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CH: Entwurf der Tierschutzverordnung geheim? Was ftir eine unerwartete Botschaft des Bundesprasidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft! Er verweigert es dem Parlament, Einsicht in die Entwurfe der zurzeit in Revision befindlichen Tier- schutzverordnung zu nehmen. Hintergrund: Das Schweizerische Tier- schutzgesetz soll iiberarbeitet werden. Es ist geplant, eine Reihe von Regelungen, die bisher im Gesetz standen, in die Tier- schutzverordnung zu ubemehmen. In der Parlamentarischen Gruppe Tierschutz wurden sowohl von Vertretem der Tier- schutzorganisationen als auch von Parla- mentariem emste Bedenken geaussert, eine Revision des Tierschutzgesetzes endgultig zu beraten, wenn die dazu- gehorende Verordnung nicht bekannt ist. Fur Nichtschweizer: Gesetz und Ver- ordnung bilden in der Schweiz ein Paar, das ohne einander kaum interpretierbar ist. Also war die Forderung der Leiterin der Parlamentarischen Gruppe Tier- schutz, Pia Hollenstein (Nationalratin der Grunen), recht und billig, den zum Revisionsentwurf des Gesetzes gehoren- den Verordnungsentwurf zu Gesicht zu bekommen. Fehlanzeige. Mit Schreiben vom 22.7.2004 (es liegt der ALTEX Redaktion vor) verweigert der Bundesprasident Joseph Deiss rnit sehr fadenscheinigen Ausreden einer gewahlten Volksvertreterin die Einsicht in einen Verwaltungsvorgang. Wer kon- trolliert in der Schweiz die Verwaltung? Das Parlament wohl eher nicht. Wer dann? Eine Kostprobe seiner umfassen- den Kenntnisse in Angelegenheiten des Tierschutzes gab Bundesprasident Joseph Deiss auch in der Debatte uber Tiertransporte zum Besten (Standerat- Herbstsession, 10. Sitzung am 6.10.2004): ,,Ich muss Ihnen anderseits sagen, dass sich mein Hund immer freut, wenn er im CH: Egon-Naef-Preise 2004 Pierre Cosson heisst der Preistrager 2004 der Fondation E. Naef pour la recherche in vitro. Cosson, geboren 1964 in F-Lyon studierte in Paris Biologie, promovierte 1990 nach Vorarbeiten in Heidelberg und Marseille uber das Thema ,,Mechanisms of formation of intracellular transport vesicles" und forschte anschliessend am NIH in Washington und in Basel am ln- stitut for lmmunologie. Seit 1997 ist Pierre Cosson an der Universitat Genf beschaftigt und leitet dort als Ass. Pro- fessor die Arbeitsgruppe ,,Membrane traffic along the phagocytic pathway". Den Preis erhielt Pierre Cosson for seine Studien zur Erforschung der Virulenz bakterieller Infektionen am Modell des Dictyostelium discoideum, einer im Erd- reich vorkommenden Amo be*. Er ersetzt damit sehr leidvolle lnfektionsversuche an Mausen und Ratten und liefert gleich- wertige Informationen zur Pathogenitat bakterieller Krankheitserreger. Die Amo- be Dictyostelium discoideum bietet ein sehr aussagefiihiges genetisches System, mit dem die komplexen Beziehungen zwischen Bakterien und phagozytieren- den Zellen analysiert werden konnen. Das System kann for verschiedene Bak- terien eingesetzt werden ( angefangen hat Cosson rnit Pseudomona aeruginosa) und ist, auch in weniger aufwandig eingerich- * Literatur zum Dictyostelium Modell: Gosson, P., Zulianello, L., Joint-Lambert, 0. et al. (2002). Pseudomonas aeruginosa virulence analyzed in a Dictyostelium discoideum host system. J. Bact. 184, 3027-3033. Cornillon, S., Pech, E., Benghezal, M. et al. (2000). A member of the 9TM superfamily involved in adhesion and phagocytosis in Dictyostelium. J. Biol. Chem. 275, 34287-34292. ALTEX 21, 4/04 Auto mitfahren darf. 1st das notig oder ware es besser, wenn er murrend zu Hause bleiben wiirde?" Das tut weh, Herr Deiss, es ist vorstellbar, dass alle Kalber und Schweine lieber murrend zuhause bleiben wurden, als in einem Transporter zum Schlachthof gefahren zu werden. Die Debatte um die Revision des Schweizerischen Tierschutzgesetzes wird allmahlich zur Farce. Der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzesentwurf enthalt derart gravierende Nachteile for den Tierschutz, dass nahezu alle Tierschutz- organisationen der Schweiz zur Uber- zeugung gelangt sind, lieber keine Revision als diese zu akzeptieren (siehe auch www.ffvff.ch). Es zeichnet sich ein Umengang ab, an dem die Schweizerin- nen und Schweizer entscheiden mussen, ob sie eine Verschlechterung der Situati- on der Tiere hinnehmen wollen. fpg teten Labors, sehr einfach zu handhaben. Den Egon-Naef-Sonderpreis 2004 er- hielt die Gesellschaft ELASTRAT in Genf. ELASTRAT hat sich auf die Her- stellung kunstlicher Arterien speziali- siert. Verschiedene Pathologien konnen mit diesen Arterien simuliert werden, bspw. Aneurismen oder Stenosen. Am Arterienmodell aus transparentem Sili- kon kann Medizinem die menschliche Anatomie naher gebracht werden. Es konnen Katheter gesetzt oder Krank- heitsbilder simuliert werden. Sowohl im Bereich der Forschung wie auch in der Ausbildung helfen diese Modelle mit, Tierversuche zu ersetzen. fpg/sus 247

CH: Entwurf der Tierschutzverordnung geheim? · einem sehr fruhen Stadium schadliche ... Stephan Reichel vom Institut fur Phar mazeutische Technologie der TU Braun schweig hat sich

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CH: Entwurf der Tierschutzverordnung geheim? Was ftir eine unerwartete Botschaft des Bundesprasidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft! Er verweigert es dem Parlament, Einsicht in die Entwurfe der zurzeit in Revision befindlichen Tier­ schutzverordnung zu nehmen. Hintergrund: Das Schweizerische Tier­

schutzgesetz soll iiberarbeitet werden. Es ist geplant, eine Reihe von Regelungen, die bisher im Gesetz standen, in die Tier­ schutzverordnung zu ubemehmen. In der Parlamentarischen Gruppe Tierschutz wurden sowohl von Vertretem der Tier­ schutzorganisationen als auch von Parla­ mentariem emste Bedenken geaussert, eine Revision des Tierschutzgesetzes endgultig zu beraten, wenn die dazu­ gehorende Verordnung nicht bekannt ist. Fur Nichtschweizer: Gesetz und Ver­

ordnung bilden in der Schweiz ein Paar, das ohne einander kaum interpretierbar ist. Also war die Forderung der Leiterin

der Parlamentarischen Gruppe Tier­ schutz, Pia Hollenstein (Nationalratin der Grunen), recht und billig, den zum Revisionsentwurf des Gesetzes gehoren­ den Verordnungsentwurf zu Gesicht zu bekommen. Fehlanzeige. Mit Schreiben vom 22.7.2004 (es liegt

der ALTEX Redaktion vor) verweigert der Bundesprasident Joseph Deiss rnit sehr fadenscheinigen Ausreden einer gewahlten Volksvertreterin die Einsicht in einen Verwaltungsvorgang. Wer kon­ trolliert in der Schweiz die Verwaltung? Das Parlament wohl eher nicht. Wer dann? Eine Kostprobe seiner umfassen­ den Kenntnisse in Angelegenheiten des Tierschutzes gab Bundesprasident Joseph Deiss auch in der Debatte uber Tiertransporte zum Besten (Standerat­ Herbstsession, 10. Sitzung am 6.10.2004): ,,Ich muss Ihnen anderseits sagen, dass sich mein Hund immer freut, wenn er im

CH: Egon-Naef-Preise 2004 Pierre Cosson heisst der Preistrager 2004 der Fondation E. Naef pour la recherche in vitro. Cosson, geboren 1964 in F-Lyon studierte in Paris Biologie, promovierte 1990 nach Vorarbeiten in Heidelberg und Marseille uber das Thema ,,Mechanisms of formation of intracellular transport vesicles" und forschte anschliessend am NIH in Washington und in Basel am ln­ stitut for lmmunologie. Seit 1997 ist Pierre Cosson an der Universitat Genf beschaftigt und leitet dort als Ass. Pro­ fessor die Arbeitsgruppe ,,Membrane traffic along the phagocytic pathway". Den Preis erhielt Pierre Cosson for seine Studien zur Erforschung der Virulenz

bakterieller Infektionen am Modell des Dictyostelium discoideum, einer im Erd­ reich vorkommenden Amo be*. Er ersetzt damit sehr leidvolle lnfektionsversuche an Mausen und Ratten und liefert gleich­ wertige Informationen zur Pathogenitat bakterieller Krankheitserreger. Die Amo­ be Dictyostelium discoideum bietet ein sehr aussagefiihiges genetisches System, mit dem die komplexen Beziehungen zwischen Bakterien und phagozytieren­ den Zellen analysiert werden konnen. Das System kann for verschiedene Bak­ terien eingesetzt werden ( angefangen hat Cosson rnit Pseudomona aeruginosa) und ist, auch in weniger aufwandig eingerich-

* Literatur zum Dictyostelium Modell: Gosson, P., Zulianello, L., Joint-Lambert, 0. et al. (2002). Pseudomonas aeruginosa virulence analyzed in a Dictyostelium discoideum host system. J. Bact. 184, 3027-3033. Cornillon, S., Pech, E., Benghezal, M. et al. (2000). A member of the 9TM superfamily involved in adhesion and phagocytosis in Dictyostelium. J. Biol. Chem. 275, 34287-34292.

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Auto mitfahren darf. 1st das notig oder ware es besser, wenn er murrend zu Hause bleiben wiirde?" Das tut weh, Herr Deiss, es ist vorstellbar, dass alle Kalber und Schweine lieber murrend zuhause bleiben wurden, als in einem Transporter zum Schlachthof gefahren zu werden. Die Debatte um die Revision des

Schweizerischen Tierschutzgesetzes wird allmahlich zur Farce. Der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzesentwurf enthalt derart gravierende Nachteile for den Tierschutz, dass nahezu alle Tierschutz­ organisationen der Schweiz zur Uber­ zeugung gelangt sind, lieber keine Revision als diese zu akzeptieren (siehe auch www.ffvff.ch). Es zeichnet sich ein Umengang ab, an dem die Schweizerin­ nen und Schweizer entscheiden mussen, ob sie eine Verschlechterung der Situati­ on der Tiere hinnehmen wollen.

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teten Labors, sehr einfach zu handhaben. Den Egon-Naef-Sonderpreis 2004 er­

hielt die Gesellschaft ELASTRAT in Genf. ELASTRAT hat sich auf die Her­ stellung kunstlicher Arterien speziali­ siert. Verschiedene Pathologien konnen mit diesen Arterien simuliert werden, bspw. Aneurismen oder Stenosen. Am Arterienmodell aus transparentem Sili­ kon kann Medizinem die menschliche Anatomie naher gebracht werden. Es konnen Katheter gesetzt oder Krank­ heitsbilder simuliert werden. Sowohl im Bereich der Forschung wie auch in der Ausbildung helfen diese Modelle mit, Tierversuche zu ersetzen.

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NACHRICHTEN ~ _

D/EU: ReProTect - Forschung fur weniger Tierversuche Am Institut fur Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der Tierarztli­ chen Hochschule Hannover (TiHo) wurde im August 2004 ein von der EU gefordertes 3R-Projekt gestartet. Der Projektleiter Heinz Nau kann dafur iiber rund 340.000 € verfiigen. Das Pro­ gramm ,,ReProTect", an dem EU-weit 35 Arbeitsgruppen beteiligt sind, wird in den nachsten drei Jahren mit insgesamt 13,5 Mio. € gefordert. Ziel des Projektes ist es, neue Methoden zur Risikoabschat­ zung von potenziell toxischen Substan­ zen in der Umwelt sowie in Lebensmit­ teln zu entwickeln, die vor allem auf Zellkulturen beruhen. Zur Uberprufung, ob eine Substanz

wahrend der Reproduktion oder auf die Entwicklung der Nachkommen toxisch

wirkt, gibt es noch keine validierten Altemativen zum Tierversuch. Hier setzt das Programm ReProTect an: Es sollen neue Methoden entwickelt werden, die es erlauben, in vitro Toxizitat von Substan­ zen auf die Fruchtbarkeit, die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebar­ mutter (Implantation), den Austausch uber die Plazenta, die embryonale und fatale Entwicklung, sowie die Phase nach der Geburt einschliesslich der Still­ zeit zu testen. Mit den bisherigen in vitro Verfahren

zur Aufdeckung von reproduktionstoxi­ kologischen Effekten konnten nur Substanzen getestet werden, die direkt wirken. Eine Vielzahl von Substanzen wie z.B. verschiedene Lebensmittelkon­ taminanten (Nitrosamine, halogenierte

D: Gericht untersagt Tierversuche Mit einem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Az 11 ZU 3040/03) vom 16. Juni 2004 wird ein Urteil des Verwaltungsgerichts GieBen (Az lOE 1409/03) rechtskraftig. Dieses untersagte einer hessischen Universitat die Durchfiihrung eines Tierversuchspro­ jektes, da es ethisch nicht vertretbar und nicht notwendig sei (ALTEX 20, 4, 284). Die Wissenschaftler der Universitat

wollten Rattenversuche durchfiihren, um Ursachen fiir die beim Menschen beob­ achtete Gewichtszunahme durch ein seit zehn Jahren zugelassenes Antidepressi­ vum zu finden. Hierfur sollten in den Ge­ himen der vorbehandelten und getoteten Ratten Hinweise auf die Mechanismen der Gewichtsregulation bei der Gabe antipsychotisch wirkender Substanzen untersucht werden. Nachdem das zustan­ dige Regierungsprasidium dieses Tier­ versuchsprojekt nicht genehmigt hatte, gelangte die betroffene Universitat ans Gericht. Das Verwaltungsgericht (VG) GieBen bestatigte jedoch die Einschat­ zung des Regierungsprasidiums, dass die Wirkungsweise des Medikamentes hin­ reichend erforscht sei und es ethischen

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Grundsatzen widerspreche, zusatzlich Wirbeltiere zu toten, Das Gericht machte ausdriicklich darauf aufmerksam, dass nach der Aufnahme des Staatsziels Tier­ schutz ins Grundgesetz Genehmigungs­ behorden ein umfassendes Priifrecht hin­ sichtlich der Unerlasslichkeit und ethischen Vertretbarkeit des beantragten Tierversuchs zukommt. Die betroffene Universitat legte gegen

das GieBener Urteil Berufung ein. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) wies nun· die Berufung zuruck. Dem Klager sei es nicht gelungen, die Urteils­ begriindung des VG GieBen zu entkraf­ ten. Er habe sich nicht damit auseinander gesetzt, dass das VG GieBen die Tierver­ suche nicht fur unerlasslich erachtet hat. Insofem sei dessen vorgenommene Abwagung zur ethischen Vertretbarkeit von Versuchen an Wirbeltieren nicht emsthaft in Zweifel zu ziehen. Die Be­ rufung sei auch nicht mit Bezug auf die Entscheidung des Bundesverfassungsge­ richts vom 20. Juni 1994 (,,Berliner Affenurteil") zuzulassen, wonach die Genehmigungsbehorde nur eine Plausi­ bilitatskontrolle durchzufiihren habe.

Kohlenwasserstoffe, heterozyklische aromatische Amine oder einige Mykoto­ xine wie Aflatoxin Bl) mussen aber erst im Organismus verstoffwechselt werden, bevor sie ihre Toxizitat entfalten. Auf­ gabe des ReProTect-Programms ist es daher, Systeme wie Leberzellkulturen zu entwickeln, die es ermoglichen, auch Stoffwechselprodukte der Testsubstan­ zen in die Priifung einzubeziehen. Der pharmazeutischen Industrie soll

so eine Moglichkeit geboten werden, in einem sehr fruhen Stadium schadliche und insbesondere irreversible Nebenwir­ kungen bei der Reproduktion zu erken­ nen, und so die Entwicklung entspre­ chender toxischer Substanzen nicht weiter zu verfolgen.

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Diese Entscheidung - so der Hessische VGH- beziehe sich auf die Zeit vor dem Inkrafttreten der Verfassungsbestim­ mung gemaf Art. 20 a GG. Da sich das VG GieBen zur Begriindung seiner An­ sicht auf die Aufnahme des Staatsziels Tierschutz ins Grundgesetz gestutzt habe, habe es keine Rechtsgrundsatze aufgestellt, die mit entsprechenden, auf der gleichen Grundlage entwickelten Rechtsgrundsatzen des Bundesverfas­ sungsrechts unvereinbar waren, Der Deutsche Tierschutzbund wertet

das nun unanfechtbare Urteil als Durch­ bruch, weist das Gericht doch ausdriick­ lich in seiner Begriindung darauf hin, dass dem Staatsziel Tierschutz Rechnung ge­ tragen werden muss. Antrage auf die Ge­ nehmigung eines Tierversuchsvorhabens mussen daher nun gewissenhaft inhaltlich gepruft und ggf. abgelehnt werden, wenn sie nicht den im Tierschutzgesetz festge­ schriebenen Anforderungen entsprechen. Der Deutsche Tierschutzbund hat alle deutschen Genehmigungsbehorden uber die nun gerichtlich bestatigte neue Rechtslage informiert,

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D: Tiere brauchen einen Anwalt Unter diesem Titel kann auf der Website des Bundesverbands der Tierversuchs­ gegner - Menschen fiir Tierrechte (http:// tierrechte.de) eine juristische Bewertung des Verbandsklagerechts fiir Tierschutz­ organisationen heruntergeladen werden (36 Seiten, pdf). Der Autor Eisenhart von Loeper spricht darin von einem ,,Geburtsfehler" des Tierschutzgesetzes bei der Regelung von Interessenkonflik­ ten. Zu Tierversuchen wird u.a. ausge­ fiihrt: .Auch die Tierexperimentatoren verfolgen meist tierwidrige Interessen. Solange die Vertreter des Tierschutzes nicht eine sachkundige Uberprufung und Infragestellung behi:irdlicher Entschei­ dungen verlangen konnen, wenn ein Tierversuch ihrer Meinung nach nicht

,,unerlasslich" und nicht ,,ethisch ver­ tretbar" ist (§ 7 Abs. 2 und 3 TierSchG), besteht eine verfahrensmaliige Schief­ lage, und eine angemessene Abwagung zwischen Tiernutzung und Tierschutz ist nicht moglich. Mit anderen Worten: Trotz der Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz besteht nach wie vor keinerlei Moglichkeit, selbst grausamste und sinnloseste Tierversuche zu unter­ binden." Auch der Tagungsband des Kieler

Symposiums im Marz 2003 zum Ver­ bandsklagerecht steht auf dieser Web­ site zur Verfiigung ( ebenfalls 36 Seiten, pdf). Er enthalt Beitrage von Detlef Matthiessen (Mitglied des Landtags von Schleswig Holstein, Biindnis90/Die

Grunen), Arnd Heling (Referent fiir Grundsatzfragen im Nordelbischen Kirchenamt), Christof Maisack (Richter am Amtsgericht Bad Sackingen und Mitglied des Arbeitskreises Juristen fiir Tierrechte ), Eisenhart von Loeper (Rechtsanwalt, Sprecher des Arbeits­ kreises Juristen fiir Tierrechte), Karl Fikuart (Veterinardirektor i.R., Fachtier­ arzt fiir offentliches Veterinarwesen), Ingo Ludwichowski (Geschaftsfuhrer N aturschutzbund Deutschland e. V., Landesverband Schleswig-Holstein) und Thomas Bauer (Referent fiir Tier­ schutz im Ministerium fur Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft des Landes Schleswig-Holstein).

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D: Abnahme der Tierversuche im 2003 In deutschen Laboratorien sind 2003 weniger Tiere in Versuchen eingesetzt worden. Waren die Versuchstierzahlen von 2001 mit 2.126.561 auf 2.212.376 irn Jahr 2002 gestiegen, wurden 2003 2.112.341 Tiere erfasst. Das ist ein Riick­ gang von 4,5% gegenuber dem Vorjahr. Mehr Tiere wurden in der Grundlagen­

forschung (850.710 gegeniiber 826.729 im 2002) und in der Ausbildung (41.498 gegentiber 34.093 im 2002) verbraucht. Ein leichter Riickgang der Tierversuche konnte hingegen bei den toxikologischen

Prufungen um 29.290 auf 178.221 ge­ genuber 2002 (207.511) und bei Ver­ suchen zu diagnostischen Zwecken (2003: 15.147 gegeniiber 2002: 50.700) verzeichnet werden. Grundlage der aktuellen Statistik sind

die Angaben nach der Versuchstiermel­ deverordnung von 1999, nach der nun deutlich mehr Tiere erfasst werden als zuvor. Es wurden ab Januar 2000 alle Tiere gezahlt, die zu wissenschaftlichen Zwecken getotet, an denen Gewebe oder Organe entnommen, die zur Herstellung,

Gewinnung, Aufbewahrung oder Ver­ mehrung von Stoffen, Produkten oder Organismen verwendet werden oder zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung dienen. Weitere Infonnationen zur Deutschen

Tierversuchsstatistik konnen der Web­ seite des Bundesministeriums fur Ver­ braucherschutz, Emahrung und Land­ wirtschaft (BMVEL) entnommen werden (http://www.verbraucherministerium.de).

Quelle: Pressemitteilung BMVEL

D: BMVEL verleiht zwei Tierschutz-Forschungspreise Am Welttierschutztag ( 4. Oktober 2004) hat Bundesverbraucherministerin Renate Kunast in Berlin den 23. Tierschutz­ Forschungspreis verliehen. Unter den 16 eingereichten Arbeiten wurden zwei For­ scherteams aus Darmstadt und Braun­ schweig als Preistrager ausgewahlt. Carsten Goebel und Pierre Aeby von

der Abteilung ,,Produktsicherheit Toxiko­ logie" der Wella AG, Darmstadt, haben eine Methode entwickelt, mit der anhand von Zellkulturen potenziell Allergien ver­ ursachende Inhaltsstoffe erkannt werden

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konnen. In diesem Bereich gab es bislang keine tierversuchsfreie Methode. Mit dem von den Forschem entwickelten molekul­ arbiologischen Testverfahren tun sich nun neue Wege auf. Stephan Reichel vom Institut fur Phar­

mazeutische Technologie der TU Braun­ schweig hat sich mit der Prufung der Arzneistoffabsorption am Auge ausein­ ander gesetzt. Bislang wurden dazu Hornhaute von Versuchs- und Schlacht­ tieren benotigt. Der Braunschweiger Forscher hat mit der Geweberekonstruk-

tion menschlicher Hornhaut-Zellkulturen hierzu eine Alternative entwickelt. Kunast betonte in ihrer Erklarung zur

Preisverleihung, die diesjahrigen einge­ reichten Arbeiten dokumentierten, dass mehr und mehr Spitzenforschung in diesem Bereich geleistet werde. Dieser erfreulichen Einschatzung ist lediglich die Hoffnung hinzuzufiigen, dass sie sich auch bis in die Kreise der regulatorischen Behorden und der Grundlagenforschung herumspricht.

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NACHRICHTEN ~ ~~-

D: 24. Ausschreibung des BMVEL Forschungspreises Die rechtlichen Anforderungen zum Schutze der Gesundheit des Verbrau­ chers erfordem nach dem gegenwarti­ gen Stand der Wissenschaft noch irn­ mer Tierversuche bei der Entwicklung, Priifung und Kontrolle von chemi­ schen und pflanzlichen Staffen, insbe­ sondere im Bereich der Arzneimittel, Lebensmittelzusatzstoffe und Bedarfs­ gegenstande, Um die Forschung anzu­ regen, nach Moglichkeiten zur Ein­ schrankung oder zum Ersatz dieser Tierversuche zu suchen, schreibt das Bundesministerium fiir Verbraucher­ schutz, Ernahrung und Landwirtschaft einen Forschungspreis aus. Der Preis ist mit bis zu 15.000 € dotiert. Der Preis wird fiir wissenschaftliche

Arbeiten ausgeschrieben, die einen Beitrag insbesondere zur Weiterent­ wicklung pharmakologisch-toxiko­ logischer Untersuchungsverfahren lei­ sten, wie z.B. zur Bestimmung der akuten, subchronischen und chronischen Toxizitat, der erbgutverandernden,

tumorerzeugenden, fruchtbarkeits- und fruchtschadigenden Eigenschaften sowie der nutzbringenden Wirkungen. In den Arbeiten soll auch auf den biologischen Aussagewert der Ergebnisse fiir den Menschen eingegangen werden. Die Bewerber werden gebeten, nur zur

Publikation akzeptierte Arbeiten oder veroffentlichte wissenschaftliche Arbei­ ten oder wissenschaftliche Publikatio­ nen, deren Veroffentlichung nicht langer als zwei Jahre zuriickliegt, bis zum 31. Marz 2005 an das

Bundesministerium fiir Verbraucher­ schutz, Emahrung und Landwirtschaft Referat 321 RochusstraBe 1 D-53123 Bonn

in achtfacher Ausfertigung (einschliels­ lich der Anlagen) einzureichen. Sparer eingehende Bewerbungen werden nicht beriicksichtigt. Poster und Zusammen­ fass ungen werden nicht akzeptiert.

Die Arbeit muss in deutscher oder englischer Sprache abgefasst sein. Bei umfangreicheren Unterlagen wird um eine Zusammenfassung des Inhaltes gebeten. Eine Begriindung der Rele­ vanz fur den Tierschutz ist beizufiigen. Eine Ruck-sendung der eingereichten Unterlagen erfolgt nicht. Die Vergabe des Preises erfolgt auf

Vorschlag eines unabhlingigen Preis­ kuratoriums. Eine Aufteilung des Preises auf mehrere Preistrager bleibt vorbehalten. Ein Anspruch auf Preis­ verleihung besteht nicht. Bereits mit einem Tierschutzpreis ausgezeichnete oder zu diesem Zweck eingereichte Unterlagen sind kenntlich zu machen.

Bonn, den 7. Oktober 2004 Bundesministerium fur Verbraucher­ schutz, Ernahrung und Landwirtschaft ImAuftrag Dr. Polten

D: Felix-Wankel-Tierschutz-Forschungspreis 2004 Das Kuratorium Felix-Wankel-Tier­ schutz-Forschungspreise zeichnet in diesem Jahr Jean-Marie Buerstedde, den Direktor des GSF-Instituts fur Mole­ kulare Strahlenbiologie in Miinchen­ Neuherberg, fur seine Arbeiten zur Etablierung der Hiihner Zelllinie DT40 als genetisches Modellsystem aus. Die Arbeiten von Buerstedde konnten

dazu beitragen, den in den letzten Jahren erfolgten Wiederanstieg der Ver­ suchstierzahlen abzubremsen. Gentech­ nisch veranderte Versuchstiere, fast aus­ nahmslos Manse, haben die Tierzahlen in der Grundlagenforschung erheblich erhoht, Um die Funktionen von vielen neu entdeckten Genen aufzuklaren, werden oft Mausstamme hergestellt, in denen die Gene durch homologe Rekombination zerstort sind (sogenann­ te ,,knock-out" Manse). Im Prinzip kann die Funktion vieler Gene jedoch auch

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in Zellkulturexperimenten untersucht werden. Allerdings eignen sich humane Zelllinien aufgrund ihrer geringen Rekombinationsaktivitat nur bedingt, wahrend sich, wie Buerstedde zeigen konnte, Gen-knock-outs in DT40 Zellen sehr einfach durchfiihren lassen. Daher setzen heute viele Labors diese Zelllinie erfolgreich fur die Untersuchung von einzelnen Genen und genetischen Netz­ werken ein. DT40 Zellen werden wohl nicht alle

.Jcnock-out" Experimente mit Tieren ersetzen konnen, da die Genfunktionen im Zusammenhang mit komplexen Krankheiten nicht vollstandig in Zell­ kulturen aufklarbar sind. Dennoch haben die Arbeiten mit DT40 Zellen da­ zu gefiihrt, dass knock-outs in Mausen nicht mehr automatisch als einzig sinn­ volle Experimente in Angriff genom-. men werden.

Den Festvortrag zur Preisverleihung halt Kay Brune, Inhaber der Doeren­ kamp- Professur fiir Innovationen im Tier- und Verbraucherschutz an der Universitat Erlangen Niirnberg uber das Thema ,,Gentechnologie: Fluch oder Segen fur den Tierschutz?", Der Felix-Wankel-Forschungspreis

wurde 1972 gestiftet und wird in der Regel jahrlich <lurch die Ludwig-Maxi­ milians-Universitat Miinchen verliehen. Mit ihm sollen in erster Linie Arbeiten ausgezeichnet werden, ,,deren Ziel bzw. Ergebnis es ist, Versuche am und mit dem lebenden Tier zu ersetzen oder einzuschranken und die dem Tierschutz­ gedanken allgemein dienlich und forder­ lich sind". Siehe auch Ausschreibungs­ text fiir 2005 in diesem Heft. Die Zurcher ALTEX-Redaktion gratu­

Iiert Jean-Marie Buerstedde aufs herz­ lichste zum Preis.

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D: Ausschreibung fiir den Felix-Wankel­ Tierschutz-Forsctiungspreis 2005

Der Felix-Wankel-Tierschutz-For­ schungspreis wird in der Regel jahrlich fur hervorragende, experimentelle und inuovative wissenschaftliche Arbeiten verliehen, deren Ziel bzw. Ergebnis es ist, Tierversuche zu ersetzen oder ein­ zuschranken, den Tierschutz generell zu fordem, die Gesundheit und artgerechte Unterbringung von Versuchstieren zu gewahrleisten oder die Grundlagen­ forschung zur Verbesserung des Tier­ schutzes zu unterstiitzen.

Der Preis ist mit maximal 30 000 EURO dotiert.

Eine Aufteilung des Preises auf meh­ rere Preistrager ist moglich. Vorschlags­ berechtigt sind wissenschaftliche Insti­ tutionen und Fachgesellschaften. Vor­ geschlagen werden konnen Personen und Gruppen, die in der Forschung irn In- oder Ausland tatig sind. Die Arbei­ ten sollen neueren Ursprungs sein und

eigene Forschungsergebnisse enthalten. Sie miissen im Druck vorliegen oder zur Publikation geeignet sein. Bereits ander­ weitig mit einem Tierschutzpreis ausge­ zeichnete Arbeiten werden in der Regel nicht beriicksichtigt. Eigenbewerbungen oder Vorschlage durch Koautoren sind nicht moglich. Mit dem Vorschlag miissen die Arbeiten

in dreifacher Ausfertigung eingereicht werden. Von den Arbeiten ist zusatzlich eineZusammenfassung in deutscher Spra­ che vorzulegen. Ein Exemplar der vorge­ legten Arbeiten bleibt bei den Akten des Kuratoriums. Die Vorschlage mit den Arbeiten mus­

sen bis 31. Januar 2005 beim Dekanat der Tierarztlichen Fakultat der Ludwig­ Maximilians-Universitat Munchen vor­ liegen. Uber die Zuerkennung des Preises entscheidet das Kuratorium des Felix - Wankel-Tierschutz-Forschungspreises; sie erfolgt unter Ausschluss des Rechts­ weges.

Informationen zum Felix-Wankel­ Tierschutz-Forschungspreis auch im Internet uber: www.Irz-muenchen.de/ -Imhyg.vetmed/taef-aktuell.htm

Weitere Auskiinfte erteilen: Das Dekanat der Tierarztlichen Fakultat der Ludwig-Maximilians­ Universitat, Veterinarstr, 13, D-80539 Miinchen (Tel. +49-89-2180 2512, Fax +49-89-349 799, E-Mail: [email protected] ), bzw. Dietmar Schmidt, Ludwig­ Maximilians-Universitat Miinchen, Pach 217, Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 Munchen (Tel. +49-89-351 88 82, Fax +49-89-35 73 20 74, E-Mail: [email protected] ).

D: In vitro Screeningsystem fur Priifung von Nervenmedikamenten Rostocker Forscher haben in Zusammen­ arbeit mit Industriepartnern ein neuarti­ ges in vitro Screeningsystem entwickelt, das die Wirksamkeitspriifung von Ner­ venmedikamenten vereinfachen soll. Das Herzstiick des Systems sind Mikrosen­ sorchips, auf welchen sich lebende Nervenzell-Netzwerke befinden. Diese Nervenzell-Netzwerke zeigen typische Aktivitatsmuster sowohl im Ruhezustand als auch als Reaktion auf Substanzzuga­ ben. So zeigt sich z.B. die Wirkung der

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getesteten Medikamente sofort am ver­ anderten Kommunikationsverhalten. ,,NeuroSensorix kann Tierversuche in

der Pharmaentwicklung ersetzen", so Dieter G. Weiss, Zellbiologe an der Uni­ versitat Rostock. Das System hat aber noch andere Vorteile; die Ergebnisse sind schnell verfiigbar und ausserst exakt. Letzteres sei auch auf die hohe Standar­ disierung der Testbedingungen zuriick­ zufiihren, wie Ralf Ehret vom Projekt­ partner Bionas GmbH erganzt.

Die aus der Universitat Rostock ge­ grundete Firma Bionas GmbH bietet jetzt der Pharmaindustrie Serviceleistungen in der Wirkstofftestung an. ,,Wir haben sch on diverse Anfragen", zeigt sich Dieter Weiss zufrieden. ,,Das macht die nachsten Schritte des Projekts moglich, denn im Endeffekt wollen wir ein komplettes System entwickeln: Kunden freundlich zu bedienen, von der Sub­ stanzzugabe bis zur Datenauswertung."

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F: SkinEthic geht an die Borse SkinEthic, die in Nizza beheimatete Firma, - den ALTEX-Lesem durch die SkinEthic-Workshops bekannt - ist seit dem 16. Juli 2004 an der Borse kotiert. Die Firma konnte mit ihren rekonstituier­ ten menschlichen Haut- und Gewebe­ modellen im Jahr 2003 1,63 Millionen € umsetzen, im Jahr 2004 soll eine Steige­ rung um 14,5% erfolgen. Die 1992 von

Martin Rosdy gegriindete Firma bereitet zur Zeit neue Modelle vor, unter anderem solche ftir Hautkrankheiten und dreidi­ mensionales humanes Lebergewebe. Vor allem im Hinblick auf das 2009

in der EU zu erwartende Verbot von Tier­ versuchen ftir Kosmetika erfolgt der Borsengang von SkinEthic taktisch ge­ sehen zu einem idealen Zeitpunkt. Mit

UK: GlaxoSmithKline reduziert Tierversuche drastisch Bis anhin wurden die Auswirkungen von Chemikalien am Arbeitsplatz im Tier­ versuch erfasst und untersucht. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und ethi­ sche Bedenken gegenuber dem Einsatz von Tieren in toxikologischen Versuchen haben die pharmazeutische Firma Gla­ xoSmithKline bewogen, sich weg vom Tierversuch, altemativen Methoden zu­ zuwenden, ohne dabei den Arbeitsschutz zu gefahrden. Im J ahre 2003 wurden Anstrengungen unternommen, den Ein­ satz von Tieren in der Beurteilung der Gefahr, die von Chemikalien ausgeht, zu minimieren. • In einem breit angelegten Projekt mit dem Ziel, Altchemikalien auf ihr schadli­ ches Potenzial zu testen, konnte mit Hilfe von Computerstrukturanalysen und altemativen Methoden das Haut und

Augen schadigende Potenzial von Sub­ stanzen abgeschatzt werden. Mit diesem Ansatz konnte die Anzahl Kaninchen um 67% gesenkt werden. • Im Gegensatz zu fruheren J ahren wurden keine Meerschweinchen mehr fur die Prufung von Chemikalien auf Haut allergenes Potenzial eingesetzt. • In einer umfassenden Studie wurde kultiviertes humanes Haut- und Augen­ gewebe Chemikalien ausgesetzt und untersucht. Die Ergebnisse sind vielver­ sprechend, und es kann davon ausgegan­ gen werden, dass mit diesen Modell­ systemen die Anzahl Tiere in den Ver­ suchen weiter reduziert werden kann. Bei der Abschatzung der Gefahrdung

des Potenzials von Chemikalien hat sich fur GlaxoSmithKline ein stufenweises Vorgehen bewahrt. Dieses wird mit einer

L: Anny Eck-Hieff-Preise 2004 In Luxemburg wurden am 13. November von der F.l.S.E.A. (Fondation Internatio­ nale pour la Substitution de L' Experimen­ tation Animate) die diesjahrigen ,,Anny Eck-Rieff' Preise vergeben. In diesem Jahr wurden keine Arbeiten pramiert, statt <lessen wurden zwei Wissenschaftler fur ihren Einsatz im Bereich der Altemativ­ methoden zu Tierversuchen im Sinne der 3R ausgezeichnet.

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Mit dem Hauptpreis von 10.000 € wur­ de Johannes Doehmer, Grunder der ,,Gen­ Pharm'Iox" in Martinsried/Munchen, aus­ gezeichnet. Doehmer hat verschiedene in vitro Screening Systeme zur Priifung von Arzneimittelsubstanzen entwickelt. Diese Hochdurchsatz-Systeme erlauben es, in­ nerhalb einer Woche Tausende von Sub­ stanzen zu testen und helfen mit, Tierver­ suche zu reduzieren.

den Produkten von SkinEthic werden nicht nur Tierversuche ersetzt, sondem auch praklinische Studien am Menschen. Gro!3e Pirmen wie Safepharm, Glaxo­ SmithKline, Novartis, Pfizer und John­ son & Johnson arbeiten bereits sehr erfolgreich mit SkinEthic-Produkten.

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Suche in Literaturdatenbanken einge­ leitet. Zudem werden Computerstruktur­ analysen zur Vorhersage moglicher Effekte durchgeftihrt. Die erste Stufe wird mit einer Beurteilung der chemi­ schen Parameter abgeschlossen. Das Gefahrdungspotenzial vieler Stoffe kann mit diesen ersten Untersuchungen bereits erfasst werden. Falls unzureichende Informationen vorhanden sind, werden in einer zweiten Stufe Zell- und Gewebe­ kulturen sowie bakteriologische Modelle eingesetzt. Chemikalien, die in grossen Mengen produziert werden, miissen im Tierversuch getestet werden. Auch in diesen Fallen werden alternative Me­ thoden eingesetzt, so dass mit einer redu­ zierten Tierzahl gearbeitet werden kann.

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Ein Anerkennungspreis, dotiert mit 2500 €, wurde Evelyne Friederich, Leiterin des Labors fur molekulare Zell­ biologie und Genomforschung, Centre de Recherche Public-Sante in Luxem­ burg, uberreicht, Frau Friederich er­ forscht die zellularen und molekularen Mechanismen von Krebserkrankungen.

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TR: Die Ti.irkei hat ein Tierschutzgesetz Die Grosse Nationalversammlung verab­ schiedete am 1. Juli 2004 erstmals in der Geschichte der Ttirkei ein Tierrechte- und Tierschutz-Gesetz; auch der Prasident hat dem Gesetz bereits zugestimmt. Dies ist sicher ein grosser Schritt fur die Ttirkei und vor allem fur die Tiere, die dort in Not sind. Es gibt jedoch grosse Lucken im Gesetz, die moglichst schnell geschlossen werden mtissen. Es werden zwar einige Ordnungswidrigkeiten und Gesetzesver­ stoBe mit Mindeststrafen belegt, aber es gibt keinerlei Ansatzpunkte, was z.B. rnit minderjahrigen Straftatern geschehen soll (z.B. psychologische Betreuung, Thera­ pie, Rehabilitationsmassnahmen fur Kind

und Familie). Greueltaten an Tieren <lurch Kinder scheinen in der Ttirkei ein ganz spezielles Problem zu sein. Die Ttirkische Regierung hat auf jeden

Fall sehr schnell auf eine TAIEX-Bot­ schaft (Technical Assistance Information Exchange Office, in dieser Behorde wer­ den die EU-Beitrittskandidaten speziell betreut) von 2001 und die im Oktober 2002 erfolgte Anregung der Europai­ schen Kommission reagiert, ein Projekt zur Verstarkung der Veterinarkontrollen, der Tiergesundheit und des Tierschutzes zu lancieren. Das Gesetz entspricht im groBen und ganzen bereits dem EU­ Standard; besonderer Wert wird auf die

Sterilisierpflicht bei streunenden Tieren gelegt. Die Regulierung von Tierver­ suchen wird dagegen eher noch als Grau­ zone gesehen. Auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist noch unklar. Dies kann durchaus noch zwei J ahre dauem. Voller Freude tiber das erste ttirkische

Tierschutzgesetz hat die SED (Sosyal Sorumluluk Egitim Dernegi or Society for the Education of Social Responsibili­ ties) am 2. Oktober 2004 in Istanbul ein groBes Fest organisiert. Weitere Informa­ tionen konnen bei der Prasidentin der SED, Yuli Weston unter der E-Mail [email protected] erfragt werden.

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USA: Versuchskaninchen aus Silizium Amerikanischen Wissenschaftlem ist es gelungen, Organe auf einem Silizium­ Chip nachzubilden. Die Erfindung geht auf Michael Shuler von der Cornell Uni­ versitat zurtick und soll in Zukunft mithel­ fen, Tierversuche im Bereich der Arznei­ rnittelforschung drastisch einzuschranken, Derzeit existiert keine schnelle und ver­ lassliche Methode, mit der sich vorhersa­ gen lasst, ob ein neuartiger Arzneimittel­ Wirkstoff schadliche Nebenwirkungen haben wird. Tierversuche sind dafiir im­ mer noch die einzige Option. Obwohl

heute der Einsatz von Zellkulturen for das Screening neuer Substanzen zur Routine geworden ist, lassen diese nur eine un­ genaue Vorhersage tiber die Wirkung im gesamten Organismus zu. Der Silizium-Chip besteht aus winzi­

gen Kammem aus Glasrohren, die mit lebenden Zellen ausgekleidet sind - diese stellen einzelne Organe dar und konnen mit Nahrflussigkeit durchstrornt werden. Hinzugefugte Wirkstoffe zirkulieren <lurch den Chip, dabei konnen die Ver­ stoffwechselung der Wirkstoffe sowie

die mogliche Entstehung von giftigen Abbauprodukten getestet werden. Mit Hilfe des nur Daumennagel

groBen Chips konnten Pharmaunter­ nehmen neue Medikamente schon bald auf Nebenwirkungen testen. Einzelne Organe wurden bereits auf Chips nach­ geahmt - mittlerweile wird auch an kom­ pletten Tier-Chips gearbeitet. Beladen mit lebenden Zellen, ahmen sie den gesamten Stoffwechsel von Labortieren nach.

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RUS: Erstmals Sendung i.iber Alternativmethoden im russischen Fernsehen Am 16. September 2004 tibertrug der russische TV-Sender ORT eine Talkshow unter dem Motto ,,Sie sind am Leben!". Thema waren Tierversuche und humane Altemativen dazu. Erstmals wurden Filme und Fotos von Tierversuchen ge­ zeigt und so der Bevolkerung in ganz Russland die Moglichkeit gegeben, sich eine Vorstellung von dem zu machen, was in den staatlichen Betrieben und Universitaten bisher eher unter Aus­ schluss der Offentlichkeit geschieht. Im Mittelpunkt der Sendung stand der Moskauer Student Roman Belousov, der vor laufender Kamera erklaren konnte,

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warum er sich weigert, an Tierversuchen teilzunehmen. Lena Maroueva und Irina Novozhilova von VITA und der russischen Sektion von InterNICHE (s. ALTEX 4/2003) verwiesen auf die bestehenden Moglichkeiten, in der bio­ medizinischen Ausbildung ohne Tier­ versuche auszukommen; ihnen standen ein Moskauer Wissenschaftler, ein Professor fur Bioethik und ein Anwalt for Tierrechte bei. Professoren der Moskauer Staatsuniversitat, weitere Wis­ senschaftler und eine Stierkampferin (!) versuchten, die Argumente des Tier­ schutzes zu widerlegen, meist erfolglos.

Die Sendung geht auf eine Presse­ konferenz von VITA im Juni 2004 zuriick, wahrend der der Sender ORT sein Interesse am Thema bekundete. VITA und InterNICHE waren auch an der Vorbereitung beteiligt, sie wahlten die Vertreter des Tierschutzes aus und stellten das Filmmaterial zur Verftigung. Fiir Russland hat eine solche Sendung

besondere Bedeutung. Die Offentlichkeit hat bisher keinerlei Informationen tiber Tierversuche und bestehende Altemati­ ven. Von tiber 100 Ausbildungsstatten in Biologie, Tier- und Humanmedizin, die von VITA angeschrieben wurden, haben

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NACHRICHTEN/TAGUNGSBERICHTE ~ _

bisher gerade drei Fakultaten reagiert und sich bereit erklart, Alternativen in der Ausbildung zu testen. VITA und InterNICHE haben auch ein Buch in russischer Sprache herausgegeben: ,,Sind Tierversuche in der Ausbildung zu recht­ fertigen?" In dem Buch werden An­ leitungen und Hinweise gegeben, wie man Professoren davon tiberzeugen kann, auf Tierversuche in der Ausbildung zu verzichten. Es enthalt auch einen

Artikel der Ukrainischen Staatsuniver­ sitat in Kiew, an der erfolgreich humane Alternativen zu Tierversuchen eingeftihrt wurden. Kontaktadresse: ,,VITA", Rus-115191 Moskau, Mytnaya 62-93; E-Mail: maroueva-reijngoudt. [email protected]; von dieser Adresse kann auch der kosten­ lose vierteljahrliche Infobrief von VITA angefordert werden.

Die Aktionen von VITA und InterNICHE werden untersttitzt von der IAAPEA (Inter­ national association against painful ex­ periments on animals, GB-Hayling Island, www.iaapea.com) und dem FFVFF (Fonds fur versuchstierfreie Forschung, Zurich, www.ffvff.ch).

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Tierversuche in nichtmedizinischen Bereichen Olten, 2.9.2004, 4. Tierversuchstagung des STS

Norma Schenkel von der Fachstelle Gentechnologie/Iierversuche des Schwei­ zer Tierschutz (STS, Basel), die Organi­ satorin der Tagung, fuhrte in einem einleitenden Referat die uber 50 aus Tier­ schutz, Behorden und Forschung stam­ menden Gaste in die Problematik der Chemikalienprtifung ein. Erst seit 1982 werden alle neu auf den Markt kommen­ den chemischen Stoffe systematisch auf ihre Gefahrlichkeit hin uberprtift. Ca. 99% der Stoffe sind jedoch bereits langer auf dem Markt; diese sollen nun nachtraglich in einem aufwandigen Programm der EU gepriift werden. Etwa 10 Millionen zusatzliche Versuchstiere wurden zu diesem Zweck gebraucht. Die Ergebnisse aus diesen Versuchen konn­ ten jedoch nur sehr bedingt auf den Menschen iibertragen werden, eine Si­ cherheitsgarantie fur Konsumenten er­ gabe sich aus diesen Tierversuchen noch lange nicht. Unverstandlicherweise for­ dere der EU-Gesetzesentwurf keinen konsequenten Verzicht auf Tierversuche auch in den Fallen, in denen bereits Alternativen vorhanden und anerkannt waren. Auch konnten unterschiedliche Lander immer noch unterschiedliche Anforderungen an die Prtifmethoden stellen, trotz der vorgesehenen zentralen Behorde in Helsinki. Es sei zu beftirch-

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ten, <lass Behorden aus ubertriebenem Sicherheitsdenken weiterhin den Tier­ versuch als Standard einsetzen und die Tiere bei der Guterabwagung keine faire Chance erhielten. Horst Spielmann (ZEBET im BfR,

Berlin) stellte Alternativen vor, die im Rahmen des REACH-Programmes der EU zur Anwendung kommen konnten (REACH = registration, evaluation and authorisation of chemicals). Von den ca. 100.000 Altstoffen wurden ca. 30.000 Stoffe in einer Menge von Uber 1 t/Jahr produziert, nur diese mussten getestet werden. Dies sei jedoch in der Grund­ stufe in erster Linie <lurch in vitro Methoden zu bewaltigen. Die Beweislast im REACH-Programm sei umgekehrt worden, die Verantwortung for die Unge­ fahrlichkeit eines Stoffes lage nun bei der Industrie. Die Behorden konnten bei der Nichtvorlage von toxikologischen Daten ein Vermarktungsverbot verhan­ gen. Gefahrstoffe mit karzinogenen, mu­ tagenen und reproduktionstoxischen Ei­ genschaften (sog. CMR Stoffe) bediirften kiinftig einer behordlichen Zulassung, alle anderen Stoffe mussten lediglich an­ gemeldet werden. Im Gegensatz zu bis­ herigen Prufrichtlinien musse die Expo­ sition, also die Wahrscheinlichkeit, mit der Substanz in Kontakt zu kommen, der

entscheidende Parameter sein, d.h. nicht mehr wie bisher lediglich die Produkti­ onsmenge. Diese Abkehr vom bisherigen vermarktungsabhangigen Prufumfang sei aus wissenschaftlicher, finanzieller und aus tierschutzerischer Sicht zu begrtis­ sen. Inzwischen habe das EU-Zentrum for die Validierung von Alternativmetho­ den (ECVAM, I-Ispra) detaillierte Emp­ fehlungen for die Entwicklung und Vali­ dierung neuer in vitro Toxizitatstests publiziert. Dabei haben Prufungen auf lokale Reizwirkungen an Haut und Schleimhauten hochste Prioritat, beson­ ders im Hinblick auf den in 10 Jahren angestrebten vollstandigen Verzicht in der EU auf Tierversuche bei Kosmetika. Auch die Entwicklung tierversuchsfreier Methoden in der Reproduktionstoxikolo­ gie bilde einen Schwerpunkt, da gerade solche Daten bei den ,,Altstoffen" kaum vorlagen. ZEBET hat dazu einen Em­ bryonalen Stammzelltest (EST) ent­ wickelt (mit Stammzelllinien der Maus), mit dem stark embryotoxische Stoffe in einer internationalen Validierungsstudie in vier Laboratorien korrekt identifiziert werden konnten. In ihrem Referat ,,Tierversuche zum

Schutz der Tiere: Beispiel Kosmetika" schilderte Margret Schlumpf vom Insti­ tut for Pharmakologie und Toxikologie

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