322
Die Bedeutung des Euergetismus für die Finanzierung städtischer Aufgaben in der Provinz Asia Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Stefan Cramme aus Goslar Köln 2001

Cramme 2001, Eurgetismus in Asia

  • Upload
    montoc

  • View
    120

  • Download
    11

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Diss.

Citation preview

  • Die Bedeutung des Euergetismusfr die Finanzierung stdtischer Aufgaben

    in der Provinz Asia

    Inaugural-Dissertationzur

    Erlangung des Doktorgradesder Philosophischen Fakultt

    der Universitt zu Kln

    vorgelegt von

    Stefan Cramme

    aus Goslar

    Kln 2001

  • Erster Referent: Prof. Dr. Werner Eck

    Zweiter Referent: Prof. Dr. Michael Zahrnt

    Tag des Rigorosums: 10. Februar 1996

  • Inhaltsverzeichnis

    Vorwort...........................................................................5

    Abkrzungsverzeichnis ....................................................7

    1 Einleitung .....................................................................11

    2 Die Erscheinung des Euergetismus ................................15

    2.1 Der Begriff Euergetismus ...................................................152.2 Die Bedeutung des Euergetismus ..........................................232.3 Bemerkungen zur Quellenlage ..............................................32

    3 Stdtische Finanzen .......................................................37

    3.1 Einnahmequellen der Stdte..................................................383.1.1 Grundbesitz.................................................................383.1.2 Summae honorariae und Leistungen von Amtstrgern .413.1.3 Liturgien (Munera) ......................................................473.1.4 Sonstige Einnahmequellen...........................................49

    3.2 Stdtische Ausgaben..............................................................523.2.1 Stdtische Kulte ...........................................................523.2.2 Provinzialer Kaiserkult .................................................533.2.3 Feste und Schauspiele ..................................................593.2.4 Gesandtschaften ..........................................................603.2.5 Betrieb von Bdern und Gymnasien ............................603.2.6 Nahrungsmittelversorgung...........................................62

    3.3 Finanzverwaltung ..................................................................623.3.1 mter der stdtischen Finanzverwaltung......................623.3.2 Budget und Amtsspesen...............................................643.3.3 berschsse.................................................................66

    4 Die Organisation ffentlicher Bauttigkeit ....................67

    4.1 Die Stadt als Bauherr ............................................................674.1.1 Bauten auf eigene Kosten der Stadt...........................684.1.2 Bauten durch den Demos ............................................704.1.3 Bauaufsicht bei ffentlichen Bauten.............................71

    4.2 Bauten durch den Kaiser .......................................................774.3 Statthalter und Bauten ..........................................................784.4 Zur Terminologie von Baumanahmen: Neubau,

    Ausbau, Wiederaufbau ..........................................................80

    5 Ephesos .........................................................................85

    5.1 Finanzen der Stadt ................................................................875.1.1 Einnahmen..................................................................875.1.2 Die Finanzen der einzelnen mter.............................1015.1.3 Die Praxis der Finanzverwaltung................................109

    5.2 Summae honorariae und Amtstrger als Bauherren .............1145.3 ffentliche und private Bauttigkeit ...................................121

    5.3.1 Das Theater ...............................................................125

  • 5.3.2 Wasserversorgung ......................................................1355.3.3 Thermen und Gymnasien..........................................1525.3.4 Tempel ......................................................................1675.3.5 Ausbau von Straen...................................................1745.3.6 Der Hafen .................................................................1835.3.7 Weitere ffentliche Bauten.........................................1875.3.8 Bauten aufgrund von Subscription oder

    Sammelspenden.........................................................2025.4 Ergebnisse ...........................................................................209

    6 Weitere Stdte der Provinz Asia ...................................213

    6.1 Milet und Didyma ..............................................................2136.1.1 Stdtische Einnahmen und Finanzverwaltung............2136.1.2 ffentliche Bauten in der Stadt .................................2196.1.3 Bauttigkeit im Heiligtum von Didyma.....................2406.1.4 Ergebnisse..................................................................247

    6.2 Sardeis.................................................................................2486.3 Aizanoi................................................................................258

    6.3.1 Das Tempelland und der Zeustempel.........................2596.3.2 Weitere ffentliche Bauten.........................................2626.3.3 Ergebnisse..................................................................270

    7 Ergebnisse ...................................................................271

    8 Exkurse .......................................................................279

    8.1 Asiarchen und Archiereis von Asia.......................................2798.2 berschsse in der stdtischen Finanzverwaltung................2808.3 Ein Stadtprocurator in Ephesos?.......................................2868.4 Der antike Name der Hafenthermen in Ephesos ..............288

    9 Literaturverzeichnis .....................................................291

    10 Verzeichnis der zitierten Inschriften.............................305

  • Vorwort

    Die Arbeit an dieser Dissertation erfolgte im Rahmen des von derDeutschen Forschungsgemeinschaft gefrderten GraduiertenkollegsFormierung und Selbstdarstellung stdtischer Eliten im RmischenReich an der Universitt zu Kln, dem ich drei Jahre, von Oktober1992 bis September 1995, als Stipendiat angehren durfte. Von dendamit verbundenen Diskussionen, Vortrgen und Exkursionen habeich sehr profitiert. Fr die Aufnahme in das Kolleg bin ich seinemSprecher, Prof. Dr. Henner von Hesberg, und Prof. Dr. Werner Eck zuDank verpflichtet.

    Prof. Eck gab auch die Anregung zu der vorliegenden Arbeit undbetreute sie mit groer Geduld, wofr ihm mein besonderer Dank gilt,ebenso wie fr seine zahlreichen wertvollen Hinweise und Ratschlge.Prof. Dr. Michael Zahrnt bernahm freundlicherweise das Zweitgut-achten.

    Nach 1995 erschienene Literatur konnte bei der berarbeitung frdie Verffentlichung nicht mehr vollstndig bercksichtigt werden.

    Fr viele hilfreiche Gesprche und vor allem generelle Ermunterun-gen mchte ich mich bei den Klner Mitkollegiaten und Kommilito-nen bedanken, insbesondere bei Michael Altjohann, Dagmar Dexhei-mer, Kai Jes, Joachim Lehnen, Jrgen Obmann, Jens Peuser undIrmingard Wroblewski, vor allem aber auch bei meinen Eltern fr ihrebestndige Untersttzung.

    Kln/Berlin, im Januar 2001 Stefan Cramme

  • Abkrzungsverzeichnis

    Fr Inschriftenausgaben werden in der Regel die allgemein blichenAbkrzungen verwendet. Da solche jedoch in vielen Fllen nicht exi-stieren oder miverstndlich sind,

    1

    sind einige der Abkrzungen in diefolgende Tabelle aufgenommen. Mehrfach zitierte Werke der moder-nen Literatur sind im Literaturverzeichnis aufgenommen.

    Bei Inschrifteneditionen wird generell nach der Nummer und nichtder Seite zitiert. Bandzahlen sind stets mit arabischen Ziffern angege-ben.

    Die Abkrzungen fr antike Autoren richten sich, soweit mglich,nach den Listen in

    Der Kleine Pauly

    , Bd. 1, S. XXIXXVI.Titel von Zeitschriften werden generell nach dem Index des priodi-

    ques dpouills der

    L anne philologique

    abgekrzt; fr Abweichungenund Ergnzungen siehe die folgende Tabelle.

    1. Krzlich haben G. H. R. Horsley und J. A. L. Lee versucht, diesem Mi-stand durch den Vorschlag einer standardisierten Abkrzungsliste (nach dem Vor-bild der papyrologischen

    Checklist

    ; vgl.

    http://odyssey.lib.duke.edu/

    papyrus/texts/clist.html

    ) fr griechische Inschrifteneditionen abzuhel-fen: A preliminary checklist of abbreviations of Greek epigraphic volumes,

    Epi-graphica

    56, 1994, 129169. Ihre Vorschlge sind hier teilweise bernommen,auch wenn sie in vielen Fllen nicht unproblematisch sind, weil sie hufig weit vonden bisher blichen Abkrzungen abweichen und keine Unterscheidung voneigentlichen Inschriftencorpora und Monographien vorgenommen wurde.

    AE

    LAnne pigraphique

    AvPergamon Altertmer von Pergamon

    . Bd. 8, 2.

    Die Inschriften von Per-gamon

    . Unter Mitw. v. Ernst Fabricius u. Carl Schuch-hardt hrsg. v. Max Frnkel. Berlin 1895.

    Bd. 8, 3.

    Die Inschriften des Asklepieions

    . Von Christian Habicht. Berlin 1969.

    Bull. p

    . Bulletin pigraphique in

    REG

    ; von 1938 bis 1984 von J. und L. Robert (zitiert ohne Namensnennung), ab 1987 von verschiedenen Autoren, die jeweils genannt sind.

    CIG Corpus Inscriptionum Graecarum

    .

    Freis

    Historische Inschriften zur rmischen Kaiserzeit von Augu-stus bis Konstantin

    . bers. u. hrsg. v. Helmut Freis. Darm-stadt 1984. (Texte zur Forschung, Bd. 49.)

  • 8 Abkrzungsverzeichnis

    IAnazarbos Die Inschriften von Anazarbos und Umgebung

    . Teil 1.

    Inschriften aus dem Stadtgebiet und der nchsten Umgebung der Stadt

    . Hrsg. von Mustafa Hamdi Sayar. Bonn 1999, (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 56.)

    IAssos Die Inschriften von Assos

    . Hrsg. von Reinhold Merkelbach. Bonn 1976. (Inschriften griechischer Stdte aus Klein-asien; 4.)

    ICret Inscriptiones Creticae

    . 4 Bde. Roma 19351950.

    IEph Die Inschriften von Ephesos

    . Teil 1a. Hrsg. von Hermann Wankel.Teil 2. Hrsg. von Christoph Brker und Reinhold Merkel-bach.Teil 3. Hrsg. von Helmut Engelmann, Dieter Knibbe und R. Merkelbach.Teil 4. Hrsg. von dens.Teil 5. Hrsg. von Chr. Brker und R. Merkelbach.Teil 6. Hrsg. von R. Merkelbach [u. a.]Teil 7, 1 und 2. Hrsg. von Recep Meri [u. a.]Teil 8, 1 und 2 (Indices). Hrsg. von H. Engelmann und Johannes Noll.Bonn 19791984. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 1117.)

    IErythr Die Inschriften von Erythrai und Klazomenai

    . Hrsg. von Helmut Engelmann und Reinhold Merkelbach. Bonn 19721973. (Inschriften griechischer Stdte aus Klein-asien; 12.)

    IG Inscriptiones Graecae

    .

    IGBulg Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae

    . Ed. G. Mihailov. 4. Bde. Sofia 19561970.

    IGR Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes

    . Tomus tertius. Ed. curavit R. Cagnat, auxiliante G. Lafaye. Paris 1906.

    Tomus quartus. Ed. G. Lafaye. Paris 1927.

    IGUR Inscriptiones Graecae Urbis Romae

    . Ed. L. Moretti. 4 Bde. Roma 19681991.

    IIasos Die Inschriften von Iasos

    . Hrsg. von Wolfgang Blmel. Bonn 1985. (Inschriften griechischer Stdte aus Klein-asien; 28, 1 und 2.)

    IKeramos Die Inschriften von Keramos

    . Hrsg. von Ender Varinlioglu. Bonn 1986. (Inschriften griechischer Stdte aus Klein-asien; 30.)

    IKyme Die Inschriften von Kyme

    . Hrsg. von Helmut Engelmann. Bonn 1976. (Inschriften griechischer Stdte aus Klein-asien; 5.)

  • Abkrzungsverzeichnis 9

    ILaodikeia Die Inschriften von Laodikeia am Lykos

    . Teil 1. Hrsg. von Thomas Corsten. Bonn 1997. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 49.)

    ILS

    Hermann Dessau.

    Inscriptiones Latinae Selectae

    . Berlin 18921916.

    IMylasa Die Inschriften von Mylasa

    . Teil I.

    Inschriften der Stadt

    . Hrsg. von Wolfgang Blmel. Bonn 1987. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 34.)

    INikaia Katalog der antiken Inschriften des Museums von Iznik (Nikaia)

    . Hrsg. von Sencer Sahin. Bonn 19791987. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 910, 3.)

    IParion Die Inschriften von Parion

    . Hrsg. von Peter Frisch. Bonn 1983. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 25.)

    IPrusaOlymp Die Inschriften von Prusa ad Olympum

    . Hrsg. von Thomas Corsten. Bonn 19911993. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 3940.)

    IPrusiasHyp Die Inschriften von Prusias ad Hypium

    . Hrsg. von Walter Ameling. Bonn 1985. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 27.)

    ISelge Die Inschriften von Selge

    . Hrsg. von Johannes Noll und Friedel Schindler. Bonn 1991. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 37.)

    ISmyrna Die Inschriften von Smyrna

    . Hg. von Georg Petzl.Teil 2, 1. Bonn,1987. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 24, 1.)

    IStratonikeia Die Inschriften von Stratonikeia

    . Hrsg. von M. etin Sahin. Teil 1.

    Panamara

    . Bonn 1981. (Inschriften griechi-scher Stdte aus Kleinasien; 21.)Teil 2, 1.

    Lagina, Stratonikeia und Umgebung

    . Bonn 1982. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 22, 1.)

    ITralleis Die Inschriften von Tralleis und Nysa

    . Teil I.

    Die Inschriften von Tralleis

    . Hrsg. von Fjodor B. Poljakov. Bonn 1989. (Inschriften griechischer Stdte aus Kleinasien; 36, 1.)

    IvDidyma

    Theodor Wiegand.

    Didyma

    . 2. Teil.

    Die Inschriften

    . Von Albert Rehm. Hrsg. von Richard Harder. Berlin 1958.

    IvMagnesia Die Inschriften von Magnesia am Maeander

    . Hrsg. von Otto Kern. Berlin 1900.

    LSJ A Greek-English Lexicon

    . Compiled by Henry George Lid-dell and Robert Scott. Revised and augmented throug-hout by Henry Stuart Jones with the assistance of Roderick McKenzie. With a supplement 1968. Oxford 1940; NDr. 1992.

  • 10 Abkrzungsverzeichnis

    LW

    Philippe Le Bas, William Henry Waddington.

    Voyage archologique en Grce et en Asie Mineure

    . Tome 3.

    Inscrip-tions grecques et latines recueillies en Asie Mineure

    . Paris 1870. NDr. Hildesheim [u. a.], 1972.

    MAMA Monumenta Asiae Minoris Antiqua

    .

    Merkelbach/Stauber

    Steinepigramme aus dem griechischen Osten

    . Bd.1.

    Die Westkste Kleinasiens von Knidos bis Ilion

    . Hrsg. von Rein-hold Merkelbach und Josef Stauber. Stuttgart [u. a.] 1998

    Milet Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899

    . Bd. 1, Heft 2. Hubert Knackfu.

    Das Rathaus von Milet

    . Berlin 1908.Bd. 1, Heft 5. Julius Hlsen.

    Das Nymphum

    . [Inschrif-ten: Hermann Dessau.] Berlin 1919.Bd. 1, Heft 6. Armin v. Gerkan.

    Der Nordmarkt und der Hafen an der Lwenbucht

    . Mit einem epigraph. Beitr. v. Albert Rehm. Berlin [u. a.] 1922.Bd. 1, Heft 7. H. Knackfu.

    Der Sdmarkt und die benachbarten Bauanlagen

    . Mit epigraph. Beitr. v. A. Rehm. Berlin 1924.Bd. 1, Heft 9. A. v. Gerkan, Fritz Krischen.

    Thermen und Palaestren

    . [Inschriften: A. Rehm.] Berlin 1928.Bd. 2, Heft 3. A. v. Gerkan.

    Die Stadtmauern

    . Mit epi-graph. Beitr. v. A. Rehm. Berlin [u. a.] 1935.Bd. 6.

    Inschriften von Milet

    . Teil 1.

    A. Inschriften n. 187406 (Nachdruck aus den Bnden I 5II 3)

    . Von Albert Rehm. Mit einem Beitr. von Hermann Dessau.

    B. Nach-trge und bersetzungen zu den Inschriften n. 1406

    . Von Peter Herrmann. Berlin [u. a.] 1997.Teil 2.

    Inschriften n. 4071019

    . Von Peter Herrmann. Berlin [u. a.] 1998.

    (Weitere Bnde der Reihe: siehe Literaturverzeichnis.)

    OGIS Orientis Graeci inscriptiones selectae

    . Ed. W. Dittenberger. 2. Bde. Leipzig 1903, 1905.

    OMS

    Louis Robert.

    Opera Minora Selecta

    . 7 Bde. Amsterdam 19691989.

    SAWB Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, Berlin

    .

    Sardis

    7, 1 W. H. Buckler, David M. Robinson.

    Sardis

    . Vol. 7.

    Greek and Latin Inscriptions

    . Part 1. Leyden 1932.

    Schenkungen hell. Herrscher

    Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Stdte und Heiligtmer

    . Teil 1.

    Zeugnisse und Kommentare

    . Hrsg. v. K. Bringmann , bearb. v. W. Ameling Berlin 1995.

    Syll

    .

    3

    Sylloge inscriptionum Graecarum

    . A Guilelmo Dittenber-gero condita et aucta, nunc tertium edita. 4 Bde. Leipzig 19151924.

  • 1 Einleitung

    Eines der aufflligsten Phnomene der antiken Welt, vor allem in derZeit des Hellenismus und der rmischen Kaiserzeit, ist es, da Privat-leute zum Nutzen einer greren Gruppe von Personen, oft einer gan-zen Stadt, finanzielle Leistungen erbrachten. Dabei handelte es sichhufig um Angelegenheiten, die nach unserer heutigen Sicht in denZustndigkeitsbereich eines Staates oder einer Stadt gehren, also z. B.die Errichtung von ffentlichen Funktionsbauten oder die Sicherstel-lung der Versorgung einer Stadt mit Wasser und Nahrungsmitteln. Sol-che privaten Finanzierungen, die ganz verschiedene Ausmae anneh-men konnten, sind uns vor allem durch Inschriften in groer Zahl imganzen rmischen Reich belegt. Der griechische Osten hatte in dieserHinsicht gegenber dem westlichen Teil des Reiches eine weit lngereTradition, die zumindest bis zum Beginn der hellenistischen Zeitzurckreichte.

    Dieses Phnomen von Schenkungen einzelner zum Nutzen derGemeinschaft

    2

    , das bekanntlich in Form von gemeinntzigen Stiftun-gen

    3

    und Sponsoring

    4

    auch in unserer Zeit angesichts leerer ffentli-cher Kassen eine immer grere Rolle spielt, bezeichnet man neuer-dings in Aufnahme des griechischen Begriffes fr einen Wohlttergemeinhin als Euergetismus. Dieser war ohne Zweifel ein wichtigerFaktor im politischen Leben der Stdte. Es gibt zahlreiche Belege dafr,da die Finanzierung von stdtischen Aufgaben seit dem Ende der klas-sischen Zeit zunehmend auf Schwierigkeiten stie. In dieser Lagewurde der Rckgriff auf die konomischen Ressourcen einzelner Br-ger, vor allem natrlich der Begterten unter ihnen, immer hufigerund erscheint schlielich geradezu als Regel, zunchst allerdings in derForm der verpflichtenden Liturgie. In gewisser Weise vernderten die

    2. So die etwas zugespitzte Definition von Veyne 1976, 20: Lvergtisme, cesont les libralits prives en faveur du public.

    3. Siehe z. B. K.-P. Schmid, Zuflucht zu den Stiftern: der Staat schleicht sichaus der Verantwortung, Mzene denken oft an den eigenen Ruhm,

    Die Zeit

    , Nr.23, 31. Mai 2000, 25.

    4. Inzwischen weit ber den Sportbereich hinaus als sog. Kultursponsoring;vgl. z. B. S. Becker,

    Sponsoring fr Universittsbibliotheken: Aspekte einer alternati-ven Finanzierungsmglichkeit

    , Berlin 1999.

  • 12 Einleitung

    stdtischen Verfassungen dabei ihr Gesicht, und bei zumindest forma-lem Fortbestand der alten, zumeist demokratischen, Institutionen bil-dete sich faktisch eine fhrende Rolle eines mehr oder weniger starkeingegrenzten Personenkreises heraus, der von der Forschung als Nota-beln oder Honoratioren bezeichnet wird. Dieser Vorgang vollzog sichber einen langen Zeitraum, und die Verhltnisse im Hellenismuswaren in dieser Hinsicht noch vielgestaltiger als unter der etabliertenrmischen Herrschaft ab der Zeit des Augustus.

    5

    Auch wenn die groe Rolle begterter Brger fr das stdtischeLeben in der Kaiserzeit nicht bestritten werden kann, hat sich bei derKonzentration der modernen Forschung auf den Euergetismus docheine gewisse Blickverengung ergeben, bei denen einige mit dieserErscheinung zusammen zu betrachtende Aspekte weniger Aufmerk-samkeit gefunden haben. Hier sind noch zahlreiche Ansatzpunkte frModifikationen des auf den ersten Blick so klaren Bildes von derAbhngigkeit der Stdte von ihren reichen Brgern geblieben, woraufvor kurzem W. Eck hingewiesen hat; seine Beobachtungen bildetenAnregung und Ausgangspunkt fr die vorliegende Arbeit.

    6

    Es sind vorallem auch gewisse Einseitigkeiten in der Quellenlage, die es mit sichgebracht haben, da dem Phnomen der Leistungen von privater Seitezumeist deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als der Finan-zierung stdtischer Leistungen durch die Stadt selbst. Doch erhlt dasPhnomen Euergetismus erst seine richtige Relation, wenn es mit die-sem Bereich im Zusammenhang betrachtet wird. Es sollte also nichtnur als Zeugnis fr die Mentalitt gewisser Schichten oder als Teil einesRegierungs- und Institutionensystems gesehen werden, sondern auchkonkret als Teil des Gesamtbereichs der stdtischen Finanzen, wobeidie Mglichkeiten der Stdte, Aufgaben auch auf andere Weise als miteuergetischen Leistungen zu finanzieren, zu bercksichtigen sind.

    5. Vgl. Qua 1993. Chr. Habicht, Ist ein Honoratiorenregime das Kennzei-chen der Stadt im spteren Hellenismus?, in:

    Stadtbild und Brgerbild im Hellenis-mus

    (Mnchen, 1995), 8792, hat darauf hingewiesen, da zumindest in der helle-nistischen Zeit die politische Rolle der reichen Notabeln noch begrenzt war.

    6. Eck 1997c. In krzerer Form hat fr eine Neubewertung des Euergetismusunabhngig davon auch Frei 1995, 454455, pldiert.

  • Einleitung 13

    Diese Untersuchung soll ein Beitrag zu einer realistischeren Bewer-tung und Einordnung des Euergetismus sein. Deshalb wird nach einernheren Betrachtung und Definition dessen, was hier unter demBegriff Euergetismus verstanden werden soll, ein Fallbeispiel unter-sucht. Die Wahl fiel auf einige Stdte im Westen der rmischen ProvinzAsia, wo die epigraphische und archologische berlieferung dichtgenug ist, um zu detaillierteren Ergebnissen zu gelangen. Ferner ergibtsich eine zeitliche Konzentration auf die ersten drei Jahrhunderte derKaiserzeit, in denen sich nach allgemeiner Ansicht das euergetischeSystem voll ausgebildet hatte, whrend die Verhltnisse whrend desHellenismus teilweise noch in Entwicklung begriffen waren und des-halb nur vereinzelt herangezogen werden sollen.

    Die finanzielle Lage der kleinasiatischen Stdte ist dabei zunchstinsgesamt zu betrachten. Um die so in einem eher generellen berblickgewonnenen Ergebnisse an Einzelfllen zu prfen und zu vertiefen, sol-len dann einige Stdte in der Provinz Asia nher untersucht werden,vor allem das quellenmig sehr gut dafr geeignete Ephesos. Die dortgewonnenen Ergebnisse sind mit denen aus weiteren Stdten der Pro-vinz zusammenzustellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Bauten,bei denen die archologische Forschung am besten eine gewisse Kon-trolle der inschriftlichen berlieferung

    7

    hinsichtlich Art und Umfangder jeweiligen Manahmen erlaubt.

    Auf die hier dargestellte Weise soll ein kleiner Beitrag geleistet wer-den zu Fragen, die seit langem von der althistorischen Forschunguntersucht werden. Zum einen geht es um den Fortbestand der griechi-schen Polis, die nicht schon mit dem Ende der klassischen Zeit unter-gegangen ist, sondern mit einem oft sehr regen politischen, wirtschaft-lichen und kulturellen Leben noch Jahrhunderte weiterbestand.

    8

    Und schlielich geht es auch um die immer wieder gestellte Frage,wie das rmische Reich trotz seiner riesigen geographischen Ausdeh-nung und seiner fr heutige Verhltnisse nur rudimentr zu nennenden

    7. Literarische Quellen tragen nur vereinzelt zum Thema bei, so im Fall desephesischen Euergeten Damianus (siehe unten, S. 103).

    8. Darauf hat immer wieder Louis Robert hingewiesen, z. B. Robert 1969a, 42(

    OMS

    , Bd. 5, 561): La cit grecque nest pas morte Chrone, ni sous Alexandre,ni dans le cours de toute lpoque hellnistique.

  • 14 Einleitung

    zentralen Verwaltung ber eine so lange Zeit bestehen konnte. Wennsich ihre Beantwortung nicht in Gemeinpltzen erschpfen soll, sinddetaillierte Studien unter thematischen und regionalen Aspekten not-wendig, wie es auch die vorliegende Untersuchung sein soll, indem siesich am Beispiel Asias damit beschftigt, ob die finanzielle Situation derStdte, auf denen das Imperium beruhte, so sehr vom Vorhandenseinoder Nicht-Vorhandensein einzelner reicher spendenfreudiger Perso-nen abhing, wie mitunter angenommen wird.

  • 2 Die Erscheinung des Euergetismus

    2.1 Der Begriff Euergetismus

    Wenn die heutige Forschung finanzielle Leistungen, die Einzelperso-nen im Interesse der Allgemeinheit erbrachten, als Euergetismusbezeichnet, greift sie den Begriff

    eergthw

    auf, den griechische Stdteselbst verwendeten, um eine Person als ihren Wohltter zu bezeichnen.Dabei handelte es sich in aller Regel um einen festen Titel, den dieStadt in einem formellen Akt einer Person zu deren Ehrung verleihenkonnte.

    9

    Fr uns ist dies in klassischer und vor allem hellenistischerZeit durch die inschriftliche Aufzeichnung sogenannter Ehrendekretedokumentiert, die als Begrndung fr eine Ehrung auch die Verdienstedes Betreffenden aufzhlten, zunchst summarisch, spter immer aus-fhrlicher. In der Kaiserzeit fand sich der Titel zumeist auf den Auf-schriften der Basen von Statuen, die zur Ehrung der entsprechendenPersonen errichtet wurden.

    Die Forschung hat sich seit langem mit den Umstnden der Verlei-hung eines Euergeten-Titels beschftigt, zusammen mit anderenEhrungen wie dem Titel eines Proxenos

    10

    , die eine griechische Stadt anFremde, aber auch an ihre eigenen Brger verleihen konnte. Die Ergeb-nisse dieser Untersuchungen spielen hier aber nur ganz am Rande eineRolle, da es hier nicht um den formalen Akt der Bezeichnung einer Per-son als

    eergthw

    geht, sondern um die tatschlichen Vorgnge, dieeiner solchen oder hnlichen Benennung zugrunde lagen.

    Es mu aber zumindest darauf hingewiesen werden, da als

    eerg-tai

    zuerst Auswrtige (oftmals Herrscher

    11

    ) bezeichnet wurden, dieder ehrenden Stadt einen bestimmten Dienst erwiesen oder sich ihrgegenber grozgig erwiesen hatten, aber keine Brger der Stadt

    9. Die teilweise komplexen Fragen, die mit der Verleihung des Euergeten-Titelsin hellenistischer Zeit in Zusammenhang stehen, hat zuletzt Gauthier 1985 aus-fhrlich behandelt. Zur inschriftlichen Darstellung der Euergeten vgl. auch Qua1993, 1979.

    10. Vgl. zu den Proxeniedekreten die knappen, aber informativen Bemerkun-gen bei G. Klaffenbach,

    Griechische Epigraphik

    , Gttingen 1965

    2

    , 8085 (vgl. dazuauch

    Bull. p

    . 1958, 16); ferner Chr. Marek,

    Die Proxenie

    , Frankfurt/M. [u. a.]1984, 119160.

  • 16 Die Erscheinung des Euergetismus

    selbst, d. h. nur Personen, die zu solchen Leistungen nicht verpflichtetwaren. Dies nderte sich im Laufe der hellenistischen Zeit, als auchEinheimische mit dem Titel eines Euergeten geehrt wurden, woraufsich auf eine allmhliche Vernderung der Rolle schlieen lt, die ein-zelne Personen als Angehrige einer lokalen Oberschicht im politischenLeben ihrer Stadt spielten. Auch Rmer wurden jetzt oft als Euergetengriechischer Stdte bezeichnet.

    12

    In der Kaiserzeit finden sich schlie-lich zahlreiche weitere ehrende Benennungen fr Brger, die sich umihre Stadt verdient gemacht hatten.

    Das Wort

    eergthw

    hatte zuweilen gewisse, freilich nicht berzube-wertende, religise Konnotationen, wie aus seiner Verwendung zusam-men mit Titeln wie

    svtr

    zu erkennen ist.

    13

    Fr die rmische Zeit istin diesem Zusammenhang besonders die Benennung von Kaisern alsWohltter der ganzen Welt zu nennen.

    14

    Sie gehrt, zusammen mitBezeichnungen wie

    kriow

    ,

    despthw

    oder

    ktsthw

    in den weitenBereich der inoffiziellen Titulatur der rmischen Kaiser. Eine Domi-nanz religiser Aspekte ist aber weder in der Terminologie noch gar imtatschlichen Phnomen des Euergetismus zu konstatieren,

    15

    auch

    11. Zu hellenistischen Herrschern als Wohltter vgl. W. Ameling,

    et donaferentes

    ,

    QC

    9, 1987, 1140; K. Bringmann, Der Knig als Wohltter, in:

    Collo-quium aus Anla des 80. Geburtstages von Alfred Heu

    , Kallmnz 1993, 83-95;ders., Die Ehre des Knigs und der Ruhm der Stadt, in:

    Stadtbild und Brgerbildim Hellenismus

    , Mnchen 1995, 93102;

    Schenkungen hell. Herrscher

    . Zum Idealder

    eergesa

    bei hellenistischen Herrschern vgl. auch die Bemerkungen bei Kloft1970, 1634.

    12. Vgl. zuletzt A. Erskine, The Romans as common benefactors,

    Historia

    43,1994, 7087.

    13. Vgl. zu diesem Aspekt vor allem A. D. Nock,

    Soter

    and

    euergetes

    , in: ders.,

    Essays on religion and the ancient world

    , Bd. 2, Oxford, 1972, 720735 (zuersterschienen 1951); B. Ktting,

    RLAC

    6, 1966, 848860; Danker 1982.14. Z. B.

    IGR

    3, 609 (Xanthos), Ehrung Vespasians als

    svtra ka eergthnto ksmou

    ;

    IG

    12, 2, 544 (Eresos), Ehrung Traians als

    eergtan ka sathratw ofikhmnaw

    .15. Groenteils verfehlt erscheint der Versuch von R. Gordon, The veil of

    power, in:

    Pagan priests

    , London 1990, 201231, den Euergetismus der lokalenOberschichten auf die Darstellung des Kaisers als Opfernder (z. B. auf sog. histo-rischen Reliefs) zurckzufhren und eine besondere Rolle priesterlicher mterbeim Euergetismus zu konstruieren.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 17

    wenn er natrlich gewisse Berhrungspunkte mit dem Kult von Herr-schern und anderen herausragenden Personen hatte.

    16

    Entsprechend der Bezeichnung

    eergthw

    konnte der Gegenstandder Spende der Wohltter als

    eergesa

    bezeichnet werden. Weitere,oftmals geradezu formelhafte Begriffe in den Quellen sind fr diesenBereich

    17

    z.B.

    enoia

    oder

    filotima

    (dieser Ausdruck konnte nebenseiner allgemeinen Bedeutung als Freigebigkeit freilich auch ganzkonkret Gladiatorenspiele meinen)

    18

    .Der moderne Begriff Euergetismus mu zu Beginn der Untersu-

    chung noch etwas nher betrachtet werden, da er in der Diskussionnicht immer fr dieselbe Sache verwendet wird. Auszugehen ist dabeivon dem Werk, das den Euergetismus zum ersten Mal im groen Ma-stab problematisiert hat, nmlich Paul Veynes

    Le pain et le cirque

    .

    19

    Diese Arbeit, deren Anspruch in theoretischer Hinsicht sich ber dasPhnomen des eigentlichen Euergetismus hinauserstreckt, beschftigtsich nach einer allgemeinen Einleitung mit dem Euergetismus in dengriechischen Stdten des Hellenismus und der Kaiserzeit, mit dem derrepublikanischen Oligarchie in Rom und dem der rmischen Kaiser.Diese beiden letzten Abschnitte sind in unserem Zusammenhang weni-ger relevant.

    16. Vgl. zum hellenistischen Herrscherkult Chr. Habicht,

    Gottmenschentumund griechische Stdte

    , Mnchen 1970

    2

    ; F. W. Walbank, Knige als Gtter,

    Chiron

    17, 1987, 365382. Zum Kaiserkult in der Provinz Asia siehe unten, S. 53.Zur religionssoziologischen Einordnung des Kultes von Herrschern und herausra-genden Personen vgl. T. R. Stevenson, Social and psychological interpretations ofGraeco-Roman religion: some thoughts on the ideal benefactor,

    Antichthon

    30,1996, 118, vor allem 1018.

    17. Die verschiedenen Begriffe, die im Umfeld des Begriffes Wohltter Ver-wendung finden konnten, sind untersucht bei Danker 1982, 317392. Da es Dan-ker vor allem auf den Vergleich mit dem Wortgebrauch des Neuen Testamentsankommt, ist die Auswahl seiner Belege vom Standpunkt des Historikers aus nichtimmer befriedigend.

    18. Zu

    filotima

    nicht nur als liberalit coteuse dun magistrat ou duncitoyen envers sa patrie, sondern auch als Bezeichung fr die in der Kaiserzeit imOsten hufigen Gladiatorenkmpfe vgl. Robert 1940, 276280. Auch im Lateini-schen konnte z. B.

    liberalitas

    (wie auch

    indulgentia

    ) konkret fr

    ludi

    verwendetwerden (Kloft 1970, 111).

    19. Veyne 1976; deutsche bersetzung (vor allem bei den Anmerkungengekrzt): Veyne 1988.

  • 18 Die Erscheinung des Euergetismus

    Sehr verkrzt dargestellt, versteht Veyne unter dem griechischenEuergetismus in erster Linie eine Art Regierungssystem, das mit demWandel von der demokratischen Verfassung der klassischen Zeit zurHonoratiorenherrschaft des Hellenismus und der Kaiserzeit ent-stand. In seinen Augen machte der Euergetismus diese Honoratioren-herrschaft berhaupt erst mglich. Veyne legt dar, da die Gaben derEuergeten, worunter er vor allem Vergngungen und ffentliche Bau-manahmen versteht, in einem politischen Kontext standen; mit ande-ren Worten, sie richteten sich an die Gesamtheit der Brger einer Stadtund nur die Brger.

    20

    Damit waren sie also gnzlich anders motiviertals z. B. die christliche Armenfrsorge.

    Darber hinaus wendet sich Veyne gegen Auffassungen, der Euerge-tismus habe eine Umverteilung des gesellschaftlichen Besitzes mit sichgebracht oder sei von den Herrschenden zur bewuten Entpolitisie-rung der Massen genutzt worden (in diesem Sinne hat man Iuvenalsberhmtes Wort von

    panem et circenses

    , auf das der Titel von VeynesBuches anspielt, oft verstanden)

    21

    . In Veynes Augen festigten dieHonoratioren ihre soziale berlegenheit gegenber der Mehrheit derBevlkerung und ihre politische Fhrungsrolle durch ihre Freigebig-keit, sie erkauften sie sich damit aber nicht. Es war eher eine Art Rol-lenspiel, bei dem auch die Konkurrenz innerhalb des Kreises der Euer-geten wichtig war.

    22

    Diese berlegenheit der Euergeten (distancesociale) durch ihre Gaben und die Ausbung der ffentlichen mter

    23

    wird von beiden beteiligten Seiten akzeptiert. In letzter Konsequenz istes dann nicht mehr mglich, zwischen freiwilligen Gaben und denen,die von Honoratioren vom Amts wegen erbracht werden muten, zuunterscheiden.

    24

    Gerade diese Verbindung von Freiwilligkeit undZwang

    25

    macht in Veynes Augen die Einzigartigkeit des Phnomens

    20. Veyne 1988, 167: Euergesien [] wurden [im Gegensatz zur archaischenGrozgigkeit] der ganzen Stadt und nur ihr dargebracht.

    21. Iuv. 10.81; vgl. Veyne 1976, 8494 (Veyne 1988, 8393).22. Veyne 1988, 213 (Veyne 1976, 232233): Die historische Besonderheit

    ihrer Epoche bestand darin, da sie ihre gesellschaftliche Distinktion [distancesociale] nicht zu ostentativem Konsum, sondern zu ostentativem Mzenatentumverpflichtete.

    23. Veyne 1976, 257 (Veyne 1988, 239); zur sozialen Distanz auch 298327(279311).

  • Die Erscheinung des Euergetismus 19

    aus. Das gesamte politische Leben der Stadt ist dabei letztlich Euerge-tismus.

    Diese Thesen lassen sich von verschiedenen Seiten aus in Frage stel-len und zumindest in einigen wichtigen Punkten modifizieren. Hiersoll bei dem Problem eingesetzt werden, ob eine Unterscheidung zwi-schen einem freiwilligen Mzenatentum und den vorgeschriebenen,mit der Ausbung von mtern verbundenen Leistungen wirklich obso-let wurde, ob also freiwillige und pflichtgeme Gaben so weit ineinan-der bergingen, da es sinnlos ist, sie voneinander trennen zu wollen.Es ist fraglich, ob sich aus der berreichen, vor allem epigraphischen,Dokumentation der einzelnen Euergesien wirklich ableiten lt, daalle diese Gaben unter einem impliziten Zwang erfolgten, nur auf die-sem Wege den eigenen Vorrang bzw. die Herrschaft des eigenen Stan-des aufrechterhalten zu knnen. War es wirklich so, wie Veyne meint,da zwischen ffentlichen Mitteln und privaten Patrimonien nichtunterschieden

    26

    wurde? Zahlreiche Inschriften, die noch nherbetrachtet werden sollen, sprechen dagegen. Man knnte vielleichtsagen, da die Trennung zwischen den Bereichen privat und ffent-lich durchbrochen war;

    27

    aufgehoben wurde sie nicht; dies gilt selbstfr Leistungen durch rmische Kaiser, bei denen zwischen ffentlicherFinanzierung und denen aus dem privaten

    patrimonium

    zu unterschei-den ist.

    Veynes Bild erscheint doch zu schematisch, um den Verhltnissenvor allem in der rmischen Kaiserzeit gerecht zu werden. In chronolo-gischer und geographischer Hinsicht mu feiner differenziert werden,als Veyne dies tut, wenn er die hellenistische Stadt vom Ende des 4.Jahrhunderts v. Chr. bis weit in die Kaiserzeit hinein als einen imwesentlichen geschlossenen Block ansieht.

    28

    24. Auch die Trennung zwischen Liturgien und mtern sei damit obsoletgeworden; vgl. Veyne 1976, 272274 (Veyne 1988, 251253).

    25. Veyne 1976, 230 (Veyne 1988, 210): die Grozgigkeit der Honoratiorenwar la fois spontane et force, libre et contrainte.

    26. Veyne 1989, 111112.27. So Kloft 1995, 94. Vgl. auch H. Kloft, in:

    Sozialmanahmen und Frsorge

    ,Graz-Horn 1988, 5.

    28. Vgl. auch Gauthier 1985, 110.

  • 20 Die Erscheinung des Euergetismus

    Aus Veynes Auffassung knne man folgern, da es einen Standard-euergeten gab, der wie seine Standesgenossen ein bestimmtes Ma anLeistungen erbrachte und es dabei bewenden lassen konnte. Bekannt-lich traten aber in der Kaiserzeit einige extrem freigebige Euergetenhervor wie Herodes Atticus

    29

    oder Opramoas von Rhodiapolis inLykien

    30

    . In einem kleineren Mastab, nmlich auf eine einzelne Stadtbeschrnkt, wren z. B. aus Ephesos Claudius Aristio, Vedius Antoni-nus oder Flavius Damianus zu nennen, deren Leistungen spter aus-fhrlicher behandelt werden sollen. Solche Virtuosen des Euergetis-mus, wie Veyne sie genannt hat, der ihre herausragende Stellung zwardurchaus erkennt, Opramoas dennoch als lvergte par excellenceansieht,

    31

    erfuhren eine besondere Hervorhebung, die vermuten lt,da sie weit mehr taten als andere, was auch immer ihre Motive dafrgewesen sein mgen. Man kann sich fragen, ob sich fr sie persnlichviel gendert htte, wenn sie ihre Leistungen auf ein normales Maverringert htten.

    Wir erkennen im Fall solcher Personen klar den eigentlichen Euerge-tismus, nmlich freiwillige Leistungen, dem wir die durch Gewohnheiterzwungenen oder gesetzlich vorgeschriebenen Aufwendungen, vorallem zur bernahme oder anllich eines Amtes, gegenberstellenknnen.

    32

    Vor allem auch drfen diese Einzelflle von teilweise extremfreigebigen Euergeten nicht zu sehr verallgemeinert werden. Ihr berre-gionales Wirken pat nicht in das stadtbezogene Euergetismusbild Vey-nes.

    33

    29. Aus der zahlreichen Literatur zu ihm sei nur genannt W. Ameling,

    HerodesAtticus

    , 2 Bde., Hildesheim [u. a.] 1983; Tobin 1997.30. Bekannt ist das umfangreiche Dossier seiner Wohltaten, das an seinem

    Mausoleum in Rhodiapolis angebracht war,

    TAM

    2, 3, 905. Zwei neugefundeneInschriften aus dem Letoon von Xanthos (Balland 1981, 173224, Nr. 6667 =

    SEG

    30, 15341535), bezeugen weitere Spenden an lykische Stdte. Gegen einenBezug von

    SEG

    30, 1535 auf Opramoas wendet sich J. J. Coulton, Opramoas andthe anonymous benefactor,

    JHS

    107, 1987, 171178. Vgl. auch E. Frzouls, Lesressources de lvergtisme: le cas dOpramoas de Rhodiapolis, in:

    L Origine desrichesses dpenses dans la ville antique

    , Aix-en-Provence 1985, 249254, und jetztChr. Kokkinia,

    Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis

    , Bonn 2000 (

    non vidi

    ).31. Veyne 1976, 295296 (Veyne 1988, 275277).32. Dazu ausfhrlicher unten, Abschnitt 3.1.2.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 21

    Auch mu man davon ausgehen, da die Besonderheiten unsererQuellen fr den Euergetismus, wobei es sich vor allem um Inschriftenhandelt, einen falschen Eindruck erzeugen knnen, der Veyne zumin-dest partiell in die Irre gefhrt hat, denn euergetische Leistungen wer-den darin zwangslufig besonders ausfhrlich dargestellt. Auf diesenPunkt ist noch zurckzukommen.

    Hier soll in Abgrenzung zu Veyne mit einer relativ engen Definitionvon Euergesien gearbeitet werden, die alle Leistungen von Seiten staat-licher oder stdtischer Amtstrger (Kaiser, rmische

    34

    oder lokale Mag-istrate) ausklammert, soweit sie durch eine ausdrckliche Verpflichtungim Amt oder in direkter Verbindung damit erfolgten. Dies gilt nichtnur fr die Kosten der eigentlichen Amtsfhrung selbst, sondern auchfr Zahlungen, die zum Antritt eines Amtes vorgeschrieben waren, die

    summae honorariae

    . Nur zustzliche Aufwendungen

    ob honorem

    kn-nen eher dem freiwilligen Euergetismus zugeordnet werden. Dabei gabes freilich eine breite bergangszone zwischen erzwungenen und frei-willigen Gaben, die im Einzelfall jeweils einer genaueren Prfungbedarf.

    Es ist noch auf einen anderen Punkt von Veynes Euergetismus-Modell zurckzukommen: Die strenge Scheidung der Polisbewohnerin einen Stand von Euergeten einerseits und alle brigen Brger ande-rerseits, die Empfnger der Euergesien,

    35

    lt sich bei nherer Betrach-tung der Quellen in dieser strikten Form nicht aufrechterhalten.

    33. Zur Ausweitung des Interesses von Euergeten auch auf berregionale Zen-tren, ohne die Verbindung zu ihrer Heimat aufzugeben, vgl. S. E. Alcock,

    Graeciacapta

    , Cambridge 1993, 154157; zu fortbestehenden Verbindung von Personen,die in die Reichsaristokratie aufgestiegen waren, zu ihren Heimatgemeinden undanderen Stdten des Reiches W. Eck, Die Prsenz senatorischer Familien in denStdten des Imperium Romanum bis zum spten 3. Jahrhundert, in:

    Studien zurantiken Sozialgeschichte: Festschrift Friedrich Vittinghoff

    , Kln [u. a.] 1980, 283322; F. Qua, Zur politischen Ttigkeit der munizipalen Aristokratie des griechi-schen Ostens in der Kaiserzeit,

    Historia

    31, 1982, 188213.34. Statthalter werden zwar oft in Verbindung mit Baumanahmen in Stdten

    genannt, lassen sich aber kaum jemals als Euergeten im eigentlichen Sinne erwei-sen.

    35. Veyne 1976, 232 (Veyne 1988, 213): la cit est divise en deux camps,ceux qui reoivent et ceux qui donnent; ganz hnlich 261 (240); 270 (249) unterBezug auf Ehrungen; Veyne 1989, 114. Vgl. dazu auch J. Andreau, P. Schmitt, A.Schnapp, Paul Veyne et lvergtisme,

    Annales ESC

    33, 1978, 314315.

  • 22 Die Erscheinung des Euergetismus

    Zumindest gewisse Verhaltensweisen, die sich am Euergetismus orien-tierten, finden wir auch auf einer Ebene unterhalb der eigentlichenpolitischen Fhrungsschicht der Stdte. Zu erinnern ist dabei z. B. andie Subskriptionslisten, eine Sitte vor allem des Hellenismus, vondenen wir aber auch einige Beispiele aus der Kaiserzeit kennen.

    36

    Oftist bei ihnen aufgrund der schieren Masse von Namen und der gerin-gen Hhe der Beitrge klar, da bei weitem nicht alle Beitragenden zureigentlichen Oberschicht gehrten.

    37

    Andererseits kamen viele Euergesien ausgewhlten sozialen Gruppenzugute, und dies waren eben oft nicht die bedrftigsten Stadtbewohner,wie man durch die Analogie der spteren christlichen Wohlttigkeitmeinen knnte, sondern ohnehin schon gesellschaftlich herausgeho-bene Krperschaften wie Gerusie oder Rat.

    38

    Diese Gremien, die gr-tenteils aus Angehrigen der stdtischen Oberschicht bestanden,

    39

    waren in der Regel bei Verteilungen oder Speisungen privilegiert,

    40

    soda sich hier eine strenge Scheidung zwischen Euergeten und Nicht-Euergeten ad absurdum fhrt.

    41

    Es gab in den griechischen Stdtentraditionell feinere soziale Abstufungen als eine schematische Zweitei-lung, wie Veyne sie voraussetzt, und es spricht manches dafr, da derEuergetismus auch dazu dienen konnte, diese Distinktionen bewut zu

    36. Vgl. zu den Subscriptionen Migeotte 1992, der sich auf Spenden im Inter-esse der gesamten Stadt beschrnkt; dazu kamen noch zahlreiche Umlagen inner-halb und zugunsten eines beschrnkteren Personenkreises (wie das Fischereizoll-haus in Ephesos, siehe unten, S. 206).

    37. Ein faszinierendes, wenn auch nicht in allen Punkten klares Beispiel ist diegroe Subscriptionsliste aus tiberischer Zeit in Ephesos, die unten (Abschnitt 5.3.8,S. 202) ausfhrlicher behandelt werden soll. Ihre zahlreiche Fragmente nennenberwiegend geringe Beitrge in der Grenordnung von 10 bis 25 Denaren; dieerhaltenen Teile der Liste zeigen wenigstens 234 Beitragszahler, oftmals ganzeFamilien. Die soziopolitische Stellung der Euergeten wird in den meisten neue-ren Studien des Phnomens untersucht, z. B. Melchor Gil 1994; Demougin 1996.

    38. Zur Frage, wie weit der Euergetismus eine soziale Komponente enthielt,vgl. zuletzt Kloft 1995.

    39. Zur Gerusie vgl. J. A. van Rossum, De gerousia in den Griekse steden vanhet Romeinse Rijk, Diss. Leiden 1988, bes. 87131, der zeigt, da in diesem Gre-mium neben Ratsmitglieder auch

    dhmtai

    sitzen konnten.40. Vgl. z. B. Balland 1981, 211212; G. Woolf,

    PBSR

    58, 1990, 214; SchmittPantel 1992, 387388; Herz 1995, 7475.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 23

    machen, wie es am Beispiel der Salutaris-Stiftung in Ephesos krzlichGuy Rogers aufzuzeigen versucht hat.

    42

    2.2 Die Bedeutung des Euergetismus

    Das im Vorangehenden beschriebene Phnomen des Euergetismusgeht in seinen Grundzgen bereits auf das Griechenland der klassi-schen Zeit zurck, wenn auch dort, besonders im am besten dokumen-tierten Athen, einige charakteristische Unterschiede zum spterenErscheinungsbild zu beachten sind. Das eigentliche euergetischeSystem entwickelte sich im Laufe des Hellenismus, wobei die wichtig-sten Vernderungen wohl nicht schon im spten 4. Jahrhundert auftra-ten, wie Veyne gemeint hat, sondern erst im Laufe des 2. Jahrhun-derts.

    43

    Auf die Entwicklung des Euergetismus in hellenistischer Zeitsoll hier nicht nher eingegangen werden, auch wenn man sich bei derBetrachtung kleinasiatischer Stdte in der Kaiserzeit immer vor Augenhalten mu, da sie noch (wenn auch regional unterschiedlich stark)von den Verhltnissen in der vorrmischen Zeit geprgt waren.

    41. Die Veynesche Vorstellung von einer eindeutigen Trennung verbindetQua 1993, 349 (fast wrtlich auch schon ders. 1992, 433), mit einer rechtlichenAbgrenzung der Ratsschicht: Die Entwicklung, die dazu fhrte, da man von denTrgern staatlicher Funktionen leiturgische Leistungen forderte, machte die Wahr-nehmung dieser Funktionen zu einer Geldfrage und teilte die Brgerschaft derStdte realiter in zwei verschiedene Klassen oder Stnde, mit Verweis auf

    Fouillesde Delphes

    III, 4, 4, 442 (=

    SEG

    2, 294), Z. 911:

    [dedsy]a`i` ati poleitan,o tn koinn projenaw tim[]w eneken n [n tiw tn ll]vn omim-tata lboi par Delfn, ena te atn ka damiourgn k[a metxei]nrxw ka flerv{v}snhw pshw, w ofl egenw Delfn metxousi

    (er solldas Brgerrecht erhalten, nicht das gewhnliche aus Anla einer Proxenieverlei-hung oder Ehrung, wie es andere von den Delphern erhalten; er soll Damiurg seinund Anteil haben an jedem Amt und jeder Priesterschaft wie die wohlgeborenenDelpher). Es knnte sein, da hier nicht zwischen Brgern 1. und 2. Klasseunterschieden wird, wie Qua meint, sondern eine Ehrenbrgerschaft fr Aus-wrtige abgesetzt ist von der Brgerrechtsverleihung an jemanden, der sich tatsch-lich in Delphi niedergelassen hat.

    42. Rogers 1991a, doch vgl. dazu C. Schulte,

    Klio

    76, 1994, 518521; hnlicham Beispiel der Stiftung des Demostheneia-Agons in Oinoanda (Wrrle 1988)Rogers 1991b, 96100.

    43. Vgl. Gauthier 1985, 6675.

  • 24 Die Erscheinung des Euergetismus

    Eine in der Forschung diskutierte Frage ist es, ob der zunehmendeEinflu Roms im stlichen Mittelmeerraum eine zentrale Ursache frdie Entfaltung des euergetischen Modells war. Ihre Beantwortunghngt mit dem allgemeineren Problem der Umgestaltung der Verfas-sungen der griechischen Stdte im Hellenismus zusammen. Bei nomi-neller Fortgeltung der demokratischen Institutionen wurde die Rolleeinzelner Personen im stdtischen Kontext (und in den Auenbezie-hungen der Stdte) unbestreitbar immer grer, wie zuletzt in Weiter-entwicklung des Veyneschen Modells F. Qua herausgearbeitet hat;

    44

    eine vllige Abhngigkeit der Stdte von ihren Honoratioren waraber meist nicht gegeben.

    45

    Eine unmittelbare Einflunahme Roms auf die Ausgestaltung derstdtischen Verfassungen ist in den meisten Fllen sicher auszuschlie-en.

    46

    Aber eine gewisse Beachtung verdient die These, der Rckgriffauf die Leistungen der reichen Brger sei ntig geworden, weil diermische Herrschaft die finanziellen Verhltnisse der Stdte so ungn-stig beeinflut habe, da eine Finanzierung der ffentlichen Aufgabenaus der Stadtkasse kaum mehr mglich gewesen sei.

    47

    In Einzelfllenmag dies zutreffen, aber allgemeine Gltigkeit kann eine solche Rekon-struktion nicht beanspruchen. Die Belege fr den Euergetismus in derhellenistischen Epoche stammen oft noch aus Zeiten, in denen RomsEinflu im Osten bestenfalls indirekt und Schwankungen unterworfenwar. Auch trifft nur eingeschrnkt zu, da die Besteuerung durch Romden Stdten den Zugriff auf direkte Abgaben von ihren Einwohnerngenommen habe. Direkte Besteuerung war auch vorher im griechi-schen Raum ein ungewhnliches und nicht durchgngig angewandtesMittel der Finanzbeschaffung.

    48

    Waren es in der hellenistischen Zeit die verschiedenen Herrscher desOstens gewesen, die bei ihren Beziehungen zu den Stdten innerhalb

    44. Qua 1993,

    passim

    , Zusammenfassung 347352.45. Siehe oben, S. 12, Anm. 4.46. Vgl. Mitchell 1993, Bd. 1, 210.47. So Mitchell, ebda.: Rome took so much for herself, that there was little

    room for further taxation locally Cities were confined to less lucrative methodsof raising revenue However, civic aspirations did not decline with civic income.The gap had to be filled by contributions from another source, namely the genero-sity of the richer citizens.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 25

    und auerhalb ihres Herrschaftsgebietes nicht zuletzt materielleZuwendungen einsetzten,

    49

    so traten die rmischen Kaiser auch in die-ser Hinsicht ihre Nachfolge an. Kaiserliche Wohltaten fr provinzialeStdte sind allerdings vom brgerlichen Euergetismus deutlich zu tren-nen. Auch wenn der Kaiser wie ein Angehriger der lokalen Ober-schicht von einer Stadt wegen seiner Wohltaten geehrt werden konnte,so spielte sich dieser kaiserliche Euergetismus doch auf einer ganz ande-ren Ebene ab als der innerhalb der Brgerschaft, weil fr ein kaiserli-ches Engagement, das zudem auf unterschiedliche Weise erfolgenkonnte (von der bloen Genehmigung bis zur direkten finanziellenUntersttzung), gnzlich andere Bedingungen galten als fr die Wohl-ttigkeit eines Brgers der Stadt selbst, und oft ffentliche SteuergelderVerwendung fanden.

    50

    Das schliet nicht aus, da in mancher Hin-sicht der kaiserliche Euergetismus den der lokalen Oberschichten anre-gen konnte, vor allem im Westen, wo die hellenistische Traditionfehlte.

    51

    Wir wollen uns daher auf die Euergeten im engeren Sinne konzentrie-ren, also Privatleute, die eine finanzielle Leistung fr die Allgemeinheitoder eine grere Gruppe erbrachten, ohne direkt durch ein Amt dazuverpflichtet zu sein. Bei ihnen stellt sich die Frage, was sie finanziertenund aus welchen Motiven sie dies taten. Die beiden grten Komplexeunter den Euergesien sind ohne Zweifel einerseits die ffentlichen Bau-ten und andererseits Vergngungen diverser Art, seien es Feste, die oft-mals damit verbundenen ffentlichen Speisungen,

    52

    Schaustellungenoder schlielich auch die direkte Verteilung von Geld, die ebenfalls indiesen Zusammenhang zu stellen ist.

    53

    48. Vgl. z. B. G. Busolt,

    Griechische Staatskunde

    , 1. Hlfte, Mnchen 1920,609613; R. Thomsen,

    Eisphora

    , Kbenhavn 1964; doch vgl. Migeotte 1994, 79,mit Hinweisen auf direkte Besteuerung in griechischen Stdten.

    49. Siehe oben, S. 15.50. Vgl. z. B. zur Bauttigkeit Mitchell 1987, 333365 (siehe auch unten,

    S. 77). Bei der Finanzierung ihrer Wohltaten an die Bevlkerung griffen die Kaisersowohl auf ihr privates

    patrimonium

    wie auf ffentliche Kassen zurck; vgl. Kloft1970, 128136. Zur Verbindung kaiserlicher Wohltaten mit einem Aufenthalt desKaisers in der betreffenden Stadt vgl. Halfmann 1986, 124129.

    51. Vgl. Alfldy 1994, 6367.52. Zu ffentlichen Banketten in griechischen Stdten whrend des Hellenis-

    mus und der Kaiserzeit vgl. Schmitt Pantel 1992, 255420.

  • 26 Die Erscheinung des Euergetismus

    Zwischen diesen beiden groen Gruppen von mglichen Euergesiengibt es einige auffallende Unterschiede. So sind Bauten selbstverstnd-lich ganz deutlich darauf angelegt, durch die euergetische Leistung dieSelbstdarstellung eines Angehrigen der stdtischen Oberschicht zuverewigen. Dies ist bei nicht dauerhaften Gaben wie Verteilungen undSchaustellungen nur in Form eines ehrenden Monuments (z. B. einerStatue) mit einer entsprechenden Inschrift mglich, die solche Gabendokumentiert; eine Ausnahme bilden Stiftungen im engeren Sinne, dieauf Dauer gedacht waren und ebenfalls den Namens des Wohltters inaller Munde halten sollten.

    Die Beweggrnde fr eine konkrete Spende konnten im einzelnenunterschiedlich ausfallen. Zu nennen sind dabei durchaus genuinerBrgersinn und Liebe zur Heimatstadt,

    54

    die sich dann auch in einemWettstreit der Stdte untereinander uerten, garantierter Nachruhmber den Tod hinaus (vor allem bei testamentarischen Stiftungen greif-bar)

    55

    , familire Verpflichtungen

    56

    und natrlich vor allem auch derWetteifer innerhalb der Oberschicht einer Stadt.

    57

    So wird ein Euergetseine persnlichen Interessen auch bei einer Gabe an die Gemeinschaftnicht notwendigerweise auer Acht lassen.

    58

    Dabei lt sich nicht ein-mal ausschlieen, da er aus seiner Spende wiederum selbst einenmateriellen Vorteil ziehen konnte,

    59

    auch wenn kaum zu erwarten ist,da dies inschriftlich ausdrcklich dokumentiert wird.

    53. Die etwas anders liegende und von den Quellen nur sehr unzureichenderhellte Frage der Finanzierung stdtischer Mnzprgung durch Euergeten ist indiesem Zusammenhang weniger von Belang; vgl. dazu R. Pera, Referimento allevergetismo nelle leggende monetali,

    AALig

    49, 1992, 499514.54. Vgl. F. Gasc, Evergetismo y conciencia cvica en la parte oriental del

    Imperio,

    Habis

    26, 1995, 177186; J. E. Lendon,

    Empire of honour

    , Oxford 1997,8489.

    55. Vgl. z. B. C. Bossu, M' Megonius Leo from Petelia (Regio III): a privatebenefactor from the local aristocracy,

    ZPE

    45, 1982, 155165.56. Vgl. M. Sartre, in:

    Rome et lintgration de lEmpire (44 av. J.-C.260 ap. J.-C.)

    , tome 2, Paris 1998, 359360; H. Botermann,

    GWU

    50, 1999, 683684.57. Zu den Motiven vgl. auch Sartre 1991, 159166.58. Vgl. schon Veyne 1988, 99 (Veyne 1976, 101): So kann ein Euerget seinen

    Mitbrgern ein Geschenk machen, das ihnen sehr viel weniger gefllt als ihmselbst.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 27

    Gegenber dieser Darstellung aus der Sicht des Euergeten stellt sichvon der Stadt aus dagegen die Frage nach Sinn oder Unsinn bestimm-ter Euergesien, sowohl bei den Bauten als auch bei den vergnglicherenWohltaten. So gibt es Bauwerke, die einen konkreten Nutzen fr dieStadt brachten, wie Sulenhallen, in denen Werksttten und Ldenuntergebracht waren, Wasserleitungen oder Gymnasien. Anderes dage-gen, wie Schmuckfassaden an Toren oder Statuengruppen, diente vorallem der Selbstdarstellung des Stifters und im weiteren Sinne dem derStadt, der diese Werke gestiftet wurden. Da dabei die Absichten desEuergeten und die Wnsche der stdtischen Bevlkerung nicht immerbereinstimmten, ist zu erwarten und wird z. B. in Ephesos durcheinen Konflikt zwischen dem Bauten errichtenden Vedius Antoninusund der Stadt deutlich.

    60

    Natrlich erfllten damit solche Zierbauten auch eine wichtigeFunktion fr die stdtische Gesellschaft, ebenso wie dies die vergngli-chen Euergesien taten

    61

    . Aber es reichte nicht aus, z. B. durch Theateroder Agorai eine Identitt der Stadtbewohner zu stiften, wenn fr ihreeher materiellen Bedrfnisse wie Nahrungsmittel- und Wasserversor-gung oder Sicherheit nicht gesorgt war. Auch in diesem Bereich gab esEuergesien, und auch hier rhmten sich Euergeten in Inschriften,etwas fr die Polis geleistet zu haben, aber es drngt sich der Verdachtauf, da viele Manahmen in diesen wenig reprsentativen Bereichenunerwhnt geblieben sind, wenn sich kein Euerget ein konkretes Ver-dienst an den entsprechenden Leistungen zuschreiben konnte.

    Es kann nicht deutlich genug betont werden, da unsere epigraphi-sche Dokumentation stets die Euergeten bevorzugt, die ihre Taten dar-gestellt wissen wollten, zu Ungunsten der von der ffentlichen Handdirekt errichteten Bauten oder sonstigen finanziellen Leistungen, denn

    59. Eck 1997c, 327329. Verneint von Sartre 1991, 161: Jamais, en tout cas,lvergte ne semble avoir retir un profit conomique de ses bienfaits. Doch vgl.die Beobachtungen von Garnsey 1988, 8284, ber das Nebeneinander von Euer-getismus und Spekulation bei der Getreideversorgung oder Spenden fr Einrich-tungen oder Gebude in Marktanlagen, G. Wesch-Klein, Private Handelsfrde-rung im rmischen Nordafrika,

    MBAH

    8, 1989, 2938.60. Siehe unten, S. 191.61. Vgl. Schmitt Pantel 1992, 411415, zur irrigen Hierarchisierung von

    ntzlichen und unntzen Wohltaten, jedenfalls aus der Sicht der Euergeten.

  • 28 Die Erscheinung des Euergetismus

    diese werden z. B. in keiner Ehreninschrift erwhnt. Wir erfahrendavon also nur aus der Bauinschrift, sofern sie sich erhalten hat undsofern sie, z. B. bei Reparaturen, berhaupt angebracht wurde.

    62

    Inschriften geben ja durchaus nicht immer den dauernden Zustandwieder, wie er allen potentiellen Adressaten bekannt war, sonderndokumentieren in der Regel einen besonders hervorzuhebendenUmstand, also im Fall des Euergetismus das ber ein gewohntes Mahinausgehende Engagement eines reichen Brgers.

    63

    Daher sind (inder Regel durch einfaches Abzhlen gewonnene) quantifizierende Aus-sagen ber das Verhltnis von privater zu ffentlicher Finanzierung

    64

    stets mit Skepsis zu betrachten, wenn nicht jeweils die lokalen Verhlt-nisse und die Aussagefhigkeit des Quellenmaterials eingehend berck-sichtigt werden.

    65

    Selbst wenn man bei der Untersuchung der Finan-zierung von Baumanahmen nur die eigentlichen Bauinschriftenzugrundelegt und die Erwhnungen in ehrenden Inschriften nichtbercksichtigt, ergibt sich noch eine gewisse Verzerrung durch das gr-ere Interesse eines privaten Bauherrn an der monumentalen Doku-mentation seiner Leistungen.

    66

    Dies lt sich auch bei der gelegentli-chen mehrfachen Anbringung von Bauinschriften an einem Gebude

    62. Siehe Eck 1997c, 315324, zur systematischen Bevorzugung der euergeti-schen Leistungen in der epigraphischen Dokumentation.

    63. Den caractre dsquilibr de la documentation ber den Euergetismushat auch Ph. Gauthier mehrfach betont; vgl.

    Bull. p

    . 1993, Nr. 169, S. 483; ebda.1994, Nr. 194, S. 507508. hnlich Migeotte 1995, 8081 (Mais la nature mmede la documentation pigraphique, qui avait souvent pour but dhonorer des bien-faiteurs, risque de nous abuser, car les dpenses ordinaires des cits ont fatalementlaiss beaucoup moins de traces); ders., in:

    Actes du Xe Congrs International dpi-graphie Grecque et Latine: Nimes, 49 octobre 1992

    , Paris 1997, 193; Eck 1997a,109110.

    64. Z. B. bei E. Marciniak, Samorzady miast italskich wobec kwesti ibudow-nictwa uzytecznosci publicznej [The attitude of Italian city self-governmentstowards the problem of public buildings],

    Eos

    73, 1985, 329: The number of pri-vate benefactions is five times as big as the investments based on autonomous cityrepublic treasures.

    65. Vgl. Eck 1997a, 110: Auch bei statistischen Arbeiten auf epigraphischerBasis ist somit zuerst die Frage nach der Reprsentativitt der Quellen zu stellen.

    66. Dieses Selbstdarstellungsbedrfnis einzelner Personen ist auch bei anderenInschriftengattungen wie Edicten, Kaiserbriefen oder Senatus consulta zu berck-sichtigen; vgl. Eck 1998b.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 29

    beobachten oder bei der Spende einzelner Teile von Bauwerken, die oftberproportional inschriftlich dokumentiert ist,

    67

    whrend die vielumfangreicheren Grundleistungen hufig nicht in der epigraphischenberlieferung erscheinen. Auch der Umfang der jeweiligen Arbeiten istdaher zu beachten. Es reicht nicht aus, die Anzahl der Flle zu zhlen,sondern es mssen stets auch die jeweiligen Kosten bercksichtigt wer-den, soweit sie genannt sind oder sich erschlieen lassen.

    Bei der Betrachtung der ffentlichen Aufgaben darf man vor allemnicht vergessen, da eine antike Stadt durchaus ber Einnahmen ver-fgte, die nicht als euergetische Leistungen erbracht wurden, sonderndie ihr mehr oder weniger regelmig zukamen.

    68

    Diese sollen ineinem spteren Kapitel noch nher betrachtet werden. Mit diesen Ein-nahmen konnte die Stadt fr das aufkommen, wofr sich kein Euergetfand, auf jeden Fall nicht mit der notwendigen Regelmigkeit, z. B.fr den Unterhalt fr stdtische Sklaven und sonstige Bedienstete. Nursollte es nicht berraschen, da davon in der epigraphischen Doku-mentation kaum einmal die Rede ist, in der sich uns vor allem die ein-zelnen Euergeten darstellen, auch wenn ihre Leistung im einzelnenrecht bescheiden gewesen sein mag.

    Bisher wird hufig die Ansicht vertreten, da die Stdte fr dieMehrzahl ihrer Ausgaben auf eine ad-hoc-Finanzierung angewiesenwaren, ohne die sie auf Dauer nicht lebensfhig gewesen wren,

    69

    soda ffentlich und privat finanzierte Aktivitten ineinander bergehenkonnten

    70

    und das ganze stdtische Leben letztlich davon abhing, dagenug reiche Brger vorhanden waren, die, freiwillig oder unter mehr

    67. Zur hufigen Spende von einzelnen Bauteilen vgl. Melchor Gil 1994, 157158; Rumscheid 1999.

    68. Eck 1997c, 307311; Galsterer 1998.69. So z. B. Sartre 1991, 133: eine Stadt na pas de budget et doit trouver pour

    la plupart des dpenses un financement particulier; 138: Il est claire que les citssont souvent aux abois, quelles vivent dexpdients faute davoir trouv un finance-ment rgulier de leurs dpenses.

    70. Z. B. Mitchell 1993, Bd. 1, 211.

  • 30 Die Erscheinung des Euergetismus

    oder weniger ausgebtem Zwang,

    71

    die ffentlichen Aufgaben finan-zierten.

    72

    Es wird zu prfen sein, wie weit solche allgemeinen Aussagen auf-grund einer neuen Betrachtung des Quellenmaterials zu modifizierensein werden. Durchaus zweifelhaft jedenfalls erscheint die pauschaleBehauptung, da viele Brger bis zum Zusammenbruch ihres Verm-gens fr ihre Stdte sorgten;

    73

    ebenso zugespitzt klingt die Aussage,diese Leute verfgten ber nahezu unerschpfliche Reichtmer

    74

    .Daher ist im Folgenden auch zu prfen, ob es wirklich Euergeten gab,die sich so verausgabten. Zwar kennen wir tatschlich privat initiierteBauprojekte, bei deren Finanzierung es zu Problemen kam; aber hierliegt die Vermutung nahe, da die wirtschaftlichen Schwierigkeiten derEuergeten auch andere Ursachen haben konnten als ihre bergroeBereitschaft zu Spenden.

    Groe Projekte wie Bauten oder aufwendige Feste und Agone konn-ten erst dann in Angriff genommen werden, wenn zumindest potentiellihre Finanzierung gesichert war. Hatte die Stadt keine nennenswerteneigenen Einnahmen und fehlten die begterten Brger, so mute manin einem unurbanisierten Zustand leben, wie dies die oft zitierte Stellebei Pausanias zeigt, der der phokischen Stadt Panopeus den Status einerPolis absprechen wollte, weil sie ber keine nennenswerten ffentlichenBauten verfgte.

    75

    Deswegen hufen sich die Zeugnisse fr den Euer-

    71. Vgl. zur demonstrativen Freiwilligkeit bei der bernahme ffentlicher Auf-gaben, die auf oftmals ausgebten Druck schlieen lt, M. Kleijwegt, Volunta-rily, but under pressure: voluntarity and constraint in Greek municipal politics,

    Mnemosyne

    47, 1994, 6478.72. Vgl. Fr. Vittinghoff,

    HZ

    230, 1980, 41: Ohne die Stiftungsgesinnungeiner reicheren Oberschicht und die allgemein anerkannte, eigentmliche Formvon Sozialpflichtigkeit groer Vermgen, die nur wenig von Mitgefhl mit denBedrftigen motiviert war, htten wegen ihrer geringen Haushaltsmittel die Selbst-verwaltungseinheiten oft kaum berleben knnen. hnliche pauschale Aussagenfinden sich so zahlreich, da nur

    exempli gratia

    genannt seien J.-P. Rey-Coquais,Le mcnat obligatoire sous lEmpire romain,

    Gazette des Beaux-Arts

    93, 1979,4957; E. P. Forbis, Womens public image in Italian honorary inscriptions,

    AJPh

    111, 1990, 493512; Sartre (siehe Anm. 69).73. So D. Nrr, Zur Herrschaftsstruktur des rmischen Reiches: die Stdte des

    Ostens und das Imperium,

    ANRW

    II, 7, 1, 1979, 5.74. Noll 1995, 33.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 31

    getismus gerade in den greren Stdten, bei denen auch mit dem Vor-handensein von eigenen Mitteln der Gemeinden zu rechnen ist.

    Bei den Euergesien ist zudem auch eine Vernderung mit der Zeit zubeobachten, wobei die Tendenz von Bauten zur Stiftung von Festengegangen zu sein scheint.

    76

    Auch ist besonders bei aufwendigerenSpenden und Stiftungen mit komplizierteren Interaktionen zwischenGeber und Empfnger zu rechnen, als dies oft geschieht.

    77

    Wir mssendavon ausgehen, da die Stadt ein Mitspracherecht ber Art undUmfang der Euergesie verlangte, der Euerget also nicht vllig frei warin seiner Entscheidung. Auch die Kontrolle durch rmische Amtstrgerist dabei nicht zu vernachlssigen.

    Wenn man hier etwas grere Klarheit erlangen knnte, wrde diesauch helfen, die tatschliche Bedeutung der Oberschichten fr dieStdte genauer einzuordnen. Hierzu ist es ntig, einzelne Stdtegenauer zu untersuchen.

    78

    Dabei mssen vor allem die Inschriften mitdem archologischen Befund in Verbindung gebracht werden, um dasUngleichgewicht der epigraphischen berlieferung auszugleichen. Esist also bei einzelnen Bauten zu untersuchen, wie gro eine inschriftlichberlieferte Baumanahme eines Euergeten konkret war, ob sie sichwirklich in so vielen Fllen auf die Errichtung eines ganzen Gebudes

    75. Paus. 10, 4, 1. Vgl. auch Migeotte 1995, 86: les cits savaient gnrale-ment concevoir des programmes de constructions la mesure de leurs moyens.

    76. St. Mitchell, Festivals, games, and civic life in Roman Asia Minor,

    JRS

    80, 1990, 189191 (vgl. Mitchell 1993, Bd. 1, 217225); bernommen vonRogers 1991b, 93 und 100. Auch in Italien wurden private Baustiftungen im 2.und 3. Jahrhundert zunehmend von Geld- und Lebensmittelverteilungen abgelst;vgl. St. Mrozek, Munificentia privata und die private Bauttigkeit in den StdtenItaliens whrend des Prinzipats,

    AAntHung

    29, 1981, 369377; ders., Muni-ficentia privata im Bauwesen und Lebensmittelverteilungen in Italien whrend desPrinzipats,

    ZPE

    57, 1984, 233240.77. Sehr gut deutlich wird dies bei der Stiftung des Demosthenes-Agons; vgl.

    Rogers 1991b, 9396, doch schtzt er die Rolle des Demos bei der Annahme vonStiftungen wohl zu gro ein; siehe S. 34, Anm. 87.

    78. Vgl. Duncan-Jones 1990, 174184, fr eine Untersuchung des Nebenein-anders von ffentlicher und privater Baufinanzierung in einigen Stdten Nordafri-kas. Die zahlreichen neueren Untersuchungen des Euergetismus auf der Ebene vonProvinzen oder greren Regionen (z. B. G. Wesch-Klein,

    Liberalitas in rem publi-cam

    , Bonn 1990; Melchor Gil 1994) haben in der Regel auf den Vergleich mitnicht-euergetischer Finanzierung verzichtet.

  • 32 Die Erscheinung des Euergetismus

    erstreckte, wie oft angenommen wird, oder ob nur eine Teilfinanzie-rung fr einen mehr oder weniger groen Abschnitt vorlag.

    79

    Eineechte Quantifizierung ist dabei nicht mglich, wohl aber eine Betrach-tung der verschiedenen Arten von Baumanahmen, die von Euergetenoder den Gemeinden unternommen wurden.

    80

    Ein besonders lohnen-der Kandidat fr eine solche Untersuchung ist Ephesos, wo die ntigeBreite bei den inschriftlichen wie den archologischen Quellen gegebenist; die Betrachtung weiterer Stdte soll die Ergebnisse dann auf einebreitere Basis stellen. Die Konzentration dieser Untersuchung auf Bau-manahmen erklrt sich nicht nur durch die hier gegebene Mglich-keit, verschiedene Quellengattungen zu kombinieren, sondern auchaus dem Umstand, da die Errichtung von ffentlichen Bauten geradein der Kaiserzeit wohl der finanziell bedeutendste Komplex unter denprivaten und stdtischen Aufwendungen war.

    2.3 Bemerkungen zur Quellenlage

    Es wurde bereits darauf hingewiesen, da der berwiegende Teil derQuellen, die uns ber den Euergetismus unterrichten, epigraphischerNatur ist, dabei berwiegen wiederum ehrende Inschriften verschiede-ner Typen. Whrend des Hellenismus handelte es sich zumeist umBeschlsse der Stdte oder einer anderen Krperschaft wie der Gerusieoder eines Berufskollegiums, die sogenannten Ehrendekrete.

    Die am Anfang dieses Kapitels erwhnte formelle Verleihung desTitels Wohltter ist auch in der Kaiserzeit noch anzutreffen. DieseEhrung stellte eine wichtige Komponente des Euergetismus dar, dochdie stark rhetorisch geprgte Sprache, in der die Euergeten von ihrenMitbrgern gelobt wurden oder in der sie sich selbst beschrieben,

    81

    verschleiert die zugrundeliegenden Tatsachen oft sehr stark, was bei derUntersuchung der Bedeutung euergetischer Leistungen zu bercksich-

    79. Eck 1997c, 319321.80. Vgl. jetzt als hnliche Untersuchung fr die spanischen Provinzen B. Gof-

    faux, Municipal intervention in the public construction of towns and cities inRoman

    Hispaniae

    ,

    Habis

    32, 2001, 257270 (ich danke dem Autor dafr, da ermir das Druckmanuscript zur Verfgung gestellt hat).

    81. Vgl. M. Wrrle, Vom tugendsamen Jngling zum gestreten Euergeten,in:

    Stadtbild und Brgerbild im Hellenismus

    , Mnchen 1995, 241250.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 33

    tigen ist. Mit dem Ende des Hellenismus wurde die Aufzeichnung vonDekreten seltener; stattdessen verstrkte sich die Tendenz zur Monu-mentalisierung von Ehrungen, und unsere wichtigste Quellengattun-gen fr die Beschreibung und Selbstdarstellung eines Euergeten werdenfr die Kaiserzeit die Inschriften auf Statuenbasen

    82

    sowie die Weihin-schriften auf Monumenten.

    Der berwiegende Verzicht auf die dauerhafte Dokumentation vonVolks- und Ratsbeschlssen in den kaiserzeitlichen Stdten hat nocheine weitere Konsequenz fr das Thema unserer Untersuchung. Wh-rend hellenistische Dekrete oftmals wertvolle Einzelheiten ber dieOrganisation der stdtischen Finanzverwaltung enthalten, werden dieInformationen darber in der Kaiserzeit sehr sprlich.

    83

    Volksversammlungen gab es freilich weiterhin noch weiterhin, undihre Rolle hat sich nicht pltzlich, etwa durch bewute Entscheidungder rmischen Autoritten, gewandelt. Als ratifizierendes Organ fr diebereits von einer kleinen Gruppe von Magistraten und dem Rat getrof-fenen Entscheidungen wurde der Demos inschriftlich weiterhingenannt, und es gibt auch einige Beispiele dafr, da er unter Umstn-den durchaus Einflu auf den Inhalt der Beschlsse nehmen konnte.

    84

    Die tumultuse Volksversammlung im Theater von Ephesos, die sichgegen das Wirken des Paulus wandte, und der Widerstand, auf den derRedner Dion bei Baumanahmen in seiner Heimatstadt Prusa traf,sind die bekanntesten Beispiele aus der literarischen berlieferung.

    85

    Epigraphisch dagegen wird uns vor allem ein positives Verhalten desDemos berliefert, wenn er die Ehrung eines Wohltters verlangte.

    86

    Freilich wre es berzogen, aufgrund dieser Beispiele von einem eigen-

    82. Vgl. F. Gschnitzer, Zwischen Denkmal und Urkunde: kaiserzeitlicheNeuerungen im Formular der Psephismata, in:

    E fontibus haurire

    , Paderborn [u.a.] 1994, 281294.

    83. So finden sich bekanntlich in den meisten Ehrendekreten klassischer undhellenistischer Zeit Regelungen ber die Finanzierung der beschlossenen Ehrun-gen, die uns manchen Einblick in das stdtische Budget geben (vgl. auch unten,Abschnitt 3.3.2, S. 64). Auch Dekrete, die sich primr mit finanziellen Angelegen-heiten einer Stadt beschftigen, sind in der Kaiserzeit sehr viel seltener dokumen-tiert als im Hellenismus. Ehrendekrete hrten in der Kaiserzeit aber nicht vlligauf; vgl. Qua 1993, 29 mit Anm. 69; 353 Anm. 1.

    84. Vgl. Mitchell 1993, Bd. 1, 201202; Qua 1993, 373375, 394421.85.

    Apg

    . 19, 3542; Dion Chrys.

    or

    . 40, 8.

  • 34 Die Erscheinung des Euergetismus

    stndigen und systematischen Handeln des Volkes zu sprechen.

    87

    Diesknnen wir am ehesten noch bei kleineren, durch spezifische Interessenverbundenen Gruppen voraussetzen wie den zahlreich genanntenBerufsvereinigungen (

    sunergasai

    u. .), die hufig als Urheber vonEhrungen genannt sind.

    88

    Wurden schon bei den Volksbeschlssen in aller Regel nur solche aufStein aufgezeichnet, die ein positives Ergebnis vermeldeten (ebenEhrendekrete), so gilt dies erst recht fr die Inschriftentypen, die inder Kaiserzeit an ihre Stelle traten, die Aufschriften auf Statuenbasenund sonstigen Monumenten, die zur Ehrung einer Person errichtetwurden. Hier wird es von vornherein vergeblich sein, nach Spuren vonKonflikten zu suchen. Vielmehr treffen wir ganz regelmig auf dasgeradezu typisierte Bild eines Wohltters, der nicht nachlie, seinerHeimatgemeinde durch Ausbung von mtern und zustzliche Spen-den einen Dienst zu erweisen. Da dies nur eine Seite der Medaillegewesen sein kann, zeigen vereinzelte literarische Quellen.

    89

    Das offenkundige Streben der stdtischen Oberschichten nachEhrungen fr ihr Tun im Interesse der Gemeinde fhrt nun nicht nurdazu, da ihre Rolle generell positiver gezeichnet wird, als sie es wohlwar, sondern verzerrt das Bild auch bei der zahlenmigen Einscht-zung der Ttigkeit von privaten Personen im Gegensatz zu dem, wasdie gewhlten Amtstrger der Stadt im Rahmen ihrer Aufgaben und

    86. Vgl. Robert 1940, 57: le rle du peuple ne consiste qu les [die Inschrif-ten] ratifier, pour la forme, par de vigoureuses acclamations.

    87. Ein autonomes Wirken des Demos, vor allem bei der Annahme von Stif-tungen, hat in der letzten Zeit mehrfach G. Rogers vertreten; vgl. Rogers 1991b;Rogers 1993, 195199; ders., The assembly of imperial Ephesos,

    ZPE

    94, 1992,224228, wo er als Fazit, aber ohne eindeutigen Beleg, behauptet, das Volk could,and did take responsibility for managing some of the vital resources of the polis.Bedenken gegen diese Auffassung auch bei H. W. Pleket,

    SEG

    41, 974: it seems asif the assembly exercised its power only in a setting basically dominated by theboule, which happily (and tactfully) left some space for negotiations between ekk-lesia and benefactors on minor points. hnlich skeptisch auch Mitchell 1993, Bd.1, 210, Anm. 73.

    88. Vgl. Mitchell 1993, Bd. 1, 202.89. Vgl. Eck 1997c, 324330, zur zwangslufigen Verschleierung der Hinter-

    grnde einer euergetischen Leistung in der erhaltenen epigraphischen Dokumenta-tion.

  • Die Erscheinung des Euergetismus 35

    unter Verwendung der ihnen von der Stadt zur Verfgung gestelltenFinanzierungsmglichkeiten taten.

  • 3 Stdtische Finanzen

    Um die Bereiche, in denen private Euergeten wirkten, besser abscht-zen zu knnen, ist es ntig, sich auch mit der Alternative zu befassen,also einer ffentlichen Finanzierung, die von einzelnen Spenden unab-hngig war. ber die verschiedenen Quellen, aus denen sich die stdti-schen Finanzen speisten, ber ihre Verwaltung und ber die Bereiche,in denen die Gelder ausgegeben wurden, sind wir fr die Kaiserzeitnicht allzu gut unterrichtet.

    90

    In den Inschriften knnen wir zumeistnur einzelne Punkte fassen, die sich kaum zu einem Gesamtbild fgenlassen. Da es gerade in Kleinasien starke regionale Unterschiede gege-ben hat, kommt hinzu.

    Nach einem kurzen Blick auf die verschiedenen Einkunftsmglich-keiten der Stdte soll in diesem Kapitel die Verwaltung und Verwen-dung dieser ffentlichen Gelder betrachtet werden, wobei sich freilicheinige Berhrungspunkte mit dem Euergetismus im engeren Sinneergeben, was nicht zuletzt auch in der Art unserer Quellen begrndetist, die, wie schon erwhnt, mehr davon erzhlen, was eine bestimmtePerson Gutes getan hat, als davon, was getan und finanziert werdenmute, ohne da eine einzelne Person Interesse daran hatte, dies ineinem dauerhaften Monument fr die Nachwelt zu verewigen. Diesebersicht erhebt in keinem ihrer Teile einen Anspruch auf Vollstndig-keit, sondern soll lediglich durch Aufzeigen einiger allgemeinerUmstnde die Errterung der entsprechenden Thematik bei einzelnenausgewhlten Stdten vorbereiten.

    90. bersichten ber die stdtischen Finanzen: Liebenam 1900, 1173; Broug-hton 1938, 797812; A. H. M. Jones,

    The Greek city from Alexander to Justinian

    ,Oxford 1940, 241250; J. Reynolds, in:

    The administration of the Roman empire(241 BCAD 193)

    , ed. by D. C. Braund, Exeter 1988, 3438; Sartre 1991, 133138; Galsterer 1998, 7894. Eine neue zusammenfassende Untersuchung derFinanzen griechischer Stdte wird von L. Migeotte vorbereitet; vgl. vorerst ders.,Les finances publiques des cits grecques: bilan et perspectives de recherche,

    Topoi

    5, 1995, 732; Les finances des cits grecques au-del du primitivisme et dumodernisme, in:

    Energeia: studies on ancient history and epigraphy presented to H.W. Pleket

    , Amsterdam 1996, 7996.

  • 38 Stdtische Finanzen

    3.1 Einnahmequellen der Stdte

    Die folgende Zusammenstellung der verschiedenen mglichen Einnah-mequellen fr kleinasiatische Stdte ist nur eine berblicksartigeBestandsaufnahme mit signifikanten Einzelbeispielen.

    3.1.1 Grundbesitz

    Zu den wichtigsten Mglichkeiten fr Einnahmen der Stdte gehrteihr mitunter nicht unbetrchtlicher, in der Regel verpachtete Grundbe-sitz.

    91

    Teilweise war dieses Land schon seit langer Zeit im Besitz derjeweiligen Stadt; es sind aber auch Flle belegt, in denen eine Stadt zumBeispiel durch Erbschaft an ein Grundstck kommen konnte, nach-dem die Stdte das Recht auf Erbschaften erhalten hatten. In der Regelhatte aber der Erblasser einen bestimmten Verwendungszweck vorgese-hen, so da es sich um eine Stiftung, nicht um eine allgemeine Ver-mehrung des ffentlichen Besitzes handelte.

    92

    So wurde der ehemalige Hieroskopos Eirenaios von seiner Heimat-stadt Keramos geehrt aus der Vorauszahlung fr die ersten 20 Jahre frden Acker, den P. Aelius Glaucippus als Stratege verpachtet hat, den er(Eirenaios) der Stadt in der Gemarkung Olossis hinterlassen hat undder der Acker drauen heit, nach Entscheidung des Logisten Aur.Diodotus; Stratege war P. Aelius Protoleon, Sohn des Asiarchen undTribunen Ael. Themistocles; Aufseher bei der Aufstellung der Statuewar Aristokrates Menestratos, Sohn des Leonnatos, auch Demetriosgenannt, der Eirenarch; aufgestellt wurde die Statue, als TheomnestosApollonides, Sohn des Melantas, zum zweiten Mal Stratege war. Dastestamentarisch der Stadt vermachte Ackerstck wurde also, zunchstfr zwanzig Jahre, vom amtierenden Strategen verpachtet, wohl an den

    91. Die Verhltnisse im Hellenismus und der Kaiserzeit unterschieden sich indieser Hinsicht von denen der klassischen Zeit, wo es z. B. in Athen wohl kaumffentlichen Grundbesitz gab; vgl. D. Lewis, Public property in the city, in:

    TheGreek city: from Homer to Alexander

    , Oxford 1990, 245263, bes. 251253.92. Zu den Bedingungen, unter denen Stdten Erbschaften und Legate anneh-

    men konnten, vgl. D. Johnston, Munificence and

    municipia

    : bequests to towns inclassical Roman law,

    JRS

    75, 1985, 105125, vor allem 112117; G. Wesch-Klein, Rechtliche Aspekte privater Stiftungen whrend der rmischen Kaiserzeit,

    Historia

    38, 1989, 177197, bes. 191192.

  • Stdtische Finanzen 39

    Erblasser Eirenaios selbst. Dieser bezahlte die gesamte Pachtsumme frden Zeitraum von zwanzig Jahren im voraus; ein Teil von ihr sollteallerdings laut seiner Verfgung fr eine ihm zu errichtende Ehrensta-tue verwendet werden. Diese Ausgabe erfolgte also aus ffentlichenMitteln, und der ganze Vorgang mute deshalb vom

    curator

    der Stadtgenehmigt werden. Aus den verschiedenen Datierungen sehen wir, dadie Angelegenheit sich ber mehrere Jahre hingezogen hat, also offen-sichtlich nicht so problemlos abgelaufen ist, wie es auf den ersten Blickscheinen knnte.

    93

    Die Ertrge des Landes, das einer Gottheit, d. h. also ihrem Tempel,gehrte,

    94

    erscheinen unter der Bezeichnung heilige Einknfte(

    flera prsodoi

    ) oder hnlich oftmals in den Quellen. Besonders beiden Heiligtmern, die in oder bei einer greren Stadt lagen oder mitihr eng verbunden waren,

    95

    scheinen jedoch zumindest in der Kaiser-zeit die ehemals strengen Grenzen zwischen Geldern der Stadt unddenen eines Gottes flieend geworden zu sein, wie wir es in Ephesosoder Aizanoi sehen, wo es wegen des Mibrauchs zu Streit und nach-folgendem Tadel durch rmische Autoritten kam.

    96

    Auch wenn manbesondere Situationen ausnimmt, bleibt festzuhalten, da heilige Ein-

    93.

    IKeramos

    31, Z. 212:

    Efirhnaon Drakontomnouw tn genmenon flero-skpon patrw, kay dietjato Efirhnaow k prodmatow tw prthwefikosaetaw w msyvsen strathgn P. Aliow Glakippow gro o kat-lipen t plei n t Olossdi kaloumnou Ejou Agro kat tg krsinto jiologvttou logisto Ar. Diodto[u], strathgontow Po. Afil. Prv-tolontow, uflo Afil. Yemistoklouw sirxou ka xilirxou, rgepistat-santow tw nastsevw to ndrintow Aristokrtouw to Leonnto[u]Menestrtou to ka Dhmht[r]ou to efirhnrxou, nastayntow tondrintow strathgontow t b Yeomnstou to Melnta Apollvn-do[u]

    . Drei verschiedene Strategen sind genannt: P. Aelius Glaucippus, der dasLandstck verpachtete, P. Aelius Protoleon, unter dem die Entscheidung des Logi-sten erging, und Theomnestos, der Stratege war, als die Statue errichtet wurde.

    94. Zum teilweise sehr umfangreichen Grundbesitz von Heiligtmern vgl.Debord 1982, 127180.

    95. Zum Verhltnis StadtHeiligtum unter finanziellen Aspekten jetzt A.dHautcourt, Les cits grecques et les revenus de leurs sanctuaires: lexemple delAsie Mineure lpoque romaine, in:

    Il capitolo delle entrate nelle finanze munici-pali in occidente ed in oriente

    , Rome 1999, 249260. Die etwas anders gelagertenVerhltnisse der Heiligtmer in lndlichen Gegenden (dazu jetzt Schuler 1998,247255) brauchen hier nicht nher betrachtet zu werden.

  • 40 Stdtische Finanzen

    knfte nicht nur fr den Kult selbst, sondern auch fr eher profaneAufgaben wie Straenbauten verwendet wurden,

    97

    demnach als inte-graler Bestandteil der stdtischen Einnahmen gelten konnten.

    Das stdtische Land wurde in der Sptantike (wohl unter Constan-tin) konfisziert, wenn auch seine Einnahmen zeitweilig wieder denStdten zugewiesen wurden, unter anderem zu Reparaturen der Stadt-mauern.

    98

    Auch diese Vorgnge (ber den Entzug gab es heftige Kla-gen) deuten darauf hin, da der stdtische Landbesitz (und der von denManahmen miterfate der Heiligtmer) oftmals nicht unbedeutendgewesen sein kann.

    99

    Verpachtet werden konnte freilich nicht nur das landwirtschaftlichnutzbare Land, sondern auch sonstiger Besitz einer Stadt. Dies geschahhufig bei ffentlichen Bdern und Gymnasien, die oft an Privatperso-nen verpachtet waren, zumindest einzelne Einrichtungen darin, diedem Verpachtenden wiederum Einnahmen brachten. So knnen wiruns vorstellen da der in einer Inschrift aus Mylasa genannte Pchtereines

    justw

    , also eines Sportplatzes, wie er oft zu einem Gymnasions-komplex gehrte, dort Lden

    100

    oder andere Versorgungseinrichtun-gen unterhielt. Die hieraus wohl der Polis zuflieenden Pachteinnah-men knnen nicht unbedeutend gewesen sein, denn vermutlich hattehier sogar eine ganze Gesellschaft (

    sunergasa

    ) die Anlage gepachtet,

    96. Beispiele fr die Unterscheidung zwischen

    flera

    und

    politika prsodoi

    bei Robert 1982, 365 (NDr. 327). Oft wurde freilich stdtisches und heiliges Landgemeinsam verpachtet; vgl. Migeotte 1994, 47. Zu Ephesos siehe unten, S. 91; zuAizanoi unten, S. 259.

    97. So in Ephesos; siehe unten, S. 89 und S. 176. In diesem Fall war allerdingsein gewisser Bezug auf den Kult dadurch gegeben, da die entsprechende Straeauch zu religisen Prozessionen diente.

    98. Vgl. A. H. M. Jones,

    The later Roman empire

    284602

    , Oxford 1964, repr.1973, Bd. 1, 732734; A. Demandt,

    Die Sptantike

    , Mnchen 1989, 407408;Heil 1995, 162165.

    99. So jetzt auch Lepelley 1999, 247: on doit constater que les biens des citstaient souvent trs considrables.

    100. Vgl. jetzt auch J. Reynolds, Honouring benefactors at Aphrodisias, in:

    Aphrodisias papers 3

    , Ann Arbor 1996, 121126 (

    SEG

    46, 1393), wo ein Euerget

    n tow ntikruw [t]o bouleuthrou dhmosoiw rgasthroiw

    (in den ffent-lichen Werksttten gegenber dem Buleuterion) beigesetzt werden soll, aber dar-auf verzichtet,

    m boulmenow tw plevw pr[s]odon meiosyai

    (weil er denErtrag fr die Stadt nicht verringern will).

  • Stdtische Finanzen 41

    an deren Spitze der Hauptpchter stand; eine Iterationsziffer zeigt, dadie Pacht wohl jhrlich erneuert wurde, vermutlich an den Meistbie-tenden versteigert.

    101

    Eine Parallele zu solchen Pchtergesellschaftenmit mehreren Teilhabern braucht man nicht unbedingt nur bei denrmischen

    publicani

    zu suchen.

    102

    Wir kennen sie in Kleinasien auchbeim Fischereigewerbe, wo uns Fischereigenossenschaften vor allem ausder Propontis bekannt sind. In einer Inschrift aus Parion sind auereinem Hauptpchter noch zahlreiche Mitglieder der betreffendenFischereigilde genannt;

    103

    in Kyzikos wird ein

    rxnhw skopiw

    (d.h. ein Pchter fr den Beobachtungsplatz fr den Fischzug) an derSpitze von elf Teilhabern (

    mtoixoi

    ) genannt.

    104

    In keinem dieser Flleist ausdrcklich gesagt, von wem die Fischfangrechte (die jeweils ineinem geographisch genau begrenzten Gebiet galten) gepachtet wur-den. In Frage kommt die rmische Verwaltung, aber durchaus auch diejeweilige Stadt, die somit auch von diesem Wirtschaftszweig profitierthtte.

    3.1.2 Summae honorariae und Leistungen von Amtstrgern

    In der Kaiserzeit waren auch mit den eigentlichen, traditionellenmtern der stdtischen Verwaltung, den

    rxa

    , fr den Trger mitun-ter groe finanzielle Belastungen verbunden. Sie nherten sich dadurchden ursprnglich deutlich davon getrennten Liturgien an, so da eine

    101.

    IMylasa

    334, Z. 27:

    Papaw b to Strtvnow kalomenow Dio-gnhw, rxnhw justo t b, tn Hrakla xaristrion nyhken t sun-ergas&

    (Papias, Sohn des Papias, Enkel des Straton, genannt Diogenes, Pchterder Laufbahn zum 2. Mal, hat die Heraklesstatue als Dankopfer fr die Arbeitsge-meinschaft geweiht). Le Bas und Waddington (

    LW

    741) haben daran gedacht,da Papias die Mitgliedsbeitrge der Berufsgenossenschaft einzog.

    102. Zu diesen vgl. E. Badian,

    Publicans and sinners

    , Oxford 1972, bes. 6781;Engelmann/Knibbe 1989, 165166.

    103.

    IParion

    5, der Hauptpchter wird auch hier als

    rxnhw

    bezeichnet(

    rxvnontow Poplou Aouou Lusimxou

    ). Vgl. zu dieser Inschrift und derin der nchsten Anmerkung genannten J. u. L. Robert, Inscriptions de lHelle-spont et de la Propontide,

    Hellenica

    9, 1950, 8197. Ein Fragment einer hnli-chen Inschrift ist auch

    IParion

    6.104. E. Schwertheim, Denkmler zur Meterverehrung in Bithynien und

    Mysien, in:

    Studien zur Religion und Kultur Kleinasiens: Festschrift fr F. K. Drner

    ,Bd. 2, Leiden 1978, 813814, Nr. II A 5.

  • 42 Stdtische Finanzen

    Zusammenfassung beider als liturgische mter mglich erscheint.

    105

    Formal allerdings blieb nach wie vor eine Trennung bestehen.Bei nherer Betrachtung lassen sich die Leistungen und Zahlungen

    der Amtstrger noch differenzieren. Prinzipiell ist zwischen drei ver-schiedenen Dingen zu unterscheiden: einer fixen

    summa honoraria

    , dieals Vorbedingung fr die Ausbung eines Amts zu zahlen war, den Aus-gaben, die mit der Amtsfhrung direkt verbunden waren, und zustzli-chen, formell freiwilligen Zahlungen oder Leistungen, die der Amtsin-haber mitunter vor seiner Wahl versprach.

    106

    Die formelle Antrittszah-lung war im Osten allerdings vielgestaltiger geregelt als die

    summahonoraria

    im Westen.

    107

    Es gibt gengend Anzeichen, da auch im Osten an vielen Orteneine bestimmte Summe festgelegt war, die der in ein Amt Gewhlte zuzahlen hatte.

    108

    Ursprnglich entsprach sie wohl den finanziellen Auf-wendungen, die das Amt erforder