Christus, unsere Gerechtigkeit

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    eamS I E G F R I E D K E T T L I N G

    U N S E R E G E R E C H T I G K E I T

    D E R B I B E L

    D E R R E F O R M A T I O N

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    Siegfried Kettling

    Christusunsere GerechtigkeitUrworte der Bibel

    Kernworte der Reformation

    Schriftenmissions-VerlagNeukirchen-Vluyn

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    Bcher, die dieses Zeichen tragen, wollen die Botschaft von Jesus Christusin unserer Zeit glaubhaft bezeugen.ABCteam-Bcher erscheinen in folgenden Verlagen:Aussaat- und Schriftenmissions-Verlag, Neukirchen-VluynR. Brockhaus Verlag Wuppertal / Brunnen Verlag GieenBundes-Verlag Witten / Christliches Verlagshaus StuttgartOncken Verlag Wuppertal

    1984 Au ssaat- un d Schriftenmissions-Verlag G m bH ,Neukirchen-VluynTitel: Gerd Meussen, EssenFoto Seite 8: H. Lachmann, DsseldorfDruck: Bundes-Verlag, WittenISBN: 3-7958-2332-3

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    Meinen Elternin Dankbarkeit

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    Inhalt:

    Vorwort 7A. Gerechtigkeit Gottes 9

    I. Reformatorischer Durchbruch 91. D ie geffnete Bibel 92. D er Ge rechte wird seines G laub ens leben 103. Gerech tigkeit, die vor G o tt gilt 124. Kleiner Sch ritt - gro er Sp run g 125. Rechtfertigung 13

    II. Gerechtigkeit - biblisch verstanden 151. Gerechtigkeit - heb risch verstan den " 152. Gerechtigkeit ein biblisches U rw ort bu chs tabie rt 173. A rbe it m it der offenen Bibel 22B. Das Blut Jesu Christi 25I. Groe Problem e oder groe Freude?^ 25Rote Fah ne rotes Tuch 25Blut - O pfer - S h ne 261. Zeichen der Ratlosigkeit 272. Zeichen der N eubesinn ung 30

    II. Shne - der alttestamentliche M utterboden 331. Sh ne was ist das? 332. S hn e wie gesch ieht sie? 35III. Jesus das Lamm Gottes 401. Ch risti B lut - fr dich vergossen 402. Karfreitag der Jrn K ippur des neuen Bundes 41

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    IV. Kreise um die Mitte 471. Das Herz der Bibel 472. Der eine weie Strahl und das Farbspektrum 503. Bndelung: Das eine Evangelium 54

    C. Vershnung 57I. Anselm - das Wort von der Satisfaktion 57

    Erleuchtete Vernunft 57Warum Gott Mensch werden mute" 57Dank an Anselm 64Fragen an Anselm 65II. Paulus das Wort von der Vershnung 671. Vershnung - der ratifizierte Friede 672. Vershnung - der proklamierte Friede 73

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    Vorwort

    Christen mssen auf Nachfragen gefat sein: Verstehst du auch,was du sagst?" Biblische Urworte wollen nicht nachgeplappertwerden; sie fordern Nachdenken. Nicht Papageien werden ge-braucht, sondern mndige" Christen. Biblische Schlsselwortesind kein bequemes Sesam, ffne dich!"; sie wollen fest in dieHand genomm en, be-griffen" werden, wenn sie Tren ffnen sol-len. Wir drfen dem kritischen Zeitgenossen das biblische Urge-stein" nicht einfach an den Kopf werfen; es will zum Brckenbaubenutzt werden. bersetzungsarbeit" ist zu leisten. Und wenn wirdas Wasser des Lebens" weiterreichen wollen, mu unser eigenerBrunnen stndigen Anschlu ans Grundwasser haben. ProfessorGerhard von Rad warf seinen Studenten vor: Sie fahren nichtmehr selbst ins Bergwerk ein, schrfen nicht mehr selbst im Stol-len; Sie laufen blo noch zum Kohlenhndler, beziehen alles auszweiter Hand!". Die folgenden Kapitel wollen zu grndlicher (amGrund, auf der Sohle) Bibel-Arbeit" einladen, suchen Mitarbeiterin der Gemeinde Jesu zum Mit-arbeiten. Die drei Abschnitte undihre Leitworte (Gerechtigkeit Gottes", Blut Jesu", Vershnung")umkreisen die eine Herzmitte des Evangeliums, das so ganzschlichte und doch nie auszulotende Geheimnis FR UNS".Unterweissach, im Januar 1984 Siegfried Kettling

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    A R T H E K N A \?SL SVAE A\E.MTIS SLWVLACHR4E X P R IM IT -A T W L T V CEHA LV CA E OCCIDVOSAVDXX- *

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    Der Heilige Geist hat mir die Schrift in diesem Turm geoffen-bart." Reformatorischer Durchbruch", das ist nicht Luthers Tat.Gott selbst brach durch, ffnete sein Wort fr einen Menschenund einen Menschen fr sein Wort.Zweierlei ist hier untrennbar: Wiedergeburt": das Gotteskind tutseinen Geburtsschrei und biblische Schlsselerkenntnis: derPrediger, Lehrer, Theologe wird erweckt. Der Christ und der Re-formator Luther werden in einem geschaffen, das bekehrte Herzund der erleuchtete Kopf sind aus einem Gu. Das ist reformatori-sche Urerfahrung: Der neue Mensch ist Kreatur des gttlichenWortes". Darum ist reformatorisches, evangelisches Christseinstets Bibelbewegung!2. Der Gerechte wird seines Glaubens leben"Die Bibelstelle, an der Luther seine dunkelsten Stunden erlitt undaus der dann hellstes Licht hervorbrach, steht Rmer 1, 17: DieGerechtigkeit Gottes wird im Evangelium offenbart." Der klop-fende Mnch stie sich Hnde und Herz wund an dem Wort Ge-rechtigkeit Gottes". Er verstand darunter so hatte er es bei sei-nen Lehrern vernommen die zuteilende Gerechtigkeit" (justitiadistributiva), die jedem das Seine gibt, jedem das auszahlt, was erverdient.Wir kennen das Bild der gestrengen Justitia, die vor Gerichtsge-buden thront: Die Augen sind ihr verbunden; sie ist ja gerecht,das heit distanziert, unparteiisch, unbestechlich. In der linkenHand hlt sie die Waage; sie ist ja gerecht, d. h. wiegt Schuld undStrafe sorgfltig gegeneinander ab , vergilt stets angem essen". Mitder Rechten fhrt sie das Schwert; sie ist ja gerecht, das heit: siewird den Schuldigen schonungslos niederstrecken und den Un-schuldigen mit ihrem Ritterschlag" adeln. Zuteilende Gerechtig-keit" : Strafe und Lohn mit sie zu, Tod und Leben; jedem das Sei-ne.Daran zweifelt Luther keinen Augenblick: Ist Gottes Gerechtigkeitsolch eine Justitia, dann kann sie an ihm nur das Todesurteil voll-strecken. Denn Gottes Gesetz, sein Mastab, ist absolut. Es for-dert vollkommenen Gehorsam, und das nicht nur mit Wort undTat, sondern bis hinein in die geheimsten Motive, bis in die Tiefen-schichten des Unterbewuten. Vollkommenheit, das ganze, unge-teilte Herz ist verlangt.10

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    Das ist des Schpfers heiliges Recht, fr den sndigen Menschenjedoch totale berforderung. Jeder Versuch, diese vereiste Steil-wand zu erklimmen, strzt nur in tiefere Abgrnde. Und diesenGott soll ich lieben, fragt der verzweifelte Mnch, lieben ber allesund mit all meiner Kraft? Ich konnte den gerechten, den Snderstrafenden G ott nicht lieben, hate ihn vielmehr . . . " Gottesha,das aber ist unheimlichste, teuflische Snde.Da bleibt noch ein letzter Hoffnungsschimmer: Da ich vor Got-tes heiligem Gesetz nicht bestehe, wei ich wohl. Aber da ist dochauch die Rede von einer guten, trstlichen Botschaft, genanntEvangelium. Doch jetzt trifft der Vers aus dem Rmerbrief Lutherwie ein Keulenschlag: Im Evangelium wird die Gerechtigkeit Got-tes offenbart." Thema der frohen" Botschaft die todbringendeStrafgerechtigkeit? Ist das nicht Hohn, gttliche oder teuflischeIronie? M u denn Gott noch durch das Evangelium Leid an Leidfgen, uns auch noch durch das Evangelium mit seiner Gerechtig-keit und seinem Grimm bedrohen?" Nun beginnt das verzweifelteKlopfen Tag und Nacht".Da ffnet sich der Fels, da bricht Licht aus der Nacht, Leben ausdem Tod. Da erbarmete sich Gott meiner." Vor Luthers Augenleuchtet der nchste Satz des Paulus auf: Der Gerechte wird sei-nes Glaubens leben." Wodurch ist dieser Gerechte Gott recht?Durch seinen Glauben!Glauben ist aber das gerade Gegenteil von Leistung. Da sind H n-de, die nichts haben als ihre Leere, Bettlerhnde, die Gott fllt. Ge-recht vor Gott ist also der, der nicht aus dem Eigenen lebt, sondernganz auf Gottes Kosten. Dann kann doch das Wort GerechtigkeitGottes" nicht jene beurteilende, aburteilende Justitia sein, die stra-fend auf mein Versagen reagiert. Dann mu sie doch schenkende,sich ausschttende Barmherzigkeit bedeuten.Nicht statisch in sich ruhende Eigenschaft" Gottes ist sie, son-dern seine rettende Tat, nicht unparteiische Distanz, sondern lei-denschaftliche Parteinahm e fr den Verlorenen. Gnadengerechtig-keit, Glaubensgerechtigkeit! Luther hat's auf die prgnante For-mel gebracht: Es geht nicht um Aktiv-Gerechtigkeit", die ich vorGott aufweisen mte, sondern um Passiv-Gerechtigkeit", dievom reinen Empfangen lebt.In der Tat: gute Botschaft, Evangelium! Wie ich zuvor das WortGerechtigkeit Gottes mit allem Ha hate, so erhob ich nun mitheier Liebe das gleiche Wort als s und lieblich ber andere."

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    3. Gerechtigkeit, die vor Gott gilt"Luther hat grten Wert darauf gelegt, da dies Lebenswort nichtwieder als Todeswort m iverstanden werden sollte. Deshalb gab erin seiner bersetzung Gerechtigkeit Gottes" stets so wieder: Ge-rechtigkeit, die vor Gott gilt". Gewi, es ist Gottes eigene Gerech-tigkeit, seine Treue zu uns. Aber was sein ist, gibt er uns. Erschenkt uns seine Treue, also sind wir treu. Er gibt uns seine Ge-rechtigkeit, also sind wir ihm recht.Es gibt sie, darum gilt sie vor ihm. Um und um hllt er mich inden Mantel seiner Gerechtigkeit; nun ist von meiner Schuld nichtsmehr sichtbar. Er taucht mich ganz in Jesus Christus hinein; nunsieht er, wenn er auf mich schaut, nur noch das Gesicht seines lie-ben Sohnes. So bist du mir recht, so pat du zu mir, nun bist dumein!, das ist jetzt das Urteil der rettenden, heilenden, freispre-chenden Gerechtigkeit.

    4. Kleiner Schritt groer SprungWar das alles? Der ganze reformatorische Durchbruch"? Nur ei-ne kleine exegetische Beobachtung, die jedes ordentliche Lehrbuchder Kirchengeschichte, jeder Kommentar zum Rmerbrief unsheute referiert? Was ist das schon Besonderes? M an m u doch nur nach guter alter Auslegungsregel stets den Zusammenhang,den Kontext, beachten. Natrlich m u m an Rmer 1, 17a von R-mer 1, 17b her verstehen. Das kann jeder Theologiestudent im er-sten Semester wissen und als exegetische Selbstverstndlichkeit ge-lassen zur Kenntnis nehmen.Ob uns dabei noch die Paradiesestren aufgehen, das Lebenswas-ser aus dem Felsen bricht? Ob wir darber noch zu Christen wer-den, zu jubelnden Gotteskindern und zu Zeugen? Ist die reforma-torische Entdeckung nicht lngst zu einer Banalitt geworden?Hier geht's um den Kern! Da m an Rom 1, 17a von 1,17b her aus-legt und dabei bemerkt, Gerechtigkeit" meine also Barmherzig-keit", das ist nur ein winzig kleiner Schritt, nur eine ganze gering-fgige logische Folgerung. Wenn's um den theologischen Kopfgeht!Fr Luther aber war's jener gewaltige Sprung aus der Hlle in denHimmel, das Entrcktwerden aus der Verzweiflung des Todes mit-12

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    tenhinein ins Paradies. Es geht eben nicht um meinen Kopf alleinund seine Schlufolgerungen; um meine Existenz geht's, um Le-ben oder Tod ! Wer von Snde nichts wei, wird Gnade fr die ba-nalste Selbstverstndlichkeit halten und das Sterben Jesu Christifr den albernsten Luxus. Der wird auf das se Evangelium"mit Achselzucken reagieren, wird den Ruf Gerettet bist du, begna-de t!" mit einem gelang weilten Na und?" quittieren.Zum reformatorischen Durchbruch" in unserem Leben gehrtmehr als ein kleiner gedanklicher Schritt. Ein doppeltes Wunderist dazu ntig: Der Heilige Geist selbst mu mir zeigen: Verlorenbist du!" Luther sprach da von dem heiligen Gesetz. Und mir danndurch das se Evangelium" ins Herz schreiben: Du darfst le-ben! Gratis! Aus Gnaden!" Luthers Turmerlebnis ist da Modell:Das bekehrte Herz und der erleuchtete Kopf werden miteinandergeschaffen. Der Christ und der Theologe entspringen dem einenGeburtsakt!

    5. Rechtfertigung"Gerechtigkeit" gleich Barmherzigkeit". Man kann das intellek-tuell kapieren und registrieren, kann es weltanschaulich einordnen(Das also ist das christliche Gottesbild"), dann existentiell abha-ken (Also gut!") und zur Tagesordnung" bergehen. Gnade alsplatte Selbstverstndlichkeit: Natrlich vergibt Gott, das ist dochsein Beruf."Luther wute sehr wohl, da dies das Ende des evangelischenGlaubens ist, sein stinkender Kadaver. Ihm lag deshalb alles daran,immer neu zu betonen, da Gnade nichts als Wunder ist, die nievorauszuberechnende, nie auszudenkende berraschung, der nichteinmal zu ertrumende Freispruch eines Todeskandidaten. Darumwhlte er bewut die Vokabel rechtfertigen", Rechtfertigung".Es ist eigenartig. Dieses Wort hat seit der Reformationszeit einenvlligen Bedeutungswandel erlebt. Es kommt heute im Alltag nurnoch in den W endungen sich" oder etwas" rechtfertigen vor: DerSchler rechtfertigt sich vor dem Lehrer: Ich war's nicht !" Der Ge-schftsmann will vor dem reklamierenden Kunden sich rechtferti-gen: Die Ware war einwandfrei!" Sich rechtfertigen, das heitalso: nachweisen, da man unschuldig, eben im Recht" ist.Der Industrielle rechtfertigt die gewaltige Investition mit ihrem Er-

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    folg. Sie war also gut, notwendig, recht" und richtig. Bei allerRechtfertigung" geht's also um unsere bltenweie Weste. NichtStrafe, das Bundesdienstkreuz verdienen wir!Es ist wohl zu spren: Dies ist das genaue Gegenteil von der bibli-schen Botschaft, die von der Rechtfertigung des Snders"spricht. Paul Tillich hat das so bersetzt: Gott nimmt den Unan-nehmbaren an." Also nicht den Annehmbaren", den Bltenwei-en. Gerade den Inakzeptablen akzeptiert er!Man kann schon fragen, ob das Wort Rechtfertigung" fr unsereVerkndigung noch zu retten" ist. Es lohnt jedenfalls, sich zu ver-deutlichen, was die Reformatoren mit dieser Vokabel sagen wollen.Die Rechtsgeschichtler informieren uns, da vom spten Mittelal-ter bis ins 17. Jahrhundert rechtfertigen" ein Fachausdruck derJuristensprache war, zum Beispiel in der Peinlichen Gerichtsord-nung" Kaiser Karls V. Das Wort meinte gerade nicht, wie wir ver-muten, den Freispruch, sondern den Proze um Kopf und Kragen,die Folterung, speziell aber den Vollzug der Todesstrafe.Unkosten fr die peinliche Rechtfertigung", so hie die Gebhr,die der Henker erhielt. Der Krper des mit dem Schwert Gerecht-fertigten" wurde verscharrt. Luther schreibt in einem Brief vondem gerechtfertigten Hansen Schanzen", der einen Monat zuvorhingerichtet wurde. Da hat jemand nach dem Urteilsspruch seinRecht" bekommen, wurde zu Recht fertig" gemacht. Diesen juri-stischen (forensischen") Sprachgebrauch nimmt Luther auf. Istdas Rckfall in die gerade berwundene verteilende Gerechtig-keit"? Gewi nicht. Aber Luther wollte jener schon zu seiner Zeitgrassierenden Krankheit, dem Reden von der billigen Gnade"(Bonhoeffer), wehren, einer weltanschaulichen Gnaden-Ideolo-gie" entgegentreten.Un-annehmbar ist jeder, den Gott annimmt, ein Schuldiger, einTodeskandidat. Mit dem kritischen" Wort rechtfertigen" solleingeprgt werden: Gott bergeht Schuld nicht als eine Belanglo-sigkeit (Was kmmert es den Mond, wenn ihn die Hunde anbel-len?"), Gott vergit Schuld nicht (das wre eine bloe intellektuel-le Fehlleistung), er bewltigt sie, indem er sie ver-gibt", sie weg-gibt", nmlich auf den gekreuzigten Christus legt. Gar teur' hater's erworben."Gott berpflastert ein Geschwr nicht obenhin. Er legt es blo, erschneidet es auf, und gerade so heilt er es. Geht es um Rechtferti-gung", dann wirklich darum: Der Unannehmbare wird angenom-14

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    men! Das ist Gesetz und Evangelium, hinrichtendes Todesurteilund aufrichtender Freispruch in einem. Diese Rechtfertigung istnichts als der unbegreifliche, schlechthin wunderbare Akt derBarmherzigkeit Gottes.Aber sie bedeutet eben, sich dem peinlichen Proze stellen, denHals hinhalten, um die Freisprechung ausschlielich als Gnaden-akt Gottes zu empfangen" (Werner Eiert). Hier ist GerechtigkeitGottes" nicht ein Theologenbegriff", sondern machtvolle Retter-tat. Wer diesen reformatorischen Durchbruch" erfhrt, beginntzu jubeln: Wo Vergebung der Snden ist, da ist Leben und Selig-keit!"

    II. Gerechtigkeit - biblisch verstandenIm Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart" (Rom 1,17). Wir haben gesehen, wie Martin Luther an diesem einen Verszur Freude des evangelischen Glaubens durchbrach: Gottes Ge-rechtigkeit ist unsere Rettung! Sie ist nicht richtende, jedem dasSeine zuteilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva), sondern ret-tende, Heil bringende Gerechtigkeit (iustitia salutifera). Sie willund kann nicht von uns erarbeitet werden (iustitia activa), sie istvielmehr Gottes Geschenk an uns (iustitia passiva). Glaubst du,so hast du!" In diesem Abschnitt soll es darum gehen, die refor-matorische Entdeckung im gesamtbiblischen Zeugnis zu veran-kern.

    1. Gerechtigkeit hebrisch verstanden"Schon mancher Theologiestudent hat darber geseufzt, da esGott in seiner unergrndlichen Weisheit" gefiel, sein Evangeliumin die Windeln der hebrischen und griechischen Sprache zu legen.Es geht im Studium ja nicht nur darum , sich die wichtigsten Voka-beln einzutrichtern", sondern zugleich etwas vom Wesen, vomGeist" dieser Sprachen zu erfassen.Der norwegische Gelehrte T. Boman hat eine Abhandlung ge-schrieben: Das hebrische Denken im Vergleich mit dem Griechi-

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    sehen". Es mu da offensichtlich tiefgreifende Unterschiede ge-ben. Wenn zwei in verschiedenen Sprachfamilien und Kultur-kreisen dasselbe sagen, dann ist es eben nicht dasselbe.Das wird besonders an dem biblischen Wort Gerechtigkeit" deut-lich. Luther hat beobachtet: Fr Barmherzigkeit (misericordia)hat der Hebrer Gerechtigkeit (iustitia), wobei Heil (benedictio)und Gerechtigkeit dasselbe sind, nmlich die Barmherzigkeit undGnade (gratia) Gottes, die uns in Christus zuteil wird." Also: Ge-rechtigkeit" = Barmherzigkeit = Gnade!? Gerechtigkeit" dasstrikte Gegenteil von Zorn, Strafe, Gericht!?Fr uns, die wir im abendlndisch (griechisch-lateinisch) geprg-ten Denken beheimatet sind, ist Gerechtigkeit ein gleichsam neu-traler Oberbegriff: Je nachdem, m it wem sie es zu tun bekommt(ob mit Albert Schweitzer oder Adolf Hitler), uert sie sich alsLob oder Tadel, als Lohn oder Strafe, aufrichtend oder hinrich-tend. Beides steht ihr zu Gebot. Von daher ist Gerechtigkeit fruns primr eine Eigenschaft des Richters, der unparteiisch jedemgibt, was ihm gebhrt. So ist fr unser Empfinden Gerechtigkeitvor allem ein juristischer Begriff.Dagegen sagt der Theologe L. Khler: Gerechtigkeit ist im ATkein juristischer, sondern ein gemeinschaftsbezogener Begriff."Und der Alttestamentier G. von Rad formuliert zugespitzt: DerBegriff einer strafenden zedakah (= Gerechtigkeit) ist nicht zu be-legen: er wre eine contradictio in adjeeto", das heit ein Wider-spruch, der durch die Hinzufgung eines vlligen unpassendenBeiworts entsteht.Wie es absurd wre, von einem eckigen Kreis", einem hlzernenEisen", einem weien Rappen" zu reden, so wre es vom AT herUn-Sinn, von einer strafenden Gerechtigkeit" zu sprechen. Nocheinmal von Rad: Zedakah ist immer Heilsgabe", bedeutet stetsHilfe, Rettung, Leben. Nur auerhalb dieser Gerechtigkeit" lau-ern Tod und Verdammnis.Um jedem Miverstndnis vorzubeugen: Ganz gewi wei die Bi-bel (AT und NT) vom strafenden, zuschlagenden DareinfahrenGottes, von Jngstem Gericht und ewiger Verdammnis. Aber alldies fat sie eben nicht in das Wort Gerechtigkeit Gottes". Pau-lus hat das besonders deutlich konfrontiert: das rettende Handelnbndelt er im W ort,,Gerechtigkeit"(Rom. 1,16+17: im Evangeli-um offenbart"). Mit dem Wort Zorn Gottes" beschreibt er dasjetzt schon ergehende (Rom. 1, 18ff.), dann voll sich auswirkende16

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    Strafen Gottes (Rom. 2, 5: Tag des Zorns"). Das ist also die ent-scheidende Alternative: entweder Gottes Gerechtigkeit (= Leben)oder Gottes Zorn (= Tod).2. Gerechtigkeit ein biblisches Urwort buchstabiertWir haben uns von Luthers Beobachtung leiten lassen: Da, wo wirAbendlnder das Wort Barmherzigkeit" erwarten, steht im he-brischen AT zedakah", Gerechtigkeit". Diese Merkwrdigkeitfindet sich aber auch im griechisch beschriebenen Neuen Testa-ment wieder. Denn alle Schriften des NT sind fest im alttestament-lichen Mutterboden verwurzelt sachlich und sprachlich. Auchwenn Paulus griechisch formuliert, steht er fest auf diesem Funda-ment. (Fr unseren Begriff Gerechtigkeit" hat das besonders derBibeltheologe Hermann Cremer um 1900 nachgewiesen.)Im NT wird eben der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs", dersich endgltig in Jesus offenbarte, bezeugt und nicht der Gottder Philosophen" ! Wir mssen es uns also zunchst geradezu wieein Fremdwort einprgen: In der Sprache der Bibel bedeutet Ge-rechtigkeit" (hebrisch: zedakah", griechisch: dikaiosyne") stetsGnade, Hilfe, Erbarm en, Heil, ist imm er positiv gefllt.Im Folgenden wollen wir versuchen, vom Lernen zum Verstehen,zur Ein-Sicht, fortzuschreiten. Dazu wollen wir einige Strahlen ausdem groen Licht Gerechtigkeit" auffangen und sie jeweils be-sonders betrachten.2.1 Gerechtigkeit ein GemeinschaftsbegriffGott bergreift in seinem unbegreiflichen Erbarmen den tiefenGraben (Sund"), der zwischen dem Heiligen und uns Sndernklafft. So aus lauter Gnade schafft er Gemeinschaft. Frdiese schpferische Lebensverbindung benutzt die Bibel das WortBund": Gott schliet den Lebens- und Liebesbund mit Israel,dann den neuen Bund" (Jer. 31, 31 ; Luk. 22, 10) mit allen, die anJesus glauben.Ich bin euer G ott; ihr seid mein Volk", heit die knappe Bundes-formel. In diesem Bund hat das Wort Gerechtigkeit" seine Hei-mat. Gerechtigkeit bedeutet auf Gottes Seite: Er wird dem Bundgerecht", das heit: er hlt unverbrchlich an dieser Gemein-

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    schaft fest, steht unverrckt zu seinen Verheiungen (Rom. 11, 29).Gerechtigkeit ist hier dasselbe wie Bundestreue (2. Tim. 2, 13).Gerechtigkeit wrde auf unserer Seite heien: Wir, die Erwhl-ten", werden nun ebenfalls dem Bund gerecht", das heit: wir le-ben als Gott gehorsame (1. Gebot), nur ihn liebende, nur ihn lo-bende, nur ihm dankbare Bundespartner. Wer so drinbleibt" imBund, in diesem Heilsraum, der ist gerecht", der lebt! So ist esnicht verwunderlich, da Gerechtigkeit und Heil" im AT gerade-zu austauschbar (synonym) sind (Jes. 45, 8; 46, 13; 51, 6.8).Auch im Deutschen ist es uns nicht ganz fremd, da das W rtleinrecht" zunchst eine richtige Beziehung" meint: Bei Vokabelnwie lotrech t" oder waagrecht" geht es stets um das rechte" Ver-hltnis: Steht die Wand wirklich im rechten (!) Winkel auf demBoden, dann sagt der Polier befriedigt: Es stimm t! Das Verhltnisist recht. So mu auch zwischen Menschen die Beziehung recht"sein, wenn eine Gemeinschaft (Ehe, Familie, Klasse, Volk) beste-hen soll. Erst sekundr wachsen aus diesem Gemeinschaftsbegriffdie juristischen Worte heraus: das Recht und der Richter (wrt-lich: der, der etwas wieder gerade richtet).2.2 Gerechtigkeit ein Tat-WortEs ist von der Bibel her falsch (weil griechisch" gedacht!), G ottesGerechtigkeit eine Eigenschaft" zu nennen. Unter Eigenschaft(Qualitt) verstehen wir etwas statisch Ruhendes: Der Kreis hatstets und stndig die Eigenschaft, rund zu sein. Bei einer Eigen-schaft stellen wir fest: Er(sie/es) ist so!Die Bibel aber spricht nicht von solchen ruhenden EigenschaftenGottes"; sie redet stets von seiner Wirk-lichkeit", von seinemWirken, seinem Aktivsein, seinem Hervortreten. Gott ist Liebe"heit: Gott glht uns wie ein Backofen" (Luther) voll Liebe ent-gegen. Jesus ist auferstanden bedeutet nach Blumhardts schnerFormulierung: Er lebt und tu t etwas.So ist auch Gottes Gerechtigkeit ein Tat-Wort". Er ist in der Lage,das Rechte (Gute, Heile) zu schaffen und tut's auch. Gerechtigkeitist also zunchst Macht: Gott ist strker als alle widergttlichenKrfte um und in uns! Diese Macht aber wird zur Tat: Gott rstetsich zum heiligen Krieg": Er legt selbst den Panzer der Gerech-tigkeit" an (Jes. 59, 17), erhebt gewaltig seine Rechte (Jes. 41, 10).Gegen all seine Feinde, die darum (!) auch unsere Feinde sind,zieht er aus und besiegt sie.18

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    Gerechtigkeit Gottes heit: Er, er selbst, richtet seine Herrschaft(das Reich Gottes") auf. Er setzt sein Gott-Sein durch. So sprichtschon das uralte Siegeslied der Debora (Richter 5,11) von den Ge-rechtigkeitserweisungen" Gottes, von seinen Macht- und Heilsta-ten in der Geschichte. Nach Sach. 9, 9 ist der kommende Messiasein Gerechter und ein Helfer". Gottes zedakah" und seine je-schua" (Hilfe) gehren zusammen. Von dem letzten Wort leitetsich der Name Jesus" (Jeschua") her.Gott hilft, weil er gerecht ist, und ist gerecht, weil er hilft" (L.Khler). Gerechtigkeit ist also ein Aktionswort, meint Gottes Tun.So sagt Jesus, als Johannes der Tufer ihm, dem Reinen, die Taufeverweigern will: Es gebhrt uns, alle (die ganze) Gerechtigkeit zuerfllen" (Mat. 3, 15). Indem Jesus in die Sndertaufe eintritt undso die Snde der Welt bernimmt, geht er den Weg zum Kreuz.Und gerade durch diese Aktion, die zur Passion fhrt, schafft erdie Erfllung", die Vollendung, die Verwirklichung der gttli-chen Heilsgerechtigkeit.Wer also das Wort Gerechtigkeit Gottes" auslegen will, mu vonden Rettungstaten Gottes erzhlen: von Weihnachten, Karfreitag,Ostern, Pfingsten. Und er mu vorauszeigen auf den Tag, wo Gottalles neu macht. Wenn Gott sein wird alles in allem", dannkommt er ganz zum Ziel: Gerechtigkeit und Friede werden sichkssen" (Ps. 85, 11), und (als Gegenstck zur Sintflut) Gerechtig-keit wird wie Meeres wellen" (Jes. 48, 18) den neuen Himmel unddie neue Erde bersplen. Gerechtigkeit Gottes ist also auch einVerheiungswort, ein eschatologisches Signal:" Gott geht aufsGanze!2.3 Gerechtigkeit ein Person-WortGemeinschaftstreue, M acht, rettende Tat, Wohnraum des Heils das alles umschliet Gerechtigkeit". Der Radius ist also sehr weit,doch das Zentrum ist ganz eindeutig auszumachen: Gott selbst ist(ist" und wirkt") unsere Gerechtigkeit. Jeremia kndigt einenneuen Ehrennamen fr Juda und Israel an. Allerdings ganz undgar nicht einen Titel, der Menschen gro macht, sondern eine Be-zeichnung, die alleine Gott preist: Der HERR (Jahwe) unsere Ge-rechtigkeit" (Jer. 23, 6).Entsprechend heit es dann 1. Kor 1, 30 von Jesus Christus: Erist uns von Gott zur Gerechtigkeit gemacht worden". Die Gerech-tigkeit hat einen Namen. Sie ist nicht dies und das, sondern in der

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    Mitte Gott selbst. In ihm sind wir gerecht als solche, die in dieBundes-, Heils-, Lebensgemeinschaft heimgeholt wurden. Hierklingt das reformatorische Christus allein" auf.2.4 Gerechtigkeit ein Gnaden-WortGott ist gerecht: Er steht zu seinem Bund und seinem Heilswillen.Da ist kein Zweifel dran. Doch wie ist es mit unserer Bundestreue,unserem Gehorsam, unserm Drinbleiben im Lebensraum bestellt?Die Diagnose ist vernichtend: Alle unsre Gerechtigkeit ist wie einbeflecktes Kleid" (Jes. 64, 5); nicht Gerechte sind wir, sonderntreubrchige Deserteure und Rebellen.Selbst die Frmmsten im alten Israel, im Judentum (Phariser),in der Christenheit knnen nicht auf ihren Qualitten fuen.Sie knnen nur mit Daniel beten: Wir vertrauen nicht auf unsereGerechtigkeit, sondern auf deine groe Barmherzigkeit" (Dan. 9,18). Paulus zieht die Gesamtbilanz: Da ist keiner, der gerecht sei,auch nicht einer" (Rom. 3, 10). Alle sind aus der Gottesgemein-schaft herausgetreten, alle verloren.Doch jetzt geschieht das Unfaliche: Gott hlt seine Gerechtig-keit, seine Bundestreue durch. Er erweist sich als der Gott, der dieGottlosen gerecht macht" (Rom. 4, 5). Dieser Spitzensatz des R-merbriefes lt sich von unserem blichen Verstndnis von Ge-rechtigkeit gar nicht erfassen. Gemessen an der Devise Jedem dasSeine" (das, was ihm zusteht) ist Gottes Tat hchst ungerecht:Gottlose, also erklrte Feinde Gottes, solche, die ihn verhhnen,gegen ihn ausspucken, Gottlose werden gerecht, also in die Gottes-gemeinschaft, den Gottesfrieden (Rom. 5, 1) aufgenommen! Dazerbricht all unsere juristische, moralische, religise Logik. Dakann man nur protestieren und Gotteslsterung!" schreien oder niederfallen und anbeten.Wunder der Gnade: Die Besudelten, die ber und ber mit Aus-satz Bedeckten werden eingehllt in das weie Kleid" (Offbg. 3,5; 7, 9.13). Der Mantel der Gerechtigkeit" (Jes. 61, 10) birgt sie.Es ist das weie Gewand Jesu selbst, von welchem es (Offbg. 19,13) heit, da es mit Blut besprengt" war. Der Ort, an dem Gottseine Gerechtigkeit erwies, seine Treue zu den Rebellen demon-strierte, sein Heil aufrichtete, den Frieden schuf, ist das Kreuz vonGolgatha.Indem wir in Jesus Christus, der ja in Person" die Gottesgerech-tigkeit ist, eingetaucht werden, von allen Seiten von ihm umschlos-20

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    sen sind, werden wir selbst Gottes Gerechtigkeit". So heit es tat-schlich in 2. Kor. 5, 21. Was fr ein von unserem alten Gerech-tigkeitsempfinden her geurteilt perverser und skandalser Akt!Was fr ein wunderbarer Wechsel, was fr ein frhlicher Tausch, von Gottes Gnade aus betrachtet: Er wird unsere Snde , w ir sei-ne Gerechtigkeit.Jetzt haben wir in Christus unseren Platz bei Gott, sind ihmrecht, passen zu ihm. Jetzt tritt er als unser Anwalt gegen alle ver-klagenden Mchte (auch gegen das eigene Gewissen!) auf: Werwill die Auserwhlten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der dagerecht macht" (Rom. 8, 33). Und das alles gratis", geschenkwei-se, ohn all mein Verdienst und Wrdigkeit. Sola gratia." Derzweite Trompetensto der Reformation erklingt: Allein aus G na-den!"2.5 Gerechtigkeit reine Glaubenssache"Glaubenssache" ist hier nicht obenhin gemeint: Damit kann's je-der halten, wie er mag, sondern im przisen biblischen Sinn: DieGottesgerechtigkeit ist Glaubensgerechtigkeit. Glaube heit dasPortal in den Friedensraum des neuen Bundes. Was aber heit hierGlaube?Paulus fand den Schlssel in 1. Mose 15, 6: Abram glaubte demHerrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit." Dem kinderlosGebliebenen, dessen Krper lngst so zeugungsunfhig ist wie derseiner Sara erstorben" fr Empfngnis und Geburt, diesemMann am Rande des Grabes wird der Sohn und Erbe verheien.Abraham war kein Schwrmer. Mit nchternen Augen, mit wacherRatio sah er seinen erstorbenen Leib" (Rom. 4, 19) an. Er wutewohl, da alle medizinischen Tests besagten Vorbei!", alle gyn-kologischen Gutachten besttigten Unmglich!"Er sah an diesen harten Realitten der Welt nicht vorbei, hpftenicht darber hinweg. Er fate sie scharf ins Auge und sah hin-durch. Hindurch auf den Gott, der aus dem Nichts die Weltschaffte und Tote auferweckte.Dem Wort, der Zusage, der Verheiung traute er, glaubte aufHoffnung wider Hoffnung" (Rom. 4, 18). Und so, indem er Gottrecht gab, wurde er Gott recht. Er hlt Gott fr treu und verl-lich, und G ott besttigt: Eben das ist das rechte, das bundesgem-e Verhalten.Gott lt mir sagen: Deine Schuld ist vergeben; du bist mein lie-

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    bes Kind!" Ich antworte: Herr, nach aller Logik kann das un-mglich stimm en, aber auf dein Wort hin . . . " Glaubst du, so bistdu nmlich Gott recht. Drittes Signal: Sola fide!" Aus Glau-ben allein."2.6 Gottes Gerechtigkeit Er selbst fr unsLuther hat das griechische Wort Dikaiosyne theu" stets bersetztmit Gerechtigkeit, die vor Gott gilt". Er wollte damit verhindern,da jemals wieder einer dem Wahn verfiele, es gehe hier um Gottesfordernde Justitia, um die Gestalt mit Augenbinde, Waage undSchwert. Dennoch mu die exakte Wiedergabe lauten: Gottes Ge-rechtigkeit" (Die Grammatikkenner wissen: Luther verstand dieWortverbindung als Genetivus objectivus; es geht aber um einenGenetivus subjectivus bzw. auctoris).Es ist tatschlich G ottes eigene, aus seinem H erzen hervorbrechen-de Gerechtigkeit, und das bedeutet ja seine Bundestreue, seineGnade, sein Erbarmen. Im Sterben und Auferstehen Jesu schtteter sie aus und reit uns in diesen Lebensstrom hinein: Gott ist ge-recht, indem er die gerecht macht, die an Jesus glauben" (so Rom.3, 26b wrtlich).Gottes Gerechtigkeit ist also gerade nicht sein unparteiisches Thro-nen in berirdischer Distanz, sondern seine leidenschaftliche Par-teinahme fr uns verlorene Leute. In seiner Gerechtigkeit brennteine Liebe, die sich fr uns hingibt. Nun darf ich wissen: Ich geh-re zu ihm, ich bin ihm recht. Er liebt mich brutto". Und weil ertreu und gerecht" ist, wird mich nichts und niemand aus seinerHand reien drfen.

    3. Arbeit mit der offenen BibelDie Serie Biblische Lehre" mchte zum Forschen in der Schriftanleiten. Folgende Punkte bieten Anregung zur Weiterarbeit:Bibel-Puzzle:Ordnen Sie die folgenden Bibelstellen in die unter 2.1 bis 2.5 ge-nannten Schubladen" ein:Gal. 2, 16; Jer. 33, 17; R. 5, 21; 1. Joh. 1, 9; Ps. 36, 11; Ps. 31,2; Offbg. 19, 8; Jes. 1, 27 ; Hiob 4, 17; Rom . 5, 1; 2. Petr. 1, 1;Rom. 6, 16; Jes. 45, 21b; Ps. 119, 40; Ps. 143, 1+2.22

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    Im Gegensatz kommt die Art der biblischen Gerechtigkeitplastisch heraus.Nach Rom. 10, 3 ist sie nicht (6 Buchstaben), sondern(6 B.)Gerechtigkeit. Nach Gal. 3, 21 komm t sie nicht ausdem (insgesamt 6 B.).nach Rom. 3, 28 wird der Mensch gerechtohne (insges. 16 B.)Sie ist Rom. 9, 30 Gerechtigkeitaus (insgesamt 10 B.)Gottes Gerechtigkeit gestaltet unser Leben neu.Phil. 1, 11: Sie schafft in uns (6 B.);sie beansprucht unsere Glieder nach Rom. 6, 13 zu (6 B.),und sie schtzt uns dabei Eph. 6, 14 wie ein (6 B.).Nach 2. Kor. 3, 9 hat der Apostel mit allen Christuszeugeneinen Auftrag:Es gilt, die Gerechtigkeit zu (8 B.);das Gesetz dagegen verkndet die (10 B.).(Benutzt wurde eine revidierte Lutherbibel)

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    B. Das Blut Jesu Christi

    I. Groe Probleme oder groe Freude?Rote Fahne rotes TuchJubelruf der Reformation, Fanfare und Feldzeichen: Christus al-lein!" Was denn? Mein Herr!" Warum denn? Weil er mich ver-lornen und verdammten Menschen erlset hat, erworben, gewon-nen von allen Snden, vom Tode und der Gewalt des Teufels". Wo-durch denn? Nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem hei-ligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Ster-ben." Wozu denn? Auf da ich sein eigen sei" (Luther, KleinerKatechismus).Darum also Christus allein mein Herr!", weil er sein Blut frmich gab. Wie ein roter Faden zieht sich der Hinweis auf das BlutJesu durch das NT (vgl. nur: Mat. 26, 28; Joh. 6, 53-55; Rom.3, 25; 5, 9; 1. Kor. 10, 16; Eph. 1, 7; Kol. 1, 20 ; 1. Petr. 1, 18+19;1. Jo h. 1, 7; H ebr. 9 und 10; Offbg. 1, 5; 12, 11).Luther hat nichts sein wollen als Zeigefinger, Fingerzeig auf denGekreuzigten (Cranachs Bild!); die Vter des Pietismus haben dasBlut Jesu gepriesen: Bengel (seine Ausfhrungen zu Hebr. 12, 24im Gnomon"), Zinzendorf (Christi Blut und Gerechtigkeit, dasist mein Schmuck und Ehrenkleid"); die Erweckungslieder singendavon (Welch Glck ist's, erlst zu sein, Herr, durch dein Blut").Daneben und dagegen steht als Beispiel nur Goethes Reim:Gewaschen durch des Lammes Blut, die Phrase fand ich niemalsgut." Ist es nur das Bild, das den Dichter strt (kann m an mit Blutwaschen"?), ist es nicht mehr noch die Botschaft? Ist das groeund tiefe, das geliebte und besungene Wort Blut Jesu" nicht auchein dunkles und rtselhaftes, ein skandalses und darum bekmpf-tes?

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    Hier haben sich die Geister immer wieder geschieden: Blut Jesu" fr die einen die rote Fahne", um die sie sich scharen, fr dieanderen das rote Tuch", gegen das sie wtend anrennen. Bestehtnicht auch bei der Kreuzgemeinde" (Christian Gregor) die Ge-fahr, da das Wort Blut Jesu" zu einem bloen Signal fr Be-kenntnistreue erstarrt, zu einer Leerformel entartet?Prof. Karl Heim hat vor der bloen Wortmagie" gewarnt: Wennwir nicht sagen knnen, was die Worte fr einen Sinn haben, diein allen religisen Bekenntnissen immer w iederkehren, so ist unserZeugnis von Gott berhaupt kein Sprechen von Mensch zuM ensch, sondern nur eine unverstndliche Zungenrede. Wir ge-brauchen dann Worte, auf deren innewohnende Magie wir vertrau-en, die aber fr die meisten heutigen Hrer ihren magischen Ge-halt verloren haben. " Deshalb drngte dieser groe Evangelist amdenkenden Zeitgenossen stets auf deutliche Begriffsbestim-mung". Ihr soll unser Nachdenken ber dieses Urwort" der Bibeldienen.

    Blut Opfer ShneJesu Kreuzigung war eine unblutige Todesart" (J. Jeremias). Je-1sus ist trotz der Geielung nicht an Blutverlust gestorben,sondern (wie alle Gekreuzigten) an einem Kreislaufversagen. DieRede vom Blut Jesu" will also nicht einfach den historischen Vor-gang seines Sterbens anschaulich nachzeichnen, sondern will denSinn dieses Geschehens aufschlieen.Es geht nicht um die biologisch-medizinische Auenseite diesesTodes, sondern um seine gttliche" Innenseite: Jesus starb als dasOpferlamm Gottes den Shnetod fr uns! Das soll bezeugt wer-den. Thema sind also nicht die fnf bis sechs Liter Blut im KrperJesu, es geht nicht um die Flssigkeit Blut als einen ganz beson-deren Saft".Johann Heermanns (von Bach vertonte) Liedstrophe scheint indiese Richtung zu zielen: Dein Blut der edle Saft / hat solcheStrk und Kraft, / da auch ein Trpfchen kleine / die ganze Weltkann reine, /ja, gar aus Teufels Rachen / frei, los und ledig ma-chen."Aber alles wre verdorben, wenn man Jesu Blut als eine wundert-tige Substanz fr sich nehmen, es als Heilmittel von der Person Je-26

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    su ablsen, sein Ich durch ein Es ersetzen wolle. Dann wrde sichdas Tor zu Aberglaube und Zauberdenken ffnen (Reliquien desBlutes Jesu). Nein, es geht um Jesus selbst, um ihn, unserenHerrn, der sich fr uns gab. Blut Jesu", das meint ihn selbst inseinem Shnetod. Doch das ist noch keineswegs die Lsung, son-dern allererst die Problemanzeige. Das Fragen beginnt jetzt!1. Zeichen der Ratlosigkeit1.1 Opfertod unverstndlichSo hie es in der Liberalen Theologie" um die Jahrhundertwende.Das ist doch das Besondere unserer christlichen Religion": Siekennt keine kultischen Opfer". Natrlich, im bertragenen Sinn,von einer sittlich-religisen Aufopferung" (P. Fiebig) knnen undwollen wir schon reden: Opfer" an Zeit, Kraft, Geld, das Lebens-opfer fr ein hohes Ideal (der Mann opfert sich fr das Vaterland,die Frau fr ihr Kind).Geistig", persnlich", sittlich" verstanden , ist uns Jesu Opfergro und vorbildlich. Aber Opfer, wrtlich verstanden, Opfer, wiedas AT es kennt mit Tieren und Altren, das Blut von Bcken undKlbern, das etwas ausrichten soll das alles bleibt doch steckenim Dinghaft-Magischen, im primitiv Vor- und Unterchristlichen,ist archaisch und barbarisch.Auch in dem bedeutenden vielbndigen Theologischen Wrter-buch zum N T" liest man bei dem Artikel B lut" Entsprechendes:Schon im Judentum sei die Opferidee vergeistigt" worden. So istdie urchristliche Vorstellung vom Blut Christi als Opferblut nurbildliche Einkleidung fr den Gedanken der Selbsthingabe." Vorstellungen", bildliche Einkleidungen" kann man natrlichgegen andere Kostme vertauschen, bloe Illustrationen sind ganzunverbindlich.Die These lau tet: Die Geschichte des Glaubens an die reinigendeund shnende Kraft des Blutes, besonders bei Israeliten und Grie-chen", (NB: beides liegt also fr den Autor auf derselben Ebeneauerchristlicher Religionsgeschichte!) liefert fr das Verstndnisder Gedanken, die das NT mit dem Blut Christi verknpft, keinenErtrag" (Johannes Behm). Im Klartext: Die alttestamentlichenAussagen, etwa vom groen Vershnungstag, sind fr das SterbenJesu vllig belanglos; es mu geistig" verstanden werden!

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    Nicht Entrstung ist hier gefordert, sondern Nachdenken! Zu-nchst wohl das schlichte Eingestndnis, da uns der Zugang zumkultischen Denken" tatschlich schwerfllt. Sind Opfer" undShne" nicht wirklich Fremdworte? Versuchen wir nicht eben-falls, rasch zu vergeistigen"?Ein Beispiel: Das Wort Vershnung" wird zumeist von dem WortSohn" hergeleitet im Hinterkopf steckt uns der personaleVorgang", wie der barmherzige Vater den verlorenen Sohn in dieArme schliet (Luk. 15). Doch jedes Wrterbuch belehrt uns:Vershnung" kommt von Shne". Was aber ist das? Stolpern wirnicht schon ber den schlichten Weihnachtsvers: Christ ist er-schienen, uns zu vershnen"?1.2 Opfertod primitive Mythologie"In seinem berhmt-berchtigten Aufsatz zur Entmythologisie-rung" hat sich Rudolf Bultmann ebenfalls zu unserer Frage geu-ert. Er geht von dem Verstehenshorizont, vom Selbstverstndnisdes modernen Menschen aus und folgert:Dieser kann . . . die Lehre von der stellvertretenden Genugtuungdurch den Tod Christi nicht verstehen. Wie kann meine Schulddurch den Tod eines Schuldlosen geshnt werden? Welche primi-tivsten Begriffe von Schuld und Gerechtigkeit liegen solcher Vor-stellung zugrunde? Welch primitiver Gottesbegriff? Soll die An-schauung vom sndentilgenden Tode Christi aus der Opfervorstel-lung verstanden werden: welch primitive Mythologie, da einMensch gewordenes Gottwesen durch sein Blut die Snden derMenschen shnt!" Die zusammenfassende Bilanz kann nur hei-en: Erledigt!"Emprte Rechtglubigkeit richtet auch hier nichts aus! Fragen und wren sie noch so provozierend gestellt wollen ja nicht nie-dergeschrien, sondern beantwortet sein. Und die hier gestelltenFragen bohren tief: Ist Snde nur eine Sache (ein Ding, ein Es) wie eine zentnerschwere Last, die ich zu schleppen habe, oder einehohe finanzielle Verschuldung, dann kann ich es mir wohl vorstel-len, da da ein Starker und Reicher kommt und mir diese Sache"abnimmt.Habe ich nur Snde wie ein Gefangener Fesseln hat , dannist natrlich ein Befreier denkbar, der die Fesseln durchschneidet,mich von dem lst, was ich habe. Ist aber Snde m it meiner Personzutiefst verbunden, habe ich nicht nur Snde, sondern bin ein Sn-28

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    der (bis in die innersten Motive meines Herzens), wie soll dann einanderer diese Snde (die ich ja bin!) mir abnehmen?Mte er dann nicht mich selbst aufheben, mich selbst mir weg-nehmen? Und wie soll das geschehen? Handelt es sich nur umSndenstoff", Sndenpakete", Sndenfesseln", dann ist Be-freiung davon verstehbar. Geht's aber um meine Snder-Person",was kann dann Shne, Opfer, Stellvertretung bedeuten?1.3 Opfertod unchristliche WerkereiEin dritter Angriff richtet sich gegen das Opfer im AT berhaupt.Prof. Ludwig Khler hat (in seiner Theologie des ATV 52) ganzeSache gemacht: Die berschrift lautet: Die Selbsterlsung derMenschen: der Kultus." Der Kahlschlag ist perfekt: Nicht Gott hatseinem Volk Israel das Opfer geschenkt und aufgetragen, nicht erist sein Stifter, sondern Israel hat das alles aus der heidnischenUmwelt importiert (Da man Gott opfert, ist Weltlauf").Deshalb ist der ganze Opferkult nichts als Menschenwerk, vonMenschen begonnen, unternommen, geleistet, ist Werk, nichtGnade, ein Akt der Selbsthilfe, nicht ein Stck des Gottesheils".Beim Opfer will der schuldige M ensch durch seine Gaben Gott be-snftigen: was fr ein gottloses Unternehmen! So ist der ganzeOpferkult im AT ein zher, kniffliger, entsagungsvoller, verzwei-felter Versuch des Menschen, sich das Heil zu verdienen".So verstanden, ist Opfer nicht Gottesdienst, sondern Gotteslste-rung, ist Snde gegen das reformatorische Die Gnade allein!"Mu da nicht jeder rechte Gnaden-Protestant" gellend neinschreien? Jedenfalls: Es scheint undenkbar, da von dieser gottlo-sen Selbsthilfeaktion, von dieser heidnischen Machenschaft, Op-fer" genannt, eine Brcke, eine positive Verbindung hinberfhrenknnte zum Sterben Jesu als Lamm Gottes, zu seinem Tod als Sh-neopfer!1.4 Opfertod verdrngtAngesichts dieser vernichtenden Urteile (unverstndlich", primi-tive Mythologie", unchristliche Werkerei") ist es nicht verwun-derlich, da die Kategorie Opfer" (Shne") beiseite gedrngtwird nach der Devise: Es geht auch ohne, und ohne geht es bes-ser."

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    Natrlich lt sich nicht bestreiten, da das NT vom Blut Jesu"spricht, da Worte wie Reinigung", Besprengung", Lamm oh-ne Makel und Fehl" aus der Opfersprache stammen. Aber man ar-gumentiert etwa so: Paulus hat in groer Freiheit ganz unter-schiedliche Bildkreise herangezogen, um das Sterben Jesu in seinerHeilsbedeutung zu veranschaulichen: Sklavenrecht (Loskauf,1. Kor. 6, 30), Strafrecht (Kol. 2, 14), Kriegswesen (Kol. 2, 15).In dieser bunten Folge erscheint, fr den antiken Menschen durch-aus plastisch, auch das Opfer. Aber es geht dabei ja nur um einenVersuch der Veranschaulichung unter anderen, und keine dieser Il-lustrationen erfat die Sache selbst. Alle sind sie durchaus zeitge-bunden, austauschbar. Es ist also prinzipiell berflssig, vomBlut", vom Shnetod" Jesu zu reden, ja, es ist heute aus pd-agogischen Grnden (um der Verstndlichkeit willen) geboten, aufdiese Kategorien zu verzichten.Wen wundert es, wenn eine bertragung" des NT, die auf mg-lichst rasches Verstehen drngt, wie die von Jrg Zink, das griechi-sche W ort haima" (Blut) wenn irgend mglich ersetzt? Z. B.1. Joh. 1, 7 (Das Blut Jesu m acht uns rein von aller Snde") Wirsind rein, weil Christus uns durch seinen Tod gereinigt hat";Offbg. 12, 11 (Sie haben ihn, den Verklger, berwunden durchdes Lammes Blut") Sie haben ihn berwunden, denn sie tragendas Leiden, das Christus litt".Eine Lsung ist diese Taktik des Verdrngens und Ausklammernsnatrlich nicht.

    2. Zeichen der NeubesinnungEs gehrt fr mich zu den erregendsten Vorgngen in der theologi-schen Arbeit des letzten Jahrzehnts, da ein neuer Zugang zur Bi-blischen Theologie" gefunden wird, dazu also, die beiden Testa-mente als Einheit zu bedenken. Der Gott der ganzen Bibel", solautet ein Buchtitel aus dem Jahr 1982 (Horst Seebass). Auch JesuLeiden und Sterben, der Sinn seines Todes als Opfer" und Sh-ne", sind fest im Mutterboden des AT verwurzelt, lassen sich kei-neswegs dort herausstechen und in ein anderes geistiges Feldtransplantieren.Eben das hatten ja die Ideologen des Nationalsozialismus fr ihreneue Deutsche Kirche" aufs Programm geschrieben: Es lebe Je-30

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    sus als Recke im germanischen Sinn! Weg mit dem Opferlamm derjdischen Prophtie! In Alfred Rosenbergs Der Mythus des 20.Jahrhunderts" heit es: Jesus erscheint uns heute als der selbst-bewute Herr . . . Sein Leben ist es, das fr germanische Men-schen Bedeutung besitzt, nicht sein qualvolles Sterben . . . " Rosen-berg fordert den Wegfall 4er Predigten ber den Knecht und denSndenbock als Lamm Gottes".Und weil er scharf erkannte Das Kruzifix ist das Gleichnis derLehre vom geopferten Lamm", mute die Parole ausgegeben wer-den: Eine Deutsche Kirche wird . . . an Stelle der Kreuzigung denlehrenden Feuergeist, den Helden im hchsten Sinn darstellen."Deshalb: Eine echte Kreuzigung kann heute weder gemalt nochgemeielt noch gedichtet noch vertont werden"; ein Aus" ebensofr den Isenheimer Altar" des M. Grnewald wie fr Bachs Pas-sionen! Dies als besonders grelles Kontrastbeispiel zu einer Bibli-schen Theologie".Einige Stimmen heutiger Schriftausleger sollen den Neuansatz il-lustrieren, das leidenschaftliche Bemhen, die oben skizzierte Rat-losigkeit zu berwinden. Der Alttestamentier Klaus Koch blendetnoch einmal zur Entmythologisierungsdebatte" zurck undwarnt: Man mag die alttestamentlichen Aussagen als mytholo-gisch' oder ,magisch' . . . abtun. Aber man sehe genau hin, wasdann vom NT noch brig bleibt."Sein Kollege Hartmut Gese stellt fest: Die Vorstellung des TodesJesu als eines umfassenden Shnegeschehens . . . bildet mit Rechtdas Zentrum der christlichen Dogmatik. "Fehlt uns der unmittelbare Zugang zum Opfergeschehen, sprenwir hier den historischen Abstand, dann m u eben das Mhen umein neues Verstehen intensiv in Angriff genommen werden: Hatman das Christusgeschehen als Shnegeschehen verstanden, dannmssen wir diese berlieferung ernst nehmen und unsererseits ver-stehen lernen." (Auf Geses sehr hilfreichen Beitrag hierzu kom-men wir im nchsten Abschnitt (= II.) zurck.)Der Tbinger Professor fr das NT Peter Stuhlmacher hat die sehrgrundstzliche These formuliert: Die vom Osterevangelium aus-gerufene Vershnung Gottes mit dem Menschen i s t . . . kein spt-neutestamentliches Theologumenon" (ein von klugen Theologenausgetftelter Satz), sondern die geschichtliche Substanz diesesEvangeliums. Sie ist die Quintessenz des Werkes Jesu. "Hier geht es also nicht um irgendein austauschbares Bild, um eine

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    beliebige Veranschaulichung, sondern um die Substanz", um dieSache selbst, um Jesus selbst und darum auch um uns selbst undunser Heil! So werden wir neu nachsinnen mssen ber das, waswir als Kinder lernten: Er hat mich verlornen und verdammtenMenschen erlset . . . mit seinem heiligen, teuren Blut".

    Wir bndelnChrist ist erschienen, uns zu vershnen. "Der gekreuzigte Jesus,die Botschaft von seinem Shnetod, seinem Blut, ist fr die einendie Fahne, um die sie sich scharen, der einige Trost im Leben undim Sterben" (Heidelberger Katechismus), fr die anderen jedochdas rote Tuch, gegen das sie w tend anrennen (vgl. etwa StormsGedicht Kruzifixus").Zeichen der Ratlosigkeit und Ablehnung markieren weithin dasGelnde: unverstndliches kultisches Denken" (das Nein zumOpfer, liberale Theologie), primitive M ythologie" (das Erle-digt!" in Bultmanns Entmythologisierungsprogramm), unchrist-liches Menschenwerk" (Opfer als der vermessene Versuch derSelbsterlsung, so bei L. Khler).Doch steigen berraschend Signale einer Neubesinnung und Wie-derentdeckung auf: Die Vershnung Gottes mit dem Menschen"ist die Substanz" des Evangeliums (P. Stuhlmacher), das Zen-trum der christlichen Dogmatik" (H. Gese).Es geht jetzt darum, im glaubenden Nachdenken" (das eben istTheologie!) Zugang zu finden zur Wirklichkeit der Shne, spezielldann zu dem verheienden Shnegeschehen im Alten Bund unddamit zu dem Mutterboden der neutestamentlichen Verkndigungvom Blut Jesu".

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    II. Shne der alttestamentliche M utterboden1. SH NE was ist das?1.1 Snde bloes Schuldgefhl?Fr das gegenwrtige Denken und Empfinden gehrt Snde"weithin in den Bereich der Innerlichkeit", in das vogelfreie, jedemtolerant" zugestandene Gelnde seiner hchst persnlichen reli-gisen Ansichten". Snde" hat zu tun mit Schuldgefhlen, diees aufzuarbeiten" gilt, mit Gewissensbissen, psychischen Depres-sionen, mit frhkindlicher Verformung . . . Snde" ist jedenfallsetwas vllig Privates, ganz Subjektives, tief Innerliches, etwas, dasjeder mit sich selbst auszumachen" hat. Snde" ist allenfalls einThema seelischer Hygiene.Gegenber dieser Gedankenblsse ist sogar die (gewi ganz ober-flchliche) Rede vom Verkehrssnder" lobend hervorzuheben.Denn hier wird noch deutlich, da solche Snde" (berhhte Ge-schwindigkeit, falsches Parken, gar Alkoholismus am Steuer) mitharter Mnze bezahlt werden mu. Da der Verkehrssnder b-en", blechen" mu, ist keine subjektive Gefhlsfrage, sondernhat es hchst realistisch und objektiv mit der Brieftasche,schlimmstenfalls mit der Strafvollzugsanstalt zu tun!1.2 Snde objektive WirklichkeitDie Snde ist der Leute Verderben" (Spr. 14, 34). Das ist bibli-scher Realismus. Hier ist Snde eine objektive Wirk-lichkeit"(d. h. etwas, das bewirkt"), ist eine Macht, die den einzelnen, dasVolk, die Welt zerstrt. Paulus zeichnet in Rom. 1, 18ff. ein sehrnchternes Bild vom religisen, sexuellen, sozialen und geistigenElend der Menschheit. Jede Ausgabe einer Zeitung, jede Tages-schau" liefert dazu plastische Belege und Illustrationen.Aber Paulus will mehr: Er gibt ein Rntgenbild unserer Welt,macht hinter dem vordergrndigen Elend die zerstrerische Machtder Snde und in der tiefsten Schicht Gott als den heiligen Richtersichtbar. Dreimal sagt der Apostel: Gott hat die Menschen dahin-gegeben" (ein juristischer Ausdruck fr die adquate, die ange-messene Vergeltung). Woran? An ihre eigene Snde! Snde wirdmit Snde, Sndigen-Wollen mit Sndigen-Mssen geahndet.Gott gibt die Snder dem Teufelkreis" der Snde preis: Lgner

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    mssen Lge, Ehebrecher Ehebruch, Mrder das Ermordetwerdenerleiden. Huis C los", Bei geschlossenen Tren" (ein Drama vonSartre) wre die passende berschrift: Gott hat die Menschheit imGefngnis ihrer Snde eingeschlossen. Deshalb sind alle Versucheder Selbstbefreiung (ob marxistische Revolution oder makrobio-tisch"-alternativer Lebensstil) von vornherein Illusion.1.3 Snde ein Bumerang"Im Hintergrund steht bei dem Apostel die alttestamentliche Er-kenntnis von der Snde als schicksalwirkender Tatsphre" (G.von Rad). Das will sagen: Die Tat lst sich zunchst vom Tter,entwickelt ihre eigene Dynamik, schwillt lawinenartig an (wie dieGeschichte jeder Lge zeigt). Insofern bekunden die Verse Fried-rich Schillers eine biblische Wahrheit: Das eben ist der Fluch derbsen Tat, 7 da sie fortzeugend immer Bses mu gebren."Aber noch ein zweites ist gemeint: Die so angeschwollene Tat wen-det sich zurck gegen den Tter, wird sein Schicksal", trifft,berrollt, zermalmt ihn. Die Snde hat einen Bumerangeffekt":Sie kehrt heim (zahlt heim") und spaltet dem Tter den Schdel!Das macht die hebrische Sprache deutlich: Worte wie awon"oder chattat" meinen beides: Freveltat und Strafe.Ein Beispiel: Die alte Lutherbersetzung gab 1. M ose 4, 13 so wie-der: Kain sagt: Meine Snde (awon) ist grer, denn da sie mirvergeben werden mge." Die revidierte Fassung (1964) lautet:Meine Strafe (awon) ist zu schwer, als da ich sie tragen knn te."Hier ist die Tat und ihre Folge in eins gefat. So handelt Gott alsRichter: Er sorgt dafr, da die Tat den Tter findet" (4. Mose32, 23). Die Tat des Frevlers kommt auf sein eigenes Haupt"(1. Kn. 8, 32). Das Blut" (die Blutschuld) kom mt ber den T-ter" (Richter 9, 24; Josua 2, 19). Man mte Schillers Verse alsoweiterdichten: Das eben ist der Fluch der bsen Tat, / da heimsie kehrend / trifft des Tters eigen H aupt".1.4 Shne statt Heimzahlung"Diese objektive Schuld, diese Tat, die ihre Folge bei sich trgt, die-se weltumgreifende schicksalwirkende Tatsphre" lst sich nichteinfach von selbst auf. Die Schuldgefhle", die Gewissensbisse"(ob vorhanden oder nicht) sind vllig belanglos! Die Lawine gehtihren eigenen Weg, das Gewitter will und wird sich entladen, die34

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    geballte Sprengkraft drngt auf Explosion. So, nur so kommt derFluch der bsen Tat" zur Ruhe. So, nur so wird Schuld objektivbewltigt".Innere Luterung", Bewutseinsnderung", Reue" sind dabeizunchst ganz uninteressant! Es gibt nur eine Alternative (es istGottes W undertat, da man berhaupt von einer Alternative redenkann): Heimzahlung" (die Schuld trifft den Tter oder auch dieGeneration seiner Urenkel!) oder Shne": Gott lenkt die Lawineum, gibt dem Bumerang einen anderen Kurs, lt die Explosionanderswo sich ereignen!Aber wo und an wem? In Jes. 53 heit es vom leidenden Gottes-knecht", der sein Leben als Schuldopfer" einsetzte (V. 6): Jahweaber lie aufprallen auf ihn die Schuld unser aller" (= derMenschheit; bersetzung: H . Frey). So shnt Gott Snde. Er stelltan den Platz der Heimzahlung" die Fremdzahlung", also dieStellvertretung: Auf das Haup t des Knechtes" kommt die Schuld,dort wirkt, ja tobt sie sich voll aus und kommt so zur Ruhe.Shne" bedeutet: Gott nimmt die Schuld der Menschheit, legt siedem Stellvertreter auf und erledigt sie so. Das ist Gottes Lsungder Schuldfrage.

    2. SH NE wie geschieht sie?2.1 Die SubjektfrageWer ist beim Shneopfer der eigentlich Handelnde, das Subjekt?Wer vershnt? Wer wird vershnt? Prof. L. Khlers Kritik lautetja : Hier ist der Mensch aktiv. Er will auf Gott einwirken, will Gottdurch seine Opfergaben umstimmen. Deshalb (so Khler) ist dasOpfern nur ein ebenso kniffliger" wie verzweifelter Versuch desMenschen, sich das Heil zu verdienen". Wre das so, dann ht-ten wir es in der Tat mit finsterer Magie und primitiver Mythologiezu tun.Aber nun kommt alles darauf an, da wir diesem wahrhaft gottes-lsterlichen Denkmodell grndlich den Abschied geben. Die fol-gende kleine Graphik soll es uns noch einmal vor Augen malen:

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    So /menschliche Op ferleistuna Liebe Gottes

    Vershnung (Shne) ist niemals von uns bewirkte Umstimm ung"Gottes. Was mte das fr ein Gott sein, der sich durch unsere Ge-schenke von grimmig" auf heiter" umpolen liee! Und wasmten das fr kostbare Geschenke sein, die das zustande brch-ten? (Wie kann berhaupt ein Geschpf dem Schpfer etwasschenken? Gehrt ihm nicht ohnehin alles?) Was fr eine Logik:Am Anfang soll Gottes Zorn stehen, am Ende seine Liebe, und wir(mit unserem Opfer) haben ihn herumgekriegt"! Das alles istganz und gar unbiblisch, gottwidrig, heidnisch".Im Weihnachtslied klingt's ganz anders : Christ ist erschienen, unszu vershnen." Er ist Schpfer der Shne (Subjekt), wir sind dieEmpfnger (Objekt). Er vershnt, wir werden vershnt. So sagt'sPaulus: Gott war in Christus und vershnte die Welt (Mensch-heit) mit sich selbst" (2. Kor. 5, 19). Und die Liebe Gottes? Sie istniemals das von uns (durch unsere Leistungen) herbeigezauberteEndergebnis, sondern der wunderhaft-unbegreifliche Ausgangs-punkt, ist Gottes einziges Motiv: So sehr hat Gott die Welt ge-liebt, da er seinen eingeborenen Sohn dahingab" (Joh. 3, 16).Gott vershnt uns! Absurd ist deshalb jede Rede von einem magi-schen" (zwanghaften) Einwirken auf Gott: Gott wird nicht durchunsere Praktiken (Opferrituale), nicht durch eine wirkkrftige Op-fermaterie (Blut) gefgig gemacht, von Menschen manipuliert.Nein, Gott selbst, Gott allein ergreift die Initiative. Nicht bei Lm-mern und Stieren liegt die Energie, sondern allein in G ottes Gnade.Sola gratia" ist auch hier die berschrift.36

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    Die entscheidende Stelle ist 3. Mose 17, 11: Des Leibes Leben istim Blut (= Lebenstrger), und ICH habe es euch fr den Altar ge-geben, da euch Shne geschafft werde." Gott dies herrscherli-che ICH steht vor der Tatsache, da das menschliche Lebendurch seine Snde verwirkt, irreparabel verloren, dem Fluch unddem Tod verfallen, der S.nden-Tat-Folge" preisgegeben ist.Eben dieser Gott erffnet wirklich sola gratia" ! von sichaus einen Weg ins Leben: Gott schafft Shne! Er tut das im AltenBund vorlufig, vorausweisend, im Blut der Lmmer, in der Ge-stalt der Tieropfer, dann aber endgltig (ein fr allemal!) in derHingabe seines geliebten Sohnes (Rom. 3, 25).2.2 Die ZeichenhandlungenZum Shneopfer im Alten Bund gehren entscheidend zwei Zei-chenhandlungen: die Handauflegung und der Blutritus. Dabei istwesentlich: Zeichen" (hebr. ot") meint nie eine blo sinnenhafteVeranschaulichung fr einen in Wahrheit rein geistigen" Vorgang,ist nie nur eine Illustration. Dieses Denken nach dem ModellSchale und Kern" gehrt in die griechische Philosophie.Zeichen" im AT ist nie nur Hinweis auf etwas (wie das Verkehrs-schild Achtung Kurve"), es bedeutet" nicht nur, sondern es be-wirkt, vollzieht. Im Zeichen ist die Sache" selbst anwesend (so wieim Ku die Liebe und in der Ohrfeige der Zorn Ereignis werden).Luther hat das im Blick auf das Zeichen im Abendm ahl przis ge-sagt: In, mit und unter" Brot und Wein ist Jesus selbst realpr-sent".Hand auf den Kopf"In den Opfergesetzen (3. Mose) stoen wir immer wieder auf dieAnordnung, da der Opfernde seine Hand auf den Kopf des Op-fertieres zu legen hat (z. B. 3. Mose 1, 4; 1, 4; 3, 2.8.12; 4, 4.15).Nicht der Rcken des Tieres wird berhrt. Es geht eben nicht umSndenstoff", Sndenmaterie, Sndenpakete, also um Sachen(Objekte), die auf dem Rcken des Tieres abtransportiert werdenknnten. Snde ist ja nicht etwas an" mir, das sich abheben, weg-schaffen liee (wie der Schmutz von der H aut). Ich bin ja Snder,Frevler in Person!Der Opfernde hat seine Hnde auf den Kopf des Tieres zu stem-men. Der Kopf ist Zeichen der Individualitt, Sitz der Persnlich-keit. Mein Kopf das bin" ich (vgl. die Abbildung von Men-

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    sehen im Lexikon oder das Pafoto!) . Legt der Opfernde (also derSchuldige!) seine Hand auf den Kopf des Tieres, so sagt das: Ichbin's, ich sollte ben. Ich bin der Todeswrdige, ich akzeptieremein Todesurteil. Aber weil Gott in seiner Gnade den Weg derShne geschaffen hat, trittst du, Opfertier, gleichsam an meinenPlatz als mein Stellvertreter. Du wirst mit mir identisch; ich werdedu! In deinem Sterben werde ich in den Tod gegeben."Es geht also nicht um Objektbertragung" (Sndenstoff), son-dern um Subjektbertragung", um Existenz-Stellvertretung"(Begriffe von H . Gese). Es geht nicht um eine mich ausschlieendeShne (exklusives Verstndnis: das Tier stirbt, ich bleibe unge-schoren"), sondern um ein mich einschlieendes Geschehen (in-klusive Sicht).Wir sind mit Christus gestorben" (Rom. 6, 8), sagt Paulus: DerTod des Opfertiers greift den Schuldigen ein, so wie Jesu Sterbenuns (inklusiv") in sich hereinholt. Das ist das Gegenteil aller bil-ligen Gnade"!Blut auf den Altar"Das Opfertier wird geschachtet": der Priester trifft die Hals-schlagader, eine Fontne von Blut sprudelt auf, das Leben wirdhingegeben. Aber das Blut wird nicht einfach auf den Boden ge-schttet. Es wird am Altar vergossen! Bei dem Groen Versh-nungstag" (Jrn Kippur) vollzieht der Hohepriester den ganz gro-en Blutritus". Dabei betritt er das Allerheiligste und sprengt mitseinem Finger etwas Opferblut auf die Shneplatte" (Luther:Gnadenstuhl", hebr. Kapport") der Bundeslade (3. Mose 16,15).Der Altar, intensiver noch der Gnadenstuhl" bezeichnet die Ge-genwart Gottes. Was geschieht da? Durch den zeichenhaften Voll-zug des Todes (Blut des Opfertiers) wird die Gottesgemeinschaft,die Verbindung mit dem heiligen und gndigen Gott (Altar), neugestiftet. Israel wird wieder mit dem Allerheiligsten" (Ort undPerson!) in Heil und Leben schaffenden Kontakt gebracht. DerAbgrund der Snde ist berbrckt.23 Das Nein vom Ja umgriffenEs geht bei der Shne also um beides: Um das heilige und unauf-hebbare Nein Gottes zur Snde: Auf Snde steht Tod! Das be-38

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    zeugt das flieende Blut. Aber dieses Nein ist von allen Seiten um-schlossen von Gottes gndigem Ja, dem unbegreiflichen Ja zumSnder. Da er berhaupt Shne schafft statt Heimzahlung" sein Ja! Da das Opfertier stellvertretend stirbt sein Ja! Dadas Blut zum Gnadenstuhl" gebracht und so durchs Sterben hin-durch das Leben neu erffnet wird sein Ja! Das endgltige JaGottes aber heit Jesus!

    Wir bndeln:(1) Snde (Schuld) ist keineswegs eine Kategorie privater Innerlich-keit (Schuldgefhle", Gewissensbisse"). Diesem modernenWahn (Psychologismus) steht der biblische Realismus schroff ent-gegen: Snde ist der Leute Verderben", ist menschen-, weltzerst-rende Macht. Lawinenartig wchst sie, wendet sich zugleich ver-nichtend gegen den Tter zurck (Tat-Folge-Zusammenhang"; Bumerangeffekt ").(2) Die M itte, das Herz" der Snde ist jedoch nicht die (Un-)Tatund ihre verheerende Wirkungsgeschichte, sondern der Tterselbst, der Mensch in seiner Sonderung" von Gott, in seinerSelbst-HERR-lichkeit" (Rebellion gegen den Schpfer): Die uni-versale Sndenkatastrophe hat ihren urpersnlichen Ursprungsortin der Snder-Person.(3) Gott bewltigt" Snde:a) In seinem Zorn" lt er die Unheilswirkung der Tat sich vollentladen und die Schuld des Tters Haupt" (= Person) treffen(Rom. 1: dreimal Gott ha t sie dahingegeben"). Stichwort: Heim-zahlung"!b) In seiner Gnade erffnet er den Weg der Stellvertretung (Jes.53: Er lt die Snde aller auf den Gottesknecht aufprallen").Stichwort: Shne (3. Mose 17, 11)!(4) Shne geschieht im AT typisch" (d. h. zeichen-, modellhaft)so:a) Der Tter stemmt seine Hnde auf den Kopf (nicht Rcken!)des Opfertieres. Nicht Sndenstoff" wird also bertragen, son-dern das Bekenntnis demonstriert: Ich als Person habe m ein Le-ben verwirkt!Stichwort: Existenz-Stellvertretung" (nicht Objektbertra-gung"; vgl. H. Gese). Im stellvertretenden Tod (Verbluten) des

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    Opfertieres wird Gottes radikales Nein zur Snde manifest,b) Das Blut wird zum Ort der (gndigen) Gegenwart Gottes (Altar,Bundeslade beim Groen Vershnungstag") gebracht: Gottnimmt die Preisgabe des verwirkten Lebens gndig an und begrn-det so die zerstrte Gottesgemeinschaft (Bund) und damit das Le-ben neu. Hier bekomm t Gottes gndiges Ja Gestalt.

    III. Jesus - das Lam m Gottes"7. Christi Blut fr dich vergossenJesus ist nicht einfach gestorben, hingerichtet wurde er. Hingerich-tet auf die schndlichste und brutalste Weise, die die antike Weltkannte, die Kreuzigung. Als Gotteslsterer hatte man ihn im Ho-hen Rat abgeurteilt. Als Revolutionr, als Rebell gegen den rmi-schen Staat, wurde er anschlieend bei der Besatzungsmacht de-nunziert (ein raffinierter Schachzug). Aufgrund solcher Anklagelie ihn der korrupte Statthalter Pilatus liquidieren unter derhhnischen berschrift: Der Judenknig!" Aber so betonendie neutestamentlichen Zeugen das ist nur die Auenseite, das,was jeder mit bloem Auge erkennen kann, was mit den Mittelnder Geschichtsforschung jederzeit zugnglich ist. Doch es gilt, dieInnenseite zu entdecken, geffnete Augen zu bekommen fr dasgttliche Geheimnis in diesem so menschlich-allzumenschlichenGeschehen, Augen fr das Wunder der Liebe Gottes in, mit undunter" dieser grauenhaften Gew alttat. Gott war hier am Werk: Ju-das und Kaiphas, Pilatus und selbst der Satan waren nur Statisten.In Jesu Hinrichtung vollzog sich Gottes Gericht. Gott hat hier zu-geschlagen. Gottes heiliger Zorn entlud sich, Gottes unverletzli-ches Gesetz, das Snde mit Tod ahndet, zckte das Schwert.Ihn unseren Stellvertreter, ihn, das Opferlamm traf das To-desurteil. Verflucht (von Gott) ist jeder, der am Holze hngt" (5.Mose 21,23; Gal. 3,13), sagt Paulus. Aber er fgt h inzu: Er wardein Fluch (= ein von Gott Verfluchter) fr uns." Gott hat den,der von keiner Snde wute, fr uns zur Snde gemacht" (2. Kor.5, 21).40

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    Fr euch!" hat Gottes Liebe ber das Gericht seines Zornes ge-schrieben. All unsere Snde lie er aufprallen" auf ihn. So hatGott Shne geschaffen, so die Schuldfrage gelst. Christi Blut fr mich vergossen", das ist nun mein einziger Trost im Leben undim Sterben. Das Schlsselwort Blut Christi" erffnet uns seineHinrichtung als die Erfllung des alttestamentlichen Shnehan-delns. Hier und so hat Gott Frieden geschlossen (Rom. 5, 1) endgltig und fr jedermann.

    2. Karfreitag der Jrn Kippur desNeuen Bundes (Rom. 3, 25)Es geht nun darum, das, was wir im Nachdenken ber das Ver-stndnis von Schuld/Shne/Opfer im AT entdeckten, fruchtbar zumachen fr die neutestamentliche Botschaft vom Sterben Jesu.Wir versuchen das beispielhaft an der sehr dichten Aussage vonRom. 3, 25 (Paulus hat hier wohl ein urgemeindliches Bekenntnisbernommen und durch eigene Zustze ergnzt). Luther bersetztdiesen Text, den er dunkel und verwirrt" nennt, so:Welchen (Christus Jesus) Gott hat vorgestellt zu einem Gnaden-stuhl (revidiert: Shnopfer) durch den Glauben in seinem Blut, da-mit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete in dem , da erSnde vergibt..."Mit meiner bersetzung will ich versuchen, diese hchst kompri-mierte Fassung ein wenig aufzugliedern:Gott hat Christus Jesus in seinem blutigen Opfertod vor der(Welt-)ffentlichkeit als ,Gnadenthron' hingestellt. Zugang dazufinden wir im Glauben . Gott tat das, um seine Gerechtigkeit(Barmherzigkeit/Bundestreue) zu erweisen . . . "Karfreitag, so lautet die These des Paulus, ist der groe Versh-nungstag des Neuen Bundes. Dem mssen wir genauer nachgehen.2.1. Jesus der GnadenthronHier ist Gott gndig!Der Hebrerbrief (Hebr. 8/9) zeigt uns Jesus als den einen, wahrenHohenpriester, der zugleich das eine, wahre Opferlamm ist: Er

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    bringt sich selbst fr uns dar. Dies ist die ein fr allemal gltigeShne, die endgltige Bewltigung aller Schuld. Alles Opfern istdamit erfllt und also berholt und abgetan. Allein deshalb ist dasChristentum Religion ohne Opfer", nicht etwa so die liberaleTheologie seines besonders geistigen" Charakters wegen! Paulus hebt in diesem Zusammenhang in Rom. 3 etwas Besonde-res heraus: Als Gnadenthron" (hebr. Kapport; griech. Hilaste-rion) hat Gott Jesus bestimmt und eingesetzt.Dieser Gnadenstuhl" (Shnedeckel", besser: Shneplatte) meintim Heiligtum des Alten Bundes jene goldene Platte, die die Bun-deslade oben abschlo. Welche Bedeutung dieser Deckplatte bei-gemessen wurde, erkennt man am deutlichsten daran, da das gan-ze Allerheiligste Haus der Kapport" genannt wurde (1. Chronik28,11): Sie war das Zentrum im Zentrum, das Herz" des Tempels.Auf dieser Platte waren zwei Engelwesen, zwei Kerubim, darge-stellt, deren Krper und Flgel eine Art Thron bildeten, den Ortder gndigen Anwesenheit (Realprsenz) Gottes. Hier wohnte",thronte" der Gndige und Barmherzige; geduldig ist er und vongroer Gte.

    Kapport

    BundesladeBei dieser Kapport knpft Pau lus an: Jetzt, so verkndigt er, hatGott den Schritt von der Verheiung zur Erfllung getan, vom Zei-chen zur Sache" selbst. Was im AT Modell, Entwurf, Hinweis(griechisch: Typos) war, ist nun vollendet, zu Stand und Wesen ge-bracht: Gott hat Jesus zum G nadenthron" gemacht.An die Stelleeines Dings trat seine Person, an die Stelle einer goldenen Platteder lebendige Heiland. Wer jetzt den gndigen Gott sucht, werVergebung seiner Schuld begehrt, wer es in seiner Absonderungvom Leben nicht mehr aushlt, der ist hier an der richtigen Adres-42

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    se: In Jesus ist Gott uns gndig. Wer sich ihm zuwendet, seinenNamen anruft, der lebt!Gottes Gnade und Jesus sind eins. Es ist fr die Bibel keine Aller-weltsweisheit, keineswegs platte Selbstverstndlichkeit, da Gottgndig, lieb" sei. Nur Sptter knnen sagen: Pardonner c'est sonmtier", Vergeben, das ist doch sein Handwerk; wozu sollte ersonst gut sein?Der rheinische Pfarrer und sptere Prses Paul Humburg lie sei-ne Konfirmanden im Sprechchor sagen: Einen lieben Gott gibt esnicht!" Nein, das Sterben Jesu, sein Blut", zeigt uns: Gottes Gna-de ist nicht jene senile Schwche, die notgedrungen fnf geradesein lt. Der Mrchenbuchliebergott" (W. Borchert) ist seit Gol-gatha tot.Gott ist heilige Liebe. Er vergibt Snde, indem er sie shnt, sie blu-tig durchkreuzt: Er lie sich's sein Bestes kosten ." In Jesus ex-klusiv in ihm! ist der Ort der Gnade, der Gnadenthron", wowir verlorenen und verdammten Menschen" den Freispruch er-fahren.Hier schweigt die Anklage!Kehren wir zurck zu der goldenen Platte, der Kapport! Nachoben trug sie den G ottesthron, nach unten bedeckte sie die beidenGesetzestafeln, die in der Bundeslade aufbewahrt wurden (1. Kn.8, 9). Die heiligen Gebote Gottes, ihre unerbittliche Forderung, ihrunbestechliches Prfen und unbarmherziges Strafen, sind mit derShneplatte" gndig verhllt. Hier mu die Stimme der Anklageschweigen.Wenn im Allerheiligsten", im innersten Kern unseres Gottesver-hltnisses, das Gesetz die letzte Instanz wre, dann wren wir alleverloren. Denn wer wollte behaupten, er habe etwa das Gebot Dusollst nicht ehebrechen!" erfllt bis hinein in die Tiefen seinerTrume, bis in den Abgrund seiner Sehnschte, ins Schweifen sei-ner Phantasie? Oder wer knnte triumphieren: Ich halte das ersteGebot!? Allein Gottes Ehre ist mein Ziel! In Wort und Werk undallem Wesen ist er und nichts als er zu lesen!? Fr uns Snderist die Begegnung mit den heiligen Gottesforderungen tdlich: Sieschleudern unsere Taten auf unser eigenes Haupt! Aber nun liegtdie Shneplatte" ber den Geboten. Im Angesicht Jesu ist unsereSchuld zugedeckt. Bei diesem Gnadenthron" darf ich leben, hierempfange ich das gute", das getrstete, freigesprochene Gewis-

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    sen. Jetzt gilt: Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestor-ben, ja vielmehr, der auch auferweckt is t . . . " (Rom. 8, 34).

    2.2 Jesus der Eine fr alle (urbi et orbi)Im Alten Bund vollzog sich das Geschehen am groen Versh-nungstag ganz im Verborgenen. Nur der Hohepriester als Vertreterdes Gottesvolkes durfte den Vorhang beiseite schieben und in dasvllig dunkle Allerheiligste treten. Alle brigen Priester, erst rechtdas Volk, standen drauen. Die Heiden blieben gnzlich ausge-schlossen. Nur einmal im Jahr durfte sich der Hohepriester nahen,von schtzenden Weihrauchwolken umhllt. Zitternd trug er dasOpferblut hinein, zitternd sprach er den heiligen Gottesnamen aus,zitternd besprengte er den Gnadenthron mit dem Opferblut.Aber jetzt! Vor aller Weltffentlichkeit hat Gott Jesus sterben las-sen, dort am unreinen Ort vor den Toren der heiligen Stadt. Gotthat ihn ffentlich hingestellt", sagt Paulus: Vor der Weltffent-lichkeit geschah es und fr sie! Dies Geschehen gilt urbi et or-bi", geht die Stadt Jerusalem und den ganzen Weltkreis an.Auf dem Titulus", der Tafel zu Jesu Hupten, stehen die dreiWeltsprachen (Joh. 19, 1719) und proklamieren Jesus als Knig.Die Sprache des Alltags bezeugt es (das Aramische), die Spracheder Bildung, der Wissenschaft (das Griechische), die Sprache desAmtes, der Politik, der Wirtschaft (das Lateinische):Alle Menschen und alle Lebensbereiche werden Jesus unterstellt.ber allen und allem wird das Wort von der Vershnung ausgeru-fen. Matthus (27, 51) berichtet, da der Tempelvorhang zerreit:Das Allerheiligste", der Gnadenthron" in Person, will nach allengreifen. Der Zugang ist frei fr jedermann.Dies eine will freilich beachtet sein: Die universale, weltumspan-nende Heilstat Gottes (Gott vershnte die Welt", 2. Kor. 5, 19) istganz eindeutig und exklusiv an einen Ort" gebunden, an den ei-nen Gnadenthron" Jesus Christus. Es wre verhngnisvolle Irr-lehre zu sagen: Seit Christus, seit Karfreitag und Ostern, schlichtpost Christum natum" gibt es kein Verlorengehen, keine Ver-dammnis mehr. Es mu heien: In Christus (hier an dieser Stel-le!), bei Christus, da sind wir geborgen (vgl. Rom. 8, 1). Hierkann nicht einfach chronologisch (seit") gesprochen werden (wo-bei dann oberflchlich allvershnerisch" geredet wird: Es sind44

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    ohnehin alle gerettet. Wort und Sakrament, M ission und Evangeli-sation sind als Heils-Veranstaltungen" im Grund berflssig).Hier will heilsgeschichtlich" gedacht, gelehrt, gepredigt sein:Lat euch vershnen mit Gott!" Nutzt den offenen Zugang! Ge-sellt euch zu dem Gnadenthron"!Ein Bild: Wird ein Jger in der Steppe von einem der unheimli-chen, sich kilometerweit ausbreitenden Steppenbrnde berrascht,so gibt es keine Chance zur Flucht. Nur ein Platz, wo bereits einFeuer alles Brennbare verzehrt ha t, so da die heranrollende Flam-menlawine keine Nahrung mehr findet, nur ein Fleck verbrannterErde kann dann Schutz bieten. So zndet der Jger selbst ein Feu-er an, um solch eine rettende Insel im Flamm enmeer zu schaffen.Das NT wei sehr nachdrcklich von dem zuknftigen Zornge-richt Gottes", von dem Tag des Zorns" zu reden (M at. 3, 7; Rom.2, 5; 5, 9; 1. Thess. 1, 10). Das ist nicht einfach seit Christus" pas-s; aber es ist in Christus" berwunden. Gottes Heil hat seinenkonkreten Ort". Da, nur da gilt's!

    2.3 Jesus Erweis der GottesgerechtigkeitDen Jesus Christus hat G ott in seinem Blut ffentlich hin-gestellt zum Erweis seiner Gerechtigkeit. " Gerechtigkeit" meintja in der Sprache der Bibel gerade nicht die fordernde, beurteilen-de und verurteilende Haltung des Richters, nicht jene Justitia",die jedem zum it, was er verdient. Gerechtigkeit Gottes" bedeutetim Alten wie im Neuen Testament Gottes unwandelbare Treue zuseinen widerspenstigen Menschen, seine alles recht und gut ma-chende Barmherzigkeit. In seine Gerechtigkeit hllt er uns ein, mitihr umkleidet er uns wie mit einem schtzenden Mantel.Paulus sagt: Bisher hatte Gott die Schuld der Menschheit in Ge-duld getragen (zu dieser zuwartenden Geduld gehrte auch dievorlufige E inrichtung der Shnopfer im AT). Er hatte die Schuld-frage zurckgestellt", der Menschheit ihr Vergehen gestundet".Doch jetzt setzt er dieses Thema endgltig auf die Tagesordnung.Jetzt schafft er reinen Tisch, und dies auf wunderbare, nur ihmzuzutrauende" Weise. Seinen Sohn setzt er fr uns! In der Hinga-be Jesu richtet er sein Gottsein auf* setzt sich als Gott durch,schafft seiner Gerechtigkeit (seinem J a zum M enschen) Raum. Je-su Shnetod setzt ber unser Leben das unauslschbare Pluszei-

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    chen. Nun ist Gottes Gerechtigkeit manifest, nun sind wir Gottrecht!2.4 Jesus im Glauben zu empfangen . . . ffentlich hingestellt fr den Glauben!" Liebe Herren,was soll ich tun, da ich gerettet werde?" schrie der Gefngnisdi-rektor in Philippi, als Gott mit Erdbebengewalt in sein bisher ruhi-ges Beamtenleben eingebrochen war. Paulus und Silas antworten:Glaube! Glaube an den Herrn Jesus Christus!"Was soll ich tun ?" Glaube!" H ier bekom mt die typisch mensch-liche Frage, die zweifellos meint, jetzt sei eine auerordentlicheLeistung fllig, die gttliche Antw ort: Glaube! La gelten, da ein

    Zum persnlichen Bibel-studiumWir sahen: Das NT erfatJesu Kreuzigung als Shne-tod. Stichworte wie Blut"oder Lamm" signalisierendas deutlich. Bedenken Sievon dieser Schlsselerkennt-nis" her die folgenden Stel-len und fragen dabei jeweilsnach dem spezifischen Ak-zent: Markus 14, 23+24;Mat. 26, 27+28; 1. Kor. 11 ,25; 1. Kor. 10, 16; Joh. 6,53-56 (diese Stellen gehrenalle in denselben Zusam men-hang! In welchen?); Rom. 5,9; Eph. 1, 7; Kol. 1, 20;1. Petr. 1, 18+19; 1. Joh. 1,7; Hebr. 9, 14 (Kap. 9/10insgesamt); Offbg. 7, 13-17.

    Bibel-PuzzleZu der grundlegenden Aus-sage Shne" gesellen sichim NT weitere Bildkreise (alsIllustration). Ich nenne eini-ge:(1) Strafrecht,(2) Kriegswesen,(3) Schuldrecht,(4) Sklavenwesen,(5) stellvertretender Gehor-sam.Ordnen Sie in diese Schub-fcher" die folgenden Stellen(wobei eine durchaus zuzwei Bereichen passen kann):(a) 1. Kor. 6, 19+20 (b)Kol. 2, 15 (c) Rom . 5, 19 (d) Kol. 2, 14. WelcheZahl gehrt zu welchemBuchstaben?

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    anderer bereits alles fr dich getan hat. Nimm das Fr dich"wirklich fr dich in Anspruch. Luther sagt: Die ganze Gewaltliegt darin, da einer die Pronomina (das fr dich", fr mich")gut auf sich bezieht." Vertrau dich Jesus so an, wie ein gebrechli-cher Nichtschwimmer sich der Flut des Toten Meeres berlt.Das spezifische Gewicht des Wassers ist durch den hohen Salzge-halt so gro, da auch der Schwchste davon getragen wird, auchder Hilfloseste auf den Wellen ohne jede Anstrengung ruht.Glaubst du, so hast du!" rief Luther immer wieder. Glaubst dunicht, so hast du nicht!" (Siehe Kasten auf Seite 46.)

    IV. Kreise um die Mitte1. Das Herz der Bibel1.1 Menschenopfer?In der bunten Welt der Religionen hat das Opfer seinen festenPlatz. Der Priester steht in allen Kulturen neben dem Richter (bei-de Gestalten weisen auf die Schuld des Menschen hin). Es gehrtzum tiefsten Wissen des Menschen: So wie ich bin, bin ich nichtgut, nicht richtig (gerecht"). Meine Natur" ist zutiefst versehrt.Was sollte mir ein Zurck zur Natur!" schon bringen? Nein, derMensch mu aus seiner Natur" heraus, mu sich selbst ber-schreiten, ja sich selbst loswerden. So tritt er mit seinem Opfer anden Altar.Man kann das Opfer in den Religionen nicht grndlicher miver-stehen, als wenn man m eint, dabei gehe es um bloe Geschftema-cherei, um die ebenso plumpe wie raffinierte Spekulation: Ich ge-be dir, Gott, etwas, damit du mir umso mehr wiedergibst" (Do-ut-des-Prinzip). Solche Berechnung kommt nur als Entartung vor.Nein, im Opfer gewinnt die tiefe Einsicht Gestalt: Ich habe meinLeben verwirkt, stehe unter dem Todesurteil. Deshalb ist das Opferseinem Wesen nach Selbst-opfer, Selbsthingabe und -aufgbe (C.H. Ratschow): Ich opfere mich, liefere mich der Gottheit aus (dasgilt, auch wenn dann praktisch andere Lebewesen zumal Tiere an meinen Platz treten).

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    Eine dunkle Ahnung meldet sich hier: Nur durch den Tod wird ei-ne neue Lebensmglichkeit erffnet. Billiger geht's nicht. Nur ausdem Tode heraus wchst das Lebenl Das ist nun Grund-berzeugung in den Religionen: Diesen Todes weg zum Leben habeich, der Mensch, unter meine Fe zu nehmen. Dieses Sterben ha-be ich zu leisten. Ich habe mich der Gottheit darzubringen.1.2 Gottesopfer!An dieser Stelle bricht das Neue der biblischen Botschaft herein:Gott, der wahre, lebendige Gott, der Schpfer Himmels und derErde, der Vater Jesu Christi, macht unsere verlorene Sache zu derseinen. Da wird das dumpfe Ahnen des Menschen (Nur aus demTode wchst das Leben") ins helle Licht gestellt und dabei wurzel-tief korrigiert: Das Leben entspringt allein aus Gottes Tod".Der Gott der Bibel nimmt dem Menschen das Opfer aus der Handund macht es zu Seiner, Gottes, Sache! Er, Gott, gibt sich selbstfr uns, shnt im Sterben des Sohnes der Menschen Schuld. Gottwirkt das Opfer, schafft das Heil, der Mensch empfngt es; Gottvershnt (shnt), wir Menschen werden vershnt (bekommen dieShne). Im Vergleich zu den Religionen wird also das Verhltnisvon Subjekt und Objekt umgekehrt: Gott allein, Christus allein,die Gnade allein! das ist das biblische Evangelium.1.3 Christi OpferChristi Blut fr dich vergossen", so lautet die entscheidende,die alles wendende Zusage. So wird die Vergangenheit bewltigt,die Zukunft geffnet. In den Abendmahlsworten ist die Botschaftvom Blut Jesu" am strksten verdichtet, ja, hier drfte sie eigent-lich beheimatet sein, ihren Sitz im Leben" haben: Als Bundes-schlu (2. Mose 24, 8; Sach. 9, 11 M ark. 14, 24 ; Mat. 26, 28),als Aufrichtung des Neuen Bundes" (Jer. 31, 31 Luk. 22, 20;1. Kor. 11, 25: Das ist der neue Bund in meinem Blut") wird dasSterben Jesu proklamiert, als Hingabe des einen Gottesknechtes"fr die vielen", das heit fr die Menschheit (M ark. 14,24 Jes.53, 11 + 12). Durch das vergossene Blut" (Opfersprache) stiftetGott die neue, fr die ganze Menschheit gltige Lebensgemein-schaft (vgl. 1. Kor. 10, 16+17: Durch die Anteilhabe an ChristiLeib und Blut werden wir der Leib Christi).48

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    So hat das Abendmahl im Blick auf das Blut Jesu" zentrale Be-deutung.Einmal fr die neutestamentliche berlieferung. Denn um diesesZentrum, diesen Kristallisationspunkt gruppieren sich die ent-scheidenden Stellen ber das Sterben Jesu fr unsere Snden"(1. Kor. 15, 3; Gal. 1, 4; vgl. dazu all die Stellen, die wir am Endevon III. unter Zum persnlichen Bibelstudium", nannten). Prof.Ulrich Wilckens stellt fest, da die kultische Shne-Vorstellungdurchweg der Horizont ist, unter dem der Tod Christi in seinerHeilsbedeutung . . . gedacht wird".Zentrale Bedeutung des Abendmahls das gilt zum andern frunser persnliches Christenleben! Indem uns Brot und Wein ge-reicht werden, indem uns der ganz persnliche Zuspruch erreicht:Christi Blut fr DICH vergossen", indem wir so sehen, hren,schmecken, essen und trinken und dabei im Glauben zufassen,kommen wir dem Geheimnis der Hingabe unseres Herrn am nch-sten : Was vermacht" er uns ber seinen Tod hinaus1? Nicht wieBuddha eine Lehre, eine Handlungsanweisung, nicht wieMohammed ein Buch; nein, in, mit und unter" Brot und Weingibt er uns sich selbst, er, der als der Auferstandene an den W und-malen der Kreuzigung zu identifizieren ist (vgl. Joh. 20, 24-29),der als der Weltenherr das Lamm" bleibt, das geschlachtet ward(Offbg. 5, 6ff).Er gibt sich selbst: Sein Leib", das ist er selbst in der H ingabe sei-ner Person (Leib" = Ich); sein Blut", das ist er selbst in seinemshnenden Sterben. Deshalb: Dies Blut verwest nicht" (Zinzen-dorf), es ist nicht gestocket (geronnen) noch kalt" (Luther), esbezeugt eine immerwhrende Gltigkeit des Todes Jesu"(Bengel).Wir haben (Seite 26f) deutlich gesagt, da wir dabei nicht von ei-nem isolierten Stoff Blut" sprechen. Vielmehr bezeugen wir da-mit, da Jesu Sterben, da er selbst als der fr uns Geopferte inalle Ewigkeit unsere Rettung ist und da der neue Himmel und dieneue Erde voll sein werden von seinem Lob: Das Lamm, das er-wrget ist, ist wrdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weis-heit und Strke und Ehre und Preis und Lob " (Offbg. 5, 12). Dasist rechte Blut-und-Wunden-Theologie".

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    2. Der eine weie Strahl und das FarbspektrumUnser ganzer bisheriger Gedankengang (von Teil I her) luft aufdies eine zu: Die Bezeugung des Sterbens Jesu als Shne, die Pro-klamation des Blutes Jesu", das rein macht von aller Snde, istim Neuen Testament nicht irgendein beliebiges, austauschbaresBild (zudem aus dem uns so fremden kultischen" Bereich), nichtein bloes Versatzstck", ein zeitgebundenes Interpretament",sondern (noch einmal Prof. Stuhlmacher) die geschichtliche Sub-stanz" des Evangeliums, (noch einmal Prof. Gese) das Zentrumder christlichen Dogmatik". Hier geht es um die Sache selbst",nicht um eine auswechselbare Deutung.Ist so der Zirkel im Zentrum eingestochen, so vermag der andereSchenkel weite Kreise zu ziehen. So finden wir in der Tat nebendem bisher Gesagten (Opfer, Shne), es veranschaulichend, zu-stzlich Illustrationen aus verschiedenen Lebensbereichen. Wohl-gemerkt: Der Realittsgehalt dieser Bilder liegt nicht in ihnenselbst begrndet, sondern in dem Grundgeschehen des ShnetodesJesu. Hier ist der Scheck gedeckt.Wir wollen uns abschlieend einigen von diesen Veranschauli-chungen zuwenden, die die eine Mitte umstehen und auf sie ver-weisen. In ihnen bricht sich der eine weie Strahl in die Flle derSpektralfarben.2.1 Schuldrecht StrafrechtKol. 2, (13+14): (13) Euch, die ihr tot wret in euren Snden. . ., hat er (Gott) mit ihm (Christus) lebendig gemacht und euchalle bertretung vergeben. (14) Er hat den gegen uns lautendenSchuldschein, welcher kraft der Satzungen gegen uns war,ausgetilgt. Und er hat ihn w eggenom men (aus der M itte entfernt)und ihn ans Kreuz angenagelt. "Paulus erlutert hier das Sterben Jesu an einem Bild aus dem Be-reich des Schuldrechts (so wird V. 14 zumeist gedeutet) oder desStrafrechts. Was ist Karfreitag geschehen?SchuldrechtDas Verhltnis zwischen Gott und uns, dem Schpfer und seinenGeschpfen, ist durch einDoppeltes gekennzeichnet. Zuerst: Gotthat uns unendlich viel anvertraut: uns selbst mit all unseren kr-50

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    perlichen und geistigen Fhigkeiten, unsere Nchsten dazu, seineWelt als unsern Lebensraum, dazu sein Wort, seine Nhe. WirMenschen sind Gottes bevorzugte Lehnstrger.Sodann: Wir Menschen haben darauf mit einer ungeheuren Unter-schlagung geantwortet. Das anvertraute Gut, das Leben", wolltenwir Gott entreien, es zu unserem Eigentum erklren, wollten au-tonom, autark, selbst-herrlich sein (vgl. das Gleichnis vomSchalksknecht Mat. 18, 23ff, von den bsen Weingrtnern Mark.12, Iff; dazu die 5. Vaterunserbitte, die bei Matthus wrtlichheit: Vergib uns unsere Schulden . . .").Gott hat darber einen Schuldschein" ausgestellt, hat die Total-unterschlagung fixiert; die Satzungen" (=Gebote Gottes) gebendazu den Rechtsgrund. Diese verbriefte" Schuld stand in derMitte", schied uns von Gott, blockierte jeden Zugang. Aber nungeschah Gottes souverner bergriff": Die Barriere hat er ber-griffen, indem er die Schuldurkunde wegrumte, sie ans Kreuz Je-su heftete. Jesus zahlt fr unsere Schuld.Dieser Akt der Stellvertretung unterscheidet die Art, wie Gott han-delt, von einer grospurigen Geste wie sie etwa der G robankierFugger vollzog, als er die Schuldverschreibungen Kaiser Karl V.kurzerhand in den Ofen warf. Bei Gott wird die Schuld wirklichbeglichen: gar teur' hat er's erworben"!b) StrafrechtDie andere Deutung von V. 14 setzt bei der Formulierung ein: ansKreuz genagelt". Es war blich, da ein zum Tode Verurteilter aufdem Wege zur Hinrichtung ein Schild (Titulus" genannt) um denHals trug, das sein Vergehen namhaft machte. Dieser Titulus"wurde dann zu Hupten des Delinquenten befestigt (vgl. den Ti-tulus" Jesu: Mark. 15, 26).Paulus mchte uns bei der Hand nehmen und uns zum Hinrich-tungsplatz unter ein Kreuz fhren. Die Neugier lockt uns. Wirmchten wissen, wer dort hngt und was er verbrochen hat. DerTitulus" (=Schuldschein") aber ist merkwrdig dicht beschrie-ben. Wir mssen schon nahe herzutreten. Pltzlich durchfhrt esuns: Da steht ja mein Nam e; meine Biographie ist da festgehalten,ganz ungeschnt und ungeschminkt, vom Rntgenlicht Gottesdurchleuchtet. Nicht an einem Punkt vermag ich zu widerspre-chen, mu das Todesurteil akzeptieren. Schon erwarte ich den har-ten Zugriff des Henkers, da richtet der Apostel meinen Blick auf

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    den Mann, der unter meinem Namen, meinem Titel", dort hngt:Dein Platz ist schon besetzt. Dieser dort starb fr dich!Ob wir Kol. 2, 14 vom Schuldrecht oder vom Strafrecht (vgl. dazunoch Rom. 4, 25, Gal. 3, 13, Rom. 8, 32) her deuten, es handeltsich nur" um juristische Bilder, um Illustrationen, die die Sacheselbst" veranschaulichen wollen. Wenn wir nmlich von diesen Bil-dern her weiterfragen: Wie geschah es denn, da er unsere Unter-schlagung" beglich, unsere Schulden" be