvereins Offenhausen (siehe 24.4.) stellt die FPÖ gleich sechs parlamentarische Anfragen in denen die Rechtsmä-ßigkeit dieser Vorgangsweise in Frage gestellt wird, die BH Wels-Land wird sogar des Verbrechens des Amtsmißbrauches verdächtigt. Später folgen noch sieben Anfragen zu diesem Thema.

Eine Anmerkung zur Belehrung: Antifaschismus ist seit 8.5.1945 kein Verbrechen mehr, der Nationalsozia-lismus ist seither eins.

12.Mai 1998: Das Parlament hebt die Immunität des flüchtigen FP-Abgeordneten Rosenstingl auf. Zwei FP-Abgeordnete (Schreiner und Mentil) legen vorläufig ihre Mandate zurück. Der Schaden, den Ro-senstingl verursacht haben könnte, wird auf über 200 Millionen Schilling geschätzt. Der ehemalige FP-Funktionär Wagerer tätigt die Aussage, jeder, der unsaubere finanzielle Machenschaften mancher FPÖ-Funktionäre aufdecken wollte, sei mit Unterstützung der Bundespartei entfernt worden. Der frühere FP-Chef von St.Pölten, Heinrich Haltmeyer, sagt, er habe Haider schon vor vier Jahren über bedenkliche Fi-nanzierungsmethoden in Niederösterreich informiert.

13.Mai 1998: Erste Überprüfungen der nö. FP-Finanzen ergeben, daß Rosenstingl mit FPÖ-Parteikrediten spekulierte, die Landesorganisation hat 51 Millionen Schilling Schulden. Die Staatsanwaltschaft Wien er-hält einen Brief Rosenstingls, den die ihn begleitende Freundin aus Brasilien an eine Bekannte geschickt hatte. Der nö. FP-Obmann Gratzer tritt zurück.

Die Idee Haiders, die FPÖ wieder einmal neu zu gründen (was er ja mit der Erfindung der F-Bewegung schon einmal getan hat) und dabei die Mandatare mittels Strafgeldverträgen streng an die Parteilinie zu binden, stößt auf heftige Kritik. Noch gilt ja das "freie Mandat", die vorgeschlagenen Verträge wären „sit-tenwidrig und nichtig“.

13.Mai 1998: Der Bundesgeschäftsführer der FPÖ, Gernot Rumpold wird zu einer bedingten Geldstrafe von 27.000 Schilling verurteilt, weil er im September 1997 bei einem Streit in einem Lokal in Gmunden ei-nen Juristen in die Genitalien gezwickt haben soll. Rumpold geht in die Berufung.

13.Mai 1998: Die Ermittlungen im Briefbombenfall sind abgeschlossen. Insgesamt wurden 403 Personen überprüft, Franz Fuchs bleibt als einziger Verdächtiger übrig.

14.Mai 1998: Der Kreditschutzverband schätzt den durch die Brüder Rosenstingl verursachten Schaden auf 320 Millionen. Herbert Rosenstingl, der Bruder des flüchtigen FP-Nationalrats, wird verhaftet. In Nie-derösterreich heißt das neue FPÖ-Führungsteam Hans-Jörg Schimanek senior und Barbara Rosenkranz. Der alte Schimanek, der 18 Jahre gleichzeitig FPÖ- und SPÖ-Mitglied war, steht bedingungslos zu seinem wegen NS-Wiederbetätigung für acht Jahre einsitzenden Sohn, der Ehemann von Frau Rosenkranz, Ja-kob Horst stand in engem Kontakt mit der VAPO von Küssel und war Mitglied der NDP.

Die FPÖ stellt eine parlamentarische Anfrage „in welcher Weise ausgeschlossen werde, daß Kontakte zu Oststaaten zu Kooperationen mit der Mafia führe“.

14.Mai 1998: In Mürzzuschlag wird eine rechtsextreme Jugendbande zerschlagen, der Haupttäter wird festgenommen, neun weitere Verdächtige werden angezeigt.

14.Mai 1998: Eine Folge des Holocaust: Vor fünfzig Jahren wurde (nach jahrelangem Partisanenkampf gegen die britischen Kolonialherren in Palästina) der Staat Israel gegründet.

15.Mai 1998: Die nö. FP-Wohnungsgenossenschaft "Freies Wohnen" scheint insolvenzgefährdet, die Ka-pitaldecke ist gering. Die nö. FP-Landtagsabgeordneten sollen die rund 10 Millionen, die Rosenstingl ver-spekuliert habe, aus eigener Tasche ersetzen.

16.Mai 1998: In einer Klage des ÖTB gegen die SJ scheitert ein Vergleich an der Weigerung des ÖTB fol-gendem Text zuzustimmen: „Der ÖTB distanziert sich von dem in diesen Symbolen (hakenkreuzförmigen Turnerkreuzen) enthaltenen antisemitischen, nationalsozialistischen und fremdenfeindlichen Inhalt. Der ÖTB bekennt sich zu demokratischen Republik Österreich und zur österreichischen Nation“.

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16.Mai 1998: Burschenschaftler-Kommers in Wien aus Anlaß 150 Jahre bürgerliche Revolution. Man ver-sucht heute noch an die progressive Funktion als antifeudale Revolutionäre der Burschenschaftler von damals anzuknüpfen. Die seither erfolgte Entwicklung zu deutschimperialen Herrentümlern läßt von dieser Tradition aber nichts mehr über.

17.Mai 1998: Haider schreit "Haltet den Dieb!" - in der TV-Pressestunde "enttarnt" er die SPÖ-Funktionäre Fuhrmann, Klima und Vranitzky als „auf der Lohnliste der Ostmafia“ stehend. Die SPÖ antwortet ihm mit entsprechenden Klagen.

18.Mai 1998: Laut PROFIL würde Franz Fuchs „es sofort wieder tun“, bei seinem Vernehmungen soll er auch gesagt haben, ein Motiv für die "Bajuwarische Befreiungsarmee" sei der Umstand gewesen, daß es in der Regierung Vranitzky „keinen deutschen Namen“ gegeben habe.

Was lernen wir daraus: Der Fuchs war, wie uns schon die KRONEN ZEITUNG so eifrig versicherte, ü-berhaupst kein Rechtsextremer nicht.

20.Mai 1998: Textvariante von Hans Rauscher im STANDARD: Aus der Partei der "Tüchtigen und Anständi-gen" wird bei ihm die Partei der "Flüchtigen und Abgängigen".

20.Mai 1998: NEWS bringt Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen des Franz Fuchs. Demnach habe Fuchs gesagt, er bekomme sowieso lebenslänglich, egal ob als Beitragstäter oder Einzeltäter, aber „wenn alles ein bißchen im dunklen bleibt, ist alles besser für meine Sache“. Ganz besonders interessant ist eine Passage aus den Protokollen, in der sich Fuchs ausführliche Gedanken über seine "völkische" Zugehörig-keit macht. Er analysiert Kinn, Nase, Haare und Augen, kann sich aber nicht genau zuordnen: germanisch, keltisch? Oder gar slawische Einschläge? Warum sich ein Mensch, der laut wochenlanger Verlautbarun-gen der KRONEN ZEITUNG kein Rechtsextremer ist, mit solchen Fragen auseinandersetzt? Als Einstiegsmo-tiv in die Bombenserie bezeichnet Fuchs den Umstand, daß in die Regierung Vranitzky nur neue Minister mit Namensendungen auf „ic, ak oder al“ aufgenommen worden wären. Das Ausscheiden von Innenminis-ter Löschnak aus der Regierung bedauert er, da dieser „ein vernünftig denkender Mensch war“. Die vier Toten in Oberwart seien nicht beabsichtigt gewesen, „ich kann nichts dafür, daß die Zigeuner sich in der Nacht an dem Schild zu schaffen machten“, die Bombe hätte durch einen Zeitzünder explodieren sollen.

21.Mai 1998: Mit einer Kundgebung vor dem ehemaligen Gestapo-Quartier in Innsbruck bedrängt der Innsbrucker Gemeinderat Landeshauptmann Weingartner: Er soll endlich seine Zustimmung zur Anbrin-gung der Gedenktafel geben.

21.Mai 1998: Auf ihrem Wahlvorbereitungsparteitag verwirklicht die CSU ihre Absicht des Rechtsschwen-kes: Man werde sich besonders um die Ausländerpolitik kümmern, Parteichef Waigel warnte vor einer "lin-ken Republik", die von SPD, Grünen und PDS angestrebt werde.

24.Mai 1998: Nach dem zweiten Durchgang der ungarischen Parlamentswahlen ist der Regierungswech-sel klar: Das Endergebnis: Sozialdemokraten 134 (-75), Bund Freier Demokraten 24 (-45), Demokrati-sches Forum 17 (-21), Bund Junger Demokraten 148 (+128), Kleine Landwirte 48 (+22), Rechtsextreme 14 (+14).

25.Mai 1998: In Klagenfurt bildet sich das "Wahlbündnis 99". Grüne, LiF, VGÖ und die "Kärntner Einheits-liste" der Slowenen wollen bei den Landtagswahlen 1999 mit einer gemeinsamen Liste antreten, um die wahnwitzige Sperrklausel von 10% zu überschreiten, mit der sich die drei Landtagsparteien vor nichtkon-formen Listen abgesichert haben.

25.Mai 1998: Der Wiener Landtagsabgeordnete der FPÖ, Rüdiger Stix, wird aus der Partei ausgeschlos-sen. Er hatte mehrfach öffentlich die Absicht Haiders kritisiert, Mandatare mittels Verträgen unabdingbar an eine vorgegebene Parteilinie zu binden.

26.Mai 1998: Skandal im Parlament! Haider und die FPÖ werden abgehört! Deutsche Experten entdecken die Lauschfrequenz 172,720. Gefunden wird dann allerdings nichts, die genannte Frequenz gehört der Feuerwehr Niederösterreich.

26.Mai 1998: In Sachen Tätigkeitsverbot des Dichtersteinvereins Offenhausen stellt die FPÖ im Parla-ment noch sieben weitere Anfragen. Das DÖW stellt in einer Aussendung fest, dies sei eine „neuerliche Bestätigung der FPÖ als Lobby des organisierten Rechtsextremismus.“

26.Mai 1998: Landeskonferenz des KZ-Verbandes OÖ. Als Nachfolger für den 1997 verstorbenen Profes-sor Franz Kain wird Rudolf Haunschmid zum Landesobmann gewählt.

27.Mai 1998: Die neue Polizeigewerkschaft der FPÖ gibt bekannt: Ab sofort wird jeder, der sich über die Polizei beschwert, zivilrechtlich geklagt. „Wer sich über einen von uns beschwert, kann sich schon einmal 200.000 Schilling auf die Seite legen, das wird nämlich teuer.“

28.Mai 1998: Im Hakenkreuz-Prozeß ÖTB gegen SJ wird in erster Instanz die SJ zu Unterlassung und

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Widerruf verurteilt. Man wird in die zweite Instanz gehen.

28.Mai 1998: Der deutsche Bundestag hebt alle zwischen 1933 und 1945 aus "politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen" ergangenen Urteile auf. Das gilt auch für Urteile, die Österreicher betrafen. Bestätigungen der Urteilsannullierungen im konkreten Einzelfall müssen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft (für Österreicher beim deutschen Bundesgerichtshof) beantragt werden.

29.Mai 1998: Gegen den ehemaligen nö. FPÖ-Obmann Gratzer wird ein Haftbefehl erlassen.

Ende Mai 1998: Nach einer aktuellen Meinungsumfrage liegt die SPÖ zur Zeit bei 39%, die ÖVP bei 27%, die FPÖ bei 19%. Die Grünen könnten 8% erreichen, das LiF 7%.

2.Juni 1998: Der ehemalige nö. FP-Chef Gratzer wird nach seiner Rückkehr vom Urlaub wegen Verdunk-lungsgefahr verhaftet.

3.Juni 1998: Ein weiterer Rückschlag für Haider. Der freiheitliche Landeshauptmannstellvertreter in Kärn-ten, Karl-Heinz Grasser gibt seine Funktion auf und wechselt in die Privatwirtschaft. Vorher übt er heftige Kritik: „Ich kann Haider nur wünschen, die FPÖ auf ein neues Fundament zu stellen. Mir geht es um den Beraterstab, von dem er und die FPÖ sich in Geiselhaft haben nehmen lassen. Hier einen Befreiungs-schlag zu machen, das braucht er unbedingt.“ Besonders kritisiert er „die Herren Rumpold, Kordesch, Westenthaler und Achatz. Da sind Seriosität und Niveau degeneriert, da bleibt keine Verantwortung für den Bürger übrig“, Haider müsse die Kraft haben, „einen wesentlich konstruktiveren Kurs zu gehen, als das zuletzt der Fall war“, man solle Verfehlungen, die der FPÖ vorgeworfen werden, „nicht mit Verfehlun-gen anderer, mit Mafia und dergleichen, kommentieren“.

Die FP-Führung antwortet mit dem Vorwurf, Grasser sei durch ein Arbeitsplatzangebot der Firma Stronach "herausgekauft" worden.

4.Juni 1998: NEWS bringt Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen von Franz Fuchs. Dort heißt es zum Beispiel: „Ich sehe ein, warum ich sitze, ich bin ja nicht unschuldig: Aber es gibt nichts zu gestehen. Ge-stehen tun die Verbrecher, und ich sage, die Verbrecher sind die anderen, zum Beispiel die Adressaten der Briefbomben, weil das die sind, die die Regierung am meisten vorangetrieben haben in ihrem Bestre-ben, die Ausländer hereinzulassen.“ Oder: „Die Abwehr der Diskriminierung der Volksgruppe der Deutschösterreicher ist eine gute Sache. Wenn es nicht anders geht, auch mit Waffengewalt.“

Die einen setzen sich in der Zeitung ein für die Deutschösterreicher, die anderen im Parlament und wenn das alles nichts nützt, dann baut man Briefbomben.

4.Juni 1998: Haider behauptet, der Rückzug Grassers habe ihn bewogen, seine eigene Rückzugsabsicht zu revidieren. „Auch ich habe zu Pfingsten mit meiner Familie eine Entscheidung getroffen. Ich wollte mich aus der Politik zurückziehen. (..) Wäre er (Grasser) geblieben, wäre ich gegangen“. Jetzt gelte es, die FPÖ in Kärnten zur Nummer 1 zu machen und es den Mächtigen, die ihn aus dem Wege haben wollten, zu zei-gen.

Da haben wir aber ein Pech gehabt!

4.Juni 1998: NEWS berichtet, daß der neue nö. FPÖ-Chef Schimanek und auch andere FP-Funktionäre mit dem Einverständnis Haiders zu ihrem offiziell von der Partei gestatteten 60.000-Schilling-Einkommen noch hohe Verfügungsmittel beziehen.

5.Juni 1998: Im brasilianischen Fortaleza wird der flüchtige FP-Abgeordnete Rosenstingl festgenommen.

6.Juni 1998: In Salzburg wird der flüchtige Kreditvermittler von Rosenstingl, Josef Dinhopel, festgenom-men.

6.Juni 1998: Der Wiener Bürgermeister Häupl greift am SPÖ-Parteitag ein Tabuthema auf: Er fordert die Besteuerung von Spekulationsgewinnen. So ein linkslinker Linksextremist!

8.Juni 1998: Der nö. Landtag stellt fest, daß die Rücknahme der Rücktrittserklärung des ehemaligen FPÖ-Mandatars Gratzer gültig ist. Gratzer bleibt daher als "wilder" Abgeordneter im Landtag.

10.Juni 1998: Rosenstingl verweigert die freiwillige Rückkehr aus Brasilien. Das Auslieferungsverfahren kann sich nun über einen längeren Zeitraum von bis zu einem Jahr hinziehen.

13.Juni 1998: Mit der Absicht der FPÖ-Polizeigewerkschaft, alle Beschwerdeführer gegen Polizeiübergrif-fe zu klagen, ist auch die FPÖ-Justizsprecherin Partik-Pablé nicht einverstanden. In einem Rechtsstaat könne man Leute nicht auf diese Art mundtot machen, die FPÖ müsse schauen, daß eine ihr nahestehen-de Gewerkschaft „die Prinzipien des Rechtsstaates anerkenne.“

14.Juni 1998: Bei den Regionalwahlen im australischen Queensland erreicht die rechtsextreme "One Na-tion"-Partei 23% der Stimmen. Die Gruppierung wendet sich vor allem gegen die in letzter Zeit verstärkte Einwanderung aus Asien.

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14.Juni 1998: Im niederösterreichischen Texing eröffnet Landeshauptmann Erwin Pröll ein Museum zu Ehren des klerikalfaschistischen Diktators und Arbeitermörders Engelbert Dollfuß. Die Zeit des schwarzen Faschismus von 1934 bis 1938 ist in Österreich augenfällig noch weniger aufgearbeitet und "bewältigt" wie die Zeit danach, sonst wäre eine derartige Aktion nicht möglich. Die meisten österreichischen Medien ü-bergingen diese Faschismusrehabilitierung stillschweigend. Ein Heil Dollfuß dem Herrn Pröll und allen, die nichts gegen ein Museum für den Demokratievernichter der Zwischenkriegszeit haben!

Erste Junihälfte 1998: Die Stapo in Graz ermittelt gegen antifaschistische Publikationen im Zusammen-hang mit der Attacke auf die Ulrichsberger Heldengedenkstatt vom August 1997: Die Publikationen be-schäftigten sich „mit dem Thema Rechtsextremismus und auffallend intensiv mit der Situation in Kärnten“.

Ui, jetzt wird es gefährlich für das ANTIFA-INFO! Wir begehen auch ständig diese Delikte! Noch dazu schrieben wir damals in unserer Chronik: Dem ANTIFA-INFO entfließen keine Tränen, weil ein Heiligtum der-jenigen in Brüche ging, die seinerzeit für den Führer und das Herrenvolk zur Eroberung von Lebensraum in die Welt hinausgezogen sind.

15.Juni 1998: Gratzer wird nach langen Einvernahmen auf freien Fuß gesetzt. Er hat die früher geleugne-te Annahme von Provisionszahlungen zugegeben, die Provisionen aber ebenfalls Rosenstingl zur Veranla-gung überlassen.

Nach Mitte Juni 1998: Das lettische Parlament beschließt, zukünftig den 16. März als den "Tag des Sol-daten" zu begehen. Am 16.3.1943 erfolgte der erste Kampfeinsatz der ersten lettischen Waffen-Grenadierdivision der SS für Hitlerdeutschland. Diese war aus Teilen der berüchtigten lettischen Polizeire-gimenter, die sich "Verdienste" um Massenmorde erworben hatten, und Freiwilligen gebildet worden. Die-sen Beschluß kann man nur wahre Treue zum Führer nennen! Hoch lebe der lettische Nationalsozialismus auf dem Wege nach Europa! Oder was.

16.Juni 1998: Die Haft in Brasilien wird vom Nationalrat nicht als Entschuldigungsgrund für das Fern-bleiben Rosenstingls anerkannt.

17.Juni 1998: Der ehemalige Kommandant des kroatischen KZs Jasenovac, Dinko Sakic, wird von Argen-tinien nach Kroatien ausgeliefert.

17.Juni 1998: Haider präsentiert seine künftigen Verträge für seine künftigen Mandatare: Ein parteieigener "Bürgeranwalt" soll das Wohlverhalten der FP-Politiker überwachen und ein "Ehrenrat" Geldstrafen ver-hängen können.

17.Juni 1998: Die Klagsdrohung der freiheitlichen Polizeigewerkschaft gegen Polizeibeschwerdeführer haben die anderen Parlamentsparteien zurückgewiesen. Eine gesetzlich festgeschriebene lebenslange Immunität der Euro-Polizisten wird aber vom Parlament ohne Bedenken beschlossen.

17.Juni 1998: Wieder ein Stück Niedergang der Neutralität. Die Regierung kriecht weiter in Richtung NA-TO. Die Zustimmung zum Vertrag von Amsterdam öffnet das Tor zur Teilnahme an Militäreinsätzen im Ausland.

17.Juni 1998: Auch im neuen Jahresbericht von AMNESTY INTERNATIONAL wird Österreich wegen Miß-handlungaktivitäten durch die Exekutive erwähnt.

18.Juni 1998: Ein NEWS-Artikel über den Kirchenbesuch in Österreich beweist: der Haider-Schachzug, die FPÖ zu einer christlichen Partei umzubauen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Eine Erhebung ergab nämlich folgendes Bild: Die Zahl der ständigen Kirchenbesucher aus der FP ist unterdurchschnittlich, sogar niedri-ger als in der SP, die der absolut Kirchenfernen deutlich überdurchschnittlich. Das Verhältnis der regel-mäßigen plus der gelegentlichen Kirchgängern zu den seltenen Besuchern plus den völlig Abstinenten ist so:

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Ges

amt

SP

Ö

ÖV

P

FP

Ö

01020304050607080

Ges

amt

SP

Ö

ÖV

P

FP

Ö

eher ja

eher nein

Die FPÖ-Anhänger sind also geradezu auffallend unchristlich!

18.Juni 1998: Der Tiroler Landtag beschließt: Die Gedenktafel am ehemaligen Innsbrucker Gestapo-Haus soll jetzt doch angebracht werden: Mit einem neuen, noch zu formulierenden Text.

19./20.Juni 1998: Wahlen in Tschechien. Stärkste Partei werden die Sozialdemokraten, die rechtsextre-men Republikaner scheitern an der 5-%-Sperrklausel!

21.Juni 1998: Der Papstbesuch in Österreich sollte den extrem rechtskonservativen Kreisen Stärkung bringen. Eine Absicht, die völlig in die Hose ging. Bei der Papstmesse am Wiener Heldenplatz waren nach optimistischen Schätzungen 40.000 Leute anzutreffen, seinerzeit beim ersten Papstbesuch sollen es 300.000 gewesen sein. Obwohl sich aus den meisten Zeitungen faktisch gleichgeschaltete Jubelberichte auf die Menschen ergossen, aus den umliegenden Oststaaten massenhaft Jubelchristen herangekarrt wurden und sich alle Jubelfundis versammelten: Die sechs Millionen österreichischen Katholiken ignorier-ten ihren extrem konservativen Chef, der sich durch Schweigen vor seinen sündigen Kardinal stellt. Auch Groër-Freund Dichand bewirkte mit der Kronenzeitung keinerlei Papsteuphorie.

Positiv muß man anrechnen, daß der Papst durch eine sogenannte "Seligsprechung" die von den Nazis wegen Verbreitung von Widerstandsschriften hingerichtete Nonne Restituta Kafka ehrt.

22.Juni 1998: Im PROFIL meint Jörg Haider, die Kärntner SPÖ sei bereit, ihn zum Landeshauptmann zu wählen, was umgehend dementiert wird. Über ÖVP-Khol sagt Haider, dieser sei eine dekadente Figur mit einem defekten Charakterzentrum, solange Khol in der VP-Führung sei, gebe es keine Kooperation. Zu Rosenstingl sagt der FP-Chef, es sei „eine totale Katastrophe, so jemand in unseren Reihen zu haben“.

24.Juni 1998: In Innsbruck wird am ehemaligen Gestapo-Hauptquartier eine Gedenktafel mit dem nun vom Landeshauptmann gewünschten Text angebracht. Es wird darauf der Widerstandskämpfer Robert Moser stellvertretend für alle Opfer des Nationalsozialismus angeführt. Da von den NS-Opferverbänden gewünscht worden war, auf der Tafel der „Verfolgung aus politischen, religiösen oder rassistischen Grün-den“ zu gedenken, wird von diesen die eigenmächtig von der Landesregierung formulierte Text abgelehnt.

25.Juni 1998: Parlamentswahlen in Nordirland. Die rechtsextremen Protestanten erreichen zusammen mit rechten Splittergruppen 28 der 108 Sitze, die Partei der IRA bekommt 18 Abgeordnete. Stärkste Partei werden trotz erheblicher Verluste die gemäßigten Protestanten der Ulster Unionisten mit 28 vor den (ka-tholischen) Sozialdemokraten mit 24 Sitzen.

27./28.Juni 1998: FPÖ-Landesparteitage in Wien und Niederösterreich. Mit 96% wird in Wien Hilmar (alt-hochdeutsch: Der im Kampfe Berühmte) Kabas zum Landesobmann gewählt, in NÖ. erhält Hans Jörg (von Johann Georg, hebräisch-griechisch: Der Bauer, dem Gott gnädig ist) Schimanek senior 92%. Der von Vorarlberg nach Niederösterreich transferierte Ewald (ahd.: Der Hüter der Ordnung) Stadler findet wenig begeisterte Aufnahme. Der Freund von Kurt (von Konrad, ahd: Der kühne Ratgeber) Krenn bekommt als Vizeobmann nur 78,5% der Stimmen, Klubobmann Marchat fälll bei der Wahl überhaupt durch.

30.Juni 1998: Der Innsbrucker Bürgermeister van Staa, die Grünen und die NS-Opfer kritisieren vehe-ment die vom Landeshauptmann aufgezwungene Tafel am ehemaligen Gestapohaus. In einem offenen Brief an Weingartner wird festgehalten, daß der Tafeltext die Rolle der Gestapo verharmlose und vertu-sche. Die Vorgangsweise der Landesregierung sei demütigende und brüskierend gegen die NS-Opfer. Der Präsident der Tiroler Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes, Hans Mayer, stellt fest, die An-bringung der Tafel „bei Nacht und Nebel ohne geladene Gäste ist eine Schande sondergleichen“. Uschi Schwarzl von den Grünen sagt, die Anbringung eines einzigen Opfernamens schließe alle anderen aus, die von der Gestapo-Zentrale in den Tod geschickt wurden. Der Innsbrucker Bürgermeister will die von der Stadt schon hergestellte Tafel ebenfalls am Gebäude anbringen lassen, was aber seitens des Landes (als

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Eigentümer des ehemaligen Gestapo-Gebäudes) abgelehnt wird.

Ende Juni 1998: Fußballweltmeisterschaft in Frankreich. Rechtsgerichtete Hooligans treten als rabiate Schläger in Erscheinung. Ein deutscher Gewalttäter verletzt dabei einen französischen Polizisten lebens-gefährlich. Den deutschen Behörden wird vorgeworfen, die polizeibekannten nationalistischen Schläger und Gewalttäter nicht beobachtet und nicht an der Ausreise gehindert zu haben. Rechtsextremistischen Gewalttätern würde außerdem seitens der Behörden immer wieder viel zu viel Verständnis entgegenge-bracht, das Verhalten mit unpolitischer Frustration oder ähnlich entschuldigt.

1.Juli 1998: Die Wiener EU-Beobachtungstelle gegen den Rassismus nimmt ihre Tätigkeit auf.

1.Juli 1998: Ergebnis einer Meinungsumfrage: 52% der Österreicher fürchten von einer Osterweiterung der EU Nachteile, 32% erwarten Vorteile.

Anfang Juli 1998: Mit einer Klagsflut gegen die SPÖ und NEWS reagiert die FPÖ auf die propagandisti-sche Verwertung und die journalistische Berichterstattung zum Fall Rosenstingl. Die SPÖ hatte in Form von "FPÖ-Pässen" Häme über die von der Rosenstingl-Causa gestreiften Funktionäre verbreitet.

2.Juli 1998: NEWS zieht eine Zwischenbilanz über die am 1.5. gegründete "Freie Gewerkschaft Öster-reichs". Bisher habe diese FPÖ-Partie bloß 1.100 Mitglieder, weit überwiegend Polizisten.

2.Juli 1998: Gegen den mutmaßlichen Bombenattentäter Franz Fuchs fällt ein zivilrechtliches Urteil. Eine Hinterbliebene des Oberwarter Anschlages hatte auf Ersatz der Folgeschäden des Attentates geklagt. Da sich Fuchs diesem Verfahren nicht stellte, erfolgte in Abwesenheit ein sogenanntes Versäumnisurteil zu-gunsten der Klägerin. Versäumnisurteile werden verhängt, wenn der Geklagte rechtsgültig zur Verhand-lung geladen wurde und aus Gründen, die er zu vertreten hat, nicht zur Verhandlung erscheint, sie sind kaum zu revidieren. Fuchs ist wohl deswegen dem Verfahren ferngeblieben, um dort nicht in einem Ne-benverfahren zu den mutmaßlichen Straftaten Stellung nehmen und Aussagen machen zu müssen.

Anfang Juli 1998: Ziemlich ignoriert wird von der Bevölkerung das Veranstaltungsgetue anläßlich des Be-ginns der österreichischen EU-Präsidentschaft, nicht einmal die Ehrenkarten werden alle angebracht.

2.Juli 1998: Das FPÖ-Jahrbuch 1995 ist ein Jahrbuch mit (Neo)Nazitönen . Dies wurde jetzt durch das letztinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichts Wien rechtsgültig festgestellt. Der Journalist Karl Pfeifer hat damit das von Werner Pfeifenberger gegen ihn angestrebte Verfahren klar für sich entschieden. Das Ge-richt stellt fest, daß es ausreichend sei, wenn einzelne Thesen mit dem Nationalsozialismus verbunden seien, es müsse sich nicht um ein geschlossenes System NS-Gedankengutes11 handeln.

3.Juli 1998: Der Tiroler Landtagspräsident Mader schlägt vor, beide Gedenktafeln zum Gestapo-Haus einzuschmelzen und eine neue anzufertigen.

4.Juli 1998: Sonderparteitag der FPÖ in Linz. Die seinerzeitige F-Bewegung 12 wird nun auch offiziell in die Grube geschmissen, die Mitsprache von Sympathisanten bei der Kandidatenaufstellung auf Wahlkonven-ten habe sich nicht bewährt, aus der FREIHEITLICHEN BEWEGUNG wird wieder die FPÖ. Neben Politikern der anderen Parteien beschimpft Haider diesmal auch eigene Mitglieder: Schönwetterfreiheitliche, Allerwelts-politiker, mittelmäßige Mitläufer brauche man nicht. Den anwesenden Abgeordneten aus Landtagen und dem Nationalrat wird ein sogenannter Demokratievertrag zur Unterschrift vorgelegt. Der ehemalige Volks-anwalt Helmuth Jossek wird als "Bürgeranwalt" gewählt, er soll die Einhaltung der Verträge überwachen.

11 Mai 1995: Der Autor Pfeifenberger, der im freiheitlichen JAHRBUCH 1995 den Beitrag "Internationalismus gegen Nationalis-mus" veröffentlichte, verklagt den Journalisten Karl Pfeifer, weil dieser in der Zeitung der ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE ei-nen Beitrag über das F-Jahrbuch mit "Freiheitliches Jahrbuch mit (Neo)Nazi-Tönen" betitelt hatte. 18.September 1997: Erstinstanzliches Urteil im Verfahren Pfeifenberger gegen Pfeifer. Im JAHRBUCH FÜR POLITISCHE ERNEUE-

RUNG 1995, herausgegeben vom FREIHEITLICHEN BILDUNGSWERK hatte der Münchner Politwissenschaftsprofessor Werner Pfei-fenberger u.a. folgendes von sich gegeben: Immer mehr Proletarier fielen vom internationalistischen Sozialismus ab und liefen zum Nationalsozialismus über - eine unerhörte ideologische Kränkung, die das Volk den Internationalsozialisten zufügte. Es soll-te diese seine Dreistigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg als 'Kollektivschuld' bitter zu büßen haben. (..) Dieser Krieg brach nicht im September 1939 aus und endete nicht im Mai 1945. Er ist viel älter und wird als allgegenwärtiger Nachkriegskrieg bis zum heutigen Tag ausgetragen, mit anderen Mitteln, auf anderer Ebene, aber nicht weniger haßerfüllt und nicht weniger verderblich als vor einem halben Jahrhundert.“ Der Wiener Journalist Karl Pfeifer schrieb dazu in einem Artikel in der Zeitung der ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE, Pfeifen-berger habe die alte Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung wieder aufgewärmt. Pfeifenberger klagte und verlor. Karl Pfeifer hat laut Gerichtsurteil den Wahrheitsbeweis erbracht. Pfeifenberger hat inzwischen seinen Universitätsposten verloren.

12 31.August 1994: Interview mit Jörg Haider im STANDARD, er sagt u.a.: „Ich möchte mich jetzt verstärkt auf grundsätzliche Fra-gen konzentrieren. Dazu gehört, die Partei neu zu ordnen und den Weg zu definieren, wie eine freiheitliche Gesellschaft aussehen soll. Wir werden den Weg zum Bürgerrechtsstaat nicht schaffen, wenn wir den Parteienstaat nicht überwinden. Die repräsenta-tive Demokratie ist überholt. Es soll in Zukunft weder eine SPÖ, noch eine ÖVP, noch eine FPÖ geben, sondern Wahlbewegun-gen, Bürgerrechtsbewegungen, weniger repräsentative Demokratie.“

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Man kann gespannt sein, wann der erste Wähler einen FPÖ-Abgeordneten bei Jossek verklagt und wann Haider den ersten verklagen läßt...

4.Juli 1998: Nach massiver Hetze der Kronenzeitung und der FPÖ gegen die "Fäkalienkunst" des Kärnt-ners Cornelius Kolig, der die von den Nazis zerstörte Fresken seines Großvaters im Klagenfurter Land-haus ersetzen sollte, wurde die Saalgestaltung neu ausgeschrieben und der Auftrag jetzt von einer Jury wieder an Kolig vergeben. Worauf Haider eine Volksbefragung dazu fordert.

5.Juli 1998: Am Kärntner Ulrichsberg13 wird die Denkmalanlage für die deutschen Helden der Hitlerwehr-macht wieder eröffnet. Weitgehend auf Kosten des Landes und der Stadt Klagenfurt wurden die beschä-digten Teile ersetzt. Der Klagenfurter ÖVP-Bürgermeister Guggenberger flunkert in seiner Rede: Die An-wesenheit von Neonazis, gesuchten SS-Verbrechern und der Tochter von SS-Chef Himmler bei Veranstal-tungen im Zusammenhang mit den Ulrichsbergfeiern, sei eine "Propaganda-Erfindung" der Moskauer Prawda gewesen.

Nur 500 Unentwegte hatten sich zur Wiedereröffnung eingefunden. Guggenberger sah seine Kameraden von der Ulrichsberggemeinschaft durch den „verbrecherischen Anschlag“ der Ulrichsberg-Gegner „jetzt erst recht (..) noch enger zusammengeschweißt.“ Die „Wahnsinnstat vom August 1997, vollführt von ver-blendeten und unwissenden Menschen“ habe „die giftigen Nebel, ausgeblasen über die Medien, zerstreut, die den echten Sinn des Ulrichsberges verzerrt erscheinen ließen“.

In Österreich siegen eben immer die Anständigen und Gesinnungstreuen!

6.Juli 1998: Zur Abschiebung von über Ungarn eingereisten Kosovoflüchtlingen sagt eine Sprecherin des Innenministeriums, Ungarn sei ein sicheres Drittland. Seitens von Menschenrechtsorganisationen wird be-zweifelt, daß in Ungarn ein faires Asylverfahren durchgeführt wird.

7.Juli 1998: In Texas beginnt ein Prozeß gegen drei Weiße, die einen behinderten Farbigen an ihr Auto gebunden und zu Tode geschleift haben sollen. Die Staatsanwaltschaft klagt wegen Mordes unter beson-ders schwerwiegenden Umständen an und könnte gegen alle drei Angeklagte die Todesstrafe fordern.

8.Juli 1998: Das Parlament beschließt mit den Stimmen der Regierungsparteien eine Reform des Staats-bürgerschaftsrechtes. Die Staatsbürgerschaftsverleihungen werden vereinheitlicht, als Neuerung wird die Kenntnis der deutschen Sprache verlangt. Wozu man bedenkend höchstens anmerken kann, daß dadurch die Sprachen der anerkannten Minderheiten zurückgesetzt werden. Ansonsten ist dieses Verlangen sicherlich nicht unbillig.

(Euer Chronist erinnert sich an einen kanadischen Eishockeyspieler, dem in den Sechzigern die österrei-chische Staatsbürgerschaft zwecks Stärkung der Nationalmannschaft nachgeschmissen wurde, der neue Österreicher blieb später auch als Trainer hier, noch nach 15 Jahren beschränkte sich sein Wortschatz in etwa auf "bitte" und "danke", er gab seine Interviews weiterhin in Englisch.)

8.Juli 1998: Ein neuer Umvolker geht um. Nachdem seinerzeit der seinerzeitige FP-Ideologe Mölzer mit diese Nazi-Ausdruck berühmt wurde, versucht ein FP-Abgeordneter namens Lafer ihm nachzueifern. In der Debatte zum Staatsbürgergesetz befürchtete er hierzulande eine Umvolkung. Haider meint dazu, er hätte diesen "wissenschaftlichen Ausdruck" (!!) nicht verwendet, er sieht die Lage so: Einbürgerungen würden erleichtert, es drohe weitere Überfremdung, dahinter stecke ein politisches Kalkül: „Immer mehr Österreicher wandern zu den Freiheitlichen, daher schafft sich die Regierung ein neues Wählervolk zur Si-cherung der Mehrheit“, alleine in Wien sichere man sich so jährlich ein bis zwei Mandate.

8.Juli 1998: Der israelische Staatspräsident Weizman kritisiert die stramm rechtsnationalistische Politik von Regierungschef Nethanyahu und fordert ihn zu Konzessionen auf: „unser Land kann nicht so dumm sein, nicht zu begreifen, wie wichtig es für Israel ist, zum Frieden mit der arabischen Welt zu gelangen.“

9.Juli 1998: Laut einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes ist beim Asylgesetz die neue Berufungsfrist von nur zwei Tagen zu kurz. Die Bestimmung muß geändert werden. Der Innenminister stoppt Abschie-bungen von Kosovo-Flüchtlingen in sichere Drittländer.

10.Juli 1998: Haider sagt, der Wettbewerb, bei dem Kolig als Sieger hervorging (siehe 4.7.) sei gescho-ben, gewesen, die FPÖ beuge sich nicht der "linken Kulturschickeria".

10.Juli 1998: GESELLSCHAFTS-KULTUR DELPHI AUSTRIA präsentiert einen Zukunftsreport. Demnach haben

13 17.August 1997: In den Morgenstunden zerlegt ein "KOMMANDO Z.A.L.A." die Gedenkstätte der deutschen Wehrmacht und der SS am Kärntner Ulrichsberg. Auf dieser Lokalität findet bekanntlich jeweils im Oktober ein offiziell als "Heimkehrertreffen" bezeichnete Zusammenkunft statt, die sich vor allem durch die Teilnahme einer großen Zahl alter und neuer Nazis "auszeichnet". In einem Bekennerschreiben heißt es u.a. „Wir haben die Gedenkstätte Ulrichsberg angegriffen, um zu zeigen, daß die Geschich-te uns gelehrt hat, unser Wissen als Pflicht zu verstehen. Als Pflicht, die Augen offen zu halten und geschehenes Unrecht konse-quent zu bekämpfen.“

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in den nächsten Jahren immer größere Bevölkerungskreise mit Verarmung zu rechnen, dazu wird schluß-gefolgert, dies werde die Fremdenfeindlichkeit steigern.

Ganz, ganz dumme Frage dazu: Wieso wird davon nicht der Klassenkampf verschärft, bzw. überhaupt von seiten der verarmungsgefährdeten Bevölkerungskreisen aktiviert? Daß die Reichen reicher und die Armen ärmer werden: hat dies seine Ursachen in der Ausländerfrage? Augenscheinlich hat man solches den Leu-ten sozialpartnerisch zumindest indirekt eingeredet...

10.Juli 1998: Wählerverhalten laut hochgerechneter Meinungsumfrage: SPÖ 37%, ÖVP 27%, FPÖ 22%, Grüne und LiF je 7%. Seit dem Einbruch bei den FP-Stimmen wäre also auch eine "Regenbogen-Koalition" möglich.

10.Juli 1998: ÖVP-Klubobmann Khol und Generalsekretärin Rauch-Kallat gehen mit der Aussage „Es kann niemand mit ihnen, es will niemand mit ihnen“ auf deutliche Distanz zur FPÖ. Ob dieser Vorgang damit zusammenhängt, daß z.Z. eine kleine Koaltion VP-FP gar keine Mehrheit hätte? Fast könnte man auf diese Vermutung kommen!

11.Juli 1998: Traxler im STANDARD zur FPÖ-Wortmeldung betreffend "Umvolkung": „Die FPÖ möchte der größte politische Nutznießer der organisierten Kriminalität werden, indem sie ohnehin bekannte und zwei-fellos vorhandene Bedrohungen den Ausländern schlechthin als Wesensmerkmal zuschreibt, als Motiv für Zuwanderung nur kriminelle Absichten gelten läßt und für einen von ihr als real behaupteten Allgemeinzu-stand, "in dem Bandenkriminalität und mafiose Ausländer-Verbrecherorganisationen die Sicherheit des Bürgers gefährden", jene verantwortlich machen will, die Osteuropäer auch für Menschen halten.“

12.Juli 1998: In der Kronenzeitung fordert Herr Martinek vehement ein Recht auf die Verwendung von Na-zibegriffen ein. Zur aktuellen Kritik am Umvolkungsspruch des FPÖ-Abgeordneten Lafer reimt er nämlich entschlossen und hochliterarisch in den Wind:

"Umvolkung" darf man heut nicht sagen. Der Linksmacht liegt's zu sehr im Magen.

Weil nämlich das, was sie betreibt, das Wort nicht schön, doch gut beschreibt.

Doch hütet euch nur, ihr Zensoren und ihr Gesinnungsdiktatoren!

Nichts hilft es, Worte zu versenken, die viele meinen, viele denken.

Grad im Verbot gedeihn sie prächtig und werden schließlich übermächtig.

Wolf Martin

13.Juli 1998: 44 Homosexuelle hatten die extremkatholische Zeitschrift DER 13. wegen Beleidigung und Beschimpfung geklagt, eine Anzeige wegen Verhetzung war von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt wor-den. Im Prozeß blieb darum der Strafbestand der Beschimpfung von vier in der Zeitschrift abgebildeten Homosexuellen über, wofür in erster Instanz Entschädigungszahlungen verhängt werden. Kurt Dieman hatte in einem Artikel gefordert, Lesben und Schwule müßten „mit Peitsche und Ochsenziemer zurechtge-wiesen“ werden. Interessant, daß dies laut Staatsanwaltschaft keine Verhetzung darstellt. Vielleicht wird nächstens durch einen entsprechenden Autor von echt katholischer Tradition, die Steinigung oder Verbrennung gefordert werden? Weil wir gerade dabei sind, eine weitere Frage: Ist Groër schon geoch-senziemert worden?

Mitte Juli 1998: Die Rohfassung der Anklageschrift gegen Franz Fuchs ist fertig. Der Prozeß wird aber wahrscheinlich nicht wie geplant im Oktober beginnen können.

16.Juli 1998: Der NEWS-Politbarometer weist für Jörg Haider ein Minus von 6% aus.

17.Juli 1998: Eine wichtige UNO-Entscheidung: Gegen den Widerstand der USA wird mit großer Mehrheit die Gründung eines internationalen Strafgerichtshofes zur Verfolgung von Verbrechen gegen die Men-schenrechte beschlossen. Das Gericht soll (allerdings mit einer Reihe von Beschränkungen) für die Ur-teilsfindung zu Völkermord, Angriffskriegen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig sein. Die prominenten Nein-Stimmer: USA, VR China, Irak, Kuba, Israel.

Die Zuständigkeit des Gerichtshofes orientiert sich an den Klagebereichen der Nürnberger Kriegsverbre-cherprozesse gegen die führenden Nazis: Planung und Führung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

17.Juli 1998: In Kroatien soll im Herbst der Prozeß gegen Dinko Sakic, dem seinerzeitigen Kommandan-ten des KZ Jasenovac beginnen. Auch die Auslieferung seiner Frau, Nada Sakic, die Aufseherin im ge-nannten KZ war, wird bei der argentinischen Regierung beantragt.

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Über die Verbrechen des kroatischen Ustascha-Regimes sind bis heute keine exakten Unterlagen vorhan-den. Die Zahl der Terroropfer wird zumindest auf 800.000 geschätzt.

20.Juli 1998: Zwei der rechtsextremen Koalitionspartner des israelischen Ministerpräsidenten Nethanyahu drohen mit dem Austritt aus der Koalition, sollte tatsächlich über den militärischen Rückzug aus dem West-jordanland verhandelt (!!) werden. Diesen Drohungen schließt sich Likud-Rechtsaußen Ariel Sharon an. In der Folge scheitern die Verhandlungen dann erwartungsgemäß.

Zweite Julihälfte 1998: Der Streit zwischen der Schweizer Regierung und jüdischen Organisationen in den USA geht weiter. Von der Schweiz werden weiterhin hohe Entschädigungen für Holocaustopfer ver-langt, weil Schweizer Banken Geschäfte mit Nazi-Raubgold tätigten.

In der BRD fliegt auf, daß man dort schon 1970 die vorhandenen Unterlagen der ehemaligen Reichsbank über den Verbleib von Raubgold vernichtete.

21.Juli 1998: Laut Aussage des ehemaligen Sicherheitsministers des südafrikanischen Apartheidregimes hat seinerzeit Präsident Botha selbst Terroranschläge gegen oppositionelle Einrichtungen angeordnet. Darunter 1988 einen Bombenanschlag gegen den Südafrikanischen Kirchenrat.

21.Juli 1998: Der Obmann des Kulturvereins der österreichischen Roma, Rudolf Sarközi, erhält das GROSSE EHRENZEICHEN DES BURGENLANDES. Er kritisiert, daß es seit dem Bombenanschlag von Oberwart nicht viel mehr als Solidaritätskundgebungen gegeben hätte. Speziell setzt er sich dafür ein, das vom Aus-sterben bedrohte Romanes in Schulen zu unterrichten. Obwohl der Aufwand dafür relativ gering sei (zwei bis drei Lehrkräfte würden dafür vorerst genügen), heiße es immer, es kein Geld vorhanden.

22.Juli 1998: Die Kärntner SPÖ bezeichnet das Ergebnis einer Wählerumfrage (Meldung der Tageszei-tung KURIER) laut der die FPÖ in Kärnten in der Wählergunst deutlich vor der SPÖ läge, als "gezinkt". Laut der letzten Umfragen lägen SPÖ und FPÖ bei 37 bzw. 36%.

22.Juli 1998: In Linz stirbt Elisabeth Kammerstätter im 92. Lebensjahr. Sie war in erster Ehe mit Edgar Di-asek verheiratet, der der Widerstandgruppe um den späteren Sozialminister Rudolf Häuser angehörte und wegen "kommunistischer Umtriebe" im November 1941 verhaftet und im KZ Mauthausen erschossen wur-de. Lisa Diasek war im KZ Ravensbrück u.a. mit Rosa Jochmann inhaftiert, heiratete in den Fünfzigern den damaligen Landesparteisekretär der KPÖ und nachmaligen Historiker der Arbeiterbewegung, Profes-sor Peter Kammerstätter.

Zweite Julihälfte 1998: Einen schäumenden Feldzug gegen ein sechstägiges Mysterienspiel von Her-mann Nitsch veranstaltet die KRONEN ZEITUNG. Und alle, die schon immer gegen die entartete Kunst wa-ren, schäumen mit.

23.Juli 1998: NEWS bringt einen Artikel "Die FPÖ und ihr Russe", danach sollen in einem Dokument der Wirtschaftspolizei Hinweise auf Verbindungen zwischen Rosenstingl und der Russenmafia aufscheinen.

23.Juli 1998: Veröffentlichung von britischen Akten aus der Kriegszeit: Danach hatte man lange an den Vorbereitungen für ein Attentat auf Hitler gearbeitet, dann aber aus zwei Gründen auf die Ausführung ver-zichtet: Erstens sollte Hitler nicht zu einem Märtyrer gemacht werden, zweitens sorgte Hitler als Oberbe-fehlshaber durch seine Fehlentscheidungen für militärische Vorteile für die Alliierten.

24.Juli 1998: Bei den deutschen Bundestagswahlen will der ehemalige Republikaner-Chef Schönhuber für die DVU antreten. Eine gemeinsame Kandidatur von Reps, DVU und NPD kam bisher nicht zustande. Op-timisten hoffen daher, daß die Rechtsextremisten an der 5%-Hürde scheitern könnten.

24.Juli 1998: LiF-Chefin Heide Schmidt fordert den auch für Kunst zuständigen Bundeskanzler auf, die Angriffe auf Hermann Nitsch als das zu qualifizieren, was sie sind: Angriffe auf die Freiheit der Kunst, Aus-druck einer doppelbödigen Moral und Aggressivität des Fundamentalismus. Klima äußert sich anläßlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele in dieser Richtung, die Freiheit der Kunst sei Gradmesser für die Freiheit in Europa.

24.Juli 1998: Im deutschen Bundesland Brandenburg wird der Polizei untersagt, rechtsextreme Schmiere-reien auf antifaschistischen Gedenkstätten bekanntzugeben: Dadurch sollen Nachahmungstaten verhin-dert werden.

Zweite Julihälfte 1998: Der Grüne Klubchef Anschober stellt fest, daß Hitler in Haslach und Schalchen immer noch Ehrenbürger ist. In Haslach will man die Ehrenbürgerschaft aufheben, in Schalchen hält man eine Beschäftigung mit Hitler für überflüssig. Das Land OÖ. stellt dazu fest, eine Ehrenbürgerschaft erlö-sche mit dem Tod. Wäre dann z.B. ein Koref kein Ehrenbürger von Linz? Eine Ehrenbürgerschaft ist doch nicht an die lebende Person gebunden!

Die Aufhebung einer solchen Ehrenbürgerschaft bedeutet keinen nennenswerten Aufwand und hätte einen Signaleffekt. Oder ist es gerade das antifaschistische Signal, das man vermeiden will?

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25.Juli 1998: Interessantes Umfrageergebnis: Auf die Frage, wer bessere Arbeit leiste, die Regierung o-der die Opposition, geben 33% der Regierung und nur 17% der Opposition den Vorzug (der Rest bewertet beide gleich oder hat keine Meinung). Von den Oppositionsparteien erhält die FPÖ die beste Wertung, sie wird um die Hälfte besser bewertet als Grüne und LiF zusammen.

Eine Oppositionspartei, die sich wirklich für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung einsetzt, wäre eine politische Nische, die seit Jahren freisteht. Aber das interessiert niemanden...

27.Juli 1998: Der Salzburger Bischof Eder wundert sich, daß sich die „echten Künstler“ nicht dagegen ent-rüsten, wenn ein Mühl und ein Nitsch auch als Künstler bezeichnet werden. Woran wird das wohl liegen? Damit das endlich anders wird, wurde von der FPÖ schon 1993 das KULTURFORUM FREIE KUNST gegründet. „Um der Kunst willen, welche die Mitte des menschlichen Daseins ist“ - eigenartigerweise hat man dann nie wieder etwas von diesem Gremium gehört. Nicht einmal der Wolf Martin von der Kronenzeitung ist als Aktivist dieses Forums bekannt geworden!

28.Juli 1998: Haider sagt in Klagenfurt, wer Leute wie Nitsch, Mühl und Kolig fördere, der fördere auch die Gewalt., seine Bewegung wolle zwar keinen Kulturkampf, „aber wir führen ihn, wenn wir dazu gezwungen werden“. Wie man den zahllosen, von gesundem Volksempfinden strotzenden Leserbriefen in den Zeitun-gen entnehmen kann, bleibt der FPÖ gar nichts anderes übrig, wenn man die lieben anständigen Kunstex-perten im Kampf gegen die entartete Kunst nicht alleine lassen will.

Ende Juli 1998: Großer Erfolg für die Kronenzeitung: Nach ihrer Hetze gegen das ORGIEN MYSTERIEN THEATER von Hermann Nitsch erhält dieser die ersten Morddrohungen.

Anfang August 1998: In Auschwitz geht der Streit ums Kreuz14 weiter. Das Kreuz steht immer noch, Kar-dinal Glemp lehnt die Entfernung ab, von antisemitisch-katholischen Extremisten wird ein ganzer "Wald" von Kreuzen aufgestellt.

2.August 1998: Der aus der FPÖ ausgeschlossene Wiener Gemeinderat Stix will eine eigene Partei grün-den.

2.August 1998: Auch die Bank Austria soll in Zusammenhang mit dem Nazi-Raubgold auf Schadenersatz geklagt werden, da die Tochter Creditanstalt am Handel mit dem Raubgold beteiligt gewesen sein soll. Die Bank verspricht, an der Aufklärung mitzuarbeiten.

4.August 1998: Die erste EU-Institution in Wien, die EUROPÄISCHE BEOBACHTUNGSSSTELLE VON RAS-SISMUS, hat ihre Arbeit aufgenommen. Die Leiterin, Beate Winkler, sieht die Aufgabe der Einrichtung darin, Rassismus durch „Freude an kultureller Vielfalt“ zu bekämpfen.

5.August 1998: Der Kärntner SPÖ-Chef Ausserwinkler erklärt, er wolle bei den Landtagswahlen 1999 Jörg Haider eine historische Niederlage bereiten und seine Karriere in Kärnten beenden. „Bei den Land-tagswahlen am 7. März geht es um eine Richtungsentscheidung, daher ist diese Polarisierung notwendig. Die Wähler müssen sich deklarieren, ob sie einen Weg zum Wohl des Landes wollen oder den rechten Populismus eines Jörg Haider“. Seine Forderung, die stärkste Partei solle den Landeshauptmann stellen, interpretiert er auch in diese Richtung: Die SPÖ müsse die stärkste Partei bleiben.

6.August 1998: Dem nö. FPÖ-Landesrat Schimanek dürfte eingefallen sein, daß er nicht nur fürs das Wasserrecht, sondern auch für das Veranstaltungswesen zuständig ist. Er verlangt darum ein Verbot des Orgien-Mysterien-Theaters von Hermann Nitsch in Prinzendorf, weil eine öffentliche Veranstaltung gar nicht genehmigt worden sei. Die Anwälte von Nitsch sind der Ansicht, es handle sich überhaupt um keine Veranstaltung, weil kein Publikum anwesend ist, sondern nur Mitglieder des Mysterienvereins von Nitsch teilnehmen. Man einigt sich, die Aktion als private Veranstaltung fortzusetzen.

Interessant in diesem Zusammenhang: Die Kronenzeitung hatte die längste Zeit militant gegen Nitsch ge-hetzt. Als sich dann tatsächlich ein Häuflein Tierschützer und ein paar Kunstschützer (die wohl die Kunst vor der Entartung zu schützen suchten) vor dem Schloß von Nitsch, das dieser für die Aufführung verwen-dete, versammelten, und Gendarmen zur Sicherung von "Ruhe und Ordnung" anrücken mußten, verlangte das Blatt, Nitsch solle für die Kosten der Exekutive aufkommen. Sollte man nicht meinen, Dichand hätte das zu bezahlen? Ohne seine Husserei wäre ein Gendarmerieeinsatz mangels Protestierer überflüssig gewesen. Die mit einem Rechtsextremisten verheiratete Schauspielerin i.R., Brigitte Bardot, eilte auch dem Dichand zu Hilfe.

14 Mitte April 1993: Seit 1984 gehen die Auseinandersetzungen um das Karmeliterinnenkloster im ehemaligen KZ Auschwitz. Erst ein Machtwort des Papstes zwingt die Nonnen tatsächlich zum Abzug. Juden sehen das Lager als jüdischen Friedhof, auf dem andere Kultstätten nicht angesiedelt werden dürften. 22.Jänner 1995: Trotz gegenteiliger Vereinbarung nach langen Ver-handlungen (im Zusammenhang mit der Absiedlung einer Niederlassung des Karmeliterinnenordens) zwischen der katholischen Kirche und jüdischen Organisationen steht am Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz immer noch ein acht Meter hohes Kreuz.

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6.August 1998: Achja, in der Salzburger FPÖ streiten Landesobmann Schnell und 3. Landtagspräsident Wolfgang Haider wieder. Sollen sie.

6.August 1998: Drei weitere Wiener FP-Gemeinderäte werden aus der Partei ausgeschlossen. Sie hatten sich ebenfalls geweigert, Haiders "Demokratievertrag" zu unterschreiben.

7.August 1998: Zwei islam-faschistische Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania fordern hunderte Tote und tausende Verletzte. Als Drahtzieher wird der saudische Millionär Osama Bin Laden verdächtigt, ein ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf der afghanischen Fundis gegen die linke prosowjetische Regierung in Kabul.

7.August 1998: In der Schweiz einigen sich Polizei und Provider, Internet-Seiten mit rassistischem Inhalt für Zugriffe zu sperren.

7.August 1998: Ergebnis einer Meinungsumfrage: 59 Prozent meinen, daß die FPÖ als Sauberkeitspartei durch die Affäre Rosenstingl an Glaubwürdigkeit verloren habe, 21% meinen, Rosenstingl sei ein untypi-scher Einzelfall gewesen. Denn freiheitlichen "Demokratievertrag" halten 35% für sinnvoll, 25% für weniger sinnvoll und 22% für unsinnig.

8./9.August 1998: In Bayreuth findet zum Thema "Richard Wagner und die Juden" ein Symposium statt. Der Münchner Theaterwissenschaftler Jens Malte Fischer wirft Wagner besonders die Neuauflage seiner Schrift "Das Judentum in der Musik" im Jahre 1869 vor, diese Wiederveröffentlichung habe den Antisemi-tismus salonfähig gemacht, „überall ist die Schleimspur dieser unseligen Schrift zu finden. Wann immer etwa gegen Gustav Mahler polemisiert wurde, wurden Argumente benützt, die aus Wagners Schrift stammten“.

8.August 1998: Hofrat i.R. Hans Marsalek berichtet in Ö1 über sein Erleben im KZ Mauthausen. 15 Minu-ten erzählt er in ergreifender Weise über das Leiden und über den Widerstand im KZ.

Am Abend besuchen rund 7.000 Menschen die Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Errichtung des KZ Mauthausen.

Die Veranstaltung findet auch in den Medien lebhafte Zustimmung. So schreibt z.B. DIE PRESSE: „Mit ge-beugten Köpfen steigen die Besucher über die 186 steilen Stufen der Todesstiege in den "Wiener Graben" des Steinbruchs Mauthausen. (..) Aus den Teichen steigt feiner Nebel auf, es wird kühl. Später kommt noch eine innere Kälte hinzu, die nicht so leicht abzuschütteln ist. Joe Zawinul erzählt die Geschichte vom Konzentrationslager Mauthausen, das am 8. August 1938 "eröffnet" wurde, in einem berührenden und be-drückenden Klangbogen. Die Veranstaltung "Mauthausen Memorial" trägt den Titel "Wir hören Klang - wir sehen Bild - wir sprechen Wort". Der Zug fährt ein. Die Felsen leuchten rot auf und wirken bedrohlich. Frank Hofmann liest distanziert aus von Gerhard Roth zusammengestellten Briefen und Aussagen von KZ-Häftlingen vor. Joe Zawinul unterlegt diese schrecklichen Beschreibungen teilweise mit einer Musik, die an idyllische Familienabende denken läßt. Durch den Kontrast werden die Schilderungen der Greuel noch bedrückender. Mit sphärischen Klängen und tausendfach entzündeten weißen Kerzen endet das Memorial. Eine gelungene Generalprobe für die Befreiungsfeier am 7.Mai 2000. Dann spielen die Wiener Philharmo-niker unter der Leitung von Sir Simon Rattle Beethovens Neunte Symphonie; die "Ode an die Freude" in-terpretiert der Wiener Singverein.“

Die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung waren zutiefst bewegt und beeindruckt.

Als Kritik wurde geäußert, daß es möglich sein müßte, eine solche Veranstaltung ohne Verkauf von Würs-teln und Bier durchzuführen. Wenn damals die Häftlinge täglich mit dem Hungertode kämpften, dann sei es heute zumutbar, einem Memorial ohne Imbisse beizuwohnen.

10.August 1998: Leserbrief im STANDARD: „FP-Landesrat Hans Jörg Schimanek spielt sich als Richter auf: Die Aktionsspiele von Nitsch verstoßen gegen sein religiöses Verständnis; sie seien menschen- und tier-verachtend. Wo war Schimaneks religiöses Verständnis, als sich sein Sohn neonazistisch herumtrieb? Und bei seinen deutschnationalen Kriegshetzereien jungen Leuten vorführte, wie man (Unter?)Menschen mit einem schnellen Gurgelschnitt von hinten erledigt?“

10.August 1998: Leo Kuhn ist heuer 90 Jahre alt. Als der älteste noch lebende Zeitzeugen zum KZ Maut-hausen gibt er dem STANDARD ein Interview. Der ehemalige Häftling überlebte mit der Nummer 128531. In der Schreibstube hatte man seine Identität mit einem an Typhus verstorbenen Mithäftling vertauscht, um ihn zu retten.

Er sagt, daß der braune Sumpf weit davon entfernt ist, trockengelegt zu sein, es zeige sich bei den Befrei-ungsfeiern, daß im Gegensatz zu den Besuchern aus dem Ausland verhältnismäßig wenige Österreicher der Kriegs- und der nachfolgenden Generation kommen, sie wollten nicht mit dem Geschehen konfrontiert werden.

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10.August 1998: Josef Cap, der unnötigste SPÖ-Politiker, kräht wieder einmal seine Begeisterung für ei-nen NATO-Beitritt durch die Gegend und erhält dafür verdientermaßen den Beifall der FPÖ. Könnten sie dort nicht gleich den ganzen Cap übernehmen?

11.August 1998: Die deutsche Bundesregierung und die JEWISH CLAIMS CONFERENCE einigen sich über Entschädigungen für osteuropäische Holocaust-Opfer. 18.000 bisher noch nicht entschädigte Betroffene sollen 200 Millionen DM erhalten (also umgerechnet weniger als 80.000 Schilling pro Kopf).

13.August 1998: Der Jüdische Weltkongreß und die Schweizer Banken einigen sich auf einen Vergleich. 1,25 Milliarden Dollar sollen in vier Tranchen bezahlt werden. Damit sind dann alle Ansprüche im Zusam-menhang mit den sogenannten nachrichtenlosen Bankvermögen abgegolten. Die Einigung kam überra-schend, da der Anteil jüdischer Vermögen an den nachrichtenlosen Schweizer Konten von einer unabhängigen Kommission deutlich geringer geschätzt worden war.

14.August 1998: Der STANDARD veröffentlicht ein Gespräch mit Haider: Die Affäre Rosenstingl habe man verdaut, es gehe auf einer Basis von 24% weiter. Um zu zeigen, was man könne, wolle er Landeshaupt-mann von Kärnten werden und nach fünf Jahren als Kanzlerkandidat antreten. Nachdem er im Frühjahr 1999 Landeshauptmann in Kärnten werde, braucht Haider einen Spitzenkandidaten für die Nationalrats-wahl, dafür könne er sich Ewald Stadler, Susanne Riess oder einen der Landesobmänner vorstellen.

15.August 1998: Das von Robert Dürr, vormals FPÖ, jetzt "Partei Neue Ordnung", organisierte Skin-heads-Fest im burgenländischen Mönchhof findet nicht statt. Die Behörden hatten die Veranstaltung mit rechtsextremen Bands wie "Sturmtrupp" oder "Schlachthaus" untersagt. Am 14.8. fanden im Zusammen-hang damit bei Dürr und einem anderen burgenländischen Rechtsextremisten Hausdurchsuchungen statt. U.a. wird dort eine Liste mit den Privatadressen aller hochrangiger Stapo-Beamter gefunden.

16.August 1998: Haider hat wieder eine neue Idee. Parteien sind out, er könnte sich daher vorstellen, falls er mit der FPÖ nicht weiterkommt, eine neue Bewegung zu gründen. Warum so umständlich? Haider soll-te ein Volksbegehren zur Wiedereinführung der absoluten Monarchie einleiten, die Österreicher würden dies bestimmt allesamt begeistert unterschreiben und ihn dann sofort zum Kaiser Georg I.15 krönen. Als österreichischer Sonnenkaiser, der unbehindert von irgendwelchen Parteifunktionären alles alleine und al-les richtig macht, würde er ganz sicherlich als größter Österreicher aller Zeiten in die ewige Geschichte eingehen.

Seine Parteifreunde sind allerdings momentan von der Absicht, schon wieder eine neue Bewegung zu gründen, nicht sehr angetan. Vom Burgenland bis Vorarlberg wird dazu Kritik geäußert. Sein treuer Ewald allerdings versteht alles richtig und wäre dem Jörg auch in einer neuen Bewegung ein loyaler Stadler.

17.August 1998: Ein Münchner Anwalt kündigt Klagen von NS-Opfern gegen die Dresdner Bank, die Deutsche Bank und die Creditanstalt an.

Ins Gespräch kommen auch Forderungen von ehemaligen Zwangsarbeitern. In der NS-Zeit konnten Fir-men von der SS KZ-Häftlinge als Arbeitskräfte "mieten". Bereits nach Kriegsende und später nochmals in den Sechzigerjahren wurde laut Simon Wiesenthal versucht, von den Firmen Entschädigungen zu erlan-gen (in Österreich waren z.B. die Voest und Steyr-Daimler-Puch betroffen). Damals wurden Zahlungen hauptsächlich mit der Begründung abgelehnt, man habe die Zwangsarbeiter unterbringen und verköstigen müssen, an die SS seien entsprechende Zahlungen geleistet worden, man könne nicht ein zweites Mal zahlen. Zu einer Regelung ist es nie gekommen. Von staatlicher oder rechtlicher Seite gab es keine Ent-scheidungen, von den Betroffenen offenbar auch keine Versuche, das Problem auf dem Rechtsweg zu klären.

In Österreich sind erst jüngst die Ill-Werke in Vorarlberg aufgefallen: Obwohl zum Kraftwerksbau massen-haft Zwangsarbeiter aus der Ukraine eingesetzt waren, verweigert man die kleinste Entschädigungsleis-tung.

Die SS war ein wesentliches Element des NS-Staates, die BRD ist der Nachfolger des Großdeutschen Reiches - entstehen da nicht auch Verpflichtungen?

18.August 1998: Die italienische ASSICURAZIONI GENERALI kündigt einen Vergleich mit NS-Opfern an. 100 Millionen Dollar Entschädigung sollen gezahlt werden. Bekanntlich hatten sich Versicherungen nach 1945 geweigert, an Hinterbliebene von NS-Opfern Lebensversicherungen auszubezahlen. Andere Versicherun-gen signalisieren ebenfalls Zahlungsbereitschaft.

20.August 1998: Der amerikanische Anwalt Edward Fagan wandelt seine Klagsdrohung gegen die CA in ein Gesprächsangebot um.

15 Jörg is short for Georg

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21.August 1998: Dr. Robert Eiter, Sprecher der Welser INITIATIVE GEGEN FASCHISMUS stellt mit dem Histo-riker Reinhard Kannonier ein Tatausgleichmodell für straffällig gewordene junge Rechtsextremisten vor. Jugendliche Hakenkreuzschmierer und dergleichen hätten hinkünftig an zeitgeschichtlichen Schulungen teilzunehmen, die Staatsanwaltschaft würde im Gegenzug auf Strafverfolgung verzichten. Die Kosten dafür sollten von Justiz und den Teilnehmern getragen werden. Der Historiker Kannonier betont zu den jugendli-chen Rechtsextremisten, daß „viele ja gar keine Ahnung haben, was sie da tun“.

21.August 1998: Leserbrief im Kurier. FP-Gudenus ganz besonders raffiniert: „Zwischen 1918 und 1948 wurde in Österreich immer wieder im großen Stile enteignet. Die überwiegende Zahl der Vermögenswerte fiel anläßlich von Enteignungen, Arisierungen und Verstaatlichungen entschädigungslos dem Staate zu. Es haben sich also Juden wie Nichtjuden, am besten gemeinsam, an die österreichische Republik zu wenden, auf daß diese das große Unrecht endlich gutmache.“ Inflation 1924, Währungsreform 1947, Arisierungen 1938 - dem Gudenus ist alles eins!

22.August 1998: Ein Gutachten fehlt noch. Wenn es vorliegt, soll bis Mitte September eine Entscheidung fallen, ob der Psychiater Heinrich Gross wegen Mordes16 angeklagt wird.

22.August 1998: Der amerikanische Anwalt Fagan will die deutsche Firma DEGUSSA auf das gesamte Firmenvermögen klagen. Die DEUTSCHE GOLD- UND SILBERSCHEIDEANSTALT wird für die Produktion des Vernichtungsgases Zyklon B und der Verwertung des Raubgoldes mitverantwortlich gemacht.

23.August 1998: Der NS-Begriff "Umvolkung" geisterte ein paar Wochen durch die Leserbriefspalten der Zeitungen. In der Kronenzeitung darf dazu ein Ingenieur Josef Kastner aus Graz folgende Weisheit ver-künden: „Der Begriff "Umvolkung" stammt bekanntlich aus einer wissenschaftlichen Arbeit des Verhaltens-forschers Eibl-Eibesfeldt, der nicht einmal mit größten Kunststücken der Meinungsmanipulation in die Nähe des Nationalsozialismus gebracht werden kann.“ Sehen wir einmal davon ab, daß Herr Eibl-Eibesfeldt durchaus im Geruch starker Rechtslastigkeit steht (schließlich berief sich im Jahre 1990 ausgerechnet Andreas Mölzer und ausgerechnet in der AULA zum Thema "Umvolkung" auf diesen Verhaltensforscher), zufällig war in der Nummer 83 (September1998) des ANTIFA-INFO in derFolge 16 der Serie über die SS-Spitzelberichte eine Meldung vom Juni 1943 über die „günstige Entwicklung des Umvolkungsvorganges“ der burgenländischen Kroaten zu finden. Ob dies die erwähnte wissenschaftliche Arbeit des Herrn Eibl-Eibesfeldt war? Ginge sich wohl altersmäßig nicht so recht aus...

24.August 1998: Ergebnis einer Umfrage im Auftrag des STANDARD. Gefragt wurde, welche Parteien ei-nen guten, bzw. schlechten Eindruck machten. Sieger wird die SPÖ mit einem Verhältnis von 35 zu 32 zwischen gut und schlecht, die ÖVP erhält 25:36, die FPÖ 19:43, das LiF 11:36 und die Grünen bekom-men 14:36. Die Frage nach dem Wunsch, welche Partei eine "starke" sein sollte, bringt folgende Reihung: 1. SPÖ (34%), 2. ÖVP (21%), 3. FPÖ (17%), für die Grünen und die Liberalen als starke Partei sind nur 4 bis 5 %.

24.August 1998: Die OBERÖSTERREICHISCHEN NACHRICHTEN bringen unter dem Titel "Späte Abrechnung mit der NS-Vergangenheit" einen ausführlichen Artikel von Gerhard Maurer, der sich mit dem Zusammen-wirken des Vatikans mit faschistischen Regimes, der Beteiligung an den Massenmorden in Kroatien und mit der Fluchthilfe für NS-Verbrecher nach Kriegsende durch den österreichischen Bischof Alois Hudal (der im Artikel klar als ein „Anhänger des Nationalsozialismus“ geoutet wird) befaßt. Diese Thematik ist zwar schon seit langem bekannt (das ANTIFA-INFO brachte z.B. schon 1987 in der Nummer 25 einen aus-führlichen Beitrag 17 über die Untaten Hudals, was auch damals keine neue Entdeckung war und auf ältere Quellen zurückging), aber bisher wurde in der breiten Öffentlichkeit dazu geschwiegen.

Geht es jetzt endlich auch den klerikalen Faschismus-Komplizen an die Wäsche? Zeit wäre es ja, endlich über diese Connection eine Auseinandersetzung zu führen, statt es weiterhin zuzulassen, daß sich die ge-samte katholische Kirche hinter Ausnahmefällen wie Jägerstätter versteckt. Der Widerstand der Amtskir-che ging in der NS-Zeit faktisch nie über die Verteidigung der eigenen Pfründe hinaus. Kein Papst oder Bi-schof hat sich für Juden, Sozialisten, Kommunisten, Homosexuelle, Zigeuner, Deserteure oder sogenann-te Asoziale eingesetzt. Waffen gesegnet und in innigen Gebeten um Gottes Beistand für den Führer ge-fleht, das hat man allerdings regelmäßig.

16 Letzte Jännerwoche 1998: Ein Symposium auf der Baumgartner Höhe in Wien beschäftigt sich mit dem Thema "Zur Ge-schichte der NS-Euthanasie in Wien". Dort gerät die Karriere des Psychiaters Hermann Gross wieder in den Blickpunkt. Gegen den „Mörder Gross“, wie ihn Gesundheitsstadtrat Rieder bezeichnet, wird weiter ermittelt. Nach 1945 hatte NS-treuen Elemente in der Justiz mittels verschiedener Kniffe eine rechtskräftige Verurteilung von Gross, der der SPÖ beitrat, verhindert.

7.Februar 1998: Neue Erkenntnisse über die NS-Euthanasie in der Wiener Anstalt "Spiegelgrund" werden höchstwahrscheinlich zu einem Mordprozeß gegen Dr. Gross führen.

17 Zu Hudal siehe http://www.antifa-info.at/archiv/hudal.pdf

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24.August 1998: Haider fordert einen Baustopp für das Kolig-Projekt im Klagenfurter Landhaus. Der Künstler soll die Absicht haben, die Worte "Tat" und "Ort" über den Kloausgang anzubringen. Das Land-haus würde dadurch zum "Tatort" „umfunktioniert und kriminalisiert“.

25.August 1998: Die Kronenzeitung schlagzeilt Bin Laden als Hintermann des seinerzeitigen Papst-attentates: Das ist interessant, zur Zeit des Papstattentates war Mr. Laden ein enger Verbündeter der USA im Kampf gegen die prosowjetische Regierung in Kabul: Steckte dann vielleicht auch die CIA hinter dem Anschlag?

25.August 1998: Polnische Klerikalfaschisten stellen 85 weitere Kreuze in Auschwitz auf, 50 davon vier Meter hoch.

25.August 1998: Haider schaltet sich in die Diskussion über die Entschädigung der NS-Opfer ein: Auch die Sudetendeutschen sollten für ihre Vertreibung Entschädigung erhalten, fordert er. Den Unterschied sieht er dabei nicht. Die NS-Opfer haben sich nicht darum gerissen, Opfer zu sein, sie sind von einem dik-tatorischen Regime, das sie aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgte, geschädigt worden. In den Sudetengauen flammte der Deutschnationalismus immer besonders extrem auf, bei den letzten freien Wahlen in der CSR erhielt die nazistische SUDETENDEUTSCHE PARTEI über 91% der Stimmen der Sudeten-deutschen, während des NS-Regimes gab es aus dem Sudetenland besonders eifrige Agitation gegen das slawische Untermenschentum. Sicherlich betraf das nicht jeden einzelnen Sudetendeutschen, aber die Vertreibung 1945 fiel nicht ohne Vorgeschichte und Hintergrund vom Himmel.

26.August 1998: Der polnische Klerus beschließt: Das sogenannte "Papst-Kreuz", das 1979 anläßlich ei-nes Papstbesuches in Auschwitz dort aufgestellt wurde, sollte stehenbleiben, die anderen Kreuze sollten alle entfernt werden. Die jüdischen Organisationen bleiben auf dem Standpunkt, daß keinerlei religiöse Symbole in Auschwitz aufgestellt werden sollten. Der polnische Oberrabbiner Joskowicz sagt, es sei egal ob ein Kreuz oder tausend Kreuze dort stehen.

26.August 1998: Die Ausländerbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Schmalz-Jacobsen (FDP), wirft der Politik gravierende Fehler bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus vor. Vor allem sei auf dem Gebiet der ehemaligen DDR das Problem ständig verharmlost und verdrängt worden. In den "Neuen Bundesländern" ist der organisierte Rechtsextremismus im Verhältnis rund achtmal so stark wie im restli-chen Staatsgebiet.

26.August 1998: Die Wochenzeitschrift NEWS ist im bezug auf Haider das Gegenteil von der Kronenzei-tung, sie ist sozusagen sein Antisprachrohr. Wenn einem der plärrende Stil des Blattes auch den Nerv zieht, die konsequent-kritische Auseinandersetzung mit der Rechten muß man NEWS positiv anrechnen. Die Ausgabe vom 27.8. meldet für die FPÖ sehr Unangenehmes, es geht um die exorbitanten Schulden der FP-Niederösterreich, die offenbar nicht nur durch Rosenstingl in d' Scheißgass'n kam. Man listet auf:

FPÖ-Niederösterreich (Landespartei) 45 Mio. FPÖ-Landtagsklub 18 Mio. Ring freih. Wirtschaftstreibender 20 Mio. Wohnbaugesellsch. FREIE ZUKUNFT 131 Mio. Wohbaugesellsch. FREIES WOHNEN 155 Mio.

Summe: 369 Mio.

Vorerst gibt es FP-seitig wütende Dementis, Zahlen aus dem Traumbüchel und so weiter.

27.August 1998: Auch das Thema der Schadenersatzleistungen für NS-Opfer wird in dieser NEWS-Ausgabe behandelt. Bis 750.000 Zwangsarbeiter sollen auf dem Gebiet der seinerzeitigen Ostmark den Firmen kostengünstig zur Verfügung gestellt worden sein. Für den Arbeitseifer sorgte die SS: Die Firmen konnten Zwangsarbeitskräfte, die nicht die erwartete Zwangsarbeitsleistung erbrachten, der SS melden, was entsprechende Folgen hatte. Allein im Mai 1944 sollen ca. 3.000 solche Meldungen abgegeben wor-den sein.

Firmen mit Zwangsarbeiter gab es massenhaft: Die Hermann-Göring-Werke (die spätere Voest, Steyr-Daimler-Puch, Aluminiumwerke Ranshofen, Linzer Stickstoffwerke, die AEG, Brown-Boveri, die Baufirmen Universale, Stuag, Hofman & Maculan, Mayreder usw).

Dieses Thema wird man wahrscheinlich nicht so schnell vom Tisch haben. Die Firmen haben damals ihre Wertsteigerung, die ja auch nach Kriegsende und Währungsreform erhalten blieb und der Grundstock für heutige Bedeutung war, auch durch Sklavenarbeit erwirtschaftet.

27.August 1998: NEWS bringt ein weiteres interessantes Thema: Skinheads in Österreich. Der aus Deutschland ausgewiesene Karl Polacek gilt als ein Vor"denker" der rechtsextremen Kahlköpfe. Nachdem

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der Rieder Staatsanwalt18, der mit seinen Erhebungen seit Jahren zu keinem Ende gekommen ist, in den Ruhestand trat, darf der 64jährige Herausgeber des "Braunauer Ausgucks" jetzt doch in absehbarer Zeit mit der Einleitung eines Verfahrens nach dem Verbotsgesetz rechnen.

27.August 1998: Nach den Dementis folgen jetzt Bestätigungen: Die FP-NÖ steht vor dem Bankrott, die Schulden werden vom FP-Bundesfinanzreferenten Trattner insgesamt (inklusive FP-Wohnungsgesell-schaften) mit 307,8 Millionen beziffert. Alle Parteiangestellten in Niederösterreich werden gekündigt, das seinerzeit von Bischof Krenn19 eingeweihte St.Pöltner Parteihaus wird aufgegeben. Der Vorarlberger FP-Chef Gorbach spricht von einer „Mischung aus kaufmännischer Unfähigkeit, Dummheit, und kriminellen Handlungen“. Die staatliche Parteiförderung der nächsten Jahre müßte zur Schuldenabdeckung verwendet werden, aber LH Pröll läßt prüfen, ob nicht die Zahlung von Geldern aus der Parteienförderung an eine zahlungsunfähige FP-NÖ einzustellen wäre.

28.August 1998: Die FP-NÖ als "gläserne Partei" ist zwar nicht durchsichtig, aber in Scherben. Sie wird wahrscheinlich am 31.8. den Ausgleich beantragen. Schimanek hat die Übeltäter für die Zahlungsunfähig-keit seiner Partei entlarvt: Die schwarz-roten Banken hätten einen "Vernichtungsfeldzug" gestartet.

29.August 1998: Auch Jörg Haider hält das Fälligstellen von fälligen Wechseln für eine "Schweinerei". Man werde dann eben in Konkurs gehen, in dem Fall erhielten die Banken gar nichts. Wie sang seinerzeit der Qualtinger: „Wenn einem auch die Banken Gelder leih'n, ein Tropfen ist 's auf einen heißen Stein, aber damit ist 's noch nicht genug: sie woll'n s' auch z'ruck!“

29.August 1998: Haider weiß die Schuldigen zum Finanzdesaster der nö. FPÖ: Die Banken hätten ers-tens die Kredite nicht gewähren und zweitens nicht fällig stellen dürfen, dies sei aber auf Weisung der ÖVP geschehen. Eine Behauptung, die mit dem Umstand kollidiert, daß sich die FP sogar eine Beteiligung an der Hauptgläubigerbank überlegt haben soll.

Ende August 1998: Ergebnis einer Umfrage, welche Partei ist am besten für welches Problem geeignet: Die SPÖ siegt bei der Sozialpolitik (40%), bei den Arbeitsplätzen (33%), bei Wirtschaftsfragen (!! 32%), die FPÖ bei den Ausländern (27%) und der Bekämpfung von Mißständen (ebenfalls 27%), die Grünen sind bei der Umweltpolitik vorne (30%), die ÖVP und das LiF sind nirgends Erster. Am interessantesten ist die Frage: Welche Partei tritt am ehesten für den "kleinen Mann" ein:

1. SPÖ mit nur 27%, 2. FPÖ mit immerhin 20%, 3. schon die ÖVP, aber nur mit 10%, 4. die Grünen mit beschämenden 5%, 5. das LiF mit nicht überraschenden 3%.

Also ist die Mehrheit (35% !!!) der Meinung, daß überhaupt keine Partei für den "kleinen Mann" eintritt, was sicherlich sehr gut beobachtet ist. Als alter 68er könnte man meinen, daß hier eigentlich ein breite politi-sche Nische frei läge...

31.August 1998: Die nö. FPÖ meldet den Ausgleich doch nicht an, es beginnen Verhandlungen mit den Banken. Die beiden Wohnungsgesellschaften haben ja einigen Besitz, die Partei selbst hängt auch nicht ganz trocken in der Luft.

1.September 1998: Der neue nö. FP-Chef Schimanek hält alle Probleme der Partei für lösbar.

2.September 1998: Universitätsprofessor Dr. Georg Stacher erzählt in einem STANDARD-Interview zum geplanten Symposion über die Rolle der Wiener Ärzteschaft in der NS-Zeit, daß in Wien mehr Ärzte zu den Nazis tendierten als in Deutschland, mehr als die Hälfte der Fakultätsmitglieder der Universität wurden entlassen, nach 1945 ließ man die emigrierten Ärzte wissen, Wien sei "überarztet", man könne nur drin-gend raten, die in der Emigration errungene Position weiter zu behalten.

3.September 1998: Die Vorschläge Österreichs zur Verschärfung des Asylrechtes stoßen auch in Deutschland auf wenig Gegenliebe. Bezeichnenderweise finden sie nur bei der CSU Zustimmung: „endlich wagt sich einer an die heilige Kuh der Flüchtlingskonvention“. Man hört danach nicht mehr viel zu diesem österreichischen Vorstoß.

18 27.November 1997: Die Staatspolizei führt im Umkreis des seinerzeitigen VAPO-Gauleiters Günter Reinthaller in Salzburg und Oberösterreich eine Reihe von Hausdurchsuchungen durch, bei denen einschlägige Druckschriften und andere Materialien beschlagnahmt werden. Zielobjekt der Ermittlungen ist auch der aus Deutschland ausgewiesenen Karl Polacek, gegen den seit vier Jahren Ermittlungen laufen, die nach Angaben des Grünabgeordneten Öllinger vom Rieder Staatsanwalt Heinrich S., einem Burschenschaftler, verschleppt werden.

19 15.April 1994: In St.Pölten weiht Bischof Krenn die neue Parteizentrale der FPÖ ein. Er spricht vom Auftrag zum Guten und Wahrhaftigen, wer zu Gott aufschaue, könne auch die Vorurteile gegenüber politischen Parteien überschreiten, der Herr wohne in der Parteizentrale und es herrsche darin Güte und gegenseitiges Verstehen.

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3.September 1998: Ganz besonders blöd gestylter Journalismus in NEWS: In einer "Sommerbilanz" gibt es einen Abschnitt: "Jubiläen & Jahrestage (Gefeiert, getrauert, gejube lt und gedacht)" , darin wird aufge-listet: • 100 Jahre Ermordung von Kaiserin Sisi • 80 Jahre Gunther Philipp (Ohrenwackler) • 80 Jahre Franz Antel (Starregisseur) • 60 Jahre Mauthausen . Bedenk-Akt im Steinbruch • 60 Jahre Karl Moik • 50 Jahre Otto Waalkes usw.

Die Signatur dieser Idiotie lautet "Edda Graf". Zu schade, daß bei der Gedenkfeier in Mauthausen nicht der Gunther Philipp unter der Regie vom Antel zum Gesang von Moik mit den Ohren waalket...

5.September 1998: Wahlmeinungsumfrageresultat: SPÖ 40%, ÖVP 26%, FPÖ 22%, Grüne 6%, LiF 6%. Ergäbe in etwa an Mandaten: 73, 48, 40, 11, 11. Ampelkoalition also 95:88.

5.September 1998: Der Historiker Thomas Böhmer stellt fest, daß nach 1945 auch SPÖ und ÖVP Dru-ckereien, Verlage und Kinos für sich genutzt hätten, die ihnen „vor dem Zweiten Weltkrieg nicht gehört“ hätten. Zur Klärung der seinerzeitigen Vorgangsweise bei der Rückstellung bzw. Nichtrückstellung von "a-risiertem" Besitz wird eine Historikerkommission eingerichtet.

7.September 1998: Die Historiker Bertrand Perz und Florian Freund listen die Zwangsarbeiter in der sei-nerzeitigen Ostmark auf: 70 – 80.000 KZler, 80 – 100.000 Kriegsgefangene, 580.000 zivile Ausländer, da-von 200.000 aus der Sowjetunion und 100.000 aus Polen. Der Status der ausländischen Arbeiter war un-terschiedlich. Es gab echte Freiwillige (z.B. Italiener), denen schlimmstenfalls die Beendigung ihrer Ar-beitskontrakte unterbunden wurde, es gab Verschleppte, die aber entlohnt wurden, es gab echte Sklaven.

Zu den Unterlagen von Firmen über diese Arbeitskräfte stellt der Historiker Florian Freund fest, daß sie „auffallend oft angeblich einem Brand zum Opfer gefallen“ sind.

7.September 1998: Ein schwerer Schlag gegen die volkstümlichen Umgangsformen der Exekutive. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet, daß sogar Ausländer mit "Sie" angesprochen werden müssen. Dabei hätten die Ausländer das "Du" doch viel besser verstanden:

8.September 1998: Sonderlandtagssitzung in Klagenfurt zum Thema Kolig-Fresken. Wenige Stunden vorher eine Bombendrohung: „Hören Sie gut zu. Bombe im Landhaus. Kein Spaß. Bombe im Landhaus. Kolig darf nicht fertigmachen. Heil Haider“. Bombe wurde keine gefunden.

9.September 1998: Haider hat eine Wohnung im Wiener "Sacher" mit einer Monatsmiete von 35.000 Schilling, die die FPÖ zahlt. Steuerschonende Konstruktion für die 167 m2 große Wohnung: Sie werde auch von Gästen und für Besprechungen genutzt, Haider somit nicht der Wohnungsinhaber (was als Na-turalbezug steuerpflichtig wäre), sondern nur ein "Bettgänger".

9.September 1998: Haider auf der FP-Klausur in Pörtschach: Die Bundesregierung handle bezüglich die geplante EU-Osterweiterung wie eine "Besatzungsmacht" und begehe "Landesverrat".

10.September 1998: Im Zusammenhang mit der Debatte über die Rückgabe von Raubkunst fordert Hai-der Wiedergutmachung für alle, auch für die vertriebenen Sudetendeutschen, was von den anderen Par-teien entsprechend kritisiert wird.

Dazu zwei Anmerkungen: Renner sagte im Juni 1945 in einer Regierungssitzung über die Sudetendeut-schen: „Die deutschen Südmährer sind eine große Verlegenheit. Der größte Teil der Bevölkerung dieser Gegenden besteht aus Nationalsozialisten und die sind, wenn sie zu uns herüberkommen, eine Gefahr.“ Schließlich hatten bei den letzten freien Wahlen in der CSR vor dem "Münchner Abkommen" von 1938 die Sudetendeutschen zu über 90% die nationalsozialistisch ausgerichtete Partei Henleins20 gewählt. Die Su-detendeutschen waren zwar auch Opfer, aber nicht aufgrund von rassistischen Wahnvorstellungen. Bei

20 Truppen der deutschen Wehrmacht marschieren am 1. Oktober 1938 in das Sudetengebiet ein. Die Tschechoslowakei verliert ein Fünftel ihres Staatsgebiets und 3 630 000 Einwohner, darunter 800 000 Tschechen. Im Sudetengebiet leben zum überwiegen-den Teil Deutsche. Sie wurden nicht unterdrückt, verfügten aber auch nicht über volle Autonomie. Nach der Machtübernahme Hitlers im Deutschen Reich (1933) gewann die nationalsozialistische Sudetendeutsche Partei unter Konrad Henlein zunehmend an Einfluß. Sie schürte, unterstützt vom Deutschen Reich, Unruhen, ging bei Wahlen mit Terror vor und unternahm in der Zeit vom 12. bis zum 14. September 1938 einen Aufstandsversuch im Egerland. Am 22. September trat die Prager Regierung zurück. Grundlage für den deutschen Einmarsch ist der Abschluß des Münchner Abkommens vom 29. September 1938. Dort hatten Großbritannien, Frankreich und Italien Hitlers Forderung akzeptiert, die überwiegend von Deutschen bewohnten Sudetengebiete zu annektieren. Die Tschechoslowakei nahm an dieser Konferenz nicht teil und mußte sich den Bedingungen beugen. (aus: Chro-nik des 20. Jahrhunderts)

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der Debatte über die sogenannten Benes-Dekrete, mit denen 1945 die Ausweisung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei angeordnet wurde, stellt man diese jetzt immer wieder in einen Zusammen-hang mit der kommunistischen Vergangenheit der Tschechoslowakei. Nun wird man sicherlich den Stali-nisten mehr als genug Untaten vorwerfen können, Benes war aber kein Kommunist, sondern der Nachfol-ger des bürgerlichen Begründers der CSR, Masaryk. Die Kommunisten gelangten erst 1948 in der CSR an die Macht, Benes trat daraufhin zurück.

11.September 1998: Das Oberlandesgericht Linz findet in einer Berufungsverhandlung statt vier Monat Haft, eine Geldstrafe von 24.000.- Schilling plus 20 Monate bedingt für einen totgetretenen "Sandler"21 für genügend, dadurch sei „ausreichend signalisiert, daß derartige Verbrechen mit Härte (!!!!!!) geahndet wer-den“. Auf ihr Skins, 24.000 Schilling sind doch kein Geld! Jeder Hirsch auf der Pirsch kostet mehr! Nur umgebrachte Juden in den meisten österreichischen NS-Prozessen waren noch billiger zu haben.

11.September 1998: Vor 25 Jahren putschte General Pinochet in Chile gegen die Regierung des Sozialis-ten Allende. Der ehemalige faschistische Diktator von Chile verweigert heute sogar noch eine Entschuldi-gung bei den Angehörigen der 3.200 Ermordeten und der über 1.000 bis heute Verschwundenen. Be-kanntlich verweigerte das chilenische Parlament ja die Auslieferung des Senators auf Lebenszeit an die Gerichte. Der faschistische Drecksack kann daher unbehindert seine zynischen Sprüche klopfen.

Bei Demonstrationen zum Jahrestag geht die Polizei in gewohnter Gewalttätigkeit vor, was zu drei Toten und 77 Schwerverletzten führt.

13.September 1998: Wahlen in Bayern. Die CSU verteidigt mit 52,9% die absolute Mehrheit, die SPD muß sich mit 28,7% bescheiden, die Grünen bleiben mit 5,7% im Landtag, die rechtsextremen Republika-ner scheitern mit 3,6%.

14.September 1998: Victor Wagner, Präsident der größten jüdischen Organisation, B'nai B'rith, kündigt eine Klage gegen Haider an, weil dieser bei der Fernsehpressestunde am 13.9. behauptet hatte, die „jüdi-sche Freimaurerloge“ hätte ein "Femegericht" über ihn abgehalten. Wagner sagt u.a.: „In einer Zeit in der sicher viele Menschen Existenzängste haben, kann man diese leicht auf seine Seite bringen, wenn man gegen die Juden auftritt, die von der Republik schon wieder Geld haben wollen.“ Er setzt sich dafür ein, die Diskussion über mögliche Entschädigungen in Ruhe zu führen.

15.September 1998: Die Anklage gegen Franz Fuchs ist fertig, der Prozeß gegen den des Bombenterrors Verdächtigen soll Anfang 1999 in Graz beginnen.

16.September 1998: Das Landesgericht Wien rehabilitiert den Kärntner Holzarbeiter Gregor Wohlfahrt. Dieser war als Mitglied der ZEUGEN JEHOVAS 1942 wegen Wehrdienstverweigerung hingerichtet worden.

17.September 1998: Der Versuch der evangelischen Gemeinde Eisenstadt-Neufeld, die burgenländische Bischöfin Gertraud Knoll abzuwählen, scheitert, nur 13 von 58 Delegierten stimmen gegen Knoll. Die Geg-ner Knolls hatten ihr vor allem ihre Kritik an der FPÖ negativ angerechnet.

18.September 1998: Der Finanzsprecher der FPÖ, Gilbert Trattner, gibt bekannt, daß die Bundes-FPÖ Mittel für die Schuldentilgung in Niederösterreich zur Verfügung stellen wird. Dadurch hofft man auf eine Einigung mit den Banken, was dann auch gelingt.

19.September 1998: Beim Landesparteitag der FP-Salzburg setzt sich der umstrittene Landesobmann Schnell mit 82% der Delegiertenstimmen klar durch.

Zweite Septemberhälfte 1998: Das Wiener Büro der jüdische ANTI-DEFAMATION LEAGUE (Liga gegen Ver-leumdung) veranstaltet einen Schülerwettbewerb, in dem zu einem Vergleich der Pogromnacht ("Reichs-kristallnacht" im Nazi-Jargon) vom 9.11.1938 mit dem heutigen Fremdenhaß aufgefordert wird. Das führt zu einer Anfrage der FPÖ an die Unterrichtsministerin, Klubobmann Stadler möchte gerne wissen, ob Eli-sabeth Gehrer die Landesschulräte aufgefordert hätte, die Schulen „aus Anlaß des 60. Geburtstages der Pogromnacht“ zur Teilnahme zu ermuntern. Da feiert man den 60. Geburtstag einer seinerzeit so erfolgrei-chen volkstümlichen Aktion und schon dürfen die Juden wieder hetzten in den Schulen?

20.September 1998: Wahlen in Schweden. Sozialdemokraten 131 Sitze (161), Moderate Sammlungspar-tei 82 (80), Linkspartei 43 (22), Christdemokraten 42 (15), Zentrumspartei 18 (27), Liberale Volkspartei 17 (26), Grüne 16 (18). Festzustellen ist also eine verstärkte Ausprägung des linken (Linkspartei) und rechten (Christdemokraten) Flügels des politischen Spektrums.

21 10.November 1997: In Wels hatte ein 17jähriger einen "Sandler" zu Tode getreten, wohl aus Renommiersucht. Er erhält dafür eine Haftstrafe von zwei Jahren, davon vier Monate unbedingt. Das Gericht bezeichnet die Strafe als "exemplarisch". Es ist also "exemplarisch", für einen Totgetretenen glatt enorme vier Monate zu sitzen?

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21.September 1998: Die Stiftung "Deutsch-polnische Versöhnung" wird sich in Hinkunft auch für Entschä-digungen für polnische Zwangsarbeiter durch Betriebe der ehemaligen Ostmark einsetzen. Die noch le-benden 20.000 Zwangsarbeiter sollen jeweils 70.000 Schilling erhalten, zusammen also 1,4 Milliarden.

21.September 1998: Zur Frage der Sudetendeutschen wollen Bundeskanzler Klima und der tschechische Premier Zeman eine Historikerkommission einsetzen. Klima spricht sich gegen eine Verknüpfung mit der EU-Osterweiterung aus, da eine bilaterale Frage nicht europäisiert werden sollte.

21.September 1998: Nach letzten Umfrageergebnissen liegen in der BRD CDU/CSU und SPD in der Wählergunst angeblich Kopf an Kopf. Die Grünen demonstrieren schon ihre erhoffte zukünftige staats-tragende Funktion: Sie fordern die Ostdeutschen auf, SPD und nicht PDS zu wählen, Joschka Fischer meint, er würde lieber in Opposition gehen, als einer von der PDS tolerierten rotgrünen Regierung anzuge-hören.

25.September 1998: In Klagenfurt wird der von Cornelius Kolig neu gestaltete Saal im Landhaus eröffnet. Nachdem die FPÖ und die Kronen Zeitung monatelang gegen den "Fäkalienkünstler" Kolig gehetzt hatten, ihn unterschwellig sogar mit Kindesmißbrauch in Verbindung brachten, die Krone Leserbriefe und die FPÖ Unterschriften sammelte, fiel im Vorfeld der Eröffnung Jörg Haider all diesen anständigen Feinden der entarteten Kunst in den Rücken. Er besah sich die Ausstellung und schüttelte Kolig sogar die Hand.

25.September 1998: In Kalsdorf in der Steiermark verleiht der SPÖ-Bürgermeister dem Bürgermeister der NS-Zeit posthum den Ehrenring. Wegen seiner Verdienste um Volksschulrenovierung und Sportplatzer-richtung. Ein herzliches "Heil Hitler!" dem Bürgermeister Helmuth Adam!

27.September 1998: In Frankreich verliert die NATIONALE FRONT Le Pens bei einer Nachwahl ihren einzi-gen Parlamentssitz.

27.September 1998: Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern, die SPD erhält 27 Sitze (23), die CDU 24 (30), die PDS 20 (18). Die Grünen und die FDP scheitern ebenso an der 5%-Klausel wie DVU, NPD und Reps.

27.September 1998: Wahlen in Deutschland. Es siegt die SPD mit 40,9% (1994: 36,4), die CDU und die CSU fallen auf 35,1% (41,5), Grünen erhalten 6,7 (7,3), die FDP bekommt 6,2 (6,9) und die PDS 5,2 (4,4). Die rechtsextremen Parteien DVU, NPD und Republikaner scheitern auf Grund des getrennte Antretens an der 5%-Klausel.

Die PDS schafft zwar auch vier Direktmandate, sichert sich den Einzug aber generell durch das Über-schreiten der 5%-Klausel, der Linkspartei gelang es, in Westdeutschland ihre Position mit einem ca. 25%-igen Zuwachs deutlich zu verbessern. Nachdem die Staaten des sogenannten realen Sozialismus fast die gesamte Linke mit in ihren Untergang gerissen zu haben schienen, zeigt sich jetzt langsam, daß sich doch auch links von Sozialdemokratie und Grünen noch politisches Leben entwickelt, was im Zeitalter der Glo-balisierung Hoffnung gibt. In der EU regiert jetzt in den meisten Staaten wieder die Sozialdemokratie – man müßte davon auch gesellschaftspolitische Auswirkungen erwarten dürfen. Daß Joschka Fischer ge-gen die PDS auftritt, ist klar: Er weiß, daß die bildungsbürgerlichen Grünen im linken Spektrum nirgends zu einer Art geschäftsbelebenden Massenkonkurrenz der Sozialdemokratie werden können und darum keine normative Zukunftsperspektiven haben.

Die Gefahr des Rechtsextremismus ist in der BRD natürlich nicht gebannt. Die deutschen Rechten wären bei einem gemeinsamen Antreten wohl an die dritte Stelle gelangt. Es ist anzunehmen, daß sie denselben Fehler hinkünftig vermeiden und das nächste Mal mit einer Liste antreten werden. In der BRD, wo es kein Verbotsgesetz von der Schärfe des österreichischen gibt, ist weiterhin mit Parteien zu rechnen, die bei uns im Sinne des §3 des Verbotsgesetzes 22 behördlich aufgelöst würden.

28.September 1998: In Wien wird am Judenplatz von Bürgermeister Häupl, Kulturstadtrat Marboe und dem Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, der Grundstein für das Holocaust-Mahnmal gelegt. Es soll die Namen der rund 65.000 ermordeten österreichischen Juden tragen und bis Ende 1999 fertiggestellt sein.

Zur Erinnerung: Die Gedenkstätten für die für „Führer, Volk und Vaterland“ Gefallenen sind in allen öster-reichischen Gemeinden schon seit Jahrzehnten fertiggestellt. Für die Opfer des politischen Naziterrors und für die anderen NS-Opfer (Roma, Sinti, Homosexuelle, Christen, Zeugen Jehovas, Wehrdienstverweigerer und Deserteure) ist die Erstellung von namentlichen Gedenkstätten ebenfalls noch zu vollbringen.

22 Der Absatz §3(g) verbietet ausdrücklich jedwede Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus, nach der ständigen Rechtspre-chung dazu reicht es aus, sich im Sinne einzelner NS-Aspekte zu betätigen, laut Verfassungsgerichtshof ist „die kompromißlose Ablehnung des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik“.

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29.September 1998: Der STANDARD veröffentlicht in einer Serie über die "Arisierungen" in Österreich die Geschichte über das Bärental Haiders. Einem italienischen Staatsbürger und Holzhändler jüdischer Her-kunft namens Georg Roifer gehörten in der Gegend von Feistriz rund 1500 Hektar Berg und Wald. Der Besitzer verstarb 1938, seine Witwe Mathilde konnte als Italienerin nicht so ohne weiteres enteignet wer-den, daher wurde die auf der Liegenschaft lastende Hypothek fällig gestellt und mit einer Zwangsversteige-rung gedroht. Der ehemalige geschäftliche Vertreter von Roifer in Kärnten, ein gewisser Götz, war inzwi-schen der NSDAP beigetreten und kaufte der Witwe um 10.000 RM (das wären heute etwa 500.000 Schil-ling) das Sägewerk ab. Der italienische Staatsbürger Josef Webhofer aus Bruneck in Südtirol wollte sich (im Zuge der von Hitler und Mussolini vereinbarten Absiedlung der deutschsprachigen Südtiroler) in Kärn-ten niederlassen und wandte sich 1940 an die Reichsforststelle in Berlin wegen des Ankaufs des Bärentals zum Preis von 300.000 RM (15 Millionen Schilling nach heutigem Geld). Webhofer saß in der Parteileitung der Südtiroler NSDAP und schaffte es, den ganzen Besitz tatsächlich zu erhalten, obwohl die Reichsforst-stelle selbst auch 600 Hektar davon haben wollte. Frau Roifer hat den Kaufpreis nie erhalten und klagte deshalb 1954 den seit 1941 im Grundbuch eingetragenen Webhofer mit einem Streitwert von 850.000 Schilling (das wären heute ca. 4,5 Millionen). Die Verhandlung endete mit einem Vergleich. Webhofer zahl-te 840.000 Schilling, dafür sei alles vom Kaufvertrag von 1940 bereinigt. Insgesamt soll (nach Angaben des Sohnes von Georg Roifer) die Familie von Götz und Webhofer nach heutigem Geld etwa 18,7 Millio-nen Schilling erhalten haben. Das Bärental wird jetzt allerdings auf einen Wert von 180 bis 200 Millionen geschätzt. Haider erhielt die Liegenschaft vom Sohn Webhofers 1986 überschrieben.

Der Gesamtwert der 4.353 in Österreich laut einer NS-Liste vom 1.2.39 zu arisierenden Betriebe wird in der Serie mit knapp 7 Milliarden heutigen Schilling angegeben. Es wurden damals die Betriebe in jüdi-schem Besitz überwiegend geschlossen, da es sich meist um Klein- und Kleinstfirmen handelte.

30.September 1998: In Tschechien werden zum 60. Jahrestag des sogenannten "Münchner Abkommens" (mit dem Hitler, Mussolini, Chamberlain und Daladier die Abtretung des Sudetenlandes an Hitlerdeutsch-land vereinbarten, ohne das betroffene Land, die CSR, in die Verhandlungen einzubeziehen) auch kriti-sche Töne zu den "Benes-Dekreten", mit denen 1945 die Austreibung der Sudetendeutschen angeordnet wurde, laut. Sowas dürfe ein demokratischer Staat nicht in seiner Rechtsordnung haben, meint etwa Bo-humil Dolezal, ein ehemaliger Berater von Vaclav Klaus.

1.Oktober 1998: Der Grünabgeordnete Andreas Wabl erhält auf Beschluß von SPÖ und ÖVP keinen Ein-blick in den Spitzelakt, der vom Heeresnachrichtendienst über ihn angelegt wurde. So ist das in Österreich: Die Schnüffeleien der Austro-Stasi haben geheim zu bleiben! Womöglich stellte sich sonst heraus, daß es auch in Österreich "informelle Mitarbeiter" gewisser Spitzeldienste gibt!

2.Oktober 1998: Im seit Jahren laufenden Verfahren in der Causa Doralt 23 gibt es ein weiteres Urteil ge-gen Haider. Da der vom obersten Gerichtshof verordnete Widerruf durch Haider wieder Beleidigungen enthielt, gibt es eine Geldstrafe von 257.400 Schilling.

3.Oktober 1998: Immer schön ausgewogen agiert der Papst. Auf seinem Besuch in Österreich hatte er ein Opfer der Terrorjustiz der Nazis seliggesprochen, bei seinem Besuch in Kroatien tut er dasselbe für ei-nen berüchtigten Kollaborateur der Ustascha-Faschisten, den Kardinal Stepinac. 24

4.Oktober 1998: In Kärnten zeigt sich wieder das traditionelle Österreich. „Der Geist der Waffen-SS domi-nierte beim Ulrichsbergtreffen“ schreibt z.B. der STANDARD über die Zusammenrottung der noch lebenden Fans der Hitler-Wehrmacht und SS. Die Kameradschaft IV ist immer noch für die Ehre, die Treue heißt. VP-Zernatto und SP-Außerwinkler, die eifrig um Kameradenstimmen buhlen, haben kein Leiberl: Die Heil- und Hochrufe der Teilnehmer gelten dem Richtigen: Jörg Haider! Es ist einfach zum Kotzen, wie die Funk-tionäre der Großparteien unbeirrbar jedem gebräunten Haufen ihre Referenz erweisen. Ohne diese anschmeißerische Zuneigung wäre es vielleicht doch einmal möglich, die unbeirrbaren Altnazis dorthin zu bringen, wohin sie gehören: Auf den Misthaufen der Geschichte!

4.Oktober 1998: In Tirol erhält ein deutschnationalistisches Symbol einen bleibenden Platz. Trotz der Pro-teste von Südtiroler Politikern wird die berüchtigte Dornenkrone von "aufrechten Tirolern" um den Unter-nehmer Arthur Thöni in Telfs endgelagert. Auch der Tiroler Landeshauptmann und der Innsbrucker Bür-germeister nehmen an diesem überflüssigen Spektakel teil.

5.Oktober 1998: Die Anklage gegen Franz Fuchs ist rechtskräftig: Vierfacher Mord, zweifacher Mord-versuch, mehrfache schwere Körperverletzung u.a.m. werden dem Verdächtigen vorgeworfen.

23 7.Juni 1994: Die Attacke Haiders gegen den Innsbrucker Finanzrechtler Doralt von 1992 (im Zusammenhang mit dessen Be-werbung um den Rechnungshofpräsidenten) endet damit, daß Haider im Fernsehen in einer FP-Belangsendung eine Ehre-nerklärung gegenüber dem Angegriffenen abgeben muß. 24 Voraussichtlich werden wir in einer der nächsten Nummern einen ausführlichen Beitrag zu diesem Thema bringen – es muß ihn nur noch wer schreiben

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5.Oktober 1998: Der US-Anwalt Fagan weitet seine Klage von Holocaustopfern auch gegen die Bank Austria und die CA aus.

6.Oktober 1998: Österreich stellt weitere 102 Millionen Schilling für die NS-Opfer zur Verfügung, der Be-trag entspricht dem letzten Anteil des rückerstatteten Währungsgoldes von 1938 der Nationalbank.

7.Oktober 1998: Vor 60 Jahren demonstrierten in Wien nach einer Messe zum alljährlichen Rosenkranz-fest Gruppen katholischer Jugendlicher gegen das NS-Regime. Am nächsten Tag stürmte die HJ das erz-bischöfliche Palais in der Rotenturmstraße und verwüstete es. In einem Festakt mit Kardinal Schönborn wird an die damaligen Ereignisse erinnert. Fünf junge Menschen wurden damals ins KZ eingeliefert. Der einzige noch Lebende, Hermann Lein, freut sich zwar, daß sich die Kirche endlich an diesen Akt des Wi-derstandes offiziell erinnert, ist aber enttäuscht, daß in einer dazu herausgegebenen Broschüre nicht der Opfer der Aktion gedacht wird.

7.Oktober 1998: Wieder Troubles bei den Freiheitlichen in NÖ. Für den flüchtigen Rosenstingl soll ein gewisser Windholz in den Nationalrat nachrücken. Aber der im Mai vorläufig aus dem NR ausgeschiedene Hermann Mentil will wieder zurück und gibt keinen Verzicht ab. Worauf er blitzesschnell aus der Partei ausgeschlossen wird.

Erste Oktoberwoche 1998: In Lettland werden nachträglich die Gebeine von 53 lettischen SSlern mit mili-tärischen Ehren beigesetzt.

Erste Oktoberwoche 1998: In Litauen wird das Verfahren gegen Kazys Gimzauskas, dem seinerzeitigen Vize-Leiter der Sicherheitspolizei von Wilna (bis 1944) wegen kranksheitsbedingter Verhandlungsunfähig-keit des Beschuldigten eingestellt. Sein ehemaliger Chef Lileikis wird noch von den Ärzten untersucht. Die beiden waren 1996 von den USA ausgebürgert worden. In Österreich war Franz Muhrer, der "Schlächter von Wilna", anfangs der Sechzigerjahre freigesprochen worden.

8.Oktober 1998: Heute wäre Helmut Qualtinger siebzig Jahre alt geworden. Mit dem "Herrn Karl" schuf er 1961 die Figur des Österreichers, den es angeblich überhaupt nie gegeben hat: „I maan, schaun S', was ma uns da nachher vorg'worfen hat - des war ja alles ganz anders; da war a Jud im Gemeindebau, a ge-wisser Tennenbaum, sonst a netter Mensch, da ham s' so Sachen gegen die Nazi g'schrieben g'habt auf de Trottoir und der Tennenbaum hat des aufwischen müssen, net er allane, de andern Juden eh aa - hab i ihm hing'führt, daß er's aufwischt und der Hausmasta hat zuag'schaut und hat g'lacht, er war immer bei aner Hetz dabei. Nach 'n Krieg is er z'ruckkumma, der Tennenbaum. Is eahm eh nix passiert. Hab i eahm auf der Straßen troffen. I grieß eahm freundlich: "Habedieehre, Herr Tennenbaum!" Der hat mi net ang -schaut. I grüaß ihn no amal: "'dieehre, Herr Tennenbaum!" Er schaut mi wieda net an. Hab i ma denkt, na bitte, jetzt is er bees (...) Alles, was man darüber spricht heute, is ja falsch, es war eine herrliche, schöne ... ich möchte diese Erinnerung nicht missen.. Dabei hab ich ja gar nichts davon g'habt. Andere, mein Lieber, de ham si' g'sundg'stessen, Existenzen wurden damals aufgebaut, G'schäft'n arisiert, Häuser, Kinos! I hab nur an Jud'n g'führt. I war a Opfer.“ (aus "Der Herr Karl").

Das Noch-Zeiler-Fernsehen hielt es nicht für notwendig, zum Siebziger auch nur eine einzige Sendung mit Qualtinger zu bringen.

9.Oktober 1998: Ein typisches Beispiel eines anständigen Leserbriefes in der KRONEN ZEITUNG:

Sippenhaftung In einer dem Katholischen Presseverein gehörenden kleinformatigen Kärntner Tageszeitung empörte sich eine Frau Andrea Bergmann unter der Überschrift "Punzierung" darüber, daß bei der heurigen Ulrichsberg-feier ,"Fahnenbänder der Hilfsgemeinschaft für in Not geratene ehemalige SS-Angehörige und deren Fa-milie" zu sehen waren. Von der sprachlichen Holprigkeit ganz abgesehen, ist diese Bemerkung ein klarer Fall von Sippenhaftung. Warum sollte man sich nicht für in Not geratene Familienmitglieder (wessen im-mer) einsetzen dürfen?! Was ist daran schlecht, wo ist das Problem, außer in den Köpfen mancher Redak-teure? Auch das Wort "Heil" bringt so manchen Redakteur ins geistige Trudeln, darf das katholische Kleinformat beispielsweise nun nichts mehr über den "Heiland" schreiben? Wird ab sofort über Heilungen von Krank-heiten durch ärztliche Kunst oder durch Wunder (z.B. in Lourdes) nicht mehr berichtet werden dürfen? Insgesamt wundert man sich schon manchmal darüber, welche Irrwege von Journalisten krampfhaft ge-sucht und auch gefunden werden, nur um zu verdecken, daß sie auf einem Auge blind sind. Frau Berg-mann ist jedenfalls baldige Heilung ihrer teilweisen Blindheit zu wünschen.

Dr. Peter Mussi, Klagenfurt

Das Heilen ist ein Problem, schon seinerzeit haben alle gerufen "Heil Hitler!", aber keiner hat den Hitler geheilt, viele wurden selber krank und gingen zur SS. Um diese armen Behinderten und ihre Angehörigen

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kümmert sich die HIAG 25, wo die Krankheit chronisch blieb, schreitet man auch heute noch zur Wallfahrt, aber nicht unbedingt nach Lourdes. Blind sind vermutlich die, die inzwischen den Führer und seinen Weg des Heils aus den Augen verloren haben und deswegen gar auf krampfhafte und unanständige antifa-schistische Irrwege geraten sind.

Erste Oktoberhälfte 1998: Das Antifa-Komitee Linz fordert ein Auftrittsverbot für die "Böhsen Onkelz". Die Band war seinerzeit deswegen berüchtigt, weil sie Musik für Rechtsextreme machte. Zwar hat sie sich später mehrmals um Distanzierungen von dieser Szene bemüht, richtig gelungen ist dies aber nie.

11.Oktober 1998: Der Papst spricht Edith Stein heilig. Frau Stein war jüdischer Abkunft, konvertierte aber zum Katholizismus und wurde Nonne. 1942 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft aus einem holländi-schen Kloster nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Kritiker sprechen von einer Vereinnahmung Edith Steins durch die Kirche.

11.Oktober 1998: Haider ist zwar im Kampfe gegen den "Fäkalienkünstler" Kolig ausgefallen, die KRONEN ZEITUNG aber macht weiter. Ab 12.10. soll die Neugestaltung des Landhaussaales allgemein zugänglich sein, da muß ein "h.d." (ob das "Hans Dichand" heißen könnte?) noch einmal vom Leder ziehen. Ihm ge-fällt der Saal nicht! Daher handelt es sich um eine „schwerwiegende Fehlhandlung der Kärntner Landesre-gierung, eine Mißachtung des Willens der Wähler. Regierende können alles tun, aber sie werden dafür be-zahlen müssen.“ Der Dichand wird ihnen seinen Wählerwillen schon beibringen!

Die KRONEN ZEITUNG beweist in derselben Nummer, daß sie den Wählerwillen immer achtet. Die Leser der KRONE wählten die beliebtesten Sänger, es siegte Hansi Hinterseer vor Brunner & Brunner und Andy Borg. Ein Vorbild! Man sollte all diese Debatten auf diese Art entscheiden. Dann bekäme Konsalik noch den Lite-raturnobel-, Nimmerrichter den Purlitzerpreis und vielleicht als Höhepunkt käme sogar der Peter Kraus in die ROCK'N'ROLL HALL OF FAME!

12.Oktober 1998: Ergebnis einer Meinungsumfrage in Kärnten. In Hitlers treuestem Gau liegt die Sache zur Zeit so: SPÖ und FPÖ je 33%, ÖVP 27%, Wahlbündnis Demokratie 99 (Grüne, LiF, Slowenen) 6%.

13.Oktober 1998: Walter Kohn erhält den Nobelpreis für Chemie. Der Preisträger stammt aus Wien und mußte nach 1938 emigrieren, seine Eltern wurden aus rassistischen Gründen ermordet. Man schaue sich einmal die österreichischen Nobelpreisträger an: Bemerkenswert viele davon sind jüdischer Abkunft. Die "Säuberung" Österreichs durch die Nazis hat unser Land um unersetzbares intellektuelles Potential ge-bracht, das sollte man sich auch des öfteren vor Augen halten.

13.Oktober 1998: Der STANDARD erhält einen Brief mit dem Briefkopf der "Bajuwarischen Befreiungsar-mee". Obwohl auch zur Einzeltäterschaft von Franz Fuchs noch Fragen offen sind, eine Beteiligung von Mittätern daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, dürfte der Brief eher ein zweifelhafter Gag sein.

13.Oktober 1998: Laut Außenministerium wurden von 1945 bis 1994 insgesamt 120 Milliarden Schilling für NS-Opfer ausgegeben. Diese Meldung ist eine Frechheit, auf jiddisch "Chuzpe". 1994 geisterte das Ge-rücht durch die Medien, es seien bisher 200 bis 300 Milliarden Schilling an Entschädigungen geleistet wor-den. Damals wurde in die umgekehrte Richtung dementiert: Ohne die Renten- und Pensionszahlungen seien nur 7,5 Milliarden Schilling an alle NS-Opfer gezahlt worden. Jetzt, da neue Klagen drohen, rechnet man andersherum und zählt alle Pensionsleistungen und Opferversehrtenrenten hinzu und hat plötzlich 120 Milliarden. Das Angebot an getätigten Entschädigungen richtet sich offenbar auch nach dem jeweili-gen Nachfrager.

17.Oktober 1998: Elfriede Jelinek erhält den Büchner-Preis. Man möchte wetten: Auch das ist mit dem Wählerwillen vom Dichand nicht vereinbar (siehe 11.10.).

17.u.18.Oktober 1998: Nach der Auflösung des Dichterstein-Vereins in Offenhausen trifft man sich heuer im Gasthaus von FP-Gemeinderat Lauber im Rahmen einer geschlossenen Versammlung der "Arbeits-gemeinschaft für demokratische Politik" (siehe DÖW-Rechtsextremismus-Handbuch Seite 110-118). An Teilnehmern und Referenten ist die übliche Szene zu erwarten.

17.Oktober 1998: In London wird auf ersuchen Spaniens der chilenische Faschistendrecksack Pinochet wegen Mordverdacht vorläufig festgenommen. Während der Zeit der Pinochetdiktatur waren in Chile auch zahlreiche Spanier ermordet worden.

18.Oktober 1998: In der ersten Runde der Parlamentswahlen in Mazedonien liegen die bisher oppositio-nellen Nationalisten deutlich voran.

20.Oktober 1998: Der mutmaßliche Bombenbauer Franz Fuchs erhält einen neuen Pflichtverteidiger.

25 HIAG: Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Soldaten der Waffen-SS, das bundesdeutsche Gegenstück zur SS-Kameradschaft IV

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20.Oktober 1998: Die Evangelischen Kirchen Österreichs wollen bei ihrer für die letzte Oktoberwoche ge-plante Generalsynode eine Erklärung zum Verhältnis "Juden und Christen" verabschieden. Es soll darin u.a. heißen: „Mit Scham stellen wir fest, daß sich unsere Kirche für das Schicksal der Juden und ungezähl-ter anderer Menschen unempfindlich zeigte. Sie hat sich 1938 von einem Gemisch aus großdeutschen Gedanken, der Los-von-Rom-Bewegung, dem biologisch-politischen Rassismus und von Sündenbockme-chanismen hinreißen lassen und ist dem Rad nicht in die Speichen gefallen. So sind nicht nur einzelne Christen, sondern auch unsere Kirchen am Holocaust mitschuldig geworden”.

21.Oktober 1998: Die PSK veröffentlicht eine Liste mit 7.000 "schlafende" Kontos von mutmaßlichen NS-Opfern.

21.Oktober : Der künftige deutsche Kanzler Gerhard Schröder spricht sich für eine Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter aus.

22.Oktober 1998: Die LINZER RUNDSCHAU berichtet über den Versuch der VOLKSHILFE, im sogenannten "Rosenhof" in Linz-Süd fünfzig Kosovo-Flüchtlinge unterzubringen. In der Vorbereitung werden die Anrai-ner zu einer Informationsveranstaltung geladen., die sich zu einer Nazi-Kundgebung entwickelt. „Die gehö-ren in die Baracken von Mauthausen, dann kann man den Ofen gleich wieder anheizen” oder „das Haus ist genauso groß wie in Lübeck” (in Lübeck gab es in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Auslän-derbetreuung immer wieder Brandanschläge). Die Saat der Ausländerhetze steht also in voller Blüte. Zwei anwesende FP-Gemeinderäte müssen gar nicht mehr ihre Ideologie verbreiten und das Wort gegen die Errichtung des Heimes ergreifen. Die VOLKSHILFE verzichtet nach dieser Kundgebung volkstümlicher Mord-lust auf die Einrichtung des Flüchtlingsheimes. Die Ankündigung von Ausländerpogromen bleibt offenbar ohne Folgen für die potentiellen Mörder. Heute wundert man sich immer noch darüber, daß sich in der NS-Zeit so viele bereitwillige Massenmörder fanden. Offenbar wären sie auch heute problemlos zu rekrutieren.

23.Oktober 1998: Wieder Kurioses von Peter Sichrovsky. Der FP-EU-Abgeordnete beschuldigt Ursula Stenzel (ÖVP) des Antisemitismus. Sie hatte nämlich zu einem Brief Sichrovskys an alle EU-Mandatare mit einem Hilfeersuchen zur Gründung einer orthodoxen Jüdischen Gemeinde geäußert, Sichrovsky rühre für einen „mehrfach angeklagten mutmaßlichen Betrüger” die Werbetrommel. Der Aufruf war nämlich von einem gewissen Eli Gampel mitunterzeichnet, gegen den als vormaligen Vorsitzenden der Jüdischen Ge-meinde Halle staatsanwaltliche Ermittlungen laufen, was auch vom jetzigen Vorsitzenden der Gemeinde bestätigt wird.

27.Oktober 1998: Eine Fuchs-Aussage (laut PROFIL): „Heute sehe ich nicht ein, daß einer, der einen jüdi-schen Grabstein umwirft, gleich zehnmal soviel Strafe bekommt, als wenn er einen katholischen Grabstein umwirft.” Wie war das doch gleich? Franz Fuchs ist (laut KRONEN ZEITUNG) kein Rechtsextremist? Mag in-soferne stimmen, als die obige Meinung vermutlich nicht nur unter Neonazis Zustimmung finden dürfte.

28.Oktober 1998: Das oberste Londoner Zivilgericht hebt den Haftbefehl gegen Pinochet auf. Der chileni-sche Faschistenchef genieße Immunität. Das Verfahren geht in die nächste Runde.

28.Oktober 1998: In der rechtsextremen NATIONALEN FRONT in Frankreich gibt es heftige Machtkämpfe zwischen Le Pen und seinem Vize-Führer Bruno Mégret.

29.Oktober 1998: NEWS berichtet über den "Waffennarren" Rudolf Pechlof, der wegen illegalen Waf-fenhandels fünf Monate abgesessen hat. Über den Funktionär eines Lambacher Sportschützenvereins heißt es: „Im Wohnzimmer salutieren dichtgedrängt sechs lebensgroße Puppen in Nazi-Uniformen. An den Wänden, dort, wo früher Karabiner und Pistolen samt passender Munition und eine guterhaltene Haken-kreuzfahne angebracht waren, hängen heute "bloß" Dutzende Dolche und Nazi-Abzeichen...” Für welche Partei könnte sich solch ein engagierter Volksgenosse interessieren? Na was wohl, in seiner Heimatge-meinde Edt stand er 1997 auf der FPÖ-Wahlliste für den Gemeinderat. So ein Zufall!

29.Oktober 1998: Die Regierung bestellt folgende Historikerkommission zur Aufarbeitung der Enteignun-gen der NS-Zeit: Clemens Jabloner, Bertrand Perz, Lorenz Mikoletzky, Brigitte Bailer-Galanda, Roman Sandgruber, Raul Hilberg.

29.Oktober 1998: Am Wiener Judenplatz wird eine christliche Gedenktafel enthüllt, in der es nunmehr 26 heißt, christliche Prediger hätten gegen die Juden und ihren Glauben gehetzt.

Ende Oktober 1998: Am 1. November marschieren jedes Jahr die Waffen-SSler mit der Magistratsmusik zur Kranzniederlegung am Salzburger Friedhof auf. Als auch heuer wieder eine antifaschistische Kranz-niederlegung angekündigt wird, verlangt der Salzburger Polizeichef Schweiger, daß diese Kranzniederle- 26 Im ersten Entwurf sah sich die katholische Kirche nicht als Täter: 20.November 1997: Die katholische Kirche will auf Initiative von Erzbischof Schönborn am Wiener Judenplatz eine Gedenktafel zum mittelalterlichen Judenpogrom mit erzwungenem Mas-senselbstmord und 200 Verbrennungen (1420/21) anbringen. Darin soll der Satz stehen: „Heute wird sich die Christenheit ihrer Mitschuld an den Judenverfolgungen immer deutlicher bewußt und erkennt ihr Versagen“.

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gung als Veranstaltung anzumelden sei. Die SSler müßten dies nicht, weil ihre Veranstaltung "Tradition" habe. Da hat er zweifellos recht, der Herr Polizeichef. Nazis und SS: Das ist Tradition, Antifaschismus hingegen hat keine Tradition!

1.November 1998: SS-Kränze und antifaschistische Kränze am Salzburger Friedhof. Polizeichef Schwei-ger ist persönlich anwesend. Die Antifaschisten legten einen Kranz mit der Schleife „Wir gedenken der De-serteure, ermordet von der Waffen-SS” nieder und streuten Zettel mit den Namen von SS-Opfern. Es gibt Anzeigen: Gegen zwei Altnazis wegen des Tragens verbotener Abzeichen und gegen Teilnehmer der anti-faschistischen Gedenkkundgebung, die untersagt worden war, weil die SS-Kundgebung dadurch gestört würde. Heil Hitler!

Anfang November 1998: Die Gendarmerie in Freistadt zerschlägt eine neonazistische Skin-Bande. Unter Anleitung eines 23jährigen hatten 16 Skins immer wieder Gewaltakte verübt und ihre Opfer eingeschüch-tert. bei den Ermittlungen wurden neben Waffen auch nazistische Materialien sichergestellt.

Anfang November 1998: Gegen den faschistischen Ex-Diktator von Chile, Pinochet, werden in verschie-denen Ländern weitere Anzeigen von ehemaligen Opfern erstattet, auch in Österreich.

3.November 1998: In Telfs in Tirol bildet sich eine Bürgerinitiative zur "Entsorgung" der berüchtigten Dor-nenkrone, man habe Telfs die Krone ungefragt auf das Haupt gedrückt.

3.November 1998: Der FP-Wirtschaftssprecher Thomas Prinzhorn tritt nach Meinungsverschiedenheiten mit Haider zurück und aus der FPÖ aus. Er legt auch sein Nationalratsmandat zurück.

3.November 1998: Der erwartete Rechtsruck bei den Zwischenwahl in den USA bleibt aus. Der republikanische Wahlkampfaufhänger "Präsidenten-Sex" bringt den Demokraten Zugewinne.

4.November 1998: Der "Club Österreichischer Katholiken", eine extrem rechtskonservative Gruppe um den FP-Funktionär Stadler, wird am "Dialog für Österreich" der katholischen Kirche nicht mehr teilnehmen. Stadler sagt, der Dialog sei bestenfalls eine zum Scheitern verurteilte Funktionärsmeuterei.

5.November 1998: Der Entwurf des Stapo-Gesetzes sieht vor, daß die Stapo im Auftrag von internationa-len Organisationen und Konzernen (!!!) bei Stellenwerbern "Sicherheitsüberprüfungen" vornehmen darf (womöglich war ein Bewerber vielleicht einmal in einer linken Organisation engagiert). Europaweit sollen die Telefonfirmen zur Auskunft über Telefonverbindungen verpflichtet werden.

6.November 1998: Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, äußert, daß etwa 30% der Deutschen antisemitisch eingestellt sind.

7.November 1998: Der ausgeschlossene FP-Abgeordnete Mentil behauptet, daß bei einer FP-Ver-anstalung in Mödling Klubobmann Stadler gesagt hätte, Haider müsse weg, was von Stadler energisch dementiert wird.

7.November 1998: Nach der Absage des Amerikaners Raul Hilberg wegen Arbeitsüberlastung wird als Nachfolger Avraham Barkai für Historikerkommission nominiert. Barkai ist u.a. als Autor des Fachbuches "Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus" bekannt geworden.

9.November 1998: Vor sechzig Jahren fanden in ganz Großdeutschland antisemitische Pogrome statt ("Reichskristallnacht"). In Österreich gibt es eine Reihe von Gedenkveranstaltungen. In Graz wird aus die-sem Anlaß der Grundstein für die Wiedererrichtung einer Synagoge gelegt. In OÖ. findet in Wels eine Ge-denkveranstaltung statt.

9.November 1998: Ergebnis einer Meinungsumfrage zum Wahlverhalten mit Stand Ende Oktober: SPÖ 40%, ÖVP 25%, FPÖ 21%, Grüne 7%, LiF 5%. Das wären in Mandaten ungefähr: SPÖ 75, ÖVP 47, FPÖ 39, Grüne 13, LiF 9, ergäbe weiterhin eine Ampelmehrheit.

9.November 1998: Laut PROFIL sieht sich Heinrich Gross, gegen den seit Monaten ein Ermittlungsverfah-ren wegen des Verdachtes der Ermordung behinderter Kinder in der NS-Zeit läuft, als "nicht verhandlungs-fähig".

9.November 1998: Eine interessante Sache wird öffentlich bekannt. Die "Vereinigung österreichischer In-dustrieller" sponsert Mitarbeiter von SPÖ, ÖVP, FPÖ und LiF, im EU-Parlament nur von ÖVP und FPÖ. Man sollte gelegentlich das LINKS und RECHTS nicht nur ideologisch, sondern auch als praktische Wi-derspiegelung der kapitalistischen Klassengesellschaft sehen.

10.November 1998: Die SPÖ ist gegen die gesetzliche Festschreibung von weitreichenden Rechten für die Militärspitzeldienste, wie z.B. Lauschangriffe. Eigentlich sollte ein besonderer Militärgeheimdienst zur Bespitzelung der Bevölkerung nicht gesetzlich geregelt, sondern gesetzlich verboten werden. Zwei Anekdoten zur militärischen Sicherheit: In den frühen Siebzigerjahren ließ sich ein Präsenzdiener die damalige oö. KPÖ-Zeitung "Neue Zeit" täglich in die Kaserne schicken. Er wurde zum Bataillonskomman-danten geholt, der ihn energisch belehrte, daß es verboten sei, für die Sowjetunion zu spionieren. Ein Be-

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rufssoldat der Kaserne Hörsching, der dem Alkohol nicht besonders abgeneigt war, begab sich in den spä-ten Siebzigerjahren in die CSSR, um dort sein vermeintliches militärisches Geheimwissen zu verkaufen. Er wurde hinauskomplimentiert und berichtete nach der Rückkehr, seine Vernehmer hätten sich in Hörsching besser ausgekannt als er. Vielleicht hatte der militärische Geheimdienst einen anderen Abonnenten der "Neuen Zeit" übersehen?

10.November 1998: Als überzogen und kontraproduktiv bezeichnet Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, die Klagen des US-Anwaltes Fagan im Zusammenhang mit jüdi-schen Entschädigungsforderungen. Auch in der JÜDISCHEN RUNDSCHAU (Schweiz) hat Fagan eine schlech-te Presse.

Erste Novemberhälfte 1998: In Rußland fällt ein Abgeordneter der KP mehrmals mit antisemitischen Hetzreden auf. Albert Makaschow verlangt z.B. eine Begrenzung der Zahl von Juden auf wichtigen Äm-tern. Seine Parteiführung weist die Sprüche des ehemaligen Generals nur sehr dezent zurück.

16.November 1998: Ursprünglich war beabsichtigt gewesen, alle österreichische Nachbarstaaten im Asyl-gesetz als sichere Drittstaaten zu deklarieren. Davon wird nun Abstand genommen, sichere Drittstaaten sollen per Verordnung festgelegt werden.

17.November 1998: Die Auseinandersetzungen in der NATIONALEN FRONT in Frankreich gehen weiter. Führer Le Pen darf aufgrund eines Gerichtsurteils bei den Europawahlen 1999 nicht kandidieren, er will seine Gattin als Ersatzfrau aufstellen, was aber auf die heftige Ablehnung von Vize-Führer Mégret stößt, der selber Spitzenkandidat sein möchte. In der Folge schmeißt vorerst Le Pen Mégret und seine Anhänger aus der Partei.

17.November 1998: Von den Grünen und dem LiF werden die Entwürfe zum Sicherheitspolizeigesetz und zum Militärbefugnisgesetz kritisiert. „Südamerikanische Diktaturen wären über einen solchen Zustand er-freut” meint Madeleine Petrovic.

19.November 1998: In Chile wird ein Grab mit 19 Leichen, Opfern der Pinochet-Diktatur, entdeckt.

Nach Mitte November 1998: Im rechtsextremen AULA-Verlag erscheint ein Buch "1848 - Erbe und Auf-trag", zu dem auch der deutsche Kardinal Ratzinger einen Beitrag verfaßte (Freiheit und Wahrheit). Her-ausgeber des Buches sind Otto Scrinzi (seinerzeit SA-Sturmführer) und Jürgen Schwab (jüngst Teil-nehmer der NDP-Kundgebung in Passau). Anständiger Volksgenosse, der Kardinal!

20.November 1998: Anläßlich der Berichterstattung der österreichischen Bischöfe im Vatikan weißt der Papst Vorstellungen von einer "Kirche von unten" zurück. Die Wahrheit komme von oben, meint er. Man sollte sich dazu vielleicht anschauen, wie sehr sich diese Wahrheit im Laufe der Zeit geändert hat. Z.B. lernte Euer Chronist seinerzeit in der Volksschule noch, im Stande der "Todsünde" hätte man gute Chan-cen in die "Hölle" zu kommen. Das ist jetzt gut 40 Jahre her. Hört man heute von der offiziellen Kirche noch was von ewigen Höllenstrafen? Wer wird diese "Wahrheit von oben" so abgeändert haben?

21.November 1998: In einem Gespräch mit österreichischen Journalisten fragt der Vatikanbeamte Kurt-Peter Gumpel in einer Diskussion über die Selisprechung von Papst Pius XII., ob es den Kritikern von jüdi-scher Seite (die dem Papst sein Schweigen zum Holocaust vorhalten), um Pius XII. ginge „oder darum, die katholische Kirche anzugreifen”. Wenn es um Angriffe auf die Kirche ginge, dann müsse man sich an-schauen, was es von jüdischer Seite gegen die Christen gegeben habe. In den talmudischen Büchern sei-en unakzeptable Äußerungen gegen das Christentum zu finden, bereits um das Jahr 1000 habe man ge-gen Jesus und Maria gewütet, das Kommunistische Manifest sei jüdischen Ursprungs, ebenso die Aussa-ge, Religion sei Opium für das Volk 27. 80% der ersten Sowjetregierung seien Juden gewesen, Juden hät-ten den Kommunismus betrieben, einigen jüdischen Kritikern ginge es darum, Christen unter Druck zu setzen und zu demütigen. Die Angriffe gegen Pius XII. hätten mit dem Drama "Der Stellvetreter" von Hochhuth begonnen, dabei hätte der Papst tausende Dankschreiben von Juden erhalten, denn er hätte 800.000 Juden gerettet.

Wie schön! Zu schade, daß sich von den 800.000 Juden bisher keine an die Öffentlichkeit gewandt haben, um diese Rettung zu dokumentieren!

Frage: Wozu entschuldigen sich andere katholische Funktionäre für den Antisemitismus?

22.November 1998: Wahlen in Südtirol. Die SÜDTIROLER VOLKSPARTEI behauptet mit gut 53% die absolu-te Mehrheit, die ALIENZA NAZIONALE (neuer Name der Neofaschisten) wird mit 11,4% Zweiter, eine davon

27 Wie üblich wird falsch zitiert, die Stelle (Marx-Engels-Werke, Band 1, Seite 378) lautet richtig: "Das religiöse Elend ist in ei-nem der Ausdruck des wirklichen Elends und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes", also des Volkes, nicht für das Volk

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abgespaltene orthodox-faschistische Liste erhält auch ein Mandat, die Grünen erhalten 7%, die weit rechts stehende UNION FÜR SÜDTIROL bekommt 4,7%, die DEMOKRATISCHE PARTEI SÜDTIROLS, eine neue Gruppie-rung 4%, die FREIHEITLICHEN fallen von 6 auf 2%.

24.November 1998: Innenminister Schlögl legt einen "Staatsschutzbericht" vor. Die größte Gefahr sei die organisierte Kriminalität, auf die bereits über 30% der Straftaten entfielen. Die Rechtsextremen seien da-bei, sich neu zu organisieren, Skinheads würden verstärkt geschult und eingebunden, die Altnazis spon-sern mit nicht unwesentlichen Mitteln einschlägige Vorfeldorganisationen für die „Pflege ihres Gedanken-gutes”.

25.November 1998: Dem Generalsekretär der monarchistischen Paneuropabewegung, Wolfgang Krones und seiner Frau wird vorgeworfen, im Spendensammlerverein WORLD VISION mehrere Millionen Schilling unterschlagen zu haben. World-Vision-Vorstandsmitglied Karl Habsburg ist entsetzt.

25.November 1998: Fünf britische Lordrichter entscheiden: Chilo-Faschist Pinochet ist nicht immun, er muß bis zur Entscheidung über eine Auslieferung nach Spanien in Gewahrsam bleiben. Angeblich weinte Pinochet bei der Urteilsverkündung. Wie traurig! In Chile kommt es zu Freudenkundgebungen der Antifa-schisten und zu Protestdemonstrationen der Pinochet-Faschisten. Die chilenische Regierung verlangt die Heimkehr von Pinochet. Im Zusammenhang mit der Pinochetfestnahme kommt in Österreich wieder der seinerzeitige Botschafter in Chile, Anton Segur-Cabanac in die Diskussion. Dem offenen Sympathisanten des Faschistenputsches wird vorgeworfen, er habe indirekt an der Verschleppung von chilenischen Antifa-schisten mitgewirkt.

27.November 1998: Gegen die Stimmen der Grünen, der Liberalen und der SP-Abgeordneten Ablinger wird das neue Asylgesetz beschlossen, mit dem der Innenminister im Verordnungsweg die sicheren Dritt-staaten festlegen kann.

27.November 1998: Aus der untersten Schublade des Antisemitismus kämen die Äußerungen des Vati-kan-Funktionärs Gumpel. Dies schreibt der Präsident des Koordinierungsauschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Gerhard Bodendorfer in einem Brief an Nuntius Squicciarini, das Verhalten Gumpels zeige, daß, er sich nicht auf dem Boden der aktuellen kirchlichen Lehre befinde.

29.November 1998: Bei Regionalwahlen erleidet die rechtsnationalistische indische Hindu-Partei eine schwere Niederlage.

30.November 1998: Avraham Barkai zieht seine Zusage zur Teilnahme an der österreichischen Histori-kerkommission zurück, der 77jährige meint, er habe das Ausmaß der Arbeit unterschätzt. Als Nachfolger wird der britische Historiker Robert Knight eingesetzt. Knight hatte sich schon vor Jahren sehr kritisch mit der Verschleppungstaktik der österreichischen Regierungen der Nachkriegszeit (Buch: "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen") auseinandergesetzt, darum wollte man ihn wohl auch vorerst nicht in der Kommission haben.

30.November 1998: In Washington beginnt eine internationale Konferenz über die Rückgabe der Raub-beute der Nazis.

Ende November 1998: Es wird nach gewiesen, daß der Wahlkampf von Karl Habsburg durch Spenden-gelder aus der World-Vision-Kasse mitfinanziert wurde.

Anfang Dezember 1998: General Motors und Ford hätten in ihren Niederlassungen in Hitlerdeutschland für die Rüstung produziert und Zwangsarbeiter beschäftigt, berichtet die WASHINGTON POST. Henry Ford war bekanntlich auch ein militanter Antisemit.

Anfang Dezember 1998: Der 66jährige Karl Polacek ("Vater der Skins") wird in Ried wegen NS-Wie-derbetätigung zu 18 Monaten bedingt verurteilt.

1.Dezember 1998: Der polnische Ministerpräsident verspricht, daß die umstrittenen Kreuze im ehemaligen KZ Auschwitz entfernt werden.

1.Dezember 1998: Der Sohn von Pinochet verteidigt die Massenmorde seines Vaters, dieser habe keine Menschen, sondern Bestien exekutieren lassen.

7.Dezember 1998: Wieder ein Ergebnis einer Meinungsumfrage: 42% (!!) SPÖ, 25% ÖVP, 19% FPÖ, 6% Grüne, 5% LiF. Weiterhin leuchtet der Regenbogen!

7.Dezember 1998: PROFIL-Interview mit Otto Habsburg. Der EU-Abgeordnete der CSU ist empört, weil sein Sohn Karl immer häufiger wegen der Teilfinazierung von dessen Wahlkampf durch unterschlagene Spendengelder zum Rücktritt aufgefordert wird. Habsburg senior sagt: „Karl wird angegriffen, weil er den gewissen gelben Stern trägt, den Namen Habsburg. Die armen Juden haben ja Entsetzliches mitgemacht. Ich denke oft an sie in dem Zusammenhang.” Was für eine bodenlose Unverschämtheit. Was an Ver-gleichbarem ist dem Junior zugestoßen? Muß er, von SA bewacht, das Trottoir aufwaschen, hat man ihm

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seine Wohnung demoliert und ausgeraubt? Muß er emigrieren, muß er ins Ghetto? Kommt er ins Vernich-tungslager? Mit Recht spricht der SPÖ-Abgeordnete Guggenberger von einer „unfaßbaren Entgleisung”.

8.Dezember 1998: Ein Leserbrief in der Kronen Zeitung vom 8.12. zeigt, daß nicht nur der Besitzer einer Kronenzeitungshälfte, "Cato" Dichand, ein unbeirrbarer Fan vom Krenn ist: Während die Demoralisierung immer unverschämter wird, ließ sich Kardinal Schönborn etwas Besonderes einfallen. Er zeigte den glaubens- und papsttreuen Diözesanbischof Krenn an, der für Halt und Hilfe su-chende Gläubige in schwankenden Kirchenzeiten oft eine unverzichtbare Hoffnung darstellt. Frage an den Kardinal: Haben Sie schon einmal die zahlreichen Demoralisierer, Religionsverhöhner oder Gotteslästerer angzeigt?

Hofrat i.R. Dr. Otto Rosskopf, Perchtoldsdorf

Rosskopf ist den Antifaschisten wohlbekannt. Was kaum jemandem gelungen ist, gelang ihm: er wurde wegen "Extremismus" aus dem Kameradschaftsbund ausgeschlossen!

8.Dezember 1998: Otto Habsburg beharrt auf seinem unverschämten und mehr als törichten Vergleich.

10.Dezember 1998: Laut NEWS beläuft sich die Summe der für den Habsburg-Wahlkampf verwendeten unterschlagenen Spendengelder bereits auf mindestens 1,1 Millionen Schilling. Die ÖVP steht weiterhin zu ihrer seinerzeitigen 2.Spitzenkandidaten der EU-Wahl.

9.Dezember 1998: In der Schweiz wird jedes Jahr vom Parlament ein Bundespräsident gewählt. Die jetzt fällige Wahl war eine höchst ungewöhnliche: Die 58jährige Sozialdemokratin jüdischer Herkunft, Ruth Drei-fuss wurde als erste Frau zum Schweizer Staatsoberhaupt gewählt.

9.Dezember 1998: Laut der in Wien eingerichteten EUROPÄISCHEN BEOBACHTUNGSSTELLE VON RASSISMUS UND FREMDENFEINDLICHKEIT ist die Anzahl der EU-Bürger, die der Ansicht sind, daß zu viele Angehörige ei-ner ethnischen oder religiösen Minderheit im Lande leben, von 1989 auf 1997 von 37% auf 41% gestiegen, das Engagement im Kampf gegen den Rassismus ist gleichzeitig deutlich zurückgegangen.

Erste Dezemberhälfte 1998: In Berlin bildet sich unter dem Motto "kein braunes Haus in Pankow" eine Initiative, die verhindern will, daß in Pankow die rechtsextremen Republikaner in einer Villa, die früher ei-nem jüdischen Unternehmer gehörte, ihr Hauptquartier einrichten. Aber der ;Mietvertrag ist unterschrieben und die REPs wollen ab 15. Dezember einziehen.

13.Dezember 1998: Nachdem der deutsche Schriftsteller Martin Walser anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhnadels im Oktober gesagt hatte, „wenn mir jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit (Holocaust) vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauer-präsentation wehrt”, Auschwitz eigne sich nicht als Drohroutine oder Moralkeule. Der Vorsitzende des Zentrallrates der Juden in Deutschland hatte daraufhin Walser des Antisemitismus verdächtigt. In einer Aussprache bleibt man zwar verschiedener Meinung, beendet jedoch die feindselige Stimmung.

14.Dezember 1998: Anläßlich des Besuches von Präsident Clinton in Gaza billigt der palästinensische Na-tionalrat die Entfernung der Passagen, die zur Vernichtung Israels aufrufen, aus der PLO-Charta. In der Folge scheitern die weiteren Verhandlungen trotzdem, da die israelische Regierung Netanyahu auf ihrem nationalistischen Standpunkt verharrt. Meinungsverschiedenheiten im israelischen Parlament führen dann zur Vorverlegung der nächsten Wahlen auf das Frühjahr 1999.

14.Dezember 1998: Bisher hat es aus der FPÖ beim parteieigenen "Bürgeranwalt" Josseck noch keine einzige Beschwerde gegeben, daß ein FP-Mandatar seinen "Demokratievertrag" nicht eingehalten hätte. Selbst Josseck wundert sich ein wenig darüber.

14.Dezember 1998: Der Psychiater Gross wird mehrere Stunden von einer Untersuchungsrichterin ver-nommen. Die Staatsanwaltschaft wird wahrscheinlich Anklage wegen mehrfachen Mordes an behinderten Kindern in der NS-Zeit erheben. Der Verdächtige soll 1944 diese Kinder mit Luminal vergiftet haben.

14.Dezember 1998: In einem ehemaligen Flak-Turm am VOEST-Gelände in Linz werden ca. 30.000 Per-sonalakten von ehemaligen Fremd- und Zwangsarbeitern gefunden. Eine Rekonstruktion der damaligen "ordentlichen Beschäftigungspolitik" (mit Ausnahme der Zwangsarbeit von KZlern, ca. 10.000 Menschen) ist nunmehr möglich.

15.Dezember 1998: Die italienische Regierung stellt ca. 350.000 sich illegal im Lande aufhaltenden Aus-ländern eine Aufenthaltsgenehmigung in Aussicht.

16.Dezember 1998: Mit einer Postkartenaktion "Go, Karli go!" fordert eine ÖVP-Gruppe "Plattform für of-fene Politik" den rechtskonservativen Karl Habsburg zum Rücktritt auf.

16.Dezember 1998: Die Grünen verlangen den Rücktritt von Verteidigungsminister Fasslabend. Das Bun-desheer hatte 40.000 alte Sturmgewehre an eine Schweizer Firma verkauft (öS 1.000 pro Stück), Ein Teil

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der Gewehre wurde allem Anschein nach in Krisengebiete in aller Welt weiterverkauft (um ca. 5.000 pro Stück).

16.Dezember 1998: Das Urteil wegen Steuerhinterziehung (schwarzes Handgeld bei Fußballer-Trans-aktion in Innsbruck) gegen den FP-Abgeordneten Meischberger wird vom Obersten Gerichtshof bestätigt und ist damit rechtskräftig. Meischberger ist weiterhin der Meinung, es handle sich um ein politisches Ur-teil, er will sich beim europäischen Gerichtshof beschweren. Möglicher Hintergrund: Er erreicht im Frühjahr 1999 eine Dienstzeit von zehn Jahren im Nationalrat und wäre dann pensionsberechtigt. Jedenfalls wird Meischberger der erste Fall für FP-Bürgeranwalt Josseck, der den Fall aber nicht automatisch als Verfeh-lung, die zum Rücktritt führen müsse, sieht: „”Bei der Finanz kann es einen schnell erwischen”.

17.Dezember 1998: Das britische Lordrichterurteil über die Aufhebung der Immunität von Chilo-Faschist Pinochet wird aufgehoben. Einer der Richter der Erstverhandlung war wegen eines Naheverhältnisses zu AMNESTY befangen! Bemerkenswert: Ein Bekenntnis zu einer Menschenrechtsorganisation macht rechtlich befangen. Ein unbefangener Richter hat wohl ein bißchen für und auch ein bißchen gegen die Menschen-rechte zu sein. Vielleicht halb Humanist und halb Faschist?

Eine neue Verhandlung wird angesetzt werden.

17.Dezember 1998: Ganz wohl ist Peter Sichrovsky in seiner Rolle als jüdischer FPÖ-Abgeordneter im EU-Parlament doch nicht. Jedenfalls hat er jetzt ein Buch geschrieben, "Der Antifa-Komplex", in welchem er die Ansicht vertritt, daß der Faschismus in seiner alten Form nicht mehr wiederkomme, die neuen Ge-fahren sieht er in den Fundamentalismen. Damit wäre der Haider aus dem Schneider, der Sichrovsky auch. Auf zum Kampf gegen die Taliban-Milizen!

(Wozu anzumerken ist: auch der Fundamentalismus ist letztlich nur eine Form des Faschismus.)

18.Dezember 1998: Der Innsbrucker VSStÖ fordert den Innsbrucker Bürgermeister van Staa auf, den SS-Gedenkstein am Innsbrucker Tummelplatz zu entfernen.

21.Dezember 1998: Ergebnis einer Umfrage im STANDARD-Auftrag. Bei einer Direktwahl des Bundeskanz-lers erhielte Klima zur Zeit 37%, Haider 9%, Van der Bellen 8% und Schüssel nur 6%.

21.Dezember 1998: Nachdem Karl Habsburg zu drohen versucht hatte, er werde 1999 eben für eine an-dere Partei kandidieren, nimmt ihn die ÖVP sofort beim Wort: Das sei eine „sehr vernünftige Entschei-dung”, das Problem Habsburg daher erledigt.

21.Dezember 1998: Stapo-Bericht über die Neonazis in OÖ. 1998 war ein verstärktes Zusammengehen von Alt- und Neonazis zu beobachten, da die Szene beobachtet werde, versuche man dort Ver-anstaltungen als historische Feiern zu tarnen. Der harte Kern in OÖ. bestünde aus 30 - 40 Personen.

22.Dezember 1998: Die "Kritischen Demokraten" bedauern auf ihrer Julfeier in Wien, daß „Kameradinnen und Kameraden, die zu laut und unbedacht geredet haben und sich daher im Exil oder in staatlichem Ge-wahrsam befinden” nicht teilnehmen können.

Kritisch-demokratische Volksgenossen! Im Häfen sind noch Zellen frei!

28.Dezember 1998: Nach einem Bericht im STANDARD sind SPÖ und ÖVP wählerschaftsmäßig deutlich überaltert, FPÖ, Grüne und LiF haben jüngere Wähler. Der Umstand, daß jeder zweite Wähler der FPÖ Arbeiter ist, zeigt eklatantes Scheitern der Klima & Rudas Linie und die politische Abgehobenheit der Grü-nen, die sich nur für das Bildungsbürgertum interessieren.

28.Dezember 1998: Die Abgeordnete der Grünen, Stoisits, zieht Bilanz über die österreichische Minder-heitenpolitik im Jahre 1998: „Es hat sich kaum etwas getan. Im Gegenteil, die Regierung ist derartig unwil-lig und ignorant, daß den Volksgruppen immer weniger Luft bleibt”.

28.Dezember 1998: Die ÖVP will laut Verteidigungsminister Fasslabend das Thema NATO-Betritt aus den Wahlkämpfen des Jahres 1999 heraushalten. Bleibt zu hoffen, daß die Grünen und die SPÖ ihrerseits die-sem Thema ihre entschiedene Aufmerksamkeit widmen werden!

31.Dezember 1998: Simon Wiesenthal feiert seinen 90. Geburtstag. Auch das ANTIFA-INFO gratuliert!

31.Dezember 1998: Immer noch nicht erledigt ist die Rückgabe des ehemaligen Hakoah-Sportplatzes in Wien. 1938 war die Anlage des jüdischen Sportvereins von den Nazis enteignet worden, eine Ersatzleis-tung hat man nach 1945 mit bewährtem "Geschick" bislang verhindert.

Anmerkung für Fußballfans: 1924/25 wurde in Wien die erste Fußball-Profi-Liga eingerichtet, erster Meis-ter dieser Liga wurde 1925 der Sportklub Hakoah vor Austria, Vienna und Rapid.

1999

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1.Jänner 1999: Papst Johannes Paul II. erinnert in seiner Neujahrspredigt an die Greuel des 20. Jahrhun-derts. Niemand dürfe an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend die Greuel des Zweiten Weltkrieges und die Judenverfolgung vergessen.

2.Jänner 1999: Der deutsche Bundespräsident Herzog bezeichnet eine mögliche Regierungsübernahme der türkischen Islamisten nach den Wahlen im April als „unüberwindbares Hindernis für eine Aufnahme der Türkei in die EU”.

4.Jänner 1999: FDP-Generalsekretär Westerwelle kritisiert die Unterschriftenkampagne von CDU und CSU gegen die geplanten Doppelstaatsbürgerschaften. Der Chef der CSU-Fraktion in Bayern, Alois Glück, sagt, eine multikulturelle Gesellschaft sei „ein Irrweg mit vorprogrammierten Konflikt”. Und seine Partei bemüht sich zur Zeit anschaulich, daß diese Prophezeiung auch Wirklichkeit wird.

4.Jänner 1999: Nationalratspräsident Fischer bekräftigt das Nein der SPÖ zu einem NATO-Beitritt.

5.Jänner 1999: Die umstrittene Dornenkrone in Telfs (Symbol für das "Leid der unterdrückten Südtiroler") wird nächstens mit roter Farbe bekleckst. Der Aufsteller überlegt nunmehr eine besser gesicherte Verwah-rung, etwa eine Glaskuppel. Eine Käseglocke über den Quargel: Wäre eine gute Idee!

Erste Jännerhälfte 1999: Die Unterschriftenaktion von CDU/CSU gegen die geplanten Doppelstaatsbür-gerschaften findet lebhafte Zustimmung in rechtsextremistischen und neonazistischen Kreisen.

7.Jänner 1999: FPÖ-Generalsekretär Westenthaler verlangt rigorose Maßnahmen gegen arbeitslose Aus-länder. Die z.Z. arbeitslosen 36.048 Ausländer sollten nach drei Monaten ohne Job die Aufenthaltsbewilli-gung verlieren.

7.Jänner 1999: Laut US-Justizministerin Janet Reno prüft man zur Zeit, ob man dem Chilo-Faschisten Pi-nochet wegen eines Bombenanschlages auf einen chilenischen Antifaschisten in den USA den Prozeß machen könnte. Diese Gefahr dürfte nicht sehr hoch sein, schließlich waren es die USA, die mit ihrem CIA-Geheimdienst den Putsch gegen die demokratische Regierung Allende initiierten. Die Fascho-Komplizen werden mit Sicherheit nichts unternehmen. Sonst plaudert ihre Marionette aus der Schule.

9.Jänner 1999: In Lyon (Frankreich) kommt es bei der Wahl des Regionalpräsidenten zu einem breiten "Republikanischen Bündnis". Die Linke (Sozialisten, Grüne, Kommunisten) und die Liberalen bringen eine bürgerliche Kandidatin gegen den Kandidaten der Konservativen und Rechtsextremisten von der FRONT NATIONAL durch.

11.Jänner 1999: Für die FPÖ zieht Meinungsforscher Nemetz Bilanz über das Jahr 1998. Demnach habe die Haider-Partei rund 220.000 Wähler verloren, besonders unter Jüngeren, Angestellten und Beamten. Aber wir können einigermaßen sicher sein: Die "Altparteien" werden sich auch weiter um den Jörgl küm-mern. Typisches aktuelles Beispiel für die EU-Wahl: Die Skandale in der EU-Kommission werden mit ver-einten Kräften unter den Teppich gekehrt.

11.Jänner 1999: VP-Klubobmann Khol wirft der SPÖ "Klassenkampfparolen" vor. So eine Verleumdung! Die SPÖ-Führung weiß doch gar nicht, was das ist, Klassenkampf.

11.Jänner 1999: Cornelius Kolig stellt seine weiteren Arbeiten im Klagenfurter Landhaus ein. Bekanntlich waren die Fresken seines Großvaters als "entartete Kunst" von den Nazis demoliert worden, jetzt wachen FPÖ und KRONEN ZEITUNG darüber, daß der Enkel nicht die Untaten seines Großvaters wiederholt. Wie man sieht: Mit Erfolg!

12.Jänner 1999: Innenminister Schlögl schätzt, daß 1998 rund 5.000 Asylwerber in den Untergrund ge-gangen sind, ohne den Ausgang ihres Asylverfahrens abzuwarten.

12.Jänner 1999: Das neuerliche Ermittlungsverfahren wegen Amtsmißbrauch (gegen Klestil, Foregger, Löschnak und Mock) im Zusammenhang mit der Fluchthilfe für die iranischen Mörder von kurdischen Exil-politikern 1989 in Wien wird eingestellt, es hätten sich keine neuen Erkenntnisse ergeben. Grüne und Libe-rale sehen weiterhin hohen Klärungsbedarf.

13.Jänner 1999: Im STANDARD prägt Günter Traxler einen neuen Begriff, der es wert ist, festgehalten zu werden. In einem Artikel zur Frage von Doppelstaatsbürgerschaften variiert er Khols "Verfassungsbogen" so: „...Einwände, die nun von den Vertretern der drei Parteien innerhalb des Kronenzeitungsbogens ...”. Das war wieder einmal eine tiefe politische Wahrheit über die österreichische Wirklichkeit!

Erste Jännerhälfte 1999: Klerikalfundamentlistisch betätigen sich diverse Extremkatholiken um die Bischö-fe Krenn und Küng und Karl "World Vision" Habsburg. Die Abtreibung soll wieder unter Strafe gestellt wer-den.

13.Jänner 1999: Hart kritisiert das Justizministerium den Entwurf des Militärbefugnisgesetzes. Er sei un-differenziert und überschießend. Die Heeresgeheimdienste könnten schon bei „bloß bundesheerkritischen

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Äußerungen” tätig werden. Aber läge das nicht in der Tradition? Ohne ordentliche Wehrmachtspolitik kann schließlich Wehrkraftzersetzung nicht verhindern werden, oder?

14.Jänner 1999: Grün-Abgeordneter Andreas Wabl stellt fest, daß „die Grund- und Freiheitsrechte mit den Methoden und Vorgangsweisen militärischer Geheimdienste nicht unter einen Hut zu bringen sind”. Der Verteidigungsminister habe mit dem Entwurf des Militärbefugnisgesetzes ein Notstandsgesetz vorgelegt, das „vordemokratische Zustände herbeiführen würde”. Wabl verlangt die Auflösung der Heeresnachrich-tendienste. Bravo!

15.Jänner 1999: Die Fraktionskämpfe unter den französischen Rechtsextremisten landeten vor Gericht: laut Urteil aus Paris ist auch der bisherige Vize-Führer der FRONT NATIONAL, Bruno Mégret, berechtigt den Parteinamen und das Parteilogo zu benützen, der Gründer und Langzeit-Chef der Partei, Le Pen, hatte sich den Namen nämlich nicht schützen lassen. Die satirische Zeitschrift CHARLIE HEBDO erlaubte sich jetzt den Spaß, diese Parteibezeichnung schützen zu lassen. Le Pen seinerseits holte zum Urheberschutz-schlag gegen die Kommunisten, die Sozialisten und die Gaullisten aus: Er ließ die Parteikurzbezeichnun-gen dieser Gruppierungen auf seinen Namen registrieren.

Lustiges Völkchen, die Franzosen.

18.Jänner 1999: Die englischen Lordrichter beginnen mit dem zweiten Verfahren zur Beurteilung der Im-munität Pinochets. Staatsanwalt Alun Jones führt aus: „Verbrechen gegen das Völkerrecht werden von Menschen begangen, nicht von abstrakten Wesen, und nur durch die Bestrafung von Individuen, die sol-che Verbrecher begehen, können die Bestimmungen des Völkerrechts durchgesetzt werden.”

18.Jänner 1999: Die Landesregierung von Vorarlberg lehnt die Finanzierung eines Forschungsvorhabens, das sich mit der Zwangsarbeit im Ländle während der NS-Zeit beschäftigen sollte, als "zu teuer" ab.

19.Jänner 1999: Die Staatsanwaltschaft dehnt die Anklage im Fall Pinochet aus: Sie bezieht sich jetzt auch auf Straftaten, die vor dem erfolgreichen Putsch verübt wurden und soll dadurch die Immunität, die der Diktator als Staatschef hätte, umgehen.

Eine interessante Frage dazu: Wie kann ein Putschist, der sich mit Hilfe der Amerikaner selber zum Staatschef ernannte, Immunität genießen? Hätte man nach dieser merkwürdigen Art der Auslegung des Völkerrechtes 1945 auch Hitler unbehelligt lassen müssen, wenn er nicht Selbstmord begangen hät-te?????

19.Jänner 1999: Der Chemie-Nobelpreisträger 1998, Walter Kohn, ist auf Besuch in Wien. Er war 1939 als Jude vertrieben worden, seine Eltern wurden ermordet. Jetzt ist Kohn natürlich wieder ein umjubelter Österreicher. Zu einer Rückkehr nach Österreich hatte ihn aber niemals irgendwer aufgefordert. Er erzählt, daß sich nach dem "Anschluß" einzig Professor Hans Thirring an der TU Wien gegen die Judenverfolgun-gen gestellt und aus Protest seine Professur zurückgelegt hat.

19.Jänner 1999: Der Berliner Historiker Götz Aly sagt, daß für eine Rückführung der arisierten Vermögen in Österreich alle Fakten auf dem Tisch lägen und die eingesetzte Historikerkommission lediglich dazu diene, „Zeit vergehen zu lassen und die Dinge zu verschieben”. Die Arbeit der Kommission soll drei Jahre dauern.

20.Jänner 1999: Der Wiener Anwalt Georg Zanger droht mit Klagen im Zusammenhang mit den Ansprü-chen polnischer Zwangsarbeiter. Zanger überlegt, ob nicht auch im österreichischen Recht im Wege einer Kuratorbestellung für abwesende Geschädigte Sammelklagen wie in den USA möglich sein könnten. Für 20.000 Personen will er eine Entschädigung von rund 700 Millionen Schilling (das wären pro Kopf 5.000 DM, wie sie auch gegenüber der BRD verlangt werden). Es liegen nun auch Zahlen vor: 1941 waren knapp 41.000 Polen in Österreich zwangsbeschäftigt, 1942 waren es 62.000, 1943 schließlich 97.000 und 1944 sogar 106.000.

21.Jänner 1999: Die Grazer Staatsanwaltschaft veröffentlicht die Anklageschrift gegen Franz Fuchs. Der Beschuldigte wird als geistig abnorm eingestuft und sollte im Falle seiner Verurteilung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden. „Aus forensisch-psychiatrischer Sicht liegt bei Herrn Franz Fuchs eine Persönlichkeitsstörung vor, welche sein Tatverhalten entsprechend determiniert hat”, heißt es in einem Gutachten, Fuchs zeige „ein Wahnsyndrom einer geistig-seelischen Abartigkeit von hö-herem Grade.”

Dazu könnte man sagen, daß niedrigere Grade derselben Krankheit auch bei gesinnungsähnlichen Politi-kern und Zeitungsschreiberlingen auffindbar sein dürften.

21.Jänner 1999: NEWS bringt das Ergebnis einer Meinungsumfrage zum Wahlverhalten: 39% SPÖ, 27% ÖVP, 21% FPÖ, 7% Grüne, 5% LiF. Gäbe nach wie vor die Möglichkeit einer Ampelkoalition (mandatsmä-ßig: 94 zu 89).

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23.Jänner 1999: Haider erklärt im Rundfunk, die FPÖ werde in Kärnten stärkste und bei den National-ratswahlen zweitstärkste Partei werden. Was gar nicht so unwahrscheinlich ist. Wenn man sich anschaut, wie dumm die anderen Parteien agieren, dann schadet dem Haider auch Rosenstingl & Co bald nimmer.

24./25.Jänner 1999: Auf einem Sonderparteitag der französischen FRONT NATIONAL (Variante 2 - Ausgabe Mégret, siehe 15.1.) wird beschlossen hinkünftig „Beschimpfungen und persönliche Attacken” zu unterlas-sen. Man will ohne Le Pen eine seriöse Rechtspartei werden.

26.Jänner 1999: Asylantenstatistik 1998: Gegenüber 1997 war ein Ansteigen der Anträge von 6.719 auf 13.805 festzustellen. Davon sind rund 5.500 Verfahren eingestellt, weil die Asylwerber untergetaucht sind, 6.000 sind noch nicht entschieden, in genau 500 Fällen wurde 1998 Asyl gewährt, 3.491 Anträge wurden abgelehnt (darin sind auch Anträge von 1997 enthalten).

26.Jänner 1999: Interessant, wie die österreichischen Behörden trotz angeblicher Neutralität immer noch den USA auf Zuruf gehorchen, ja sogar ohne hörbaren Zuruf vorauseilend dem Großen Bruder untertänig sind. Felix Bloch wurde 1935 in Wien geboren, mußte mit seinen Eltern vor den Nazis fliehen, wurde ame-rikanischer Diplomat, der am Ende seiner Karriere in Spionageverdacht geriet. Allerdings wurde niemals ein Verfahren gegen ihn eröffnet. Trotzdem wurde Blochs Wiedereinbürgerung abgelehnt, weil dies von den USA als "Affront" aufgefaßt werden könnte. Der Verwaltungsgerichtshof stellt nun fest, daß dies kein Grund für die Ablehnung der Wiedereinbürgerung sein kann.

27.Jänner 1999: Am 27.1.1945 hatten Einheiten der ROTEN ARMEE das KZ Auschwitz befreit. Aus diesem Anlaß findet in Deutschland seit drei Jahren am 27.1. eine offizielle Gedenkfeier für die NS-Opfer statt. Bundespräsident Herzog sagt heuer im Bonner Bundestag, der Nationalsozialismus sei das gemeinsame schreckliche Erbe der Deutschen, im gesamten Land sollten Stätten zur Dokumentation des Naziterrors entstehen.

Zweite Jännerhälfte 1999: Die FPÖ als Arbeiterbewegung bewegt sich im Konkreten nicht besonders gut. Die 1998 gegründete FREIE GEWERKSCHAFT ÖSTERREICHS (FGÖ) hat zwar eine Anzahl rechter Polizisten organisiert, ansonsten sind die Massen aber faktisch ausgeblieben. FPÖ-Mitglieder, die Funktionen be-kleiden (Betriebsräte) ziehen es augenscheinlich vor, im ÖGB zu bleiben, was den Ärger von FGÖ-Chef Josef Kleindienst hervorruft, der feststellt, es sei „unerträglich, daß FPÖ-Mitglieder im ÖGB mitarbeiten, während seit einem Jahr eine eigene FPÖ-Gewerkschaft existiert”. Kann man ganz seiner Meinung sein, der ÖGB sollte hier helfend eingreifen und in allen Einzelgewerkschaften die Anerkennungen für Freiheit-liche als Fraktionen verhindern.

29.Jänner 1999: Der Tiroler LH Weingartner versuchte seit März 1998 die Gedenktafel am ehemaligen Gestapo-Haus in Innsbruck zu verhindern, zuletzt wurde ein von den Betroffenen abgelehnter Wein-gartner-Text28 angebracht. Zwar hat man jetzt eine Einigung über einen neuen Tafeltext gefunden (Von 1939 bis 1945 war dieses Gebäude Sitz der Geheimen Staatspolizei (GESTAPO). Für viele, die hier ver-hört und gefoltert wurden, begann damit der Weg in die Konzentrations- und Vernichtungslager), aber Weingartner will diese Tafel nicht als Ersatz für seine eigenmächtig angebrachte montieren lassen, son-dern abseits auf einer "historischen Hinweistafel". Also ist man auch 54 Jahre nach dem Tode des seiner-zeitigen Führers aller Deutschen und aller Tiroler immer noch um Spurenverwischungen bemüht.

Anfang Februar 1999: Im Zuge einer neuen Diskussion über das Konkordat gelangt ein interessanter As-pekt an die Öffentlichkeit: Als die Klerikalfaschisten 1933/34 im Vatikan über das Konkordat verhandelten, riet der aus Österreich stammende Bischof Alois Hudal dem österreichischen Diktator Dollfuß statt der VATERLÄNDISCHEN FRONT (Massenorganisation der Klerikalfaschisten) eine Partei des christlichen Natio-nalsozialismus zu gründen. Der fanatische Nazisympathisant Hudal konnte Dollfuß jedoch nicht überzeu-gen. Bekanntlich war der Bischof 1945 der Hauptorganisator29 für die Flucht von NS-Kriegsverbrechern nach Südamerika. Bis heute hat die katholische Kirche zu diesem üblen Verbrecher aus ihren Reihen ei-sern geschwiegen, auch in der Zeitgeschichtsforschung wurde dieses Thema bisher nur sehr vorsichtig behandelt, wohl um die katholische Kirche nicht zu desavouieren.

28 30.Juni 1998: Der Innsbrucker Bürgermeister van Staa, die Grünen und die NS-Opfer kritisieren vehement die vom Landes-hauptmann aufgezwungene Tafel am ehemaligen Gestapohaus. In einem offenen Brief an Weingartner wird festgehalten, daß der Tafeltext die Rolle der Gestapo verharmlose und vertusche. Die Vorgangsweise der Landesregierung sei demütigende und brüs-kierend gegen die NS-Opfer. Der Präsident der Tiroler Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes, Hans Mayer, stellt fest, die Anbringung der Tafel „bei Nacht und Nebel ohne geladene Gäste ist eine Schande sondergleichen“. Uschi Schwarzl von den Grünen sagt, die Anbringung eines einzigen Opfernamens schließe alle anderen aus, die von der Gestapo-Zentrale in den Tod geschickt wurden. Der Innsbrucker Bürgermeister will die von der Stadt schon hergestellte Tafel ebenfalls am Gebäude anbringen lassen, was aber seitens des Landes (als Eigentümer des ehemaligen Gestapo-Gebäudes) abgelehnt wird.

29 Siehe dazu ANTIFA-INFO Nr. 83 (September 1998), Seite 11ff, Anton Szanya, Alois C. Hudal

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1.Februar 1999: Heftig wird von der Zeitschrift der israelitischen Kultusgemeinde in Wien das neue Buch von Peter Sichrovsky (token jew der FPÖ) "Der Antifa-Komplex" kritisiert. Neben sachlichen Fehlern (eine Reichtagswahl im Jänner 1933, mit der Sichrovsky Hitler an die Macht kommen ließ, gab es nicht) wird der „wilde Rundumschlag” gegen die Antifaschisten kritisiert. Wer sich Antifaschist nenne, sei „als Kommunist bzw. Stalinist oder als jemand verdächtigt, der sich von den Kommunisten vereinnahmen ließ”, die Antifa-schisten hätten laut Sichrovsky entscheidende Mitverantwortung für die Katastrophe des Nationalsozialis-mus, ferner schreibt der FP-EU-Abgeordnete nur von hunderten jüdischen Widerstandskämpfern, wäh-rend in den Armeen der Alliierten mindestens 1,5 Millionen Juden gegen die Nazis kämpften. Das Buch habe in der NATIONAL ZEITUNG positive Kritik geerntet und Sichrovsky sei auch im Rechtsaußenblatt ZUR ZEIT von Andreas Mölzer als „Politiker von Rang” gewürdigt worden.

Interessant, daß es einem doch politisch nicht ahnungslosen Menschen anscheinend entfallen ist, daß die Hauptlast des Sieges über Großdeutschland von der Sowjetunion getragen wurde. Stalinisten gibt es heu-te praktisch nicht mehr, aber damals gab es keine andere Wahl: Mit Stalin gegen Hitler-Deutschland oder Hitler-Deutschland über alles, über alles in der Welt.

1.Februar 1999: Ergebnis einer Meinungsumfrage zu den Kärntner Landtagswahlen. Demnach liegt die Haider-Partei mit 36% weit vor der SPÖ (30%) und der ÖVP mit 26%. Das Wahlbündnis "Demokratie 99" (Grüne, Liberale, Slowenen) scheiterte mit 8% an der Kärntner 10%-Klausel.

2.Februar 1999: Die Kärntner ÖVP erklärt, Haider nicht zum Landeshauptmann zu wählen, auch wenn die FPÖ die stärkste Partei werde. SPÖ-Spitzenkandidat Ausserwinkler hatte ja gesagt, die stärkste Partei sol-le den Landeshauptmann stellen, was ihm jetzt kräftig auf den Kopf fällt. Ausserwinkler ist innerhalb der SPÖ heftig unter Beschuß.

2.Februar 1999: In Graz beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen30 der Prozeß gegen Franz Fuchs, der angeklagt ist, als BAJUWARISCHE BEFREIUNGSARMEE (BBA) Bombenanschläge verübt zu haben. Als der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt wird, verkündet er seine Weltanschauung mittels gebrüllter Paro-len. „Es lebe die BBA, es lebe die deutsche Volksgruppe, Ausländerflut, nein danke, reinrassige Tschu-schenregierung, nein danke, Denkmal für Küssel für die Verteidigung der deutschen Volksgruppe, deutschfeindlicher Rassismus, nein danke, Antigermanismus, nein danke, Blasphemisten, nein danke, kirchliche Duldung des feministischen Chaos und der kinderlosen Untergangsgesellschaft statt biblischem Patriachengebotes, nein danke, Synagogen in Österreich statt Kirchen in Israel, nein danke, Bevölke-rungsexplosion bei österreichischen Israeliten, nein danke, Umvolker und Völkermörder, nein danke, ...” Fuchs wird mehrmals aus dem Saal gewiesen und fährt bei jeder Rückkehr fort, seine Parolen zu verkün-den. Der heuer zum zehnten Todestag hochgelobte und zu Lebzeiten verdammte Dichter Thomas Bern-hard hat die Österreicher als katholische Nazis pauschaliert. Nicht nur den Fuchs hätte er damit trefflich definiert.

Verschiedene Zeitungen erhalten Briefe der BBA „Wir als Kampftrupp der BBA wundern uns”. Die Polizei sagt „höchstwahrscheinlich wieder einer dieser schlechten Scherze”.

3.Februar 1999: Wieder ohne den Parolen brüllenden Fuchs geht der Prozeß in Graz weiter. Eine Gruppe, auf die Fuchs am 2.2. vergessen hatte, kommt hinzu: „Freimaurer, nein danke!”. Laut Psychiater ist der Angeklagte durchaus in der Lage, einer Gerichtsverhandlung zu folgen, er will aber nicht.

Es geht heute um den Bombenanschlag von Oberwart mit vier Toten. Die Hinterbliebenen der Opfer sagen aus. Der Pflichtverteidiger von Fuchs, Gerald Ruhri, kann zugunsten des Angeklagten die Aussage verbu-chen, daß die Bombe auf einem sehr abgelegenen Straßenstück aufgestellt worden sei. Fuchs hatte ja ausgesagt, er hätte keine Menschen gefährden wollen.

3.Februar 1999: Die KRONEN ZEITUNG titelt auf Seite 1: „Fuchs brüllt Haßparolen”, in derselben Ausgabe dichtet Wolf Martin in den Wind: In Deutschland jedes Recht - wie fein! - Doch nationaler Türke sein. Dazu gilt's weiter als Skandal, sofern ein Deutscher national. Den Türken die Vermehrung! Und Den Deutschen der Geburtenschwund! Die Absicht ist nur allzu klar: In Deutschland werde Deutsches rar. Weist nicht schon auf dieses hin Neu-Istanbul, genannt Berlin.

30 Schutz vor wem eigentlich? Fuchs wird als Einzeltäter angeklagt!

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Was ist nun der Unterschied zu den gebrüllten Haßparolen von Franz Fuchs? Klar, die Haßparolen vom Fuchs reimen sich nicht!

3.Februar 1999: Die Creditanstalt stimmt Entschädigungszahlungen an Holocaustopfer und der Heraus-gabe von Unterlagen zu.

4.Februar 1999: Das Thema im Fuchs-Prozeß ist die Bombe von Stinatz, die gegen die grüne Abgeordne-te Stoisits gerichtet war. Sie war in der Nähe ihrer Wohnung deponiert, offenbar sollte sie als Grüne die Bombe in Dosenform zwecks Entsorgung aufheben. Experten stellen fest, daß die Schußkraft der Bombe tödlich gewesen ist, der verletzte Erich Preiszler hatte Glück, sich bei der Entsorgung des vermeintlichen Abfalls nicht direkt über die als Selbstschußanlage konstruierte Bombe gebeugt zu haben. Bevor Fuchs diesmal wieder aus dem Saal geführt wird, macht sich die Schriftstellerin Brigitte Schwaiger durch Zuruf bemerkbar: „Franzi, kennst mi?”

7.Februar 1999: Landtagswahlen in Hessen. Diese ersten Wahlen seit dem Dienstantritt der deutschen rot-grünen Koalition. Die Debatte über die Doppelstaatsbürgerschaft sorgte für einen teilweisen Rechts-ruck: Die CDU stieg von 39,2 auf 43,4%, die SPD stieg leicht von 38 auf 39,4%, die FDP fiel von 7,4 auf 5,1% und die Grünen sackten von 11,2 auf 7,2% ab. Die Grünen erlitten besonders bei den Jungwählern schwere Einbrüche. Die Mandatsmehrheit wechselte von 57:53 für die Ampel auf 54:56 dagegen.

7.Februar 1999: Die KRONEN ZEITUNG enthüllt mit Hilfe der Frau Schwaiger den "links"radikalen Hinter-grund von Franz Fuchs. Der geschiedene Mann von Frau Schwaiger, Michael Genner, ein 68er-Anarcho, der seinem individuellen Zentralkomitee immer treu geblieben ist, war nämlich ein Zeit auch mit der Ko-operative LONGO MAI verbandelt. Euer Chronist hat vor Jahren das Informationsblatt dieser Gruppe bezo-gen und sich an den sich ständig steigernden rrrrevolutionären Brandartikel des Blattes gütlich getan. Bis dann diese österreichischen Paraderevoluzzer bei einer Nationalratswahl eine Wahlempfehlung für die SPÖ abgaben. So rrrrrrrrevolutionär war Euer Chronist auch ohne die LONGO-MAI-Front, daher hat er sich dann nicht mehr weiter über dieses Völkchen informiert. Nun, Franz Fuchs soll einstens (vor 13 Jahren) bei einer oder mehrerer Veranstaltungen dieser Kooperati-ve anwesend gewesen sein, Brigitte Schwaiger kennt ihn von dort. Inzwischen liebt sie ihren Genner er-kennbar nimmer so sehr, daher vertraut sie der KRONE beispielsweise auch an, daß die Verwendung der Floskel „dasunddas, nein danke” habe es auch früher und zwar linksseitig schon gegeben, daher komme der Fuchs aus dem linken Lager. Klar und einsichtig, schließlich ist es ja auch völlig egal und ganz das-selbe, ob einer „Atomkraft, nein danke”, oder „reinrassige Tschuschenregierung, nein danke” ruft. Eine ganz logische Folgerung! Man staunt hinterher, wieso der Martin, der Dichand, der Gnam, der Strudl und der Staberl nicht von selber auf diese naheliegende Idee gekommen sind. Aber hin und wieder greift auch die KRONEN ZEITUNG auf die geballte Hirnkraft österreichischer Dichter und Denker zurück! Jawohl Frau Schwaiger, Millionen KRONE-Leser werden zukünftig ihre Bücher kaufen, weil sie auch so intellektuell wie Sie werden wollen!

Wie in der Folge bekannt wird, hatte Brigitte Schwaiger, der im Zuge des Scheidungsverfahrens „erhöhte paranoide Reaktionsbereitschaft” attestiert wurde, Kontakte zur FPÖ und zu einem Journalisten, der er-folglos versuchte, Kontakte zwischen LONGO MAI und der BBA zu entdecken.

8.Februar 1999: Die Aussage des Schauspielers Alexander Wächter beschäftigt die Behörden und die Öf-fentlichkeit. Dieser sagt, er habe vor zwei Jahren Franz Fuchs mit einem ihm persönlich bekannten nie-derösterreichischen Neonazi in einem Wiener Gasthaus gesehen. Nach der Festnahme von Fuchs habe er dies sofort der Polizei mitgeteilt, dort habe es aber niemanden interessiert.

8.Februar 1999: Das Ergebnis einer Meinungsumfrage zum Wahlverhalten bei Nationalratswahlen: Die SPÖ liegt mit 40% immer besser, die ÖVP hätte jetzt 26%, die FPÖ 23, die Grünen 5, das LiF 4 und ande-re Parteien 2%, das ergäbe aber einen vermutlichen Mandatsstand von 92:91 für eine Haselnuß-Koalition.

8.Februar 1999: Die ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende, Irmgard Schmidleithner, gibt bekannt, daß sie aus Gesundheitsgründen aus ihren Funktionen ausscheiden muß.

Liebe Irmi, wir wünschen Dir auch auf diesem Weg Gesundung, wir haben Deine Aktivitäten immer mit Aufmerksamkeit, Zustimmung und Solidarität verfolgt. Dein Rücktritt ist leider ein erheblicher Verlust für die noch vorhandenen Reste der österreichischen Arbeiterbewegung.

9.Februar 1999: Nix Neues in Graz: Fuchs wird nach dem Brüllen seiner Parolen abgeführt. Heute geht es um den Anschlag auf die zweisprachige Schule in Klagenfurt, bei dem der Polizist Theodor Kelz beide Hände verlor.

9.Februar 1999: Zur Aussage von Wächter, er habe Fuchs in Begleitung eines bekannten Neonazis ge-sehen, sagt Sicherheitschef Sika, es habe sich dabei nicht um Fuchs, sondern um einen "Doppelgänger" gehandelt.

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10.Februar 1999: Fuchs wird zu seinem Prozeß nicht mehr vorgeführt. Wenn er sich bereit erklärt, zuzu-hören, kann er teilnehmen, ansonsten bleibt er vom weiteren Prozeßverlauf ausgeschlossen.

11.Februar 1999: Im Fuchs-Prozeß geht es mit diversen Zeugenaussagen weiter.

12.Februar 1999: Beim Fuchs-Prozeß werden vom Lokalaugenschein in Gralla 1997 Videoaufnahmen vorgeführt. Franz Fuchs erklärt die Motive seiner BBA: Die Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik sei-en durch Slawen besetzt worden, als er die Ministerliste der Regierung Vranitzky las, sei er sich als Deutschösterreicher als Minderheitenangehöriger vorgekommen. Wenn die BBA nicht eingegriffen hätte, hätte sich die slawische Völkerwanderung fortgesetzt. Aber im Winter 1996 seien die politischen Ziele der BBA im großen und ganzen erreicht gewesen, Vranitzky, Busek und Scholten wären weg gewesen, mit Klima sei alles anders geworden, der sei noch mit der Lederhose aufgewachsen, die rassistische Diskri-minierung der Deutschösterreicher wäre zu Ende gewesen. Also wir haben eigentlich immer geglaubt, der Haider treibe die Altparteien vor sich her und die KRONE ha-be zur Abdankung von Busek und Scholten viel beigetragen. Da stellt sich jetzt heraus, es waren die Brief-bomben, die für eine ordentliche Regierung und eine anständige Ausländerpolitik gesorgt haben!

12.Februar 1999: Vor 65 Jahren begann der bewaffnete Widerstand der Arbeiterbewegung gegen die Dik-tatur der Klerikalfaschisten. Geschlagen durch die Kanonen der Staatsgewalt ging die politische Linke in die Illegalität und ins Exil. In der Folge fiel das Land den Nazis wie eine faule Frucht in die Hände, die ös-terreichische Arbeiterbewegung hat sich von der Niederlage des Jahres 1934 nie wieder wirklich erholt. Ein Ereignis aus den Februarkämpfen von 1934: Georg Buttinger , Kriegsinvalide aus Nettingsdorf, ar-beitsloser Papierarbeiter, sollte am Abend des 12. Februar 1934 vom örtlichen Heimwehrführer festge-nommen werden, Buttinger setzte sich zur Wehr und erschoß den selbsternannten Hilfssheriff der klerikal-faschistischen Staatsgewalt. Auch die anrückende Gendarmerie schlug er in die Flucht. 30 Gendarmerie-schüler feuerten u.a. mit zwei MGs auf das Haus, in dem sich der Sozialist verschanzt hatte, Buttinger schoß aus allen Fenstern und setzte ein MG außer Gefecht. Die Obrigkeit ließ daraufhin das Haus in Brand setzen, Buttinger kämpfte weiter und erschoß sich mit seiner letzten Patrone.

12.Februar 1999: Das Oberlandesgericht Linz hebt den Freispruch Kurt Diemans auf. Dieman hatte in ei-nem Artikel in der extremkatholischen Zeitschrift DER 13. Homosexuelle als Ratten bezeichnet und ihre Züchtigung empfohlen. In erster Instanz erfolgte ein Freispruch, da die 43 klagenden Homosexuellen nicht als Einzelpersonen beleidigt worden seien. Die Berufungsinstanz stellt klar, „die Argumente für die Nichter-kennbarkeit der einzelnen Privatkläger tragen den Freispruch nicht.”

12.Februar 1999: Die chilenische Linkspartei MIR will den spanischen Behörden Beweise zum Pinochet-Terror übermitteln.

12./13.Februar 1999: In der ostdeutschen Stadt Guben machen rund 15 jugendliche Rechtsextremisten Jagd auf algerische Asylwerber. Einer der Algerier stürzt auf der Flucht durch eine Glastür und erleidet töd-liche Verletzungen.

13.Februar 1999: Anläßlich des 54. Jahrestages der "Schlacht um Budapest" (diese endete am 10. Feb-ruar 1945 mit dem Sieg der ROTEN ARMEE, also an sich kein Grund für Nazi-Festivitäten) feiern hunderte Rechtsextremisten aus Ungarn, Deutschland, Österreich, Tschechien und der Slowakei mit Hakenkreuz-fahnen und Hitlergruß. Da in Ungarn der Nationalsozialismus zur Zeit nicht verboten ist, soll laut rechter Medien die Polizei die Nazis (durch Ausweiskontrollen) "provoziert" und dadurch Handgreiflichkeiten aus-gelöst haben. 34 Nazis werden festgenommen, 26 ausgewiesen.

14.Februar 1999: In Innsbruck wird durch eine unbekannte Eigeninitiative die Gedenkstätte am Tum-melplatz ein bißchen entnazifiziert: Die Tafel der Waffen-SS verschwindet über Nacht. Wie schade, da sind im 1000jährigen Reich die braven Burschen für den Führer, das arische Herrenvolk und ein Groß-deutschland über alles in der Welt gestorben und können sich dessen nimmer öffentlich rühmen!

14.Februar 1999: In Jerusalem findet eine Großdemonstration von 250.000 rechtsgerichteten religiösen Israelis gegen den Obersten Gerichtshof des Landes statt. Israel besitzt keine Verfassung, daher werden grundsätzliche Regelungen häufig durch Gerichtsentscheidungen festgelegt. Die militanten ultraorthodo-xen Juden erwarten von diesen Gerichtsentscheidungen gottesstaatliche Regelungen. Nach einer jüngsten Entscheidung des Gerichtshofes entblödeten sich die Ultras nicht, von "Antisemitismus" am Obersten Ge-richt zu sprechen. An einer Kundgebung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nahmen am selben Tag nur 40.000 Menschen teil.

Gegen Mitte Februar 1999: In Salzburg ruft ein Vortrag des Landtagspräsidenten Schreiner (ÖVP) vor Kameradschaftsbündlern Protest hervor. Der Politiker warf den Gestaltern der Ausstellung 31 "Vernich-

31 Die Ausstellung war im Frühjahr 1998 in Salzburg zu sehen. Gleichzeitig gab es eine von einem vormaligen SSler gestaltete Gegenausstellung, die sich der Förderung durch alle gesinnungstreuen, anständigen und ordentlichen Politiker erfreute

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tungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944 " vor, die Wissenschaft in den Dienst politischer Ma-nipulationsabsichten zu stellen, er verwehre sich dagegen, daß alle ehemaligen Soldaten auf die Anklage-bank müßten, der die Veranstalter der Wehrmachtsausstellung als selbsternannte Richter gegenübersä-ßen.

15./16.Februar 1999: Die CIA verbucht nach langer Durststrecke wieder einmal einen Erfolg. In Zusam-menarbeit mit griechischen und kenianischen Regierungsstellen kann man dem türkischen Geheimdienst den Vorsitzenden der KURDISCHEN ARBEITERPARTEI PKK, Abdullah Öcalan, zur Verschleppung in die Tür-kei übergeben. Im antikolonialistischen Befreiungskampf der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Siebzigerjahre waren die meisten der nationalen Befreiungsbewegungen linksgerichtet. Man denke nur an Fidel Castro, Patrice Lumumba, Nelson Mandela oder Augostinho Neto, um nur einige Repräsentanten zu nennen.

Öcalan dürfte der letzte dieser historischen Repräsentanten sein, die PKK ist zu spät dran, die Herren der Welt können ihr ungeniert den Herren zeigen.

Die Kurden demonstrieren in ganz Europa. Als Euer Chronist sah und hörte wie die Kurden praktisch allei-ne auf weiter Flur verzweifelt den Appell „Hoch die internationale Solidarität!” skandierten, fragte er sich deprimiert, wo zum Teufel die einheimischen Linken sind? Sitzen wohl alle daheim vorm Fernseher und sind tief betroffen oder was! Alles verlernt, alles vergessen? 1968 und später haben wir zumindest ein biß-chen zur Niederlage des US-Imperialismus in Vietnam beigetragen, Öcalan mag durchaus ein umstreitba-rer Charakter sein, Euer Chronist ist dagegen, daß wir teilnahmslos bleiben, Ho-Ho-Ho-Chi-Minh!

16.Februar 1999: In Guben (BRD) wird der Großteil der Rechtsextremistengruppe ausgeforscht, die in der Nacht zum Samstag einen Algerier in den Tod gejagt hatte.

17.Februar 1999: Ein exemplarisches Urteil in Frankreich. Von einem Geschworenengericht wird eine 53jährige Einwanderin aus Mali zu acht Jahren Haft verurteilt: Sie hatte mindestens 48 Mädchen die Klito-ris verstümmelt (Beschneidung der Mädchen auf Grund religiösen Aberglaubens).

17.Februar 1999: Für den gerichtlich wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilten FPÖ-Ab-geordneten Walter Meischberger wird es eng. Er müßte noch bis 4. April im Parlament bleiben, um sich nach dem alten Politikerpensionsrecht eine Politikerpension zu ersitzen. Das FP-Ehrengericht, welches über den Verbleib von Meischberger entscheiden soll, ist bisher noch nicht zusammengetreten, aber am 7. 3. sind Landtagswahlen in drei Bundesländern...

17.Februar 1999: Da der Pflichtverteidiger von Fuchs, Gerald Ruhri, es mit seinem Klienten nicht gerade leicht hat, konzentriert er sich weiterhin darauf, Fuchs als kleinen Mittäter darstellen zu wollen. Er bringt dazu eine dubiose Briefbombenserie in Rumänien32 ins Spiel. Ruhri glaubt Übereinstimmungen im Schrift-bild der Bekennerbriefe festgestellt zu haben, was sich allerdings sehr rasch als Irrtum herausstellt, die "A", "g", "4" und "9" unterscheiden sich schon von weitem.

17.Februar 1999: Aschermittwoch. Haider versammelt rund 1.600 Fans in Ried im Innkreis. Neben diver-sen Kalauern vom Niveau des Villacher Faschings („falsche Zähne sind kein Zeichen für richtige Politik”) nimmt er auch Schimanek junior in Schutz, dieser sei für acht Jahre eingelocht 33 worden, weil „seine Ge-sinnung nicht gepaßt” habe. Ja wenn der Haider was zu reden hätte, die Gesinnung vom Schimanek junior würde nimmer so ganz als unpassend einzustufen sein...

17.Februar 1999: Elan Steinberg, Direktor des Jüdischen Weltkongresses kritisiert die zu hohen Anwalts-honorare bei den Verhandlungen über die Entschädigung von Holocaust-Opfern.

18.Februar 1999: Helmut Zilk hat beim Fuchs-Prozeß seinen großen Auftritt.

19.Februar 1999: Weitere Opfer der Briefbombenserie sagen beim Prozeß aus. Die Flüchtlingshelferin Maria Loley weist mit ihrer Aussage auf einen Aspekt hin, der allgemeinpolitisch gegen die "Einzeltäter-theorie" spricht: Für sie war die Briefbombe der Höhepunkt einer Serie von Beschimpfungen und Bedro-hungen. Sie verlegte ihren Wohnsitz und Tätigkeit nach Wien.

Festgehalten soll auch die Aussage von Franz Fuchs zu Motiv des versuchten Anschlages auf Lotte Ingrisch werden, nicht weil sie die Stiefmutter von Kaspar Einem ist, sondern weil „sie ein gotteslästerli-

32 In der ANTIFA-INFO-Chronik war dazu nur der folgende Eintrag zu finden: 3.-6.Juni 1995: In Rumänien tauchen Brief- und Pa-ketbombenattrappen aus Österreich auf. Führende Vertreter der ungarischen und deutschen Minderheiten erhalten diese in Graz und Innsbruck aufgegebenen Sendungen, die funktionstüchtig konstruiert sind, denen aber kein Sprengstoff beigefügt ist. Als Tä-ter werden rumänische Nationalisten vermutet, eine Verbindung zu österreichischen Rechtsextremisten gilt als unwahrscheinlich.

33 22.November 1995: Die 15 Jahre für Hans-Jörg Schimanek junior aus der Schwurgerichtsverhandlung wegen NS-Wiederbetätigung werden vom Obersten Gerichtshof auf acht Jahre herabgesetzt.

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ches Libretto geschrieben (hat). Sie war eine der ersten, die den Glauben lächerlich gemacht hat.” Womit wir wieder bei der Österreicher-Definition von Thomas Bernhard wären: katholisch & nationalsozialistisch.

19.Februar 1999: Der Papst und der Vatikan setzen sich für die Freilassung des (wie heißt das gleich in der Kriminalberichterstattung, ach ja:) mutmaßlichen Mörders Pinochet ein. Schließlich feierte der chileni-sche Diktator den Jahrestag seines Putsches immer mit einem römisch-katholischen Hochamt, da quillt dem Johannes Paul natürlich die Güte aus den Knopflöchern und er ist für Humanität. Für eine Humanität, die dem Pinochet unbekannt war, eine Humanität, die der Vatikan auch nicht für die tausenden Opfer der Pinochet-Bande zu erbieten versuchte.34

19.Februar 1999: Der Psychiater Heinrich Gross kann einer Mordanklage entgegen sehen. Laut gerichts-medizinischem Gutachten trägt er in fünf Fällen eine „wahrscheinliche Mitschuld am Tod” von behinderten Kindern.

20.Februar 1999: Zwar war es eh nur ein Urteil der verrotteten Politjustiz (Haideroriginalton: „In unserem Rechtsstaat ist so manches verrottet” und „Interessensgeleitete Richter und Staatsanwälte sind wie zu Metternichs Zeiten von politischen Weisungen abhängig”), aber der wegen Anstiftung zur Steuerhinterzie-hung rechtskräftig verurteilte FPÖ-Abgeordnete Walter Meischberger gibt trotzdem seinen Rücktritt be-kannt. Ein Freundschaftsdienst sei dies, erklärt er den Medienvertretern. Meischberger ersitzt sich seinen Politikerpensionsanspruch nicht, vor den Landtagswahlen in Salzburg, Tirol und vor allem Kärnten muß man allzu leichte Angriffspunkte für die "Haider-Jagdgesellschaft" vermeiden. Meischberger wechselt auf einen gut dotierten Posten in der Privatwirtschaft, die Option zur Rückkehr in die Politik wird ihm ausdrück-lich offengehalten.

22.Februar 1999: Laut NEW YORK TIMES soll der seinerzeitige Präsident des amerikanischen Olympischen Komitees (und nachmaligen Präsident des IOC), der Bauunternehmer Avery Brundage, mit dem NS-Regime vereinbart haben, wenn die Spiele 1936 in Berlin stattfinden, er dann mit dem Neubau der deut-schen Botschaft in Washington beauftragt werde. Dem fanatischen Verfechter des Amateurgedankens (Karl Schranz 1972!) half dieses Profi-Abkommen allerdings dann doch nicht, die deutsche Botschaft wur-de wegen des Krieges nicht gebaut.

23.Februar 1999: Vor zehn Jahren kam einer der letzten Sozialisten in einer österreichischen Regierung ums Leben. Sozialminister Alfred Dallinger starb bei einem Flugzeugabsturz. Seine Pläne, wie 35-Stunden-Woche und Wertschöpfungsabgabe, wurden bisher verhindert. Anmerkung zur Wertschöpfungs-abgabe: Im deutschen Bundestag wurde deren Einführung vor kurzem durch Gregor Gysi (PDS) gefordert.

23.Februar 1999: Die PTA überlegt rechtliche Schritte gegen die FPÖ. Das Adressenmaterial einer Par-teiaussendung wies nämlich rätselhafterweise die Datenverarbeitungsnummer (DVR) auf, unter der die Post die Daten ihrer Bediensteten gespeichert hat. Da die Post ihr Adressenmaterial nicht verkaufte, muß wohl angenommen werden, daß die DVR-Nummer auf den FP-Aussendungen eine Hausnummer war (wa-rum? Um die Herkunft des Adressenmaterials zu verschleiern?).

23.Februar 1999: Der Gemeinderat von Wulkaprodersdorf beschließt die Anbringung zweisprachiger öf-fentlicher Aufschriften. Eine generelle Regelung der im Staatsvertrag vorgeschriebenen Zweisprachigkeit im Burgenland ist immer noch ausständig. Schließlich könnten ja 1999 die Nationalsozialisten immer noch dagegen sein und mit denen will man sich wohl nach den Erfahrungen in Kärnten von 1972 nicht anlegen.

24.Februar 1999: In Graz geht es heute um die Vorfälle bei der Festnahme von Franz Fuchs.

24.Februar 1999: Anwalt Zanger fordert für jeden der noch lebenden 20.000 polnischen Zwangsarbeiter eine Entschädigung von 105.000 öS.

24.Februar 1999: Der FP-Ehrenrat in Sachen Meischberger vertagt sich ohne Entscheidung. Meischber-ger ist ja schon zurückgetreten.

25.Februar 1999: In Graz sagen Sachverständige zu den BBA-Bekennerbriefen aus. Zum historischen Teil heißt es, daß die Daten hierzu von jedermann aus einem Buch wie der weit verbreiteten "Geschichte der Steiermark" entnommen werden könnten, die Briefe stammten von „einem historisch interessierten, aber wenig gebildeten Laien”. Die Sicherheitskräfte hatten seinerzeit nach einem "Hobbyhistoriker", der sich mit der bajuwarischen Besiedlung Kärntens beschäftigt hat, geforscht.

Ein Oberösterreicher meldet sich, der vor Beginn der Briefbombenserie auf einem Autobahnparkplatz ein Flugblatt der BBA gefunden haben will. Das Flugblatt wurde vom angeblichen Finder nicht aufbewahrt, das Gericht hält eine Befassung damit für unnotwendig.

34 Aber das war ja was anderes, wie wir festgehalten haben: 1.Dezember 1998: Der Sohn von Pinochet verteidigt die Massenmor-de seines Vaters, dieser habe keine Menschen, sondern Bestien exekutieren lassen.

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25.Februar 1999: Ein britischer Untersuchungsbericht belegt, daß die Polizei 1993 bei einem rassistischen Mord an einem farbigen Jugendlichen letztlich durch rassistisches Verhalten die Bestrafung der Täter ver-hinderte.

25.Februar 1999: Im Parlament beschuldigt die FPÖ die Regierung „bester Kontakte zur Terroristen”, womit kurdische Aktivisten gemeint sind.

28.Februar 1999: Kommunalwahlen im Iran bringen einen großen Sieg der Reformer und eine schwere Niederlage der Mullahs.

28.Februar 1999: Laut SUNDAY TIMES sollen die Chancen für Pinochet schlecht stehen. Die Lordrichter scheinen zu beabsichtigen dem mutmaßlichen Folterer, Terroristen und Völkermörder keine Immunität zu-zuerkennen.

Ende Februar 1999: Bis zum 25.3. gibt es in Wien anläßlich des 60. Jahrestages der von Hitler angeord-neten Ermordung von Behinderten eine Reihe von Veranstaltungen, ein Theaterstück, Ausstellungen und Vorträge sollen zum Aufarbeiten dieses bisher eher vernachlässigten zeitgeschichtlichen Themas beitra-gen.

Anfang März 1999: Auf die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der deutschen Wehrmacht 1941 - 1944" wird in Saarbrücken ein Bombenanschlag verübt.

1.März 1999: Die polnische Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Antisemitismus gegen Kazimierz Switon, der sich mit Haßtiraden gegen die Juden für die Aufstellung der Kreuze im ehemaligen KZ Ausch-witz einsetzte.

1.März 1999: Im Kärntner Wahlkampf verwendete die FPÖ einen Bären als Wahlgeschenk und das Motto: "Bärensache ist Ehrensache". Nun wird der Bär zum offiziellen Parteimaskottchen und Haider übernimmt die Patenschaft für den "Verein zum Schutz der Braunbären in Österreich". Der Braun bär als FPÖ-Maskottchen! Das ist kein Kabarettisten-Gag, das stammt wirklich von der FPÖ!

2.März 1999: In Steyr wird ein pensionierter Priester, laut Medien Gottfried M., wegen Verhetzung zu sechs Monaten bedingt verurteilt (noch nicht rechtskräftig). Er hatte in einer Broschüre alte christliche anti-semitische Hetze (Ritualmorde und Hostienschändungen) losgelassen.35

2.März 1999: In Wien und Niederösterreich finden drei Hausdurchsuchungen wegen des Verdachtes der Versendung von BBA-Bekennerbriefen statt, darunter auch beim einschlägig bekannten Gerhart Pawlikow-sky 36.

2.März 1999: Der Kriminalpsychologe Thomas Müller schildert dem Gericht, wie mit gezielten Informatio-nen und Desinformationen die BBA in Streß versetzt wurde, was dann auch zur Panikreaktion von Fuchs geführt habe, der sich observiert fühlte. Der Psychiater Reinhard Haller bezeichnet den Angeklagten als eigenbrötlerisch, hochempfindsam, hochtalentiert, von Qualitätsehrgeiz zerfressen, übergenau.

3.März 1999: Beim Fuchs-Prozeß sagt der Sprengsachverständige Ingo Wieser aus. Die gefährlichste Bombe aus der mutmaßlichen Produktion von Fuchs sei die Blumentopfbombe in dessen Wohnräumen gewesen, die auf 30-40 Meter Entfernung tödlich gewirkt hätte. Die Suche nach einem Labor zur Spreng-stoffherstellung kann auch beendet werden, der Sachverständige führt es dem Gericht vor: Die Grundstof-fe sind von jedem im Handel problemlos erhältlich, zur Herstellung von Nitroglyzerin genügt dann eine Fil-terkaffeemaschine. Wieser präsentiert den Geschworenen im Gerichtssaal hergestelltes Nitroglyzerin.

3.März 1999: ÖVP-Chef Schüssel sagt, daß das Abschneiden der FPÖ in Kärnten keine Rolle spiele, Jörg Haider sei nicht so wichtig.

4.März 1999: Die Italiener erhalten kaltschnäuzig das amerikanische Führertum vorgeführt: Von einem US-Militärgericht wird der Pilot, der mit seiner Militärmaschine das Seilbahnunglück von Cavalese (20 To-te) verursachte, freigesprochen. Was können die Amerikaner dafür, wenn die Eingeborenen in den euro-päischen Kolonien ihre Seilbahnen zu hoch fliegen lassen? Na, Herr Schüssel und Herr Fasslabend, auf in die NATO, Österreich hätte auch eine Menge Seilbahnen zum Üben!

35 Der Verurteilte ist in der ANTIFA-INFO-Chronik schon unter entsprechendem Thema festgehalten: 12. Oktober 1995: Bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck wird Strafanzeige gegen Kaplan Gottfried Melzer erstattet. Der Geistliche ist der Organisator der jährlichen Wallfahrten zum "Anderl von Rinn". Seit 1985 sind kirchlicherseits die antisemitischen Wallfahrten, die auf einer Ri-tualmordlegende beruhen, untersagt.

36 25.Mai 1997: Innenminister Schlögl läßt uns wissen, man habe möglicherweise einen Briefbombenbriefeschreiber ausge-forscht. Ein 62jähriger Computerfachmann namens Gerhart Pawlikowsky, der schon länger auf der Observationsliste der Terror-fahnder gestanden sei, steht im Verdacht, die letzten zwei Bekennerschreiben (an PROFIL und NEWS) verfaßt zu haben.

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4.März 1999: VP-Klubchef Khol sagt, eine Wahl Haiders zum LH von Kärnten durch die SPÖ würde einer schwere Koalitionskrise bedeuten. Wobei er eine indirekte Unterstützung der Wahl durch einen Auszug der SP-Abgeordneten befürchtet. Bundeskanzler Klima erklärt eine Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundes- oder Landesebene für ausgeschlossen. Die höchst ungeschickte Ausserwinkler-Äußerung, der Kandidat der stärksten Partei solle Landeshauptmann werden, entsorgt sich eigentlich automatisch. Der SP-Spitzenkandidat hatte sich im Herbst damit selber als Landeshauptmann forcieren wollen, mit einer Mehrheit für die FPÖ war damals ja noch nicht gerechnet worden. Und wenn es nun doch dazu kommt, dann wird die SPÖ bestimmt sehr rasch für eine Auswechslung ihrer Parteispitze sorgen, Ausserwinkler daher für die Verwirklichung seiner Absicht nicht mehr zuständig sein.

4.März 1999: Bei einem kurdischen Besetzungsversuch des israelischen Generalkonsulats in Berlin waren vier Kurden von israelischen Sicherheitskräften erschossen worden. Jetzt gerät die behauptete Notwehrsi-tuation deutlich in Zweifel: Die Toten hatten zum Teil Kopfschüsse, auch von hinten. Die Sicherheitskräfte waren vor Ende der Untersuchung außer Landes gebracht worden.

4.März 1999: Zum neuen Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation SOS MITMENSCH wird der Schauspieler Karl Merkatz gewählt.

5.März 1999: Die Meinungsforscher sagen für die Kärntner Landtagswahl folgendes Resultat voraus: FPÖ 36%, SPÖ 31%, ÖVP 25%, Parteienbündnis "Demokratie 99" 8%.

5.März 1999: Der Termin für die öffentliche Verhandlung über die Auslieferung Rosenstingls wird auf den 10.3. festgesetzt.

6.März 1999: Otto Habsburg wird bei den EU-Wahlen nicht mehr für die CSU kandidieren. Die bayrischen Christen haben dem Otto signalisiert, daß sie auf ihn nimmer scharf sind.

6.März 1999: Die LEGA NORD wird die weit rechtsstehende Südtirolerin Eva Klotz als Kandidatin für die EU-Wahl aufstellen.

7.März 1999: Landtagswahlen in Kärnten, Salzburg und Tirol. Kärnten: FPÖ: 42,09% (+8,82%), SPÖ: 32,89% (-4,48%), ÖVP: 20,71% (-3,08%), Demokratie 99 : 3,91% Salzburg: ÖVP: 38,75% (+0,15%), SPÖ: 32,37% (+5,32%), FPÖ: 19,58% (+0,09%), Grüne : 5,37% (-1,90%) Tirol: ÖVP: 47,24% (-0,06%), SPÖ: 21,81% (+1,97%), FPÖ: 19,66% (+3,52%), Grüne : 7,95% (-2,73%). Die Liberalen scheitern in Salzburg und Tirol an der %-Klausel.

Die Meinungsumfrager lagen wieder einmal weit daneben, in Kärnten etwa wurde lediglich die Hälfte des FPÖ-Zuwachses vorausgesagt, die Verluste der ÖVP und das miserable Abschneiden des Wahlbündnis-ses Demokratie 99 nahm man gar nicht wahr.

Für Haider und die FPÖ ist die Problematik des Jahres 1998 bewältigt. Kärnten war ja immer das Bundes-land, dessen Bevölkerung am weitesten nach rechts auslegte. Dank der Dummheit der anderen Parteien konnte der Haiderscher Politikanten-Stadl seine Besucherfrequenz auf noch nie erreichte Höhen drehen.

Die Konsequenz, die sich politisch ergibt: Haider ist als Landeshauptmann von Kärnten nicht mehr zu ver-hindern, will man ihn nicht hilfreich auch noch zum nächsten Bundeskanzler aufbauen.

Zu bewundern war die schmierige Argumentationslinie, mit der sich SPÖ und ÖVP praktisch schon am Wahlabend von ihrem Prinzip "Haider wird nicht Landeshauptmann" verabschiedeten. Die Bundespartei-stellen sahen plötzlich nur mehr eine lokale Kärntner Angelegenheit, die sie eigentlich eh nix angehe und in Kärnten überlegte man ab Montag schon, wie man die Wahl Haiders zum Landeshauptmann, möglichst ohne sich dabei selber allzu sehr anzubrunzen, inszenieren könnte.

8.März 1999: In den großen europäischen Zeitungen wird der Haider-Sieg sehr kritisch kommentiert. Die französische LIBERATION schreibt z.B.: „Le Pen kann nur davon träumen, was Haider gelungen ist: Er hat den Stimmenanteil seiner Partei auf 42,09% erhöht (..) Weit vor Frankreich und Belgien ist es (Österreich) das europäische Land, in dem die extreme Rechte die meisten Wähler anspricht”.

Der erwähnte Le Pen hat Haider natürlich sofort herzlich zum Wahlerfolg gratuliert.

8./9.März 1999: Die Erklärung des deutschen Bundeskanzlers Schröder in Prag, man werde auf Entschä-digung der vertriebenen und enteigneten Sudetendeutschen verzichten, ruft entsprechende Proteste der Vertriebenenorganisationen hervor. Man werde dann den Staat für die verlorenen Ansprüche haftbar ma-chen.

9.März 1999: In Graz geht der Bomber-Prozeß zu Ende. Der Staatsanwalt verlangt lebenslang für Fuchs als Einzeltäter, der Verteidiger sieht im Angeklagten höchstens einen Mittäter und bestreitet die Tötungs-absicht. Als Schlußwort läßt Fuchs wieder die BBA hochleben und brüllt auch „Rot ist der deutschen Volksgruppe Tod”. Das wird die KRONEN ZEITUNG bestimmt wieder für eine linksradikale Parole halten.

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9.März 1999: Haider rechnet damit, bis Ostern (4.4.) Landeshauptmann von Kärnten zu sein.

10.März 1999: Urteil gegen Franz Fuchs: Lebenslänglich, u.a. wegen vierfachen Mordes, Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Die Geschworenen sind sich einig: Die BBA bestand nur aus Fuchs. Franz Fuchs mag also definitiv ein Einzeltäter gewesen sein. Inhaber einer Einzelgesinnung ist er ganz bestimmt keiner!

Franz Fuchs wird vom Richter und vom Verteidiger in seiner Zelle über das Urteil informiert, er schweigt dazu.

10.März 1999: Der ehemalige Bundeskunstkurator, Robert Fleck, setzt sich dafür ein, Kärnten unter Hai-der künstlerisch zu boykottieren: „Die FPÖ setzt seit vielen Jahren die freie Kunst in Österreich mit Polemi-ken unter Druck, die neben dem populistischen Zweck auch die Absicht haben, einschüchternd zu wirken. Den österreichischen Künstlern und Kunstvermittlern stellt sich die Gewissensfrage, ob sie in Landesinsti-tutionen in Kärnten noch ausstellen, Vorträge halten, an Katalogen mitarbeiten können”.

10.März 1999: Der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, zum Wahlerfolg Jörg Hai-ders: „Ich verstehe diese österreichische politische Landschaft nicht mehr. Leiden wir alle an allgemeiner Amnesie oder sind solche Sprüche (gemeint ist Haiders Spruch über die „ordentliche Beschäftigungspoli-tik” in der Nazizeit) durch die Legitimierung von 139.000 Stimmen nichts Böses mehr?”

10.März 1999: Das brasilianische Höchstgericht stimmt der Auslieferung Peter Rosenstingls zu.

11.März 1999: NEWS beschreibt die Haider-Pläne für Kärnten. Abgekürzte Verfahren für Betriebsgründun-gen, ein Frauen- und Müttereinstellungsprogramm, schärfere Bestimmungen für jugendliche Arbeitslose, Einführung des Kinderschecks, Senkung der Miet- und Strompreise, verpflichtende Schulfeiern zum 10. Oktober (Volksabstimmung von 1920, Abwehrkampf gegen Slowenien), breite Unterstützung für Volkskul-turorganisationen und ein Sofortprogramm für das Musikschulwerk statt Fäkalkunstförderung.

11.März 1999: Der Verein, der in Innsbruck die Gefallenengedenkstätten am Tummelplatz betreut, be-absichtigt, die verschwundene SS-Tafel 37 zu ersetzen. Was der Innsbrucker Bürgermeister als Eselei und politische Provokation bezeichnet. Der Tafel-Anbringer, die SS-Kameradschaft IV, existiert in Innsbruck nicht mehr (ausgestorben).

11.März 1999: US-Präsident Clinton bezeichnet es als Fehler, daß die USA in der Vergangenheit latein-amerikanische Diktaturen unterstützt hätten. Kleine Berichtigung: Das waren keine Fehler, das waren Verbrechen, die Diktaturen wurden nicht nur unterstützt, sondern häufig vom US-Geheimdienst errichtet. Remember Pinochet!

12.März 1999: Hans Rauscher zu Haiders Kärntner Sieg im STANDARD: „Das ist vielleicht das erschre-ckendste Defizit der österreichischen politischen Kultur - daß das Unbehagen gegen ein verknöchertes System nicht rationale, aufgeklärte Reformkräfte stark macht, sondern eine miefig-autoritäre Gegen-Alles-Bewegung.”

12.März 1999: Franz Vranitzky ist der Ansicht, Haider stünde nicht automatisch das Recht auf den Lan-deshauptmann zu. Die Öffentlichkeit habe Haiders Argumente übernommen, aber wenn 42% für Haider stimmten, dann sind immerhin 58% gegen ihn.

So einfach kann man es sich nicht machen! Es sind nicht 42% für und 58% gegen Haider, sondern 42% für und 58% nicht für Haider, und das ist nicht dasselbe. Der Wahlerfolg Haiders ist nicht vom Himmel ge-fallen. Zu Kärnten sagte der Chefredakteur des STERN, Michael Maier, vor der Wahl: „Wie war Kärnten in Jahrzehnten der SP-Alleinherrschaft? Liberal? Weltoffen? Mitnichten. Leopold Wagner hat sich gebrüstet, hochrangiger Hitlerjunge gewesen zu sein. Nationale wurden gefördert und hofiert. Der braune Sumpf blühte, weil es Teil der Kultur war, die dunkle Zeit zu glorifizieren. Die ÖVP trägt daran gewisse Mitschuld (..) Kameradschaftsabende waren Höhepunkte im Leben schwarzer Funktionäre, gemeinsame Verachtung der Slowenen war Common Sense. Auf diesem Nährboden konnte Haider aufsetzen. Er profitierte davon, daß nationale Rülpser und Intoleranz Teil einer politischen Kultur waren.”

15.März 1999: Ergebnis einer Wahlmeinungsumfrage: SPÖ: 39%, FPÖ 26%, ÖVP 23%. Damit hat Haider das Tief von 1998 großteils ausgeglichen.

15.März 1999: Die ÖVP legt sich für Kärnten fest, man stellt keinen eigenen Kandidaten auf und wählt we-der Haider noch den Kandidaten der SPÖ. Damit ist die Wahl Haiders zum Landeshauptmann fixiert.

15.März 1999: Mit der Verlesung der Anklageschrift beginnt in Zagreb der Prozeß gegen Dinko Sakic. Er wird beschuldigt als Kommandant des KZ Jasenovac im Jahre 1944 für den Tod von mindestens 2.400

37 14.Februar 1999: In Innsbruck wird durch eine unbekannte Eigeninitiative die Gedenkstätte am Tummelplatz ein bißchen ent-nazifiziert: Die Tafel der Waffen-SS verschwindet über Nacht.

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Menschen verantwortlich zu sein. Sakic war nach dem Untergang des kroatischen Ustascha-Regimes 1945 nach Argentinien geflüchtet und 1998 an Kroatien ausgeliefert worden.

15.März 1999: 82jährig stirbt Heinz Mayer in Innsbruck. Er war Widerstandskämpfer, verbrachte drei Jah-re im KZ und gründete den "Bund des politischen Freiheitskampfes in Tirol", dessen Präsident er war. Zu-letzt hatte er sich vor allem gegen die Verhinderungsmaßnahmen von Landeshauptmann Weingartner ge-gen die Gedenktafel am ehemaligen Gestapohaus in Innsbruck engagiert38.

16.März 1999: Das Urteil gegen Franz Fuchs (lebenslänglich wegen vierfachen Mordes und anderer Delik-te) ist rechtskräftig. Der Bomber von Gralla hatte keine Rechtsmittel gegen das Urteil vom 10. März ergrif-fen.

Vorerst unerledigt ist die Verteilung der ausgelobten Belohnung. Da die beiden Frauen, die die Gendarme-rie auf Fuchs aufmerksam machten, dies aus Gründen taten, die nicht im Zusammenhang mit den Bom-benanschlägen standen, wird überlegt einen Teil der 14 Millionen den Opfern von Fuchs zukommen zu lassen.

16.März 1999: Laut Parlamentsbericht sind die bekannt gewordenen rechtsextremen Vorfälle in der deut-schen Bundeswehr von 1997 auf 1998 von 177 auf 320 gestiegen. Das Steigen der Zahl sei auch auf ver-mehrte Meldungen zurückzuführen.

17.März 1999: Zirka 90 Millionen öS werden die Kosten für die Historikerkommission betragen, die sich mit dem Vermögensentzug während der NS-Zeit befassen wird. Es sollen dabei auch SPÖ und ÖVP als mögliche Nachkriegsnutznießer überprüft werden.

17.März 1999: Der Psychoanalytiker Otto Kernberg (1939 aus der "Ostmark" vertrieben) sagt anläßlich der Verleihung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst, die massive Unterstützung Jörg Haiders in Kärnten „hat sicher nicht so sehr mit der Identifizierung mit der Nazizeit zu tun, mehr mit einem allgemei-nen Mißtrauen gegenüber Fremden und einem alteingesessenen Antisemitismus”, das sei „ein Zeichen der nicht durchgearbeiteten Vergangenheit”.

19.März 1999: Der Entwurf für das Stapo-Gesetz sieht eine sogenannte "erweiterte Gefahrenforschung" vor, diese soll gegenüber Gruppen eingesetzt werden, denen „weltanschaulich oder religiös motivierte Gewalt” zugetraut werde.

Das ist ein herziger Gummiparagraph. Gewalt zutrauen kann man schließlich bald jemandem. Engagierte Antifaschisten würden dann beispielsweise deswegen in den Spitzelberichtesammlungen stehen, weil es ja sein könnte, daß der eine oder andere sich überlegen könnte, die (gewaltsame) Demontage von SS-Gedenksteinen wäre kein Schwerverbrechen. Euer Chronist kennt das aus der Vergangenheit: Obwohl er außer einiger Ranglereien mit Neonazis (deren Organisationen in den Siebzigerjahren verfassungswidrig nicht verboten waren!) an keinerlei Gewalttätigkeiten teilgenommen hat, wurde er als linkslinker Links-extremist zumindest zwanzig Jahre von der Stapo bespitzelt. Lückenhaft, fehlerhaft und sinnlos. Aber als Chronikschreiber, der etwa zur boshaften Sachbeschädigung im August 1997 am Kärntner Ulrichsberg meinte, „dem ANTIFA-INFO entfließen keine Tränen, weil ein Heiligtum derjenigen in Brüche ging, die sei-nerzeit für den Führer und das Herrenvolk zur Eroberung von Lebensraum in die Welt hinausgezogen sind”, verdient sich Euer Chronist nach der kommenden Gesetzeslage sicherlich wieder einen neuen Spit-zelakt. Stapo-Mitleser, schreib's auf!

19.März 1999: Der Welser Bürgermeister Bregartner ist der Meinung, er sei kein rechtsextremer Bürger-meister. Daher will er die SOZIALISTISCHE OFFENSIVE VORWÄRTS klagen, weil diese in einem Flugblatt Bre-gartner rechtsextrem genannt hatte, weil er in seiner Funktion als Präsident der Welser Messe mit dem Flohmarktveranstalter Ludwig Reinthaler 39 Geschäftsbeziehungen unterhalte. In einem SOV-

38 3.April 1998: Der Tiroler Landeshauptmann Weingartner will die Anbringung einer Gedenktafel am Gebäude, das in der NS-Zeit die Gestapo beherbergte, verhindern. Das "schöne Gebäude" soll nicht zu einem Gestapo-Haus gemacht werden. Der Präsi-dent der Tiroler Naziopfer, Heinz Mayer, nennt dies eine „unverschämte Beleidigung der Opfer“.

39 21.September 1996: Ludwig Reinthaler, Erfinder eines "Dokumentationsarchives des Welser Widerstandes", Verteidiger der braunen Flecke, Verbreiter rassistischer Flugblätter, Kampfgefährte vom Porno-Huemer und Kandidat der "Neutralen" für die EU-Wahl, schickt an Dr. Neugebauer vom DÖW einen Strick und der Aufforderung „Beiliegend ein kleines Geschenk für Sie! Wenn Sie wirklich das Beste für die Republik wollen, wie Sie immer vorgeben, dann benutzen Sie es!“ Erste Dezemberhälfte 1997: Der Welser Bürgermeister Bregartner hat zwar seinerzeit eine Vereinbarung unterschrieben, die ihn im Punkt 7 verpflichte-te, daß „öffentliche Einrichtungen der Stadt Wels“ keine Geschäftsverbindungen mit Personen, die rechtsextremer Aktivitäten verdächtig sind, haben dürften. Trotzdem will er als Messepräsident weiterhin an Ludwig Reinthaler für Flohmarktveranstaltun-gen vermieten. Reinthaler sei schließlich nicht verurteilt worden, daher gebe es keine Beweise. SJ-Vorsitzender Pichler spricht von „einer Verhöhnung eines Parteibeschlusses“. 8.Februar 1998: Im Radio-Kabarett "Guglhupf" wird über die Flohmarkt-Vertragsverlängerung Bregartners für Rechtsaußen Reinthaler die Vermutung aufgestellt: Vielleicht kennt Bregartner von seinem Stammtisch her nur Rechtsextremisten.

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Rundschreiben hieß es: „der rechtsextreme Bürgermeister Bregartner sorgt wieder für Schlagzeilen (..) verlängerte er erneut trotz vorangegangener Proteste den Vertrag zur Nutzung der Messehallen mit dem stadtbekannten Faschisten”. Nicht nur der Verfasser des Mitgliederbriefes, Franz Breier, sondern auch der SOV-Bundessprecher John Evers sehen Probleme bei der politischen Zuordnung Bregartners: „Bregartner hat ein mehr als schlampiges Verhältnis zum Nationalsozialismus”.

20.März 1999: Wohl um nicht direkt als Haiders Helfer dazustehen, überlegt die Kärntner VP jetzt doch ei-nen eigenen LH-Kandidaten aufzustellen.

20./21.März 1999: FPÖ und LEGA NORD treffen sich in Venedig. Man stellt dabei viele Gemeinsamkeiten, speziell in der Ausländerpolitik, fest.

22.März 1999: Auch die Richtervereinigung äußert massive Bedenken gegen das geplante neue Stapo-Gesetz.

22.März 1999: Wiener Sozialarbeiter warnen vor der Gewaltbereitschaft rechtsextremistischer türkischer Jugendlicher gegen Kurden und deren Einrichtungen, tausende junge Türken der zweiten Generation sympathisierten mit den faschistischen GRAUEN WÖLFEN.

22.März 1999: In Innsbruck wird nun doch auf die Wiederanbringung der Gedenktafel für die großdeut-schen Herrenmenschenhelden von der SS verzichtet.

24.März 1999: Die NATO beginnt mit schweren Luftangriffen auf Jugoslawien, um ein Einlenken von Prä-sident Miloševic zu erzwingen. Ein UNO-Beschluß liegt dazu nicht vor.

Zwar sind diese Ereignisse an sich kein unmittelbarer Stoff für das ANTIFA-INFO, aber trotzdem ein paar Anmerkungen: Militärisch wird man das Land nur mit Luftangriffen kaum in die Knie zwingen. Im Zweiten Weltkrieg hatten weder die deutschen Luftangriffe auf England noch die alliierten Angriffe auf Deutschland entscheidende Wirkung, es wurde dadurch am ehesten der Haß auf die Feinde gesteigert. Im Vietnam-krieg warfen die USA mehr als dreimal so viele Bomben ab wie im Zweiten Weltkrieg in ganz Europa ein-gesetzt wurden, trotzdem verloren die USA den Krieg. Zum Politischen: Die verfahrene Situation in Jugos-lawien wurde ursprünglich mittels tatkräftiger Hilfe auch durch unfähige ausländische Politiker geschaffen. Die vom Ausland massiv geförderte 40 Aufteilung des Landes in eine Reihe von selbständigen Nationalre-publiken förderte den militanten Nationalismus im Gesamtgebiet, jede Völkerschaft, jede Minderheit be-gehrte nach den kroatischen und slowenischen Vorbildern eine ethnisch gesäuberte eigene Republik. Jetzt sind in verschiedenen Bereichen Pattsituationen entstanden, die man mit Waffengewalt lösen will. Jetzt lö-sen die NATO-Bombenangriffe vor allem eine massive Zunahme der Vertreibungen aus.

Bemerkenswerte Teilaspekt: Eine außergewöhnlich üble Rolle in der ganzen Sache spielt der deutsche Außenminister Joschka Fischer von den Grünen, ein Wendehals weit über den Cap'schen 41 Ausmaßen! Er setzte sich nicht nur nachdrücklich für die Bombardierungen ein, sondern verlangte von Österreich Ü-berflugsgenehmigungen, die ÖVP-Außenminister Schüssel mit hämischen Hinweisen auf die österreichi-schen Grünen und das Neutralitätsgesetz zurückweisen kann. In späterer Folge bezeichnet Joschka Fi-scher in einer Bundestagsrede die Serben als ein Hindernis für die europäischen Integration, alle wollten in die EU, nur Restjugoslawien nicht. Mit so einer Argumentation würde man auch die Schweiz und Norwe-gen bombardieren können...

24.März 1999: Der Rechtsausschuß des britischen Oberhauses stellt mit 6:1 Stimmen fest, daß der chile-nische Faschist Augusto Pinochet keine Immunität genießt. Einschränkend wird allerdings festgehalten, daß im Falle einer Auslieferung nach Spanien nur Delikte nach dem 29.9.1988 gerichtlich verfolgt werden können, weil zu diesem Datum in Großbritannien die Antifolterkonvention gültig wurde und dadurch die Auslieferung Verdächtiger, die ihre Taten im Ausland verübten haben, an Drittländer rechtlich möglich.

25.März 1999: Dem ehemaligen steirischen KPÖ-Landesvorsitzende Franz Leitner wird die höchste israe-lische Auszeichnung für Nichtjuden verliehen, er wird unter die GERECHTEN UNTER DEN VÖLKERN aufge-nommen. Als politischer Häftling im KZ Buchenwald hatte er als Blockältester an der Rettung von hunder-ten Kindern mitgewirkt. Unter den Geretteten war auch der jetzige Großrabbiner von Israel, Meier Lau. Gleichzeitig erhält die Wienerin Edith Hauer diese Auszeichnung. Sie hatte im Gestapo-Hauptquartier eine Anzahl Deportationsakten entwendet und die Opfer vorgewarnt. Eine jüdische Freundin versteckte sie bei Verwandten in Aussee, wo sie auch Kontakt mit der Widerstandsgruppe um Sepp Plieseis und Albert Gaiswinkler aufnahm.

40 speziell von den österreichischen und deutschen Außenministern Mock und Genscher!

41 Josef Cap war ja bekanntlich früher einer der Hauptsprecher der österreichischen Friedensbewegung, jetzt ist er der NATO-Befürworter in der SPÖ

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25.März 1999: In Tirol bricht die ÖVP die Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ ab. Nachdem von den Freiheitlichen über Nacht die präsumtive Spitzenkandidatin für die NRW, Susanne Riess-Passer, als Lan-desrätin ins Spiel gebracht wurde, will man jetzt mit der SPÖ eine Koalition bilden.

26.März 1999: Die in Wien eingerichtete Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Frem-denfeindlichkeit plant die Einrichtung eines Informationsnetzwerkes in allen EU-Staaten.

26.März 1999: Die ehemalige konservative britische Premierministerin Thatcher sagt über Pinochet, er sei der Mann, „der Chile die Demokratie brachte”. Aber klar, schließlich hat er den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Allende umgelegt. Dann war Chile so demokratisch, wie es offenbar auch die Frau Thatcher gerne hat. Demokratie muß eben von Zeit zu Zeit in Blut gebadet werden, wie Pinochet es seinerzeit so treffend formulierte.

26.März 1999: In Kärnten einigen sich FPÖ und ÖVP über die Verteilung der Landesräte.

26./27.März 1999: Bereits zum zweitenmal wird die Eingangstür des Büros der Innsbrucker Menschen-rechtsorganisation TIME beschmiert.

29.März 1999: Über einen neuen Aspekt für die Kunst schreibt FP-Sichrovsky in einem STANDARD-Leser-brief: Er fordert Haider auf, als Kärntner Landeshauptmann den Bereich Kultur an sich zu reißen, denn „nur eine FPÖ in Kärnten garantiert den Künstlern jene Freiheit und Herausforderung, die sie dringend braucht, um eine interessante Kunst zu schaffen. Vielleicht zwingt sie die politische Abneigung zu einer Kreativität, die durch Auftragswerke längst verloren ging. Jörg Haider als Kunstchef mag jenen inneren Widerstand provozieren, der notwendig ist, um Außergewöhnliches zu schaffen”. Genau dafür ist Haider die richtige Person. Wenn dann in einem außergewöhnlichen Kunstwerk FPÖ & Haider unter die Räder kommen: Dann klagt man eben! Nur ein ganz einfaches Beispiel mit einem einfachen Kunstwerk. Im Lied der EAV "Erzherzog Jörgerl" hatte es geheißen: "Wo i geh und steh, tuat mia mei Herz so weh, gibt's meiner Seel' an Stich, weil i überall Kanaken siech. Schau gern dem Volk aufs Maul, und is im Staat was faul, dann fo-ahr i drein wie er, na, ihr wißt's schon wer - und mein blauer Schal steht für nazional, doch ganz im Ver-traun, hinten is er a bisserl braun..." - Kunstförderer Haider hatte sofort geklagt, war aber abgeblitzt. Also auf ihr Kabaretisten, Liedermacher, Stückeschreiber, Karikaturisten, geht nach Kärnten, schafft außerge-wöhnliche Kunstwerke!

29.März 1999: Parlamentsanfrage der Grünen, ob die Wiener Staatsanwaltschaft wegen einer FPÖ-Postwurfsendung ermittle, in der es geheißen hatte: „Wer kümmert sich um unsere jungen Mütter? SPÖ und ÖVP nicht, denn sonst würden sie es nicht zulassen, daß Wiener Gemeindekindergärten von Auslän-derkindern überfüllt sind”.

30.März 1999: Ein dankbarer Leser (Franz Strasser aus Perg) schreibt in der KRONEN ZEITUNG: „Sehr ge-ehrter Herr Dichand! Ich wollte Ihnen eigentlich schon lange ein Danke sagen für Ihre heimattreue Haltung und Ihr soldatisches Eintreten, Ihren Einsatz für Wahrheit und gegen das Umdrehen unserer Werte!” Wir schließen uns auch an: Jawoll, die KRONEN ZEITUNG hält sie hoch, die wahren soldatischen Werte der Heil-Hitler-Generation!

Ende März 1999: Daß die NATO offiziell protestiert habe, weil Österreich Überflüge verweigert, wird de-mentiert. Aber allem Anschein nach war man natoseitig sehr ungehalten, daß sich Österreich so mir nix dir nix plötzlich an das Neutralitätsgesetz gehalten hatte (zumindest offiziell, wer kann schließlich feststellen, was über den Wolken für grenzenlose Freiheiten herrschen?).

Ende März 1999: Versatzstücke aus der Hitlersprache (LTI, Lingua Tertii Imperii, Sprache des Dritten Reiches, hatte dies Victor Klemperer genannt) werden auch heute gelegentlich gerne verwendet, ohne daß es aufzufallen scheint. Da präsentiert man z.B. einen RADAR-Atlas von Österreich: Motto: „Ab jetzt wird zurückgeblitzt” - . „Seit fünf Uhr fünfundvierzig wird zurückgeschossen, meine Friedensliebe und mei-ne endlose Langmut soll man nicht mit Schwäche oder gar Feigheit verwechseln”, hat es am 1.9.1939 ge-heißen. Ein fröhliches "Siegheil" den Zurückblitzern!

31.März 1999: Die Erklärung von Innenminister Schlögl, man werde Kosovo-Flüchtlinge dulden, wurde von verschiedenen Organisationen kritisierte. Man erklärt sich nunmehr bereit, „einige tausend” zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen.

Anfang April 1999: Immer noch überlegt Karl Habsburg, ob er, nachdem ihm die VP den Weisel gegeben hat, nicht mit einer Namensliste für die EU-Wahlen kandidieren könnte. Wäre eine großartige Idee!

Anfang April 1999: Vor 100 Jahren erschien die erste Nummer der FACKEL. 37 Jahre lang veröffentlichte Karl Kraus, die meiste Zeit als einziger Autor, diese zeit- und gesellschaftskritische Zeitschrift, die zu den bleibenden österreichischen Werken des 20. Jahrhunderts gehört.

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Anfang April 1999: Die Meinungsumfragen zur EU-Wahl zeigen drei fast gleich starke Parteien: Die SPÖ mit 31%, ÖVP und FPÖ mit je 29%, die Grünen mit 7% und das LiF mit 5%. Was als Mandatsverteilung 7/6/6/1/1 ergebe.

1.April 1999: Immer noch ist es Absicht der ÖVP, daß der Bundesheergeheimdienst eine „systematische Auswertung von militärkritischen Äußerungen” betreiben möge. Die Kommission, die den Gesetzentwurf prüfte, ist der Ansicht, daß zahlreiche Ermächtigungen „zu weitgehend und zu wenig bestimmt” sind. Die SPÖ will jetzt einen eigenen Entwurf vorlegen.

2.April 1999: Sektionschef Manfred Matzka von der Sektion III im Innenministerium forderte in einem Ar-beitspapier ein schärferes Asylgesetz: Einstellung der Zusammenarbeit mit UNO-Flüchtlingshochkommis-sariat, Einstellung der Betreuung von Schubhäftlingen, Erleichterungen beim Abschieben. Nachdem das Papier in die Öffentlichkeit gelangte, distanziert sich der Innenminister nun davon.

2.April 1999: Nach den NATO-Angriffen auf Jugoslawien stieg die Ablehnung eines NATO-Beitrittes in Ös-terreich von 65 auf 72%

2.April 1999: Die Entschädigung für seinerzeitige NS-Zwangsarbeiter sieht Frank Stronach, Eigentümer von Steyr-Daimler-Puch, als Staatsschuld. Er ist aber bereit, die Archive der Steyr-Werke zu öffnen.

6.April 1999: Über 1,5 Millionen $ (18 Millionen Schilling) sollen sich die bisher aufgelaufenen Anwaltskos-ten für den in England in Auslieferungshaft einsitzenden Chile-Fascho Pinochet belaufen.

7.April 1999: In Madrid wird auf das pompöse Grabmal des Diktators Franco ein Bombenanschlag verübt. In Spanien ist ja bisher offiziell überhaupt keine Aufarbeitung der Herrschaftszeit der faschistischen Dikta-tur erfolgt. Dem Putschisten, Hochverräter und Massenmörder Franco und seinen Komplizen wurde bisher noch nicht der verdiente Platz in der Geschichte zugewiesen.

8.April 1999: Der Wille des Kärntner Volkes erfüllt 1999: Der Landtag übergibt Jörg Haider die Herr-schaft. Bereits im ersten Wahlgang wird Haider mit den 16 Stimmen seiner Partei gegen die 12 Stimmen der SPÖ gewählt, die ÖVP enthält sich der Stimme.

In der Kärntner Landesregierung besetzen FPÖ und SPÖ je drei Sitze, die ÖVP erhält einen Sitz. Haider hat sich als Landeshauptmann die Referate Personalwesen, Verfassung, Bildung, Schulen, Technologie und Kultur vorbehalten. Da werden sich jetzt die Fäkalienkünstler schön anschauen, jetzt kommt endlich wieder eine ordentliche Kultur ins Land!

8.April 1999: Auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs widerruft Haider seine Behauptung vom Mai 1998, die Firma Nordex sei der Mafia zuzurechnen.

9.April 1999: Das Justizministerium gibt grünes Licht für die Anklageerhebung gegen Dr. Heinrich Gross wegen des Verdachtes in der NS-Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus behinderte Kinder ermordet zu haben.

12.April 1999: Die Umfrageergebnisse zur NRW widersprechen sich ziemlich: Während die SPÖ allent-halben zwischen 38 und 40% liegt, hat man teils die ÖVP, teils die FPÖ als zweitstärkste Partei vorne:

ÖVP FPÖ STANDARD 27 23 PROFIL 28 26 NEWS 26 27 ORF 26 28

13.April 1999: Wieder geht ein Zeitalter in der FPÖ zu Ende. Im März 1997 kündigte die FP eine ideolo-gisch-politische Umgestaltung an. Im neuen Parteiprogramm soll die "deutsche Kultur- und Volks-gemeinschaft" hinausgeschmissen werden, hineinkommen, daß die FPÖ christlich , sozial und demokra-tisch ist. Hinter der Hinwendung zu den militanten Extremkatholiken steckte Klubobmann Ewald Stadler. Nunmehr wird Stadler aus dem Parlament entfernt und passend in Niederösterreich endgelagert. Er soll dort Hans-Jörg Schimanek senior als Landesrat ablösen. Der Krenn wird sich freuen, daß er in seiner Diö-zese einen gesinnungsgleichen Politiker begrüßen kann, im Parlament wird Stadler von niemanden ver-mißt werden.

Haider bereitet damit die Option vor, auf Bundesebene eine FPÖ ohne Haider als Koalitionspartner anzu-bieten. Nachfolger von Stadler im Parlamentsklub wird Wehrsprecher Scheibner.

13.April 1999: Ab Jänner 2000 soll in Kärnten der von Haider versprochene Kinderbetreuungsscheck ausbezahlt werden. Die Finanzierung ist weiterhin unklar.

14.April 1999: In Wels protestiert die SOZIALISTISCHE INITIATIVE VORWÄRTS in einer Kundgebung gegen die Klage des Welser Bürgermeisters Bregartner wegen der Betitelung als "rechtsextremer Bürgermeister".

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Der Protest wird u.a. von zahlreichen Politikern der Grünen unterstützt, allerdings sehr befremdlicher Wei-se nicht in Oberösterreich. Dem Anschober und seinen Leuten geht es wohl zu gut.

In einem Artikel "Belated farewell to town swastika" (Verspäteter Abschied für Stadt-Hakenkreuz) in THE GUARDIAN vom 15.4.97 wurde Bregartner, der sich zu jener Zeit zu Entfernung der berüchtigten "Braunen Flecken" hatte verpflichten müssen, als "browned-off Mayor" (entbräunter Bürgermeister) bezeichnet. Es ist nicht bekannt, daß er deswegen den GUARDIAN geklagt hätte - ein "browned-off Mayor" müßte ja vorher ein "brown Mayor" gewesen sein, oder?

14.April 1999: Zu Haiders Kulturkonsulenten soll der Rechtsausleger und Umvolker Andreas Mölzer be-stellt werden. Haiders vormaliger Grundsatzreferent und Chefideologe kommt im HANDBUCH DES ÖSTER-REICHISCHEN RECHTSEXTREMISMUS immerhin auf 37 Eintragungen. Der inzwischen von PRESSE und KRO-NEN ZEITUNG als Kolumnist gehätschelte Ganzrechtsintellektuelle soll Haider mit Ideen versorgen. Der Landeshauptmann hatte schließlich in seiner Antrittsrede erklärt, er möchte dazu beitragen, „der Kärntner Nestbeschmutzung im In- und Ausland mit Kärntner Steuergeldern ein rasches Ende zu setzen”.

Also aufgepaßt ihr linkslinken Staatskünstler, ab heute gibt es nur noch eine ordentliche und saubere Kunst im Kärntner Nest!

Erste Aprilhälfte 1999: Was den österreichischen Katholiken der FP-Stadler ist, soll das den deutschen Juden Sichrovsky sein? Der FP-EU-Abgeordnete besetzt eine neue Position, er wird Präsident des "Bun-des gesetzestreuer Jüdischer Gemeinden in Deutschland", dieser Verein soll als Konkurrenz zum "Zentral-rat der Juden in Deutschland" eine Art Fundi-Alternative darstellen und möglicherweise auch dem Ausle-ben der Feindschaft Sichrovskys zu Ignatz Bubis nicht direkt hinderlich sein.

15.April 1999: Der britische Innenminister stimmt der Fortsetzung des Auslieferungsverfahrens gegen Pi-nochet zu. Es wird allerdings damit gerechnet, daß sich das Verfahren unter Umständen noch jahrelang hinziehen könnte.

15.April 1999: Der Bericht des Innenministeriums zum Rechtsextremismus stellt für das Jahr 1998 fest, daß der militante Rechtsextremismus zur Zeit keine Leitfigur habe, die nazistischen Straftaten sind gegen-über 1997 von 322 auf 283 Delikte zurückgegangen. Zulauf hatten die Revisionisten (Holocaust-Leugner) und die Skinheads. Weiter verbreitet hat sich die rechtsextreme Agitation im Internet.

15.April 1999: Die ÖVP ersetzt auf der EU-Kandidatenliste Karl Habsburg durch Othmar Karas.

Mitte April 1999: Die Vierteljahresschrift des Vorarlberger Landesarchivs, MONTFORT, beschäftigt einen Mitarbeiter mit geeichter Vergangenheit, der sich mit der Reinwaschung der regionalen Eliten der NS-Zeit befaßt. Der frühere Jugendsprecher der Vorarlberger NDP und Schreiber im Ochensberger-Blatt "Sieg", Manfred Stoppel, findet die Vorarlberger Nazis wären "kulant" zu ihren Gegnern, der Antisemitismus sei weniger rassistisch als volkswirtschaftlich bedingt gewesen. Der "Schriftleiter" (NS-Wort für Chefredakteur) des MONTFORT, Karl Heinz Burmeister, meint, man lebe in einer pluralistischen Gesellschaft ohne Zensur. Also für unverbotene NS-Reinwaschung in der Zeitschrift des Landesarchivs! Heil Hitler Herr Schriftleiter!

Mitte April 1999: Der neue Kärntner Kulturberater Andreas Mölzer in seinem Rechtsblatt ZUR ZEIT über Kärnten und die drei wesentlichen Gestalten des Landesmythos: Arthur Lemisch, ein militanter Alldeut-scher, Ludwig Hülgerth, Landeshauptmann in der klerikalfaschistischen Zeit, Hans Steinacher, Abwehr-kämpfer und Nationalsozialist. „Sie alle drei sind Identifikationsfiguren, in deren Schuhe zu schlüpfen, ei-ner, der in Kärnten Landeshauptmann sein will, immer wieder versucht sein wird”. Was Wunder, daß dann 42% der Kärntner den Haider wählen, nicht ausgeschlossen, daß ihm die von Mölzer vorgeschlagenen Schlüpfer paßten!

16.April 1999: Der FPÖ-Ehrenrat spricht Walter Meischberger trotz der rechtskräftigen Verurteilung we-gen Anstiftung zur Steuerhinterziehung frei, ihm sei kein unehrenhaftes Verhalten vorzuwerfen. FP-Generalsekretär Westenthaler kann sich mit dieser Entscheidung nicht anfreunden und bezeichnet sie als ungültig.

16.April 1999: Seminar in Puchberg, Roman Schweidlenka berichtet über "Braune Magie - Esoterik und Rechtsextremismus", den ANTIFA-INFO-Lesern sind die esoterischen Einfallstore des Rechtsextremismus auch durch Beiträge von Schweidlenka und Gugenberger bekannt, es sei dazu nochmals auf das Buch Eduard Gugenberger/ Franko Petri/ Roman Schweidlenk a 1999: Weltverschwörungstheorien . Die neue Gefahr von rechts. Deutike, Wien 1998, 320 S., 285.- öS, verwiesen.

18.April 1999: nach seinem Ehrengerichtsfreispruch überlegt FP-Meischberger laut und öffentlich, ob er wieder in den Nationalrat zurückkehren soll. Westenthaler ist dagegen, er bezeichnet den Freispruch als "Nullum". Wozu hat die FPÖ dann aber "Demokratie-Vertrag" und Ehrenrat eingerichtet? Lauter Nulla?

18.April 1999: Einen nicht ungeschickten Schachzug legt Klima in der TV-Pressestunde an: Er schlägt vor, die Neutralität fünf Jahre außer Streit zu stellen. Die ÖVP läuft natürlich in die aufgeklappte Messer-klinge und lehnt ab. Damit hat sich die SP ein zugkräftiges Wahlkampfthema gesichert.

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18.April 1999: Wahlen in der Türkei. Mit 22% wird die sogenannte "Demokratische Linke" von Bülent Ece-vit die stärkste Partei, an zweiter Stelle landen allerdings die türkischen Faschisten, die "Nationale Bewe-gung", vormals "Graue Wölfe", mit 18% (bei den letzten Wahlen unter 10%), die Islamisten verlieren und werden mit 16% nur noch Dritter. Die beiden konservativen Parteien verlieren ebenfalls und erhalten 13 und 12%, die Sozialdemokraten scheitern mit 9% an der 10%-Sperrklausel, die Kurdenpartei mit 4% eben-falls.

19.April 1999: Von der FP-Führung wird eine Rückkehr Meischbergers ins Parlament abgelehnt, ihm wird der Parteiausschluß angedroht.

19.April 1999: In Vorarlberg stellt der Historiker Franz Valandro sein Buch "Rechtsextremismus in Vorarl-berg nach 1945" vor. Demnach ist in Vorarlberg besonders die grenzüberschreitend vernetzte Skinheads-Szene aktiv.

20.April 1999: Zu Führers Geburtstag veranstalten zwei Jugendliche in Littleton, USA ein Massaker unter ihren Mitschülern. Nachdem sie dreizehn erschossen haben, begehen sie Selbstmord. Heil Hitler.

21.April 1999: Walter Meischberger wird aus der FPÖ ausgeschlossen, weil er den Verzicht auf die Rück-kehr ins Parlament nicht rechtzeitig abgegeben hatte. Meischberger kommt dann zwar nicht zur vorgese-henen Angelobung und gibt seinen Verzicht doch noch bekannt, aber das hilft ihm nimmer. Er zeigt sich enttäuscht, daß er trotz des Freispruches durch den Ehrenrat so schnöde behandelt wird.

21.April 1999: Boris Lechthaler (Linzer Friedenswerkstatt) legt seine Funktionen bei den Grünen zurück. Seine Erklärung dazu haben wir an anderer Stelle abgedruckt.

22.April 1999: NEWS berichtet über eine Stellungnahme von vier israelitischen Rabbinern, in der sie zum Haider-Sieg in Kärnten von einer Stabilisierung der Demokratie, die allen Juden zugute komme, sprechen. Ariel Muzicant von der österreichischen Kultusgemeinde, ging der Sache nach und ermittelte vor Ort: Die vier Rabbiner (lauter Fundis) hatten die Rolle Haiders gar nicht gekannt und nur der Bitte eines jüdischen Politikers entsprochen. Einen weiteren offenen Brief, indem die vier Rabbiner Muzicant der Lüge bezichtigt hätten, kennen sie gar nicht.

23.April 1999: Arbeiterkammerwahl in Vorarlberg. Der ÖAAB erhält 60% der Stimmen, die Sozialdemokratische Fraktion fällt von 27,8 auf nur noch 16,1%, die Freiheitlichen bekommen 12,7%. In Vorarlberg arbeiten besonderes viele Gastarbeiter. Eine Liste von extrem rechtsgerichteten Türken erreicht 7,2%, die Grünen mit ihrer gastarbeiterkombinierten Liste "Gemeinsam" verlieren 1% und erhalten 3,3%. Somit beträgt der Anteil der Nichtrechten nur noch 19,4 statt 32,1%. Die starken Änderungen ergeben sich wohl auch durch die große Zunahme der Wahlbeteiligung von 28 auf 45%.

24.April 1999: Bei der Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft gelingen manchmal die großartigsten Erfolge. Man wird sich vielleicht noch an Horst Mahler erinnern, Anwalt der ROTEN ARMEE FRAKTION, dann selbst wegen Unterstützung der RAF zu zehn Jahren Haft verurteilt. Jetzt ist der Mahler wieder ein richtiger, ordentlicher Deutscher: Als solcher trat er nämlich auf dem Parteitag der NPD auf: ge-gen Überfremdung und für ein starkes Deutschland.

26.April 1999: Ergebnis einer Umfrage zur EU-Wahl: 30% SPÖ, 30% ÖVP, 29% FPÖ, 7% Grüne, 4% LiF. Dadurch verteilten sich die 21 Mandate voraussichtlich so: 7/7/6/1/0.

27.April 1999: Die neu gegründete Partei CHRISTLICH SOZIALE ALLIANZ (CSA), eine Ansammlung von ex-tremkatholischen Monarchienostalgikern, will bei der EU-Wahl Karl Habsburg und den bisherigen FP-EU-Abgeordneten Klaus Lukas als Spitzenkandidaten aufstellen.

27./28.April 1999: Ein letztes Refugium vordemokratischer Zustände: Im niederösterreichischen Lan-desdienst wählen die Bediensteten die Personalvertretung. Nur eine ÖAAB/FCG-Liste stellt sich dieser Wahl. Aber selbstverständlich werden in den Landesdienst in Niederösterreich die Aufnahmebewerber nach sachlichen Gesichtspunkten, nach der besten Qualifikation ausgewählt. Naturgemäß ist das wichtigs-te Qualifikationsmerkmal, das ein Bewerber haben kann, die Mitgliedschaft im ÖAAB.

28.April 1999: Der US-Botschafter in der BRD, John Kornblum, über die Neutralität Österreichs und den NATO-Angriff auf Serbien: „Ich glaube, für Österreich wird es wichtig sein, genau zu verstehen, welche Mittel das Land hat. Aber dazu darf ich sagen: Solidarität ist auch ein Mittel. Und da vermissen wir, wenn unsere Flugzeuge nicht über Österreich fliegen dürfen, doch eine gewisse Solidarität mit Zielen, die wir alle teilen”. Also was ist? Teilt die Ziele, pariert auf Zuruf!

29.April 1999: Einen prominenten Namen setzen die französischen Rechtsextremisten der NATIONALEN FRONT auf ihre EU-Kandidatenliste. Charles de Gaulle, der Enkel des gleichnamigen Staatspräsidenten, wird hinter dem Parteichef Le Pen an zweiter Stelle auf der Liste stehen.

Ende April 1999: Argentinische Zeitungen berichten über Hinweise auf verschobenes Naziraubgut. Da-nach soll 1944 auf Ersuchen der Schweizer Botschaft (!!) ein entsprechendes Konto bei der argentinischen

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Zentralbank eingerichtet worden sein. Argentinien soll auf diesem Wege Raubgold im Werte von 1,5 Milli-arden $ übernommen haben. Der rechtspopulistische Präsident Peron 42 ermöglichte nach 1945 mindes-tens 150 schwer belasteten NS-Verbrechern die Zuflucht, darunter auch Eichmann und dem kroatische Faschistenführer Pavelić.

Ende April 1999: Meischberger rechnet auf einer Homepage im Internet (www.meischi.at) mit Haider ab. Er fragt: „Welches die Partei schädigendes Verhalten sollte ich an den Tag gelegt haben? Außer Loyalität und ein langjähriger Mitstreiter und Mitwisser gewesen zu sein, ist nichts vorgefallen. Ist das für die Partei schädigend? Noch nicht. Ein monatelanges Ehrenratsverfahren ist ein "nullum" - ein sekundenschnelles Ausschlußverfahren ohne Grund ist Gesetz. Welches Gesetz gilt in der FPÖ? Die Antwort ist einfach. Was Haider hilft, ist gut, was Haider nicht hilft, ist schlecht. Die Vorgangsweise mir gegenüber hat diese Truppe ein weiteres Mal demaskiert. Ihr Walter Meischberger”.

20.April/Anfang Mai 1999: In Dornbirn wird ein HTL-Lehrer gekündigt, der wiederholt durch rassistische Sprüche aufgefallen war. Am 20.4. hatte er gesagt, die Schüler sollten mit brauner Tinte schreiben, weil „unser aller Führer” Geburtstag habe.

Anfang Mai 1999: Der Linzer Stadtsenat beschließt, in Urfahr eine neue Straße nach dem 1997 verstor-benen kommunistischen Widerstandskämpfer, Journalisten, Politiker und Schriftsteller Franz Kain zu be-nennen. Damit wird einem Ansuchen des KZ-Verbandes, dessen Obmann Kain bis zu seinem Tode war, entsprochen.

Anfang Mai 1999: Eine Meldung macht die Runde: Sicherheitschef Sika soll in jüngeren Jahren der Staatspolizist gewesen sein, der Caspar Einem zu überwachen, respektive zu "bearbeiten" hatte. Ist natür-lich eine super Sache, wenn ein derartig verdächtiges Individuum dann zum zeitweiligen Chef wird. Aber in einem Polizeistaat Rechtsstaat wie Österreich setzen sich immer die Anständigen durch!

1.Mai 1999: Ein abgelehnte Asylwerber aus Nigeria, Marcus Omofuma, soll über Sofia abgeschoben wer-den. Da sich der 26jährige widersetzt, wird er gefesselt und von drei Polizeibeamten begleitet, da er auch schreit und beißt, wird ihm der Mund verklebt. So die offizielle Darstellung.

Als das Flugzeug in Sofia landet, ist der Nigerianer erstickt.

2./3.Mai 1999: Heftige Reaktionen auf den Tod Omofumas. Liberale, Grüne und die Sozialistische Jugend fordern den Rücktritt des Innenministers. Die leitenden Beamten mauern: Keiner will von der Praxis der Knebelungen gewußt haben.

3.Mai 1999: Eine Abgeordnete der türkischen Islamistenpartei wird nicht zur Vereidigung zugelassen, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie: Sie war mit dem islamischen Kopftuch ins Parlament gekommen und hatte damit gegen die strenge Trennung von Staat und Religion verstoßen.

3.Mai 1999: Nach drei rechtsextremistischen Bombenanschlägen mit drei Toten und zahlreichen Verletz-ten in London wird ein 22jähriger festgenommen. Zwar hatten sich zu den Anschlägen jeweils irgendwel-che rechtsextreme Organisationen bekannt, die Polizei geht aber davon aus, daß der festgenommene Da-vid Copeland ein Einzeltäter ist.

3.Mai 1999: Pete Seeger feiert seinen 80. Geburtstag! We shall overcome!

4.Mai 1999: Der Häuptling der FPÖ-Gewerkschaft und Polizeibeamte Josef Kleindienst über Fessel und Knebel bei der Abschiebung: Es stehe „außer Zweifel, daß die Zwangsmaßnahmen auch im Innenministe-rium bekannt und gebilligt waren”. Nachdem sich ansonsten eine einschlägige Solidaritätsfront (Innenmi-nister, Polizeichefs, FPÖ, Kronenzeitung) gebildet hatte (keiner hat was gewußt), fällt der Kleindienst in seinem Übereifer den anständigen Ahnungslosen in den Rücken.

4.Mai 1999: Die Liberalen kündigen einen Mißtrauensantrag gegen Innenminister Schlögl an.

4./5./6.Mai 1999: Zum Tode von Marcus Omofuma werden Details bekannt. Sein Asyl wurde abgelehnt, weil er sich von einer nigerianischen Sekte und nicht von der Staatsgewalt bedroht fühlte. Er hatte am 16.9.98 einen Asylantrag gestellt, dieser war am 7.12. in erster Instanz abgelehnt worden, der Einspruch am 11.2.99. Laut NEWS sei Omafuma erst am 21.4. von der Ablehnung verständigt und während der zweiwöchigen Einspruchsfrist abgeschoben worden. Ein mitfliegender Angestellter der Balkan-Air sagt aus, der Nigerianer habe verzweifelt nach Luft geschnappt, die begleitenden Polizeibeamten hätten aber auch auf Hinweise nicht reagiert und den an den Luftwegen Erkrankten ersticken lassen.

Orginalton von Hans "Cato" Dichand: „Um sein Schreien zu unterbinden, klebt man ihm dem Mund zu, wo-bei man natürlich darauf achtet, daß die Nase frei bleibt”. Und diese braven Menschen, die sogar darauf

42 Juan Domingo Peron, 1895 - 1974, war 1943 - 1946 Vizepräsident, von 1946 - 1955 und 1973/74 Präsident von Argentinien

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achten, daß die Nase frei bleibt, werden jetzt von den Linkslinken niedergemacht! Das hat man von seiner Humanität!

6.Mai 1999: Brigitte Bailer-Galanda vom DÖW, stellvertretende Leiterin der Historikerkommission kritisiert die Regierung: In Sachen Zwangsarbeiterentschädigung werde nicht gehandelt.

7.Mai 1999: Innenminister Schlögl sagt als Gedenkredner der Befreiungsfeier in Mauthausen ab. An sei-ner Stelle spricht Frauenministerin Prammer. Eine gute Idee.

9.Mai 1999: An der Befreiungsfeier in Mauthausen nehmen rund 9000 Menschen teil. Es sprechen Frau-enministerin Prammer und von der ÖVP Heinrich Neisser. Wir werden im nächsten ANTIFA-INFO genauer darüber berichten.

10.Mai 1999: Sondersitzung des Nationalrates zum Tode Omofumas. Innenminister Schlögl meint, er hät-te solche Ereignisse für undenkbar gehalten und drückt sein tiefes Bedauern aus. Die Liberalen bringen eine Dringliche Anfrage mit 68 Detailfragen ein. Der Antrag der Grünen und der Liberalen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt. Patrik-Pable von der FPÖ verbreitet rassenkundliche Erkenntnisse: Schwarzafrikaner sehen nicht nur an-ders aus, es liegt auch in ihrer Natur, daß sie besonders aggressiv sind. Ob sie wohl auch FPÖ-Abge-ordnete fressen?

Der ehemalige Innenminister Löschnak erinnert sich in einem Zeitungsinterview an eine parlamentarische Anfrage der Grünen von 1993 über einen "Schübling" mit verklebtem Mund auf dem Schwechater Flugha-fen. Löschnak hatte die Anfrage damals dahingehend beantwortet, der Betreffende hätte gebissen, ge-kratzt, um sich geschlagen und sei auto-aggressiv gewesen. Ob man ihm den Mund verklebte, damit er sich nicht selber beißt?

Als Lösungen für die Abschiebeprobleme werden vorgeschlagen: Helm statt Klebebänder, Privatisierung der Abschiebetransporte, Anschaffung eines eigenen Abschiebeflugzeuges.

12.Mai 1999: NEWS bringt eine ausführliche Dokumentation über den Tod Omofumas. Die Angaben der abschiebenden Polizisten und anderer Personen unterscheiden sich deutlich. So habe man am Flughafen nichts von Bißattacken bemerkt, Omofuma sei im Flugzeug geschlagen worden, Hinweise von Passagie-ren, die Knebelung zu entfernen, wurden ignoriert. In einem Interview sagt der ehemalige Innenminister Caspar Einem, die leitenden Beamten hätten durch den Bericht der Antifolterkommission des Europarates von 1995 von der Praxis der Verklebungen wissen müssen. Er selber hätte dazu keine Weisungen erteilt, weil er darauf verlassen habe, daß die zuständigen Sektionschefs für die Einhaltung der Gesetze sorgen.

13.Mai 1999: Eine schwere Sünde hat Einem begangen: Er verletzte den Korpsgeist! Man fällt allenthal-ben über ihn her. In den Medien wird sonst immer heftig kritisiert, wenn abgeschottet und geschwiegen wird, wenn jemand sich aber kritisch äußert, dann findet dies auch keinen Beifall. Parlamentspräsident Fi-scher meint, die Äußerungen verunsicherten die Menschen und lenkten von den komplexen Aufgaben der Einwanderung ab.

13.Mai 1999: Der als ganz besonders fromm bekannte Kronenzeitungsjournalist und Professor h.c. Rei-nald Hübl schreibt am Feiertag "Christi Himmelfahrt" zum Fall Omofuma: „Marcus war ein religiöser Mensch Er hat bei seiner Einvernahme von eine Sekte gesprochen, mit der er zu tun gehabt hatte. Und da alle Versuche des Menschen, Gott zu finden, egal in welcher Konfession, zu Gott führen können, hatte für den Nigerianer, als er ins Flugzeug gebracht wurde, möglicherweise seine Himmelfahrt begonnen. Himmel ist kein Ort. Himmel ist Zustand, ein erreichtes Ziel, ist bei Gott sein und alles hinter sich gelassen haben: Sorge, Verlassenheit, Not, Schmerz, Wut, Todesangst. Marcus, glaube ich, weiß das.” Wenn ein Satiriker diesen Text fabriziert hätte, müßte er wahrscheinlich mit einer Anzeige katholischer Fundis wegen Religionsverhöhnung und Verletzung religiöser Gefühle rechnen.

13.Mai 1999: Die KRONEN ZEITUNG in ihrem unerbittlichen Haß gegen Einem: Gnam wirft ihm vor, als In-nenminister nicht selber gegen den Klebebändergebrauch eingeschritten zu sein, allerdings weiß Staberl fünf Seiten weiter, er habe ja 1995 festgestellt, dies sei verboten. Weil Einem konstatierte, daß die verant-wortlichen Herren im Innenministerium zwangsläufig von den Klebebandknebelungen gewußt haben müß-ten, wird er vom Staberl als Denunziant („der größte Schuft im ganzen Land”) bezeichnet. Staberl strapa-ziert dazu auch die Waldheim-Affäre und haut in altersbedingter Vergeßlichkeit mit einem falschen Zitat auf Pelinka hin: Dieser habe gesagt, man müsse die „amerikanische Fernsehtüchtigkeit” nützen, dies ge-schah aber mit Bezug auf die Küssel-Verhaftung43 und nicht im Zusammenhang mit Waldheim. Das ANTI-FA-INFO-Archiv läßt dem Alzheimer keine Chance!

43 "Vielleicht sollte man Videofilme von der Steinacher Ehrung (es ging um Kärntner Kundgebungen zum 100. Geburtstag des Abwehrkämpfers und Nazis Hans Steinacher) ABC zuspielen. Wenn das in einem der großen US-Networks gesendet wird, dann

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Wieso kommt absolut niemand auf die Äußerung von FP-Polizeigewerkschafter Kleindienst zurück (siehe 4.5.)? Es stehe „außer Zweifel, daß die Zwangsmaßnahmen auch im Innenministerium bekannt und gebil-ligt waren”, hatte dieser gesagt. Kleindienst wollte damit natürlich nicht die leitenden Beamten bloßstellen, sondern im Übereifer die Knebelungen verteidigen, aber die Feststellung von Kleindienst wird ja einen rea-len Hintergrund haben! Wer hat die Knebelungen gebilligt?

13.Mai 1999: Die NATO-Bombenangriffe auf Jugoslawien wurden (auch wegen der zahlreichen Fehltreffer auf Zivilisten, Flüchtlinge und die chinesische Botschaft) immer mehr kritisiert. Die deutschen Grünen ver-anstalten dazu einen Sonderparteitag, auf dem vor allem die Haltung von Außenminister Joschka Fischer angeprangert wird. Der antimilitaristische Flügel der Grünen erleidet bei der Abstimmung eine Niederlage, mit einem Verhältnis von 433:318 setzen sich die Anhänger von Joschka „Arschloch” 44 Fischer durch. Die kommenden Wahlen werden für die deutschen Grünen problematisch werden: Bei den Bundestagswahlen 1998 kamen sie auf 6,7%, wenn man rechnet, daß die Parteitagsdelegierten die Stimmung der Wähler-schaft wiedergeben, dann sind rund 40% der Grünwähler gegen den Fischer-Kurs, 60% von 6,7 wären nur noch 4%...

14.Mai 1999: In Oberösterreich treten 16 Funktionäre der GRÜNEN aus der Partei aus. Sie kritisieren die Haltung ihrer Partei zu den NATO-Bombardierungen.

15.Mai 1999: Im STANDARD verfaßt Günter Traxler einen seiner brillanten Artikel, der es verdient im ANTI-FA-INFO verbreitet zu werden:

Einem, der Schuft Ein paar Tage lang wußte die SPÖ nicht so recht, wie sie mit der Verantwortung aus dem Skandalfall O-mofuma umgehen sollte. Das hat sich glücklicherweise gegeben. Denn inzwischen ist klar geworden, wer der eigentliche Schuldige ist, und der Asylantensprecher der SPÖ hat auch keinen Tag gezögert, ihn ohne Angst vor Applaus von der falschen Seite anzuprangern. „Der größte Schuft im ganzen Land, so hat es schon vor Zeiten geheißen, ist und bleibt der Denunziant" schrieb Staberl Donnerstag in der „Krone" und zeigte damit Caspar Einem die tiefrote Karte. Das kann auf gar keinen Fall schaden. Aber was hat Einem getan, um seiner Partei in einem Wahljahr auf dem Boulevard derart zu nutzen? Er hat sich in "NEWS" als Minister zu erkennen geben, der liest; im vor-liegenden Fall - er liegt vier Jahre zurück - handelte es sich um einen Bericht der Anti-Folter-Kommission des Europarates, in dem davon die Rede war, daß österreichische Polizisten sich schon 1993 der Seg-nungen von in Delinquentenantlitzen applizierten Klebebändern bedienten. Daß ein Ressortchef liest, reicht noch nicht für einen Mißtrauensantrag, umso weniger als die Lektüre keinerlei weisungsmäßige Fol-gen hatte. Er müsse sich darauf verlassen können, daß seine Sektionschefs dafür sorgen, daß Gesetze eingehalten werden, rechtfertigt Einem sich nun, und er meint offenbar, ganz von selber. Diese hätten den Bericht ja auch gekannt. Die Sektionschefs waren einerseits über soviel Blauäugigkeit, andererseits über den Verdacht, auch sie läsen, zu Recht empört. Wie sollen sie denn für die Einhaltung der Gesetze sorgen, wenn sie keine Wei-sungen erhalten? Aufgrund von ausländischen Berichten vielleicht? Das alles sei „alter Käse" und eine "lä-cherliche Retourkutsche für vergangene Dispute" charakterisierte einer der Beamten die Früchte der Le-sewut des Ministers an einer Stelle, und an einer anderen gab er unumwunden zu: Ja, er kenne den Be-richt, "sicher". Wenn die Beamten aber ohnehin kein Problem mit dem ihnen wohl bekannten alten Käse haben, erhebt sich die Frage, wieso sie Einems "Denunziation" nun so belasten sollte, daß darüber die kleinformatige p.r.-Abteilung der SPÖ aus dem Häuschen gerät, und sogar ein besonnener Mensch wie Heinz Fischer meint, Einems Darstellung seines ministeriellen Lesezirkels verunsichere die Menschen und lenke von den komplexen Aufgaben der Einwanderung ab. Das Gegenteil ist wahr. Dieses Verantwortungs-pingpong zwischen sozialdemokratischen Ministern einer-seits sowie zwischen ihnen und ihren Spitzenbeamten andererseits in einem Ressort, das 50 der 54 Jahre seit Kriegsende von der SPÖ verwaltet wurde, macht die Menschen ganz sicher, wie die komplexen Auf-gaben der Asylpolitik bearbeitet werden. Das war es, worauf Einem - aus welchen Motiven immer - die Öf-fentlichkeit mit seiner "Denunziation" gestoßen hat. Langsam beginnt man nämlich in dieser Kette von Nichtinformation und Weisungslosigkeit so etwas wie ein System zu erkennen. Karl Schlögl sagt nun im Büßerton, nie, nie hätte er gedacht, daß die Knebelfolter angewandt würde - seine Beamten, hätten ihm nichts gesagt. Warum hätten sie es ihm sagen sollen, wo sie doch nichts veranlaßt haben. Veranlaßt haben sie nichts, weil sie keine Weisung erhielten. Keine Wei-sung erhielten sie, weil Folter ohnehin gesetzlich verboten ist und Minister sich nicht vorstellen konnten

wird Österreich handlungsbereit sein. Wie schon einmal als - Ergebnis amerikanischer Fernsehtüchtigkeit - der amtsbekannte Nazi-Führer Küssel plötzlich verhaftet werden konnte. Also setzen wir wieder einmal auf das Ausland, aus Verzweiflung über Kärnten, aber auch über Österreich." (STANDARD vom 4.7.92)

44 eine Tafel im Sitzungssaal: „Herr Außenminister Joschka Fischer, Sie sind ein Arschloch”

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(wollten?), daß a) Verbotenes dennoch geschehen könnte und b) ihre Beamten erst Ministerweisungen brauchen, um Gesetzesverstöße abzustellen. Einem hat weder seinen Amtsvorgänger "vernadert" noch einen Beamten. Er hat nur ein wenig den Vor-hang vor dem System weggezogen, nach dem im Innenressort "komplexe Aufgaben" administriert werden. Ein Schuft halt, wie Staberl sagt.

15.Mai 1999: Der vorläufige Obduktionsbefund Omofumas aus Bulgarien beinhaltet, daß auch in der Nase des Toten Klebebandspuren festgestellt wurden und daß Omofuma so fest an den Sitz gefesselt worden sei, daß er überhaupt an der Atmung behindert wurde. Eine Erkrankung der Atemwege (die in Österreich als mögliche Todesursache angegeben wurde) sei nicht festgestellt worden. Die bulgarischen Behörden spre-chen von Mord.

16.Mai 1999: Präsidentenwahlen in der Slowakei. Im ersten Durchgang liegt der Kandidat der Regierungs-koalition, Schuster, vor dem Rechtspopulisten Mečiar.

16.Mai 1999: Die FPÖ ist laut Pressestunde mit EU-Kandidatin Raschhofer nicht mehr unbedingt für den sofortigen NATO-Beitritt.

17.Mai 1999: Die deutschen Grünen hätten sich mit der Unterstützung der NATO-Politik selbst erledigt, sagt Gründungsmitglied Jutta Ditfurth in einem STANDARD-Interview.

Mitte Mai 1999: In einem Verfahren zwischen dem Turnerbund und der SOZIALISTISCHE JUGEND entschei-det der Oberste Gerichtshof, daß das Turnerbundhakenkreuz (vier F im echten Winkel für "frisch, fromm, fröhlich, frei") nicht das verbotene NS-Hakenkreuz sei. Dies obwohl die SJ eine Entscheidung von 1934 vorlegen konnte, mit der das Turnerbundhakenkreuz dem NSDAP-Parteiabzeichen gleichgestellt wurde. Der Vorsitzende der Salzburger SJ, David Brenner, spricht von einem krassen Fehlurteil.

17.Mai 1999: Die drei Fremdenpolizisten, die den ausgewiesenen abgelehnten Asylwerber Omofuma zu Tode transportiert hatten, werden nicht vom Dienst suspendiert, entscheidet die Disziplinarkommission. Erst auf eine Nachtragsanzeige des aufgebrachten Innenministers erfolgt die Suspendierung doch noch.

17.Mai 1999: Wahlen in Israel. Bei der Wahl des Ministerpräsidenten siegt mit 56% der Kandidat der So-zialdemokraten, Ehud Barak. Trotz des Zuwachses für die Arbeiterpartei wird die Regierungsbildung schwierig, da auch die ultrareligiöse Shas-Partei stark gewinnt.

17.Mai 1999: Der Grün-Abgeordnete Andreas Wabl spricht sich dafür aus, die Deserteure der deutschen Wehrmacht pauschal zu rehabilitieren. Der deutsche Bundestag hatte diesen Schritt vergangenes Jahr ge-tan 45. Zur Zeit müssen in Österreich Betroffene nachweisen, daß die Desertion nicht aus Feigheit, son-dern als Widerstandshandlung erfolgte. Denn offenbar haben die Anständigen alle mutig für die Hitlerei gekämpft, wer es nicht getan hat, der soll sich auch 1999 rechtfertigen, wenn er ein Urteil der NS-Militärju-stiz aufheben lassen will. Heil Hitler!

18.-20.Mai 1999: Österreichische Hochschülerschaftswahlen. Es siegt wieder die ÖVP-nahe Aktionsge-meinschaft mit 40,6% (+0,8), vor dem VSStÖ mit 15,1% (+2,7), den auf den dritten Platz zurückgerutsch-ten Grünalternativen (12,7%, das sind –1,9), den Liberalen Studenten mit 9,9% (-0,5), den Fachschaftslis-ten (6,5%, -0,6), der Ring Freiheitlicher Studenten bleibt mit 4,6% unverändert, der Kommunistische Stu-dentenverband verbessert sich um 1% auf ebenfalls 4,6%. Die konservativ-elitär-monarchistische JES (Junge Europäische Studenteninitiative) ist nicht mehr im Studentenparlament vertreten.

19.Mai 1999: Innenminister Schlögl bestätigt, daß Omofuma nicht nur der Mund sondern zum Teil auch die Nase verklebt worden war. Er dementiert weiterhin, von der Knebelung für "Schüblinge" gewußt zu ha-ben.

19.Mai 1999: Die FPÖ weist NEWS-Berichte zurück, die EU-Abgeordneten Raschhofer und Sichrovsky hät-ten unrechtmäßig Mitarbeiterentschädigungen an den Freund bzw. die Ehefrau überwiesen.

Die Überweisungen sind allerdings unbestreitbar. Ungeklärt bleibt, wer, was und wie als Mitarbeiter für die EU-Abgeordneten geleistet hat. Speziell zum Geldfluß an die amerikanische Gattin von Sichrovsky werden mehrere Argumentationsvarianten in Umlauf gesetzt, die alle unüberprüfbar bleiben.

19.Mai 1999: Vergeblich fordern die Grünen einen nachträglichen parlamentarischen Ordnungsruf für Par-tik-Pable. Die FP-Abgeordnete hatte in der Sondersitzung zum Fall Omofuma davon gesprochen, daß Ag-gressivität in der Natur der Afrikaner läge.

45 28.Mai 1998: Der deutsche Bundestag hebt alle Urteile, die zwischen 1933 und 1945 aus „politischen, militärischen, rassi-schen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind“ auf. Das gilt auch für Urteile, die Österreicher betrafen. Bestä-tigungen der Urteilsannullierungen im konkreten Einzelfall müssen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft (für Österreicher beim deutschen Bundesgerichtshof) beantragt werden.

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Zweite Maihälfte 1999: Jörg Haider läßt als Landeshauptmann von Kärnten die Ausschreibungen für die Leiterposten von zweisprachigen Schulen stoppen. Die Ausschreibungsbedingungen (Zweisprachigkeit) würden die "Deutschkärntner" benachteiligen, daher sollten die Kriterien geändert werden. Gönnerhaft meint Haider, daß sich zweisprachige Lehrer weiterhin bewerben dürften. Schulgesetz, Staatsvertrag, Min-derheitenrechte, was kümmert das den Landeshauptmann aller anständigen Kärntner, red' deitsch, Tschusch!

20.Mai 1999: EU-Wahl-Umfrage: 32% SP, 30% VP, 27% FP, 7% Grüne, 3% LiF.

20.Mai 1999: In einem der vermutlich letzten Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland wird der 79jährige Alfons Götzfried wegen Beihilfe zum Massenmord zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ihm wurde nachgewie-sen, im November 1943 im KZ Majdanek an der Ermordung von 17.000 Juden mitgewirkt zu haben. Der Spätaussiedler aus der Ukraine muß allerdings nicht ins Gefängnis, da er 1947 in der Sowjetunion deswe-gen bereits zu einer Haftstrafe von zwanzig Jahren verurteilt worden war, von denen er dreizehn Jahre in Sibirien abbüßte. Dadurch gilt auch die deutsche Verurteilung als verbüßt.

20.Mai 1999: Immer mehr Österreicher sind für die Beibehaltung der Neutralität, 80% sprechen sich dafür aus, lediglich 13% folgen der ÖVP in Richtung NATO, was Schüssel in seinem nordatlantischen Fanatis-mus allerdings nicht irre werden läßt. Wie es ausschaut, beabsichtigt er im Herbst deswegen die National-ratswahlen und seinen Job als Parteiobmann zu verlieren.

23.Mai 1999: In Langenstein im Mühlviertel wird ein 18jährige festgenommen, der höchst gekonnt eine Se-rie von Briefbomben herstellte und den Versand an österreichische Spitzenpolitiker plante. Als sein Vorbild bezeichnete Marko B. den verurteilten Briefbomber Franz Fuchs. Aufgeflogen war die Sache, weil der mutmaßliche Täter alkoholisiert mit Sprengstoffanschlägen drohte. Den ersten versandfertigen Bomben-brief hatte er nur "an den Bundeskanzler" adressiert, wie der heißt, war ihm so genau nicht bekannt.

26.Mai 1999: Bis Ende April stiegen die Asylanträge in Österreich gegenüber dem Vorjahr von 2.937 auf 5.093. Bereits 1998 hatten sich die Anträge gegenüber 1997 verdoppelt. Die Anerkennungsquote lag bei 12,5%.

27.Mai 1999: Zum ersten Mal wurde der Lauschangriffe praktisch eingesetzt. Das Ergebnis: eine po-lizeiliche Großaktion gegen die nigerianische Drogenmafia, 850 Beamte nehmen über 100 Tatverdächtige fest. Die Aktion ist Wasser auf die Mühlen der Ausländerfeinde, da sich die Bande zur Tarnung auch der Einrichtungen der Flüchtlingsbetreuung bediente. Die KRONEN ZEITUNG freut sich besonders, weil einige der Festgenommenen an den Protestkundgebungen zum Tode Omofumas teilgenommen hatten.

Interessant, daß kurz vor der Polizeiaktion die FPÖ in Zeitungsinseraten ein Vorgehen gegen nigerianische Dealer gefordert hatte. Wenn man nicht annehmen will, daß die Polizei sich nach der Inseratenkampagne orientierte, orientierte sich vielleicht die FPÖ-Inseratenkampagne an der geplanten Polizeiaktion?

Als einer Bosse der Dealer-Bande wird vorerst ein Charles O. herausgestellt, der als Dichter in Wien lebt und auch durch politisches Engagement des öfteren in Erscheinung getreten ist.

27.Mai 1999: Eine Beschwerde Pinochets wegen der möglichen Auslieferung an Spanien wird vom höchs-ten Londoner Zivilgericht abgewiesen. Der mutmaßliche Terrorist und Folterer bleibt in Haft.

28./29.Mai 1999: FPÖ-Parteitag in Linz. Nach der Hinwendung zu den Christen entdeckt Haider eine neue große Wählergruppe, die er direkter ansprechen möchte: Die Frauen! In einem Rutsch wechselt er alle männlichen Parteiführerstellvertreter gegen Frauen aus.

Ansonsten ist zur Zeit die SPÖ die Feindpartei Nummer eins. Eines der nächsten Ziele der FPÖ ist der Wiener Bürgermeisterposten. Die Polizeiaktion gegen mutmaßliche afrikanische Dealer kommt Haider na-türlich ganz recht, er fordert schonungsloses Vorgehen gegen die „Mörder unserer Kinder”, geradeso als habe jemand die Förderung nigerianischer Drogendealer verlangt.

Schwer tut man sich mit der Neutralität. Da die FPÖ immer gegen die Neutralität war (schon 1955 bei der Einführung), Haider seit Jahren vehement für einen NATO-Beitritt auftritt, ist man irgendwie in der Scheiß-gass'n. Die ÖsterreicherInnen sind in ihrer überwältigenden Mehrheit für die Neutralität, also bringt eine Pro-NATO-Argumentation sicherlich keine Stimmen. Zur Zeit wagt man als Partei allerdings noch keinen Umstieg ins Anti-NATO-Lager. Der FP-Schwenk setzt vorläufig bei der Forderung nach einer Volksab-stimmung an.

97,2% der Delegierten wählen Haider zum Parteiführer. Wer werden die 2,8% Nichtwähler gewesen sein?

28.Mai 1999: Der 30jährige Sudanese Aamir Ageeb stirbt im Flugzeug bei seiner Abschiebung aus Deutschland. Die Obduktion der Leiche ergibt vorerst keine eindeutige Todesursache. Der Sudanese, der panische Angst vor der Abschiebung hatte, war mit einem Motorradhelm "ruhig gestellt" worden.

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28.Mai 1999: Die polnische Polizei entfernt die von rechtsextrem-katholischen Gruppen im KZ Auschwitz aufgestellten 303 Kreuze. 46

29.Mai 1999: In der Stichwahl zur Präsidentenschaft siegt in der Slowakei Rudolf Schuster mit 57:43 ge-gen den Rechtspopulisten Meĉiar.

30.Mai 1999: Die Ausländer in Steyr wählen ihre Vertreter in einem Ausländerforum. Allerdings beteiligen sich nur 16% der dafür Berechtigten an der Wahl der 24 Mandatare.

31.Mai 1999: Ergebnis einer Umfrage zur EU-Wahl: SP 32%, ÖVP und FPÖ 28%, Grüne 8%, LiF 4%.

Anfang Juni 1999: Dem angeblichen Boß der nigerianischen Dealer, Charles O., wird nunmehr nur noch Beteiligung an der Geldwäsche angelastet. Es schaut so aus als sei er wegen seines Naheverhältnisses zu einigen Funktionären der Grünen in der polizeilichen Darstellung zumindest um einige kriminelle Stufen "befördert" worden.

2.Juni 1999: Parlamentswahlen in Südafrika. Der AFRIKANISCHE NATIONALKONGRESS verfehlt mit 66,5% die Zweidrittelmehrheit ganz knapp, die rechtsgerichtete DEMOKRATISCHE PARTEI wird Zweiter mit 9,5%, an dritter Stelle liegt die INKATHA mit 8,5%, die NATIONALPARTEI, (die ehemalige Regierungspartei in der A-partheid) fällt von 20 auf 7% zurück. Obwohl der AFRIKANISCHE NATIONALKONGRESS selbst schon ein Partei-enbündnis ist (etwa mit der in Südafrika recht starken Kommunistischen Partei), ziehen insgesamt 13 (bis-her 7) Parteien ins Parlament ein. Der bisherige Staatspräsident Nelson Mandela wird Mitte Juni zurücktre-ten und vom neuen ANC-Vorsitzenden Thabo Mbeki nachgefolgt werden.

6.Juni 1999: Für einen Eintritt Österreichs in eine "europäische NATO" spricht sich die EU-Spitzenkan-didatin der ÖVP, Ursula Stenzel, aus. Ob sie dazu die USA ausschließen will, erläutert sie so direkt nicht. Klima und die SPÖ werden beschuldigt, die Neutralität nicht wirklich zu vertreten, da diese bereits seit Jah-ren „pragmatisch angepaßt” worden sei. Womit sie auch recht hat, schon zur Zeit des Kalten Krieges ha-ben bekanntlich Bundesheer und andere Stellen permanent und intensiv mit der NATO zusammengearbei-tet. Aber trotzdem: Aus einem neutralen Österreich fliegen eben keine U S-Bomber ihre Einsätze .

6.Juni 1999: Landtagswahlen in Bremen. Die SPD gewinnt 9,2% hinzu (jetzt 42,6), was allerdings am Scheitern einer das letztemal erfolgreichen SP-Absplitterung lag, die CDU steigt um 4,5 auf 37,1%, die Grünen sinken von 13,1 auf 9%, die FDP scheitert wieder einmal an der 5%-Klausel, das tut auch die DFU, aber durch das Bremer Wahlrecht zieht ein Vertreter der Rechtsextremen infolge eines 6%-Stimmenanteils in Bremerhaven in die Bürgerschaft ein.

7.Juni 1999: Meinungsumfrage: Welche Partei wäre "ein guter Anwalt Österreichs" im EU-Parlament: 24% SPÖ, 14% ÖVP, 10% FPÖ, 3% Grüne, 1% LiF, 17% alle, 33% weiß nicht oder keiner. Den Freiheitli-chen wird die "Anwalt-Kompetenz" in Bezug auf eine Verhinderung der EU-Osterweiterung zugestanden. Erhoben wird dabei auch, daß die FPÖ einen deutlich niedrigeren Stammwähleranteil hat als die anderen Parteien.

7.Juni 1999: Der Verfassungsrichter Gerhart Holzinger wird vom Innenminister als erster Vorsitzender des neu geschaffenen 11-köpfigen österreichischen Menschenrechtsbeirates eingesetzt.

7.Juni 1999: Laut Anwalt Farid Rifaat, der die drei mutmaßlichen Mundverkleber verteidigt, sind ihm min-destens drei weitere Fälle von Abschüben mit verklebtem Mund bekannt geworden. Er folgert daraus, daß das "Ruhigstellen" auf diese Art nicht verboten gewesen ist.

7.Juni 1999: VP-Klubobmann Khol zur Neutralität: Die SPÖ hätte bei der Kölner Tagung über die Integra-tion der WEU in die EU die Neutralität vergebens hinein interveniert, da die neutralen Staaten in einer zu-künftigen Sicherheitsunion zwar keine Truppen einsetzen müßten, aber Militäreinsätze nicht behindern

46 Mitte April 1993: Seit 1984 gehen die Auseinandersetzungen um das Karmeliterinnenkloster im ehemaligen KZ Auschwitz. Erst ein Machtwort des Papstes zwingt die Nonnen tatsächlich zum Abzug. Juden sehen das Lager als jüdischen Friedhof, auf dem andere Kultstätten nicht angesiedelt werden dürften. 22.Jänner 1995: Trotz gegenteiliger Vereinbarung nach langen Ver-handlungen zwischen der katholischen Kirche und jüdischen Organisationen steht am Gelände des ehemaligen Vernich-tungslagers Auschwitz immer noch ein acht Meter hohes Kreuz. - Anfang August 1998: In Auschwitz geht der Streit ums Kreuz weiter. Das Kreuz steht immer noch, Kardinal Glemp lehnt die Entfernung ab, von antisemitisch-katholischen Extremisten wird ein ganzer "Wald" von Kreuzen aufgestellt. - 25.August 1998: Polnische Klerikalfaschisten stellen 85 weitere Kreuze in Ausch-witz auf, 50 davon vier Meter hoch. - 26.August 1998: Der polnische Klerus beschließt: Das sogenannte "Papst-Kreuz", das 1979 anläßlich eines Papstbesuches in Auschwitz dort aufgestellt wurde, sollte stehenbleiben, die anderen Kreuze sollten alle entfernt werden. Die jüdischen Organisationen bleiben auf dem Standpunkt, daß keinerlei religiöse Symbole in Auschwitz aufgestellt wer-den sollten. Der polnische Oberrabbiner Joskowicz sagt, es sei egal ob ein Kreuz oder tausend Kreuze dort stehen. - 1.Dezember 1998: Der polnische Ministerpräsident verspricht, daß die umstrittenen Kreuze im ehemaligen KZ Auschwitz entfernt werden. - 1.März 1999: Die polnische Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Antisemitismus gegen Kazimierz Switon, der sich mit Haßtiraden gegen die Juden für die Aufstellung der Kreuze im ehemaligen KZ Auschwitz einsetzte.

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dürften. Beim jetzigen Angriff auf Jugoslawien hätte Österreich also die deutschen Bomber über Österreich fliegen lassen müssen.

7.Juni 1999: Die FPÖ hat ja immer ganz vehement gegen den Parteienproporz, gegen die politische Ver-gabe von Ämtern, gegen "Politkommissare" gewettert. Im Kärnten des Jörg Haider gibt es sowas nicht mehr. Die Nominierung von zwei Haider-Sekretären als Aufsichtsräte für die Kelag hat selbstverständlich ausschließlich sachliche Gründe. Ebenso die personelle Umgestaltung der Kulturabteilung.

7.Juni 1999: Das DÖW erstattet Anzeige gegen Andreas Mölzer als Chefredakteur des Rechtsblattes ZUR ZEIT. Ein ebenfalls angezeigter Hans Gamlich hatte in der Wochenzeitung in einem Artikel Hitler als „gro-ßen Sozialrevolutionär”, den Holocaust als „Mythos” und den Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß als „größten Schauprozeß der Weltgeschichte” bezeichnet. Heil Hitler!

8.Juni 1999: Bei ihrem Treffen in Köln einigen sich die G-8-Staaten (die führenden sieben westlichen In-dustriestaaten und Rußland) auf einen UNO-Sicherheitsratsresolutionsentwurf zum Kosovo. Von den 50.000 Soldaten, die in den Kosovo einrücken sollen, werden 10.000 aus Rußland kommen, die jugoslawi-sche Armee muß sich innerhalb von 14 Tagen zurückziehen, wozu man sich in Belgrad nunmehr bereit findet. Hätte man dies nicht schon früher und billiger bekommen können, ohne daß die NATO-Waffen so ergiebig ausprobiert werden mußten und die Konflikte zwischen den Volksgruppen in Jugoslawien weiter eskalier-ten? Einen UNO-Beschluß in der jetzigen Form hätte man auch vor drei Monate haben können, ein wahr-scheinlich notwendiger Druck auf Belgrad wäre auch, ohne Bomben und Granaten, auf wirtschaftlichem Bereich möglich gewesen.

8.Juni 1999: Im Prozeß gegen Kurdenführer Öcalan verlangt der Staatsanwalt die Todesstrafe.

8.Juni 1999: Einen dritten Weg in die neue Mitte wollen die Sozialdemokraten-Chefs von Deutschland und England, Schröder und Blair, einschlagen: Steuerliche Entlastung der Unternehmen, Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt mit Billigjobs, solide Staatsfinanzen, Reform der Sozialsysteme, Straffung der Sozialleistun-gen. Man sieht, die Globalisierung ist weit fortgeschritten, Schröder und Blair sind bald dort, wo früher die "neue Mitte" von der Frau Thatcher und vom Herrn Kohl war.

8.Juni 1999: Schlögls Asylantenzahlen: 1997 gab es 6.700 Anträge, 1998 ein Ansteigen auf 14.000, heuer bis Anfang Juni bereits 9.000.

9.Juni 1999: Der neue dritte Weg von Schröder & Blair stößt auf Widerstand. Die französischen Sozialis-ten können sich damit nicht identifizieren, auch innerhalb der SPD wird das Papier als "neoliberal" zurück-gewiesen. Der österreichische SPÖ-Vizechef Heinz Fischer heißt jedoch „jeden konstruktiven Gedanken und jeden neuen Denkanstoß” willkommen. Was ist an den neoliberalen Vorstellungen neu?

Erste Junihälfte 1999: Seit Pinochet in London sitzt, werden auch die Bestrebungen in Chile stärker, die dortigen Mittäter am Putsch von 1973 doch noch zur Verantwortung zu ziehen, ein Richter klagt jetzt fünf hohe Offiziere an.

Erste Junihälfte 1999: In Tirol will der Priesterrat der Innsbrucker Diözese die kriegerischen Zeilen im "Herz-Jesu-Lied" entschärfen. 1796 hatte man zur Abwehr der Truppen Napoleons Gottes Hilfe durch ei-nen Treueschwur erfleht. Dieser Schwur wird jährlich jeweils am zweiten Sonntag im Juni wiederholt. Nun wird überlegt, ob man weiterhin Gottes Segen für den Kriegssturm erflehen oder das "Herz Jesu" nicht besser als „Inbegriff der Liebe” gesehen werden sollte. Der Priesterrat bekommt das zu erwartende Echo: Das sei ein Anschlag auf die Tradition und das religiöse Volksempfinden mit dem sich ein traditionsbewuß-ter Tiroler und bekennender Christ nicht abfinden kann. Von ÖVP, FPÖ und den Schützenverbänden wird der zuständige Bischof aufgefordert, die Diskussion zu beenden. Auf die christliche Nächstenliebe wird ge-schissen im christlichen Tirol! Mehr Stahl ins Blut!

10.Juni 1999: Alois Mock ist 65 und wird sich endlich aus der Politik zurückziehen. Wohl kein anderer Politiker hat in den letzten Jahrzehnten in Österreich mit solchem Nachdruck, sagen wir, "unglücklich agiert". Sein Übertritt in den Ruhestand kommt um viele Jahre zu spät.

10.Juni 1999: Letzte Meinungsumfragen zur EU-Wahl: SPÖ 30-32%, ÖVP 27-29%, FPÖ 26-28%, Grüne 6-8%, LiF 4-5%

11.Juni 1999: Der Einsatz der KFOR-Friedenstruppe für den Kosovo beginnt mit einem überraschenden Vorstoß russischer Einheiten, sie werden von den Serben mit Jubel begrüßt. Als Problem der Beendigung der Kämpfe zwischen den Volksgruppen wird die vorgesehene Demilitarisierung der albanischen UÇK ge-sehen. Wie inzwischen bekannt wurde, leiten sich diese albanischen Militäreinheiten aus zwei Traditionen her: Von der nationalistischen Komponente des albanischen Stalinismus Enver Hodschas und von den al-banischen Freiwilligen des Zweiten Weltkrieges in der 21. Waffengebirgsdivision der SS, "SKANDERBEG". Die ersteren können sich auf die Ablehnung des "jugoslawischen Weges" der "Tito-Revisionisten" berufen, die letzteren waren Handlanger im Kampf der Deutschen gegen serbische Partisaneneinheiten.

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12.Juni 1999: Wie jedes Jahr finden am Loiblpaß (an der Grenze Kärnten/Slowenien) die Gedenkfeiern für die Opfer unter den dort von 1943 bis 1945 eingesetzten Zwangsarbeiter und KZ-Häftlingen statt. Erst-mals wurde heuer der Kärntner Landeshauptmann dazu nicht eingeladen. Der Organisator Peter Gstettner vom MAUTHAUSEN-AKTIV: „Es wäre ein Schlag ins Gesicht der Opfer, wenn da ein Politiker vor sie hintritt, der öffentlich die Beschäftigungspolitik der Nazis und die Treue der SS gelobt hat”. Die Gedenkrede hält Nationalratspräsident Heinz Fischer. In Kärnten gedenkt man ja traditionell der Täter, nicht der Opfer. Am Ulrichsberg werden sich im Oktober wieder alle versammeln, um all der Anständigen zu gedenken, die Großdeutschland dann doch nicht bis hinter den Ural auszudehnen vermochten.

13.Juni 1999: Kommunalwahlen in sechs deutschen Bundesländern. Die Christdemokraten sind die Ge-winner, in den ostdeutschen Städten wird die SPD häufig übertroffen, zum Teil überholt auch die PDS die SPD. Nur bei der Oberbürgermeisterstichwahl in München siegt die SPD-Kandidatin klar.

13.Juni 1999: In der Schweiz wird in einem Referendum mit 72% Ja-Stimmen einer Verschärfung des A-sylrechtes zugestimmt. Entscheidungen können innerhalb von 24 Stunden gefällt werden, Asylwerber ohne Papiere werden in der Regel nicht mehr zum Asylverfahren zugelassen.

13.Juni 1999: Wahlen zum EU-Parlament. Das österreichische Resultat unterscheidet sich wieder deut-lich von den Meinungsumfragen. Nur knapp die Hälfte der Wahlberechtigten wählte, was auch zu einer Verschiebung der Prozentanteile führte.

Das Ergebnis:

Partei % 99 % 96 +/- %v.96

SPÖ 31,71 29,15 +2,56 108,8

ÖVP 30,63 29,65 +1,02 103,3

FPÖ 23,40 27,53 - 4,13 85,0

Grüne 9,29 6,81 +2,48 136,4

LiF 2,66 4,26 - 1,60 62,4

KPÖ 0,73 0,47 +0,26 155,3

CSA 1,54 n.k.

Das ergibt an Mandaten: SPÖ 7 (+1), ÖVP wie bisher 7, FPÖ 5 (- 1), Grüne 2 (+1), LiF 0 (- 1).

Festgehalten werden muß auch, daß die 4% Verluste der FPÖ durch die enorm gesunkene Wahlbeteili-gung rund 392.000 Stimmen ausmachen:

Stimmen 99 Stimmen 96 +/- %99v.96

SPÖ 882.005 1,105.910 - 223.905 79,7

ÖVP 851.343 1,124.921 - 273.578 75,6

FPÖ 652.458 1,044.604 - 392.146 62,4

Grüne 257.043 258.250 - 1.207 99,5

LiF 73.276 161.583 - 88.307 45,3

KPÖ 20.359 17.656 + 2.703 115,3

CSA 42.438 n.K.

Somit hat die SPÖ rund 20% der Wählerstimmen von 1996 verloren, die ÖVP ein Viertel, aber die FPÖ fast 40%! Dies wird nur von den Liberalen überboten, die weniger als die Hälfte der Wählerstimmen halten konnten.

Als kostenfreie Draufgabe für die ANTIFA-INFO-LeserInnen, ein Vergleich des Ergebnisses mit den Mei-nungsumfragen von März bis Juni 1999:

Wahl März Apr. Mai Juni

SPÖ 31,74 31 30 32 30 - 32

ÖVP 30,64 29 30 30 27 - 29

FPÖ 23,48 29 29 27 26 - 28

Grüne 9,25 7 7 7 6 - 8

LiF 2,64 5 4 3 4 - 5 Die Vorhersagen für die SPÖ stimmten ziemlich und waren für die ÖVP nicht allzu falsch, das schlechte Abschneiden der FPÖ und des LiF und das gute der Grünen wurde allerdings nicht vorhergesagt. Die rela-tive Abweichung betrug bei Grünen und FPÖ rund 20%, beim LiF über 50%!

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Die Wahlen in den anderen EU-Ländern fallen untersc hiedlich aus: Belgien: 23,4% für die Liberalen, 19% für die Christlichen, 18,7% für die Sozialdemokraten. Dänemark: Die liberale Richtung ist mit 23,3% am stärksten, Zweiter sind die Sozialdemokraten mit 16,5%. Deutschland: CDU/CSU: 48,7% (+9,9!), SPD: 30,7% (-1,5), 6,4% Grüne (- 3,7), PDS 5,8% (und damit erstmals durch Überschreiten der 5%-Klausel im EU-Parlament), die FDP scheitert mit 3% an der Sperr-klausel, die rechtsextremen Parteien bleiben erfolglos. Finnland: Die Konservativen gewinnen mit 25,3% vor den Liberalen mit 21,3, den Sozialdemokraten mit 17,8%. Frankreich: Die Sozialisten können sich mit 22% ganz gut halten, die Grünen (mit Daniel Cohn-Bendit) er-reichen überraschende 9,7%, die Kommunisten gehen leicht auf 6,7% zurück, die Trotzkisten landen mit 5,2% eine Sensation. Die konservativen Parteien verlieren durchwegs, bzw. verteilen sich ihre Stimmen durch Abspaltungen auch auf neue Parteien, alle bleiben unter 15%. Die Nationale Front Le Pens erhält 5,7%, die Abspaltung von Mégret 3,3%. Griechenland: Die konservative Neue Demokratie steigt auf 36%, die sozialistische PASOK fällt auf 32,9%, die Kommunisten verbessern sich auf 8,7%. Großbritannien: Der Erfinder der neuen neoliberalen (Un)Sozialdemokratie, Tony Blair, erlebt den schlimmsten Einfahrer, New Labour erreicht nur 28% der Stimmen, die Konservativen erhalten 38%. Holland: 26,9% christlich, 20,1 sozialdemokratisch, 19,7 liberal. Italien: Der Wahlsieger heißt Forza Italia mit 25,2%, die meisten Parteien der Regierungskoalition verlie-ren, zum Teil aber auch an Parteiabspaltungen. Die Linksdemokraten erhalten 17,5, die Neofaschisten fal-len etwas zurück (10,3%). Luxemburg: 31,9% konservativ, 23,2% sozialdemokratisch. Portugal: Die Sozialisten gewinnen deutlich dazu und erreichen 43,1%, die "Sozialdemokraten" genannten Rechtsliberalen erhalten 31,1%, die Christlichen 10,3. Schweden: Erster sind die Sozialdemokraten mit 26,1%, Zweiter die Konservativen mit 20,6, Dritter die Linkspartei mit 15,8%. Spanien: Die Konservativen erhalten 39,7%, die Sozialdemokraten 35,3%, die Vereinte Linke verliert stark und fällt auf 5,8%. Gewinne gibt es für Parteien der Minderheiten.

Nach der Wahl: Wenig begeistert zeigt man sich naturgemäß in der FPÖ. Da kandidiert der Jörgl einmal nicht eigenhändig selber in Person und schon hat die Partei den Scherm 47 auf. Vorsichtshalber ist Haider selbstkritisch und fühlt sich öffentlich mitschuldig an der Niederlage. Die FPÖ-Stimmenanteile seit 1983 (Bundeswahlen):

1983 4,9 1986 9,7 1990 16,6 1994 22,5 1995 22,1 1996 (EU) 27,5 1999 (EU) 23,4

Es schaut so aus als wäre die FPÖ dort bereits einmal gewesen, wo sie jetzt ist. Eine der Konsequenzen Haiders aus der Niederlage: Er kündigt an, bei den Nationalratswahlen am 3. Oktober auf der Kandidaten-liste stehen zu wollen. Die Koalitionsparteien werden schon dafür sorgen, daß der FPÖ ein paar Wahl-kampfthemen bleiben. Als Beispiel sei nur auf die Wohnungsfrage hingewiesen. Seit Jahren gab es bei den Wohnungsgenossenschaften enormen Handlungsbedarf. Diese Genossenschaften waren ursprüng-lich zu dem Zweck gegründet worden, billigeren Wohnraum zu beschaffen. Seit vielen Jahren waren sie jedoch hauptsächlich Spielwiesen für die Parteien und ihre Funktionäre. Sie horteten Grundstücke und Vermögenswerte, Genossenschaftswohnungen unterschieden sich preislich nur durch die in Anspruch ge-nommenen Förderungsmittel von den Wohnungen am freien Markt. Erst als Haider die überhöhten Preise thematisierte, kümmerte man sich um die Senkung der Rückzahlungszinsen. Bei soviel Borniertheit wird Haider ohne jede Plage immer wieder seine Themen finden!

13.Juni 1999: In Belgien finden gleichzeitig mit den EU-Wahlen Parlamentswahlen statt. Die Regierungs-koalition (Christdemokraten und Sozialisten) verliert infolge der bekannten Skandale der letzten Jahre massiv. Stärkste Partei werden die Liberalen, die Grünen können sich fast verdoppeln, der rechtsextremis-tische Vlaams Blok, der für einen eigenen Staat der Flamen eintritt, gewinnt dazu.

47 Anm. für hochdeutsch Sprechende: Scherm, der Scherben, Dialektwort für Nachttopf

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13.Juni 1999: Anläßlich eines Besuches in Polen spricht der Papst gleich 108 polnische Opfer des Natio-nalsozialismus selig48. Dem Beobachter steigt der Verdacht auf, daß diese Massenseligsprechung im Zu-sammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Kreuze von Auschwitz stehen könnte. Es soll viel-leicht demonstriert werden, daß nicht nur die Juden, sondern auch die Katholiken von den Nazis verfolgt wurden. Das sogenannte "Papstkreuz" im ehemaligen KZ Auschwitz bleibt trotz des jüdischen Drängens, keinerlei religiöse Zeichen dort aufzustellen, stehen – siehe auch 28.5.99.

Mitte Juni 1999: Minderheitenpolitik in Kärnten. Die treudeutschen Parteien waren in der Gemeinde E-berndorf strikte gegen einen zweisprachigen Kindergarten. Eine Bürgerinitiative stellte jetzt einen dreispra-chigen Kindergarten auf die Füße: Es soll dort im Sinne des Vereinten Europas deutsch, slowenisch und italienisch gesprochen werden. Die Anmeldungen dafür übertrafen alle Erwartungen. Jetzt will die Ge-meinde selbst einen dreisprachigen Kindergarten einrichten, die Bürgerinitiative stürbe um die Förde-rungsmittel, das private Projekt könnte dadurch zum Scheitern gebracht und die mehrsprachige Gruppe im öffentlichen Kindergarten jederzeit wieder eingestellt werden.

Mitte Juni 1999: Im Kosovo werden von den KFOR-Truppen Massengräber gefunden. Von den zuvor be-haupteten zehntausenden Toten findet man vorerst allerdings nichts. Es bleibt daher eine in den Medien nie gestellte Frage unbeantwortet: Was hat mehr Opfer gefordert: Die NATO-Bombardierungen oder die serbischen Massaker?

15.Juni 1999: In Chile werden fünf Offiziere verhaftet, die im Verdacht stehen, nach dem Militärputsch von 1973 an Massenmorden beteiligt gewesen zu sein

16.Juni 1999: Den Schweizer Antisemiten geht es auch ganz gut. Ein gewisser Rudolf Keller, Chef der sogenannten "Schweizer Demokraten", hatte 1998 wegen der Schadenersatzforderungen aus den USA im Zusammenhang mit der Verstrickung von Schweizer Banken in die NS-Raubgoldgeschäfte zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen. Nun hat der Schweizer Ständerat sich zum zweitenmal mehrheitlich ge-gen eine Auslieferung des Parlamentsabgeordneten an das Gericht ausgesprochen, die Einleitung eines Verfahrens ist daher nicht möglich. Daher: Ein kräftiges Heil Hitler in die Schweiz!

16.Juni 1999: Im Jahresbericht für 1998 von AMNESTY INTERNATIONAL kommt wieder jedes Jahr auch diesmal Österreich wieder vor: Rassistische Übergriffe von Polizeikräften.

16.Juni 1999: Da der Hinweis, der zur Festnahme von Franz Fuchs 49 führte, nicht im Zusammenhang mit dessen terroristischer Tätigkeit gestanden war, will man die ausgelobte Ergreiferprämie von zehn Millionen Schilling nicht in voller Höhe auszahlen. Vor Gericht vergleichen sich die Republik Österreich und die Hin-weisgeber auf sechs Millionen. Die FPÖ, die seinerzeit eine eigene Ergreiferprämie ausgesetzt 50 hatte (warum wohl?), hat ihre Belohnung bereits ausbezahlt.

17.Juni 1999: Der abgehalfterte FP-Funktionär Meischberger kritisiert in NEWS seine ehemalige Partei. „Die Niederlage der FPÖ ist vor allem eine Niederlage ihrer Führungsmannschaft: Westenthaler, Riess-Passer und Co. Egal wohin man blickt: Selbstdarsteller ohne die geringste Ausstrahlung und Vorbildwirkung (...) Ihr Ziel ist nicht darauf ausgerichtet, Österreich politisch zu verändern, sondern ihrem Chef zu dienen. Dem Jörg genügt das offenbar. Seiner Anhängerschaft offensichtlich nicht mehr”.

17.Juni 1999: Die erste Umfrage nach der EU-Wahl zur NRW ergibt folgendes Bild: SP 39%, VP 27%, FP 24%, Grüne 6%, LiF 4%, das ergäbe mandatsmäßig ungefähr: 72/49/44/11/7, für kleine Koalitionen: Ha-selnuß gegen Regenbogen 93:90. Eine Umfrage, "wenn Sie den Kanzler direkt wählen könnten.." bringt 34% für Klima, 11% für Haider, 9% für Schüssel, 28% keiner davon.

48 Selige und Heilige: „Auf Grund hervorgehobener Bedeutung und Verehrung für Kirche und Frömmigkeit als selig oder heilig” kanonisierte (= nach katholischem Kirchenrecht eingesetzte) Personen

49 1.Oktober 1997: In der Ortschaft Gralla bei Leibnitz an der steirisch-slowenischen Grenze rufen abends zwei Frauen die Gen-darmerie, weil sie sich von einem Autofahrer verfolgt fühlen. Zwei Gendarmen wollen den Lenker kontrollieren. Dieser steigt aus und bringt dabei eine Bombe zur Explosion, die ihm beide Hände abreißt. Der Autofahrer flüchtet, nach Abgabe mehrerer Warn-schüsse wird er festgenommen. Es handelt sich um den 48jährigen Vermessungstechniker Franz Fuchs. Eine sofort veranlaßte Hausdurchsuchung im Elternhaus des Franz Fuchs, wo dieser zwei ständig versperrte Zimmer bewohnt, fördert erste Spuren zuta-ge, die auf die BAJUWARISCHE BEFREIUNGSARMEE und die Bombenserie hinweisen.

50 7.Dezember 1993: Selbst die anfangs mit ihren Einschätzungen sehr vorsichtige Staatspolizei ist nun eindeutig der Meinung, daß der oder die Attentäter im rechtsextremen Lager zu suchen sind. Lediglich die KRONENZEITUNG sucht sie immer noch in serbi-schen Geheimdienstkreisen, wie einem besonderen Kommentar zu entnehmen ist. Am nächsten Tag nimmt man vor allem Haider in Schutz, es sei grotesk, „der FPÖ im allgemeinen und Jörg Haider im speziellen die alleinige Schuld am Bombenterror in die Schuhe zu schieben“, schreibt Peter Gnam. Wer, bitte, hat der FPÖ & Haider die ALLEINIGE (!!!) Schuld am Bombenterror ge-geben? Haider selber verspricht verbale Zurückhaltung und läßt FPÖ-seitig die ausgesetzte 300.000 Schilling Belohnung ver-doppeln.

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18.Juni 1999: Der STANDARD faßt den Fall Gross zusammen. Nach 1945 wurden die Personen, die ver-dächtig waren, an Euthanasieaktionen beteiligt gewesen zu sein, von den Gerichten nur sehr zurückhal-tend verfolgt. Nach 1955 gab es keine Urteile mehr. Für die Beteiligung von Dr. Heinrich Gross an der Er-mordung behinderter Kinder gebe es erdrückende Beweise. Wie sehr die zuständigen Behörden quasi als Komplizen nach der Tat wirkten, zeigt der Umstand, daß Gross im Jahre 1979 den Unfallchirurgen Werner Vogt verklagt hatte, weil ihn dieser der Mitwirkung an der Euthanasie beschuldigte: Vogt wurde mit der Be-gründung freigesprochen, die Anschuldigungen seien berechtigt. Trotzdem folgten seitens der Behörden fast 20 Jahre lang keinerlei Schritte gegen Gross und jetzt auch erst auf Anordnung de Justizministeriums.

18.Juni 1999: Der NS-Opferfonds wird ausgeweitet, er soll Entschädigungszahlungen von Firmen entge-gennehmen und an deren ehemalige Zwangsarbeiter weiterleiten können.

19.Juni 1999: Der ehemalige FPÖ-Nationalrat Peter Rosenstingl wird aus Brasilien nach Wien zurück-gebracht. Ihm werden Veruntreuungen von rund 370 Millionen Schilling vorgeworfen. Seine Lebensgefähr-tin Cornelia Gretsch sagt in einem Interview, Haider sei über die Finanzprobleme Rosenstingls informiert gewesen, was FP-seitig sofort bestritten wird.

21.Juni 1999: In Zeitungsinseraten in 500 Zeitungen in 40 Ländern fordern die Schweizer Banken anspruchsberechtige Holocaustopfer auf, ihre Ansprüche gegenüber den Banken anzumelden. Für nicht entschädigte ehemalige Kontoinhaber und abgewiesene Flüchtlinge stehen insgesamt 1,25 Milliarden $ bereit.

21.Juni 1999: In einem Journal-Panorama berichtet Ö1 über die NS-Vergangenheit des "Hauses der Na-tur" in Salzburg. Der Begründer war SS-Obersturmbannführer Eduard Tratz (1977 verstorben), der im per-sönlichen Stab von SS-Führer Himmler arbeitete. Dokumente bestätigen jetzt, daß während des Krieges fast 300 Gegenstände der naturwissenschaftlichen Sammlung unrechtmäßig aus Polen nach Salzburg ge-schafft wurden.

21.Juni 1999: In Esch (Luxemburg) stirbt Josef Hammelmann, Präsident des Internationalen Mauthau-senkomitees.

23.Juni 1999: Bisher wurden aus dem Nationalfond für NS-Opfer an 25.028 Personen in 69 Ländern Zu-wendungen ausbezahlt. Für 1999 stehen weitere 150 Millionen Schilling zur Verfügung.

24.Juni 1999: Der Bombenkrieg in Jugoslawien hat die militärischen Ziele weit weniger geschädigt als man geglaubt hat. Man traf im militärischen Bereich vorwiegend Plastikattrappen, angeblich wurden nur 13 Panzer zerstört. Im Kosovo gehen die Verfolgungen mit umgekehrtem Vorzeichen weiter. Jetzt flüchten die Serben.

24.Juni 1999: An der Grazer Universität bildet sich in der Hochschülerschaft eine Koalition zwischen der VP-nahen AKTIONSGEMEINSCHAFT und dem RING FREIHEITLICHER STUDENTEN, was von der Bundesführung der AG stark kritisiert wird.

24.Juni 1999: Zwei Wiener Skins, die im Februar Molotow-Cocktails auf ein Asylantenheim geworfen hat-ten, erhalten fünf Jahre Haft, ein weiterer Beteiligter erhält zwei Jahre, alle unbedingt.

25.Juni 1999: In Berlin wird als Holocaust-Denkmal das Säulenfeld nach dem Entwurf des Amerikaners Peter Eisenman errichtet. Dies beschließt der deutsche Bundestag mit 314:209 Stimmen, von 155 Abge-ordneten von CDU/CSU war der Bau überhaupt abgelehnt worden.

25.Juni 1999: Die Salzburger FPÖ schließt den früheren 3. Landtagspräsidenten Wolfgang Haider aus der Partei aus, weil er von der ÖVP für einen Aufsichtsratsposten in einem Landesbetrieb nominiert wurde.

25.Juni 1999: Die Mutter, ein Bruder und ein weiterer Verwandter Omofumas treffen in Wien ein.

Zweite Junihälfte 1999: Als Marathonläufer taucht Jörg Haider in FPÖ-Inseraten auf. Der Text dazu: „Denn nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist” – was allgemeine Heiterkeit erregt. Der römische Satiriker Juvenal hatte sich über einen besonders dummen Athleten lustig gemacht und ge-schrieben, in einem gesunden Körper möge ein gesunder Geist sein. Von den einschlägigen Denkern wird seit mehr als hundert Jahren dieses Zitat ins Gegenteil verdreht und für den gesunde Geist ein gesunder Körper vorausgesetzt. Bemerkenswert, daß seinerzeit auch in "Mein Kampf" das Wörtchen "nur" einge-flochten 51 wurde. Den lateinischen Originaltext hat der Jörg nicht übersetzt. Wo wird er sein vermeint-liches Zitat abgeschrieben haben?

51 Man hat bei unserer Erziehung vollkommen vergessen, daß auf Dauer ein gesunder Geist auch nur in einem gesunde Körper zu wohnen vermag (Mein Kampf, Seite 276) - Auch der Geist wird, wenn er gesund ist, in der Regel und auf die Dauer nur in ge-sundem Körper wohnen (Seite 453)

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28.Juni 1999: Die FPÖ überlegte sich nach den häufig argen Erfahrungen mit ihrer bisherigen Kandida-tenauslese ein neues Verfahren. Für die Nationalratswahlen kann jede Landesorganisation bis 30 Kandi-daten für Hearings einbringen, die ersten Kandidatentests gehen nun über die Bühne.

28.Juni 1999: Die geplante gesetzliche Regelung für die österreichischen Militärgeheimdienste kommt in dieser Legislaturperiode nicht mehr. Die völlig überzogenen Forderungen der ÖVP lassen diesen Bereich weiterhin gesetzlich ungeregelt. Die geplante "erweiterte Gefahrenforschung" 52 der Staatspolizei kommt vorerst auch nicht. Damit wollte man (auch SPÖ-seitig) das Spitzelwesen in Österreich formalrechtlich re-geln.

Gegen Ende Juni 1999: Der Beirat, der sich mit der Rückgabe von geraubten Kunstschätzen befaßt, empfiehlt fünf Klimt-Gemälde aus der Sammlung Bloch-Bauer nicht an die Erben zu refundieren. Unter-richtsministerin Gehrer kommt dieser Empfehlung nach. Worauf Hubertus Czernin in einem Offenen Brief festhält: Die Behauptung, die Bilder seien bereits 1925 testamentarisch der ÖSTERREICHISCHEN GALERIE vermacht worden, treffe nicht zu, Besitzer der Bilder sei der Industrielle und Kunstmäzen Ferdinand Bloch-Bauer gewesen, seine 1925 verstorbene Gattin Adele habe lediglich in ihrem Testament den Wunsch festgehalten, ihre Mann möge diese Bilder der Galerie vermachen, was aber dann infolge der Ereignisse nicht erfolgte, daran ändere auch der Umstand nichts, daß Ferdinand Bloch-Bauer 1926 versprochen hät-te, die Bitte seiner Frau getreulich zu erfüllen.

29.Juni 1999: Wie zu erwarten war, wird in der Türkei der Vorsitzende der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, zum Tode verurteilt.

29.Juni 1999: Auf einer Pressekonferenz in Wien sagt die Mutter des Polizeiopfers Marcus Omofuma, ih-ren Sohn könne niemand mehr zum Leben erwecken, sie wolle den Leichnam mit nach Hause nehmen. Der nigerianische Anwalt der Familie will den Fall vor die UNO-Vollversammlung bringen. Innenminister Schlögl drückte in einem Brief sein Bedauern aus.

29.Juni 1999: Auch österreichische Opfer des Nationalsozialismus und ihre Erben können Forderungen an die Schweiz geltend machen.

1.Juli 1999: NEWS droht für den Fall einer Kleinen Koalition mit folgenden FPÖ-Ministern: Außenminister Grasser, Frauenministerin Riess-Passer, Wirtschaftsminister Prinzhorn, Finanzminister Trattner, Kulturmi-nister Krüger und Innenminister Westenthaler.

Anfang Juli 1999: In Rechnitz (Bgld.) soll für die Opfer der beim Bau des sogenannten "Südostwalles" zu Tode gekommenen KZ-Häftlinge ein Mahnmal errichtet werden. Bürgermeister Saly von der SPÖ ist da-gegen, anscheinend sollen die damaligen Geschehnisse auch weiterhin vertuscht werden: Am 24. März 1945 haben die NS-Honoratioren ein Fest veranstaltet, dieses zwischendurch rasch verlassen und 180 kranke jüdische Zwangsarbeiter erschossen und dann weitergesoffen. Als nach dem Krieg deswegen Er-mittlungen eingeleitet wurden und sich ein Ortsbewohner bereit erklärte, über die Mordbeteiligten auszu-sagen, wurde er ebenfalls umgebracht und sein Haus niedergebrannt. Den Behörden wurde dann ein zweiter Zeuge bekannt, eines der Opfer des Massakers hatte überlebt und sollte nun die Mörder identifizie-ren. Auf der Fahrt zur Aussage wurde auch er erschossen. Bis heute schweigen alle Mitwisser im Dorf ei-sern, selbst die Lage des Massengrabes konnte bisher nicht eruiert werden. Ein gebührendes Heil Hitler der Rechnitzer Volksgemeinschaft.

Anfang Juli 1999: Gut gemeint ist manchmal nicht dasselbe wie gut. In Graz hatten Bürgermeister Stingl, der Sozialamtsleiter und ein Pfarrer ein Modell ausgearbeitet, nachdem für aus der Slowakei kommende Bettler für das Unterlassen der Bettelei eine monatliche Entschädigung von 3.500 Schilling ausbezahlt werden sollte. Dafür sollten die rund 40 Berufsbettler in Pfarreien leichte Arbeiten durchführen. Die Bettler sind daraufhin aus der Stadt verschwunden und Bürgermeister Stingl sah sich dem Volkszorn ausgesetzt.

Man sollte sich solche Sozialideen vorher überlegen. Die slowakischen Bettler waren keine durch Un-glücksfälle aus der Bahn geworfene tragischen Einzelschicksale, sondern Mitglieder einer organisierten Bettlerbande, öffentliche soziale Zuwendung ist daher nicht unbedingt angebracht.

Anfang Juli 1999: Zum Sicherheitspolizeigesetz fordert Sicherheitschef Sika, daß „das was wir jetzt im rechtsfreien Raum machen, Gesetz wird”. Also zum Beispiel das illegale Spitzelwesen der Stapo zum lega-len Spitzelwesen abgewandeln.

5.Juli 1999: Die Leiche des österreichischen Polizeiopfers Omofuma wird zur Beerdigung freigegeben.

5.Juli 1999: Haider entpolitisiert die Kärntner Gremien. Ein gewisser Günther Harmina wird von ihm als „erster parteiunabhängiger Kandidat” für den Posten des Landesschulratspräsidenten vorgeschlagen. Daß

52 19.März 1999: Der Entwurf für das Stapo-Gesetz sieht eine sogenannte "erweiterte Gefahrenforschung" vor, diese soll gegen-über Gruppen eingesetzt werden, denen „weltanschaulich oder religiös motivierte Gewalt” zugetraut werde.

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dieser Harmina 1993 Mitglied des "Unabhängigen Personenkomitees zur Wiederwahl Jörg Haiders" war, verstärkt wahrscheinlich die Unabhängigkeit des Kandidaten, oder?

6.Juli 1999: Karl Bregartner gibt wegen seiner Herzkrankheit seinen Rücktritt als Welser Bürgermeister mit Ende Juli bekannt. Sein Name wird in der Stadtgeschichte mit den "Braunen Flecken" verbunden blei-ben.

6.Juli 1999: Haider will die Entsendung von Aufsichtsräten in das Kärntner Landesenergieunternehmen KELAG alleine vornehmen. Ein Vorschlagsrecht der Landtagsparteien sieht Haider nicht, dieses stünde al-leine ihm als Eigentümervertreter zu. Die SPÖ will nun eine Ministerklage gegen Haider einleiten, die ÖVP (deren Zustimmung dazu erforderlich ist) ziert sich.

Erste Julihälfte 1999: Für Haiders Kinderbetreuungsscheck ist zwar noch immer keine Finanzierungs-möglichkeit gefunden worden, aber es finden sich zahlreiche Befürworter des Modells, wie etwa im katholi-schen Familienverband oder in der Caritas.

7.Juli 1999: Der parlamentarische Justizausschuß beschließt gegen die Stimmen der FPÖ die Aufhebung der NS-Urteile gegen Deserteure in die Wege zu leiten. FP-seitig meint man, „als Deserteur zu sterben sei in keinem Lande angesehen” (Harald Ofner), Holger Bauer meint mit der Entschließung werde vermittelt es sei „schick und okay Deserteur und Saboteur” zu sein.

Wo doch ganz klar auf der Hand liegt, daß es auch 1999 schick und okay ist, sich für Führer, Volk und Va-terland welterobernd und völkermordend betätigt zu haben. Daher sei hier wieder einmal ausdrücklich festgehalten: Die Hochachtung gebührt allen, die für Hitler und seine Gesinnungsfreunde zumindest keine Pflichten erfüllt haben!

12.Juli 1999: Der STANDARD bringt das Ergebnis einer Meinungsumfrage: Wer ist der beste Kanzler im ganzen Land? Wie immer siegt der Amtsinhaber, 38% sind für Klima, Zweiter wird Haider mit 16%, aber schon Dritter ist ein gewisser Wolfgang Schüssel mit 9%, nicht einmal die Hälfte der VP-Wähler reißt sich um ihn. 6% sind für den Grünen van der Bellen, mit 3% ist Heide Schmidt an der fünften Stelle.

12.Juli 1999: Über "Braune Flecke" in Steyr berichten die OÖNachrichten: Die dortigen Grünen fordern die Umbenennung der Robert-Stigler-Straße. Der Physiologe Stigler war von 1939 bis 1943 an der Wiener Uni Professor für "Rassenhygiene", der ehemalige SP-Bürgermeister Sichelrader schloß sich nach dem Feb-ruaraufstand von 1934 der NSDAP an, auch er verdient sich daher keine Straßenbenennung, ein gewisser Alois Huemer, der auch Namensgeber für eine Straße war, soll an den Gewaltmaßnahmen im ehemaligen Ghetto von Radom in Polen beteiligt gewesen sein. Bei so viel Tradition des Dritten Reiches fällt es fast nimmer auf, daß im Rathaussitzungssaal immer noch ein Bild des NS-Bürgermeister Ransmayr hängt. Heil Hitler!

12.Juli 1999: Im Iran gehen massenhaft Studenten gegen die islamfaschistische Diktatur auf die Straße. Zwar werden die Aktionen bald gestoppt, aber die Herrschaft der Mullahs erhält einen deutlichen Knacks.

13.Juli 1999: Der im Jänner 199253 festgenommene und in der Folge wegen NS-Wiederbetätigung zu elf Jahren Haft verurteilte Gottfried Küssel wird wegen "guter Führung" vorzeitig aus der Haft entlassen. Ge-gen die Entlassung waren das Justizministerium, die Staatsanwaltschaft, das Landesgericht Krems. Dafür war das Wiener Oberlandesgericht.

13.Juli 1999: Der STANDARD berichtet wieder über den Fall Ilja Plotizin. 1934 flüchtete der Schutzbündler Paul Iranyi nach der Niederschlagung des Februaraufstandes mit seiner Familie in die Sowjetunion. Seine Tochter heiratete einen Russen, behielt aber die österreichische Staatsbürgerschaft. Als ihr Sohn Ilja ge-boren wurde, war eine Übernahme der mütterlichen Staatsbürgerschaft nach österreichischem Recht noch nicht möglich, als es 1984 ermöglicht wurde, erfuhr die in der Sowjetunion lebende Familie nichts davon. Als Inge Plotizinova jetzt nach Österreich heimkehrte, war ihr Sohn ein unerwünschter Ausländer, ihm droht die Abschiebung und bisher hat die Republik Österreich keine Lösung des Problems finden wollen. Paul Iranyi war jüdischer Abkunft. Und im Österreich des Jahres 1999 weiß man immer noch sehr gut, was mit dem Enkel eines jüdischen Bolschewisten zu geschehen hat.

14.Juli 1999: Das österreichische Parlament beschließt gegen die Stimmen der FPÖ die vollständige Re-habilitierung der Deserteure der deutsche Wehrmacht.

53 7.Jänner 1992: Nach zwei Fernsehinterviews in denen er sich zum Nationalsozialismus bekannt und für die Wiederzulassung der NSDAP eingesetzt hatte, wird in Wien VAPO-Chef Gottfried Küssel festgenommen. 19.Oktober 1994: Urteil im 2. Verfah-ren gegen Gottfried Küssel. Der Prozeß wurde von der Richterin Klothilde Eckbrecht sehr konsequent geführt, neue Belastungs-beweise (speziell Videobänder) tauchten auf und Küssel erhält diesmal statt zehn, elf Jahre Haft.

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14.Juli 1999: In der nordspanischen Stadt Terrassa kommt es nach einer Rauferei zwischen einem Spa-nier und einem Nordafrikaner zu rassistischen Kundgebungen gegen Algerier und Marokkaner, deren Ausweisung gefordert wird. Auch in den folgenden Tagen kommt es zu Ausschreitungen.

15.Juli 1999: Vorerst abgelehnt wird der Vergleich zwischen der CREDITANSTALT und den Holocaustopfern von der Israelitischen Kultusgemeinde.

Zweite Julihälfte 1999: In Reutte in Tirol existiert eine Fußballiga für Wirtshausmannschaften. Bisher kickten dort auch vier türkische Teams mit. Nun beschließt man, daß pro Mannschaft nur noch zwei Nicht-EU-Ausländer eingesetzt werden dürfen und schließt damit die türkischen Fußballer aus. Man sieht also, im heiligen Land Tirol haben die anständigen Volkstreuen das Sagen.

19.Juli 1999: Zu der aktuellen Diskussion über Polizeiübergriffe sagt Innenminister Schlögl, Vorwürfe ge-gen die Polizei sollten schnell geklärt werden. Nachdem in der Regel Mißhandlungsvorwürfe gegen die Exekutive zu keinen Verfahren, bzw. zu Freisprüchen führen, hatte Justizminister Michalek die Überprü-fung aller Fälle seit 1997 angekündigt.

19.Juli 1999: FORMAT berichtet, daß die Staatspolizei mit der Haftentlassung Gottfried Küssels eine Reor-ganisation der Neonaziszene befürchtet. U.a. heißt es dort: „ Das Oberlandesgericht Wien hatte die vorzeiti-ge Enthaftung überraschend damit begründet, derzeit bestehe keine vermehrte Gefahr, Anhänger der seiner-zeit von Küssel vertretenen Geisteshaltung könnten dadurch zu vergleichbaren Straftaten ermutigt werden.

Eine kühne Behauptung der Richter des Oberlandesgerichts Wien. Die vorzeitige Freilassung Küssels - er hätte noch dreieinhalb Jahre wegen Wiederbetätigung absitzen müssen - erfolgte nämlich gegen den er-klärten Willen von Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium, die den früheren Neonazi zur Abschre-ckung potentieller Nachahmungstäter gern die volle Haftzeit hinter Schloß und Riegel gewußt hätten.

Denn seit einigen Monaten registrieren Österreichs Staatsschützer mit Besorgnis eine Reorganisation der rechtsextremen Szene. Michael Sika, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit: „Die VAPO gibt es mangels Kopf zwar als Organisation nicht mehr, die früheren Aktivisten existieren aber noch." (..) Man war-te nur auf „eine Leitfigur, die imstande wäre, die oft konkurrierenden Organisationen und Personen der rechtsextremen Szene zu einigen und zu führen", heißt es in einem vertraulichen Bericht der Staatspolizei. (..) Franz R. jun., einst engster Gefolgsmann Küssels, ist nach vertraulichen Informationen aus dem In-nenministerium „wieder als Ideologe tätig" und hat engen Kontakt zu dem bekannten Rechtsextremisten Robert D. im Burgenland aufgebaut. Gegen D. läuft derzeit ein gerichtliches Vorverfahren wegen national-sozialistischer Wiederbetätigung”.54

20.Juli 1999: Das EU-Parlament konstituiert sich, die neuen Kräfteverhältnisse: Europäische Volkspartei: 234 (204), Sozialdemokraten: 180 (214), Liberale: 50 (41), Grüne: 47 (27), Europäische Linke (Kommunis-ten): 42 (34), Union für Europa: 21 (-), EDU: 16 (-), fraktionslos: 36 (darunter 5 FPÖ). Nicht mehr bestehen die Radikale Allianz und Europa der Nationen.

20.Juli 1999: Haider sorgt wieder einmal für entsprechende Unterhaltung. In den OÖNachrichten wird ein Interview veröffentlicht, in welchem er sagt, seine Landeshauptmann-Kollegen wollten nur repräsentieren und nichts arbeiten. Als sich die Landeshauptmänner verärgert zeigen, behauptet Generalsekretär Westenthaler kühn, Haider habe kein negatives Wort über die anderen Landeshauptleute gesagt.

21.Juli 1999: Zur Beschimpfung der Landeshauptleute durch Haider spielt der ORF das Tonband mit dem Interview vor. Haider sagte wörtlich das, was er laut Westenthaler nicht gesagt hatte. Trotzdem ist der Journalist für Haider „ein links-grüner Journalist, der ja bekannt ist, daß er Auftragsarbeiten besorgt”.

21.Juli 1999: Das hat zwar nix mit unserer Thematik zu tun, war aber so ärgerlich, daß ein paar Zeilen an-gebracht erscheinen: Im Vöcklabrucker Krankenhaus gebiert irgendeine sogenannte Prinzessin ein Kind. Der ORF glaubt an die ewige Existenz der Hofberichterstattung und gebärdet sich dabei derartig verrückt, wie es kaum die blödesten Blätter der Regenbogenpresse zusammenbringen. Gespannt warteten wir sogar schon auf ein Interview mit der hochwohlnachgeborenen Nachgeburt. In der Hetze nach der Seher- und Hörerquote hat man offenbar keinen Maßstab mehr: Man glaubt allem Anschein nach, daß das Publikum zum allergrößten Teil aus Debilen besteht und bemüht sich für diese vermeinten Schwachsinnigen alles zu geben. Diese oö. Trottelei pflanzte sich sogar bis in die zentralen ZiB-Sendungen fort. Statt den Status der sogenannten Adeligen zu hinterfragen, kriecht man in Ergebenheit vor der einstmals herrschenden Klasse des Feudalismus.

25.Juli 1999: Vor 65 Jahren versuchten die österreichischen Nazis einen Putsch. Dieser schlug fehl, aber der klerikalfaschistische Kanzler Engelbert Dollfuß wurde dabei erschossen, was den Nazis tiefe Sympa-thie in weiten Bevölkerungskreisen einbrachte.

54 Franz Radl und Robert Dürr, Radl wurde ebenfalls vorzeitig entlassen.

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25.Juli 1999: Bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela siegt ausnahms-weise mit großer Mehrheit der linke "Patriotische Pol" des neuen Präsidenten Chavez.

Dem Beobachter fällt auf: Jetzt könnte es sein, daß dort soziale Fragen auf die Tagesordnung kommen. Und plötzlich machen sich die österreichischen Medien heftigste Sorgen um die Demokratie in Venezuela. Als vorher korrupte Parteien ihre Geschäfte abwickelten, las und hörte man hierzulande nichts dazu, schließlich gingen die Geschäfte ja ausgezeichnet. Wenn diese Geschäfte nunmehr nicht mehr so gut ge-hen, werden die USA eventuell bald Befreiungskämpfer ausschicken müssen zum Kampf für Freiheit und Democrazy 55, in Venezuela gibt es Erdöl.

2.Julihälfte 1999: In Kärnten gibt es Aufregung um ein Referat des deutschen Sozialphilosophen Günter Rohrmoser für die ÖVP. Dieser hatte u.a. Hitler als erfolgreichen Politstrategen gelobt. Daß er deswegen kritisiert wurde, ist unberechtigt. Hitler war mit Sicherheit der erfolgreichste politische Selbstdarsteller des Jahrhunderts. Zu kritisieren sind die ÖVP und Rohrmoser trotzdem: Der Berater steht rechts vom deut-schen Rechtskonservatismus, hat Kontakte zum Rechtsaußenblatt "Junge Freiheit", bekämpft das, was in der Nazizeit "entartete Kunst" hieß und wurde zu seinem 70. Geburtstag von Horst Mahler (früher ROTE ARMEE FRAKTION, jetzt NDP) gewürdigt. Hitlers Erfolg basierte auf der Mobilisierung vorurteilsbehafteter Massendummheit. „Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt”, hatte der seinerzeitige Führer in "Mein Kampf" geschrieben. Dummheit spielt auch in der heutigen politischen Agita-tion eine tragende Rolle. Gerade deshalb sollte sie nicht zum Erfolgsvorbild empor gejubelt werden.

26.Juli 1999: Der chilenische Präsident Frei ruft auf, die Verbrechen der Zeit der Militärdiktatur (1973 – 1990) aufzuklären, die Wahrheit sollte ans Tageslicht gebracht werden.

27.Juli 1999: Der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, zieht eine Zwi-schenbilanz, „ich wollte diese Ausgrenzerei, hier Deutsche, dort Juden, weghaben, ich habe nichts oder fast nichts bewirkt”

28.Juli 1999: Ein schärferes Vorgehen gehen den Skinhead-Terror beschließt die tschechische Regie-rung. Es wird geprüft, die beiden rechtsextremen Verbände "Vaterländische Front" und "Nationale Front" zu verbieten.

28.Juli 1999: Alfons Dalma gibt im 81. Lebensjahr den Löffel ab. Der ehemalige kroatische Ustascha-Fa-schist hatte es nach 1945 problemlos geschafft, als Propagandist der US-Interessen und des Vatikans in Österreich eine erfolgreiche Journalistenkarriere zu machen. Die 68er werden sich an diesen ... wohl noch deutlich erinnern, den Vietnamkrieg haben die USA trotz aller seiner agitatorischer Bemühungen verloren. Zwar gelang Kreisky 1974 die Entfernung dieses gesinnungstreuen "Wertkonservativen" aus leitenden ORF-Positionen, als Rom-Korrespondent ging er uns noch jahrelang auf den Nerv. Der Nachruf im ORF verschwieg natürlich seine politische Vergangenheit, wir spucken ihm daher ein lautes "Heil Pavelic 56" in die Grube nach!

28.Juli 1999: Wenn die FPÖ in Kärnten beim ORF interveniert und bestimmte für sie genehme Themen forcieren will, dann ist das ganz legitim. Illegitim ist sowas nur, wenn es andere Parteien machen.

Ende Juli 1999: Nationalistischen Schwachsinn gibt es auch anderswo. In Polen verabschiedet die kon-servative Parlamentsmehrheit ein Gesetz über die polnische Sprache, das zwingend die Übersetzung fremdsprachiger Ausdrücke ins Polnische verlangt, dem Jockey, dem Joystick und dem Hamburger wird also der Kampf angesagt.

Ende Juli 1999: In Deutschland nimmt in der SPD die Kritik gegen den Rechtskurs von Kanzler Schröder immer mehr zu, die SPD verliert spürbar an Sympathien.

Ende Juli 1999: Sympathiestand für die NRW: SPÖ weiter unangefochten Erster mit 40%, ÖVP hält bei 24%, die FPÖ bei 23, Grüne 7, LiF 4, andere 2%. Das ergäbe an Sitzen ungefähr: 75, 45, 43, 13, 7. Also Ampel zu Haselnuß: 95:88.

Anfang August 1999: Die Wiener Staatsanwaltschaft bearbeitet weiter die Anzeige gegen Mölzer 57. Die-ser beruft sich jetzt darauf, daß wichtige Passagen aus dem Text herausgefallen seien. Na, so ein dum-

55 Bert Brecht, Der anachronistische Zug oder Freiheit und Democrazy (1947)

56 Ante Pavelic: Verbündeter Hitlers und Führer der kroatischen Faschisten und Massenmörder, nach 1945 mit vatikanischer Hilfe entwichen, siehe ANTIFA-INFO Nr. 6/1998

57 7.Juni 1999: Das DÖW erstattet Anzeige gegen Andreas Mölzer als Chefredakteur des Rechtsblattes ZUR ZEIT. Ein ebenfalls angezeigter Hans Gamlich hatte in der Wochenzeitung in einem Artikel Hitler als „großen Sozialrevolutionär”, den Holocaust als „Mythos” und den Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß als „größten Schauprozeß der Weltgeschichte” bezeichnet.

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mes Mißgeschick! Das wird sich doch hoffentlich klären lassen. Schon merkwürdig, daß in solchen Blät-tern immer wieder was anderes abgedruckt wird als man schreiben wollte...

3.August 1999: Proteste ruft ein beabsichtigter Handel zwischen England und Spanien hervor: Spanien soll sein Auslieferungsbegehren gegen Pinochet zurückziehen und England den Chilo-Faschisten heimrei-sen lassen. Als die Sache bekannt wird, hört man weiters nichts mehr dazu.

4.August 1999: Eine ganz besonders dumme Debatte beschäftigt einige Tage Österreichs Medien: Klima sagte zu Schröder anläßlich eines Heurigenbesäufnis, Österreich habe sich in den letzten Jahren nicht durch die "Kraft der Lenden" der Österreicher von sieben auf acht Millionen vermehrt, sondern durch Zu-zug vom Balkan. Die FPÖ sieht sich bestätigt. Keine einziges Medium scheint sich aber die Mühe einer Nachprüfung gemacht zu haben:

Jahr Einwohner 1951 6.933.905 1961 7.073.807 1971 7.456.403 1981 7.555.338 1992 7.884.219 1994 8.030.000

Die Zunahme von sieben auf acht Millionen erfolgte also nicht kurzfristig, sondern innerhalb von rund 43 Jahren und daher offensichtlich nicht ausschließlich durch Zuwanderung. Wenn dies durch das ANTIFA-INFO eruiert werden kann, dann könnten dies auch Klima, die SPÖ, die FPÖ, der ORF oder eine Zeitung herausfinden.

7.August 1999: Großbritannien will laut Generalstaatsanwaltschaft Pinochet selbst den Prozeß machen, wenn Spanien wirklich auf die Auslieferung verzichten sollte.

8.August 1999: TV-Sommergespräch mit Haider. Der FPÖ-Chef gibt sich staatsmännisch und staats-tragend. Es ist bemerkenswert, daß mehrere Medien anfangen, die FPÖ als regierungsfähig anzusehen.

8.August 1999: Das freie Wort in der Kronen Zeitung,

„Hunnen 1999 - In den „Sunday Times" hat ein Journalist namens Gill über die Deutschen folgendes ge-schrieben: „Wir alle hassen die Deutschen. Nicht als Individuum, jeder für sich ist okay. Nachdenklich, höf-lich, kultiviert - das vor allem: kultiviert. Aber Insgesamt, reihenweise, hassen wir sie. Oh, ein Deutscher, hört man abschätzig in jeder europäischen Sprache; es spricht Bände.

Die Hunnen zu hassen ist vielleicht das einzige wirkliche Band, das alle Nicht-Deutschen verbindet. Die Schaffung eines größeren Deutschland war das größte Desaster, die Ursache des größten Elends, das je durch einen einzigen politischen Akt über die Geschichte Europas gekommen ist..."

Osterreich wird diesmal nicht genannt, aber es gibt genug Autoren, die unser Land ähnlich übel sehen. Vor allem aber sind es ein paar österreichische Autoren, die im Ausland als Nestbeschmutzer auftreten. Wir Österreicher halten uns nicht für besser als die Deutschen. Wir tragen ein gemeinsames Schicksal. Die sich heute noch so haßerfüllt gebärden, werden früher oder später erkennen müssen, daß wir in einem vereinten Europa nicht ausgrenzbar sind. Mag. Erich Tauchner, Wien”

Da schreibt ein englischer Journalist ein paar bissige Zeilen über Großdeutschland und stellt ganz richtig die "Schaffung eines größeren Deutschland" als größtes Desaster fest und schon werden in der KRONEN ZEITUNG alle österreichischen Autoren zum Goschenhalten aufgefordert. Schließlich sind das deutsche und das österreichische Nest seit Äonen so sauber, daß jedweder Fleck nur von volksfeindlichen Nestbe-schmutzern stammen kann. Nicht der Hitler und die Nazis in Vergangenheit und Gegenwart sind die Dreckflecken, sondern die Antifaschisten.

9.August 1999: Im FORMAT wird das Szenario einer Haselnuß-Koalition abgesteckt: Danach könnte die ÖVP folgende Regierungsmannschaft stellen: Schüssel (Kanzler), Stenzel (Außenamt), Molterer (Finan-zen), Bartenstein (Forschung), Khol (Inneres), Rasinger (Gesundheit), Ledermüller (Landwirtschaft), Geh-rer (Unterricht). Die FPÖ besetzte dann beispielsweise: Scheibner (Vizekanzler und Verteidigung), Schalle (Wirtschaft), Haubner (Familie), Grasser (Verkehr), Landauer (Soziales), Brauneder (Justiz), Kronberger (Umwelt), Trattner (Beamte).

9.August 1999: Haider setzt in einem STANDARD-Gespräch das Ziel, bei den NRW die zweitstärkste Partei zu werden. Nach dreißig Jahren sei es aus demokratiehygienischen Gründen notwendig, daß es einen Re-gierungswechsel gibt, „sonst sind wir wirklich das letzte Land des Ostblocks, wo es eine gerade zu prag-matisierte Regierungskoalition gibt”.

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9.August 1999: Pinochet will sich einem Bericht des chilenischen Fernsehens zufolge selbst der spani-schen Justiz stellen. Der alte Faschist glaubt nach einer Verurteilung die Strafe aus Altersgründen nicht absitzen zu müssen. Er rechnet mit einer Eigenschaft, die ihm gänzlich abging: Mit Humanität.

Erste Augusthälfte 1999: Eine Wiener Agentur versucht für homosexuelle Paare Touristenunterkünfte zu finden. Ein entsprechendes Suchinserat in einem Rundschreiben der Salzburger Fremdenverkehrsbetrie-be muß auf Weisung von VP-Vizebürgermeister Gollegger zurückgezogen werden. FPÖ und KRONEN ZEI-TUNG hatten sich aufgehalten.

Erste Augusthälfte 1999: Zwei amerikanische Buchhandlungen vertreiben über das Internet Hitlers "Mein Kampf". In den USA ist der Nationalsozialismus keine verbotene Gesinnung. Es sei in diesem Zusammen-hang an den US-Nazi-Führer Gary Lauck 58 erinnert.

10.August 1999: Das Arbeitsgericht Hannover erklärt sich für Klagen ehemaliger KZ-Häftlinge zuständig. Drei Männer aus Israel klagen die Reifenfirma CONTINENTAL AG auf Schmerzensgeld und Lohnzahlung.

10.August Bisher sind neun Fälle bekannt, in denen Schubhäftlingen im Flugzeug der Mund verklebt wur-de. Es wird auch bekannt, daß ein höherer Polizeibeamter auf zwei Dienstbesprechungen von Spitzenbe-amten die Verklebepraxis kritisiert hatte.

10.August 1999: Ein amerikanischer Rassist feuert mit einer MPi auf die Besucher eines jüdischen Ge-meindezentrums in Los Angeles und verletzt fünf Personen, darunter drei Kinder. Der Täter stellt sich am nächsten Tag und erklärt, er wollte „ein Signal zum Mord an Juden” geben.

12.August 1999: Der Salzburger Vizebürgermeister Mitterdorfer (FPÖ) läßt an einem Badesee Verbotsta-feln auf türkisch und serbokroatisch entfernen. Der „drohenden Überfremdung” müsse ein Riegel vorge-schoben werden. Tschusch, learn deidsch oda dasauf?

13.August 1999: Ignatz Bubis, Vorsitzender des ZENTRALRATES DER JUDEN IN DEUTSCHLAND, erliegt in Ber-lin 72jährig einem Krebsleiden. Er hatte sich erst vor kurzem enttäuscht über den Erfolg seiner Arbeit ge-äußert (siehe 27.7.). Um neonazistische Anschläge auf seine Grabstätte (wie bei seinem Vorgänger Heinz Galinski) zu vermeiden, wird Bubis in Israel beigesetzt.

Ein geistig verwirrter Israeli bespritzt am 15.8. das Grab von Bubis mit schwarzer Farbe und bezichtigt den Verstorbenen u.a. mit den Nazis kollaboriert zu haben und für die Studentenrevolten von 1968 mitverant-wortlich zu sein.

16.August 1999: Der STANDARD bringt eine Meinungsumfrage zum Thema: Welche Partei ist unwählbar? Es "siegt" das LiF mit 65% vor den Grünen (52%), der FPÖ (40%), der ÖVP (28%) und der SPÖ (22%). Der Kuschelkurs von Haider und die wohlwollende Berichterstattung auch außerhalb der KRONEN ZEITUNG ließen die Ablehnung Haiders erstmals deutlich unter 50% sinken. In der Ablehnung von allem was als linkslinks gelten könnte (also jenseits des Kronenzeitungsbogens steht), zeigen sich die anständigen Ös-terreicher somit gesinnungstreu wie immer.

Nach Mitte August 1999: In Chile findet erstmals ein Gespräch zwischen Militärvertretern und Menschen-rechtsorganisationen über die Opfer der faschistischen Diktatur der Jahre 1973 – 1990 statt. Allerdings wird von vielen Opfern oder deren Hinterbliebenen dieses Gespräch als bloßer Versuch gesehen, die Lage des in England inhaftierten Exdiktators Pinochet zu verbessern. Ein Sicht, die der Realität wohl sehr nahe kommen dürfte.

Zweite Augusthälfte 1999: Nach den Aktionen des Milliardärs Stronach (Verhinderung von Betriebsräten in einem seiner Konzernbetriebe, Gleichsetzung des ÖGB mit der Mafia) passieren zwei auffällige Dinge: In den Zeitungen tauchen eine Menge Leserbriefe auf, in denen sich arme Opfer der Gewerkschaftsmafia mit dem in Österreich so geknechteten freien Großunternehmertum solidarisieren und die SPÖ verhält sich, als ginge die Sozialdemokratie diese Attacke auf die Gewerkschaftsbewegung gar nix an. Über Jahr-zehnte hatte man sich in Österreich der Sozialpartnerschaft gerühmt, jetzt wird offenbar diese Methode der Sozialkonfliktvermeidung von Unternehmerseite vermehrt als überflüssig gesehen und statt einer kämpfe-rischen Anwort geht ein dröhnendes Schweigen durch das Land. Die Luft zittert von Statements, die nicht geäußert werden. Achja: Vranitzky sitzt beim Stronach im Aufsichtsrat...

Zweite Augusthälfte 1999: Der Anschlag vom 10.8. in Los Angeles löst in den USA eine Serie von Ha-kenkreuzschmierereien aus.

58 22.August 1996: Wegen Volksverhetzung, Verbreitung neonazistischen Propagandamaterials, Verwendung von Kennzeichen verbotener Organisatonen und Aufstachelung zum Rassenhaß verurteilt das Hamburger Landgericht den amerikanischen Nazi-Führer Gary Lauck zu vier Jahren Haft. Lauck ist der selbsternannte Führer der NSDAP-Auslands- und Aufbauorganisation in den USA. Dort sind die Nazis bekanntlich nicht verboten. Lauck verschickte viele Jahre massenhaft NS-Materialien in alle Welt und wurde 1995 in Dänemark festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert.

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19.August 1999: FP-Klubobmann Scheibner fordert von der katholischen Kirche „die christlich-abend-ländische Wertetradition in das nächste Jahrtausend zu tradieren”, er kritisiert, daß sich die Kirche über das Anwachsen der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Österreich freue.

20.August 1999: Die Aufhebung der Vertreibungs- und Enteignungsdekrete gegen "Deutsche, Magyaren und andere Staatsfeinde", 1945 vom tschechoslowakischen Staatspräsidenten Beneš erlassen, fordert Vi-zekanzler Schüssel bei einem Treffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft.

23.August 1999: In Wien passiert etwas ganz seltsames: In erster Instanz werden zwei Polizisten zu be-dingten Haftstrafen verurteilt, weil sie bei einer Führerscheinkontrolle einen farbigen Österreicher verdro-schen hatten.

Die Anzeigen wegen unberechtigter Gewaltausübung im Dienst bleiben mit gut 300 pro Jahr ungefähr gleich, Verurteilungen gibt es nahezu nie, heuer wurden allerdings weitaus mehr Disziplinarverfahren ein-geleitet, die allerdings noch nicht abgeschlossen sind. Auffällig, daß die Mißhandlungsbeschwerden zu 90% den Polizeibereich und nur zu 10% den Gendarmeriebereich betreffen.

24.August 1999: Im Jahre 1998 hatten Deutschland und Österreich mit je 0,6 Promillen die niedrigsten Zuwanderungsraten innerhalb der EU.

24.August 1999: Johannes Dantine, Oberkirchenrat der evangelischen Kirche, erliegt 61jährig einem Krebsleiden. Er gehörte zu den linksliberalen Christen und fiel daher auch politisch immer wieder positiv durch sein Engagement auf.

25.August 1999: Baumeister Lugner bietet dem Grün-Abgeordneten Wabl 150.000 Schilling für eine Un-terstützungsunterschrift für den Wahlvorschlag der Lugner-Partei "Die Unabhängigen" (DU) – als Wabl damit in die Öffentlichkeit geht, spricht Lugner von einem Scherz.

25.August 1999: Charles Ofoedu wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Er war am 27.5. im Zuge der Verhaftung eine mutmaßlichen nigerianischer Drogenhändlerbande als Hauptverdächtiger und Drogenboß bezeichnet worden. Bereits kurze Zeit danach tauchten Hinweise auf, daß Ofoedu eher als politisch Miß-liebiger unter die Verdächtigen geraten war, er hatte als in Wien lebender Schriftsteller Protestdemos zum Fall Omofuma organisiert und auch Kontakte mit Grünpolitikern gehalten. Polizei und KRONEN ZEITUNG ju-belten damals: Lauter Gangster, die Protestierer. Nun zeigt sich die Suppe der Polizei als äußerst dünn: An Anschuldigungen bleibt vorerst, Ofoedu hätte Drogengelder gewaschen, er selber sagt, er wäre bloß Bekannten bei Auslandsüberweisungen behilflich gewesen.

26.August und danach 1999: Wie erfolgreich in der ehemaligen Sowjetunion der Kapitalismus restauriert wurde, sieht man an der Serie von Korruptions- und Unterschlagungsvorwürfen, die sich bis zu Jelzin erstrecken. Euer Chronist kann sich erinnern, wie vor Jahren auf einem Antifa-Seminar ein leitender Be-amter des Innenministeriums sinngemäß sagte, daß die neureichen Einwanderer aus Rußland zwangsläu-fig Gauner sein müßten, denn woher sollten sie in so kurzer Zeit sonst soviel Geld haben, aber diese Aus-ländergruppe hätte keinerlei Probleme mit Aufenthaltsbewilligungen.

26.August 1999: NEWS-Wahlumfrage: Eine Ampelkoalition käme auf 47-50%, die Haselnuß-Koalition auf 48-50% der Wählerstimmen.

27.August 1999: Nachdem die ausgehandelte Belohnung für die Ergreifung des Bombenmörders Fuchs immer noch nicht ausbezahlt ist, bringt der Anwalt der Anspruchsberechtigten eine Exekutionsklage gegen die Republik ein.

27.August 1999: Dom Helder Camara, der ehemalige Erzbischof von Olinda und Recife, stirbt 90jährig. Er hatte sich als führender Kopf der Befreiungstheologie für die Armen und Entrechteten Brasiliens eingesetzt und sich dadurch den Zorn des Vatikans zugezogen.

27.August 1999: Anmeldeschluß für die Nationalratswahlen. Bekanntlich braucht man zur Zulassung als Wahlpartei entweder die am Gemeindeamt zu leistende Unterschrift von 2600 Wahlberechtigten oder von drei Nationalratsabgeordneten. Als einzige Partei schaffte es die KPÖ in allen Bundesländern die notwen-digen Unterschriften zusammenzubringen, die Lugner-Partei scheiterte bei dieser Unterschriftensamm-lung, wirbt aber im letzten Moment drei abgehalfterte FPÖ-Nationalräte an und kann damit die Kandidatur sichern.

Die Kandidatur mehrerer Künstler (Zenker, Maron, Hrdlicka u.a.) auf der Liste der KPÖ ruft den heftigsten Zorn des anständigsten österreichischen Lyrikliteraten hervor: Es setzen jetzt die Kommunisten / den Kottan-Autor auf die Listen. / Auch sonst sind Kummerln recht ver-breitet, / wo sich der Künste Forum weitet: / Turrini und Frau Jelinek, / auch jener, der den letzten Dreck / geschrieben jüngst fürs Burgtheater, / und Peymann, deren Freund und Vater. / Der Hinterberger, wohlbe-kannt / als Fernsehserien-Gigant. / Und nicht zuletzt Herr Hrdlicka, / dem Stalins Geist noch heute nah. / Es scheint, als sei die KPÖ / der Kunst natürliches Milieu. / Wolf Martin

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Gegen Ende August 1999: Der französische Regierungschef Lionel Jospin distanziert sich erneut von der Reform der Sozialdemokratie im Geist des Neoliberalismus, wie dies in Großbritannien und Deutschland angestrebt wird. Von den durchwegs im Arsch der Konzerne steckenden Medien bekommt er dafür wieder Prügel.

Gegen Ende August 1999: Vorerst wird im nordtschechischen Usti nad Labem (Aussig) die Absicht, zwi-schen einer Roma-Siedlung und den Anrainern eine Mauer zu errichten, nicht verwirklicht. Aber nicht, weil man sich eines Besseren besonnen hat, sondern weil die Baugenehmigung fehlt.

29.August 1999: Günther Nenning schwärmt sich in der KRONEN ZEITUNG einen herunter über die große Dichterin Gertrud Fussenegger. Die Autorin, die nach 1945 auf katholisch machte, war fast bis Kriegsende als NSDAP-Mitglied Mitarbeiterin des VÖLKISCHEN BEOBACHTERS, bei Nenning wird die Nazisse beinahe zur Widerstandskämpferin. Schließlich gefiel 1937 manchen Nazi-Schrifttumswächtern ihre "Mohrenlegen-de" nicht und dann hat sie "schon" 1979 die ersten betulichen Bedauerungsfloskeln von sich gegeben („Ich bekenne mich, ideologischer Süchtigkeit erlegen zu sein...”). Aber das ANTIFA-INFO hat im BROCKHAUS der NS-Zeit von 1941 nachgeschlagen:

Mit zarten Alter von 29 Jahren stand sie schon im Lexikon, das haben ein Turrini und eine Jelinek nicht geschafft! So schön hat sie gedichtet, diese herrliche Dichterin völkischer Befreiungskampflyrik, aber dann hat der Führer den Krieg verloren, und vorbei war es mit der befreiten Ostmark!

30.August 1999: Wahlmeinungsumfrage im STANDARD: SPÖ nur noch 36%, FPÖ 25%, ÖVP 24%, Grüne 6%, LiF 3%, DU 3%, andere (d.h. hauptsächlich KPÖ) 3%. Das hieße in Mandaten ungefähr: SPÖ: 73, FPÖ: 50, ÖVP: 48, Grüne: 12, alle sonstigen 0. Somit hätte die Ampel-Koalition nur 85, die Haselnuß aber 98 Sitze.

31.August 1999: In einer Pressekonferenz bezeichnet der amerikanische Anwalt Edward Fagan das mit der Bank Austria abgeschlossene Abkommen zur Entschädigung von NS-Opfern als vorbildlich. Man hatte sich auf eine Zahlung von 40 Millionen Dollar geeinigt. Fagan erhält auch Bankdokumente, die weitere Hinweise für die Verwicklung deutscher Geldinstitute in Vermögensraub und Sklavenarbeit geben. Mit dem von Fagan ausgehandeltem Kompromiß sind allerdings viele jüdische Organisationen nicht einverstanden. Anspruchsberechtigte sollen bis 18.10. ihre Forderungen anmelden.

31.August 1999: Jörg Haider präsentiert den Überraschungsspitzenkandidaten für die Nationalratswahl: Thomas Prinzhorn 59 hat sich mit Haider versöhnt und will Bundeskanzler werden. Aber Haider schließt nicht aus, daß er selber Kanzler wird, wenn es ihm die Kärntner erlauben. Jetzt brauchen nur noch die Ös-terreicher zu mehr als 50% FPÖ wählen!

Ende August/Anfang September 1999: 1993 hatte das FBI mehrere Wochen das Hauptquartier der so-genannten Davidianer-Sekte belagert und am 19.4. gestürmt, das Gebäude ging in Flammen auf, achtzig Menschen verbrannten. Die Aussage, die Sektierer hätten sich selbst niedergebrannt, gerät in ernste Zwei-fel: Das FBI steht jetzt im Verdacht, den Brand durch entflammbares Tränengas ausgelöst zu haben.

1.September 1999: Unter dem Vorwand, Polen habe den deutschen Rundfunksender Gleiwitz überfallen (ein von der SS organisiertes Manöver), wird am 1.September 1939 der Zweite Weltkrieg vom Zaune ge-brochen. „Seit fünf Uhr fünfundvierzig wird zurückgeschossen“, wie Hitler in einer Reichstagsrede lügt, “meine Friedensliebe und meine endlose Langmut soll man nicht mit Schwäche oder gar Feigheit ver-wechseln.“

Dieser bisher letzte Krieg zwischen Weltmächten war die opferreichste Auseinandersetzung in der Ge-schichte der Menschheit. Dieser Krieg ist nicht "ausgebrochen" wie eine Infektionskrankheit, er ist nicht "gekommen" wie ein Wirbelsturm, er wurde bewußt inszeniert. Der Vierjahresplan von 1936 enthielt als Hauptziel, „die deutsche Armee muß in vier Jahren einsatzfähig sein, die deutsche Wirtschaft muß in vier

59 Wie immer hat das ANTIFA-INFO das Wichtigste zu Ereignissen oder Personen im Speicher: 24.November 1995: Haider präsen-tiert seine "Überraschungskandidaten". U.a. den Papierindustriellen Prinzhorn (vormals VP), der als beinharter Unternehmer gilt (..) 3.November 1998: Der FP-Wirtschaftssprecher Thomas Prinzhorn tritt nach Meinungsverschiedenheiten mit Haider zurück. Er legt auch sein Nationalratsmandat zurück. 1.Juli 1999: NEWS droht für den Fall einer Kleinen Koalition mit folgenden FPÖ-Ministern: .. Wirtschaftsminister Prinzhorn ..

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Jahren kriegsfähig sein”. Am 5.11.37 unterrichtete Hitler seine politischen und militärischen Führungsfunk-tionäre über seine Absichten zu Österreich und der Tschechoslowakei und der „Lösung des deutschen Le-bensraumes” im Osten bis spätestens 1943.

Bis heute ist nicht genau bekannt, wieviele Menschen direkt und indirekt dadurch ihr Leben verloren, 50 bis 55 Millionen Tote werden geschätzt. Der Verursacher war ein Österreicher, der bei vielen unserer Landsleute sogar jetzt noch eine gute Nachrede hat.

2.September 1999: Die freiheitliche Justizsprecherin Partik-Pablé will die unabhängigen Asylsenate ab-schaffen, weil sie „wiederholt Entscheidungen getroffen haben, die nicht in den Intentionen des Parlaments gelegen sind”.

2.September 1999: NEWS hat wieder eine neue Meinungsfrage: 37% SPÖ, 25% ÖVP, 24% FPÖ, 7% Grüne, 4% LiF. Mandatsschätzung: 70, 47, 46, 13, 7, daher Ampel : Haselnuß = 90 : 93.

5.September 1999: In der ORF-Pressestunde nennt LiF-Chefin Heide Schmidt als Wahlziel (neben dem Überschreiten der 4%-Klausel) die Verhinderung einer FPÖ-ÖVP-Mehrheit.

5.September 1999: Wahlen im Saarland und in Brandenburg. Die Wähler erklären den neoliberalen Un-sozialdemokraten die Welt: man hatte nicht die Konservativen abgewählt, damit die SPD deren Politik ver-schärft fortsetzt. Im Saarland hält der SPD-Kandidat Klimmt seine Verluste (rund 5%) durch seine heftige Kritik an Schröder in Grenzen, trotzdem verliert die SPD knapp die Mehrheit an die CDU, in Brandenburg verliert die SPD fast 15%, die von der CDU und der PDS gewonnen werden, leider auch von der DVU, die knapp über die 5%-Klausel kommt. In Österreich fiele die rechtsextremistische DEUTSCHE VOLKSUNION si-cherlich unter das NS-Verbotsgesetz. SPD-Chef Schröder ist weiterhin von seinem Weg überzeugt, da es angeblich keine Alternative zu seinem Sparpaket gibt, wie z.B. die immer wieder von SPD-Funktionären geforderte Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Jetzt steht die deutsche Sozialdemokratie jedenfalls vor dem Scheideweg: Auflösung im globalen Neoliberalismus oder Besinnung auf ihre Existenzgrundlage als Partei der arbeitenden Bevölkerung. Wenn Schröder die Liquidierung der Sozialdemokratie gelingt, steht in Deutschland allerdings mit der PDS sozusagen ein Ersatz bereit. Die Grünen scheitern bei beiden Wahlen an der 5%-Klausel, was nach der Regierungstätigkeit von Joschka Fischer und Konsorten unver-meidbar war.

6.September 1999: In einem PROFIL- und FORMAT-Interview stellt Haider folgende Koalitionsbedingungen: HAIDER: Ich möchte drei Koalitionsbedingungen formulieren: Es muß erstens zu einer Neuordnung der Famili-enpolitik kommen. Zweitens muß eine wirkliche Steuersenkung in Richtung unseres Flat-tax-Modells realisiert werden. Drittens muß es einen Zuwanderungsstopp auf Dauer einer Legislaturperiode geben. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsgesetz. Wer nach Österreich kommen will, muß materiell abgesichert sein und über gewisse Qualifikationen verfügen. FORMAT: Wer diese Dinge ablehnt, wird nicht mit der FPÖ koalieren können? HAIDER: Das sind für uns sehr wichtige Sachen. Da mache ich wirklich keinen faulen Kompromiß. Im Zweifel bleiben wir lieber in Opposition. FORMAT: Bei Koalitionen geht es immer auch um Personen. Können Sie sich eine Zusammenarbeit mit Viktor Klima oder Wolfgang Schüssel vorstellen? HAIDER: Ehrlicherweise nein. Es wäre ja auch eine groteske Form der Kooperation, wenn Prinzhorn mit Schüs-sel zusammenarbeiten müßte. Prinzhorn hat Zwangsbeiträge in eine Organisation bezahlt, damit der Schüssel ein Gehalt als Sekretär der Wirtschaftskammer erhält. Was ich sicher nicht zulasse, ist, daß meine Partei in ir-gendeine Zusammenarbeit geht, wo auf der anderen Seite ein Mann wie Klubobmann Andreas Khol sitzt, der nachweisbar sein Wort uns gegenüber gebrochen hat.

Das heißt: Es wird kaum eine FPÖ-ÖVP-Koalition geben.

6.September 1999: Innenminister Schlögl fordert die Einführung der Kronzeugenregelung gegen die Schlepper: Wer gegen Schlepperbanden aussagt, soll eine Aufenthaltsbewilligung bekommen.

6.September 1999: Verschiedene Meinungsumfragen werden publiziert, in FORMAT liegen die drei größe-ren Parteien so: SPÖ 36%, FPÖ 28%, ÖVP 24%, es werden zwei weitere Umfragen mit den Werten 25 bzw. 27% für die FPÖ und 23 bzw. 25% für die ÖVP zitiert. Der STANDARD bringt 38% für die SPÖ, 25% FPÖ, 24% ÖVP und 6% Grüne (Rest unter 4%), im Mittagsjournal des ORF: 35% SPÖ, 27% FPÖ, 25% ÖVP, 6% Grüne.

Und nun die Vorhersage des ANTIFA-INFO: SPÖ 36,8%, FPÖ 25,6%, ÖVP 24,3%, Grüne 6,4%, Lif 3,4%, andere 3,5%. Mandate: 73, 50, 48, 12. In der nächsten Nummer werden wir sehen, wie weit wieder alle danebengelegen sind!

7.September 1999: VP-Chef Schüssel legt sich fest: Wenn die ÖVP bei den NRW auf den dritten Platz zurückfallen sollte, werde man in Opposition gehen. „Wir werden nicht mit den Sozialdemokraten in die

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Regierung gehen, wir werden selbstverständlich auch keinen freiheitlichen Kandidaten zum Kanzler ma-chen, wen auch immer. Wir werden niemandem, auch nicht uns, in den Sattel helfen.”

9.September 1999: Hinter dem Spitzenkandidaten Prinzhorn setzt Haider den Skiweltmeister Patrick Ort-lieb an die zweite Stelle der FPÖ-Kandidatenliste. Als weitere Prominente kandidiert die ehemalige ORF-Moderatorin Theresia Zierler.

9.September 1999: Bisher wurden bei Schweizer Banken 47.792 sogenannte "nachrichtenlose Konten" aufgespürt, von denen vermutet wird, daß sie Opfern des Holocaust gehörten.

10.September 1999: In Wien wird von Religionsgemeinschaften, Journalisten, von Vertretern der SPÖ, der Grünen und des LiF eine Unterschriftenaktion gegen die Ausländerhetze (Plakate mit Slogans „Stopp der Überfremdung - Stopp dem Asyl-Mißbrauch”) der FPÖ gestartet.

12.September 1999: Haider setzt in der Fernsehpressestunde die Zuwanderungsquote für Kärnten auf null, die Ausländer würden strategisch geschickt Kinder in die Welt setzen, um den Sozialstaat auszunut-zen.

12.September 1999: Landtagswahlen in Thüringen, die SPD erleidet wieder schwere Verluste (von 29,6 auf 18,5%), die CDU steigt von 42,6 auf 51% und die PDS verbessert sich von 16,6, auf 21,4%. Die Rechtsextremisten scheiterten ebenso an der 5%-Klausel wie Grüne und FDP. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen verliert die SPD insgesamt 8,4% der Stimmen (jetzt 33,9%), die CDU gewinnt über 10% dazu und erreicht 50,3%.

13.September 1999: Der Innenminister erklärt, er werde die für Kärnten vorgesehenen 290 Zuwanderer auf die anderen Bundesländer aufteilen. Die Zuwanderungsbilanz für 1998 sieht so aus: Offiziell einge-wanderte Ausländer: 8.700, Zuzug von EU-Bürgern (quotenfrei) 13.500, Asylwerber 14.000, illegale Zu-wanderer 5.000. Dem stehen gegenüber: 16.000 Zurückweisungen und Abschiebungen, 3.000 Auswande-rungen von Ausländern, 5.000 verschwundene Asylwerber, 2.000 Todesfälle und 15.000 Einbürgerungen von langjährigen Gastarbeitern.

14.September 1999: In Linz beginnt ein Prozeß gegen 12 junge Männer, die jahrelang das Untere Mühl-viertel durch Gewalttätigkeiten terrorisiert hatten. Sie hatten auch von den Behörden ungehindert NS-Parolen verkündet. Die Anklage lautet auch auf NS-Wiederbetätigung.

14.September 1999: Der Möchtegerne-Briefbombenbastler aus Langenstein 60 wird zu 18 Monaten, 6 da-von unbedingt, verurteilt.

15.September 1999: Laut Meinungsumfrage sind 40% der Österreicher für einen generellen Aufnahme-stopp für Ausländer.

15.September 1999: In Innsbruck wird die Einrichtung eines Ausländerbeirates aus gewählten Vertretern überlegt. Die FPÖ ist dagegen: Man erwartet bürgerkriegsähnliche Zustände zwischen den Volksgruppen.

16.September 1999: Das LiF hatte in ihre Wahlveranstaltungen Lesungen aus den "Werken" von Staberl und Wolf Martin eingebaut. Jetzt klagen die beiden Hetzer wegen "Urheberrechtsverletzung".

16.September 1999: Haider-Interview in NEWS. Der FPÖ-Chef schildert seine Regierungsvorstellungen: Abschaffung von Ministerien, das Finanz- und das Wirtschafts-, das Innen- und das Verteidigungs-, das Landwirtschafts- und das Umwelt-, das Sozial- und das Familienministerium sollten jeweils zusammenge-legt werden, der Kanzler sollte auch ein Ressort übernehmen. Ein Kanzler Haider wäre am Außenamt und an den Kulturagenden interessiert (eine wundervolle Idee, dann könnte er überall hinfahren und seine Weltanschauung kundtun und endlich all diese linkslinken Staatskünstler abschaffen).

19.September 1999: Landtagswahlen in Vorarlberg. Die ÖVP verliert über vier, die SPÖ drei, die Grünen verlieren knapp zwei Prozent. Die FPÖ gewinnt rund 9 Prozent dazu: VP 45,7% / 18 (-2) Mandate, FP 27,5% / 11 (+4), SP 13% / 5 (-1), Grüne 6% / 2 (-1), LiF 3,4% / 0 (0).

19.September 1999: Landtagswahlen in Sachsen, die SPD fährt wieder eine schockierende Niederlage ein: Nur noch 10,7 (1994 waren es noch 16,6%), die CDU schafft 56,9 (58,1) Prozent, die PDS steigt auf 22,2% (16,5) und wird damit zweitstärkste Partei. Die Grünen fallen von 4,1 auf 2,6%, die FDP und die (rechtsextremen) Splitterparteien scheitern ebenfalls an der 5%-Klausel. Die Grünen und die SPD sehen auch weiterhin keinen Grund von ihrer extremen neoliberalen Linie abzuweichen.

60 23.Mai 1999: In Langenstein im Mühlviertel wird ein 18jährige festgenommen, der höchst gekonnt eine Serie von Briefbom-ben herstellte und den Versand an österreichische Spitzenpolitiker plante. Als sein Vorbild bezeichnete Marko B. den verurteilten Briefbomber Franz Fuchs. Aufgeflogen war die Sache, weil der mutmaßliche Täter alkoholisiert mit Sprengstoffanschlägen droh-te. Den ersten versandfertigen Bombenbrief hatte er nur "an den Bundeskanzler" adressiert, wie der heißt, war ihm so genau nicht bekannt.

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20.September 1999: Meinungsumfrage zur Nationalratswahl: SPÖ 35%, FPÖ 27%, ÖVP 24%, Grüne 7%, LiF 5%.

22.September 1999: Wie richtig die FPÖ liegt, zeigt das Ergebnis einer Meinungsumfrage zur Ausländer-beschäftigung in Österreich: nur noch 62% glauben, daß Ausländer Arbeiten verrichten, die Inländer nicht tun würden (1992: 78%), 20% sind der Ansicht, man benötige überhaupt keine ausländischen Arbeitskräf-te. 44% sind dafür, arbeitslose Ausländer sogleich heimzuschicken. Was Wunder also, wenn die FPÖ mit diesen Themen Wähler gewinnt.

Zweite Septemberhälfte 1999: SOS-Mitmensch verbreitet das folgende Plakat:

Haider soll auf einer Wahlveranstaltung in Baden geäußert haben, Omofuma sei ein Dealer gewesen, um den nicht schade sei. Das Abschiebeopfer der österreichischen Polizei war von den Behörde nie mit Dro-gendelikten in Zusammenhang gebracht worden.

Zweite Septemberhälfte 1999: Einen typisch freiheitlichen Werbespot hören die Kärntner Radiohörer: „Deutsch-Griffen, tagesmutterfrei, Feistritz, tagesmutterfrei, Pörtschach, tagesmutterfrei, Mama ich will nicht weg von dir ... Kinderscheck statt Kinder weg”. Eine Tagesmutter scheint also ganz was Übles zu sein. Euer Chronist kann sich nicht helfen, ihn erinnert das an einen Slogan aus vergangenen Zeiten. Was vielleicht auch die beabsichtigte Botschaft des Spots ist.

22.September Bei seinem Staatsbesuch in Berlin ruft der israelische Ministerpräsident Barak die deut-schen Politiker auf, „jedes Aufkeimen antisemitischer Tendenzen zu bekämpfen”, Deutschland komme auf Grund seiner Geschichte besondere Verantwortung zu.

24.September 1999: Haiders Verkündigung, daß unter seiner Regenschaft in Österreich „kein Stein auf dem anderen bleibt”, veranlaßt Küssel in einem STANDARD-Interview auf heftigere Distanz zu Haider zu ge-hen. Er bezeichnet auch Haiders "Flat Tax" als unfinanzierbaren Luftballon.

24.September 1999: Ein spanisches Berufungsgericht bestätigt das Auslieferungsbegehren gegen Pino-chet als rechtens.

25.September 1999: In Belgien wird ein Buch vorgestellt, das sich mit dem Mord am ersten Ministerpräsi-denten der ehemaligen Kolonie "Belgisch-Kongo" nach der Unabhängigkeit befaßt. Patrice Lumumba war im Jänner 1961 ermordet worden. Das Buch untermauert jetzt die These, Lumumba sei damals auf Befehl aus Brüssel umgebracht worden, weil er den Kongo auch dem neokolonialistischen Einfluß zu entziehen suchte. Euer Chronist kann sich an damals noch gut erinnern: Er hat anläßlich dieses Mordes seine ersten öffentlichen politischen Äußerungen abgegeben: „Es lebe Lumumba!”

26.September 1999: Bundeskanzler Klima nennt in der ORF-Pressestunde drei Gründe, warum eine Koa-lition mit der FPÖ nicht in Frage komme: Die FPÖ hetzte Menschen gegeneinander auf, das Flat-Tax-Modell sei ein Steuermodell für die Reichen, die FPÖ sei ein Faktor der Instabilität. Eine Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ komme nicht in Frage.

28.September 1999: Der Unfallchirurg und Publizist Werner Vogt legt in einem STANDARD-Artikel die Wunde der heutigen Gesellschaft bloß, wenn er schreibt: „Unter Bruno Kreisky gab es die Forderung nach "Demokratisierung aller Lebensbereiche". Von einer neuen "Kultur am Arbeitsplatz" war die Rede. Mitden-ken und Mitreden sollten alle, es sollte der Veränderungswille nicht an Betriebsrat und Gewerkschaft dele-giert werden. (..) Von einer Demokratie am Arbeitsplatz kann heute keine Rede sein.” Vogt schreibt dann über die zunehmenden Disziplinierungsmaßnahmen am Arbeitsplatz und folgert: „Derartig herabwürdigen-

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de, niederträchtige Arbeitsplatzverhältnisse provozieren ein starkes Rachebedürfnis an jenen, die politisch diesen riesigen Maulkorb am Arbeitsplatz verantworten. (..) Still und heimlich, wie sie es am Arbeitsplatz gelernt haben, die einen, laut und grölend, die schon auf alles pfeifen.”

Eine Ansicht, die sich Tag für Tag im Arbeitsleben bestätigt. Irgendwelche Yuppies radieren mit ihren Glo-balisierungsmaßnahmen ohne jede Rücksicht über die arbeitenden Menschen hinweg und erklären ihre dumme Diktatur für unausweichlich und alternativlos.

Da die SPÖ-Führung in ihrer praktischen Politik völlig auf der Seite der Globalisierer steht, die ÖVP die Partei der Globalisierer ist, das LiF sich mit Begeisterung zur Globalisierung bekennt und die Grünen bis-her nicht einen Funken von diesem gesellschaftspolitischen Vorgang begriffen haben, kann die Haider-FPÖ längst ohne nennenswertes eigenes Zutun die Früchte davon einstreifen.

29.September 1999: Gegen einen Wiener Polizeioffizier wird eine anonyme Anzeige bekannt. Bei einer Schulungsveranstaltung soll er gesagt haben, „Neger g'hören z'erst g'haut und dann nach dem Ausweis g'fragt”. Der Innenminister verspricht die Klärung des Vorfalls.

29.September. Nach einer Aktion gegen Dealer in Wien werden gegen die Polizei schwere Vorwürfe er-hoben, Unbeteiligte wurden verletzt und beschimpft.

30.September 1999: Bescheiden gibt sich die FPÖ in Vorarlberg. Trotz eines Zugewinns von 9% bei den LTW gibt man sich mit einem Sitz in der Landesregierung zufrieden.

30.September 1999: NEWS veröffentlicht die letzten Meinungsumfragen von 6 Meinungsforschungsinstitu-ten. Einzelheiten ersparen wir uns, hier die Durchschnittswerte aller sechs:

SPÖ 34,67 ÖVP 23,92 FPÖ 27,92 Grüne 6,50 LiF 4,33

1.Oktober 1999: Haider spricht zu seinen begeisterten Anhängern am Wiener Stephansplatz, die Abschlußkundgebung der FPÖ führt den Fanatismus von FP-Wählern vor.

1.Oktober 1999: In Salzburg soll am Bahnhofvorplatz ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus aufgestellt werden, "Den Toten zur Ehre - den Lebenden zur Pflicht". Die FPÖ ist naturgemäß dagegen: „Dubios, fragwürdig und teuer”. Man will lieber ein Denkmal der Kaiserin Elisabeth dort postieren.

3.Oktober 1999: Nationalratswahlen in Österreich. Wie gewohnt lagen die Meinungsumfragen daneben, das vorläufige Ergebnis (ohne Wahlkarten):

%-1999 Mandate %-1995 Mandate

SPÖ 33,4 65 38,1 71

FPÖ 27,2 52 21,9 52

ÖVP 26,9 53 28,3 41

Grüne 7,1 13 4,8 9

LiF 3,4 0 5,5 10

KPÖ 0,5 0 0,3 0

DU 1,0 0 - -

Die ÖVP hielt sich besser als erwartet, aber nicht gut genug, die SPÖ schnitt schlechter ab als die Pessi-misten vermuteten, die Grünen gewannen offenbar auf Kosten des LiF mehr als vorausgesagt, da die Li-beralen an der 4%-Hürde scheiterten. Die FPÖ erreicht ganz knapp den 2. Platz.

Bundesländer-Rangtabelle:

SPÖ FPÖ ÖVP Burgenland 1 3 2 Kärnten 2 1 3 Niederösterreich 1 3 2 Oberösterreich 1 3 2 Salzburg 2 1 3 Steiermark 1 2 3 Tirol 3 2 1 Vorarlberg 3 2 1 Wien 1 2 3

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In den Landehauptstädten Bregenz, Innsbruck, Graz, Klagenfurt und Salzburg wird die FPÖ stimmen-stärkste Partei.

Die Schlappe der SPÖ wird sofort weggefloskelt, zwar sei dies eine Niederlage, aber man sei immer noch die stärkste Partei. Warum SP-Wähler in Scharen zur FPÖ liefen, warum gerade das sozialdemokratische Stammklientel dies tat? Sowas fragt ein Klima nicht und ein Rudas weiß vermutlich nicht, was das sein könnte, sozialdemokratische Stammwählerschaft.

4.Oktober 1999: Erste Wählerstromanalysen ergeben, daß die FPÖ bei Arbeitern und Jungwählern die stärkste Partei ist. Rund 130.000 bisherige SP-Wähler sind zur FPÖ gewechselt. Eine Partei, die seit mehr als hundert Jahren die Partei der Arbeiter war, aber jetzt ihr Stammklientel an eine rechtspopulistische Marktschreierpartei abgeben muß, sollte eigentlich ganz schnell ihre offenbar kontraproduktive Parteifüh-rung auswechseln.

Wählerströme (in Tausend):

➦ SPÖ ÖVP FPÖ Grün LiF Nwlr.

SPÖ x 130 28 170 ÖVP x 82 42 FPÖ x 106 Grüne x LiF 44 x 39 Nichtwähler 34 x

Wahlverhalten nach Berufen:

➩ % SPÖ ÖVP FPÖ Grün LiF sonst

Selbständig 10 41 33 7 8 1 Beamte 33 30 20 12 3 2

Angestellte 36 23 22 10 5 4 Facharbeiter 31 13 48 3 1 4

Arbeiter 40 10 45 1 1 3 Landwirte 1 87 10 2 0 0

Pensionisten 43 30 24 1 1 1 Hausfrauen 33 26 25 6 2 8

in Ausbildung 21 18 23 20 10 8 Die SPÖ ist also bei den Pensionisten die stärkste Partei, die ÖVP bei Bauern, die FPÖ bei den Arbeitern, die Grünen haben die höchsten Stimmenanteile bei den Studenten und Beamten (Lehrerpartei?), die Libe-ralen bei Studenten und Selbständigen.

Altersschichtungen:

SPÖ ÖVP FPÖ Grüne LiF bis 29 25 17 35 13 4

30 - 44 32 23 29 8 4 45 - 59 35 32 21 5 4 60 - 69 39 35 21 1 2

über 70 39 31 25 2 0 Die Große Koalition ist demnach bei den Pensionisten am beliebtesten, für die ÖVP schaut die Zukunft dramatisch aus, die FPÖ hat ein überraschend junges Wählervolk.

4.Oktober 1999: In Zagreb wird Dinko Sakić 61, der ehemalige Kommandant des Ustascha-KZs Jaseno-

vac wegen Kriegsverbrechen zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft verurteilt.

4.Oktober 1999: Die ausländischen Reaktionen auf das österreichische Wahlergebnis sind durchwegs kri-tisch. Besonders in Israel erinnert man sich, daß aus Österreich schon einmal ein erfolgreicher Rechtspo-pulist gekommen ist. Das israelische Fernsehen berichtet über den „größten Erfolg der extremen Rechten in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg”. Premierminister Barak sagt, „der Aufstieg der extremen Rechten ist ein Alarmzeichen für alle Mensen der freien Welt, die sich noch an die Greuel des Zweiten Weltkriegs erinnern”. Außenminister Levi kündigt im Falle einer FPÖ-Regierungsbeteiligung den Abbruch der diploma-tischen Beziehungen an.

61 30.April 1998: In Argentinien wird der ehemalige Kommandant des kroatischen KZs Jasenovac, Dinko Sakic, verhaftet. Er soll an Kroatien ausgeliefert werden. Im KZ Jasenovac dürften bis 600.000 Menschen ums Leben gekommen sein.

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4.Oktober 1999: FORMAT berichtet, daß die österreichischen Behörden im Frühjahr durch das Abhören des Telefons der Tochter von Alois Brunner dem meist gesuchten Kriegsverbrecher auf die Spur zu kom-men suchten. Ergebnislos, die ehemalige rechte Hand Eichmanns bleibt verschwunden. Brunner war nach 1945 in Ägypten und Syrien untergetaucht.

5.Oktober 1999: Nach den zahllosen negativen Auslandsreaktionen auf den Wahlerfolg Haiders, in denen vor allem auf die Ausländerfeindlichkeit und die den Nationalsozialismus lobenden oder verharmlosenden Sprüche des FP-Chefs hingewiesen wurde, startet Haider eine Europatour, um eine Nähe seiner Person oder der FPÖ zum Nationalsozialismus zurückzuweisen.

6.Oktober 1999: Nach Angaben von Josef Kleindienst, Vorsitzender der FPÖ-Gewerkschaft, hat seine Organisation zur Zeit 17.000 Mitglieder und will nach dem großen Wahlerfolg bis Jahresende 20.000 errei-chen.

7.Oktober 1999: Klestil, Klima und Fischer finden, daß die ausländische, speziell die israelische Kritik am österreichischen Wahlergebnis nicht den Tatsachen entspreche. Klestil spricht von Unkenntnis, Klima verwahrt sich dagegen, Österreich als rechtsradikales Land zu sehen, Fischer sieht keinen Anlaß für nega-tive Pauschalurteile. Die JEWISH AGENCY will die Auswanderung österreichischer Juden nach Israel intensi-vieren.

Ende März 1999: Mehrere SP-Funktionäre reisen ins Ausland, um auf andere sozialistische Parteien ein-zuwirken, die Veröffentlichung "unrichtiger Darstellungen" über die Zustände in Deutschland einzustellen. März, Deutschland? 'tschuldigung, das war 1933 und nicht Klima und seine Freunde, sondern SPD-Funk-tionäre verwahrten sich gegen "unrichtiger Darstellungen". Wie uns diese Meldung ins Jahr 1999 rutschen konnte? Was es nicht alles gibt! So ein Mißgeschick!

7.Oktober 1999: Nach dem vorläufigen Ergebnis erreichte die rechtsnationalistische Hindu-Partei BJP bei den indischen Parlamentswahlen die absolute Mehrheit.

8.Oktober 1999: Die Auslieferung Pinochets nach Spanien wird gerichtlich in erster Instanz für zulässig erklärt.

8.Oktober 1999: Haider weist die israelische Kritik an seiner Person zurück und fordert, daß Israel vor der eigenen Türe kehren soll (wie ja bekannt ist, sind die österreichischen Antisemiten auch immer besonders für die Rechte der Palästinenser eingetreten).

Nach der ausländischen Kritik hört man aus den Volksmündern Sprüche solcherart: Mia san kane Antise-mit'n ned, de Saujud'n soin de Gosch'n hoit'n.

9.Oktober 1999: Eine Skinhead-Bande überfällt in Preßburg ein Wohnheim ausländischer Studenten und verletzt Bewohner mit Eisenstangen.

10.Oktober 1999: Landtagswahlen in Berlin. Nach den gewaltigen Schlappen bei den bisherigen 1999-Wahlen kann sich die SPD (weil sie bei den Wahlen '95 schon so verloren hat?) über geringe Verluste freuen: CDU 40,8% (+3,4), SPD 22,4% (-1,2), PDS 17,7% (+3,1), Grüne 9,9% (-3,3). Die FDP und die Rechtsextremen scheitern an der 5%-Hürde. Das Ergebnis fällt im ehemaligen West- und Ostberlin unter-schiedlich aus. Mit rund 40% ist die PDS in der ehemaligen "Hauptstadt der DDR" die stärkste Partei, die CDU erreicht im Westteil fast 50%. Die Christdemokraten sind auch bei den Arbeitern die stärkste Partei. Das ANTIFA-INFO empfiehlt daher: Das Schröder-Blair-Papier künftig zum Arschauswischen zu nehmen.

10.Oktober 1999: Parlamentswahlen in Portugal. Die Sozialisten bekommen 44% und einen Sitz mehr als bisher, die sogenannten "Sozialdemokraten", eine rechtskonservative Gruppierung (der Name stammt noch aus der Zeit der linken Nelkenrevolution von 1974), bekommen 32,3% (- 5 Sitze), die gemeinsame Liste Kommunisten und Grüne erhält 9% (+2), die zweite rechtskonservative Partei (Volkspartei) fällt auf 8,4%.

11.Oktober 1999: Als Nachfolger für den abgetretenen FP-Bundesgeschäftsführer Rumpold wird der Stei-rer Willi Berner ins Gespräch gebracht.

11.Oktober 1999: SP-Bundesgeschäftsführer Rudas meint, eine Ablöse von Personen allein bringe nichts. Das ist richtig, bloß den Rudas ablösen und einen anderen Yuppie hinsetzen, bringt nix.

12.Oktober 1999: Nun sind endlich auch alle Wahlkartenstimmen ausgezählt und das Endresultat der Na-tionalratswahl liegt vor. Die ÖVP verpaßt nur um 415 Stimmen den zweiten Platz. Hier das offizielle Ender-gebnis:

1999 % +/- Mdt

1995 % Mdt SPÖ 1532.448 33,15 -4,95 65 1843.474 38,1 71

FPÖ 1244.087 26,91 +5,01 52 1060.377 21,9 41

ÖVP 1243.672 26,91 -1,39 52 1370.510 28,3 52

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Grüne 342.260 7,40 +2,60 14 233.208 4,8 9

LiF 168.612 3,65 -1,85 0 267.026 5,5 10

KPÖ 22.015 0,48 +0,18 0 13.938 0,3 0

DU 46.948 1,02 0 - - -

NEIN 19.286 0,42 -0,68 0 53.176 1,1

CWG 3.030 0,07 0 - - -

Das Stimmenverhältnis Haselnuß zu Ampel veränderte sich seit 1983 so:

Haselnuß Ampel 1983 48,09 50,95 1986 51,03 47,94 1990 48,74 47,56 1994 50,20 48,22 1995 50,38 48,17

1996 (EU) 57,22 40,17 1999 (EU) 54,03 43,66

1999 53,82 44,20

Die ÖVP bleibt bei ihrem Entschluß, den Weg in Richtung Opposition zu gehen. Was offenbar heißt: Es gibt bald wieder Neuwahlen. Die SPÖ macht keine Koalition mit der FPÖ, die ÖVP geht in Opposition, also kann es nur eine SP- oder FP-Minderheitsregierung geben. Schließlich kann die ÖVP ja auch keine Koali-tion mit der FPÖ machen, sie geht ja in Opposition. Was Euren Chronisten an einen Cartoon in MAD erin-nert: Eine Polizeistreife stoppt ein Cabrio, die vordere Sitzreihe ist leer und hinten sitzen vier Besoffene: „Nobody was driving, we were all sitting in the back and singing”.

13.Oktober 1999: Klima vor 150 in- und ausländischen Journalisten: Österreich sei nicht an den rechten Rand gerutscht und kein Land des Rechtsextremismus, die Haider-Wähler keine Nazis. Ganz kühn: „Die Menschen, die die FPÖ gewählt haben, sind in ihrer Mehrheit weder am rechten Rand noch Ewiggestrige, noch Neonazis. Das sind Menschen, die aus Unzufriedenheit und Protest und nicht wegen, sondern trotz der Aussagen und des Wahlkampfstils von Jörg Haider die FPÖ gewählt haben”. Wenn das so stimmte: Wieviel Wähler hätte die FPÖ erst ohne „der Aussagen und des Wahlkampfstils von Jörg Haider” gewählt, wenn es „trotz der Aussagen und des Wahlkampfstils von Jörg Haider” 26,91% getan haben - vielleicht 53,82%? Österreichische Politiker schaffen es bisweilen, einen schauerlichen Pofel auszuscheiden.

13.Oktober 1999: Haider in Paris. Er und die FPÖ stünden nicht der FRONT NATIONAL von Le Pen nahe, sondern beispielsweise den Gaullisten, der CSU oder der Labour Party Tony Blairs. Die FPÖ gehe auf die bürgerliche Revolution von 1848 zurück, die Vorurteile in manchen Medienbereichen werden von der SPÖ angezettelt. Österreichische Politiker schaffen es bisweilen, einen schauerlichen Pofel auszuscheiden.

In der KRONEN ZEITUNG reimte der große Reimer Martinek dazu: „Die Auslandspresse hetzt sogleich mit Lügen gegen Österreich, von Nestbeschmutzern sekundiert, die eifrig unsern Ruf ruiniert”.

13.Oktober 1999: Bei Bauarbeiten in Berlin wird ein Teil des ehemaligen "Führerbunkers", des letzten Zu-fluchtsortes Hitlers, freigelegt.

13.Oktober 1999: Beim Auftritt Haiders in London gibt es eine Protestkundgebung, weil Haider den ehe-maligen britischen Regierungschef Churchill mit Hitler in die Reihe der "übelsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte" gestellt habe. Für die FPÖ ist dies natürlich wieder nicht wahr, aber Haider hat dies nachweislich in mindestens zwei Interviews getan.

14.Oktober 1999: Ergebnis einer Meinungsumfrage: "Die Juden sind zu stark und haben zu viel Einfluß" - dieser Aussage stimmten 28% der befragten Österreicher zu, 21% äußerten keine Meinung, nur 51% wi-dersprachen. Wenn man davon ausgeht, daß auf eine solche Meinungsbefragung eher vorsichtig geant-wortet werden wird (wer wird sich schon gerne vor dem Befrager als Relikt der NS-Zeit outen), ist also mindestens die Hälfte der Österreicher antisemitisch eingestellt.

14.Oktober 1999: Innenminister Schlögl lehnt eine SP-Minderheitsregierung unter FP-Duldung ab.

14.Oktober 1999: Der britischen Regierung liegt ein Antrag Chiles vor, Pinochet aus "humanitären Grün-den" freizulassen.

17.Oktober 1999: In Vicenza tritt Jörg Haider bei einer Kundgebung der separatistischen und rechtspopu-listischen LEGA NORD von Umberto Bossi auf. Die Berichte, Haider habe Patanien (den von Bossi angestreb-ten norditalienische Separatstaat) hoch leben lassen, werden sogleich von der FPÖ dementiert. Als dann

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ein Fernsehbericht auftaucht, beweist sich dies sogar: Er ließ Patanien nicht hoch leben, er grüßte es nur ("auguri").

17.Oktober 1999: Durch einen Bericht in der STUTTGARTER ZEITUNG wird die Auffindung des Originals von "Schindlers Liste" bekannt. Unter der Verlassenschaft von Freunden des 1974 verstorbenen Oskar Schin-del befand sich ein Koffer mit Dokumenten und Briefen, darunter auch die Originalliste mit der Schindler seinerzeit Juden als unentbehrliche Arbeitskräfte für seinen Betrieb vor der Vernichtung rettete. Die Do-kumente sollen der Holocaust-Gedenkstätte YAD VASHEM zur Verfügung gestellt werden.

19.Oktober 1999: Im Linzer Neonazi-Prozeß gegen eine gewalttätige Skinheads-Bande ergehen die Urtei-le. Der Bandenführer erhält dreieinhalb Jahre unbedingt, seine Gesinnunsfreunde werden zu bedingen Strafen ab sechs Monate verurteilt. Obwohl die Bande jahrelang gewalttätig aufgetreten ist, war von den Behörden nichts unternommen worden.

19.Oktober 1999: In der PRESSE deckt ein gewisser Butschek, Dozent für neuere Wirtschaftsgeschichte, eine 68er-Geschichtslüge auf: „So verschwand die deutsche Annexion Österreichs und machte einem freiwilligen Anschluß Platz”. Wo doch die Österreicher 1938 nix weniger haben wollten als den Hitler?

19.Oktober 1999: Die USA, der Hort der Menschenrechte, sperrt nicht nur kleine Kinder ins Gefängnis, sondern inszeniert auch Massenvergiftungen: Die unter der Bezeichnung "Golfkrieg-Syndrom" bekannt gewordene Krankheit wurde bei rund 100.000 Soldaten durch ein zum Schutz gegen Giftgas eingenom-menes, klinisch ungeprüftes, Arzneimittel verursacht.

21.Oktober 1999: Wegen der FP-Proteste gegen ein Antifa-Mahnmal in Salzburg will Bürgermeister Schaden (SPÖ) eine "salomonische Lösung". Was könnte das sein? Ein Denkmal für die Widerstands-kämpfer und eins für die "Glasenbacher"?

21.Oktober 1999: NEWS berichtet, daß Haider am 29. September mit dem Vize-Chef der rechtsextremen deutschen REPUBLIKANER, Christian Käs, in Innsbruck ein Gespräch geführt habe. Die FPÖ dazu: Käs hät-te Haider interviewt, Haider jedoch nicht gewußt, wer Käs sei. Eh klar, ständig wird der arme Kerl miß-verstanden oder ist ahnungslos.

21.Oktober 1999: Der wegen NS-Verbrechen verurteilte 62 französische Nazi-Kollaborateur Papon, der sich seinem Strafantritt durch Flucht zu entziehen suchte, wird in der Schweiz in Gstaad festgenommen.

22.Oktober 1999: Die österreichische Nation, gibt es sie? Die Ergebnisse von Meinungsumfragen zeigen den Trend: Die Österreicher sind eine eigene Nation, diesem Satz stimmten zu:

1964 47% 1973 56% 1982 67% 1989 78% 1996 79% 1999 83%

22.Oktober 1999: Die Plattform "Demokratische Offensive" plant ein Zeichen gegen den Rechtsruck in Österreich zu setzen. Am 12.November,dem Tag der Republik soll am Wiener Stephansplatz, wo Haider seine gruselige Wahlabschlußkundgebung abhielt, eine Demonstration enden.

Ariel Muzicant, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, berichtet, daß sich im Umfeld der Natio-nalratswahlen die antisemitischen Übergriffe dramatisch gesteigert (verzehnfacht) hätten. Einige Zitate aus anonymen Briefen: „Wir schätzen die Israelis, aber nicht die orthodoxen Juden mit ihren schwarzen Kaf-tans und bärtigen Beukeles-Schädel! Was uns fehlt ist ein neuer Hitler, der diese Kosche Saubande in die Wüste treibt - Haider wird seinen Weg machen, Gott wird ihm beistehen und von Erfolg zu Erfolg begleiten, und über dieses betrügerische Volk der Juden wird der Fluch lasten bis in alle Ewigkeit - Ein Fluch über Sie und den ganzen Juden und der nächste Holocaust wird kommen für dieses betrügerische Volk - Herr Muzikant, Sie freche jüdische Kreatur besitzen die Frechheit und beschimpfen und kritisieren (..) die auf-rechten Österreicher als Nazi- und Kriegsverbrecher - Die Partei Haiders ist eine demokratische Partei, und dieser Politiker hat noch niemanden umgebracht. Sich in innere Angelegenheiten Österreichs einzu-mischen, ist eine Frechheit. - Mit welchem Recht mischt Ihr Euch in unsere Regierungsbildung ein? Ihr habt unser Geld genommen und nun wollt Ihr uns Vorschriften machen. Nehmt Euch in Acht...”.

Aber in Österreich gibt es keine Antisemiten und die Haider-Anhänger sind keine Rechtsextremen.

62 2.April 1998: In erster Instanz erhält der frühere Funktionär der Vichy-Regierung und nachmaliger Minister Maurice Papon zehn Jahre Haft wegen seiner Beteiligung an Judendeportationen.

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Zweite Oktoberhälfte 1999: Die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" gerät ins Sperrfeuer der alten Nazis und ihrer Verteidiger. Rund ein Dutzend der ca. 1.400 Ausstellungsfo-tos hatten "falsche Beschriftungen". Es waren nicht Opfer der Wehrmacht, sondern Opfer des stalinisti-schen NKWD darauf zu sehen, bzw. waren abgebildete Täter keine Deutschen, sondern stammten aus mit Deutschland verbündeten Staaten. Die schriftlichen Ausstellungsdokumente (Befehle, Berichte, Meldun-gen) boten keinen Grund zu Beanstandungen.

Wenn man das nun ausgebrochene Geheul etwa in der KRONEN ZEITUNG gelesen hat, müßte man aber glauben, a) daß die deutsche Wehrmacht eine untadelige Truppe edler Ritter war, b) die ganze Ausstel-lung aus vorsätzlichen Fälschungen bestand.

Letztlich ging der Schuß aber nach hinten los, weil von keinem ernstzunehmenden Historiker bezweifelt wird, daß die deutsche Wehrmacht durchführte, was ihr Hitler aufgetragen hatte: Am 30.3.1941 fand in der Reichskanzlei eine Versammlung aller für den "Rußlandfeldzug" vorgesehenen höheren Befehlshaber statt. Hitler: Der Kommunismus sei eine ungeheure Gefahr für die Zukunft, man müsse daher vom Stand-punkt des soldatischen Kameradentums abrücken, es handle sich um einen Vernichtungskampf.

Kein Vernichtungskampf sollte es erst wieder gewesen sein, als er verloren gegangen war.

Die Gestalter der Ausstellung ziehen diese zurück, prüfen und überarbeiten sie in den nächsten drei Mona-ten.

23.Oktober 1999: Dr. Eiter, der Sprecher der INITIATIVE WELSER GEGEN FASCHISMUS kann bekanntgeben, daß das Programm 2003 (siehe Seite 20) von SPÖ und ÖVP in 7 der 11 Punkte umgesetzt werden soll. Grüne und Liberale wollen das gesamte Programm unterstützen, die Freiheitlichen sind naturgemäß nicht beteiligt.

24.Oktober 1999: Parlamentswahlen in der Schweiz. Ausländerfeindlichkeit und die Entschädigungszah-lungen der Schweizer Banken für die "nachrichtenlosen Konten" von Holocaustopfern, deren Bestände sich die Banken einverleibt hatten, ließen die Schweizerische Volkspartei (SVP) des Milliardärs Christoph Blocher mit 22,6% stimmenstärkste Partei vor den Sozialdemokraten mit 22,5% werden. Im Gegensatz zu Österreich holte sich der Rechtspopulist die Stimmen aber in der Hauptsache von ganz rechts: Die rechts-extremen Kleinparteien wurden aufgerieben.

...wie sich die Plakate und die Wahlergebnisse gleichen....

24.Oktober 1999: Kommunalwahlen in Baden-Württemberg. Die CDU gewinnt, die SPD verliert leicht, die FDP hält sich, die Grünen und die Rechtsextremen verlieren stark.

26.Oktober 1999: Die Leserbriefseite in der KRONEN ZEITUNG am Nationalfeiertag: Acht Leserbriefe, sie-ben davon verteidigen (zumindest indirekt) die Hitlerei oder die FPÖ.

27.Oktober 1999: Die Auflösung des nazistischen Vereines "Dichterstein" in Offenhausen ist jetzt endlich rechtskräftig. Auf dem Stein würden Literaten geehrt, „die im Sinne der NS-Ideologie tätig waren”. Diese Feststellung veranlaßt in der Folge den ehemaligen SP-Nationalrat Stefan Tull zu einer Anzeige gegen ei-nen Verfahrensgutachter! Am Dichterstein stünden nämlich auch Autoren, die keine Nazis waren, bzw. keine NS-Literatur verfaßt hätten. Die von ihm angeführten Beispiele sind aber höchst anfechtbar: Wein-heber war NSDAP-Mitglied, Max Mell und F.K. Ginzkey Anschlußbejubler. Tull war seinerzeit aus der SPÖ ausgetreten oder ausgeschlossen worden und ist schon des öfteren in solchen Zusammenhängen in Er-scheinung getreten.

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27.Oktober 1999: Innenminister Schlögl spricht von einer gefährlichen Stimmung und einem Zunehmen der Übergriffe gegen jüdische und ausländische Mitbürger, dafür sei die FPÖ verantwortlich. Vor kurzem hatte er noch die Grünen und Liberalen verantwortlich gemacht, weil sie diese Dinge thematisiert hatten.

28.Oktober 1999: NEWS berichtet, daß Peter Sichrovsky mit einer Klage im Zusammenhang mit Zahlun-gen von Mitarbeiterentschädigungen an seine Frau 63 abblitzte.

28.Oktober 1999: Als Lügner bezeichnet Marko Feingold, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg, Peter Sichrovsky. Dieser hatte während eines Israelaufenthaltes behauptet, Feingold hätte gemeint, in Österreich gebe es keine Häufung antisemitischer Übergriffe.

29.Oktober 1999: Eine 14 Mann starke Sonderkommission der oö. Gendarmerie nimmt in Linz, Freistadt, Perg und andernorts acht Personen wegen NS-Wiederbetätigung fest, 69 weitere Verdächtige werden ein-vernommen, 40 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Es werden große Mengen an NS-Propagandamateri-alien und auch Waffen sichergestellt. Im Ennser Augebiet waren Kampfübungen abgehalten worden, mehrfach gab es Angriffe auf als linksgerichtet eingeschätzte Personen. Die mutmaßlichen Neonazis hat-ten sich in vier lose verbundene Gruppen gegliedert, auch zu vorbestraften Neonazis bestanden Kontakte. Überlegt hatten die Rechtsextremisten laut Gendarmerie die Gründung einer Partei von der Art der deut-schen NPD oder DVU (was wenig Sinn gehabt hätte, die seinerzeitige NDP Norbert Burgers wurde verbo-ten und auch eine DVU hätte in Österreich gegen das Verbotsgesetz wenig Aussicht auf legalen Bestand). Das zerschlagene NS-Netzwerk mit Kontakten nach Deutschland, Tschechien und die USA war das größ-te seit der Auflösung von Gottfried Küssels VAPO 1992.

29.Oktober 1999: Konstituierung des neu gewählten Nationalrates, Wahl der drei Präsidenten: Den ersten Präsident stellt die SPÖ, Heinz Fischer erhält 140 von 158 gültigen Stimmen, der dritte Präsident stammt von der ÖVP, Andreas Khol erhält 139 von 161 gültigen Voten, der zweite Präsident wird von der FPÖ nominiert, Thomas Prinzhorn bekommt 93 von 155 gültigen Stimmen, die Grüne Eva Lichtenberger be-kommt 33. Was heißt, 41 ÖVP/SPÖ-Mandatare wählten Prinzhorn. Warum eigentlich?

29.Oktober 1999: Überlebende der Wiener Euthanasie-Anstalt "Am Spiegelgrund" fordern, daß die Ver-handlung gegen den NS-Arzt Gross endlich durchgeführt werde.

31.Oktober 1999: Erstmals liegt bei einer Präsidentenwahl in Uruguay der Kandidat der Linken voran: 38,5% für den Sozialisten Vazquez von der FRENTE AMPLIO, 31,3% für den Rechtskandidaten Batlle.

1.November 1999: In Salzburg marschiert wie jedes Jahr die Waffen-SS unter Polizeischutz auf den Friedhof, um ihrer Helden zu gedenken, die für ein großräumiges Großdeutschland der Herrenmenschen den Heldentod erlitten hatten. Wie jedes Jahr protestieren Antifaschisten gegen diese Veranstaltung der Altnazis. Der Künstler Wolfram Kastner (wegen seiner Proteste gegen die "volksgebräuchlichen" SS-Veranstaltungen mehrfach mit Verwaltungsstrafen belegt) schneidet die SS-Banderole vom Kranz und schickt sie mit einer Aufforderung zum Handeln an NR-Präsident Fischer. Der Abgeordnete der Grünen, Karl Öllinger, erhob beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gegen diese jährliche SS-Kundgebung, ein Erkenntnis liegt noch nicht vor.

Wolfgang Martineks Trauergesang in der KRONEN ZEITUNG: „Sie liegen verscharrt und versunken. Im Mas-sengrab. Und im Meer. Aber es leben Halunken, die ziehen noch über sie her.” Da kämpften unsere edlen Vorfahren ein bißchen für die Weltherrschaft der Arier und diese Untermenschenhalunken würdigen das immer noch nicht! Vor Jahren hat ein alter Ex-SSler zu Eurem Chronisten gesagt: „Warum sind wir 1938 zur SS gegangen? Weil wir deppert waren!” - Andere sind es offenbar heute noch.

2.November 1999: Die Filmemacherin Ruth Beckermann in einem STANDARD-Kommentar: „Wie soll man die Haiderianer und ihre schwammige Ideologie bezeichnen? Welches LABEL paßt? Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Neonazismus? Da das Unheil nicht nur ein Gesicht, sondern einen Namen benötigt, schlage ich den Begriff "Austronazismus" vor. Warum? Die austriakische Abwandlung großer Ideologien ist ein Charakteristikum dieses österreichischen Jahrhunderts. (...) Der Austrofaschismus (..) zeichnete sich durch Repression nach innen aus, während schon allein aus Unvermögen größere expansionistische Vor-haben unterbleiben mußten. Groß und gefährlich werden Austriaka wie Adolf Hitler nur durch potente Bündnispartner. Nun scheint die Zeit gekommen für den Austronazismus, das Wiederaufleben der NS-Ideologie als Farce, den Widerschein des Nazismus als Droge, an der zu schnüffeln anscheinend geiler macht als jeder Joint. Der Austronazismus ist eine Volksbewegung mit Anhängern in allen Schichten und Parteien, die sich eindeutig in die Tradition des Nationalsozialismus einschreibt und mit Versatzstücken desselben arbeitet: Verteidigung der "Kriegsgeneration", sprich der Wehrmacht und SS, als "Kämpfer für

63 19.Mai 1999: Die FPÖ weist NEWS-Berichte zurück, der EU-Abgeordneten Sichrovsky hätten unrechtmäßig Mitarbeiterent-schädigungen an die Ehefrau überwiesen. Die Überweisungen sind allerdings unbestreitbar. Ungeklärt bleibt, wer, was und wie als Mitarbeiter für den EU-Abgeordneten geleistet hat. Zum Geldfluß an die amerikanische Gattin von Sichrovsky werden mehre-re Argumentationsvarianten in Umlauf gesetzt, die alle unüberprüfbar bleiben.

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die Werte des Westens" (..) Völkische Lösungen für gesellschaftliche Probleme (..) Rassismus (..) Haß auf Schwarze (..) Ästhetischer Anschluß an den Nazismus: Die austronazistische Wahlpropaganda ist genau studierte und modernisierte NS-Ästhetik. Das Eigene wird kitschig überhöht in pastelligen Bildern von treu-herzig auf den Führer blickenden Frauen mit bezopften Mädchen auf dem Arm oder von zwei "echten Ös-terreichern" im unverkrüppelten Burschenschaftlerclinch. Aber auch das Andere muß überhöht werden, teuflisch überhöht zu Überfremdern und Dealern und Intellektuellen, bis es als Bedrohung des Eigenen er-scheint und bekämpft werden muß.

Der Sieg des Eigenen wird schließlich mit eindeutigen Assoziationen dargestellt, die bereits von künftigen Siegen träumen lassen: Ein voller Stephansplatz echter Österreicher (..) ist nur Etappe. Wer denkt nicht an den Heldenplatz, nein, die Fotos vom Heldenplatz, denn es geht ja nicht um Wiederholung, sondern um Widerschein. Das bunte Bild der Begeisterten auf dem Stephansplatz ist nicht allein Gegenwart und Tri-umph. Es soll vorwärts strahlen, auf den demnächst noch größeren, noch dichter gefüllten Platz. Und es soll nach rückwärts wirken. Es soll das Negative von dem Heldenplatz-Bild nehmen, das Schwarz-Weiße im Wortsinne, und es verwischen in einem Dunst von: (..) Die waren doch auch nur begeistert wie wir heu-te und sie hatten noch mehr Grund damals.”

Anfang November 1999: Nazi-Führer Gary Lauck ist wieder auf freiem Fuß (1996: vier Jahre Haft in der BRD). Da werden die Gesinnungstreuen bald wieder den NS-Kampfruf der NSDAP-AO beziehen können.

2.November 1999: Haider distanziert sich in der Fernsehsendung REPORT von den Wiener Wahlkampf-plakaten: Er hätte diese Plakate nicht bundesweit plakatiert. Dem Wiener FP-Chef Kabas ist diese Distan-zierung nicht verständlich, die Wiener Plakate wären mit der Bundespartei abgestimmt gewesen.

3.November 1999: Die LINZER KIRChenzeitung zieht nach heftigen Protesten katholischer Fundis den Soli-daritätspreis 1999 für die HOMOSEXUELLEN INITIATIVE LINZ zurück.

3.November 1999: Im Zimmer eines jugendlichen Amokschützen in Bad Reichenhall (vier Opfer und Selbstmord) findet die Polizei Hitlerbild, Hakenkreuz und Nazi-Lieder, man will aber trotzdem nicht von ei-nem rechtsextremistischen Hintergrund der Tat ausgehen, sofort wird das Nazimaterial zu einer jugendli-chen "Spinnerei".

4.November 1999: NEWS-Interview mit Ariel Muzicant. Zu Haiders Zweifel an der Zunahme antisemiti-scher Übergriffe sagt er: „Diese Aussage ist rotzig, unverantwortlich und antisemitisch. Ich präsentiere ei-nen zentimeterdicken Akt voller Drohbriefe, und Haider stellt das einfach in Frage. Müssen erst wieder Synagogen brennen, bis uns Jörg Haider glaubt? Jede antisemitische Äußerung Haiders wird als Ausrut-scher abgetan. Wo bleibt der Aufschrei anderen Parteien, des Bundespräsidenten? Österreich hat sich bis heute nie seiner Vergangenheit gestellt. So schlimm es klingt: Österreich gehört endlich entnazifiziert”.

FPÖ-Generalsekretär Westenthaler bezeichnet daraufhin Muzicant als "Brandstifter".

4.November 1999: Ergebnis einer Meinungsumfrage (NEWS): Wollen Sie Juden als Nachbarn: 31% nein, 7% ja - Sind Juden selber schuld an ihrer Verfolgung: rund 50% antworten "ja" - Können Sie Juden die Hand geben: 6% nein, 37% sind sich unsicher - Erhaltung der Erinnerung an den Holocaust: 53% "nein" - Haben Juden zuviel Einfluß: ein Drittel sagt "ja" - Gibt es aus der Geschichte eine besondere Verpflichtung gegenüber Juden: 41% "nein".

Was soll man dazu sagen? Heil Hitler! Owa sunst samma oile oileweu anständig!

4.November 1999: Die FPÖ klagt Peter Pelinka und Ariel Muzicant.

5.November 1999: Das Gutachten über die Todesursache Omofumas liegt vor: Der mit verklebtem Mund Abgeschobene hatte u.a. an einer Herzkrankheit gelitten. Die Freunde des Mundverklebens freuen sich, ein ganz natürlicher Tod ist das, lassen sie uns wissen!

7.November 1999: Die heftige Ausländerhetze im Bürgermeisterwahlkampf half der Welser FPÖ nicht, Peter Koits (SPÖ) wurde mit 55,2% neuer Bürgermeister vor Martin Stieger (22,5%) und Bernhard Wieser (FPÖ) 22,3%.

8.November 1999: Der deutsche Innenminister Schily (SPD) sagt, nur 3% der Asylanten seien politische Flüchtlinge, alle anderen Wirtschaftsflüchtlinge.

9.November 1999: OÖ. Landespolitiker lassen sich über die jüngst aufgeflogenen rechtsextremistischen Gruppen informieren und beraten Gegenmaßnahmen.

10.November 1999: Die Tagung der Sozialistischen Internationale in Paris geht auf Distanz zum Neolibe-ralismus von Blair und Schröder, Markt ist nicht gleich bedeutend mit Demokratie.

10.November 1999: Hans-Jörg Schimanek sen. (FPÖ-NÖ) befürchtet von der Antirassismus-Demo am 12.11. einen „Startschuß für einen bürgerkriegsähnlichen Zustand, wenn Österreicher gegen Österreicher aufgehetzt werden”.

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Die Kritik der Ausländerhetze der FPÖ ist also Inländerhetze?

10.November 1999: Im Kärntner Landtag stimmt überraschend die SPÖ dem FPÖ-Budgetmodell zu. Die FPÖ hatte dafür den Kinder-Scheck aus dem Budget entfernt.

10.November 1999: Die Roma-Mauer in Usti nad Labem soll entfernt werden: die Anrainer, die sich von der Roma-Siedlung belästigt fühlen, werden abgesiedelt.

10.November 1999: Eine Partie prominenter FPÖler gründet eine Schutzgemeinschaft für freiheitliche Wähler. FP-Anhänger würden angepöbelt und ehrenbeleidigt, man bietet diesen armen verfolgten Anstän-digen daher Rechtsschutz an.

10.November 1999: Haider entschuldigt sich in den USA für seine "wenig sensiblen Äußerungen".

12.November 1999: Haider distanziert sich auch in Wien von der NS-Zeit. Er sei begeisterter Demokrat, der keine braunen Schatten akzeptieren könne, obwohl auch seine Familie „Belastungen aus der Ge-schichte habe” (sein Vater war illegaler Nazi und Angehöriger der hochverräterischen Österreichischen Legion). Er entschuldigt sich für „unsensible und mißverständliche Äußerungen zum Nationalsozialismus”, wo immer die FPÖ das Sagen habe, müsse niemand das Land verlassen.

Super! Wir dürfen alle bleiben, auch wenn wir sensibel sind und manchmal Äußerungen mißverstehen!

Aber zu früh gefreut, zu den Gutmenschen, die gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus demonstrie-ren, ist er wie immer: linke pseudointellektuelle Schwafler, frustrierte Alt-68er aus der Sympathisantensze-ne der Terroristen von Ebergassing, Gesinnungsterroristen.

12.November 1999: Zwischen 50.000 und 70.000 demonstrieren zwischen Parlament und Stephansplatz gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Nicht nur die FPÖ wird dabei kritisiert, auch die Regierungs-parteien werden getadelt. Rund 300 Organisationen hatten zur Teilnahme an dieser größten Kundgebung seit dem Lichtermeer von 1993 aufgerufen. Die Teilnehmer sind auch befriedigt darüber, daß wesentlich mehr Menschen anwesend waren, als sich bei Haiders Abschlußkundgebung am 1.10. am Stephansplatz versammelt hatten.

15.November 1999: Die FPÖ soll den Vorsitz im parlamentarischen Kulturausschuß erhalten, Pilz von den Grünen kündigt Widerstand dagegen an.

15.November 1999: Sondierungsgespräch zwischen Klima und Haider, Klima lehnt eine Koalition mit der FPÖ weiterhin ab, Haider zeigt sich zu einer Regierungsbildung mit der SPÖ bereit.

Auf dem ÖGB-Bundeskongreß wurde unserer Freundin Ir mgard Schmidleithner die höchsten Aus-zeichnung des ÖGB, die Johann-Böhm-Plakatte, überre icht. Sie faßte ihre langjährige Arbeit in der Gewerkschaftsbewegung in dem Satz zusammen: „Wenn ich jenen, die Hunger haben, Brot gebe, bin ich ein Heiliger, frage ich aber nach den Ursachen des Hungers, bin ich Kommunist”. Unsere Irmi kümmerte sich weniger um die Verteilung von Almosen, sie fragte mehr danach, woher die Ungerechtigkeit kommt und wer den Nutzen daraus zieht.

Leider mußte sie jetzt aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand treten. Wir könnten uns eine ganze Partie von Funktionären vorstellen, die der österreichischen Gewerkschaftsbewegung weniger abgingen. Liebe Irmi, alles Gute!

Mitte November 1999: Die Welser gegen Faschismus verschicken an alle Haushalte in St. Wolfgang ein Gutachten der Linzer Professoren Kropf und Kannnonier über die "Franz-Xaver-Rais-Promenade. Be-kanntlich hatte der ehemalige NSDAP-Ortgruppenamtswalter und Gemeindearzt Dr. Rais die (in "privile-gierter Mischehe" mit dem Weiße-Rössel-Wirt Max Peter, einem "Arier", lebende) Jüdin Gertrud Peter de-nunziert, weil sie sich „frei und geradezu frech im Ort” zeige. Die beiden Zeitgeschichtler fassen zusam-men: Der .Fall Peter" schließt keineswegs aus, dass Dr. Rais im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit Positi-ves bewirkte und deshalb in der Gemeinde angesehen war. Doch ändert dies nichts an den dargestellten Fakten: Dr. Rais trat bereits sehr früh der NSDAP bei. Er bekleidete während des NS-Regimes hohe lokale Funktionen und brachte durch gezielte Denunziation Frau Peter in größte Lebensgefahr. Wir teilen daher die Auffassung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden und vieler anderer, wonach eine Umbenennung der Dr. Franz-Xaver-Rais-Promenade - etwa nach dem früheren St. Wolfganger Pfarrer Josef Rohrmoser oder dem Schriftstel-ler Leo Perutz - ein wichtiges Signal in Richtung der demokratischen Traditionen Österreichs wäre.

Typisch österreichisch die Reaktion von Bürgermeister Peinsteiner (ÖVP): „In der Bevölkerung gibt es den Nazi Rais nicht, nur den verdienstvollen Gemeindearzt”. Demokratische Traditionen? Gibt's die auch nicht?

Echte, einheimische Nazis hat es ja schließlich überhaupt keine nicht nie und nirgends gegeben

17.November 1999: Die sozialdemokratische Studentenorganisation VSStÖ startet eine Antirassismus-Kampagne, "Tausend Jahre Gastfreundschaft".

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17.November 1999: FP-Grundsatzpapier: Höchstens zehn Ministerien, nur noch 99 Abgeordnete, die Funktion des Bundesrates sollen Landtagsabgeordnete übernehmen, Volksbegehren ab 300.000 Unter-schriften sollen in eine Volksabstimmung münden, Postenvergaben in einem festgelegten Verfahren, Ü-berschüsse des Familienlastenausgleichsfonds zur Erweiterung der Familienleistungen verwendet, die Lohnnebenkosten und der Steuer- und Abgabenquote gesenkt werden.

17.November 1999: Überraschung! Haider findet es "gescheit", daß die Türkei als offizieller EU-Bei-trittwerber anerkannt wurde und bejaht sogar die EU-Osterwieterung. Sofern die österreichischen Interes-sen dabei gewahrt werden. Als neue Vorgabe für Interessenten nennt er die Behandlung der "ethnischen Minderheiten". Wobei er, wie sich rasch herausstellt, die Reste von Volksdeutschen meint, wie die "Altös-terreicher" in Slowenien (maximal einige hundert, jedenfalls nicht mehr als die nicht anerkannten Slowenen in der Steiermark), diese werden seiner Meinung nach nicht entsprechend behandelt.

Aber er ist wieder ein internationaler Staatsmann, aufgeschlossen gegenüber den Entwicklungen der Zu-kunft. Österreichische Interessen, die nicht gewahrt werden, werden sich schon aufdecken lassen...

18.November 1999: Verteilung der Ausschußvorsitze im neuen Parlament. Die FPÖ, die große Kämpferin für eine geartete Kunst, bekommt u.a. den Kulturausschuß.

Da werden sie schauen, die Staatskünstler mit ihren linkslinken Fäkalien!

19.November 1999: Der Chronist liest im STANDARD: "Energie '99": 1650 Mann schützten Wiener Versorgungsbetriebe - Heer und Polizei gemeinsam im An-titerroreinsatz Wien - Im Gaswerk in der Wiener Leopoldau ging's am Donnerstag grob her. Verschlagene Terroristen griffen - aus dem Hinterhalt! - brav patrouillierende Soldaten des Bundesheeres an. Autos gerieten in Brand, ein mit gefährlichen Chemikalien voll beladener Tankwaggon explodierte. Häuser stürzten ein. Nach einer wilden Schießerei gelang es unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte, die Angreifer unschädlich zu machen. Die Feuerwehr löschte inzwischen die Brände (und shamponierte nebenbei das halbe Gelän-de ein). Pioniere gruben Verschüttete aus, diverse Rettungsorganisationen versorgten Verletzte - ver-meintliche, fingierte Verletzte: Die Vorfälle passierten bei der Abschlussveranstaltung von "Energie 99", ei-nem gemeinsamen Manöver von Polizei und Bundesheer, das seit Anfang der Woche in Wien stattfand. Übungsannahme war die Sicherung der Energieversorgungsanlagen der Bundeshauptstadt. Das Heer leistete einen "sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz". Insgesamt 1650 Mann (beider Organisationen) waren eingesetzt - und entsprachen den Vorstellungen ihrer Kommandanten: Der Wiener Militärkomman-dant, Divisionär Karl Semlitsch, und Polizeipräsident Peter Stiedl waren "hoch zufrieden". Man habe, so Semlitsch, vor allem was die Kommunikationsstrukturen betreffe, viel gelernt. Zudem, so Semlitsch, seien einige Schwächen offenbar geworden, die mit den unterschiedlichen Grund-aufträgen und Vorgangsweisen von Heer und Polizei zusammenhängen. Das Militär etwa schütze ein Ob-jekt bloß, die Polizei greife indes auch präventiv in Geschehen ein. Durch eine intensive Manöverkritik sol-len die organisatorischen Schwierigkeiten in den nächsten Tagen beseitigt werden, (chr)

Dem Chronisten sind solche Polizei/Militärübungen im Gegensatz zum offenbar reichlich naiven STAN-DARD-Berichterstatter "chr" äußerst suspekt, daher wird für die CHRONIK vorerst folgende Meldung ge-schrieben: 18.November 1999: In Wien üben Polizei und Bundesheer wieder einmal den Bürgerkrieg. An-nahme der Übung "Terroristen" bedrohten die Energieversorgung Wiens, 1650 Mann Polizei und Heer kämpfen sie im Gaswerk Leopoldau nieder. Eine etwas rätselhafte Annahme, daß man zum Niederkämp-fen von Terroristen einen Haufen Soldaten braucht. Brauchen täte man diesen Haufen eher im Falle eines Streikes zum Brechen des Ausstandes...

Anfang Jänner erhält der Chronist eine Aussendung des "Österreichischen Friedensrates", in der folgende Zeilen zu finden sind: Aufgrund von Medienberichten über eine Übung von Po lizei und Bundesheer zum Sicherheitspoli-zeilichen Assistenzeinsatz und den darin vorgenomme nen Übungsannahmen verfaßte der Öster-reichische Friedensrat einen Brief an die politisch verantwortlichen, Innenminister Schlögl und Verteidigungsminister Fasslabend. Nachstehend dokum entieren wir das Schreiben vom 22. De-zember 1999 Hinsichtlich der Übung "Energie 99" - Sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsatz, vom 15. bis 19. November 1999 in Wien, wurde folgendes berichtet: Die Übungsannahme eines Ausbildungssegments war die Auflö-sung einer Demonstration durch die für den polizeilichen Einsatz zugezogene Heereseinheit. Die inhaltli-chen Schwerpunkte dieser Demonstration, die von aus dem Polizeibereich rekrutierten DarstellerInnen formiert wurde, waren vor allem Friedens- und Umweltthemen. Die folgende "Auflösung" der Kundgebung wurde von der Leitungs- und Schiedsrichtergruppe der Übung gestoppt, da die Heereskräfte mit unverhält-nismäßiger Gewalt vorgingen. Aufgrund dieses Berichtes gibt der Österreichische Friedensrat seiner gro-ßen Besorgnis Ausdruck, daß Sicherheitskräften die Übungsaufgabe gestellt wurde, eine Demonstration zu Friedens- und Umweltfragen mit großer Härte zu unterbinden, wobei offensichtlich keine Rücksicht auf die bestehende Meinungs- und Kundgebungsfreiheit zu nehmen war.

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Daß die Anliegen der gespielten Demonstration auch eine Reihe unbeteiligter PassantInnen zu Solidarität und zu spontanem Mitwirken veranlaßte, zeigt, daß mit den hier praktizierten Ausbildungszielen den be-gründeten Anliegen breiter Bevölkerungskreise, ihre Forderung nach friedlicher Entwicklung, Abrüstung und verantwortlichem Umgang mit der Umwelt auch öffentlich vorzubringen, wortwörtlich handgreiflich ent-gegengearbeitet wurde, und auch in einer anderen Hinsicht hat dieser Übungsteil einen bitteren Beige-schmack: mit dem Vorgehen gegen die Teilnehmerinnen dieser Kundgebung, wurden die Friedens- und UmweltaktivistInnen auf die gleiche Ebene gestellt, wie jene "Terroristen", die, so die Übungsannahme, die Energieversorgung Wiens lahmlegen wollten. Die durch die Übungsannahme ausgedrückte Diffamierung engagierter Menschen in Österreich und die daraus resultierende Einschränkung oder Verwehrung demokratischer Rechte sind äußerst besorgniserre-gend. Wir halten es für eine Aufgabe der zuständigen Minister, die politischen Inhalte der Aufgabenstellung bei der genannten Übung zu überprüfen und dafür zu sorgen, daß es zu keiner neuerlichen Übung mit ei-ner offenkundigen Mißachtung demokratischer Rechte kommt. Wir ersuchen Sie auch zu berücksichtigen, daß Übungsinhalte der genannten Art zu einem ernsten Mißtrauen der demokratisch empfindenden Öffent-lichkeit hinsichtlich der Orientierung von Entscheidungsträgern Ihres Ressorts führen müssen.

Der Chronist ist also mit der Vermutung, das Bundesheer übe das Vorgehen gegen Streikende, vielleicht ein bißchen danebengelegen, aber weit nicht so weit wie der STANDARD, die Tendenz hat auf alle Fälle ge-stimmt. Frage: was haben Polizei und Bundesheer dort vier T age lang geübt: Den Schutz vor Terro-risten? Oder den Schutz der österreichischen Bundes verfassung vor der Benützung? Das war wohl nichts anderes, als das Üben der Unterdrückung politischer Oppositionskräfte. Statt der frü-her so gern als Übungsobjekt verwendeten Kommuniste n, nimmt man, der Zeit angepaßt, nunmehr die Grünen.

Das Bundesheer übt also wie man Demonstrationen niederhaut, wie man Umwelt- und Friedensdemonst-rationen gewaltsam auflöst. Die österreichischen Medien heulen nicht auf, wenn purer Staatsterror geübt wird. Es ist nicht zu erwarten, daß die KRONEN ZEITUNG kritisch berichtet, wenn gegen "linkslinke" De-monstranten mit Militäreinheiten vorgegangen wird, aber laut Bildunterschrift freute sich auch der STANDARD-Berichterstatter chr über die im Gatsch liegenden "Terroristen".

Ist es in einem anderen demokratischen Land denkbar, daß sogar eine sogenannte Qualitätszeitung nix da-bei findet, wenn die militärische Unterdrückung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit geübt wird? "Brau-chen" wir da überhaupt noch eine andere Regierung mit einem "starken Mann" an der Spitze, damit die le-gendären "Ordentlichen und Anständigen" wieder einmal das alleinige Sagen und Handeln haben?

18.November 1999: Die Wiener Wochenzeitung FALTER klagt Haider. In einem Interview, das er der Zei-tung gegeben hatte, stellte er Hitler, Stalin und Churchill auf eine Stufe und behauptete hinterher, das In-terview habe es gar nicht gegeben. Er wird jetzt auf "Widerruf und Unterlassung" geklagt.

21.November 1999: Die KRONEN ZEITUNG betätigt sich wieder intensiv für die alten Nazis. Auf der Leser-briefseite heißt es „Immer wieder bekommen wir Leserbriefe zur Wehrmachtsausstellung. Dieser Versuch, die Kriegsgeneration zu Verbrechern zu stempeln, ist endlich gestoppt worden, nachdem die Ausstellung in 32 Städten gezeigt worden ist. Es stellte sich heraus, dass ein Großteil der Bilder Fälschungen sind, die aus sowjetischen Fälscherwerkstätten kommen.”

Was für eine unverfrorene Lüge! Rund ein Dutzend von 1.400 Fotos waren betroffen, bei der KRONEN ZEI-TUNG wird daraus "ein Großteil"!

Woher der Wind wirklich weht, zeigt ein Leserbrief auf derselben Seite: „Als Angehöriger jener Generatio-nen, die den 2. Weltkrieg nicht miterlebt haben, wäre mir sehr daran gelegen, endlich zu erfahren, was damals wirklich war! Während jene, die sich im Sinne der seit dem 2. Weltkrieg erlaubten Meinung betäti-gen, ungestraft das Blaue vom Himmel herunterfälschen und lügen können, wird jede Meinungsäußerung, die nicht in das vorgeschriebene Klischee passt, mit dem "Argument" Rechtsradikalismus, Neonazi usw. niedergemacht. Wie sollen wir der Wahrheit auch nur einen Schritt näherkommen, wenn es seit einigen Jahren sogar per Gesetz verboten ist an jenen Darstellungen zu zweifeln, die uns als gesicherte Erkennt-nis von höchster Stelle angeboten und verordnet werden. Darstellungen, die aber über kurz oder lang als Lügen und Fälschungen enlarvt werden, siehe Anti-Wehrmachtsaustellung, die unsere Kinder Im Rahmen des Schulunterrichtes besuchen mussten. Ist ab jetzt wenigstens die Frage erlaubt: Was Ist nun überhaupt wahr von alledem! Ist es nicht hoch an der Zeit, eine ungehinderte Diskussion zuzulassen, bei der jeder seine Meinung - gleich wie - äußern darf, ohne Kopf und Kragen zu riskieren! Wemer Jaritz, Graz”

Da fordert also jemand ein "Recht auf Auschwitzlüge" und das Dichand-Blatt scheint sich mit ihm in einer Meinung zu wissen. Heil Hitler!

22.November 1999: Haider erklärt, die FPÖ sei bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Wenn bis Jänner keine Regierung gebildet sei, werde es Neuwahlen geben.

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23.November 1999: Die FPÖ fordert die Einführung eines eigenen Ausweises ("A-Card") für legal in Ös-terreich lebende Ausländer. Vorbild dafür ist die "Green Card" in den USA. Der Ausweis soll auch die Fin-gerabdrücke des Inhabers aufweisen. Der Vorschlag wird von den anderen Parteien und verschiedenen Organisationen als diskriminierend zurückgewiesen.

Zweite Novemberhälfte 1999: Debatten über die Todesursache im Fall Omofuma. Während der bulgari-sche Gutachter eindeutig zum Ergebnis "Tod durch Ersticken" kam, ist der Wiener Gutachter der Ansicht, hauptursächlich sei das "krankhaft vorgeschädigte Herz". Schaut so aus als sollte bei der Gerichtsverhandlung möglichst zuverlässig herauskommen, daß dieser schwarze Neger ganz von alleine gestorben ist. Er war eben schwer krank und hätte überhaupt keine Flugreisen unternehmen sollen...

24.November 1999: In Usti nad Labem (Tschechien) wird die Mauer, die um eine Roma-Siedlung gezo-gen wurde, entfernt. Den Hausbesitzern in der Nähe werden ihre Häuser abgelöst, weil ihr Verkehrswert seit der Ansiedlung der Romas dramatisch gefallen war.

25.November 1999: Im Bezirk Braunau wird eine Gruppe von 17 jugendlichen Neonazis ausgehoben, die der Skinhead-Szene entstammten.

26.November 1999: Das Endergebnis der Beamten-Personalvertretungswahlen liegt vor. Es änderte sich wenig, die Schwarzen steigen um 1,6% auf 53,8%, die Sozialdemokraten verlieren 0.8% (jetzt 29,5), die freiheitliche AUF verliert 0,4% (auf 7,7%), die Unabhängigen (u.a. Grüne) bleiben mit 6% gleich und die Sonstigen verlieren 0,5% (3%). Innerhalb der diversen Sparten sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich, so verlieren die Freiheitlichen in ihrer Hochburg, der Exekutive, 2,8% (jetzt 25%), gewinnen aber beim Bundesheer 5% (jetzt 20%) dazu.

Der bisherige Vorsitzende der FPÖ-Gewerkschaft FGÖ, Josef Kleindienst, gibt seinen schon länger ge-planten Rücktritt bekannt.

Zweite Novemberhälfte 1999: Vorbeugend verbeugt sich der Hohenemser Bürgermeister Christian Nie-derstetter vor dem Antisemitismus. In einem Brief an den Leiter des Jüdischen Museums in Hohenems spricht er sich gegen vergangenheitskritische Veranstaltungen aus, weil „durch die derzeitige Entwicklung jüdischer Forderungen auf der ganzen Welt (..) es zu großen Problemen kommen kann. Ich will nicht, daß Hohenems ein Streitplatz jüdischer Belange (..) ist”.

29.November 1999: Überraschung in den USA. Bisher, so schien es, war der Endsieg des Kapitalismus perfekt, Klassenkampf wurde nur noch von oben nach unten geführt, um "Shareholders Value" als alleini-gen Menschenwert einzubetonieren. Nun beginnt in Seattle eine Tagung der Welthandelsorganisation (WTO) und die Ausgebeuteten sind auf den Straßen und wehren sich in heftigen Demonstrationen gegen die Diktate der Herrschenden. Die Polizei und die Nationalgarde kämpfen tagelang die Demonstranten nieder. Aber: Das Diktat des Profits wird mit weltweitem Echo in Frage gestellt. Nicht das Glück der Aktio-näre ist das Glück der Menschheit! Es wird, wenn auch zaghaft, doch auch einmal darüber debattiert, ob alleine die Interessen der Globalisierer zu gelten haben oder die übrige Menschheit vielleicht andere Inte-ressen haben könnte. Das absolut Traurige dabei: Die auf der Konferenz anwesenden Sozialdemokraten begreifen keinen Funken davon und stehen auf der anderen Seite der Barrikade, sie sind Manager der Globalisierung und bilden sich dabei noch ein, sie täten damit irgendwas Positives. Die Arbeiterbewegung wird irgendwie von vorn anfangen müssen - etwa damit, diese Blairs und Schröders und Klimas abzubau-en! Achja: Die WTO-Konferenz scheitert, die beabsichtigten Beschlüsse kommen nicht zustande.

Gegen Ende November 1999: Die KRONEN ZEITUNG versucht auf höchst seltsame Weise die Sondie-rungsgespräche zur Regierungsbildung mitzugestalten. Bisher war man entweder ständig oder zu Einzel-themen auf der Seite von Jörg Haider, der Staberl immer und mit Fanatismus. Schon im letzten Wahl-kampf tendierte dann Eigentümer Dichand eher zu Schüssel und jetzt ist der Zeitungsmogul gegen die Oppositionstendenzen des ÖVP-Chefs und massiv für die Fortsetzung der großen Koalition. Aber das schreibt nicht der Trost, der Gnam oder der Cato, man führt dazu eine eigene Rubrik "von besonderer Sei-te" ein, was große Belustigung hervorruft. Klestil läßt dementieren, daß er die "besondere Seite" ist. Da seinerzeit in der Monarchie seitens des Kronprinzen Rudolf diese Bezeichnung für anonyme Artikel ge-wählt worden war, hat man zu lachen. Vom Stil her wird vermutet, daß es doch weniger ein Habsburger denn ein Dichander sein könnte, der sich als "besondere Seite" sieht.

30.November 1999: In Schweden sind Nazi-Organisationen nicht verboten und treten immer brutaler in Erscheinung, ohne daß die Behörden einschreiten. Vier große Tageszeitungen veröffentlichen jetzt die Namen und Fotos von 62 berüchtigten Nazis, damit die gefährliche Lage bewußt werde.

30.November 1999: Erinnert Ihr Euch noch? 1986 gelang es nach langen Protestaktionen in Linz die e-hemalige "Langoth-Straße" umzubenennen. Der SS-Brigadeführer und Linzer NS-Bürgermeister hatte die Ehrung der Straßenbenennung erhalten, weil er Linz kampflos an die Amerikaner übergeben habe. Schon damals hatte die Antifaschisten hingewiesen, daß Langoth ein fanatischer Nazi gewesen war und an der

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Verhängung zahlreicher Todesurteile gegen Widerstandskämpfer mitwirkte. Jetzt wird auch mit der Le-gende von der "kampflosen Übergabe" aufgeräumt, Linz war von US-Truppen besetzt worden, ohne daß Langoth überhaupt in Erscheinung trat. Walter Schuster belegt dies in seinem Buch: Deutschnational, na-tionalsozialistisch, entnazifiziert, Franz Langoth - eine NS-Laufbahn . Exemplarisch wird darin der österrei-chische Umgang mit der Vergangenheit belegt: Ein übler Nazi, Rassist, Antisemit und Gewaltherrscher wird nach 1945 rasch zum hilfreichen Unschuldsengel. Keiner hat was gewußt, niemand hat was getan, nicht einmal ein SS-General. Oder? Heil Hitler!

Anfang Dezember 1999: Im Zorn verabschieden die freiheitlichen Gewerkschaftler ihren bisherigen Vor-sitzenden Kleindienst. Er hatte in einem in der KRONEN ZEITUNG teilweise vorabgedruckten Buch Tricks ge-schildert, mit denen man sich der Verkehrsstrafen entziehen könne, das verzeiht man ihm nicht.

2.Dezember 1999: KRONEN ZEITUNG und FPÖ waren die längste Zeit weitgehend ein Herz und eine Seele. Seit Dichand in Richtung "große Koalition" und gegen ÖVP-FPÖ schreiben läßt, hängt der Haussegen schief. Das FP-Blatt NEUE FREIE ZEITUNG schreibt: „Wie ist es eigentlich um ein Land, um seine Demokra-tie bestellt, wenn das politische Staatsoberhaupt gemeinsam mit dem "medialen" Staatsoberhaupt seit Ta-gen krampfhaft versucht, eine Koalition der Wahlverlierer fortzuschreiben”.

3.Dezember 1999: In Steyr wird zum Andenken an den Widerstandskämpfer Karl Punzer an der im Juli nach ihm umbenannten Hauptschule in Münichholz eine Gedenktafel enthüllt. Punzer war 1938 Besitzvor-sitzender der Steyrer KP, er wurde 1942 verhaftet und 1944 zum Tode verurteilt, am 30. November 1944 gelang ihm mit zwei Mitgefangenen die Flucht aus München-Stadlheim, er wurde wieder gefaßt und am 5.12.44 enthauptet.

4.Dezember 1999: Im STANDARD erscheint ein Bericht über den Grazer Josef Schleich, der in der NS-Zeit Juden geholfen haben soll, über die Grenze der Steiermark nach Jugoslawien zu flüchten. Da Schleich schon 1949 starb, ist es allerdings schwer, die näheren Umstände zu rekonstruieren, die Fluchthilfe, die einigen zehntausend Menschen zugute gekommen sein könnte, dürfte nicht immer uneigennützig angebo-ten worden sein.

5.Dezember 1999: Schüssel ist jetzt, trotz seiner Fixierung auf den Gang in die Opposition, bereit, mit der SPÖ über eine Regierungsbildung zu verhandeln.

6.Dezember 1999: FORMAT berichtet über Kontakte der deutschen Neonazi-Parteien zu österreichischen Skinheads und bekannten Rechtsextremisten. Die jüngst in OÖ. zerschlagenen Nazi-Trupps hatten etwa Kontakte zur DVU und zu den "Jungen Nationaldemokraten". In der BRD sind Organisationen immer noch legal, die in der "Heimat des Führers" unter das Verbotsgesetz fielen. Auch der vor Jahren nach Spanien geflüchtete Neonazi Gerd Honsik ist immer noch hoch aktiv und soll regelmäßig mit österreichischen Nazis zusammentreffen.

8.Dezember 1999: Ein Gericht in Tennessee urteilt, daß der Mord an den amerikanischen Bürgerrechts-kämpfer Martin Luther King am 4. April 1968 nicht, wie bisher festgeschrieben, durch einen Einzeltäter erfolgte, sondern durch ein Komplott. Die Anwälte der Familie King vertreten die Ansicht, daß drei Männer aus Memphis gemeinsam mit der Mafia, den US-Streitkräften und dem CIA den Mord geplant hatten.

8.Dezember 1999: Als Haider in Brüssel das Kärntenbüro eröffnet, verliest EU-Kommissar Fischler ein Statement, worin es u.a. heißt: „Wer Ausgrenzung und Ausländerfeindlichkeit zum Prinzip erhebt, der hat den europäischen Geist nicht verstanden”. Haider, der danebensteht, schaut betreten. In der KRONEN ZEI-TUNG erscheinen wieder wochenlang Briefe der zutiefst empörten volkstreuen Anständigen.

8.Dezember 1999: Die EUROPÄISCHE STELLE ZUR BEOBACHTUNG VON RASSISMUS UND FREMDENFEINDLICH-KEIT in Wien legt den ersten Jahresbericht vor: Der Rassismus in Europa nimmt zu, ein Drittel der Europä-er ist "sehr" oder "ziemlich" rassistisch. Gleichzeitig ist aber das Interesse, sich mit rassistischen Themen zu befassen gesunken.

10.Dezember 1999: Der EU-Gipfel in Helsinki beschließt, daß auch die Türkei über einen EU-Beitritt ver-handeln kann.

13.Dezember 1999: Das FPÖ-Bundespräsidium bestellt Haiders bisherigen persönlichen Sekretär Gerald Mischka zum neuen FPÖ-Bundesgeschäftsführer, der vorige Geschäftsführer Rumpold macht sich mit ei-ner Werbefirma selbständig, diese Firma soll die Werbung für die FPÖ produzieren.

14.Dezember 1999: Im Wiener Straflandesgericht beginnt der Prozeß gegen den ehemaligen FPÖ-Nationalrat Rosenstingl und zehn andere Angeklagte wegen Betrug und Untreue. Mitangeklagt ist auch der ehemalige niederösterreichische FP-Obmann Gratzer.

15.Dezember 1999: Eine Untersuchung des Wahlverhaltens der Wechselwähler durch die Sozialwissen-schaftlichen Studiengesellschaft erbrachte: Das Hauptargument für den Parteiwechsel, man kenne sich nicht mehr aus, welche Politik die bisherige Partei verfolge, zweiter Punkt: die Partei bitte nichts, wofür

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man sich begeistern könne. Das "Ausländerproblem" spielte auch eine Rolle, aber landete erst auf Platz sieben. Die abgewanderten SPÖ-Wähler sagen zu 54%, die Partei habe die sozialdemokratischen Grund-sätze vernachlässigt, bei den Wechslern von SPÖ zur FPÖ liegt aber das "Ausländerproblem" an erster Stelle.

15.Dezember 1999: Der Kärntner SP-Funktionär Gebhard Arbeiter zitiert in einem Interview Goebbels: „Da halt' ich mich an Goebbels: Das Volk muß fühlen, wer das Sagen hat”. Die für österreichische Verhält-nisse rasche Konsequenz daraus: Das Volk fühlt alsbald, daß Gebhard Arbeiter nix mehr zu sagen hat, die SPÖ montiert den Fan des Reichspropagandaministers recht schnell ab.

Mitte Dezember 1999: Wer hätte das gedacht? Die Zeitung des Kärntner Heimatdienstes setzt sich enga-giert für Meinungsfreiheit und Demokratie ein: „Die allgegenwärtige Zensur der als "Antifaschisten" mas-kierten Menungsmonopolisten zielt, wie zur Zeit des Austrofaschismus und Nationalsozialismus, auf die Beseitigung des demokratischen Grundrechtes der Meinungsfreiheit ab. (..) Eine für jeden Demokraten selbstverständliche Absage an Rassismus, Nazismus und Antisemitismus darf nicht dazu mißbraucht wer-den, ein ganzes Volk in dieser Hinsicht zu verdächtigen. (..) Sie geben vor, für Demokratie und Menschen-rechte einzutreten, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen (..). Das alles ist ekelhafte Heuche-lei. (..) Es läuft einem der kalte Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, welch brutale Meinungsdik-tatur diese als "Gutmenschen" maskierten Radikalinskis aufziehen würden, hätten sie die Macht im Staat.”

Wie war das? Die Absage an den Nazismus etc. sei selbstverständlich, deswegen darf man nicht ein gan-zes Volk in dieser Hinsicht verdächtigen? Aber lieber Heimatdienst, niemand verdächtigt Euch irgendwel-cher Absagen! Auch das ganze Volk wird nicht "einer für jeden Demokraten selbstverständliche Absage an Rassismus, Nazismus und Antisemitismus" verdächtigt, diese Absager sind doch nur ein paar Radika-linskis!

17.Dezember 1999: Haider und die FPÖ sind zutiefst über die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG empört, weil im Ma-gazin Zitate von Hitler und Haider gegenübergestellt wurden, in der Art: "Wer nicht arbeitet, wird sich wie-der ans Arbeiten gewöhnen müssen. Weiters ist dieses System auch ein Signal an die Jugend (...) und an alle Sozialschmarotzer, denen man sagen muss: ,Der Fasching ist aus und jetzt wird wieder in die Hände gespuckt" - "Wer nicht arbeitet, soll nicht essen. Und wer nicht um sein Leben kämpft, soll nicht auf dieser Erde leben. Nur dem Starken, dem Fleißigen und dem Mutigen gebührt ein Sitz hinieden."

Empört ist man in der FPÖ vermutlich nicht darüber, daß sich Zitate so gleichen, sondern darüber, daß sie in der Zeitung stehen.

17.Dezember 1999: In Deutschland kommt es zu einer Einigung über die Entschädigung für die Zwangs-arbeiter im Dritten Reich in der Höhe von zehn Milliarden Mark, was auch in Österreich zu Handlungsbe-darf führt. In der KRONEN ZEITUNG erscheinen in der Folge eine Menge Leserbriefe, die a) Entschädigun-gen für die Arbeit von deutschen Kriegsgefangenen fordern oder b) die seinerzeitigen Zwangsarbeiter zu glücklichen und begeisterten Freiwilligen erklären. Heil Hitler!

20.Dezember 1999: FORMAT veröffentlicht eine Umfrage zum Wahlverhalten, die neue Liste zeigt erstmals die FPÖ mit 31% an der ersten Stelle, die SPÖ ist mit 30% Zweiter, die ÖVP liegt bei 26%, die Grünen verbessern sich auf 10% und das LiF fällt auf 3%.

Eine andere Umfrage weist auf, daß immer noch 61% der Österreicher für die Neutralität und nur 23% für den von der ÖVP gewünschten NATO-Beitritt sind.

Wozu Eurem Chronisten wieder der Much-Cartoon einfällt: Der Regierungssprecher gibt bekannt: Die Neutralität bleibt anonym, das Sparbuch immerwährend ...

18.Dezember 1999: Karola Paul, die neue Leiterin der Wiener UNHCR-Zweigstelle (UN-Kommissariat für Flüchtlinge) sagt, daß in Österreich nicht deswegen so viele Flüchtlinge vor dem Abschluß des Verfahrens untertauchen, weil ihre Asylansuchen vorgetäuscht wären, sondern sie reisten in andere europäische Län-der weiter, weil in Österreich die Flüchtlingsbetreuung so mangelhaft sei.

Die Anzahl der aufgegriffenen illegalen Grenzgänger belief sich 1999 in Österreich auf über 40.000 Perso-nen, die meisten stammten aus Jugoslawien und Rumänien. Gegenüber 1998 hat sich die Anzahl mehr als verdoppelt. Die Schubhaftplätze reichten nicht mehr aus.

19.Dezember 1999: Die Parlamentswahlen in Rußland enden mit einer Überraschung. Die Kommunisti-sche Partei erreicht zwar mit 24,3% (1995: 22,3) wieder die erste Stelle, aber die erst jüngst gegründete Partei "Einheit", die den neuen Ministerpräsidenten Putin unterstützt, erzielt 23,2%. Dritter wird "Vaterland ganz Rußland" (13,1%) vor der "Union rechter Kräfte" (8,6%), den Rechtsextremisten Schirinowskis (der mit 6,4% fast die Hälfte seiner Wähler verlor) und "Jabloko" (6,0%), "Unser Haus Rußland" stürzt völlig ab: 1,2 statt 10,3%. Der Aufstieg der "Einheit" wird auf zwei Umstände zurückgeführt: 1. Auf den Tschetsche-nien-Krieg, den Putin vorerst mit Erfolg wieder angefangen hat, 2. die Benützung des Staatsapparates, die Provinz-Funktionäre wurden unter Drohung der sonstigen Absetzung von der Regierung angewiesen, für

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einen entsprechenden Wählerzulauf zu sorgen, was in Rußland in alter Tradition offenbar noch funktio-niert.

Lächerlich die Reaktionen im Westen: Die stärker gewordenen Kommunisten werden nahezu als Wahlver-lierer dargestellt, der Umstand, daß die Putin-Partei von der Kriegsgewalt profitiert, wird weitgehend mit Schweigen übergangen, die Ausnutzung des Staatsapparates verschwiegen.

Interessant eine russische Meinungsumfrage, wann es den Menschen dort am besten gegangen sei: In der Ära Breschnew!

20.Dezember 1999: Haiders Kinderscheck in Kärnten ist vorerst gescheitert, auch die ÖVP stimmt nicht zu, den Kinderscheck durch Veranlagung der aushaftenden Wohnbaudarlehen zu finanzieren, weil dies künftige Generationen unakzeptabel belastete.

21.Dezember 1999: In Moskau legt der Vorsitzende der russischen Kommunisten, G. Sjuganow, einen Kranz nieder: Am Grabe von Stalin zu dessen 120. Geburtstag. In Rußland hat niemand so viele Kommu-nisten umgebracht wie Stalin, der sie zu Hunderttausenden wegen irgendwelcher Abweichungsverdächti-gungen über die Klinge springen ließ, für Sjuganow ist Stalin trotzdem ein Jahrhundert-Staatsmann. Idio-ten gibt's!

22.Dezember 1999: Der Vorsitzende der dänischen Nationalsozialisten (sowas gibt es!), ein gewisser Jonni Hansen, wird festgenommen nachdem er sechs antifaschistische Demonstranten mit seinem Auto niederfährt. In Dänemark sind die Nazis erlaubt, allerdings ist ihnen vorsätzliche Körperverletzung noch nicht gestattet.

22.Dezember 1999: Der "Verhaiderung" mit der Mischung aus Nationalismus, Chauvinismus und Men-schenfeindlichkeit muß ein "Vorwärtsprojekt" entgegengesetzt werden, sagt Caspar Einem bei der Präsen-tation eines Buches über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, "Republik der Courage" von Robert Mi-sik und Doron Rabinovici.

22.Dezember 1999: Haider in einem NEWS-Interview: „Wir wollen eine klassenlose Gesellschaft erreichen und Chancengleichheit für alle”. Man sieht also: Die FPÖ weiß, welche Anliegen die FPÖ vertreten kann, ohne Konkurrenz befürchten zu müssen. Die Sozialdemokratie eines Viktor Klima kennt den Begriff "KLASSENLOS" schließlich nur noch aus der staatlichen Lotterie.

23.Dzember 1999: Caritas-Chef Küberl sagt das, was eigentlich die Sozialdemokratie sagen müßte: „Wir müssen endlich davon wegkommen, Menschen als Wirtschaftsnützlinge zu betrachten”.

27.Dezember 1999: Ergebnis einer Spectra-Umfrage zum Wahlverhalten: SPÖ 33%, FP 29%, VP 24%, Grüne 9%, LiF 2%, andere 3%.

29.Dezember 1999: In England wird bekannt, daß in einem Altersheim der 86jährige Konrad Kalejs ausgeforscht wurde. Der gebürtige Lette soll als Kommandant eines "Kommando Arajs" für die Ermordung von 30.000 Menschen verantwortlich gewesen sein. Nach 1945 flüchtete er über Australien in die USA, wo er 1994 wegen seiner NS-Vergangenheit ausgewiesen wurde.

29.Dezember 1999: Ein östereichischer Hochgenuß: Im Mittagsjournal wird KRONE-Chef Hans Dichand in-terviewt. So stelle ich mir, hätte man in der Monarchie den Kaiser interviewt, wenn es damals schon ein Radio und ein Mittagsjournal gegeben hätte. Dichand bejubelte sich euphorisch und der ORF, halten zu Gnaden, warf bloß die Hölzl, kein Funken auch nur einer einzigen kritischen Frage! Vor dem stark rechts-lastigen Beobachter österreichischer Stammtische ziehen in Österreich alle, die eigentlich selber was zu sagen hätten, eine breite Schleimspur. Der große Dichand wird davon noch größer.

31.Dezember 1999: Der STANDARD veröffentlicht eine Liste der ÖsterreicherInnen des Jahrhunderts. Bei den Männern siegt Kreisky vor Freud, Kardinal König, Schrödinger und Figl. Von diesen fünf Österreichern des Jahrhunderts sind also drei jüdischer Abkunft. Hitler hatte schon recht: Überall stecken die Juden da-hinter!

Dezember 1999: In Linz wird über die Abschaffung der öffentlichen Ehrungen des Vorturners der Deutschnationalen F. L. Jahn debattiert, dazu erscheint in der LINZER RUNDSCHAU am 6.1.2000 der folgen-de Leserbrief, der alles zusammenfaßt:

„Franzosen, Polen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück!" hetzte einst „Turnvater" Fried-rich Ludwig Jahn. „Die Juden sind unser Unglück!" hieß es dann bei den Nationalsozialisten.

Jahn verkündete die „Rassenreinheit", die Nationalsozialisten versuchten sie mit millionenfachem Mord in die Praxis umzusetzen.

Mit seinem grossdeutsch-völkischen, rassistischen, antisemitischen, antidemokratischen und österreich-feindlichen Gedankengut war Jahn ein geistiger Vorläufer Hitlers. Es ist bezeichnend, dass die Führung

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des „Österreichischen Turnerbundes" (ÖTB) ihn bis heute als Vorbild anpreist. Es ist weiters bezeichnend, dass die FPÖ für Jahn eintritt - offenbar ist ihr allen Beteuerungen zum Trotz nichts Bräunliches fremd.

Deshalb stören den Linzer FPÖ-Gemeinderat Hauer - laut seinem Leserbrief in der Rundschau - auch die Bezeichnungen Bernaschek-Platz und Bulgari-Platz: Richard Bemaschek und Anton Bulgari kamen im Kampf für die Demokratie und gegen den Faschismus ums Leben. Eine Schande ist es allerdings, dass SPÖ und ÖVP dem Antrag der Grünen, in Linz das Jahn-Denkmal zu beseitigen sowie Jahn-Straße und Jahn-Schule auf die Widerstandskämpferin Sophie Scholl umzubenennen, nicht zugestimmt haben.

So lassen sie weiterhin jemanden ehren, dessen Name für menschenverachtende Intoleranz und Rassen-wahn steht.

Wo bleibt da - in Zeiten, in denen immer wieder jugendliche Neonazi-Gruppen ausgehoben werden - das sozialdemokratische und christdemokratische Gewissen?

Alexander Dörge