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http://product-life.org - [email protected] Walter R. Stahel, Chancen der Unternehmer in der ökologischen Produktinnovation - 1 - website http://product-life.org e-mail [email protected] Ökologische Produktinnovationen durch Integrierte Produktpolitik 29. 11. 2004 in Hambug Chancen der Unternehmer in der ökologischen Produktinnovation Walter R. Stahel 1 1. Die historischen fünf Säulen der Nachhaltigkeit Die ersten zwei Säulen der Nachhaltigkeit, Naturschutz und menschliche Gesundheit, können effizient durch Gesetze beeinflusst werden. Eine höhere Ressourcenproduktivität hingegen ist nur durch Kreativität lösbar - und Innovationen sind das tägliche Brot aller wirtschaftlichen Akteure. DIE FÜNF SÄULEN DER NACHHALTIGKEIT Nachhaltigkeit ist ein mehrdimensionaler und vernetzter Begriff, der auf mehreren Säulen ruht, die hier in schlagwortartig skizziert seien: 1. Naturschutz, oder die lebensunterstützende Funktion der Natur 2. Gesundheit und Sicherheit (Toxikologie) die qualitative 'chemische’ Ecke des Umweltschutzes - NANOGRAMM 1. Zäsur : Vom Umweltschutz zur höheren Wettbewerbsfähigkeit 3. Ressourcenproduktivität (Stoff- + Energieströme): die quantitative Ecke des Umweltschutzes, für den Menschen als Problem kaum wahrnehmbar ('geruchlos und nicht giftig') - MEGATONNEN 2. Zäsur : Von der zukunftsfähigen Wirtschaft zur zukunftsschaffenden Gesellschaft 4. Soziale Ökologie: Demokratie, Menschenrechte, sinnvolle Arbeitsplätze. 5. Kulturelle Ökologie: Kultur ist regional und divers. Soziale Ökologie und Kulturelle Ökologie der Nachhaltigkeit sind nach Kulturen unterschiedlich definiert ! Holzkugelschreiber, Heuschrecken. 1 Gründungsdirektor des Insituts für Produktdauer-Forschung, Genf, Lehrbeauftragter für die ‚Performance Gesellschaft’ an der université des technologies de Troyes

Chancen der Unternehmer in der ökologischen Produktinnovation€¦Increasescustomer satisfaction. . . Higher quality, lower cost, on time . . . Increasescustomer satisfaction Lost

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Ökologische Produktinnovationen durch Integrierte Produktpolitik

29. 11. 2004 in Hambug

Chancen der Unternehmer in der ökologischen Produktinnovation Walter R. Stahel 1

1. Die historischen fünf Säulen der Nachhaltigkeit Die ersten zwei Säulen der Nachhaltigkeit, Naturschutz und menschliche Gesundheit, können effizient durch Gesetze beeinflusst werden. Eine höhere Ressourcenproduktivität hingegen ist nur durch Kreativität lösbar - und Innovationen sind das tägliche Brot aller wirtschaftlichen Akteure.

DIE FÜNF SÄULEN DER NACHHALTIGKEIT

Nachhaltigkeit ist ein mehrdimensionaler und vernetzter Begriff, der auf mehreren Säulen ruht, die hier in schlagwortartig skizziert seien:

1. Naturschutz, oder die lebensunterstützende Funktion der Natur

2. Gesundheit und Sicherheit (Toxikologie) die qualitative 'chemische’ Ecke des Umweltschutzes - NANOGRAMM

1. Zäsur : Vom Umweltschutz zur höheren Wettbewerbsfähigkeit

3. Ressourcenproduktivität (Stoff- + Energieströme): die quantitative Ecke des Umweltschutzes, für den Menschen als Problem kaum wahrnehmbar ('geruchlos und nicht giftig') - MEGATONNEN

2. Zäsur : Von der zukunftsfähigen Wirtschaft zur zukunftsschaffenden Gesellschaft

4. Soziale Ökologie: Demokratie, Menschenrechte, sinnvolle Arbeitsplätze.

5. Kulturelle Ökologie: Kultur ist regional und divers.

Soziale Ökologie und Kulturelle Ökologie der Nachhaltigkeit sind nach Kulturen unterschiedlich definiert ! Holzkugelschreiber, Heuschrecken.

1 Gründungsdirektor des Insituts für Produktdauer-Forschung, Genf, Lehrbeauftragter für die ‚Performance

Gesellschaft’ an der université des technologies de Troyes

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Diese fünf Säulen lassen sich auch als ‚Tempel einer nachhaltigen Gesellschaft’ darstellen; ohne ein solides Fundament ist aber die Frage der verminderten Ressourcenströme obsolet!

2. Die Strategie der 1990erJahre – Die Dinge richtig tun – die Ökologisierung der Idustriegesellschaft (the greening of the industrial economy) bis zum Verkaufspunkt

Abbildung : Die lineare Struktur der industriellen Wirtschaft (oder 'Flußwirtschaft’)

Quelle: Stahel, Walter und Reday, Geneviève (1976/1981) Jobs for Tomorrow, the potential for substituting manpower for energy; Bericht für die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel/Vantage Press, N.Y.

Die Ökologisierung der Industriegesellschaft ist gekennzeichnet durch Abfallvermeidung in der Produktion, industrielle Ökologie (des Einen Abfall ist des Anderen Rohstoff) und geschlossene (Wasser-) Kreisläufe. Diese Strategien sind geld- und ressourcenschonend und bringen zudem eine höhere Kundenzufriedenheit, sofern der gesamte ‚Qualitäts-Eisberg’ angepackt wird ! (GE Six Sigma )

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Gleichzeitig mit der Ökologisierung der Produktion wurden auch die Gestaltungskonzepte ökologisch durchdacht. Systembauweisen (wie Platform-Konzepte in der Automobilindustrie) und die Verwendung von standardisierten Komponenten brachten tiefere Fertigungskosten.

Die Möglichkeiten im Bereich der Ressourcenschonung, welche diese ökologischere Produktgestaltung eröffnet, blieben aber weitgehend ungenutzt: eine Kreislaufwirtschaft auf Güter- und Komponentenebene (durch Reparatur, Aufarbeitung, technologisches Hochrüsten) wird als wirtschaftsschädigend angesehen; eine Kreislaufwirtschaft auf Molekülebene (durch z.B. eine Depolimerisation von Kunststoffen) ist bei den heutigen Rohstoffpreisen kaum wirtschaftlich.

Auch die Chancen einer umweltschonenderen Nutzung der Produkte, wie Strategien des ‚Gemeinsam nutzen statt einzeln verbrauchen’ 2, konnten sich gegen die Konsumgesellschaft nur in Einzelfällen, wie ‚Mobility’ (car sharing), durchsetzen.

2 IFG (ed.)(1993) Gemeinsam nutzen statt einzeln verbrauchen; Bericht über das internationale. Forum für

Gestaltung Ulm 1992, Hoschule Ulm, Intendanz Stahel Walter R., und Gomringer, Eugen; Anabas Verlag, Giessen, ISBN 3-87038-252-X.

6Six Sigma will Attack the Entire “Iceberg”

. . . Higher quality, lower cost, on time . . . Increases customer satisfaction

. . . Higher quality, lower cost, on time . . . Increases customer satisfaction

Lost Lost Lost Lost OpportunityOpportunityOpportunityOpportunity

ScrapRework

InspectionWarranty

Rejects

Lost Sales

Late Delivery

Engineering Change Orders

Long Cycle Times

Expediting Costs Excess Inventory

Traditional Quality Costs

Hidden Quality Costs

(Easily Identified)

(Difficult to measure)

Lost Customer Loyalty

More Setups

Customer Satisfaction

FMI’s

Hospital Productivity Loss Lengthy Installs

Employee Morale, Productivity, Turnover

T&L

Overtime

Late Product Introduction

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TAFEL : Die 12 Tatsachen des Öko-Designs, 12 facts of ecological design - IDSA3, Innovation Special 1992

1. mache Produkte dauerhaft. 2. mache Produkte leicht reparierbar. 3. gestalte Produkte, dass sie aufarbeitbar sind. 4. gestalte Produkte, damit sie wiederverwendbar sind. 5. brauche rezyklierte Materialien. 6. brauche Materialien, welche leicht rezyklierbar sind. 7. mache es leicht, rezyklierbare und nicht-rezyklierbare Komponenten zu trennen. 8. vermeide toxische oder problematische Komponenten in einem Produkt, oder gestalte sie

so, dass sie leicht getrennt und entsorgt werden können. 9. schaffe Produkte mit einer höheren Energie/Ressourcenproduktivität. 10. verwende Produkt-Design als Umwelterziehnung. 11. gestalte Produkte so, dass sie in der Nutzung keine Sekundärabfälle schaffen. 12. ändere den Produkt-Design, um Verpackungen zu vermindern und vermeiden.

Aber der Designer ist nicht der Nutzer! Öko-Design bewirkt nicht unbedingt eine umweltbewusste Nutzung der Güter, recyclinggerechtes Design bedeutet nicht unbedingt ein Recycling am Ende des Produktlebens, die Gestaltung von reparierbaren Produkten heisst nicht, dass sie repariert werden.

3. Die Strategie des 21. Jahrhunderts : Die richtigen Dinge tun – integrierte Lösungsansätze über das gesamte Produktleben und ihre Folgen (die Performance Wirtschaft)

Die Wirtschaft als Ganzes und jeder einzelne Unternehmer müssen sich heute der Beantwortung von drei Fragen stellen:

3.1 Wie lässt sich wirtschaftliches Wachstum vom Ressourcenverbrauch abkoppeln?

3.2 Was ist ein ‚Produkt’?

3.3 Systemlösungen und Produktlösungen – welcher Lösungsansatz mit welcher Verantwortung ist optimal? Wer gewinnt?

3 IDSA Industrial Designer Society of America, Innovation Special 1992

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3.1 Ein Wirtschaften in Kreisläufen – profitable Anti-Globalisierung

Abbildung : Die Schließung der Kreisläufe in einer selbsterneuernden, nachhaltigeren Dienstleistungswirtschaft (oder "Seen"-wirtschaft) und die Konfliktpunkte zwischen den Kreisläufen und der linearen Wirtschaft

Quelle: Stahel, Walter und Reday, Geneviève (1976/1981) Jobs for Tomorrow, the potential for substituting manpower for energy; Bericht für die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel/Vantage Press, N.Y.

Die neue Schlüsselfähigkeit der Produkte sind die Anpassbarkeit an den technischen Fortschritt sowie an Änderungen der Nutzeranforderungen. Langlebige Produkte sind nicht aus Beton gebaut, sondern aus Legosteinen !

Beispiele für Kreislauffähige Güter sind ‚Wegwerfkameras’, Flugzeuge und –komponenten, Grosscomputer.

Was bedeutet aber eine längere Nutzungsdauer von Gütern für die Wirtschaft?

Durch Aufarbeitung statt Fertigung lässt sich das wirtschaftliche Wachstum vom Ressourcenverbrauch abkoppeln!

Beispiel Wiederaufbereitung und Resterilisation von Einweg-Medizin Produkten durch die Vanguard AG Berlin (Wiederaufbereitung von Herzkathedern) 4: Seit der Aufnahme der Tätigkeit von Vanguard als unabhängiger Dienstleister sind die Preise für neue Herzkatheder massiv gefallen.

Beispiel Toyota Corona 1969: dezentrale Arbeitsplatzschaffung und Wertschöpfung ohne Ressourcenverbrauch:

4 Daschner, F. und Bauer, M (1999) Wiederaufbereitung und Resterilisation von Einweg-Medizin

Produkten, Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene, Univesitätsklinikum Freiburg, DE-79106 Freiburg, ISBN 3-00-006086-3

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Kostenfaktorenentwicklung einer längeren Produktdauer am Beispiel des PKW des Autors (Kosten sind nicht inflationsbereinigt; ohne Versicherung und Benzin)

Total Kosten: 19 724 SFR / 127 000km= 15,5 Rp/km

Kaufpreis61% Öl und

Kleinteile4%

Ersatz-teile17%

Arbeit18%

Kostenanalyse nach 10 Betriebsjahren

Totale Kosten: 35 400 SFR / 196 000km=18,1Rp/km

Arbeit34%

Kaufpreis34%

Öl und Kleinteile

4%

Ersatz-teile28%

Kostenanalyse nach 20 Betriebsjahren

Totale Kosten: 52 479 SFR / 222 200km= 24Rp/km

Arbeit48%

Öl und Kleinteile

4%

Ersatzteile

25%

Kaufpreis23%

Kostenanalyse nach 30 Betriebsjahren

Eine längere Nutzungsdauer von Gütern führt einer kontinuierlichen Zunahme der Arbeitskosten, und einer Abnahme der Bedeutung des (einmaligen) Kaufpreises. Die Kosten für Ersatzteile bleiben in etwa konstant. Diese Kostenstruktur ist relativ unabhängig von der Nutzungsintensität (jährlich gefahrene Kilometer) und der Art des Fahrzeugen, wie ein Vergleich mit anderen PKW und LKW gezeigt hat. 5

5 siehe http://product-life.org/Fallstudien/Nutzungskostenanalyse von Fahrzeugen

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Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer längeren Produktlebensdauer lassen sich in folgender Darstellung zusammenfassen:

- Eine längere Produktnutzung führt zu einer Substitution von nicht-nach-wachsenden importierten Ressourcen (in der Fertigung) durch nach-wachsende örtliche vorhandene Ressourcen (Facharbeit in Dienstleistungen),

- Je länger ein Produkt genutzt wird, desto grösser ist diese Substitution, bis zu einem Maximum bei etwa 75 Prozent.

Life-cycle co st ing o f a car o ver 50 years

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

0 10 20 30 40 50

y e a r s of ut i l i sa t i on

Abschr ei bungen

Öl und K l ei ntei l e

E r sat ztei l e

A r bei t

Die volkswirtschaftlichen Ergebnisse sind in mehreren Studien nachgerechnet worden; die letzte davon für die Deutsche Gesamtwirtschaft von der Aachener Stiftung Kathy Beys 6. Auch Modellrechnungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zeigen einen Mehrbedarf an Arbeitskräften und ein Verminderung der Ressourcenverbrauchs.

Die gleichen Schlussfolgerungen findet man auch bei der Analyse der Aufarbeitung von Komponenten im gewerblichen Bereich 7 sowie von Einzelkomponenten:

Aufarbeitung des Motors eines Jaguar XJ6 2.8, Baujahr 1969

Kosten € 10’000

Materialaufwand Arbeitsaufwand 20 Kilo 120 Arbeitsstunden

6 Fischer, Hartmut et al (2004) Wachstums- und Beschäftigungsimpulse rentabler Materialeinsparungen; Studie für die Aachener Stiftung Kathy Beys, www.aachener-stiftung.de 7 Grey, Dieter et al (1995) Untersuchung und Bewertung der Möglichkeiten zur Abfallvermeidung und -

verminderung durch verbesserte Instandhaltung und Modernisierung im Maschinen- und Anlagenbau; Abschlussbericht des Forschungsprojektes des ZEUT Zentrum für Energie- und Umwelttechnik Rostock für das BMBF Bonn, Projektträgerschaft UBA Berlin. Förder-Nr 1490881, Juli 1995. Zusammengefasst in: IH schont Ressourcen, Ökologie als Argument für die Instandsetzung; in: Instandhaltung Nov. 1996, S. 22-24, Kennziffer 202. Steinhilper, Rolf (1999) Produktrecycling, ISBN 3-8167-5307-8, Fraunhofer IRB Verlag Stuttgart.

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Die Auswirkungen auf eine ökologische Unternehmensführung zeigen sich im Vergleich dieser Zahlen mit dem Aufwand für ein gleichwertiges Ersatzauto:

KOSTEN NEU € 30’000

Aufarbeitung € 10’000

MATERIALAUFWAND8 ARBEITSAUFWAND aufgearbeitet 20 Kilo aufgearbeitet 120 Stunden

NEU 1'640 kg NEU 20 Arbeitsstunden

Mit einem Materialaufwand von 20 Kilo (Kolben, Zylinderhülsen und Ventile) wird ein Ressourcenwert von 1'640 kg erhalten, dies entspricht – im Vergleich mit der Fertigung eines Neuwagen - einer um einen Faktor 82 höheren Ressourcenproduktivität.

Ähnliche Vergleichsrechnungen lassen sich für die anderen Faktoren, wie zum Beispiel den Ressourcenverbrauch pro Arbeitsstunde, rechnen (Unterschied Faktor 492).

Fazit: Durch eine längere Nutzungsdauer von Produkten lässt sich das wirtschaftliche Wachstum vom Ressourcenverbrauch abkoppeln!

Randbedingungen: Güter wie PKW müssen so gestaltet werden, dass sie an den technischen Fortschritt angepasst werden können, solange kein technologischer Quantensprung stattfindet (bei Flugzeugen beträgt die Hochrüstgarantie der Hersteller 15 Jahre, entsprechend der steuerlichen Abschreibungszeit)

Unternehmer müssen neue Geschäftsmodelle entwickeln, wie den Verkauf von Leistung oder Kundenzufriedenheit statt dem Verkauf der Güter, um den gleichen jährlichen Ertrag zu erwirtschaften, oder ihre Güter am Lebensende zurücknehmen und einer neuen Nutzung zuführen.

Beispiel General Electric Medical Systems (GE MS)

GE MS verleast und verkauft ihre Ausrüstungen für Krankenhäuser, je nach Wunsch des Kunden. Seit 1989 werden die Ausrüstungen (auch anderer Hersteller) von GE MS am Ende der Nutzungsdauer kostenlos zurückgenommen und in einem Aufarbeitungswerk auf ihre Wiederverwendkeit für ein Re-Marketing geprüft. Nicht wiederverwendbare Teile und Geräte werden in einem Resource-Center zerlegt, dem Materialrecycling zugeführt oder entsorgt. Das folgende Diagram zeigt das Resultat (Ertrag aus Wiederverwendung minus Kosten der Rücknahme, der Zerlegung und des Recyclings der Altstoffe).

8Ohne ‘Rucksäcke’

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Fazit: eine freiwillige Rücknahme von Gütern ist profitable wenn durch technisch-wirtschaftliche Innovationen ein hoher Grad an Wiederverwendung (re-marketing) angestrebt wird, und wenn die Güter für eine Nutzung über mehrere Leben gestaltet werden. Ein vom GE MS-Demontagewerk erstellter Design-Guide ist heute Teil des Six Sigma Konzepts in der Fertigung.

3.2 Was ist ein ‚Produkt’, was ist Produktinnovation ? Gewinnmaximierung durch der Verkauf von Kundenzufriedenheit

Xerox – eine Anreizumkehr (der Kunde zahlt einen im voraus festgelegten Fixbetrag pro erstellte Kopie) führt über Aufwandminimierung und ‚preventive engineering’ zur Gewinnmaximierung des Flottenbetreibers,

low cost airlines – der ‚rebound effect’ kann der Nachhaltigkeit schaden (Emissionen in die Atmosphäre).

Gewinnmaximierung durch Kreisläufe und systemisches Denken:

Lufthansa Sitze – Profitmaximierung im Verkauf statt Kostenminimierung im Recycling (Produkt- statt Abfall-Denken)

GE MS – der versteckte Reiz der Produktrücknahme: kostenlose Ersatzteile für Ausrüstungen der Konkurrenz schaffen eine Vertrauensbasis für Neukunden.

Unterschiedliche Ansätze sind notwendig bei unterschiedlichen Konsumgütern: Teddybären (Oldtimer) und Kaugummi-Produkte (single use cameras und Autos)

Teddybären: Langlebigkeit durch eine persönliche Beziehung zu den Dingen, Erhältlichkeit und Austauschbarkeit von Ersatzteilen zwischen Produkten (Bosch-Scheibenwischer) sind entscheidend,

Kaugummi: ex und hopp durch Mode und ‚Fortschritt’, Leichtbau und Kreislaufführung auf Produkt-, Komponenten- und Materialebene sind entscheidend (single use cameras).

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

0

5

10

15

20

MM DOLLARS EARNED

MM POUNDS OFMATERIAL RECYCLED

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Verkauf von Leistung statt von Gütern: 9

Marketinginnovation sind uU.wichtiger als technische Innovationen! Das Textil-Leasing hat in Europe durch Franchising-Systeme (Profitex, Rentex) Erfolg.

Verschiedene Studien sind zum Schluss gekommen, dass Konfrontation statt Konsensuslösungen einen Wettbewerbsvorteil darstellen (USA v. EU, Blueprint report und Green Alliance report).

Integrated Crop Management und Integrated Chemical Management haben im amerikanischen Markt mehr Erfolg als in Europa.

3.3 Systemlösungen und Produktlösungen – welcher Lösungsansatz mit welcher Verantwortung? Wer gewinnt?

Wo liegt der Nutzen für den Kunden, wo für den Unternehmer,wo für die Umwelt?

Das erste der folgenden zwei Abbildungen zeigt die Anreize und die Folgen für Käufer und Verkäufer in der Industriegesellschaft (obere Hälfte, Verkauf und Vermietung) und der Service Economy oder Performance Gesellschaft (untere Hälfte). Nur in der Performance Gesellschaft entsteht für den wirtschaftlichen Akteur (Angebot) ein Anreiz zur Abfallvermeidung und Scha-denverhütung, da er alle Kosten für Abfälle und Schäden über die ganze Produkt-Lebensdauer, inklusive der Entsorgung, bezahlen muss.

Die zweite Abbildung (Tabelle) zeigt die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Verkauf von Produkten und dem Verkauf von Leistung. Die Risiken werden vom Verbraucher zum Flotten-betreiber verlagert, der Verbraucher erhält eine Kosten- und Nutzungsgarantie im Sinne einer Kundenzufriedenheit.

Ausserdem verlangt der Verkauf von Leistung vom Flottenbetreiber zusätzliche Fähigkeiten, wie eine Rücknahmelogistik (ReDistributionLogisitics), welche heute bei Spezialisten wie DHL und Federal Express perfektioniert worden, bei Herstellern aber kaum vorhanden sind.

Der Flottenbetreiber gewinnt eine auf Vertrauen basierte langfristige Kundenbindung, eine höhere Gewinnmarge auf seiner Tätigkeit und eine verminderte Abhängigkeit von wirtschaft-lichen Schwankungen (keine Schweinezyklen).

Der Staat spart durch die Güterrücknahme der wirtschaftlichen Akteure beträchtliche Kosten bei der Entsorgung von Hausmüll aller Art und bei der Beheben von Schäden ein. Dies erlaubt einen schlankeren Staat mit tieferen Steuersätzen, denn der Staat ist immer der letzte Versicherer, ohne eine Prämie zu erheben, im sozialen wie im Umweltbereich.

Und die Umwelt gewinnt, weil beimVerkauf von Nutzen der Anreiz darin besteht, mit möglichst wenig (Ressouren-)Aufwand möglichst viel Gewinn zu erzielen, während in der Industriegesell-schaft (Flusswirtschaft) höhere Erträge mit einem höheren Ressourcenverbrauch und einem höheren Abfallvolumen gekoppelt sind.

9 Giarini, Orio und Stahel, Walter R,(2000) Die Performance-Gesellschaft: Chancen und Risiken beim Übergang zur

Service Economy’; Metropolis Verlag Marburg, 2000.

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The effect of different business models on liability for utilisation and waste costs10

utilisation economic risk/liability for quality and utilisation waste costs / alternatives actors producer fleet manager consumer waste liability

OWNERSHIP

outright sale CONSUMER warranty n.a. all risks dispersed waste user-owner for period waste costs and

ownership liabilities are externalised

OPERATOR rental of costs paid by goods rental companies all risks for nil State or owners, systems hotels period of liabilities are services taxi drivers operation with States

FLEET MANAGER selling system utilization eg: risks are negotiated nil concentrated transport airlines between producer waste telecom networks and fleet manager waste costs and textiles laundries liability are internalised

PRODUCER- FLEET MANAGER costs paid for, and

selling customer all risks for n.a. nil liability borne by, satisfaction (goods an unlimited fleet manager and services) Xerox time period BO(T), PPP

ECONOMIC INCENTIVES FOR PRODUCERS-FLEET MANAGERS incentives for incentives for

loss prevention waste prevention

10 Börlin, Max and Stahel, Walter R. (1987) ‘Das Konzept der Zurverfügungstellung von Gütern’; in: Wirtschaftliche

Strategie der Dauerhaftigkeit, Studie für den Schweizerischen Bankverein Basel. Bankverein-Heft Nr. 32, 77 p.

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Tabelle : Leistungsverkauf versus Produktverkauf Leistungsverkauf Produktverkauf (Service Economy) (Industriegesellschaft)

Verkauf von Verkauf von Leistung (performance) Produkten

Wertbezug: Wertbezug: langfristiger Nutzungswert kurzfristiger Tauschwert am über Nutzungsdauer P.O.S. (Verkaufspunkt)

Haftung für Leistungserbringung Haftung für Fertigungsqualität (Nützlichkeit) (Produktionsfehler)

Bezahlung : Bezahlung : ratenweise bei und für bei und für Eigentumsübertrag Leistungserbringung (Katze im Sack-Prinzip) (no fun no money-Prinzip)

Arbeitsleistung vor Ort (Dienstleistung), Arbeitsleistung zentral/global (Fertigung), rund um die Uhr, während der Fabriksarbeitszeit, keine Lagerhaltung möglich Produkte sind lagerbar, weiterverkäuflich/tauschbar

Kein Eigentums- und Haftungsübertrag Eigentums- und Haftungsübertrag an Käufer an Nutzer

Nutzervorteile: Käufervorteile: - Flexibilität in der Nutzung - Abschöpfung eines allfälligen - keine Kenntnisse notwendig Wertzuwachses - Kostengarantie pro Einheit - Null-Risiko für Betrieb/Entsorgung - Statuswert wie bei Kauf - Statuswert wie bei Nutzung

Nutzernachteile: Käufernachteile: - keine Abschöpfung eines - Null-Flexibilität allfälligen Wertzuwachs - eigenes Wissen notwendig (z.B. bei Immobilien) - keine Kostengarantie

- volles Risiko für Betrieb und Entsorgung

Marketingstrategie = Kundenberatung Marketingstrategie = Massenwerbung, Sponsoring

Büchertisch Die Performance Gesellschaft 10 Jahre Good Practice Beispiele – Handbuch Abfall 1

Genf, den 4. 11. 2004