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Fakultät für Kultur- und Sozialwissen- schaften Grundlagen der Informellen und Formalen Logik Kurseinheit 1: Christopher W. Tindale: Einführung in die Informelle Logik Kurseinheit 2: Irving M. Copi: Einführung in die Formale Logik

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Fakultät für Kultur- und Sozialwissen-schaften

Grundlagen der Informellenund Formalen Logik

Kurseinheit 1:Christopher W. Tindale: Einführung in die Informelle Logik

Kurseinheit 2:Irving M. Copi: Einführung in die Formale Logik

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Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Ver-breitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der FernUniversität reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Der Inhalt dieses Studienbriefs wird gedruckt auf Recyclingpapier (80 g/m2, weiß), hergestellt aus 100 % Altpapier.

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Inhaltsverzeichnis 3

Inhaltsverzeichnis

Kurseinheit 1: Einführung in die Informelle Logik ................... 5

Autor der Kurseinheit .................................................................................. 6

Lernziele ..................................................................................................... 9

Bibliographische Hinweise ........................................................................ 10

1. Was heißt „Begründen“? ............................................................ 13 1.1 Einleitung ........................................................................... 13 1.2 Was ist eine These? .......................................................... 13 1.3 Was ist ein Grund? ............................................................ 15 1.4 Was ist ein Argument? ...................................................... 19 1.5 Die Grundzüge des argumentierenden Begründens ......... 21

2. Textanalyse .................................................................................. 28 2.1 Das komplexe Argument ................................................... 28 2.2 Tatsachenbezogene und bewertende Aussagen ............... 33 2.3 Annahmen und verborgene Komponenten ........................ 35 2.4 Die Bestimmung der Hauptthesen in einer Begründung .... 37

3. Die Strukturen des Begründens ................................................. 43

3.1 Indikatoren und Kontexte ................................................... 44 3.2 Die Standardisierung von Argumenten .............................. 46 3.3 Eine Methode zum Umgang mit umfassenderen Texten ... 50 3.4 Die Analyse mit Diagrammen ............................................ 51

4. Die Ziele des Begründens ........................................................... 59

4.1 Die Kontexte der Argumentation ........................................ 59 4.2 Die Charakteristik von Auditorien ...................................... 60 4.3 Typen von Auditorien ......................................................... 64 4.4 Besondere und universelle Auditorien ............................... 65

5. Fragen des sprachlichen Ausdrucks ......................................... 72

5.1 Mehrdeutigkeit und Vagheit als Probleme des begründenden Denkens .............................................. 72 5.2 Vorbelastete Sprache und persuasive Definitionen ........... 76 5.3 Die Relevanz guter Definitionen für die Vermeidung sprachlicher Probleme ................................... 78

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Inhaltsverzeichnis 4

6. Gutes Begründen ......................................................................... 83 6.1 Kriterien für gute Argumente ............................................. 83 6.2 Akzeptabilität ..................................................................... 84 6.3 Relevanz ........................................................................... 88 6.4 Hinreichende Stützung ...................................................... 91 6.5 Antithesen und Zurückweisungen ..................................... 94

7. Schlechtes Begründen .............................................................. 102 7.1 Eine Einführung in Fehlschlüsse ..................................... 102 7.2 Begründungen, die den Bedingungen in Kapitel 6 nicht entsprechen ............................................................ 104 7.3 Einige Beispiele größerer Fehlschlüsse .......................... 106

Kurseinheit 2: Einführung in die Formale Logik .................. 123

Autor der Kurseinheit .............................................................................. 124

Lernziele ................................................................................................. 126

Bibliographische Hinweise ...................................................................... 127

1. Was ist Logik? ........................................................................... 128 2. Die Analyse von Argumenten ................................................... 129 3. Definition .................................................................................... 142 4. Regeln für die Definition ........................................................... 150 5. Symbolische Logik und Wahrheitstafeln ................................. 154 6. Die Methode der Deduktion ...................................................... 179 7. Theorie der Quantifikation ........................................................ 198

Antworten zu den Übungsaufgaben ....................................................... 222

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Kurseinheit 1 5

Kurseinheit 1

Einführung in die Informelle Logik

Autor: Christopher W. Tindale übersetzt von: Thomas Keutner

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Autor der Kurseinheit 6

Autor der Kurseinheit

Christopher W. Tindale

Department of Philosophy University of Windsor Windsor, Ontario, Kanada

Forschungsschwerpunkte

Argumentationstheorie, Ethik, Antike Philosophie

Akademische Laufbahn:

seit 2006 Professor am Department of Philosophy, University of Windsor

1989 – 2006 Trent University

10/2001 – 08/2002 Research Fellow, ZIFF, Universität Bielefeld

seit 2000 Co-Editor: Informal Logic: Reasoning and Argumentation in Theory and Practice

seit 2001 Editorial Board: Controversia

1988-89 Wilfrid Laurier University

1986-88.1 University of Waterloo

Veröffentlichungen

1) Bücher und Monographien (Auswahl)

Reason’s Dark Champions: Constructive Strategies of Sophistic Argu-ment, South Carolina 2010.

Dialectics, Dialogue and Argumentation: An Examination of Douglas Wal-ton’s Theories of Reasoning and Argument (with Chris Reed), Lon-don 2010.

Fallacies and Argument Appraisal, Cambridge 2006.

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Autor der Kurseinheit 7

Rhetorical Argumentation: Principles of Theory and Practice, Thousand Oaks, California 2004.

Good Reasoning Matters! (with Leo Groarke), Toronto, Canada 2004.

Acts of Arguing: A Rhetorical Model of Argument, Albany, New York 1999.

Informal Logic: A Prolegomenon to Good Argument (with Leo Groarke), Indiana 1985.

2) Herausgeberschaften (Auswahl)

Informal Logic @ 25 (Conference Proceedings) (with J. Anthony Blair, et.al.), Windsor, Ontario 2003.

Argumentation and Its Applications (Conference Proceedings) (with J. Anthony Blair, et. al.), Windsor, Ontario 2003.

Argumentation at the Century’s Turn. CD-Rom (with Hans V. Hansen, Elmer Sveda), St. Catharines, Ontario 2000.

Argumentation & Rhetoric. CD-Rom (with Hans V. Hansen, Athena Col-man (Brock)), St. Catharines, Ontario 1998.

Rhetorical Considerations in the Study of Argumentation (with Hans V. Hansen), Special Issue of Argumentation 12 (1998).

3) Aufsätze (Auswahl)

“Ways of Being Reasonable: Perelman and the Philosophers”, in: Philoso-phy & Rhetoric 43.4 (2010), 337-361.

“Global Governance, Argumentation and Diversity”, in: Corneliu Bjola, Markus Kornprobst (Hg.): Arguing Global Governance: Agency, Lifeworld and Shared Reasoning, Routledge 2010, 141-156.

“L’argumentation rhétorique et le problème de l’auditoire complexe” (trans. Sivan Cohen-Wiesenfeld), in: Argumentation et Analyse du Dis-cours 2 (2009), [en ligne], mis en ligne le 01 avril 2009. URL : http://aad.revues.org/index493.html.

“La Falacia y la Apelación a la Autoridad” [“Fallaciousness and the Appeal to Authority”], in: Cristian Santibanez, Roberto Marafioti (trans.): De Las Falacias: Argumentación y Comunicación, Buenos Aires 2008, 151-172.

“Revisiting Aristotle’s Topoi”, in: Hans V. Hansen, et. al. (Hg.): Dissensus and the Search for Common Ground, CD-Rom, Windsor 2007, 1-10.

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Autor der Kurseinheit 8

“Textual Allusion as Rhetorical Argumentation: Gorgias, Plato and Isocra-tes”, in: Frans. H. van Eemeren, et. al. (Hg.): Proceedings of the Sixth Conference of the International Society for the Study of Argu-mentation, Amsterdam 2007, 1359-1363.

“Fallacies as Violations of Rationality Norms: An Interdisciplinary Ap-proach”, (with Andreas Welzel) in: Frans. H. van Eemeren, et. al. (Hg.): Proceedings of the Sixth Conference of the International So-ciety for the Study of Argumentation, Amsterdam 2007, 1483-1489.

“Power and Force in Argumentation”, in: Controversia 3.2 (2005), 63-90.

“Rhetorical Argumentation and the New Journalism: A Case Study” (with S. Ward, Journalism, UBC), in: Frans van Eemeren, et. al. (Hg.): Proceedings of the Fifth International Conference of the Interna-tional Society for the Study of Argumentation, Amsterdam 2003.

“The Importance of Rhetoric for Argumentation”, Einleitung zu Argumen-tation & Rhetoric (s. oben).

“From Syllogisms to Audiences: The Prospects for Logic in a Rhetorical Model of Argumentation”, in: Dov. M. Gabbay, Hans Jürgen Ohlbach (Hg.), Practical Reasoning, Berlin 1996, 596-605.

“Contextual Relevance in Argumentation”, in: R. H. Johnson, J. A. Blair (Hg.), New Essays of Informal Logic, Windsor 1994, 67-81.

“Reasonableness and the Limits to Persuasion”, in: The Canadian Journal of Rhetorical Studies 3 (1993), 133-148.

“Logic and Rhetoric: Groundwork for a Synthesis” (with Leo Groarke), in: Frans H. van Eemeren, Rob Grootendorst, J. Anthony Blair, Charles A. Willard (Hg.), Argumentation: Perspectives and Ap-proaches, Dordrecht 1987, 274-82.

“The Use of Irony in Argumentation” (with James Gough), in: Philosophy and Rhetoric 20 (1987), 1-17.

Danksagung

Ich danke meiner studentischen Hilfskraft, Herrn Emrah Even, für seine unschätzbare Hilfe bei der Vorbereitung dieses Textes, besonders für die Unterstützung bei der Identifizierung einer Vielzahl der verwendeten Fall-beispiele.

Christopher W. Tindale

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Lernziele 9

Lernziele

1. Nach Bearbeitung des Kurses sollte die/der Studierende in der Lage sein, sich in Situationen orientieren zu können, in denen Argumente vorgebracht oder kritisiert werden: Welche Thesen werden aufgestellt? Welche Stützung erfahren die vorgebrachten Thesen? An ein wie be-schaffenes Auditorium richtet sich die oder der Argumentierende? Wie sind die zur Begründung vorgebrachten Argumente zu bewerten? Etc.

2. Die oder der Studierende sollte das im Kurs vermittelte argumentative Instrumentarium anwenden können, um selbst gute Argumente liefern und fremde Argumente bewerten zu können.

3. Insbesondere sollte die/der Studierende die Besonderheiten der An-wendung dieses Instrumentariums in verschiedenen Typen von Debat-ten überblicken – Gesellschaft und Politik, Wissenschaft, um sich an diesen mit eigenen Argumenten oder durch die Kritik und Analyse der Argumente anderer beteiligen zu können.

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Bibliographische Hinweise 10

Bibliographische Hinweise

Aristoteles, Rhetorik, hg. von Franz G. Sievke, 5. Aufl., München 1995.

Aristoteles, Sophistische Widerlegungen, übers. von Eugen Rolfes, Ham-burg 1968.

Brinton, Alan; Walton, Douglas, Historical Foundations of Informal Logic, Aldershot 1997.

Brinton, Alan, „The Ad Hominem“, in: Hansen, Hans V.; Pinto, Robert C. (Hg.), Fallacies: Classical and Contemporary Readings, University Park, PA 1995.

Copi, Irving; Burgess-Jackson, Keith, Informal Logic, New York 1995.

Eemeren, Frans H. van; Grootendorst, Rob, Argumentation, Communica-tion, and Fallacies: A Pragma-Dialectical Perspective, Hillsdale, NJ 1992.

Freeman, James, Acceptable Premises: An Epistemic Approach to an In-formal Logic Problem, Cambridge 2005.

Freeman, James, Dialectics and the Macrostructure of Arguments, New York 1991.

Garssen, B., „Argument Schemes“, in: Eemeren, Frans H. van (Hg.), Cru-cial Concepts in Argumentation Theory, Amsterdam 2001, 81-99.

Gilbert, Michael, Coalescent Argumentation, Mahwah 1997.

Gilbert, Michael, How to Win an Argument, New York 2001.

Goldman, Alvin I., Knowledge in a Social World, Oxford 1999.

Giere, Ronald, Understanding Scientific Reasoning, 4. Aufl., New York 1997.

Govier, Trudy, A Practical Study of Argument, 6. Aufl., Belmont, CA 2006.

Govier, Trudy, The Philosophy of Argument, Newport News 1999.

Govier, Trudy, Problems in Argument Analysis and Evaluation, Amsterdam 1987.

Grennan, Wayne, Informal Logic: Issues and Techniques: A proposal for a new system of argument evaluation, Montreal 1997.

Grice, Paul, Studies in the Way of Words, Cambridge, MA 1989.

Grice, Paul, „Logic and Conversation“, in: Davidson, D.; Harman, G. (Hg.), The logic of grammar, Encino, CA 1975, 64-75.

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Bibliographische Hinweise 11

Groarke, Leo; Tindale, Christopher, Good Reasoning Matters!, 4. Aufl., Toronto 2008.

Hacking, Ian, An Introduction to Probability and Inductive Logic, Cam-bridge 2001.

Hamblin, C. L., Fallacies, London 1970.

Hansen, Hans V.; Pinto, Robert C. (Hg.), Fallacies: Classical and Contem-porary Readings, University Park, PA 1995.

Hume, David, Dialoge über natürliche Religion, hg. von Günter Gawlick, 5. Aufl., Hamburg 1980.

Informal Logic: Reasoning in Theory and Practice. http://ojs.uwindsor.ca/ojs/leddy/index.php/informal_logic

Johnson, Ralph H., The Rise of Informal Logic, Newport News 1996.

Johnson, Ralph J., Manifest Rationality: A Pragmatic Theory of Argument, Mahwah 2000.

Johnson, Ralph H., Blair, J. Anthony, „Informal Logic: Past and Present“, in: Johnson, Ralph H.; Blair, J. Anthony (Hg.), New Essays in In-formal Logic, Windsor 1994, 1-19.

Johnson, Ralph H., Blair, J. Anthony, Logical Self-Defense, 3. Aufl., New York 2006.

Kahane, Howard; Cavender, Nancy M., Logic and Contemporary Rhetoric: The Use of Reason in Everyday Life, 9. Aufl., Belmont 2002.

Levi, Don S., In Defense of Informal Logic, Dordrecht 2000.

O’Keefe, D., Persuasion: Theory and Research, 2. Aufl., Thousand Oaks, CA 2002.

Lunsford, Andrea; Ruszkiewicz, John J.; Walters, Keith, Everything’s an Argument, 2. Aufl., Boston 2001.

Perelman, C., Das Reich der Rhetorik, München 1980.

Perelman, C.; Olbrechts-Tyteca, L., Die neue Rhetorik: eine Abhandlung über das Argumentieren, Stuttgart-Bad Cannstatt 2004.

Reed, C. A.; Walton, D. N., „Applications of Argumentation Schemes“, in: Hansen, H. V.; Tindale, C. W.; Blair, J. A.; Johnson, R. H. (Hg.), Ar-gumentation and Its Applications: Proceedings of the 4th Confer-ence of the Ontario Society for the Study of Argument, Windsor, ON 2002.

Rescher, N., „Vagueness: A Variant Approach“, in: Informal Logic 28 (2008), 282-94.

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Bibliographische Hinweise 12

Scriven, Michael, Reasoning, New York 1976.

Sperber, D.; Wilson, D., Relevance: Communication and Cognition, 2. Aufl., Oxford 1995.

Tindale, Christopher W., Fallacies and Argument Appraisal, Cambridge 2007.

Tindale, Christopher W., Rhetorical Argumentation: Principles of Theory and Practice, London 2004.

Tindale, Christopher W., Acts of Arguing: A Rhetorical Model of Argument, Albany, NY 1999.

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Toulmin, Stephen Edelston, Der Gebrauch von Argumenten, 2. Aufl., Weinheim 1996.

Vorobej, Mark, A Theory of Argument, Cambridge 2006.

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Walton, Douglas N., Informal Logic: A Handbook for Critical Argumenta-tion, 2. Aufl., New York 2008.

Walton, Douglas, Ad Hominem Arguments, Tuscaloosa 1998.

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Walton, D.; Reed, C.; Macagno, F., Argumentation Schemes, Cambridge 2008.

Woods, John; Irvine, Andrew; Walton, Douglas, Argument: Critical Think-ing, Logic and the Fallacies, Toronto 2004.

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Yanal, R., „Dependent and Independent Reasons“, in: Informal Logic 13 (1991), 137-44.

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Was heißt „Begründen“? 13

1 Was heißt „Begründen“?

1.1 Einleitung

Unsere Tage sind voll des Lieferns von Gründen – kognitive Prozesse, durch die wir argumentieren, Untersuchungen anstellen, Entscheidungen treffen, Schlüsse ziehen, unsere Handlungen rechtfertigen, mit anderen Verhandlungen führen. Tatsächlich begründen wir auf vielerlei Weise, um den täglichen Herausforderungen des gesellschaftlichen Lebens zu be-gegnen. Informelle Logik ist die Untersuchung dieses „gewöhnlichen“ oder „alltäglichen“ Begründens. Die Untersuchung der Eigenschaften und Pro-zesse der Informellen Logik hilft uns sowohl bei der Betrachtung unseres eigenen Begründens als auch bei der Bewertung der Begründungen ande-rer. Sie hilft uns bei der Betrachtung, was die Abwägung der Stärken und Schwächen der Begründungen ausmacht, die wir selbst hervorbringen und mit denen wir von anderen konfrontiert werden – sei es durch eine unmittelbare Bitte um Unterstützung oder mittelbar durch die Botschaft eines Werbeplakats an der Wand eines Gebäudes.

Informelle Logiker heben die Stärken und Schwächen hervor, da sie aner-kennen, dass die meisten Begründungen irgendwo in einem Spektrum angesiedelt sind zwischen demjenigen, was offensichtlich schlecht ist (und auch als solches erkannt wird), und dem, was besonders gut ist (und sel-ten erreicht wird). Die Begründungen, die wir hervorbringen und denen wir begegnen, haben ihren Wert und ihren Unwert, und wir müssen imstande sein, dies zu unterscheiden, wenn wir ihre Qualität in angemessener Wei-se beurteilen wollen. In der alltäglichen Umgebung, mit der wir uns be-schäftigen, können wir vielleicht zuweilen eine Entscheidung vermeiden oder aufschieben. Zumeist aber sind wir aufgefordert, eine Handlung auf der Grundlage einer Begründung, die uns gegeben wird, zu beurteilen o-der wir sind vielleicht damit beschäftigt, andere davon zu überzeugen, in bestimmter Weise zu urteilen und zu handeln. Daher kommen wir gar nicht umhin, Begründungen als starke oder schwache zu bewerten. Mehrere Beispiele werden veranschaulichen, worum es geht, und uns helfen, jene Bestandteile zu unterscheiden, die hier ins Spiel kommen.

1.2 Was ist eine These?

Das erste Beispiel veranschaulicht, wie verschiedene Behauptungen in einer Begründung die Rolle von Thesen und Gründen übernehmen. Der folgende Text stammt aus einem Artikel von John Vinocur über den däni-schen Statistiker Björn Lomborg in der europäischen Ausgabe des Inter-national Herald Tribune (Montag, 17. Dezember 2007):

Informelle Logik

Beurteilung des Denkens

Lomborg-Beispiel für Thesen und Gründe

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Was heißt „Begründen“? 14

„Leider“, so behauptet Lomborg in seinem Buch, „ist Kyoto zum Symbol für eine Opposition gegen die Vereinigten Staaten geworden, die sich offenbar für die Meinungen des Rests dieser Welt nicht interessieren. Daher wurde Kyoto wiederbelebt, ohne dass es ernsthaft auf seine Ef-fektivität und seine Realisierbarkeit hin überprüft worden wäre. Und da-rum geht es in Wirklichkeit: Kyoto setzt zugleich über alle Maßen hohe Ziele und ist doch im Hinblick auf die Umwelt folgenlos. Es versucht, jahrhundertealte Muster innerhalb von 15 Jahren zu ändern, kostet schlussendlich ein Vermögen und liefert so gut wie kein Ergebnis.“

Hier werden fünf Behauptungen aus einem der Bücher Lomborgs über das Abkommen von Kyoto zitiert, die jedoch im Gesamtdiskurs keines-wegs alle dieselbe Rolle spielen. In einigen werden bestimmte Thesen behauptet, andere werden vorgebracht, um diese Thesen zu stützen. Die ersten beiden Behauptungen – lässt man einmal die Klausel „Lomborg behauptet in seinem Buch“ beiseite, die einfach nur den Kontext liefert – beziehen sich in der Art und Weise aufeinander, dass die zweite aus der ersten „folgt“. Wir werden den Begriff des „Folgens aus“ in einem späteren Kapitel behandeln. Hier genügt es, zu erkennen, dass das Wort „daher“ zwei Behauptungen in dem Sinne miteinander verbindet, dass „das zweite wegen des ersten gilt“:

- Unglücklicherweise ist Kyoto zum Symbol einer Opposition gegen die Vereinigten Staaten geworden, die sich offenbar für die Meinungen des Rests der Welt nicht interessieren

Daher:

- Kyoto wurde politisch wiederbelebt, ohne ernsthaft auf seine Effekti-vität und Realisierbarkeit hin überprüft zu werden.

Hier ist also die zweite Behauptung eine These. Eine These ist eine Äuße-rung, die vorgebracht wird, um von einem Auditorium in Betracht gezogen zu werden. Thesen sind oft umstritten und geben wieder, was der Behaup-tende für einen in der Welt bestehenden Sachverhalt hält. Thesen können aber auch Behauptungen sein, die Handlungen empfehlen („Wir sollten X tun“). Mit jeder These wird implizit behauptet, dass es Beweise oder stüt-zende Gründe für sie gibt. Zuweilen bleibt diese Stützung implizit, da nie-mand die These angreift oder sie Teil eines normalen Austauschs in ei-nem Gespräch ist, so wie wenn z. B. einer der beiden Gesprächspartner behauptet, „Es ist heute Nachmittag zu heiß, um mit dem Hund spazieren zu gehen“. Wird der Sprecher herausgefordert, dann könnte er das, was er behauptet hat, begründen („Es ist über 27 Grad heiß, und im Park gibt es keinen Schatten“). Diejenigen Thesen, die uns interessieren, müssen begründete Thesen sein und werden daher die Rolle von Konklusionen spielen, da sie aus einem oder aus mehreren stützenden Sätzen abgelei-tet worden sind. In dieser Weise verfährt auch Lomborg, wenn er eine

Die These

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Was heißt „Begründen“? 15

kontroverse Behauptung über die Vereinbarungen von Kyoto äußert, zu-gleich aber auch eine weitere Behauptung aufstellt, von der er glaubt, dass sie für die erstere als Stützung dient.

Lomborg stellt die weitere Behauptung auf, dass „es in Wirklichkeit um Folgendes geht“:

- Kyoto setzt zugleich über alle Maßen hohe Ziele und ist doch, im Hinblick auf die Umwelt, folgenlos.

Tatsächlich gibt es hier zwei Thesen: (i) Kyoto setzt über alle Maßen hohe Ziele; (ii) Kyoto ist im Hinblick auf die Umwelt folgenlos. Jede Behauptung, die als Stützung dieser doppelten These angeboten wird, muss also ver-suchen, beide Punkte abzudecken. Und genau dies bringt die letzte Be-hauptung auch zustande:

- Kyoto versucht, jahrhundertealte Muster in 15 Jahren zu ändern, kos-tet schlussendlich ein Vermögen und liefert fast kein Ergebnis.

Die erste Klausel spricht die Ziele an und in der zweiten Klausel geht es um die These der Inkonsequenz des Abkommens.

1.3 Was ist ein Grund?

Behauptungen, die eine These stützen sollen und die daher der These den Status einer Konklusion geben, werden als Begründungen bezeich-net. Begründungen sind Beweissätze. Sie liefern Überlegungen, aufgrund welcher die vorgebrachte These akzeptiert werden soll. Lomborgs These, dass das Abkommen von Kyoto über alle Maßen hohe Ziele setzt, soll glaubhaft sein, weil das Abkommen jahrhundertealte Muster in nur 15 Jah-ren ändern will. Vielleicht betrachten wir es als fragwürdig, ob ein angebo-tener Grund eine These tatsächlich stützt oder in der richtigen Weise stützt, aber mit diesen Fragen werden wir uns später befassen. An dieser Stelle konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit auf jene Gründe, die ein Autor oder Sprecher zur Stützung von Thesen vorbringt.

Das nächste Beispiel, das wir ausbreiten werden, weist ein komplexeres Arrangement von Thesen und Gründen auf. Es stammt aus einer Online-Diskussion über Assimilation in Europa, die auf die Unruhen folgte, die in den Pariser Vorstädten und anderen französischen Städten von jungen Männern arabischer oder nordafrikanischer Herkunft im Jahre 2005 ent-facht wurden. Zu dieser Zeit waren Dominique de Villepin Premier- und Sarkozy Innenminister. Marian Tupy, Assistenzdirektor des Projekts über Globale wirtschaftliche Freiheit am Cato-Institut, wurde gefragt, ob er den

Begründungen

Tupy-Beispiel für ein komplexes Argument

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Was heißt „Begründen“? 16

Kommentaren einer anderen Teilnehmerin der Diskussion zustimme, dass dasjenige, was die Bevölkerung der Pariser Vorstädte brauche, eher Jobs und wirtschaftliche Möglichkeiten seien, als den Plan der Regierung zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Er antwortete:

„Ich glaube, dass (sie) völlig im Recht ist. Die derzeitigen Vorschläge de Villepins sind typisch französisch, und das heißt, sie sind sehr bürokra-tisch, sehr komplex und völlig undurchführbar. Was Frankreich benötigt ist die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, denn z.Zt. gibt es in Frank-reich im Wesentlichen eine Job-Apartheid. Diejenigen Menschen, die Arbeit haben, haben in hohem Maße abgesicherte Jobs. Sie können sich für den Rest des Lebens auf einen sicheren Arbeitsplatz verlassen. Doch diejenigen Menschen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, haben kaum eine Möglichkeit, diese Mauer zu überwinden und sich Zu-gang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen, und daher ist das, was Frank-reich benötigt, eine höhere Wachstumsrate. Schafft Arbeitsplätze und allen Arbeitslosen die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden, sich durch diese Jobs den Lebensunterhalt zu verdienen und sich in die Ge-sellschaft im Ganzen einzufügen!“

Dieser kurze Diskussionsbeitrag ist recht komplex und beinhaltet eine Reihe von Charakteristiken, die in diesem Kapitel von Interesse für uns sind. Tupy macht bestimmte Voraussetzungen, nimmt bestimmte Dinge an, stellt Thesen auf, begründet diese Thesen und zieht umfassende Schlüsse aus ihren früheren Begründungen. Er bezieht Position und bietet ein Rezept an, was seinr Meinung nach aus dieser Analyse folgen sollte. Sie äußert sich auch kontrovers und ist für Erwiderungen offen. D.h. seine Begründung wird eher einen weiteren Austausch in Gang setzen als die Debatte beschließen.

Dieser letzte Punkt veranschaulicht etwas, das wir im Gedächtnis behalten und zugleich effektiv ignorieren müssen. Alltägliches Begründen ist ein Dialog als Prozess, zuweilen spielt er sich im Geiste eines Einzelnen ab, zuweilen zwischen einer begrenzten Anzahl von Teilnehmern und manch-mal zwischen wechselnden Teilnehmern und Menschen, die in die Debat-te eingreifen oder sie verlassen. Alltägliches Begründen ist Teil der Gezei-ten des gesellschaftlichen Lebens, und diese Charakteristik kennzeichnet insbesondere die wichtigen Themen, die im Mittelpunkt unserer gesell-schaftlichen Meinungsverschiedenheiten stehen und die so selten ein- für allemal gelöst werden. Zur selben Zeit muss aber die Analyse dieser tägli-chen Begründungen in diesen Fluss eingreifen und einzelne Begründun-gen herausziehen, dasjenige, was wir als die Produkte einer Argumentati-on bezeichnen, und sie in relativer Isolierung vorstellen. Wir können dies nicht vermeiden, und es ist notwendig, wenn wir bei der Betrachtung unse-res Gegenstandes Fortschritte machen wollen. Wir sollten jedoch nie die Kontexte ignorieren, aus denen diese Teilstücke des Begründens stam-

Alltägliches Begründen

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Was heißt „Begründen“? 17

men, die Hintergründe, die ihnen Form geben und die Konsequenzen, die aus ihnen folgen können. Diese weiteren Kontexte sind eine nützliche Quelle, wenn man die Bedeutung von Begriffen und Sätzen verstehen will sowie die Annahmen hinter Vielem, was geäußert wird. Der Informelle Lo-giker kann sie nicht weniger ignorieren, als wir die Personen der Begrün-denden selbst ignorieren können und das Auditorium, für das oder mit dem Gründe ausgetauscht werden. Mit anderen Worten: Es wird üblicher-weise darauf ankommen, wer etwas sagt und mit wem er es sagt oder zu wem er es sagt.

Alltägliches Begründen beinhaltet die Auswahl und das Vorbringen von Gründen. Daher stehen Gründe im Mittelpunkt unserer Untersuchung. Wir werden uns mit verschiedenen Arten von Gründen beschäftigen, die in verschiedenen Arten von Debatten gegeben werden können (kausale Be-gründungen zum Beispiel), und mit der Qualität der vorgebrachten Grün-de. Wir werden auch sehen, dass einige Gründe „verborgen“ sind, da der Begründende sie nicht ausdrücklich erwähnt hat, obwohl die Kohärenz seiner Begründung auf ihnen beruht.

Wir wollen einige dieser wichtigen Momente in Tupys Begründung be-trachten. Die Passage, die wir untersuchen, besteht aus einer Reihe von Sätzen oder Behauptungen, doch haben nicht alle denselben Status. Es gilt also auch hier, wie im vorangegangenen Beispiel, dass solchen Be-hauptungen im Text unterschiedliche Rollen zukommen. Einige von ihnen können als Thesen identifiziert werden, Dinge, die die Sprecherin behaup-tet:

- Es ist eher richtig, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Möglichkeiten zu schaffen, als einen Plan für die gesellschaftliche Zusammengehörig-keit zu entwerfen.

- De Villepins Vorschläge sind typisch französisch.

- Frankreich muss seinen Arbeitsmarkt liberalisieren.

Jede dieser Äußerungen fordert von dem Auditorium oder in unserem Fall von demjenigen, der den Text analysiert, eine besondere Reaktion. Zur ersten Äußerung sollten wir fragen „Warum ist dies richtig, welcher Grund oder welche Gründe bestehen für diese Überzeugung?“, zu der zweiten fragen wir „Inwiefern sind sie typisch französisch?“, und im Falle der letz-ten Behauptung fragen wir wieder „Warum, aus welchem Grund?“ Dies ist so, weil keine dieser Behauptungen selbstverständlich ist und von dem Auditorium (oder dem Analytiker) ohne Weiteres und ohne jede Stützung akzeptiert werden wird. Und daher suchen wir unter den verbleibenden Behauptungen nach einer, die solche stützenden Gründe liefern könnte. Diejenigen Sätze, die die zweite Behauptung stützen sollen, sind ebenfalls klar identifizierbar:

Gründe im alltäg-lichen Begründen

Drei Behauptungen im Tupy-Beispiel

Reaktion des Zuhö-rers bzw. Analytikers

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Was heißt „Begründen“? 18

- De Villepins Vorschläge sind sehr bürokratisch, sehr komplex und völlig undurchführbar.

Fragen wir danach, wie diese Begründung die Behauptung stützen soll, dann sehen wir, dass hier eine weitere unausgesprochene oder verbor-gene Behauptung angenommen wird, nämlich:

- Vorschläge, die sehr bürokratisch, sehr komplex und völlig undurch- führbar sind, sind typisch französisch.

Diese Annahme wird jedem objektiven Leser als kontrovers erscheinen, und wir müssen überlegen, wie mit derartigen Annahmen zu verfahren ist. Hierauf werden wir weiter unten in diesem Kapitel zurückkommen.

Auch die dritte obige Behauptung erfährt eine gewisse Stützung. Frank-reich muss seinen Arbeitsmarkt liberalisieren, weil:

- Zurzeit gibt es in Frankreich im Wesentlichen so etwas wie Job-Apartheid.

An dieser Begründung kann uns zweierlei auffallen: Erstens erscheint sie als eine weitere Behauptung, die die nächste „Warum?“-Reaktion hervor-rufen wird. Dies ist richtig; einige Behauptungen sind sowohl Begrün-dungen für andere Behauptungen als auch Behauptungen, für die weitere Begründungen geliefert werden. Wir wissen, dass Tupy diese Behauptung als eine Begründung meinte, weil er die These mit dem Verbindungswort „weil“ verband, ein Wort, das in derartigen Kontexten auf eine Begründung hinweist. Er erkennt aber auch, dass ihr Auditorium erwarten wird, dass sie diese Behauptung verteidigt; sie ist nicht selbstverständlich hinnehm-bar. Und dies ist das zweite, was uns auffallen sollte: Auch diese Fest-stellung ist kontrovers. Doch in diesem Fall werden weitere Stützungen oder Begründungen angegeben, die dem umstrittenen Aspekt gelten, eine Situation als „Job-Apartheid“ zu beschreiben (oder zu erklären, was er mit diesem Ausdruck meint):

- Menschen, die Arbeitsplätze haben, haben hoch abgesicherte Jobs. Sie können sich auf die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes für den Rest ihres Lebens verlassen. Menschen hingegen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, haben nur geringe Möglichkeiten, diese Mauer zu überwinden und sich Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen.

Diese zusätzlichen Feststellungen erklären sowohl, wie der Ausdruck „Job-Apartheid“ verstanden werden soll, und sie stützen die Behauptung, dass gerade eine solche Situation in Frankreich vorliegt.

Wir haben also jetzt zwei Thesen Tupys behandelt, indem wir explizite oder angenommene Begründungen für sie identifiziert haben. Bleibt die

Fazit zu Tupys Behauptung

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erste Behauptung: Es ist richtig, eher für Arbeitsplätze und wirtschaftliche Möglichkeiten zu sorgen, als einen Plan für gesellschaftlichen Zusammen-halt zu entwerfen. Es gibt keine eigene Feststellung, die diese Behaup-tung stützen würde, eher erscheint es so, als ob die darauf folgende Über-legung für diese Stützung auf zweierlei Weise sorgen soll: Die Pläne der Regierung für gesellschaftlichen Zusammenhalt beiseite zu schieben, und dies tut die zweite Behauptung; und für eine bessere Alternative durch die Schaffung von Arbeitsplätzen zu sorgen, und dies geschieht durch die drit-te Behauptung. Wir werden auf die Struktur der Begründung weiter unten in diesem Kapitel zurückkommen.

1.4 Was ist ein Argument?

Die beiden Begründungen von Lomborg und Tupy sind Beispiele für Ar-gumente; die Aussagen werden als Kombination von Behauptungen und Gründen vorgetragen, so dass wir sie als Argumente erkennen, die sich als solche von anderen Diskursformen unterscheiden. Ein Argument ist eine Reihe miteinander in Beziehung stehender Aussagen, die als Be-hauptungen und Begründungen identifiziert werden können und die ange-boten werden, um eine Hörerschaft von einer Gesamtkonklusion oder ei-ner Position zu überzeugen. In späteren Kapiteln werden wir diese Definition in wichtigen Hinsichten qualifizieren müssen, wenn wir beden-ken, was als ein vernünftiger Überzeugungsversuch zählt und was als ein Auditorium. Für jetzt ist es jedoch hinreichend, die Struktur und die Inten-tion zu identifizieren, die durch Argumente zum Ausdruck gebracht wer-den. Für uns als Informelle Logiker sind Argumente der primäre Gegen-stand unserer Aufmerksamkeit und Analyse. Andere Diskurstypen wie Lobreden oder Berichte oder Erklärungen, denen wir uns später zuwen-den werden, sind wichtig, weil sie Details des Hintergrunds oder der Kon-texte von Argumenten liefern und sprachliche Details, die wichtig sind, weil sie jene Aussagen umfassen, die wiederum als Argumente identifiziert werden. Doch unsere Untersuchung von Gründen und Begründungen führt uns auf natürlichem Wege zu starken und schwachen Argumenten und zu den Typen von Argumenten, die wir verwenden können.

Lomborgs Rede ist in ihrer Struktur einfach. Er bringt drei Kombinationen von Begründungen und Behauptungen vor:

1. Unglücklicherweise ist Kyoto zum Symbol einer Opposition gegen die Vereinigten Staaten geworden, die offenbar an den Meinungen des Rests der Welt uninteressiert sind. Kyoto wurde politisch wiederbelebt, ohne ernsthaft auf seine Ef-fektivität und seine Realisierbarkeit hin überprüft zu werden.

Diskurstyp: Argumen-te als Kombination von Behauptungen und Gründen

Drei Kombinationen von Begründungen und Behauptungen im Lomborg-Beispiel

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2. Kyoto versucht, jahrhundertealte Muster in 15 Jahren zu verän-dern. Daher: Kyoto setzt über jegliches Maß hinaus hohe Ziele.

3. Kyoto wird schlussendlich ein Vermögen kosten und fast keine Er-gebnisse erzielen. Daher: Kyoto ist im Hinblick auf die Umwelt folgenlos.

Diese Argumente sind so einfach, wie man nur erwarten kann. Für jede These wird eine Begründung angeboten. Um dies zu verdeutlichen, habe ich einige sprachliche Anpassungen vorgenommen und das Wörtchen „daher“ beigesteuert, um zwei Arten von Aussagen voneinander zu tren-nen. Wir werden dies Verfahren und seine Rechtfertigung später be-trachten.

Im Gegensatz dazu ist Tupys Argument ein komplexes, welches aus einer ganzen Begründungskette besteht. Er stimmt einer anderen Sprecherin zu und tut dies, indem er eine Gesamtthese oder eine Hauptkonklusion vor-bringt, die der Rest seiner Überlegungen stützen soll:

Es ist eher richtig, für Arbeitsplätze und wirtschaftliche Möglichkeiten zu sorgen, als einen Plan für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu entwerfen.

Diese Hauptkonklusion wird durch zwei Subargumente gestützt. Wir be-zeichnen diese als Subargumente, weil sie Hilfsargumente darstellen, die die hauptsächliche These stützen sollen. Das erste dieser Hilfsargumente beinhaltet die These, dass „De Villepins Vorschläge typisch französisch sind“. Diese Behauptung dient als Begründung, um den Teil der Haupt-konklusion anzusprechen, der sich mit dem „gesellschaftlichen Zusam-menhalt“ befasst. Tupy bietet eine Alternative zu de Villepins gesellschaft-lichem Zusammenhalt an und daher muss er Gründe liefern, warum jener Plan nicht den Vorzug erhalten soll. Das Subargument Nr. 1 tut dies durch die folgende Struktur:

De Villepins Vorschläge sind sehr bürokratisch, sehr komplex und völlig undurchführbar.

Und: Vorschläge, die sehr bürokratisch, sehr komplex and völlig undurchführ-bar sind, sind typisch französisch.

Daher: De Villepins Vorschläge (für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt), sind typisch französisch.

Tupy-Beispiel für ein komplexes Argument

Sub- und Hilfs- argumente

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Die zweite Begründung, die diese Subthese stützt, ist, wie wir gesehen haben, verborgen und nur implizit.

Der andere Teil seines Arguments liefert die Stützung für die ökonomische Alternative.

Menschen, die Arbeit haben, haben hoch abgesicherte Jobs. Sie kön-nen sich auf die Sicherheit ihres Jobs für den Rest ihres Lebens ver-lassen. Aber Menschen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, haben nur geringe Möglichkeiten, die Mauer zu überwinden und sich Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen.

Daher: Die derzeitige Situation in Frankreich ist im Wesentlichen eine der Job-Apartheid.

Daher: Frankreich bedarf einer Liberalisierung seines Arbeitsmarktes.

Auch hier ordnet die Darstellung einiges von Tupys Material um und unter-schlägt anderes. Doch der wesentliche Punkt, der hier bemerkt werden sollte, ist die Art und Weise, in der das Argument sich von einer Subthese zur nächsten bewegt und von dieser aus zur hauptsächlichen These ihres Arguments. Tupys Argument ist dann also das, was wir als ein komplexes Argument bezeichnet haben, weil es aus einer Reihe von Subargumenten besteht. Bevor wir diese Begründung erfolgreich und in fairer Weise be-werten können, müssen wir erst imstande sein, es in einer Art und Weise anzuordnen, die der vorgenommenen ähnelt, und zu identifizieren, wie die verschiedenen Teile aufeinander Bezug nehmen. Hiermit werden wir uns in Kapitel 3 beschäftigen.

1.5 Die Grundzüge des argumentierenden Begründens

Bevor wir fortfahren, ist es wichtig, einen anderen Gebrauch des Begrün-dens zu vermerken – den der Erklärung im Gegensatz zu dem des Argu-ments. Betrachten Sie den folgenden Fall, der aus einem Bericht der Deutschen Welle stammt (DW-World.DE), 05.07.2008, und der einen, wie es scheint, Effekt des Klimawechsels betrifft. Dem Bericht zufolge, der die Überschrift trägt „Der Klimawandel führt zu einer Quallenplage an europä-ischen Stränden“, gab es in zunehmendem Maße eine Qualleninvasion an Europas Stränden. Trotz der Überschrift, sorgt der Artikel für eine ausge-wogenere Lesart der Situation und schließt das folgende Argument mit ein:

Die Erklärung

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„Quallen sind ein hervorragendes Warnsignal für die Umwelt“, teilte Jacqueline Goy vom Ozeanographischen Institut von Paris der AFP-Nachrichtenagentur mit. „Je mehr Quallen, desto stärker das Signal, dass sich etwas verändert hat […] Überfischung ist ein Grund für die Explosion der Quallenpopulationen“, sagte Ricardo Aguilar, For-schungsdirektor der NGO Oceana. „Quallenjäger wie Thunfische, Haie und Schildkröten verschwinden. Der Mangel an Raubfischen bedeutet auch einen Mangel an Wettbewerb um Plankton und kleinere Fische, die die Speisekarte der Quallen bestimmen. Die andere Ursache für das Bevölkerungswachstum der Quallen ist die globale Erwärmung, da höhere Wassertemperaturen ihre Vermehrungszyklen verlängern.“

Das Argument wird von mehreren Quellen eher als von einer einzelnen gespeist, so wie in den vorhergehenden Beispielen, und diese Quellen tragen zu dem Gesamtbericht bei. Auch unterscheidet sich der Gedanken-gang hier von den vorherigen Beispielen insofern, als er mehr erklärend als argumentativ ist. D.h., der Bericht bezieht sich auf diese Quellen, um eine Kausalerklärung für das fragliche Phänomen zu liefern, die vermehrte Anzahl von Quallen in europäischen Gewässern. Auch das Beispiel Nr. 2 bediente sich eines kausalen Gedankengangs, doch dieser war nach vor-ne blickend und führte zu einem Vorschlag, was geschehen solle, um ein gewünschtes Resultat zustande zu bringen. Hingegen bedient sich das vorliegende Beispiel der kausalen Begründung, um für ein Phänomen auf-zukommen, das als erklärungsbedürftig erscheint. Die Hauptfrage wäre hier an das ungewöhnliche Ereignis zu richten, das in dem Bericht er-wähnt wird. Der Unterschied zwischen Argumenten und Erklärungen liegt in der Intention, die hinter ihnen steht, und der Art von Information, die sich in den Schlüsselaussagen vorfinden lässt. Die Konklusion einer Erklä-rung ist nicht eine, die der Autor einem Auditorium näher bringen will; die-se wissen bereits, was behauptet wird. Im obigen Fall müssen die Men-schen nicht mehr davon überzeugt werden, dass die Strände mit Quallen bedeckt sind; das wissen sie. Was sie benötigen, sind Gründe, warum dies geschehen ist, eine Erklärung. Und das ist es, wofür die anderen Aussagen sorgen.

Die Konklusion eines Arguments hingegen ist nicht etwas, wovon das Au-ditorium bereits Kenntnis hat oder was es bereits glaubt, und die Intention besteht darin, es dazu zu bringen, seine Überzeugungen so zu modi-fizieren, dass sie die Behauptung mit umfassen. Dies geschieht durch den Gebrauch von Begründungen, die sie bereits akzeptieren. In einem der Argumente Lomborgs ist etwa die Behauptung, dass Kyoto schlussendlich ein Vermögen kosten und fast keine Ergebnisse zeitigen wird, wahrschein-lich unumstritten. Der richtigen Art von Auditorium ist dies bereits bekannt. Doch vielleicht akzeptieren sie die Konklusionen nicht, die Lomborg hie-raus zieht (dass nämlich Kyoto im Hinblick auf die Umwelt folgenlos ist),

Quallen-Beispiel für eine Erklärung

Die Erklärung ver-sucht nicht zu über-zeugen; sie gibt Gründe für das, was jeder weiß oder wis-sen kann

Argumente versu-chen, den Zuhörer durch Begründungen zu überzeugen, die er bereits akzeptiert

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sofern er nämlich nicht die Verbindung zwischen der Konklusion und dem zieht, was sie bereits wissen.

Argumentieren beinhaltet daher das Zum-Ausdruck-Bringen von Argumen-ten. Argumente können einfach oder komplex sein. Jedes Argument bein-haltet Aussagen, die als Behauptungen und als Rechtfertigungen identifi-ziert werden können, die vorgetragen werden, um ein Auditorium von einer Gesamtkonklusion oder Position zu überzeugen. In Argumenten sind die Konklusionen jene Behauptungen, die Stützung erfahren und in sol-chen Argumenten, die in komplexerer Weise ausgeführt werden, wird es eine Gesamtkonklusion und Subkonklusionen geben, die diese unter-stützen und die ihrerseits wiederum Stützung erfahren. Jenseits seiner Struktur ist Argumentieren durch die Absicht motiviert, ein Auditorium von dem zu überzeugen, was behauptet wird. Ist dieser Überzeugungsversuch wirksam, dann enthält er vielleicht eine neue Überzeugung oder bestärkt eine Position, die ein Auditorium bereits bezogen hat oder eine Handlung, die vollzogen werden soll oder einen Vorschlag, was geschehen soll. Dies sind verschiedene Arten von Feststellungen und wir werden über diese Unterschiede im nächsten Kapitel weiter nachdenken.

Weiterführende Lektüre:

Grennan, W., Informal Logic: Issues and Techniques: A proposal for a new system of argument evaluation, Montreal 1997.

Scriven, M., Reasoning, New York 1976.

Übungsaufgabe

1. Identifizieren Sie im Folgenden diejenigen Aussagen, die Behauptun-gen sind, und diejenigen, die Begründungen darstellen, und rechtferti-gen Sie in jedem Fall ihre Identifizierungen.

a) In einer Ausgabe der Libération von 1987 sagte Michel Platini: „Fußballspielen besteht aus Fehlern und daher endet ein perfektes Spiel mit 0:0.“

Hinweis: Bitte beachten Sie besonders die Rolle, die das „daher“ hier spielt!

b) Der folgende Abschnitt liefert Informationen, die aus einem Bericht mit dem Titel „Meinungsumfragen untergraben das Vertrauen, sagt

Was ist Argumentie-ren und was sind Argumente?

Übungsaufgabe

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holländischer Minister“ in NRC Handelsblad, 26. September 2008, stammen. Der holländische Arbeits- und Sozialminister Piet Hein Donner (Christdemokrat) sprach anlässlich einer Konferenz über „Die Ökonomie des Vertrauens“.

„Donner sagte, dass Meinungsumfragen das Vertrauen in die Regie-rung, das Parlament und Amtspersonen untergraben. Er bezog sich hiermit lediglich auf einen der üblichen Überblicke, die auf Vertrauen in die Regierung und die Politiker hinweisen, und er erwähnte eine neuere Umfrage durch RTL News, die zu dem Schluss kam, dass 70% der hol-ländischen Bevölkerung kein Vertrauen in das derzeitige christdemo-kratisch/sozialdemokratische Regierungskabinett haben. Er wies auf wissenschaftliche Untersuchungen hin, die darlegen, dass die Resultate von Wählerumfragen anfechtbar sind. Er sagte, dass die Antworten auf Fragen, die sich auf das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung beziehen, von ganz verschiedenen Faktoren abhängen. Sie beruhen auf einer Kombination persönlicher Vorlieben und dem allgemeinen Zeitgeist. „Da keine einzelne Partei mehr als die Hälfte aller Stimmen in den Niederlanden erringen kann, kann kein Parteiführer das Vertrauen der Mehrheit gewinnen“, sagte Donner. Eine Vielzahl von Menschen, die nicht zu den Wahlen gehen – eine Gruppe, die im Allgemeinen kei-ner Regierung vertraut – nehmen an Meinungsumfragen teil. Dies be-deutet, dass fast zwei von drei Antwortenden sagen werden, dass Sie wenig Vertrauen in die Regierung haben, so Donner. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass die Resultate solcher Überblicke die allgemeine Stimmung beeinflussen. Dies ruft bei Donner den Eindruck hervor, dass die regelmäßigen Befragungen nach der Zufriedenheit der Wähler so-wohl die Demokratie als auch die Gesellschaft schädigen.“

Hinweis: Warum glaubt Donner, dass Meinungsumfragen das Vertrauen in die Regierung untergraben würden?

c) Aus einem Artikel mit dem Titel „Obama“ in Le Monde Diploma-tique, Serge Halimi, August 2008 (online)

„Barack Obama ist ehrgeizig. Doch wohin wird ihn der berechtigte Ehr-geiz, Wahlen zu gewinnen, noch tragen? Die letzten Monate legen na-he, nach rechts. Nicht soweit, dass er damit von dem Kandidaten der Republikaner, John McCain, ununterscheidbar würde oder den Spruch rechtfertigen würde, „sechs vom einen und ein halbes Dutzend vom an-deren“. Doch weit genug von den progressiven Erklärungen zu Beginn seiner Kampagne und noch weiter von dem, was die besonders idealis-tischen Unterstützer in diesen Erklärungen zu verstehen glaubten. „Yes we can“ ist geworden zu Ja, wir können ein extrem konservatives Oberstes Gericht kritisieren, wenn es die Hinrichtung von Vergewalti-gern verbietet, die sich nicht des Mordes schuldig gemacht haben; ja,

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wir können uns gegen die pro-israelische Lobby wenden, wenn diese höchst unflexible Positionen der Regierung Ehud Olmert unterstützt; ja, wir können automatisch Kreativität mit dem privaten Sektor verknüpfen, Clintons und Tony Blairs Mission vollenden, den Begriff der Fortschritt-lichkeit neu zu definieren und eine Klassenallianz zu fördern, in der Ma-nager und die Verwaltung die Keyplayers sind.“

Hinweis: Wie belegt Halimi seine Feststellung über die Entwicklung der letzten Monate?

d) Aus einem Interview „Ayaan Hirsi Ali über den Islam, den Katholi-zismus und die Demokratie“, El Pais – Spanien, Mittwoch, der 13. Februar 2008 http:www.eurotopics.net/en/presseschau/archiv/aehnliche/archiv_article/ARTICLE24630-Ayaan-Hirsi-Ali-on-Islam-Catholicism-and-democracy?EUTOPICS=d92fbb41577431b6065c6047aa6083f6 aufgesucht am 25. September 2008]. Die frühere holländische Ab-geordnete Ayaan Hirsi Ali analysiert die Verbindungen zwischen Demokratie und Religion in einem Interview mit Jose Maria Marti.

„Als eine Ansammlung von Prinzipien betrachtet ist der Islam völlig kon-sistent, völlig kohärent, sehr einfach und in keiner Weise kompatibel mit einer liberalen Demokratie. Die Prinzipien der liberalen Demokratie be-trachten das menschliche Leben als Selbstzweck, während der Islam behauptet, dass ein zufriedenstellendes Leben nur erreicht werden kann, wenn man sich dem Willen Gottes unterwirft […] Auch der Katho-lizismus ist mit Demokratie unvereinbar, doch christliche Gesellschaften haben eine Trennung zwischen Kirchen und Staat etabliert. Im Ergebnis verfügt diese Religion nicht über die Macht, diejenigen zu bestrafen, die im Hinblick auf ihre Prinzipien Verfehlungen begehen.“

Hinweis: In welcher Weise stützen die Unterschiede zwischen Christentum und Islam ihre Feststellungen über den Islam?

e) Aus einer Nachrichtensendung „Der Klimawechsel verschiebt den Frühlingsbeginn“ BBC NEWS: http:news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/science/nature/5279390.stm veröffentlicht am 25.08.2007, 04:17:13 GMT

Über diese Nachricht wird in einem Papier der Zeitschrift Global Chan-ge Biology berichtet. Einer der Hauptautoren war Dr. Tim Sparks vom UK-Zentrum für Ökologie und Hydrologie.

„Wir müssen den Klimawechsel in einem möglichst großen Raum be-trachten und müssen so viele Spezies wie möglich untersuchen, da es einige, wenn auch milde Kritiken gegeben hat, dass manche sich gera-de jene Resultate herausgesucht haben, die sie dann präsentierten. Wir

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haben uns bemüht, den größtmöglichen Bereich in Europa abzudecken, um feststellen zu können, ob dieser Effekt noch Bestand hat. Es ist sehr deutlich, dass es ihn gibt.“

Das Forscherteam hat 125.000 Beobachtungsserien von 542 Pflanzen und 19 Tierspezies in 21 europäischen Ländern von 1971–2000 unter-sucht. Die Ergebnisse zeigten, dass 78% aller festgestellten Blattpro-duktionen der Blüte und der Frucht früher im Jahr zustande kamen, während nur 3% in signifikantem Ausmaß verspätet waren. Dr. Sparks sagte, dass Rosskastanien, die überall auf dem Kontinent vorkommen, besonders gute Indikatoren darstellen: „Dies ist ein gutes Beispiel, weil es leicht zu identifizieren ist, und Rosskastanien haben deutlich unter-scheidbare Phasen der Blatt- und Blütenbildung und der Produktion der Kastanien.“

Hinweis: Überlegen Sie, warum es wichtig war, eine so große Anzahl ver-schiedener Gattungen zu betrachten!

Übungsaufgaben im Netz:

Benützen Sie das Netz um die folgenden Fälle von Begründung zu unter-suchen und beantworten Sie die angebotenen Antworten. In jedem Fall sind einige URLs aufgelistet, um Sie zu den Informationsquellen zum je-weiligen Fall zu führen, Sie werden jedoch selbständig weitere Online-suchen vornehmen müssen:

a) Spanien versus Odyssey Marine Exploration.

Hintergrund: Der Fall beinhaltet eine Auseinandersetzung zwischen der spanischen Regierung und der in den Vereinigten Staaten ansässigen Odyssey Marine Exploration um die Rechte auf das Heben von Schätzen. Odyssey Marine hatte bekannt gegebenen, ein aus der Kolonialära stam-mendes Schiffswrack mit tausenden alter Münzen an Bord gefunden zu haben und beförderte diese Güter in die Vereinigten Staaten. Spanien machte jedoch vor einem U.S. Gerichtshof Rechte an dem Fund geltend und argumentierte, dass der Schatz Spanien gehören würde, wenn es sich um ein spanisches Schiffswrack handle – oder wenn der Schatz aus spanischen Gewässern entwendet worden sei.

Fragen: Welche hauptsächlichen Argumente wurden von jeder Seite in

diesem Disput benutzt? Identifizieren Sie die vorgebrachten Behauptun-

gen und die zu ihrer Stützung gelieferten Gründe.

Übungsaufgaben im Netz

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http://www.zimbio.com/Coin+News/articles/154/Odyssey+Marine+Exploration+Spain+National

http://www.bloomberg.com/apps/news?pid=20601103&sid=aMcAp_5mOIf4&refer=us

http://illicit-cultural-property.blogspot.com/2007/06/spain-sues-odyssey-marine.html

b) Untersuchen Sie die Debatte zwischen A.C. Grayling und Steve Ful-ler auf den Seiten des New Humanist. Welches ist die hauptsäch-liche Position jedes der beiden Disputanden und welche Argumente werden zur Verteidigung dieser Positionen vorgebracht? Die fol-genden Links werden von Nutzen sein:

http://newhumanist.org.uk/1856

http://newhumanist.org.uk/1880

http://newhumanist.org.uk/1881