128
Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in der DDR und Polen 1968-1976 thematisiert Entwicklungen, deren tagespolitische Bedeutung für die frühen 1970er Jahre auf der Hand liegt. Wie eng sie in historisch weiträumigere Zusammenhänge eingebunden waren, vor allem in die der dritten industriellen Revolution, erschließt sich einem zweiten Blick. Um diesem Kontext gebührend Raum zu bieten, war ursprünglich ein Kapitel vorge- sehen, das die Akteurs- und Interessenkonstellationen sowie die wirtschaftlichen, sozialen und demographischen Problemlagen der späten 1960er Jahre etwas genauer beleuchtet. Der gute Vorsatz stand freilich in Spannung zu dem Ziel, den Umfang des Bandes von ca. 500 Seiten nicht wesentlich zu überschreiten. Alles andere hätte Kürzungen im Kernbereich der Darstellung zur Folge gehabt. Zu dessen Gunsten wurde auch auf ein weiteres Kapitel ver- zichtet, das die Sozialpolitik der späten Ulbricht-Ära in der DDR behandelt. Das fiel umso leichter, als interessierte Leser sich in Band 9 der Geschichte der Sozialpolitik in Deutsch- land seit 1945 sehr viel genauer informieren können. Dem pragmatischen „Outsourcing“ folgte, nicht ohne Zögern, auch das Literaturverzeichnis. Der Böhlau-Verlag hat sich freundlicherweise bereit gefunden, diese beiden Kapitel und das Literaturverzeichnis des Bandes auf seiner Internetseite als Downloads im Volltext kostenfrei zugänglich zu machen. Dafür sei ihm an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Es bleibt zu hoffen, dass die Leser diese Hybrid-Version einer Publikation nicht als Zumutung, sondern als ein Angebot verstehen. P.H., Potsdam, 19. Mai 2008

Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in der DDR und Polen 1968-1976 thematisiert Entwicklungen, deren tagespolitische Bedeutung für die frühen 1970er Jahre auf der Hand liegt. Wie eng sie in historisch weiträumigere Zusammenhänge eingebunden waren, vor allem in die der dritten industriellen Revolution, erschließt sich einem zweiten Blick. Um diesem Kontext gebührend Raum zu bieten, war ursprünglich ein Kapitel vorge-sehen, das die Akteurs- und Interessenkonstellationen sowie die wirtschaftlichen, sozialen und demographischen Problemlagen der späten 1960er Jahre etwas genauer beleuchtet. Der gute Vorsatz stand freilich in Spannung zu dem Ziel, den Umfang des Bandes von ca. 500 Seiten nicht wesentlich zu überschreiten. Alles andere hätte Kürzungen im Kernbereich der Darstellung zur Folge gehabt. Zu dessen Gunsten wurde auch auf ein weiteres Kapitel ver-zichtet, das die Sozialpolitik der späten Ulbricht-Ära in der DDR behandelt. Das fiel umso leichter, als interessierte Leser sich in Band 9 der Geschichte der Sozialpolitik in Deutsch-land seit 1945 sehr viel genauer informieren können. Dem pragmatischen „Outsourcing“ folgte, nicht ohne Zögern, auch das Literaturverzeichnis.

Der Böhlau-Verlag hat sich freundlicherweise bereit gefunden, diese beiden Kapitel und das Literaturverzeichnis des Bandes auf seiner Internetseite als Downloads im Volltext kostenfrei zugänglich zu machen. Dafür sei ihm an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Es bleibt zu hoffen, dass die Leser diese Hybrid-Version einer Publikation nicht als Zumutung, sondern als ein Angebot verstehen. P.H., Potsdam, 19. Mai 2008

Page 2: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre: Akteure, Interessen, Problemlagen

1. Politische Konstellationen zwischen 1968 und 1970 2. Wirtschaftliche, soziale und demographische Probleme 3. Lang- und mittelfristige Trends 4. Soziale und politische Bruchzonen um 1970 5. Gewaltpotentiale sozialen Protests

1. Politische Konstellationen zwischen 1968 und 1970

Jeder Versuch, die Ereignisse vom Dezember 1970 im historischen Kontext zu lokalisieren, wirft die Frage auf, wie weit dieser Umkreis zu ziehen ist. So läge eine großräumigere Sicht nahe, wenn jener Dezember als erster dramatischer Höhepunkt in der finalen Krise des „Re-alsozialismus“ zu erklären wäre. In diesem Fall kämen die von 1960 bis 1967 zu datierende Periode der „kleinen Stabilisierung“ in Polen und der in der DDR von 1963 bis 1970/71 dauernde Reformversuch des „Neuen ökonomischen Systems“ in den Blick. In einer enge-ren Version, die den Dezember 1970 eher als Vorstufe zu einer sich erst noch entfaltenden Krise wahrnimmt, würde man sich auf die Jahre zwischen 1968 und 1970 zu konzentrieren haben. Für 1968 gibt es mehrere Argumente. Zum einen ist es das Jahr der Schock-Stabilisierung des sowjetischen Blocks durch die Invasion in die ČSSR. Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den eigenen Reihen als auch aus einer mit den Reformern in der ČSSR sympathisierenden Op-position heraus. Władysław Gomułka ähnelte zu dieser Zeit einem einst populären, inzwi-schen aber alt gewordenen Star, dem kaum jemand noch etwas zutraute. In der DDR hinge-gen war es – drittens – das Jahr, in dem Walter Ulbricht, im Unterschied zu Gomułka unpopulär, aber scheinbar auf der Höhe seiner Macht, sowohl deutschland- als auch wirt-schaftspolitische Spielräume intensiver auszuloten begann, um ein Arrangement mit der Bundesrepublik zu finden und die DDR als modernes Sozialismusmodell zu etablieren. Im Jahr 1968 bündelten sich die Entwicklungslinien der „kleinen Stabilisierung“ in der PRL wie auch die Wirtschaftsreform in der DDR zu strategischen Alternativsituationen: Obwohl in unterschiedlichen Konstellationen handelnd, standen die Führungen der PZPR und der SED zu dieser Zeit vor der Frage, wie nach einem bis zur Mitte der 1960er Jahre relativ deutlich ausgefallenen Wohlstandszuwachs die Gesellschaften und Volkswirtschaften der beiden Länder auf die Erfordernisse der dritten industriellen Revolution vorbereitet werden

Page 3: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

2 Die späten sechziger Jahre

sollten. Es ging dabei nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“. Diese Frage barg aller-dings erhebliches Konfliktpotential. Die beiden Hauptprotagonisten Gomułka und Ulbricht, die sich persönlich nicht sonderlich mochten, traten in bemerkenswerter Einmütigkeit für wirtschaftsstrategische Schwerpunktsetzungen ein und hofften, die hierfür erforderlichen Ressourcen im Rahmen einer Art von „Austerity“-Politik zu erschließen. Auch unter ande-ren politischen Verhältnissen hätten solche Absichten kaum ungeteilte Zustimmung gefun-den. In diesem Falle jedoch stellte sich die Frage, inwieweit die Bevölkerung im Allgemei-nen und die Mitglieder der beiden Staatsparteien im Besonderen die zu erwartenden Einschränkungen mittragen würden.

Der entscheidende Punkt dabei war, wieweit man bei der Investitionskonzentration zu-gunsten der industriellen Modernisierung gehen konnte. Trotz prinzipieller Ähnlichkeit unterschied sich diese Situation gravierend von derjenigen der Sowjetunion in den dreißiger Jahren.1 Hatte man es dort mit einer brachialen Industrialisierungskampagne zu tun, bei der aufgrund der besonderen historischen Umstände eine rücksichtslose Mobilisierung des Sach- und Humankapitals möglich war, so verfügten die Machteliten der PZPR und der SED in den sechziger Jahren durchaus nicht über solche Voraussetzungen. Den Bevölke-rungen gegenüber hatten sie Wohlstandsversprechen einzulösen, die im April 1967 auf dem VII. Parteitag der SED und im November 1968 auf dem V. Parteitag der PZPR noch einmal zusammengefasst worden waren. Diese Ankündigungen zurückzunehmen, kam praktisch kaum in Betracht. Es ging dabei nicht allein darum, soziale Frustration vor allem in der Arbeiterschaft zu vermeiden. Auch die Dienstklassen der Parteiregime galt es im Blick zu behalten. Diese hatten begonnen, sich verhältnismäßig kommode einzurichten und waren schon deshalb weder auf neue Mobilisierungskampagnen noch auf Einschränkungen erpicht. Eine im strikten Sinne betriebene Austeritätspolitik musste auch deshalb ein Loyalitätsprob-lem aufwerfen. Vor diesem Hintergrund bedeutete das zeitweilige Einfrieren der Lebens- und Sozialstandards auf dem gegebenen Niveau in jedem Fall ein Risiko. Insofern lag auch die Frage nach dem Machtmonopol der Staatsparteien nahe. Wenig überraschend kam es deshalb in deren Spitzengremien schon frühzeitig zu kontroversen Auffassungen und letzt-endlich auch zu politischen Auseinandersetzungen.

Trotz dieser strukturell ähnlichen Problemlagen wies die Situation in beiden Ländern aber auch markante Unterschiede auf. Exemplarisch zeigten sie sich in der Haltung, die Władysław Gomułka und Walter Ulbricht gegenüber den Prager Reformern und ihrer Kon-zeption vom „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ einnahmen. Bei aller Loyalität gegen-über der Sowjetunion, die beide am 3. August 1968 während des Treffens mit Leonid I. Breschnew, Alexander Dubček, János Kádár und Todor Shiwkow in Bratislava sowie in bilateralen Gesprächen mit Breschnew am 17. Februar 1969 bzw. am 4. März 1969 in Mos-kau betonten, hatten sich Ulbricht und Gomułka in den Monaten vor der Militärintervention vom 21. August 1968 in der ČSSR bemerkenswert unterschiedlich verhalten. Die beiden Protagonisten zeigten sich gewissermaßen in seitenverkehrter Spiegelung ihres öffentlichen Images: Gomułka als ein auf Soll und Haben fixierter „Konservativer“, Ulbricht als reform-freudiger „Modernisierer“. Zweifellos vereinfacht eine solche Wahrnehmung die Probleme ebenso wie die komplizierten Persönlichkeitsstrukturen. Aber cum grano salis traf diese

1 Vgl. Manfred Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. Entstehung und Niedergang des

ersten sozialistischen Staates, München 1998, S. 368–377; 480–502.

Page 4: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 3 Unterscheidung im Hinblick auf die späten 1960er Jahre wohl doch zu, insbesondere bei der Abwägung zwischen Sozial- und Wirtschaftspolitik. Während Gomułka hierbei eher aus der Perspektive einer „sozialistischen Hauswirtschaft“ argumentierte, zeigte sich Ulbricht von der Möglichkeit eines massiven Produktivitätsschubs durch eine geschickte Strukturpolitik überzeugt. In dieser Hinsicht war er risikobereiter. Trotz dieses Unterschiedes trafen sich beide in einem anderen Punkt: Der seit den 1950er Jahren in beiden Ländern erreichte An-stieg des Lebensstandards bestärkte sie in der Überzeugung, einen relativ scharfen wirt-schaftlichen Modernisierungskurs durchsetzen zu können. Eine zeitweilige Stagnation des Konsumniveaus wollten sie dafür in Kauf nehmen.

Władysław Gomułka konnte sich in beträchtlichen Teilen der polnischen Gesellschaft auf einen Bonus stützen, den er vor allem 1956 und in den ersten Jahren danach erworben hatte. Es wurde ihm hoch angerechnet, Polen vor einem sowjetischen Einmarsch bewahrt zu ha-ben. In einem Kompromiss mit der sowjetischen Führung hatte er sich zudem nach seinem Amtsantritt bei den im November 1956 in Moskau geführten Verhandlungen „drei Beson-derheiten des polnischen Regimes“ absegnen lassen: „eine unabhängige katholische Kirche, ein freies Bauerntum und eine merkwürdige Art von politischem Scheinpluralismus“.2 Mit dem „freien Bauerntum“ war es indes nicht allzu weit her, denn obwohl die Kollektivierung der Landwirtschaft zurückgedreht wurde, blieben die Bauern in ein System von Verträgen und Pflichtablieferungen eingebunden. Gleichwohl schienen die Reformerwartungen, die viele in den neuen Mann an der Parteispitze setzten, in Erfüllung zu gehen. Das am 20. Oktober 1956 auf dem 8. Plenum des Zentralkomitees der PZPR verkündete Programm sah die Aufgabe der starren zentralen Planung, die Erweiterung der Arbeiterselbstverwaltung, die Schaffung neuer Leistungsanreizsysteme, die Bekämpfung bürokratischer Auswüchse, die Abkehr von der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und einen größeren Spiel-raum für die „Demokratische Partei“ (Stronnictwo Demokratycznej, Abk. SD) und die „Vereinigte Volks-Partei“(Zjednoczone Stronnictwo Ludowe, Abk. ZSL) vor.3 Nach dem Machtantritt Gomułkas im Oktober 1956 war man zunächst zugunsten der Kon-sumgütererzeugung von der einseitigen Förderung der Schwerindustrie abgegangen und erhöhte den Anteil landwirtschaftlicher und kommunaler Investitionen. Dahinter stand die Absicht, vor allem Arbeiter und Bauern für die neue Politik der PZPR zu gewinnen.4 Zudem begann man mit einer Reform des bis dahin streng zentralisierten Wirtschaftssystems.5 Be-sonders machte die Institution der Arbeiterselbstverwaltung in den Betrieben von sich reden. Ein Ökonomischer Rat (Rada Ekonomiczna) sollte weitere Reformschritte beraten. An die-ser Stelle lohnt ein Blick auf die parallele Entwicklung in der ČSSR. Auch hier nahm in den frühen sechziger Jahren eine Reformdiskussion wieder Fahrt auf, deren Ursprünge ebenfalls

2 Norman Davies: Im Herzen Europas. Geschichte Polens, München 2000, S. 10. 3 Jörg K. Hoensch: Geschichte Polens, Stuttgart, 3. Aufl. 1998, S. 317. 4 Zbigniew Landau/Jerzy Tomaszewski: Wirtschaftsgeschichte Polens im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin

1986, S. 263. 5 Dagmara Jajeśniak-Quast: Die ersten Versuche der Dezentralisierung der sozialistischen Planwirtschaft

in Polen. Höhepunkte der Debatten über die Wirtschaftsreformen (1956–1968), in: Heinz-Gerhard Haupt/Jörg Requate unter Mitarbeit von Maria Köhler-Baur (Hg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, ČSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Weilerswist 2004, S. 89–106.

Page 5: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

4 Die späten sechziger Jahre

1956 zu finden sind. Ota Šik zum Beispiel begann zu dieser Zeit die Vorstudien zu dem 1962 erschienenen Buch „Ökonomie, Interessen, Politik“.6 In der DDR waren es vor allem Wirtschaftswissenschaftler wie Fritz Behrens und Arne Benary, die 1956 die bisherige planwirtschaftliche Praxis kritisch bilanzierten.7 Zunächst mit dem Revisionismus-Vorwurf konfrontiert, fanden ihre Vorstellungen dann doch Eingang in das Konzept des „Neuen ökonomischen Systems“. In Polen war die „revisionistische“ Strömung zu dieser Zeit be-sonders durch eine Gruppierung um die Wochenzeitschrift „Po prostu“ hervorgetreten. Ei-nen stärkeren regimekritischen Akzent brachte der marxistische Philosoph Leszek Kołakowski in die Diskussion ein.8 Alle diese reformorientierten Vorstöße standen primär in einem Zusammenhang mit dem XX. Parteitag der KPdSU und der nach Chruschtschows „Geheimrede“ einsetzenden „Entstalinisierung“. Gleichwohl ist aber nicht zu übersehen, dass sie sich in vielfacher Weise auf wirtschaftliche und soziale Probleme bezogen.

Es wäre freilich kurzschlüssig, von hier aus eine direkte Linie bis in den Dezember 1970 zu ziehen. Die dazwischen liegenden Reformversuche bezogen aus den 1956er Debatten zwar wichtige Impulse, doch entfalteten sie auch eine Eigendynamik, die das Geschehen gegen Ende der sechziger Jahre wesentlich stärker beeinflusste. Namen, die nach 1956 für Reformen standen, spielten um 1970 so gut wie keine Rolle mehr. In Polen geriet der Anlauf von 1956 bereits 1959 wieder ins Stocken. Mit der sogenannten „kleinen Stabilisierung“ setzte eine Tendenzwende ein, die durch eine Rezentralisierung des wirtschaftlichen Pla-nungs- und Leitungssystems und eine erneute Konzentration der Ressourcen auf die Grund-stoff- und Investitionsgüterindustrien gekennzeichnet war. Im Hintergrund schwelte der Konflikt um das Verhältnis von Plan, Markt und Macht und damit um eine Grundsatzfrage kommunistischer Politik. Zunächst jedoch spitzen sich wirtschaftliche und soziale Probleme zu. Hohe Zuwachsraten konnten jedoch Versorgungsengpässe, Kaufkraftüberhang und Stagnation der Realeinkommen nicht verhindern. Um 1968 wurde der angestaute Reform-bedarf offensichtlich.

Gerade in dieser Situation machte es sich aber bemerkbar, dass die Reformkräfte im öst-lichen Europa und vor allem in Polen mit Oskar Lange, der 1965 im Alter von 61 Jahren starb, einen profilierten Vordenker verloren. Über die Grenzen der PRL hinaus galt er als einer der führenden Ökonomen, Statistiker und Reformtheoretiker. Lange hatte das Prinzip rationalen Wirtschaftens im Sozialismus entwickelt und dabei besonders die Notwendigkeit betont, die auf Produktivitätsmaximierung gerichteten Rationalitätskriterien privaten Kapi-tals auf sozialistische Produktionsverhältnisse zu übertragen.9 Auch gehörte er zu den frühen

6 Ota Šik: Ekonomika, Zájmy, Politika. Jejich vzájemné vztahy do socialismu [Ökonomie, Interessen

Politik. Ihre Wechselwirkung bis zum Sozialismus], Praha 1962; ders.: Ökonomie, Interessen Politik, Berlin 1966.

7 André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004, S. 98. 8 Krzysztof Ruchniewicz: Antistalinisten und Chartisten, Reformer und politische Aussteiger. Die ver-

schiedenen Oppositionsgenerationen im real existierenden Sozialismus, in: Hendrik Bispinck u.a. (Hg.): Aufstände im Ostblock. Zur Krisengeschichte des realen Sozialismus, Berlin 2004, S. 275–285, hier 280f.

9 Oskar Lange: Ekonomia burżuazyjna w epoce imperializmu [Bürgerliche Ökonomie in der Epoche des Imperialismus], Warszawa 1958; ders.: Ekonomia polityczna [Politische Ökonomie], 2 Bde., Warszawa 1959/1968; ders.: Teoria reprodukcji i akumulacji [Theorie der Reproduktion und Akkumulation], Wars-zawa 1961.

Page 6: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 5 Befürwortern mathematischer und kybernetischer Methoden in der sozialistischen Wirt-schaftsführung.10 Allerdings bleibt es völlig spekulativ, wie die weitere Entwicklung in der PRL mit ihm verlaufen wäre. Gomułka jedenfalls blieb – so oder so – wissenschaftlichen Argumenten gegenüber weniger aufgeschlossen, als das bei Ulbricht der Fall war.

Dass es parallel dazu in anderen sozialistischen Ländern, insbesondere in der Sowjetuni-on, der DDR und Ungarn zu weiterreichenden Reformversuchen kam, hing mit dem frühen Scheitern des zwischen den Mitgliedsländern des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe abgestimmten Siebenjahrplanes 1959–1965 zusammen. Der gleich zu Beginn der sechziger Jahre absehbare Fehlschlag des ehrgeizigen Projektes begünstigte in den einzelnen Ländern des sowjetischen Blocks die Diskussion um Wirtschaftsreformen. Als besonders wichtig wurde die Suche nach wirksameren wirtschaftlichen Steuerungsmechanismen und Leis-tungsanreizsystemen betrachtet. Einen wichtigen Anstoß hierfür hatte der in Charkow wir-kende Ökonom Evsej Liberman mit einer vom sowjetischen Staats- und Parteichef Nikita S. Chruschtschow abgesegneten Formel gegeben: „Was für die Gesellschaft nutzbringend ist, muß auch jedem Betrieb nützlich sein, und umgekehrt, was nicht vorteilhaft für die Gesell-schaft ist, muß äußerst unvorteilhaft für die Belegschaft eines Betriebes sein.“11 Damit war gewissermaßen das Reformmotto vorgegeben und zugleich ein künftiger Konfliktpunkt bezeichnet.

Auf diese in der Sowjetunion begonnene Reformdebatte reagierte die SED in der DDR recht schnell. Ihr neues Parteiprogramm vom Januar 1963 griff die Liberman-Formel auf, reduzierte sie aber auf die positive Seite: „Alles, was der Gesellschaft nützt, muß auch für den Betrieb und für den einzelnen Werktätigen vorteilhaft sein.“12 Man konnte dies als sozi-ale Konzession deuten. Der plausiblen Feststellung, dass nicht mehr verteilt werden könne, als zum persönlichen und gesellschaftlichen Verbrauch erzeugt wurde, folgte im SED-Programm eine lange Aufgabenliste zur „Hebung des Volkswohlstandes“. Sie reichte von der erweiterten Versorgung mit modernen Gebrauchsgütern, über den Ausbau des Dienst-leistungsbereichs und die Verstärkung des Wohnungsbaus bis hin zu Verbesserungen im Gesundheits- und Sozialwesen.13 Auf diese Weise zumindest vom Vorsatz her sozialpoli-tisch flankiert, begann ebenfalls 1963 das unter der Bezeichnung „Neues ökonomisches System der Planung und Leitung“ bekannt gewordene Reformprogramm. Es machte den Gewinn zum Erfolgskriterium der Betriebe, sah ein leistungsorientiertes Prämienlohnsystem vor und zielte auf einen Wirtschaftsmechanismus, der aus einem teilweise selbstregulieren-den System ökonomischer Hebel bestehen sollte. Die Ergebnisse waren ambivalent. Letzten

10 Ders.: Całość i rozwój w świetle cybernetyki [Ganzheit und Entwicklung in kybernetischer Sicht],

Warszawa 1962; ders.: Optimale decyzje. Zasady programowania [Optimale Entscheidungen. Grund-sätze des Programmierens], Warszawa 1964; ders.: Wstęp do cybernetyki ekonomicznej [Einführung in die ökonomische Kybernetik], Warszawa 1965.

11 Evsej Liberman: Plan, Gewinn, Prämie, in: Die Wirtschaft, Nr. 39, 26.9.1962, S. 15. 12 Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, in: Dokumente der Sozialistischen Ein-

heitspartei Deutschlands. Beschlüsse und Erklärungen des Zentralkomitees sowie seines Politbüros und seines Sekretariats, Bd. IX. Hg. vom Zentralkomitee der SED, Berlin 1965, S. 171– 274, hier 212.

13 Ebd., S. 233–237.

Page 7: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

6 Die späten sechziger Jahre

Endes gerieten aber die auf ausgewählte Modernisierungspfade gerichtete Strukturpolitik und ihre Folgen in die Kritik.14 Hier lag ein Ansatzpunkt für den Dezember 1970.

Ohne die erstrangige Bedeutung ökonomischer Faktoren in der Vorgeschichte des De-zember 1970 zu relativieren, ist freilich auch ein Blick auf weitere politische Umstände nötig. Zwischen 1968 und 1970 gewannen sie in einem Maße an Bedeutung, dass sie mitun-ter den Blick für die wirtschafts- und sozialpolitischen Ursachen zu verstellten drohten, die in letzter Konsequenz zum Sturz Gomułkas und Ulbrichts führten. Nach Ansicht von Nicho-las Bethell fand „Gomułka’s historic Waterloo“ schon 1968 statt.15 Die Aussage bezog sich auf zwei Vorgänge, die das Regime der PZPR zwar unter Druck setzten, es aber nicht grundsätzlich gefährdeten: die innenpolitische Krise im März 1968 und die Beteiligung Polens an der Besetzung der ČSSR im August 1968.

Ob man diese Vorgänge unter dem Stichwort „Waterloo“ hinreichend erklärt, mag dahin-gestellt bleiben, denn am Ende des Jahres 1968 stand Gomułka besser da als Napoléon nach der besagten Schlacht im Juni 1815. Richtig bleibt indes, dass sich Władysław Gomułka nicht erst 1968 in einer geschwächten Position befand. Wegen ausbleibender innenpoliti-scher Reformen hatte sein 1956 erworbenes Renommee arg gelitten. Das Verhältnis der PZPR zur katholischen Kirche war nach dem Versöhnungsbrief, den die polnischen Bischö-fe 1965 mit der Formel „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ an ihre deutschen Amts-kollegen gerichtet hatten, zusätzlich eingetrübt. Diese Spannungen und das Verbot eines Papstbesuches in Polen kosteten Gomułka weitere Sympathien. Es war insofern konsequent, wenn er sich sowjetischen Rückhalts zu versichern suchte. Gelegenheit zu einer demonstrativen Positionierung zugunsten der UdSSR ergab sich vor dem Hintergrund des israelisch-arabischen Konflikts, der im Juni 1967 zum sogenannten Sechstagekrieg führte. Im folgenden Jahr schien sich Gomułkas Position wieder zu festi-gen.16 Daran änderten auch die Vorgänge in der ČSSR wenig. Als die Warschauer Studenten im März 1968 skandierten: „Polska czeka / na swego Dubczeka“ [Polen wartet auf seinen Dubček], wurde deutlich, wie die Fronten verliefen.17 Gomułka, der die Politik der Reform-Kommunisten in der Tschechoslowakei vehement ablehnte, konnte das Ende des „Prager Frühlings“ am 21. August als Erfolg verbuchen. Auch die Rivalität mit dem an die Macht strebenden Moczar-Flügel innerhalb der PZPR überschritt im Frühjahr 1968 ihren Höhe-punkt. Doch gerade im Hinblick darauf blieb die Situation angespannt.18 Im innerparteili-chen Machtkampf sah sich Gomułka mehr denn je auf die Unterstützung durch den populä-ren oberschlesischen Parteichef Edward Gierek und dessen Hausmacht, die sogenannten „Katangisten“ angewiesen.19

14 Ausführlich hierzu André Steiner: Die DDR-Wirtschaftsreform der sechziger Jahre: Konflikt zwischen

Effizienz- und Machtkalkül, Berlin 1999. 15 Nicholas Bethell: Gomułka, His Poland and His Communism, London 1969, S. 257. 16 Zu den Vorgängen in den Jahren 1967 und 1968 s. Kap. 3. 17 Jerzy Eisler: Polski rok 1968 [Das polnische Jahr 1968], Warszawa 2006, S. 534. 18 Vgl. Hoensch, Geschichte Polens, S. 322f.; Wojciech Jaruzelski: Mein Leben für Polen. Erinnerungen.

Mit einem Gespräch zwischen Wojciech Jaruzelski und Adam Michnik, München/Zürich 1993, S. 162f. 19 Das oberschlesische Bergbaurevier wurde im Volksmund ironisch nach der kongolesischen Bergbaure-

gion Katanga benannt.

Page 8: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 7 Für die PZPR war diese Entwicklung zwar nicht ohne Risiko, doch hatte sie einen durchaus willkommenen Nebeneffekt: Sie ließ die ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Probleme scheinbar in den Hintergrund treten. Man kann im März 1968 auch einen Versuch erblicken, von den ökonomischen Schwierigkeiten abzulenken. Nachdem sich jedoch die Situation in Polen wieder beruhigt hatte, der Gomułka-Flügel der PZPR die Szene dominierte und der 21. August 1968 das Ende des Prager Reformversuchs besiegelte, standen sie, ob man woll-te oder nicht, auf der politischen Tagesordnung wieder ganz oben. Symptomatisch hierfür wurde der vom 11. bis zum 16. November 1968 stattfindende V. Parteitag der PZPR. Nach den Turbulenzen des Jahres 1968 erweckte er zwar den Eindruck einer relativen politischen Konsolidierung, doch bereitete er gerade mit seinen wirtschaftspolitischen Optionen den Boden für den Dezember 1970.

Es gab hier unverkennbar eine beachtenswerte Parallele zur Entwicklung in der DDR. Auch fiel mit der von Walter Ulbricht favorisierten selektiven Strukturpolitik nahezu zeit-gleich eine Entscheidung zugunsten verstärkter wirtschaftlicher Anstrengungen. Und auch in diesem Fall ging es um eine Drosselung des Ressourcenzuflusses in soziale Leistungen. Dieser Punkt wird im folgenden Abschnitt im Hinblick auf beide Länder eingehender zu erörtern sein.

Allerdings war die DDR gegen Ende der sechziger Jahre gleich in mehrfacher Hinsicht in einer anderen Situation als die PRL. Besonders zwei Aspekte verdienen Beachtung: Erstens befand sich die DDR noch immer im Status eines von äußeren Konstellationen höchst ab-hängigen Staates in einem geteilten Land, über dem die offene deutsche Frage wie ein Da-moklesschwert hing. Die PRL hingegen konnte als international akzeptierter Akteur auftre-ten und verfügte damit auch über größere innenpolitische Handlungsspielräume. Zweitens ging es in der DDR um die Fortsetzung der seit 1963 in Gang befindlichen Wirtschaftsre-form. Diese hatte 1967/68 eine kritische Phase erreicht, die nach strategischen Entscheidun-gen verlangte. In beiden Fällen begann Walter Ulbricht einen riskanten Kurs zu steuern.20 Seine deutsch-landpolitischen Aktivitäten zielten de facto auf ein Offenhalten der deutschen Frage, was besonders die sowjetische Führungsmacht irritieren musste. Seit 1965 versuchte Ulbricht, die SPD für gemeinsame Initiativen zur Rüstungsbegrenzung zu gewinnen. 1966 gelangte im Rahmen eines Briefwechsels mit dem Parteivorstand der SPD der Vorschlag eines Red-neraustauschs an die Öffentlichkeit. Die Diskussion um die 1968 angenommene neue Ver-fassung der DDR nutzte er, um die Thesen vom Fortbestand der deutschen Nation in zwei Staaten, von der Herausbildung einer „sozialistischen Menschengemeinschaft“ und vom „Sozialismus als einer relativ selbständigen Gesellschaftsformation“ ins Spiel zu bringen. Schließlich wurde er 1968/69 erneut aktiv, um, Signale der westdeutschen Seite aufgreifend, mit der Bundesregierung ins Gespräch zu kommen. Im März und Mai 1970 führte dies im-merhin zu den – wenn auch ergebnislosen – Treffen von Bundeskanzler Brandt mit Minis-terpräsident Stoph in Erfurt und Kassel. Es ist hier nicht der Platz, auf die Widerstände ein-zugehen, mit denen Ulbricht sich sowohl seitens der sowjetischen Führung als auch innerhalb des SED-Politbüros konfrontiert sah. Bemerkenswert erscheint gleichwohl, wie 20 Hierzu ausführlicher Monika Kaiser: Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen

der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962 bis 1972, Berlin 1997, S. 332–369.

Page 9: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

8 Die späten sechziger Jahre

die oft kontroversen Debatten auf wirtschaftliche und soziale Probleme zuliefen, aber auch, wie sehr man die Augen vor den ökonomischen Folgen der deutschen Teilung verschloss.21

Auch wenn Walter Ulbricht in dieser Zeit aus Moskauer Sicht in die Rolle eines unsiche-ren Kantonisten geriet, gaben seine Alleingänge doch keinen Anlass zur Sorge, dass die DDR aus dem Geleitzug des Warschauer Vertrages ausscheren könnte. Dies war nicht Ul-brichts Intention und konnte auch deshalb außer Betracht bleiben, weil die mit der sowjeti-schen Führung im engen Kontakt stehenden Frondeure im SED-Politbüro bereits Kurs auf die Ablösung des eigenwilligen Alten nahmen. Dafür kristallisierte sich für die DDR wie auch für die PRL und die anderen europäischen Verbündeten der UdSSR ein viel gefährli-cheres Szenarium heraus: Die Sowjetunion war in Anbetracht ihrer inneren Situation nicht mehr bereit und wohl auch nur noch sehr begrenzt fähig, bei Bedarf mit Hilfslieferungen in die Bresche zu springen. Bei einem vom 7. bis 14. Juli 1969 dauernden Treffen mit einer Partei- und Regierungsdelegation der DDR in der Sowjetunion fiel der Satz: „Bisher haben wir nur gegeben. Deswegen fällt es uns nicht schwer, jetzt auch einmal um etwas zu bit-ten.“22 Es ging um die Lieferung nahtloser Rohre an die UdSSR, wozu die DDR nicht in der Lage war. Breschnew soll diese Bemerkung laut Protokoll lachend gemacht haben; in Wirk-lichkeit war es bitterer Ernst. Man wird annehmen dürfen, dass die Vertreter der DDR die Hintergründigkeit des Vorgangs registrierten.

Tatsächlich ging Walter Ulbricht mit seinen deutschland- und gesellschaftspolitischen Eigenwilligkeiten kein so großes Risiko ein wie in der Wirtschaft. Im ersten Fall bestanden immer Spielräume und Rückzugsmöglichkeiten, und auf einen Bruch mit der Sowjetunion konnte es die DDR ohnehin nicht ankommen lassen. Anders stand es mit der seit 1962/63 vorangetriebenen Wirtschaftsreform. Sie kam im Grunde nie aus dem Experimentalstadium heraus, auch wenn sie bereits 1967 eine Modifizierung erfuhr. Aus dem „Neuen ökonomi-schen System der Planung und Leitung“ (NÖS) wurde unter dem Etikett einer fortgeschrit-tenen Entwicklungsstufe das „Ökonomische System des Sozialismus“ (ÖSS). Das war nicht nur ein Etikettenwechsel, mit dem die NÖS-Mannschaft um Walter Ulbricht und Günter Mittag signalisieren wollte, dass die Reform jetzt zu einem selbsttragenden Prozess gewor-den war. Man hatte dabei über ökonomische Steuerungsvorgänge hinaus eine gesellschafts-politische Dimension im Blick, die an die Systemtheorie anknüpfte und auf das neue Kon-zept vom Sozialismus als einer relativ selbständigen Gesellschaftsformation abhob. Der damit verbundene theoretische Anspruch wurde unterstrichen, als Ende 1969 das offiziöse Buch „Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR“ erschien.23

Für Walter Ulbricht war zu dieser Zeit der Punkt erreicht, von dem an es keine Rückkehr mehr gab. Ein Scheitern der Reform musste auch sein politisches Aus bedeuten. Insofern wird es verständlich, wenn er den als strukturbestimmend eingestuften Schlüsselindustrien Priorität einräumte. Im Vertrauen auf einen Entwicklungssprung durch Hochtechnologie gründete auch der in der Folge vielfach verballhornte Slogan „Überholen ohne einzuho-

21 Vgl. Günter Mittag: Um jeden Preis. Im Spannungsfeld zweier Systeme, Berlin/Weimar 1991, S. 167–

178. 22 Zit. nach Kaiser, Machtwechsel, S. 313. 23 Günter Mittag u.a.: Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR, Berlin

1969.

Page 10: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 9 len“.24 Er zielte auf völlig neue technologische Verfahren, neue Wirkprinzipien und Arbeits-techniken, die eine sprungartige Steigerung der Arbeitsproduktivität ermöglichen sollten.25 Auf neuen, bisher nicht gegangenen Wegen in die Spitzenphalanx des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts vorzudringen, das war eine damit verbundene Intention. Eine andere war es, die Systemkonkurrenz zwischen Ost und West mit Hilfe der dritten indus-triellen Revolution zugunsten des Sozialismus zu entscheiden.26

So unterschiedlich die Entwicklungslinien verliefen, die in der DDR und Polen zum De-zember 1970 führten, in diesem Punkt näherten sie sich einander an. In beiden Fällen ging es darum, die Volkswirtschaften, die immer noch hohe Wachstumsraten aber auch gefährli-che Disproportionen aufwiesen, zu konsolidieren und unter zeitweiliger Konsumzurückhal-tung in wichtigen Bereichen beschleunigt zu entwickeln. Im Prinzip sahen sich auch die anderen Länder des sowjetischen Blocks mit diesem Problem konfrontiert, das sehr schnell eine strategische Dimension erlangte. Allerdings stand diese Konvergenz gegen Ende der sechziger Jahre noch sehr im Schatten der Militärintervention vom 21. August 1968 und der folgenden Niederwerfung des „Prager Frühlings“. Man bringt diese Phase im Allgemeinen mit der sogenannten Breschnew-Doktrin der begrenzten Souveränität in Verbindung. Was dabei leicht übersehen wird, war die komplexe Zwangslage, in der sich die UdSSR befand. Denn der Versuch, im „eigenen Lager“ für Ruhe zu sorgen, erwies sich noch als eine ver-gleichsweise leichte Übung. Politisch mindestens gleichgewichtig war die Notwendigkeit, das sowjetische Sozialismusmodell nach innen wie nach außen wieder attraktiver zu ma-chen. Vor allem sah sich die KPdSU-Führung unter Breschnew vor der Herausforderung, die soziale Lage von großen Teilen der lange Zeit auf Verzicht eingestimmten Bevölkerung möglichst schnell zu verbessern. In der Sowjetunion war es inzwischen kaum mehr plausibel zu machen, wenn die Partnerländer, darunter auch die DDR als kleiner Nachfolgestaat des ehemaligen Kriegsgegners Deutschland, einen höheren Lebensstandard erreicht hatten als die große Siegermacht des Zweiten Weltkrieges. In der zentral geplanten Wirtschaft der UdSSR kam es also auf eine Umverteilung der Ressourcen zugunsten der Konsumtion an. Im Grunde nahm sich die sowjetische Führung des Problems bereits in der Chruschtschow-Ära an. Der ambitionierte Siebenjahrplan 1959–1965 des agilen Ukrainers war nichts ande-res als ein Versuch, diese Diskrepanz aufzulösen, ähnlich wie es die Chinesen mit ihren „großen Sprung nach vorn“ anstrebten. Auch nach dem Machtwechsel von 1964 hielt Breschnew an diesem Konzept fest, er tat dies allerdings zögernd, mit vorsichtigen Akzent-

24 Vgl. Steiner, Von Plan zu Plan, S. 142. 25 Klaus Stubenrauch/Dietrich Austel: Überholen ohne einzuholen!, in: Einheit 25 (1970), S. 733–741,

hier 733. 26 Anfang Februar 1970 hatte Ulbricht diese Formel bei einem Treffen mit dem neugewählten Präsidium

der Kammer der Technik gebraucht, allerdings unter Hinweis darauf, dass sie „in letzter Zeit“ häufiger gewählt worden sei. Vgl. Neues Deutschland vom 24.2.1970, S. 1. Vgl. auch Walter Ulbricht: Überho-len ohne einzuholen – ein wichtiger Grundsatz unserer Wissenschaftspolitik, in: Die Wirtschaft, Nr. 9 vom 26.2.1970, S. 8. Es gibt Hinweise darauf, dass Ulbricht selbst diese Devise in den Wochen zuvor mehrfach, „bei verschiedenen Gelegenheiten“ gestreut hat. Vgl. Kurt Hager: Leninismus und entwi-ckeltes gesellschaftliches System des Sozialismus in der DDR, in: Einheit 25 (1970), S. 408–427, hier 412f.

Page 11: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

10 Die späten sechziger Jahre

verschiebungen zugunsten des Konsums. Das deutete sich 1966 an, als er es auf dem VIII. Parteitag der KPdSU eine „ökonomische Hauptaufgabe“ nannte, die Produktivität und die Produktion der Industrie deutlich zu steigern und für ein stabiles Entwicklungstempo der Landwirtschaft zu sorgen, um „den Lebensstandard des Volkes zu heben sowie die materiel-len und kulturellen Bedürfnisse aller Sowjetmenschen umfassender zu befriedigen“.27 Ähn-lich argumentierte Ministerpräsident Kossygin, der die Direktiven für den Fünfjahrplan 1966–1970 präsentierte: Man habe „Aufgaben größten Maßstabes zu lösen, die sich aus der gleichzeitigen Vergrößerung sowohl der Akkumulation als auch der Konsumtion ergeben“.28 Solche Aussagen hatten unzweifelhaft eine strategische Dimension. Gleichwohl handelte es sich hier nicht um einen Kontinuitätsbruch, sondern um eine Kurskorrektur, bei der man sich sogar auf Lenin berufen konnte. Denn schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt, auf dem VIII. Gesamtrussischen Sowjetkongress im Dezember 1920, hatte dieser erklärt: „Die Mas-sen sollen nicht nur wissen, sondern auch spüren, daß die Verkürzung der Periode des Hun-gers, der Kälte und des Elends voll und ganz davon abhängt, wie rasch sie unsere Wirt-schaftspläne erfüllen.“29 Das hieß nichts anderes, als dass sich Produktionssteigerungen in einem bestimmten Maße ohne größeren Zeitverzug in einer Verbesserung der Lebensbedin-gungen bemerkbar machen sollten. Diese politische Orientierung war nicht sonderlich sen-sationell, und sie tauchte in der Sowjetunion wie auch nach 1945 in den anderen Ländern ihres europäischen Machtbereiches im Zusammenhang mit der Wirtschaftsplanung immer wieder auf. Umso auffallender kontrastierte sie jedoch mit den besonders in den Jahren 1968 bis 1970 unternommenen Versuchen Gomułkas und Ulbrichts, das Konsumwachstum zu-gunsten von Neuinvestitionen zu drosseln. Kontroversen Charakter nahm diese Entwicklung aber erst an, als es in den späten sechziger Jahren immer deutlichere Anzeichen gab, dass die Wirtschaftsreformen in eine schwierige Phase geraten waren, ohne indes definitiv gescheitert zu sein. Von Krise mochte in dem Zusammenhang noch kaum jemand sprechen. In der DDR und in Polen gingen die Konkur-renten im innerparteilichen Kampf um die Macht vielmehr von einem Zielkonflikt aus. Auch die sowjetische Führung sah das so, wie Breschnew auf der Moskauer „Internationa-len Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien“ im Juni 1969 zu erkennen gab: „Die Hebung des Wohlstands der Werktätigen“ sei die wichtigste Aufgabe der Partei. Zwar können man „das erreichte Lebensniveau der Werktätigen als einen großen Sieg bewerten“, doch wüchsen die Bedürfnisse der Menschen ununterbrochen weiter. Das zeige sich etwa beim Wohnungsbau, wo es „nicht nur (um) Wohnraum schlechthin“ gehen sollte, sondern für jede Familie „eine eigene Wohnung mit allem Komfort“ bereitzustellen sei, „wobei noch die niedrigste Wohnungsmiete in der Welt bewahrt bleibt“. Diese Aufgaben sollten schnells-tens gelöst werden. Allerdings gestatte „die internationale Situation […] es uns nicht, alle Ressourcen des Landes für die Entwicklung der Wirtschaft, für die Hebung des Wohlstandes

27 Leonid I. Breshnew: Auf dem Wege Lenins. Reden und Aufsätze, Bd. 1, Berlin 1971, S. 390. 28 Direktiven des XXIII. Parteitages der KPdSU für den Fünfjahrplan zur Entwicklung der Volkswirt-

schaft der UdSSR in den Jahren 1966-1970. Gericht des Genossen A.N. Kossygin, in: Presse der Sow-jetunion, 1966, Nr. 45, S. 186-208, hier 189.

29 W. I. Lenin: Bericht über die Tätigkeit des Rats der Volkskommissare, 22. Dezember [1920], in: ders.: Werke, Bd. 31, Berlin 1959, S. 483–515, hier 508.

Page 12: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 11 der Werktätigen und für den Aufstieg der Kultur einzusetzen. Große Aufwendungen erfor-dert die Verteidigung.“30

Tatsächlich lag hier eines der größten Risiken für die Politik der „Hauptaufgabe“. Sie stand von Anfang an in Konkurrenz zu den Rüstungslasten. In diesem Zusammenhang sind die am 17. November 1969 von den USA und der UdSSR begonnenen Gespräche über eine Rüs-tungsbegrenzung (SALT I), der am 12. August 1970 mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Vertrag über gegenseitigen Gewaltverzicht und das am 3. September 1971 unterzeichnete Viermächteabkommen über Berlin zu sehen.

2. Wirtschaftliche, soziale und demographische Probleme

Politische Bruchzonen und soziale Konfliktbereiche, die sich gegen Ende der 1960er Jahre in den Gesellschaften der DDR und der PRL deutlicher abzuzeichnen begannen, wiesen vor allem ökonomische Bezüge auf. Die vor dem Hintergrund des „Prager Frühlings“ artikulier-ten Demokratisierungsforderungen bildeten eine andere Ebene. Sie fanden in der Arbeiter-schaft nicht jene Resonanz wie in den relativ kleineren Kreisen von Studenten und Intellek-tuellen. Wenn wesentliche Teile der Arbeiterschaft angesichts der politischen Kontroversen auf Distanz hielten, bedeutete das jedoch nicht, dass die von PZPR und SED seit langem postulierte Einheit von Arbeiterklasse und Partei eine belastbare Größe war. Zwar zehrten Arbeiter und Parteiregime noch immer von dem Arrangement, zu dem sie nach 1953 bzw. 1956 nicht ohne Schwierigkeiten gefunden hatten. Doch dieser latente „Pakt“ konnte nur funktionsfähig bleiben, wenn die Parteien mit einer offensiven Sozial- und Konsumpolitik für einen mehr oder weniger kontinuierlichen Anstieg des Lebensstandards sorgten, auf keinen Fall aber Stagnation oder gar Niveauabsenkung zuließen.

Genau an diesem Punkt aber geriet um 1968 das seit den fünfziger Jahren immer wieder mühsam austarierte Interessengefüge ins Rutschen. Das geschah nicht plötzlich, aber doch mit einer rapide zunehmenden Eigendynamik. Ausgelöst wurde der Vorgang durch einen Zielkonflikt der kollektiven Akteure auf den Feldern der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Hier trafen zwei unterschiedliche Optionen aufeinander: Die eine favorisierte den wirt-schaftlichen Modernisierungsprozess in der Annahme, man könne die daraus resultierenden sozialen Belastungen in Grenzen und politisch kontrollierbar halten. Die andere setzte of-fenbar nicht so viel Vertrauen in die Stabilität der politischen Machtverhältnisse und trat, ohne einen wirtschaftlichen Modernisierungskurs grundsätzlich in Frage zu stellen, für eine vorgelagerte bzw. parallele soziale Abfederung ein. Es ging dabei in erster Linie um ein herrschaftspraktisches Kalkül. Wie aber stand es wirklich um die wirtschaftliche Situation der DDR und Polens?

Ein Blick auf die amtliche Statistik des RGW lässt nicht erkennen, dass die zweite Hälfte der sechziger Jahre besonders problematisch gewesen wäre. Der Indikator des Nationalein-kommens zeigt für die DDR im Vergleich zu den Jahren 1961–1965 einen kräftigen Wachs- 30 Rede des Genossen Leonid Iljitsch Breschnew, in: Internationale Beratung der kommunistischen und

Arbeiterparteien Moskau 1969, Prag 1969, S. 175–214, hier 208f.

Page 13: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

12 Die späten sechziger Jahre tumsschub. Für Polen verzeichnet er ein leichtes Nachlassen. In beiden Fällen war die Wirt-schaft aber offenbar am Ende des Jahrzehnts in einer solchen Verfassung, dass bis 1975 noch einmal eine Beschleunigung des Wachstums erreicht werden konnte. Erst in der Mitte der siebziger Jahre setzte ein deutlicher Rückgang ein. Beachtenswert bleibt indes, dass die UdSSR den Zenit ihres Wirtschaftswachstums bereits vor 1970 überschritten hatte. Tabelle 1 Durchschnittliches jährliches Wachstum des Nationaleinkommens europäischer RGW-Länder (in Prozent)

1951-1955

1956-1960

1961-1965

1966-1970

1971-1975

1976-1980

1981-1985

1986-1988

RGW 10,8 8,5 6,0 7,4 6,4 4,1 3,0 3,0

Bulgarien 12,2 9,7 6,7 8,8 7,8 6,1 3,7 5,6

ČSSR 8,2 7,0 1,9 7,0 5,5 3,7 1,7 2,4

DDR 13,1 7,1 3,5 5,2 5,4 4,1 4,5 3,5

Polen 8,6 6,6 6,2 6,0 9,8 1,2 -0,8 3,9

Rumänien 14,1 6,6 9,1 7,7 11,4 7,0 4,4 5,1

UdSSR · · 6,5 7,8 5,7 4,3 3,2 2,8

Ungarn 5,7 5,9 4,1 6,8 6,3 2,8 1,3 1,7

Quelle: Совет экономической взаимопомощи, Секретариат (Изд.): Статистическй Ежегодник стран-членов совета экономической взаимопомощи 1989, Москва 1989 [Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Sekretariat (Hg.): Statistisches Jahrbuch der Mitgliedsländer des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Moskau 1989], S. 18–28. Auch wenn die Qualität dieser Daten zurückhaltend zu beurteilen ist, zeigen sie doch, dass der Zeitraum zwischen 1966 und 1970 keine großen Verwerfungen aufwies. Allerdings ändert sich das Bild, wenn man André Steiners Berechnungen des Bruttoinlandsprodukts zugrunde legt. Nach diesen aus methodischen Gründen auf den Vergleichsfall Österreich bezogenen Angaben ist sowohl in der DDR als auch in der PRL nach einigem Auf und Ab während der sechziger Jahre ein markanter Wendepunkt in der Verlaufskurve zu erkennen: Er lag in beiden Fällen, wie übrigens auch bei der ČSSR und der UdSSR, im Jahr 1968. Lediglich bei Ungarn setzte die Trendwende schon 1967 ein.

Page 14: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 13 Abbildung 1

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ausgewählter europäischer RGW-Länder (Österreich = 100)

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985

CSSR DDR Ungarn Polen UdSSR

Quelle: André Steiner: Einkommen in den Ostblockländern. Annäherungen an einen Vergleich, in: Peter Hübner/Christoph Kleßmann/Klaus Tenfelde (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 227–247, hier 231. Tabelle 2 Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ausgewählter europäischer RGW-Länder (Österreich = 100)

ČSSR DDR Ungarn Polen UdSSR 1950 63,5 56,7 45,0 44,4 51,5 1955 52,2 58,2 40,8 37,2 44,1 1960 52,7 60,2 37,6 33,1 40,7 1965 48,1 58,3 38,3 32,9 40,3 1970 44,6 53,9 34,7 30,5 38,4 1975 42,7 54,1 33,5 33,5 35,4 1980 39,0 51,7 30,8 28,0 31,4 1985 38,1 53,3 29,9 25,8 30,5 1989 36,0 51,5 28,3 23,3 29,1

Quelle: André Steiner: Einkommen in den Ostblockländern. Annäherungen an einen Vergleich, in: Peter Hübner/Christoph Kleßmann/Klaus Tenfelde (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 227–247, hier 231.

Page 15: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

14 Die späten sechziger Jahre Während für den langfristigen Trend eine allgemeine Abwärtsbewegung kennzeichnend war, wich die Entwicklung der DDR und Polens in der ersten Hälfte der siebziger Jahre zeitweise davon ab. Im ersten Fall verlangsamte sich das Wachstumstempo von 1969 bis 1973, im zweiten Fall in den Jahren 1969 und 1970. Nach kurzer Erholung trat 1976 erneut ein Rückgang ein. Tabelle 3 Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der DDR und der PRL 1966–1976 (Österreich = 100)

Jahr DDR PRL 1966 57,2 33,1 1967 57,6 33,2 1968 58,0 33,7 1969 56,0 31,2 1970 53,9 30,5 1971 52,7 31,0 1972 51,6 31,3 1973 51,2 31,9 1974 51,9 32,3 1975 54,1 33,5 1976 52,9 32,5

Die Daten entsprechen dem Kurvenverlauf in Abb. 1. Jahre mit rückläufiger Tendenz sind dunkel unterlegt. Die hier wiedergegebenen Daten stellte André Steiner dankenswerterweise zur Verfügung. In der PRL begann das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bereits 1971 wieder zu steigen und erreichte 1975 fast den Vergleichswert von 1961. In der DDR zog die Kurve zwischen 1973 und 1975 deutlich nach oben. Hier wie dort kippte der Trend jedoch von 1975 zu 1976 schon wieder in den negativen Bereich. Im Entwicklungsmuster der beiden Volkswirtschaf-ten nahm der Dezember 1970 zwischen den seit 1968 unternommenen Korrekturversuchen und dem Krisenszenarium von 1975/76 eine zentrale Stellung ein.

Auf die seit 1969 evidenten wirtschaftlichen Schwierigkeiten reagierten die Parteiführun-gen unter Gomułka und Ulbricht in ähnlicher Weise mit hohen Produktionszielen, während sie die Zunahme des Konsums abzubremsen suchten. Die Arbeitseinkommen sollten auf dem Niveau von 1967/1968 eingefroren und Subventionen für Grundnahrungsmittel redu-ziert werden, was Preissteigerungen unumgänglich machte. Auch war man bemüht, den Import von Konsumgütern einzuschränken. All dies mochte der betroffenen Bevölkerung unerfreulich erschienen sein, doch eine Krise im eigentlichen Sinne war das nicht.

Einem solchen Befund könnte freilich unter Hinweis auf einige demographische Indika-toren widersprochen werden. Sowohl in Polen als auch in der DDR waren die Jahre vor 1970 durch einen drastischen Rückgang der Geburtenrate gekennzeichnet. Wenn man diese Entwicklung etwa mit dem gleichzeitigen Anstieg in Bulgarien, Rumänien, der Tschecho-slowakei und Ungarn kontrastiert, liegt die Frage nach dem Grund für diesen Unterschied nahe. War der negative Trend in der DDR und der PRL ein Krisensymptom, das nicht auf alle Ostblockländer zutraf? Näher betrachtet, zeigt sich ein anderes Bild: Für die west-, nord- und südeuropäischen Länder, mit der kurzfristigen Ausnahme Griechenlands, weist der synthetische Fertilitätsindex in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre sinkende Werte

Page 16: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 15 auf.31 In allen entwickelten Ländern setzte sich der steile Abfall der Fertilitätsraten auch in den siebziger Jahren fort und verlangsamte sich in West- und Nordeuropa erst während der achtziger Jahre. In Südeuropa hielt er allerdings an. Der Vorgang ist als „offensichtliche Folge der Krise der patriarchalischen Familie“ plausibel gemacht worden.32 Dies traf wohl auch auf die DDR zu, wo allerdings aufgrund des höheren Durchschnittsalters der Bevölke-rung auch die Sterblichkeit eine größere Rolle spielte. Die PRL hingegen erlebte nach 1970 einen demographischen Wachstumsschub. Tabelle 4 Anzahl der Geborenen und der natürliche Bevölkerungszuwachs je 1.000 der Bevölkerung im Jahresdurchschnitt in der DDR und Polen 1960; 1965–1980

Geburten je 1.000 der Bevölkerung Natürlicher Bevölkerungszuwachs je 1.000 Personen

DDR Polen DDR Polen 1960 17,0 22,6 3,4 15,0 1965 16,5 17,4 3,0 10,0 1966 15,7 16,7 2,5 9,4 1967 14,8 16,3 1,5 8,5 1968 14,3 16,2 0,2 8,6 1969 14,0 16,3 -0,3 8,2 1970 13,9 16,6 -0,3 8,5 1971 13,8 17,2 0,0 8,5 1972 11,8 17,4 -2,0 9,4 1973 10,6 17,9 -3,0 9,6 1974 10,6 18,4 -3,0 10,2 1975 10,8 18,9 -3,5 10,2 1976 11,6 19,5 -2,3 10,7 1977 13,3 19,1 -0,2 10,1 1978 13,9 19,0 0,0 9,7 1979 14,0 19,5 0,1 10,3 1980 14,6 19,5 0,4 9,6

Quellen: Совет экономической взаимопомощи, Секретариат (Изд.): Статистическй Ежегодник стран-членов совета экономической взаимопомощи [Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Sekretariat (Hg.): Statistisches Jahrbuch der Mitgliedsländer des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe], Москва 1972, S. 9; 1976, Москва 1976, S. 13; 1980, Москва 1980, S. 9. Wichtig erscheint an dieser Stelle, dass der in den Jahren vor 1970 zu beobachtende Gebur-tenrückgang nicht zwingend als Indiz für die Zunahme sozialer und politischer Spannungen in Anspruch genommen werden kann. Trotz erheblich unterschiedlicher Werte lagen sowohl Polen als auch die DDR im allgemein sinkenden Trend des europäischen Bevölkerungs-

31 Manuel Castells: Das Informationszeitalter. Teil II: Die Macht der Identität, Opladen 2003, S. 165. 32 Ebd., S. 167.

Page 17: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

16 Die späten sechziger Jahre

wachstums.33 In den 1970er Jahren machten sich vorübergehend bevölkerungspolitische Maßnahmen geltend. Sowohl in Polen als auch in der DDR hatte man es allerdings mit einer Reihe von Sonderef-fekten zu tun, die aus den demographischen Verwerfungen der Kriegs- und Nachkriegszeit resultierten. Dazu zählte ein Nachholbedarf bei Eheschließungen und Geburten ebenso wie eine durch hohe Verlustquoten bedingte Unterzahl der um 1920 geborenen Jahrgänge sowie, damit im Zusammenhang stehend, ein Ungleichgewicht in den Geschlechterproportionen. Zu Buche schlugen aber bereits auch während des Zweiten Weltkrieges eingetretene Gebur-tenausfälle und die zumeist aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen erfolgende Ab-wanderung in westliche Länder. Davon waren beide Länder zwar in unterschiedlichem Ma-ße betroffen, insgesamt jedoch dürften ihnen ähnlich wie der Sowjetunion demographische Anomalien mehr zu schaffen gemacht haben als anderen Ländern des sowjetischen Blocks, aber auch Westeuropas. Im Hinblick auf ihre Arbeitskräftebilanz befanden sich die DDR und die PRL während der 1960er Jahre allerdings in einer sehr unterschiedlichen Situation: Während man westlich von Oder und Neiße zunehmend über den Mangel an Arbeitskräften klagte, hatte man östlich davon Schwierigkeiten, für die nachwachsende Generation genü-gend Arbeitsplätze bereitzuhalten. Die schwierigste Herausforderung, vor der die DDR und die PRL 1970 standen, war jedoch nicht die demographische Frage, sondern der erwähnte Konnex wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungslinien, wenn man so will – das Balanceproblem. Schon vor dem „polnischen Dezember“ war man sich in den Partei- und Staatsapparaten beider Länder der kritischen Situation mehr oder minder bewusst. Das zeigten auch die Diskussionen und Auseinander-setzungen in den Führungszirkeln. Aber die darin eingelagerten Kontroversen um das Ver-hältnis von Investition und Konsumtion, von Wirtschafts- und Sozialpolitik hatten sich an den Reformversuchen der sechziger Jahre entzündet und dauerten seither an. Inwieweit hierbei Krisensymptome reflektiert wurden, oder ob diese Spannungen selbst bereits Teil einer wirtschaftlichen und sozialen Krise waren, wird anhand der Ereignisse noch genauer zu betrachten sein. Jedenfalls sollten hieraus keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden, denn um 1970 gab es in den Staaten des sowjetischen Blocks durchaus noch Handlungsräu-me für Alternativentscheidungen; von einer strukturellen Unfähigkeit zum Wandel konnte zu dieser Zeit noch nicht die Rede sein. Vor allem die Erwartungen und teils auch Befürch-tungen, die sich mit der „wissenschaftlich-technischen Revolution“ verbanden, zeigten, dass man in Kategorien des Wandels dachte und die damit verbundenen gesellschaftlichen Prob-leme durchaus registrierte.

33 Ausführlicher hierzu: Livi Bacci: Europa und seine Menschen. Eine Bevölkerungsgeschichte, München

1999.

Page 18: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 17

3. Lang- und mittelfristige Trends

Diese hier nur knapp skizzierten Entwicklungen liefen in der DDR und der PRL zwar mit einiger Konsequenz, aber nicht zwingend auf den Dezember 1970 zu. Auch ließ sich dieser nicht allein aus den jeweils aktuellen inneren Problemlagen und Konfliktlinien erklären. Vielmehr war der hier betrachtete Zeitraum ganz stark davon bestimmt, dass – um im Brau-del’schen Bild zu bleiben – die Grundströmung der industriellen Revolution zu ihrem dritten Anlauf an die Oberfläche des historischen Geschehens durchdrang und Alltagsrelevanz erlangte. In den Industrieländern des Ostens und des Westens wurde die dritte industrielle Revolution zu einem Leitmotiv wirtschaftlichen und teilweise auch politischen Handels. In den 1970er Jahren bewies sie bereits eine geradezu erpresserische Qualität: Wer den anfah-renden Zug verpasste, handelte sich einen gravierenden Wettbewerbsnachteil ein.

Die zeitgenössischen Akteure sahen sich infolgedessen mit Sachzwängen konfrontiert, deren Dimensionen und Konsequenzen sie aber um 1970 kaum zu überblicken vermochten. Die zu dieser Zeit geführten Diskussionen um die Zukunft der Arbeitswelt und überhaupt der modernen Gesellschaften hielten sich noch weitgehend an die Kategorien der Nach-kriegszeit dachte. Trotzdem, wenn es bei den Kontroversen im Vorfeld des Dezember 1970 vordergründig und ganz konventionell um das Verhältnis von Akkumulation und Konsumti-on und darum ging, was man der eigenen Bevölkerung an wirtschaftlichen Belastungen und sozialen Einschränkungen zumuten durfte oder auch nicht, bildete die dritte industrielle Revolution immer die Kulisse dieser Szenerie. Ein wesentlicher Ausgangspunkt für die in Ostberlin und Warschau aufkommenden Auseinandersetzungen lag im divergierenden Urteil darüber, wie sich der Staatssozialismus sowjetischen Typs in dieser Übergangsphase indus-trieller Entwicklung positionieren sollte. Das rührte an die klassische marxistische Frage nach der Beziehung von „Produktionsverhältnissen“ und „Produktivkräften“. In diesem Punkt lag enormer Sprengstoff. Es ging nicht mehr einfach darum, wie und wie viel man in neue Technologien und industriellen Strukturwandel investieren konnte, ohne dass der Le-bensstandard der Bevölkerung absank. Man war auch mit dem prinzipiellen Problem kon-frontiert, die Konsequenzen abschätzen zu müssen, die der Entwicklungssprung der „Pro-duktivkräfte“ für die „sozialistischen Produktionsverhältnisse“ haben würde.

Bei all dem ist nicht zu übersehen, dass diese Auseinandersetzungen mit Argumenten ge-führt wurden, die noch weitgehend einer Periode rascher Industrialisierung nach klassi-schem Muster und allgemeinen Wachstums entstammten. Im Grunde ging man von einer beschleunigten Fortschreibung dieser Entwicklung aus. Zeitgenössische Debatten antizipier-ten zwar schon weitreichende Konsequenzen der industriellen Revolution, doch sah man die Konsequenzen für die Arbeitswelt in einem eher positiven Licht: Die Mühsal der Maloche werde sich verringern und der Arbeitstag kürzer werden, man müsse zwar während des Berufslebens ständig lernen, dürfe aber auch auf mehr Freizeit und kürzere Lebensarbeits-zeit hoffen, so etwa ließen sich die Erwartungen zusammenfassen. Was überhaupt nicht in Frage stand, waren die normale Erwerbsbiographie und die von ihr abhängigen sozialen Sicherungssysteme. In dieser Hinsicht wurden demographische Risiken registriert, aber eher im Hinblick auf einen künftigen Mangel an Kindern, Jugendlichen und Berufseinsteigern. Peter Jung hat aus heutiger Perspektive die These formuliert, „dass wir am Anfang eines epochalen Strukturwandels der Arbeitswelt im Ganzen stehen, der so oder so nicht allein mit

Page 19: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

18 Die späten sechziger Jahre

dem quantitativen Rezept ‚mehr vom Bisherigen‘ also primär durch Wirtschaftswachstum bewältigt werden kann, sondern letztlich nach einer Neubestimmung der grundlegenden Prinzipien der gesellschaftlichen Organisation der komplex-arbeitsteiligen Wirtschaft ruft“.34 Dies korrespondiert mit den oben zitierten und ebenfalls ex post getroffenen Aussa-gen über das Jahr 1970, doch besteht kein Zweifel daran, dass die hier im Mittelpunkt der Betrachtung stehenden Akteure der Dezember-Vorgänge dafür nur einen sehr eingeschränk-ten Blick hatten. Das wirft die Frage auf, was sie überhaupt im Vorfeld der Ereignisse wahr-nahmen und wahrnehmen konnten. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre mehrten sich in den Industriestaaten des Westens die Anzeichen für ein Ende der Nachkriegskonjunktur. Die Symptome zeigten sich vor allem in den Schlüsselindustrien des Wiederaufbaus. Doch es ging, wie sich erst allmählich herausstellen sollte, nicht um den Wiedereintritt in das lehrbuchgemäße Auf und Ab der Konjunkturzyklen. Eine weiter gespannte Verlaufskurve skizzierte Stephan Schulmeister als langfristigen Zyklus, der seinen Ausgangspunkt in der Talsohle der dreißiger Jahre hatte, in der von 1950 bis 1965 dauernden Aufschwungsphase seinen Gipfelpunkt erreichte, dann in eine Transformationsphase eintrat, die etwa um 1980 in eine Krisenphase überging. Eine Ähnlichkeit mit dem vierten Kondratjew-Zyklus ist nicht zu übersehen.35 Als treibende Kräfte dieser Entwicklung betrachtet Schulmeister die Interaktionen zwischen der technolo-gischen und der sozialen Innovationsdynamik einerseits sowie zwischen drei ökonomischen „Hauptinteressen“, nämlich jenen des Realkapitals, des Finanzkapitals und der Arbeit.36 Hier soll besonders jene kurze Zeitspanne interessieren, die Schulmeister als eine zwischen 1965 und dem Ende der siebziger Jahre zu verortende historische Phase der Transformation ansieht. Gekennzeichnet sei sie, so Schulmeister, durch Übergänge

● vom wirtschafts- und sozialpolitisch aktiven zum passiven Staat; ● vom Konsens über das „relevante“ makroökonomische Modell, den Keynesianis-

mus, zu einem wirtschaftswissenschaftlichen und -politischen Dissens; ● von einem gemeinsamen „Koordinatensystem“ zu einem System erhöhter Unsi-

cherheit; ● vom korporatistischen Modell der Gestaltung der „labor relations“ zu einem Sys-

tem mit zunehmender Dominanz der Unternehmer; ● von regulierten zu deregulierten Finanzmärkten, insbesondere von stabilen zu in-

stabilen Wechselkursen und Zinssätzen. Es ist hier nicht wichtig, das Für und Wider dieser Befunde im Einzelnen zu erörtern. Viel-mehr geht es um das generelle Phänomen der Übergänge in den späten 1960er und in den

34 Peter Jung: Von der „Tyrannei“ des Arbeitsmarktes zur Vitalpolitik der Arbeitswelt, in: WeltTrends 13

(2005) Nr. 47, S. 11–25, hier 12. 35 Vgl. Christopher Freeman/Louçã Francisco: As Time Goes By. From the Industrial Revolution to the

Information Revolution, Oxford 2001. 36 Stephan Schulmeister: Der polit-ökonomische Entwicklungszyklus der Nachkriegszeit: Vom Bündnis

Realkapital-Arbeit in der Prosperität zum Bündnis Realkapital-Finanzkapital in der Krise, in: Politik und Gesellschaft. Online. International Politics and Society 1/1998 Vorläufige Fassung / Preliminary version.

Page 20: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 19 1970er Jahren. Man findet hierzu vor allem in der sozial- und wirtschaftshistorischen Litera-tur zahlreiche Hinweise, die – vor allem mit Blick auf Westeuropa – auf eine Tendenzwen-de, wenn nicht gar auf einen Strukturbruch deuten. Bis dahin hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg leistungsfähige Sozialstaaten entwickelt. In der Bundesrepublik Deutschland z.B. wurden die „soziale Marktwirtschaft“ und das für sie typische Arrangement von Kapitaleig-nern und Arbeitnehmervertretern zum Markenzeichen eines scheinbar unaufhaltsamen Auf-stiegs. Recht überzeugend war in der Wirtschaftstheorie von einer „neoklassischen Synthese als ‚Kreuzung‘ zwischen dem keynesianischen Modell auf makroökonomischer und dem Marktmodell auf mikroökonomischer Ebene“ wahrgenommen.37 Was dabei herauskam, war ein Versuch, marktwirtschaftliche Ungleichgewichte durch eine aktive staatliche Konjunk-turpolitik auszubalancieren. Man folgte damit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Sicher-heit und Berechenbarkeit, das seine Vitalität aus der für viele Zeitgenossen noch sehr prä-senten Erfahrung der Weltwirtschaftskrise zog. Auf der Grundlage der nach fordistischen Prinzipien organisierten Massenproduktion führte die Nutzung technischer Innovationen, die vielfach schon vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelt worden waren, nun aber für den zivi-len Bedarf zur Verfügung standen, zu einem enormen Modernisierungs- und Wohlstands-schub. Die Verbreitung des Fernsehens, von Kunststoffen und Autos war hierfür symptoma-tisch. Ihre eigentlich praktische Bedeutung erhielt diese Entwicklung aber erst durch die politisch intendierte Stärkung der Massenkaufkraft und den Ausbau sozialer Sicherungssys-teme. Um die Mitte der 1960er Jahre begann dieses Erfolgsmodell unter Druck zu geraten. Genau genommen war es dieser Erfolg, der die Gewerkschaften bewog, Lohnerhöhungen und eine Ausweitung der Mitbestimmung in Betrieben und Branchen zu fordern. Der Ausbau des Sozialstaates leitete Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Hinzu kam mit „1968“ ein politischer Ereigniskomplex, in dem sich unterschiedlichste Protestbewegungen bündel-ten, allerdings eher als Symptom denn als Antrieb dieses Wandels. Im Gegenzug gewann der neoliberalistische Monetarismus an Boden und bereitete einen Wechsel in der Wirt-schaftspolitik vor. „Das Jahr 1968 brachte den Durchbruch für Milton Friedman“, konsta-tiert Stephan Schulmeister.38 Ein Ergebnis dieser Entwicklung und ein deutliches Signal zugleich war die zwischen 1971 und 1973 erfolgende Aufhebung des Bretton-Woods-Systems.39 Im Verlauf der siebziger Jahre führten der schwache Dollar und die beiden Öl-preisschocks in der westlichen Welt zu vermehrter Arbeitslosigkeit und Inflation. Dieses Phänomen selbst war allerdings nicht ganz neu. Bereits zuvor soll der 1970 verstorbene

37 Ebd. 38 Ebd. 39 Im Juli 1944 war auf einer internationalen Konferenz, an der 44 Staaten teilnahmen, in Bretton Woods,

New Hampshire, die Einrichtung des Internationalen Währungsfonds und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) beschlossen worden. Im Dezember 1945 wurde der Be-schluss von 30 Staaten ratifiziert. Das neue Währungssystem sollte den internationalen Zahlungsver-kehr reorganisieren und eine möglichst freie Konvertibilität der Währungen bei festen Wechselkursen gewährleisten. Für die Währungen der Mitgliedsstaaten vereinbarte man Paritäten zum Gold oder zum US-Dollar. Um die seither eingetretenen großen Ungleichgewichte in den Zahlungsbilanzen zwischen den westeuropäischen Währungen und der USA-Währung zu verringern, ging man seit 1971 zu freien Devisenkursen über.

Page 21: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

20 Die späten sechziger Jahre

britische Finanzminister Iain Macleod dafür das aus den Begriffen „Stagnation“ und „Infla-tion“ zusammengesetzte Kunstwort „Stagflation“ kreiert haben. Die Erscheinung leitete sich aus einer bereits in den 1960er Jahren massiv einsetzenden industriellen Strukturkrise her, doch wurde sie später vor allem mit der Ölpreiskrise der 1970er Jahre in Verbindung ge-bracht. Diese allerdings fiel zeitlich mit dem Beginn einer Sozialstaatskrise zusammen, wie Josef Schmid betont: „Die Öl- und Wirtschaftskrise 1973/74 wurde zum Wendepunkt (nicht nur) der deutschen Sozialpolitik. Der Sozialstaat kam in starke finanzielle Bedrängnis, weil die Einnahmen des Staates sanken und gleichzeitig mit steigender Arbeitslosigkeit und de-mografischer Verschiebung die Ausgaben sprunghaft anstiegen. Die als ‚Wende‘ apostro-phierte Politik der sozialen Einschnitte und Kürzungen begann schon Mitte der 70er Jahre und nicht – wie öfter behauptet – erst 1982 mit Antritt der Regierung Kohl.“40

Ein Vergleich mit der Entwicklung im sowjetischen Block zeigt eine auffällige Gegenläu-figkeit: Während im Streit um die Ursachen der „Stagflation“ und darüber, wie man wieder zu Wachstum und ausgeglichenen Haushalten gelangen sollte, die Monetaristen um Milton Friedman („Chikago-Boys“) vorerst über die Keynesianer zu triumphieren schienen, kam es im sowjetischen Machtbereich zu einem ganz anderen Paradigmenwechsel. Nach den Re-formversuchen der sechziger Jahre setzte hier eine Rezentralisierung der sozialistischen Planwirtschaftssysteme ein. Projiziert man Stuhlmeisters Befunde auf die zeitgleiche Entwicklung in den ostmitteleuro-päischen Ländern und in der Sowjetunion, so springt diese Gegenläufigkeit geradezu ins Auge. Es zeigen sich hier Entwicklungstendenzen

● von den Reformprojekten der sechziger Jahre zur rezentralisierten Planwirtschaft; ● von der „sozialistischen ökonomischen Integration“ im RGW zum Bilateralismus; ● von den Unwägbarkeiten der Reformen zu einem hohen Sicherheitsanspruch in po-

litischer und sozialer Hinsicht; ● vom sozialpolitisch eher zurückhaltenden zum aktiveren Staat; ● vom Postulat der Diktatur des Proletariats zum „geheimen Gesellschaftsvertrag“.

Unschwer lassen diese Trends eine defensive Komponente erkennen. Sie erklärte sich zu einem guten Teil aus den Erfahrungen des Jahres 1953 in der DDR und des Jahres 1956 in Polen. Nicht zuletzt mochte in beiden Fällen auch der „Prager Frühling“ von 1968 eine Rolle gespielt haben. Die nach seiner Niederwerfung in der Tschechoslowakei praktizierte Politik der „Normalisierung“ zeichnete einen Weg vor, den in der Folge – mutatis mutandis – auch andere Länder des sowjetischen Blocks gingen. Allerdings ist die dritte industrielle Revolution noch als ein weiterer und in letzter Konsequenz gewichtigerer Faktor in den Blick zu nehmen. Die in den 1960er Jahren zu diesem Thema geführten Diskussionen lassen eine Mischung aus optimistischen Erwartungen und Besorgnis erkennen. Während die Ei-gendynamik der beschleunigten wissenschaftlichen und technischen Entwicklung bei den einen die Hoffnung auf eine allmähliche Entideologisierung und Liberalisierung der Partei-

40 Josef Schmid: Wohlfahrtsstaaten im Vergleich. Soziale Sicherung in Europa: Organisation, Finanzie-

rung, Leistung und Probleme, Opladen, 2. Aufl. 2002, S. 107.

Page 22: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 21 regime weckte, regte sich bei anderen die Sorge um deren Machtmonopol. Zudem kristalli-sierte sich angesichts immer komplexer werdender Technologien die Gefahr einer Entkopp-lung von Expertenwissen und Herrschaftspraxis heraus. Als mindest ebenso risikoreich erschienen aber auch die Kosten der neuen industriellen Revolution. Dass hier auch soziales Konfliktpotential lag, trug 1970/1971 entscheidend zum Sturz Gomułkas und Ulbrichts bei. Aber auch ihre Nachfolger sahen sich mit dem Problem konfrontiert und suchten einen Kurs einzuschlagen, der die forcierte Entwicklung von „Schlüsselindustrien“ mit einer in erster Linie auf die Loyalität, mindestens aber auf die politische Ruhigstellung der Arbeiterschaft zielenden Sozialpolitik verband.

Die Entscheidung hierfür ging von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konstellati-onen der späten sechziger Jahre aus. Weit weniger antizipierten sie künftige Problemlagen. Darauf deutete auch die für die erste Hälfte der siebziger Jahre typische Politik der Verspre-chungen und völlig unzureichend bilanzierten sozialen Zugeständnisse hin. Noch weniger ist anzunehmen, dass im Dezember 1970 gar ein Vorgriff auf die Preisschocks der 1970er Jahre erfolgte. Die Frage, ob und inwieweit die Entwicklung zwischen 1970 und 1975/76 mit der Ölpreiskrise von 1973 im Zusammenhang stand, wird gewöhnlich mit dem Hinweis auf die internen Preisregelungen des RGW beantwortet. Unzweifelhaft hat die zeitversetzte Kopp-lung der RGW-Preise an die Weltmarktpreise die in Mittel- und Osteuropa ohnehin vorhan-denen wirtschaftlichen Probleme verschärft. Dabei ist allerdings im Auge zu behalten, dass der Anstieg des Ölpreises sowohl 1973 als auch 1979 im Zusammenhang mit der jeweils vorausgegangenen Dollarschwäche in den Jahren 1971/73 und 1977/78 stand. Die von der Dollarentwertung besonders betroffenen OPEC-Länder reagierten verständlicherweise mit einer Anhebung der Erdölpreise. Unter dem Eindruck des „Yom-Kippur-Krieges“ von 1973 und dann später auch des 1979 begonnenen irakisch-iranischen Krieges fielen diese Preisan-hebungen so heftig aus, dass nicht ohne Grund von einem Preisschock gesprochen wurde. Eine wirkliche Ölknappheit trat aber während dieses ganzen Zeitraumes nicht ein, auch nicht im Ostblock. Allein die UdSSR steigerte die Förderung von Erdöl und Gaskondensat von 353 Mio. t im Jahr 1970 auf 603 Mio. t 1980. Lediglich in Rumänien sank in diesem Zeitraum die jährliche Öl- und Gasproduktion um rund 15 Mio. t, während ein Rückgang in Polen und der ČSSR bei insgesamt geringen Fördermengen für den Verbrauch im RGW-Bereich kaum ins Gewicht fiel.41

Auch wenn diese Entwicklung für die Vorgänge um den Dezember 1970 naturgemäß noch keine Rolle spielen konnte, gehörte die Energiepolitik aber doch zu den Prämissen. Denn sowohl die DDR als auch die PRL litten in den 1960er Jahren angesichts des nach wie vor hohen industriellen Wachstums und langjährig unzureichender Investitionen in die Er-zeugung von Elektroenergie unter erheblichem Energiemangel. Die unabweisbare Notwen-digkeit, in diesen Bereich verstärkt zu investieren, verschärfte die wirtschaftliche Situation gegen Ende des Jahrzehnts. Hier rächte sich die Unausgewogenheit der bisherigen Struktur-politik. Bei der Elektroenergieerzeugung konnte man übrigens eine Parallele zu den Auf-wendungen für die Sozialpolitik entdecken. Sowohl Walter Ulbricht als auch Władysław

41 Совет экономической взаимопомощи, Секретариат (Изд.): Статистическй Ежегодник стран-

членов совета экономической взаимопомощи, Москва 1989 [Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Sekretariat (Hg.): Statistisches Jahrbuch der Mitgliedstaaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshil-fe, Moskau 1989], S. 95.

Page 23: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

22 Die späten sechziger Jahre

Gomułka äußerten mehrfach ihre Überzeugung, dass auf diesem Politikfeld in der ersten Hälfte der sechziger Jahre genug getan worden sei, um nunmehr den Industrieinvestitionen eine Weile den Vorrang zu geben. Zuvor hatte man mit ähnlichen Begründungen den Neu-bau von Kraftwerken immer wieder vor sich hergeschoben, nachdem allerdings in den 1950er Jahren viel investiert worden war. Manche der hierbei verwendeten Argumente hät-ten der historischen Hausväterliteratur entstammen können. Diese Wirtschaftspraxis wurde deshalb treffend als „industrielle, integrierte Hauswirtschaft“ bezeichnet, in der es „sozial-staatlich garantierte und nivellierte Einkommen und staatlich subventionierte Sicherung der Grundbedürfnisse, keine Verfügungsrechte der Wirtschaftseinheiten über ihre Gewinne, aber Anspruch auf Deckung ihrer Verluste, zentrale Planung der Produktion und Verteilung mit Hilfe von Auflagen und Zuweisungen, politisch festgesetzte Preise und Löhne“ gab.42 Tatsächlich ähnelte die volkswirtschaftliche Investitionspraxis der Anschaffung teurer Ge-genstände in Familienhaushalten. Unmittelbar vor 1970 wurde das in beiden Ländern an den Beispielen der Energiewirtschaft und der Sozialpolitik besonders deutlich.

Der persönliche Einfluss der beiden Hauptakteure Gomułka und Ulbricht war in dieser Hinsicht zweifellos groß. Folgt man den biographischen Indizien, so spricht einiges dafür, dass die Kriterien einer sparsamen und pragmatischen Lebensführung, wie sie ihnen bereits in der Kinder- und Jugendzeit begegnet waren, bis ins hohe Alter maßgebend blieben. Was in ihrem familiären und sozialen Umfeld funktioniert hatte, übertrugen sie nun in die volks-wirtschaftliche Dimension. Die in den Jahren 1970/71 geführten Auseinandersetzungen gaben einen Eindruck davon.

Es sollte hier dahingestellt bleiben, inwieweit sich in dieser Politik kulturelle Prägungen geltend machten. Von Interesse ist allerdings die Frage, ob die kulturellen Gemengelagen des ostmitteleuropäischen Raumes, auf die der ungarische Agrarhistoriker Péter Gunst auf-merksam machte, eine Rolle spielten. Seit dem ausgehenden Mittelalter war dies immer ein Gebiet, in dem sich Einflüsse aus Ost und West überlagerten. Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigte sich im Falle Polens, der Slowakei und Ungarns eine stärkere Wirkung des „agrarischen“ Ostens, im Falle der DDR sowie des böhmisch-mährischen Teiles der Tschechoslowakei ein bedeutenderer Einfluss des „industriellen“ Westens.43 Die östliche Tradition gewann mit der im Rahmen des Systems von Jalta erfolgten Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs auf die genannten Länder an zusätzlichem Gewicht.

Darüber, wie stark diese historischen Voraussetzungen auf das strategische Vorfeld der Sowjetunion in Mitteleuropa abfärbten, dürften die Meinungen auseinandergehen, zumal sich hier auch noch andere Einflüsse kreuzten, wie man leicht anhand der polnischen Tei-lungen zeigen kann. Dass aber die Präsenz der Sowjetunion mehr als nur Spuren dieser Tradition auf ihren ostmitteleuropäischen Machtbereich übertrug, wurde in der DDR ebenso

42 M. Rainer Lepsius: Handlungsräume und Rationalitätskriterien der Wirtschaftsfunktionäre in der Ära

Honecker, in: Theo Pirker u.a. (Hg.): Der Plan als Befehl und Fiktion. Wirtschaftsführung in der DDR. Gespräche und Analysen, Opladen 1995, S. 347–362, hier 359f. Das Bild von der Hauswirtschaft geht auf frühe Wirtschaftsformen zurück. Vgl. Ulrich Meyer: Soziales Handeln im Zeichen des Hauses: zur Ökonomik in der Spätantike und im frühen Mittelalter, Göttingen 1998.

43 Péter Gunst: Agrarian Development and Social Change in Eastern Europa, 14th-19th Centuries, Alder-shot 1996.

Page 24: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 23 deutlich wie in der PRL. Wie, wann und wo entsprechende Einflüsse für den politischen Kurswechsel vom Dezember 1970 und in den frühen 1970er Jahren relevant wurden, dürfte allerdings schwer zu beantworten sein. Gleichwohl wird man manche politische Entschei-dung unter diesem Blickwinkel zu betrachten haben und dabei auch die Rolle der sowjeti-schen Führungsmacht ins Blickfeld rücken müssen.

4. Soziale und politische Bruchzonen um 1970

Der im Dezember 1970 aufbrechende Konflikt kam keineswegs überraschend. Immer wie-der hatte es in den Jahren zuvor Warnsignale gegeben. Sie deuteten ziemlich einhellig auf ein anwachsendes soziales und politisches Spannungspotential hin. Dabei handelte es sich keineswegs nur um die seit langem anhaltende Kritik aus der Bevölkerung insbesondere an Versorgungsmängeln, die sich in Eingaben und Beschwerden Luft machte. Auch auf den politischen Führungsebenen und in den Apparaten der SED und der PZPR rechnete man für die verbleibenden 1960er Jahre mit einigen Schwierigkeiten. Diese Erwartung speiste sich weniger aus der Annahme eines offenen Konflikts in der Art, wie man ihn 1953 und 1956 erlebt hatte. Das frostige Ende des „Prager Frühlings“ und die „Breschnew-Doktrin“ von der begrenzten Souveränität der im Warschauer Pakt verbundenen Staaten hatten in dieser Hin-sicht zunächst einmal klare Fronten gezogen. Es waren vielmehr die wirtschaftlichen Prob-leme und ein wachsender sozialer Forderungsdruck, die zur Besorgnis Anlass gaben.

Vor diesem Hintergrund befanden sich unter den politischen Akteuren der DDR und der PRL mindestens vier Interessengruppen im Spiel. Bei den Macht- und Funktionseliten han-delte es sich erstens um jene Positionsinhaber, die mehr oder weniger hinter dem auf forcier-te Industrieinvestition zielenden Kurs Ulbrichts standen; zweitens um solche, die genau darin ein Risiko für die Parteiregime heraufziehen sahen; drittens schließlich um ein relativ breites Segment der Funktionseliten, für das der Wunsch nach unaufgeregter Routine im Vordergrund stand. Auch wenn es problematisch ist, die übrige Bevölkerung und mit ihr erhebliche Teile der Funktionseliten als eine vierte Interessengruppe zu beschreiben, so erscheint dies in einem Punkt gerechtfertigt: Diese Gruppe einte ein Konsens, der auf eine moderne Konsumgesellschaft zielte. Man orientierte sich hierbei vielfach am Nachkriegs-boom westeuropäischer Länder, an deren in den sechziger Jahren erreichten Lebensstandard und nicht zuletzt an Moden und Lebensstilen, wie man sie u.a. in italienischen und französi-schen Filmen vorgeführt bekam. Hinzu kam, dass die meisten Einwohner der DDR im Sen-debereich von Rundfunk- und Fernsehstationen der Bundesrepublik und Westberlins lebten und damit über weitere und zudem einflussreiche Informationsquellen verfügten. In Polen hielt man sich in dieser Hinsicht eher an die Sendungen von Radio Free Europe und der BBC.

Für die Adaption westlicher Lebensmodelle und Bedürfnisse erlangten in den Gesell-schaften beider Länder auch vielfältige Verwandtschaftsbeziehungen eine bedeutende Rolle. Bei den Bewohnern der DDR konzentrierten sie sich geographisch auf die Bundesrepublik Deutschland, für die der PRL spielte die weltweite Polonia mit Schwerpunkten im westdeut-schen Ruhrgebiet, in Frankreich, England und in den USA eine vergleichbare Rolle. Der

Page 25: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

24 Die späten sechziger Jahre Wunsch, auch im Osten wie im Westen leben zu wollen, erhielt hierdurch stets neue Nah-rung. Er bezog sich in erster Linie auf den Lebensstandard derjenigen Bevölkerungsteile, die in Westeuropa und Nordamerika mit einem sicheren und auskömmlichen Einkommen exis-tierten. Inwieweit dabei auch die kommerzielle Produktwerbung des Westens zum Zuge kam, lässt sich kaum sicher rekonstruieren. Doch ist anzunehmen, dass sie die Erwartungs-haltungen vieler Menschen zumindest beeinflusste.

Auf diese Weise entstand eine soziale Bruchstelle ganz eigener Art. Sie resultierte ur-sprünglich nämlich nicht aus inneren Spannungen, sondern aus einem Vergleich des eigenen täglichen Lebens mit einer anderen sozialen Wirklichkeit, die weitgehend außerhalb der individuellen und kollektiven Erfahrungshorizonte stattfand. Das bot Raum für hochge-spannte, teils auch verklärende Perspektiven auf Westeuropa und die USA. Dagegen er-schien die Lebensrealität des kleineren deutschen Staates und der polnischen Volksrepublik als eher trist und kleinkariert. Nicht zuletzt in diesem komparativen Zusammenhang begann die Unzufriedenheit mit einem Leben in den Mangelwirtschaften der DDR und der PRL ihre system- und regimekritische Dimension zu entfalten. Im Vergleich der eigenen Lebensum-stände mit den westlichen Konsumgesellschaften und ihrer Warenvielfalt lag ein gefährli-ches Potential. Die während der 1950er und 1960er Jahre auch in den sozialistischen (Be-darfs-)Planwirtschaften unzweifelhaft erreichte Anhebung des Lebensstandards und die mit ihr verbundenen Maßnahmen zur allgemeinen sozialen Grundsicherung verblassten demge-genüber. Außerdem traten sehr schnell Gewöhnungseffekte ein, die die sozialen und wirt-schaftlichen Fortschritte neutralisierten.

Dies alles brachte die Parteiführungen der PZPR und der SED in eine Defensivposition und stellte sie auf den ersten Blick vor die Alternative, entweder dem westlichen Entwick-lungspfad in der modifizierten Form einer sozialistischen Konsumgesellschaft zu folgen oder eine produktivitätsorientierte Aufholjagd zu riskieren, um im Systemwettstreit wirt-schaftlich bestehen zu können. Auf den zweiten Blick war hinter dieser Alternative eher eine Reihenfolge als ein Gegensatz zu entdecken. Denn in der Praxis ging es zunächst ein-mal um die kurzfristige Befriedigung aufgestauter Konsumbedürfnisse, mittelfristig aller-dings kam man – im eigenen Interesse – um die Zwänge der dritten industriellen Revolution nicht herum. Im Prinzip stand dies auch nicht in Frage. Der Streit im Jahre 1970 ging darum, ob und inwieweit eine konsum- und sozialpolitische Konsolidierungsphase vorzuschalten war.

Diese für die späten 1960er Jahre charakteristische Konstellation wies jedoch noch eine weitere Konfliktlinie auf, die sich quer durch die Macht- und Funktionseliten der beiden Parteiregime zog. Es handelte sich um eine bemerkenswert divergente Risikoabschätzung. Im Kern reduzierte sich dieses Problem auf die Frage, wie weit man die soziale Leidensfä-higkeit der Bevölkerung strapazieren durfte und vor allem, wie lange die Industriearbeiter-schaft stillhielt. 1970 jedenfalls führte die Verschlechterung der Versorgung mit Lebensmit-teln und Konsumgütern, sei es durch Einschränkung des Angebots, sei es durch Preis-erhöhungen, in Polen zum offenen sozialen Protest. In der DDR nahm die Unzufriedenheit, besonders in der Arbeiterschaft, ebenfalls zu. Die Gefahr eines größeren Konflikts lag zu-mindest in der Luft. Diese Situation trieb den Machtkampf um die Führung in der PZPR wie auch in der SED nahezu zeitgleich voran.

Page 26: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 25 Władysław Gomułka und Walter Ulbricht standen unvermeidlich im Zentrum der Kontro-versen. Beide sahen sich gezwungen, den Kampf aus einer Defensivposition heraus aufzu-nehmen. Im Urteil darüber, wie sie dabei agierten, wird man das biographische Moment relativ stark gewichten müssen. Denn sowohl Ulbricht (1893–1973) als auch Gomułka (1905–1982) befanden sich zu dieser Zeit in einem Alter, in dem man normalerweise be-gonnen hat, sein Lebenswerk zu arrondieren. Auch wenn die beiden Protagonisten keine Anzeichen von Amtsmüdigkeit erkennen ließen, sahen sie sich offenbar aber doch unter Zeitdruck. Dieser resultierte unter den gegebenen Umständen jedoch weniger aus der Kalku-lation mit der knapper werdenden Lebenszeit, als vielmehr aus dem Zwang zur Sicherung der eigenen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Die Zähigkeit, mit der sowohl Gomułka als auch Ulbricht in den späten sechziger Jahren an ihren gesellschafts- und insbe-sondere wirtschaftspolitischen Vorstellungen festzuhalten suchten, spiegelte indirekt die zunehmenden parteiinternen Schwierigkeiten und Widerstände. Selbst wenn sie vor allem und durchaus nicht unbegründet ökonomische Gründe für eine härtere Gangart anführten, ging es zugleich auch um den Versuch, die Fronten in den Spitzengremien der PZPR und der SED zu klären. Doch diese doppelte Zielrichtung barg ein Dilemma: Sie provozierte unvermeidlich Besorgnis und Unruhe in der Bevölkerung, nicht zuletzt auch in den Partei-, Staats- und Wirtschaftsapparaten. Das war Wind in den Segeln der Frondeure.

Es gab noch einen weiteren Grund, der die zwei Senioren in ihrer Konfliktbereitschaft be-stärkte: Während ihrer Amtszeit war der Lebensstandard weiter Bevölkerungskreise ange-stiegen. Im Lichte einer jahrzehntelangen Lebenserfahrung mochte dies als großer Erfolg erscheinen, allerdings verfügte die jüngere Generation nicht über eine solche Perspektive. Sie sah die 1960er Jahre eher im Schatten der heraufziehenden Probleme – und im Ver-gleich mit dem bessergestellten Westen. Die Erklärung, nach den bisher erreichten Erfolgen könne man für einige Zeit mit weiteren sozialen Verbesserungen innehalten und sich auf produktive Investitionen konzentrieren, lag zwar nahe, doch berücksichtigte sie diesen gene-rationellen Unterschied nicht. Um den sich hier anbahnenden Dissens aufzulösen, brachte Ulbricht im Januar 1963 auf dem VI. Parteitag der SED noch ein anderes Argument in Posi-tion. Die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Industriewaren sei „nur die eine Seite der Verbesserung des Lebensstandards“, eine andere bestünde im Sozialismus darin, „daß große Mittel für den gesellschaftlichen Verbrauch aufgewandt werden, wie zum Beispiel für das Gesundheitswesen, Volksbildung, für die Kultur usw.“ Auf diesem Gebiet habe man in der DDR jedoch 1962 bereits die für 1965 vorgesehenen Ziele erreicht.44 Als entscheidende Voraussetzung für eine „weitere Verbesserung der Lebenslage“ nannte er die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die Entwicklung der Wirtschaft „auf der Grundlage des Höchststandes von Wissenschaft und Technik“ und verstärkte Investition.45 Eine zusätzliche sozialpoliti-sche Flankierung erschien ihm dabei nicht notwendig.

Das unterschied sich nicht wesentlich von dem, was Gomułka auch für die PRL ins Auge fasste. Ein symptomatisches Beispiel hierfür bot seine Rede auf dem VI. Gewerkschafts-

44 Walter Ulbricht: Das Programm des Sozialismus und die geschichtliche Aufgabe der Sozialistischen

Einheitspartei Deutschlands, in: Protokoll der Verhandlungen des VI. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. 15. bis 21. Januar 1963 in der Werner-Seelenbinder-Halle zu Berlin, 1. bis 3. Verhandlungstag (Bd. 1). Berlin 1963, S. 155.

45 Ebd., S. 155–157.

Page 27: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

26 Die späten sechziger Jahre

kongress im Juni 1967 in Warschau: Zwischen 1963 und 1966 habe man die Indus-trieproduktion um 35% und die landwirtschaftliche Erzeugung um durchschnittlich 10% gegenüber dem Zeitraum 1959 bis 1962 steigern können. Das Nationaleinkommen habe sich um ca. 30% erhöht. Das hohe Entwicklungstempo beizubehalten sei die wirtschaftspoliti-sche Hauptaufgabe.46 Man werde weiter für Lohnerhöhungen sorgen, sich dabei aber von dem Prinzip leiten lassen, „dass der Anstieg der Verdienste die Möglichkeiten des Staates nicht übersteigt.47 Die staatlichen Ausgaben für die Renten seien von 1959 bis 1966 um 84% angewachsen, während das Nationaleinkommen um 47% zugenommen habe. Gleichwohl müsse man die niedrigsten Renten weiter anheben. Zur Finanzierung sollten in den nächsten drei Jahren Teile der Lohnsteuer und der staatlichen Zuschüsse für den städtischen Nahver-kehr verwendet werden. Eine Zeitlang würden die Renten schneller steigen als die Reallöh-ne. Wenn man aber die Planaufgaben übererfülle, könnten auch die Löhne stärker erhöht werden.48

Inwieweit die Gefahrenmomente einer solchen Politik von den verschiedenen Akteuren wahrgenommen wurden, zeigen zwei relativ frühe Beispiele aus dem Jahr 1967. In der DDR konnte man auf eine als technokratisch zu bezeichnende Variante treffen. So erhielten die Arbeitsgruppen eines nach dem VII. Parteitag der SED gebildeten und von Walter Ulbricht direkt angeleiteten Arbeitskreises für strategische Planung und Prognose im Juli 1967 den Auftrag, „die Parteiführung rechtzeitig zu informieren, wo nach ihrer Auffassung von den Zielen des Perspektivplanes bis 1970 abgewichen wird. Sie sollen rechtzeitig analysieren, ob die im Perspektivplan gestellten Ziele erreicht werden können.“49 Risiken sah die Arbeits-gruppe Sozialpolitik beispielsweise beim Bau von Wohnungen, Schulen und Kinderbetreu-ungseinrichtungen, bei dem vom FDGB organisierten Erholungswesen und bei der Produk-tion von industriellen Konsumgütern heraufziehen.50 Während der zentrale Parteiapparat der SED hier dem kritischen Eventualfall mit rationaler Analyse und Prognose vorzubeugen suchte, schien sich in Polen so etwas wie eine Malaise auszubreiten. Exemplarisch hierfür vertraute Mieczysław F. Rakowski am 9. November 1967 seinem Tagebuch an, im Parteiak-tiv werde immer öfter über eine Erhöhung der Fleischpreise gemunkelt. „Es heißt, dass das unvermeidlich ist. Natürlich ruft das wieder Unzufriedenheit in den Massen hervor. Manchmal gewinne ich den Eindruck, dass uns irgendein Verhängnis auf einen Weg drängt, von dem es keine Umkehr gibt.“51

Die beiden Beispiele deckten zwar das gesellschaftliche Meinungsspektrum bei weitem nicht ab, doch wiesen sie bereits wesentliche Momente einer Stimmungslage auf, die sich bis 1970 noch verstärken sollte. Im Urteil übe die jeweils eigene Situation schwang einige

46 Władysław Gomułka: Przemówienie na VI kongresie Związków Zawodowych, Warszawa, 19 czerwca

1967 r. [Rede auf dem VI. Gewerkschaftskongress, Warschau, 19. Juni 1967], in: ders.: Przemówienia [Reden] 1967, Warszawa 1968, S. 177–225, hier 202f.

47 Ebd., S. 207f. 48 Ebd., S. 208–210. 49 SAPMO-BArch, DY 34, 5033. Fritz Rösel: Weitere Arbeit der Arbeitsgruppe Sozialpolitik beim Ar-

beitskreis des ZK v. 18.7.1967, S. 1. 50 Ebd., S. 2. 51 Mieczysław F .Rakowski: Dzienniki polityczne 1967–1968 [Politische Tagebücher 1967–1968],

Warszawa 1999, S. 92.

Page 28: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 27 Skepsis mit, in Polen mehr als in der DDR. Es mochte hierbei eine Rolle spielen, dass Ul-brichts Wirtschaftsreform trotz ihrer evidenten Schwierigkeiten eine Aufbruchstimmung erzeugt hatte, die noch bis zum Ende der 1960er Jahre vorhielt.

Bei allen Unterschieden handelte es sich in der DDR wie in Polen um systeminterne Spannungen. Sie entstanden zwischen einzelnen Personen oder auch Gruppen innerhalb der Parteiführungen, die sich jeweils auf Teile der Macht- und Funktionseliten stützten. Wäh-rend es aber zwischen ihnen vor allem um taktische Kontroversen und selbstverständlich auch um Einfluss und Macht, nicht jedoch um die existentielle Systemfrage ging, lag die entscheidende sozial und politisch bestimmte Bruchzone im Grenzbereich zwischen diesen Eliten und einer dem jeweiligen Parteiregime mehr oder minder kritisch gegenüberstehen-den Mehrheit der Bevölkerung. Sie lässt sich als fragiler Kontaktbereich zweier tektonischer Platten in ein Bild übersetzen. Wie bei diesen kann selbst ein spannungsvolles Verhältnis längere Zeit ohne Folgen bleiben, es kann sich aber auch durch allmähliche Bewegungen der Platten entspannen, und schließlich besteht auch die Möglichkeit abrupter Erdbeben. Die sich hier entlangziehende Konfliktlinie hatte systemsprengendes Potential. Im Dezember 1970 konnten die Zeitgenossen in den beiden hier zu betrachtenden Fällen die eine wie die andere Variante erleben.

Das Besondere an dieser Konstellation war ihre Asymmetrie. Aufgrund ihres umfassen-den und anfangs gewiss auch totalitär gemeinten gesellschaftspolitischen Gestaltungsan-spruchs hatten sich SED und PZPR gemäß der Lehre von der „Partei neuen Typus“ gewollt und sehenden Auges in eine Situation manövriert, in der sie für nahezu alle bei der täglichen Lebensbewältigung auftretenden Schwierigkeiten haftbar gemacht werden konnten. In der Praxis ergab sich daraus eine eigenartige Verquickung von Politischem, Wirtschaftlichem und Sozialem. Das Agieren der Staatsparteien nahm in vieler Hinsicht patriarchalische Züge an, was Lepsius’ Erklärung der DDR als integrierte Hauswirtschaft stützt. Mutatis mutandis galt das auch für die PRL, wenngleich dort in der Landwirtschaft die private Subsistenzwirt-schaft als ein anderer Typ von Hauswirtschaft verbreitet blieb.

Einer „industriellen integrierten Hauswirtschaft“ entsprach auch die oft zitierte Betriebs-förmigkeit von Gesellschaften sowjetischen Typs. Der Soziologe Wolfgang Engler beleuch-tete vor diesem Hintergrund die Konsequenzen des Postulats von der Macht der Arbeiter-klasse in der DDR: In Wirklichkeit hätten die ostdeutschen Arbeiter zwar nie die politische Macht ausgeübt, aber in einer von der Arbeiterschaft sozial und kulturell dominierten Ge-sellschaft seien die anderen Teilgruppen mehr oder weniger „verarbeiterlicht“. „Anschauun-gen, Meinungen, Konventionen, Kleidungs- und Konsumgewohnheiten und nicht zuletzt die Alltagssitten richteten sich nach den Normen und Idealen der arbeitenden Klasse.“52 Diese Aussage wird man in solcher Absolutheit nicht unbedingt teilen müssen. Allein schon durch westliche Einflüsse erfuhr diese „Arbeiterlichkeit“ eine Relativierung. Zudem dürfte die „Verarbeiterlichung“ in Polen angesichts einer noch immer quantitativ starken ländlichen Gesellschaft und einer höchst einflussreichen katholischen Kirche nicht in dem Maße um sich gegriffen haben, wie dies in der DDR der Fall war. Gleichwohl war auch in der PRL

52 Wolfgang Engler: Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land, Berlin, 2. Aufl. 2000, S. 200.

Page 29: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

28 Die späten sechziger Jahre

eine „eigentümliche ‚Verehrung‘ der Arbeiter durch andere gesellschaftliche Gruppen“ zu verzeichnen.53

Zweifellos benennt Engler eine wichtige Tendenz, die mit dem Ende der DDR und der PRL 1989/90 nicht abbrach. Sie setzte sich in der Transformationsperiode fort, weil sie – von den sozialen Voraussetzungen her stark verändert und politisch nicht mehr gewollt – mental immer noch verankert blieb. Von der sozialistischen Alltagsrealität und der politi-schen Inszenierung der „Arbeiterklasse“ ging eine stark nivellierende Wirkung aus. Dies hatte weitreichende Konsequenzen für das Herrschaftssystem, die Wirtschafts- und Sozial-politik, für die Ausformung sozialer Milieus, für die Arbeitsbeziehungen und nicht zuletzt für die Konfliktszenarien. Im Zeitraum der späten 1960er und frühen 1970er Jahre jedenfalls kennzeichnete es die Situation, dass die Arbeiter sowohl im Konflikt mit der Staatsmacht als auch bei den Auseinandersetzungen innerhalb der Machteliten, ebenso wie in deren Bemü-hen um Konsens zwischen den Akteuren immer im Zentrum der Aufmerksamkeit standen. Die Arbeiterschaft war hierbei Objekt und Subjekt zugleich. Die Tektonik der sozialen Interessenlagen wurde zu dieser Zeit massiv durch die Aussicht oder, wenn man so will, durch die Gefahr einer Stagnation des Lebensstandards breiter Bevölkerungsschichten beeinflusst. In diesem Punkt kristallisierte sich für die Parteiregime Mittel- und Osteuropas ein ernstzunehmendes Gefahrenmoment heraus. Wieder, wie bereits 1966, war es die sowjetische Parteispitze um Leonid I. Breschnew, die diese Entwicklung nicht nur mit wachsender Sorge betrachtete, sondern auch thematisierte. Das geschah durch-aus nicht intern, sondern mit maximalem Öffentlichkeitsanspruch auf einer 1969 in Moskau tagenden internationalen Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien, zum ande-ren bei den Feierlichkeiten zum Lenin-Jubiläum im Jahr 1970. Jenseits der obligaten Er-folgsrhetorik konnten aufmerksame Beobachter bei diesen Gelegenheiten Auskunft zur historischen Selbstverortung der einzelnen Staatsparteien in den Ländern des sowjetischen Blocks und über ihre Handlungsspielräume erlangen. Das Bild wies einige erhebliche Trü-bungen auf.

Als am 17. Juni 1969 in Moskau die zwölf Tage zuvor begonnene Beratung der Vertreter von 75 kommunistischen und der kommunistischen Bewegung nahestehenden Arbeiter-parteien zu Ende ging, erwähnte das Kommuniqué, dass das Hauptdokument „Die Aufgaben des Kampfes gegen den Imperialismus in der gegenwärtigen Etappe und die Aktionseinheit der kommunistischen und Arbeiterparteien, aller imperialistischen Kräfte“ nicht einhellig angenommen worden sei. Neben den kleinen Kommunistischen Parteien Australiens, San Marinos und Réunions war es vor allem die noch immer große und einflussreiche Italieni-sche Kommunistische Partei (PCI) unter Enrico Berlinguer, die nur dem Abschnitt über den Kampf gegen den Imperialismus uneingeschränkt zustimmte.54 In seinem Redebeitrag hatte Berlinguer die Gründe dafür genannt. Es gebe „keine volle Einheit“ unter den revolutionä-

53 Jędrzej Chumiński/Krzysztof Ruchniewicz: Arbeiter und Opposition in Polen 1945–1989, in: Peter

Hübner/Christoph Kleßmann/Klaus Tenfelde (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologischer An-spruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 425–451, hier 427.

54 Kommuniqué über die Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien, in: Interna-tionale Beratung, S. 9–11, hier 10.

Page 30: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 29 ren Kräften, man könne sogar von einer Krise des Internationalismus sprechen.55 Das zielte auf die Politik der Sowjetunion in der tschechoslowakischen Krise. In Italien, so Berlinguer weiter, suche die KP den Weg zum Sozialismus „in einem pluralistischen und demokrati-schen politischen System“.56 Generell könne es kein „einheitliches und für alle Situationen taugliches Modell der sozialistischen Gesellschaft geben“. Es gehe dabei nicht nur um nati-onale Besonderheiten, vielmehr vollziehe sich die gesellschaftliche Entwicklung „immer (und nur) innerhalb einer bestimmten, historisch bedingten und einmaligen Wirklichkeit“.57

Breschnew warnte indes vor einem Revisionismus rechter und linker Spielart, erblickte aber im „Rechtsopportunismus“ offenbar die größere Gefahr. Dieser gehe in manchen sozia-listischen Ländern „bis zur Negierung der führenden Rolle der marxistisch-leninistischen Partei, was zur Preisgabe der vom Sozialismus errungenen Positionen, zur Kapitulation gegenüber den antisozialistischen Kräften führen“ könne.58 Eine solche Aussage stand noch ganz unter dem Eindruck der Krise in der ČSSR, und der Generalsekretär der KPdSU ging offensichtlich von einem Fortbestand dieser Gefahr aus. Aber auch in anderer Hinsicht deu-tete er eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit den Fragen an, vor denen die regierenden kommunistischen Parteien standen: „Natürlich kann man nicht sagen, die Wege zur Lösung aller Probleme seien bereits gefunden, wir wüßten und könnten bereits alles.“59

Solche Töne waren neu. Die ungewöhnliche Bescheidenheit zielte zuerst auf das Verständ-nis der eigenen Verbündeten für die nicht zu verheimlichenden inneren Probleme der Sow-jetunion. Zum anderen aber gab es wohl auch einen Zusammenhang mit zwei hier besonders interessierenden Passagen im Hauptdokument der Konferenz. Die eine lautete: „Die sozial-politische Labilität des Kapitalismus hat zugenommen. In vielen Ländern brechen politische und soziale Krisen aus, in deren Verlauf sich breite werktätige Massen der Notwendigkeit tiefer, entscheidender Veränderungen bewußt werden.“60 An anderer Stelle hieß es, der „Beitrag des sozialistischen Weltsystems zur gemeinsamen Sache der antiimperialistischen Kräfte“ werde „vor allem durch seine wachsende wirtschaftliche Macht bestimmt“.61 Kenn-zeichnend für die „weitere Vervollkommnung“ seien eine „wachsende politische Aktivität der Werktätigen, die Stärkung der Eigeninitiative ihrer gesellschaftlichen Organisationen, die Erweiterung der Rechte der Persönlichkeit, der unversöhnliche Kampf gegen Erschei-nungen des Bürokratismus sowie die allseitige Entwicklung der sozialistischen Demokra-tie“.62 Damit verband sich ein ausdrücklicher Hinweis auf die wissenschaftlich-technische Revolution, nicht jedoch auf soziale und sozialpolitische Konsequenzen. Auf diese merk-würdige Fehlstelle wird zurückzukommen sein.

55 Rede des Genossen Enrico Berlinguer, in: ebd., S. 462–483, hier 471. 56 Ebd. S. 470. 57 Ebd. S. 469. 58 Rede Breschnew, S. 194. 59 Ebd., S.185. 60 Die Aufgaben des Kampfes gegen den Imperialismus in der gegenwärtigen Etappe und die Aktionsein-

heit der kommunistischen und Arbeiterparteien aller antiimperialistischen Kräfte. Angenommen von der Internationalen Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien in Moskau am 17. Juni 1969, in ebd., S. 12–46, hier 22.

61 Ebd., S. 25. 62 Ebd., S. 26.

Page 31: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

30 Die späten sechziger Jahre

Sie war auch im Redebeitrag des Ersten Sekretärs der PZPR zu bemerken. Władysław Gomułka prophezeite, dass die sozialistischen Länder in den siebziger Jahren eine „qualita-tiv neue Entwicklungsstufe der modernen Produktion erreichen werden“. Es gehe um die „Verschmelzung des Sozialismus mit der gegenwärtigen wissenschaftlich-technischen Re-volution“.63 Auch hier fehlte jeder Hinweis auf soziale Probleme. Bemerkenswert erschien indes die Anmerkung, angesichts der unterschiedlichen Wirkungsbedingungen vollziehe „sich innerhalb der kommunistischen Bewegung eine Differenzierung der politischen An-sichten und Standpunkte zu vielen wesentlichen Problemen des revolutionären Kampfes, in bezug auf die Methoden des sozialistischen Aufbaus wie auch die Aktionsrichtungen in internationalem Maßstab.“ Eine solche Differenzierung sei „gewissermaßen ein Nebenpro-dukt der Entwicklung unserer Bewegung, der Ausdehnung ihrer Einflußsphäre und der Zu-nahme ihrer Macht“.64 Wer wollte, konnte dies als Plädoyer für erweiterte politische Spiel-räume deuten. Gomułka bekräftigte damit im Grunde nur seine seit 1956 vertretene Position, für die der Begriff des „Nationalkommunismus“ geprägt worden ist.

Etwas anders argumentierte Walter Ulbricht, der das Interesse der DDR am Rückhalt durch die „sozialistische Staatengemeinschaft“ betonte. Der Herausforderung durch die wissenschaftlich-technische Revolution könne kein sozialistisches Land allein genügen, vielmehr müsse man auf eine verstärkte wirtschaftliche Integration setzen.65 Doch auch hier blieb der soziale Aspekt ausgespart. Er tauchte dann aber im Rahmen einer Polemik gegen die Bundesrepublik Deutschland auf: „Im Prozeß der wissenschaftlich-technischen Revolu-tion wächst in Westdeutschland die soziale Unsicherheit.“66 Zuvor schon hatte Leonid I. Breschnew auf die „außergewöhnlichen Möglichkeiten“ hingewiesen, die sich aus der Ent-wicklung von Wissenschaft und Technik ergeben. In Anbetracht dessen trete aber „beson-ders deutlich die Unfähigkeit des Imperialismus zutage, die Gesellschaft von Armut und Not zu befreien“.67 Breschnew ging zwar im Weiteren auf den ökonomischen Wettbewerb zwi-schen den Systemen ein und konstatierte wachsende wirtschaftliche Leistungen der RGW-Länder und eine Verbesserung des Lebensstandards, doch im Hinblick auf die industrielle Revolution erwähnte auch er keine sozialen Risiken.

Ähnlich setzten auch andere Parteiführer in ihren Reden die Akzente. Während man dem „Imperialismus“ bescheinigte, mit der dritten industriellen Revolution in eine neue Phase sozialer Unsicherheiten und Konflikte einzutreten, wurde die beschleunigte Entwicklung von Wissenschaft und Technik zwar als Herausforderung gesehen, doch traute man sich offenbar zu, soziale Risiken zu beherrschen.

Diese Argumentationslinie wurde auch im folgenden Jahr durchgehalten. Vor allem der am 21. April 1970 gefeierte hundertste Geburtstag Lenins bot Gelegenheit, von der Dauer-haftigkeit und Zukunftsfähigkeit des kommunistischen Gesellschaftssystems zu künden und dabei den Führungsanspruch der KPdSU zu erneuern. Immerhin hatte Lenin in der Oktober-revolution von 1917 die russischen Bolschewiki nicht nur an die Macht geführt, sondern er hatte auch in den folgenden Jahren maßgebenden Anteil daran, „daß die bolschewistische

63 Rede des Genossen Władysław Gomułka, in: ebd., S. 116–132, hier 118. 64 Ebd., S. 125. 65 Rede des Genossen Walter Ulbricht, in: ebd., S. 267–286, hier 270. 66 Ebd., S. 279. 67 Rede Breshnew, in: ebd., S. 178.

Page 32: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 31 Herrschaft den Herausforderungen und Belastungen standhielt“.68 Mehrere große Konferen-zen mit internationaler Beteiligung sollten diese Erfolgsgeschichte präsent halten: Vom 19. bis 23. Januar 1970 tagte die kommunistische Prominenz zum Thema „Über die wachsende Rolle des Leninismus in der gegenwärtigen Epoche und die Auseinandersetzung mit dem Antikommunismus“; bereits am 27. Januar schloss sich die bis zum 30. des Monats dauern-de Konferenz „Das sozialistische Weltsystem – die Verkörperung der Ideen des Leninis-mus“ an. Vom 24. bis 26. Februar folgte die Tagung „Der Leninismus und der revolutionäre Weltprozeß“. In jedem Fall war der Veranstaltungsort Moskau. Am 16. April zog man zur Einweihung eines großen Lenin-Memorials nach Uljanowsk, Lenins Geburtsstadt, wohin der Zentralrat der sowjetischen Gewerkschaften zu einem zweitägigen internationalen Ge-werkschaftstreffen eingeladen hatte.

Die Weichen zu diesem imposanten Aufwand waren auf der bereits erwähnten „Interna-tionalen Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien“ im Juni 1969 in Moskau gestellt worden.69 Vor allem schien das Lenin-Jubiläum 1970 eine günstige Gelegenheit zu bieten, um die Wogen zu glätten, die von der Besetzung der ČSSR im August 1968 noch immer ausgingen. Auch bestand die Hoffnung, man werde die Maoisten in Peking und die Eurokommunisten in Rom unter Verweis auf die Allgemeingültigkeit des „Leninismus“ und die daraus resultierende Führungsrolle der Sowjetunion in die Schranken weisen können. Mit Thesen, Konferenzen, Produktionswettbewerben u.ä. nahm die Kampagne zum 100. Geburtstag Lenins selbst für die in dieser Hinsicht schon einiges gewohnten mittel- und osteuropäischen Gesellschaften ungewöhnliche Dimensionen an. In gewisser Weise glich das zwischen Elbe und Stillem Ozean begangene „Leninjahr“ 1970 einem Gartenfest, des-sen Teilnehmer sich schon während der Party mit kleinen Gemeinheiten traktierten und zu guter Letzt auch noch von Sturm und Hagel überrascht wurden. Um im meteorologischen Bilde zu bleiben, ließe sich die Situation so beschreiben: Das Zentrum des Unwetters ballte sich in der zweiten Jahreshälfte 1970 über Polen zusammen, während sich ein Nebentief über der DDR ausbreitete. Die ČSSR lag unterdessen unter den dichten Nebelschichten der „Normalisierung“. In der PRL stürzte noch im Dezember 1970 einer der großen Protagonis-ten, Władysław Gomułka. Zur gleichen Zeit begannen in der DDR die Frondeure in der Parteispitze der SED am Stuhl des Ersten Sekretärs zu sägen. Wenige Monate darauf musste auch Walter Ulbricht zurücktreten. All dies geschah unter Verwendung sozialer Argumente. Sicher wird man die hier erwähnten Konferenzen und andere propagandistische Aktivitäten in ihrer Bedeutung für das weitere Geschehen nicht überbewerten dürfen. Gleichwohl fällt auf, wie sehr – kontrastierend mit den folgenden Ereignissen – soziale Problemlagen und Risiken im Hintergrund blieben. In den parteiinternen Diskussionen spielten sie zwar eine Rolle, doch vermied man es zu dieser Zeit offensichtlich, die Beziehungen innerhalb des sowjetischen Blocks mit diffizilen Aspekten der nationalen und internationalen Sozialpolitik zu belasten. Zwei hierfür maßgebende Gründe verdienen ins Blickfeld gerückt zu werden: Erstens war die sowjetische Seite angesichts wachsenden Eigenbedarfs darum bemüht, die bisher häufiger praktizierten Hilfslieferungen an die „Bruderländer“ zu verringern. Zweitens

68 Hildermeier, Geschichte der Sowjetunion, S. 118. 69 Zum 100. Geburtstag Wladimir Iljitsch Lenins. Aufruf der Internationalen Beratung der kommunisti-

schen und Arbeiterparteien, in: Internationale Beratung, S. 47–49.

Page 33: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

32 Die späten sechziger Jahre

schienen die bestehenden sozialen und politischen Spannungen für keines der Parteiregime existenzbedrohend zu sein. Sie waren im Prinzip auch nicht neu. Seit den fünfziger Jahren hatte sich ein Verlaufsmuster durchgesetzt, das einer Pendelbewegung zwischen sozial- und wirtschaftspolitischen Schwerpunktsetzungen glich. Die Ausschläge dieses Pendels waren bereits in den Krisen von 1953 und 1956 zu beobachten. Auch wenn es trotz sozialer Zuge-ständnisse nie gelang, ein stabiles Gleichgewicht zu erreichen, war in der längerfristigen Tendenz aber doch ein Anstieg der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wie auch des Le-bensstandards zu konstatieren. Im Umgang mit diesem Pendelphänomen erlangte das Füh-rungspersonal der PZPR und der SED im Laufe der Zeit durchaus eine gewisse Routine.70

5. Gewaltpotentiale sozialen Protests

Angesichts der Vorgänge vom Dezember 1970 in Polen scheint es müßig, die Frage nach der Möglichkeit eines gewaltsamen Konfliktverlaufs zu stellen. Allerdings bleibt die interes-santere Frage nach dessen Voraussetzungen zu erörtern. Sie stellt sich um so eher, wenn man den Dezember 1970 in Polen mit dem völlig andersartigen Geschehen in der DDR vergleicht.71

Im Lichte der marxistisch-leninistischen Gesellschaftstheorie war die Anwendung von Gewalt in sozialen Konflikten grundsätzlich positiv konnotiert, soweit diese als „fortschritt-lich“ zu definieren waren. Das marxistische Klassenkampfkonzept schloss die Gewaltvari-ante ausdrücklich ein: Gewalt war nach Marx „der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst ist eine ökonomische Potenz“.72 Lenin hatte später zwar angemerkt, dass „Gewalt gegen Menschen nicht unserem Ideal entspricht“73 und der Sozialismus „überhaupt gegen die Gewaltanwendung Menschen gegenüber“, aber nicht gegen „revolutionäre Gewalt“ sei. Ohne „die Bedingungen zu analysieren, die die reaktionä-re von der revolutionären Gewalt unterscheiden“ sei man ein Spießbürger, „der sich von der Revolution lossagt“.74

Wie sich bald zeigen sollte, konkretisierte sich diese Dialektik noch zu Lenins Lebzeiten und danach unter Stalin zu massivem Gewalteinsatz selbst im Inneren. Das Beispiel der Sowjetunion und nach dem Zweiten Weltkrieg auch der in ihrem Machtbereich gelegenen Staaten zeigte, in welch erschreckendem Maße Gewalt noch Jahre nach der kommunisti-

70 Vgl. u.a. Christoph Kleßmann: Arbeiter im „Arbeiterstaat“ DDR. Deutsche Traditionen, sowjetisches

Modell, westdeutsches Magnetfeld (1945 bis 1971), Bonn 2007, bes. S. 379–398; Eisler, Polski rok 1968, S. 28–31.

71 Die folgenden Abschnitte des Kapitels basieren auf einer bereits im Jahr 2004 veröffentlichten Studie. Vgl. Peter Hübner: Arbeitskampf im Konsensgewand? Zum Konfliktverhalten von Arbeitern im „rea-len“ Sozialismus, in: Bispinck u.a., Aufstände im Ostblock, S. 195–213.

72 Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Bd. 1: Der Produktionsprozeß des Kapitals (= Marx-Engels-Werke, Bd. 23), Berlin 1965, S. 779.

73 W. I. Lenin: Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den imperialistischen „Ökonomismus“, in: ders.: Werke. Bd. 23, Berlin 1978, S. 18–71, hier 64.

74 Ders.: Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, in: W.I. Lenin: Werke. Bd. 28, Berlin 4. Aufl. 1972, S. 225–327, hier 285.

Page 34: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 33 schen Machtergreifung Anwendung finden konnte. Auch wenn nach 1956 eher moderate Herrschaftspraktiken bevorzugt wurden, schwebte die Möglichkeit eines rabiaten Einsatzes staatlicher Gewalt und sowjetischer Militärintervention jederzeit wie ein Damoklesschwert über den Ländern des Ostblocks. Der 21. August 1968 war im zeitgenössischen Publikum noch höchst gegenwärtig. Hieran anschließend stellen sich mit Blick auf den Dezember 1970 zwei Fragen: Erstens, wie sind vor diesem Hintergrund die gewalttätigen Auseinander-setzungen in einigen polnischen Industriestädten zu beurteilen? Zweitens, sind die Zuspit-zung und die mehr oder minder gelungene Lösung sozialer Probleme in der DDR wirklich als gewaltfreier Prozess zu beschreiben? Ohne der Darstellung und Interpretation dieser Vorgänge vorzugreifen, dürfte ein kurzer Blick auf die Grundzüge des Gewaltphänomens im sozialen Protestverhalten nützlich sein.

a) Konflikttarnung

Um 1970, ein Vierteljahrhundert nach der Ausweitung des sowjetischen Machtbereichs auf Mittel- und Südosteuropa und nach einer Reihe einschlägiger Lektionen, galt sozialer Pro-test im „realen“ Sozialismus allen Beteiligten als eine heikle Angelegenheit. Gleichwohl gab es ihn, ganz offensichtlich im Widerspruch zur kommunistischen Doktrin, aber in Formen, in denen die Erfahrungen dieser zweieinhalb Jahrzehnte zu Buche schlugen. Im „Arbeiterstaat“ streiken und protestieren Arbeiter nicht gegen sich selbst, sinnvollerwei-se legen sie weder den „eigenen“ Betrieb lahm, noch wenden sie sich gegen den „eigenen“ Staat und erst recht nicht stellen sie die Führungsrolle der Partei in Frage. So etwa lautete ein von den späten vierziger Jahren bis in die achtziger Jahre immer wieder anzutreffendes Argument der politischen Machtsicherung. Macht- und Funktionseliten versuchten, sich und das politische System als „Diktatur des Proletariats“, als „Arbeiter- und Bauernmacht“, als „Arbeiterstaat“ oder auch als „Staat des ganzen Volkes“ von einer historischen Mission der Arbeiterklasse her zu legitimieren. Jeder Konflikt, in dem Arbeiter mit kommunistischen Macht- und Funktionseliten aneinandergerieten, musste solche grundlegenden Legitimati-onspostulate des jeweiligen Parteiregimes gefährden.

Weil es aber trotzdem und unleugbar Arbeitsstreitigkeiten in den Betrieben gab und ab und an auch Arbeiterprotest gegen die Parteiherrschaft aufflammte, gehörte es zu den zent-ralen Funktionen des Krisenmanagements, den Konflikt nicht als Zusammenstoß zwischen Arbeitern und Partei erscheinen zu lassen. Im Laufe der Zeit entstand eine Kultur von Ar-rangements, die Dieter Segert ein „ritualisiertes Einverständnis“75 und Martin Sabrow eine „Konsensdiktatur“76 genannt haben. Auf einen einfachen Nenner gebracht, ging es mit dem Ziel der Konfliktvermeidung und Regimelegitimation um einen Tausch: Uns die Macht, 75 Dieter Segert: Die Grenzen Osteuropas: 1918, 1945, 1989. Drei Versuche im Westen anzukommen,

Frankfurt a.M./New York 2002, S. 130. 76 Martin Sabrow: Der Konkurs der Konsensdiktatur. Überlegungen zum inneren Zerfall der DDR aus

kulturgeschichtlicher Perspektive, in: Konrad H. Jarausch/Martin Sabrow: Weg in den Untergang. Der innere Zerfall der DDR, Göttingen 1999, S. 83–116, hier 83; Martin Sabrow: Einleitung: Geschichts-diskurs und Doktringesellschaft, in: ders. (Hg.): Geschichte als Herrschaftsdiskurs. Der Umgang mit der Vergangenheit in der DDR, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 9–35, hier bes. 11–18.

Page 35: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

34 Die späten sechziger Jahre

euch Arbeit und Brot. Die Konstellation erwies sich seit Mitte der fünfziger Jahre, als man nach und nach von einem harten Repressionskurs abkam, bis in die späten achtziger Jahre als stabil genug, um viele Arbeitskonflikte in statu nascendi aufzufangen und zu entschär-fen. Man wird dies nicht unbedingt als Ergebnis eines gezielten Kompromisses betrachten dürfen, durch den beide Seiten erneute Handlungsfreiheit erlangten. Vielmehr zeigten sich die Akteure – Machtelite, Dienstklasse und Arbeiterschaft – stark auf Konfliktmuster fixiert, die sich als Konsens tarnen ließen. Soziale Konflikte wurden oft, aber nicht immer, in einer politischen Konsenshülle ausgetragen.

Das nahm zwar Druck aus dem Kessel, doch Konfliktpotential entstand immer neu.77 Zu nennen sind sowohl externe Faktoren wie das Beispiel westlicher Konsumgesellschaften, als auch der systemimmanente Zielkonflikt zwischen Modernisierungsinvestitionen und der Erhöhung des Lebensstandards einschließlich des Ausbaus der sozialen Sicherungssysteme. Hinzu kamen in nicht unerheblichem Maße Rüstungslasten und die Kosten der umfangrei-chen Partei- und Staatsapparate. Knappe Ressourcen und Steuerungsdefizite der zentralisier-ten Planwirtschaften ließen in allen Ländern des sowjetischen Blocks ein einigermaßen dauerhaftes Gleichgewicht gar nicht zu. Wirtschafts- und Sozialpolitik, Investition und Kon-sumtion befanden sich aus diesem Grund in der schon erwähnten ständigen Pendelbewe-gung, die oft deutlich von den ursprünglichen Planungszielen abwich.78 Soweit die aus der Sekundärliteratur verfügbaren Informationen über Arbeitskonflikte in den sozialistischen Ländern Mittel- und Osteuropas erkennen lassen, hatten die meisten direkt oder indirekt mit den aus solchen Pendelbewegungen resultierenden politischen Kursänderungen und sozialen Belastungen zu tun. In der überwiegenden Zahl der Fälle handelte es sich zunächst um Ab-wehrrektionen der Arbeiter gegen erwartete sozial- und lohnpolitische Einschnitte. Eine annähernde Übereinstimmung der Konfliktstruktur war damit vorgezeichnet, auch wenn nationale, regionale oder lokale Bedingungen variierten und das Konfliktverhalten beein-flussten.

Diese Vielfalt macht jeden Versuch problematisch, die wesentlichen Merkmale von Ar-beitskonflikten zu einem typischen Muster zu verknüpfen. Gleichwohl erscheint es trotz aller in den Voraussetzungen wie auch im Umfang, Verlauf und Ergebnis solcher Konflikte zu beobachtenden Unterschiede sinnvoll, Standardkonstellationen und Grundstrukturen festzustellen. Zudem ist es evident, dass solche Einschnitte in der Geschichte der DDR und der PRL wie 1953, 1956, 1970, 1976 und 1980 auch als Hauptzäsuren einer Konfliktge-schichte zu betrachten sind.

Konfliktgeschichtliche Spannungsbögen verlaufen vom Einsetzen der Entstalinisierungs-krise zum ersten Wechsel der Konfliktstrategien in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. Von dort reicht der durch Zielkonflikte zwischen Investition und Konsumtion bestimmte zweite Bogen bis in die späten sechziger Jahre. An der Zäsur von 1970 setzt der nächste

77 Am Beispiel der Sowjetunion zeigt das Franz-Xaver Kaufmann: Der Deutsche Sozialstaat im internati-

onalen Vergleich, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Berlin/Bonn, Bundesarchiv Koblenz (Hg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 1: Grundlagen der Sozialpo-litik, Baden-Baden 2001, S. 799–989, hier 827–843.

78 Allgemein hierzu Iván T. Berend: Central and Eastern Europe 1944–1993. Detour from the periphery to the periphery, Cambridge/New York/Melbourne 1996.

Page 36: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 35 Bogen an, der mit der Betonung von Konsum- und Sozialpolitik lange trug, aber mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit kein sicheres Widerlager mehr fand.

b) Wandel der Konfliktmuster

Im Verlauf dieser Entwicklung wechselten die Konfliktmuster, denen die regierenden Staatsparteien in ihrer Politik folgten. Zunächst dominierte ein exogenes Konfliktmuster. Insbesondere nach Stalins These von der gesetzmäßigen Verschärfung des Klassenkampfes konnte Arbeiterprotest als Wirken des „Klassenfeindes“ mit allen der „Diktatur des Proleta-riats“ zu Gebote stehenden Mitteln bekämpft werden. Selbst ganz banale innerbetriebliche Kontroversen unterlagen von daher leicht einer grundsätzlichen Politisierung und Kriminali-sierung. Dieser Art einer Konfliktlösung näherte sich der Juni-Aufstand von 1953 in der DDR in gefährlicher Weise, doch leitete er auch einen Übergang zu flexiblerem Konflikt-verhalten ein. Ob das Ergebnis als „Post-Terror“ treffend bezeichnet ist, mag dahingestellt bleiben.79 Zumindest veranlasste die neue sowjetische Führungstroika die SED-Spitze zum „Neuen Kurs“, also parallele zur harten Repression zu einer sozialen Befriedungstaktik. Auch die zur gleichen Zeit einsetzenden Proteste in Ungarn und in der Tschechoslowakei erfuhren durch Rückzieher der politischen Führung eine, wenn auch mühsame, Deeskalati-on. Generell wandelte sich während der bis in die späten 1950er Jahre anhaltenden Entstalinisie-rungskrise in den sozialistischen Arbeitsgesellschaften Mittel- und Osteuropas der Umgang mit Konflikten.80 Zwar floss noch Blut, wie im Juni 1956 im polnischen Poznań und im Oktober/November desselben Jahres in Ungarn. Aber parallel dazu vollzog sich im Verhält-nis zwischen Parteiregimes und Arbeiterschaft eine Schwerpunktverschiebung von exoge-nen zu endogenen Konfliktmustern. Früher als anderswo war das in der DDR und in der ČSR zu bemerken, also Ländern, in denen es 1953 zu schweren Krisen gekommen war. Nach dem Machtantritt Władysław Gomułkas setzte sich dieser Trend auch in Polen durch. Mit einiger Verzögerung machte er sich ebenso in Ungarn unter János Kádár bemerkbar.

Man kann hierin eine allmähliche Abkehr vom Politikverständnis der Stalinzeit erkennen. Die Schocks von 1953 und 1956 hatten zumindest Teilen der Machteliten die Überzeugung nahegelegt, dass harte Repression selbst im Fall kleiner Konflikte das Verhältnis zwischen Arbeitern und Partei nur unnötig belasten würde. Vorteilhafter schien eine partielle Entpoli-tisierung solcher Konfliktfelder zu sein, die den Macht- und Gestaltungsanspruch der Par-teiherrschaft nicht unmittelbar tangierten. Gerade in den für Mangelwirtschaften charakteris-tischen Ziel- und Verteilungskonflikten bestätigte sich diese Annahme. Mit einem einigermaßen geschickten Ressourcenmanagement ließen sie sich zu einem gewissen Grad entschärfen. Versorgungsengpässe etwa konnte man durch Umverteilung zwischen einzel-

79 Stephane Courtoise u.a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus: Unterdrückung, Verbrechen und Ter-

ror. Mit dem Kapitel „Die Aufarbeitung des Sozialismus in der DDR“ von Joachim Gauck und Ehrhard Neubert, München/Zürich 1998, S. 480.

80 Grzegorz Ekiert: The state against society. Political crises and their their aftermath in East Central Europe, Princeton/N.J. 1996.

Page 37: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

36 Die späten sechziger Jahre

nen Verwaltungseinheiten mildern, gegebenenfalls wurde auch auf die Staatsreserve zu-rückgegriffen, und nicht zuletzt war auf Hilfslieferungen der sowjetischen Führungsmacht zu hoffen. Das gesamte Instrumentarium fand bereits in den fünfziger Jahren Anwendung, bis es schließlich in den siebziger Jahren, als die Sowjetunion Zeichen einer Überforderung signalisierte, in die Krise geriet.81

Die Strategie sozialer Befriedung kann in ihrer Bedeutung für das Konfliktverhalten von Arbeitern kaum überschätzt werden. Sie wirkte beschwichtigend und verringerte teilweise auch das Legitimationsdefizit der Staatsparteien.82 Auch die 1959 in den Ländern des sowje-tischen Blocks ausgearbeiteten Siebenjahrpläne mit ihren hochgesteckten Zielen zur Verbes-serung des Lebensstandards sind in diesem Kontext zu sehen.83 Insofern ist in dieser von Chruschtschow initiierten Politik bereits eine Vorstufe zu dem dann um 1970 erfolgenden Strategiewechsel zu erkennen.84 Auf der anderen Seite blieb auch in den sechziger Jahren der Primat eines wirtschaftspolitischen Wachstums- und Modernisierungskurses gültig, zunehmend belastet allerdings durch die Rüstung. Wie sich bald zeigen sollte, lag hierin viel neues Konfliktpotential. Die seit 1956 im Umgang mit der Arbeiterschaft eingetretenen Veränderungen sind oft be-schrieben worden.85 Sie bündelten sich vor allem im Versuch einer Arbeitermitbestimmung in den Betrieben und in der Erweiterung von Leistungsanreizsystemen. Man begann konsul-tative Mitwirkungsmodelle zu installieren, die ausdrücklich eine Beteiligung von Arbeitern vorsahen. Die Fabrikkomitees und Arbeiterräte in Polen, Arbeiterkomitees und Ständigen Produktionsberatungen in der DDR wie auch die gewerkschaftlichen Betriebsausschüsse in der ČSR lassen sich als Beispiele anführen.86 Auch passte sich die Praxis der Ermittlungs- und Strafverfolgungsorgane der neuen Situation an. Von der Klassenkampfattitüde auch

81 Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München, 4. Aufl.

2000, S. 583–588. 82 Vgl. u.a. Stephan Hornbostel: Spätsozialismus, Legitimierung und Stabilität, in: Christoph Boyer/Peter

Skyba (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen: zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999, S. 13–25.

83 Vgl. u.a. Rolf Walter: Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/ Wien 2000, S. 287f.

84 Peter Hübner/Jürgen Danyel: Soziale Argumente im politischen Machtkampf: Prag, Warschau, Berlin 1968–1971, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 50 (2002), S. 804–832.

85 Vgl. hierzu die weiterführenden Länderstudien in: Harald Roth (Hg.): Studienhandbuch östliches Euro-pa, Bd. 1: Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas, Köln/Weimar/Wien 1999.

86 Vgl. hierzu u.a. Maciej Tymiński: PZPR i przedsięborstwo. Nadzór partyjny nad zakładami przemysłowymi 1956–1970 [PZPR und Betrieb. Die Parteiaufsicht über die Industriebetriebe 1956–1970], Warszawa 2001; Thomas Reichel: „Jugoslawische Verhältnisse“? – Die „Brigaden der sozialis-tischen Arbeit“ und die „Syndikalismus“-Affäre (1959–1962), in: Thomas Lindenberger (Hg.): Herr-schaft und Eigensinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln/Weimar/ Wien 1999, S. 45–73; Rudolf Dau/Frank Svatosch: Neueste Geschichte der Tschechoslowakei, Berlin 1985, S. 213; s.a. die Beiträge in: Hans Lemberg (Hg.): Zwischen „Tauwetter“ und neuem Frost. Ost-mitteleuropa 1956–1970, Marburg 1993.

Page 38: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 37 gegen unzufriedene Arbeiter schalteten sie auf eher erzieherisch-integrative Methoden um.87 Die Schuldigen für Arbeitskonflikte wurden jetzt viel öfter auf den Leitungsebenen der Betriebe und lokalen politischen Apparate gesucht. Dies hing zum Teil mit Rivalität inner-halb der Funktionseliten zusammen, doch spiegelten sich darin auch Anfänge der maoisti-schen Kulturrevolution in China. Betriebliche Konflikte fanden ihre Erklärung zunehmend als Missverständnis oder eben aus dem Unvermögen des Leitungspersonals. Die These, dass innerbetriebliche Konflikte nach Möglichkeit intern gelöst wurden, um das Eingreifen äuße-rer politischer Instanzen zu verhindern, ist unter diesem Gesichtspunkt etwas zu relativieren. Zwar lässt sich dieser Mechanismus nachweisen, doch waren übergeordnete Partei- und Gewerkschaftsleitungen durchaus oft im Bilde. Sowohl auf der zentralen als auch auf der betrieblichen Ebene hielt eine Deeskalationspraxis Einzug, deren Erfolg stark vom innerbe-trieblichen Problemlösungspotential, aber auch von der Zurückhaltung bzw. von dosierten Interventionen übergeordneter Leitungen abhing. Wenn es irgend ging, wurden Spannungen zwischen Arbeitern und Betriebsleitungen schon vor dem Ausbruch offener Konflikte durch soziale Zugeständnisse oder durch Festhalten am Status quo ante beendet.88

c) Arbeiter als Konfliktakteure

Wie Arbeiter auf diese Veränderungen reagierten, ist an den beiden sehr verschiedenen Beispielen der DDR und der Volksrepublik Polen recht gut zu verdeutlichen. Seit 1953 und spätestens seit 1956 war ihr Erfahrungshorizont um zwei wichtige Erfahrungen ergänzt worden: (1.) In der DDR und Ungarn hatte die sowjetische Führungsmacht ihr Interven-tionspotential so deutlich demonstriert, dass auf absehbare Zeit im gesamten Ostblock ein offener Arbeiterprotest im großen Maßstab kaum mehr möglich schien. (2.) Gleichzeitig aber hatte sich gezeigt, dass die Parteiregime zu sozialen Zugeständnissen bereit waren, wenn dadurch weitere Konflikte zu vermeiden waren. Auch schien einiges dafür zu spre-chen, dass die Erfolgsaussichten der Arbeiter umso größer wurden, je weniger sie die politi-schen Machtverhältnisse in Frage stellten. Offenbar konnten sie Forderungen in betriebsin-ternen Arrangements am wirksamsten durchsetzen. Davon wurde in der DDR wie in Polen ausgiebig Gebrauch gemacht.89

87 Vgl. Hans-Hermann Hertle/Franz-Otto Gilles: Zur Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit in der

DDR-Wirtschaft, in: Renate Hürtgen/Thomas Reichel (Hg.): Der Schein der Stabilität. DDR-Betriebsalltag in der Ära Honecker, Berlin 2001, S. 173–189.

88 Am Beispiel der DDR hierzu ausführlicher Peter Hübner: Konsens, Konflikt und Kompromiß. Soziale Arbeiterinteressen und Sozialpolitik in der SBZ/DDR 1945–1970, Berlin 1995.

89 Ebd.; zur späten DDR Georg Wagner-Kyora: Karbidarbeiter in der Bargaining-Community. Klassenla-ge und Identitätskonstruktion, in: Hürgten/Reichel, Schein der Stabilität, S. 191–216. Zum polnischen Beispiel Andrzej Paczkowski: Strajki, bunty, manifestacje jako „polska droga“ przez socjalizm [Streiks, Aufruhr, Manifestationen als „polnischer Weg“ durch den Sozialismus], Poznań 2003; Jędrzej Chumiński: Ruch zawodowy w Polsce w warunkach kszałtującego się systemu totalitarnego. 1944–1956 [Die Gewerkschaftsbewegung in Polen unter den Bedingungen des entstehenden totalitären Sys-tems 1944–1956], (Habil.-schr.) Wrocław 1999; ders.: Formy nadzoru środowiska pracowników przemysłu w latach forsownej industrializacji 1949–1956 [Formen der Kontrolle des Milieus der In-dustriebeschäftigten in den Jahren der forcierten Industrialisierung 1949–1956], in: Studia Historyczne

Page 39: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

38 Die späten sechziger Jahre

Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass „die“ Arbeiter hierbei bewusst und gezielt eine Option wählten. Eine solche Wahl hatten sie nicht. Auch bildete die Arbeiterschaft in Wirklichkeit keine autonome Konfliktpartei, die repräsentativ über Inhalt und Taktik des Arbeitskampfes hätte entscheiden können. Stattdessen vermochte sie, in kleinteilige Grup-pen wie Betriebsbelegschaften, Meisterbereiche, Arbeitsbrigaden usw. segmentiert, nicht viel mehr, als in den Betrieben die jeweiligen Gruppeninteressen wahrzunehmen. Dabei kam ihr allerdings die gesellschaftspolitische Großinszenierung „Arbeiterklasse als herrschende Klasse“ zugute.90 Diese trug durchaus kleine Privilegien gegenüber den „anderen Werktäti-gen“ ein. Sie zwang aber auch die Macht- und Funktionseliten, aufkommenden Konflikt im Zeichen der „Einheit von Partei und Arbeiterklasse“ zu lösen. Kurz, der inszenierten „Arbei-terklasse“ entsprach die Inszenierung von Arbeitskonflikten als Konsens. Und dieser funkti-onierte nur, wenn die jeweilige Staatspartei wenigstens teilweise auf die Erwartungen und Forderungen der Arbeiter einging, diese aber auch die „führende Rolle“ der Partei nicht in Frage stellten. Unter den Methoden, Forderungsdruck auszuüben, dürften Meckern und Nörgeln wohl am meisten verbreitet gewesen sein.91 Sie konnten gesellschaftliche Stimmungslagen in nerven-de Schwingungen versetzen. Auch der Verweis auf sozialpolitische Versprechungen oder geltende Gesetzeslagen gehörte zum Repertoire. In den Betrieben selbst wurde am ehesten Klartext geredet. Hier verlief die erste und unmittelbare Konfrontationslinie.92 Zwar blieb sowohl innerhalb wie außerhalb des Betriebes eher politische Zurückhaltung charakteris-tisch, wenngleich es immer wieder auch zu Unmutsäußerungen gegen das jeweilige Partei-regime kommen konnte, vor allem in zugespitzten politischen Situationen. Doch Proteste gegen sozial belastende Maßnahmen oder Forderungen zur Beseitigung von Missständen bei der Arbeitsorganisation, den Arbeitsbedingungen, in Bezug auf Lohn- und Arbeitszeit usw. wurden gegenüber den unmittelbaren Vorgesetzten oft sehr direkt und massiv vorgetragen. Auch wenn sich im langfristigen Trend ein Konfliktstil durchsetzte, dessen Hauptmerkmal in der Suche nach Konsens zu bestehen schien, kam es aber immer wieder zu meist eng begrenzten Arbeitsniederlegungen.

41 (1998), S. 557–575; Błażej Brzostek: Robotnicy Warszawscy. Konflikty codzienne 1950–1954 [Die Warschauer Arbeiter: Alltägliche Konflikte 1950–1954], Warszawa 2002.

90 Peter Hübner: Arbeiterklasse als Inszenierung? Arbeiter und Gesellschaftspolitik in der SBZ/DDR, in: Richard Bessel/Ralph Jessen (Hg.): Die Grenzen der Diktatur. Staat und Gesellschaft in der DDR, Göt-tingen 1996, S. 199–223.

91 Vgl. Alf Lüdtke: „Helden der Arbeit“ – Mühen beim Arbeiten. Zur mißmutigen Loyalität von Indust-riearbeitern in der DDR, in: Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka/Hartmut Zwahr (Hg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 188–213.

92 Im Grunde bestätigt das Thomas Welskopps These vom Betrieb als „eigenständiges Bezie-hungsgeflecht“. Vgl. Thomas Welskopp: Der Betrieb als soziales Handlungsfeld. Neuere Forschungs-ansätze in der Industrie- und Arbeitergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 118–142, hier 123.

Page 40: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 39 d) Konfliktverläufe im Vergleich

Wie solche Konflikte abliefen, lässt sich anhand der für die DDR und Polen überlieferten Fälle modellartig verdichten:93 Arbeitskonflikte entzündeten sich zumeist an Lohn- und Normenfragen; mit deutlichem Abstand folgten Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitrege-lungen. Arbeitsniederlegungen erstreckten sich in der Regel auf kleinere Beschäftigten-gruppen, in denen man sich untereinander kannte. Sie begannen meist spontan und dauerten kaum längere Zeit an. Am Beginn einer Arbeitsniederlegung standen auffallend häufig rein soziale und zudem auch betont defensiv vorgetragene Forderungen. Als Sprecher traten oft die Arbeitsgruppen- oder Brigadeleiter auf. Der erste und zugleich der Hauptadressat war die jeweilige Betriebsleitung. Zu Verhandlungen im eigentlichen Sinne kam es dabei kaum. Oft wurden Versammlungen einberufen, auf denen die Argumente ausgetauscht oder mehr noch gegeneinander vorgetragen wurden. Zumeist reagierten die Werkleitungen mit abwie-gelnden Angeboten. Ihr Hauptaugenmerk galt üblicherweise der schnellen Wiederaufnahme der Arbeit, oft unter der Zusicherung, dass keine Einkommenseinbußen eintreten würden. So etwa lautete die vielleicht geläufigste Kompromissformel. Bei ihrer Anwendung griff man auf betriebliche Mittel zurück, auch um den Konflikt möglichst intern zu lösen. Beide Seiten blieben nach Möglichkeit um eine Entpolitisierung des Konflikts bemüht. Die Wie-deraufnahme der Arbeit erfolgte, soweit zu erkennen ist, zumeist – aber eben nicht immer – unter der Zusage, keine Sanktionen gegen die Streikenden zu verhängen. Umgekehrt, so lässt sich auch beobachten, kam es im Anschluss an Arbeitsniederlegungen mitunter zu Loyalitätsgesten, indem Arbeiter sich beispielsweise zu Mehrleistungen verpflichteten. Die Beteiligen folgten hierbei erkennbaren Rationalitätskriterien und blieben bemüht, den Kon-flikt kontrollierbar zu halten. Allerdings darf wohl auch die Rolle von „Alkoholgenuß als Ausgangspunkt für Arbeitsniederlegungen“ nicht unterschätzt werden.94 In diesem Punkt hat sich im Verlauf der modernen Industriegeschichte wenig geändert.95

Die Zahl solcher Ad-hoc-Arbeitsniederlegungen blieb überschaubar. Im Fall der DDR war die Streikintensität zwar insgesamt geringer als in Polen, doch zeigt z.B. eine punktuelle Analyse der 166 im Jahr 1960 registrierten Streiks, von denen man aber wusste, dass dies „längst nicht alle“ waren, eine deutliche Schwerpunktbildung in der Bauwirtschaft sowie in der Metall- und Textilindustrie, allerdings außerhalb der industriellen Kernbereiche.96 Das

93 Vgl. hierzu ausführlicher Peter Hübner: Arbeitskonflikte in Industriebetrieben der DDR nach 1953.

Annäherungen an eine historische Struktur- und Prozeßanalyse, in: Ulrike Poppe/Rainer Eckert/Ilko-Sascha Kowalczuk (Hg.): Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstandes und der Opposition in der DDR, Berlin 1995, S. 178–191, hier bes. 185f. Die in jüngster Zeit von Błażej Brzostek und Jędrzej Chumiński vorgelegten Untersuchungen zum Konfliktverhalten polnischer Arbei-ter deuten auf strukturelle Parallelen hin.

94 SAPMO-BArch, DY 34, FDGB-BV 22/184/5034, Bundesvorstand des FDGB: Aufstellung besonderer Vorkommnisse im Jahre 1961.

95 Vgl. Alf Lüdtke: Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus, Hamburg 1993, S. 98f.

96 SAPMO-BArch, DY 34, 6872, Protokoll der 7. Tagung des FDGB-Bundesvorstandes vom 1.–2.3.1961, Schlusswort Herbert Warnkes.

Page 41: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

40 Die späten sechziger Jahre

glich übrigens der Konfliktverteilung unter nationalsozialistischen Bedingungen.97 Ausei-nandersetzungen um Löhne und danach um Arbeitsbedingungen standen jeweils im Vorder-grund.98 In der Verteilung der Schwerpunkte deutet sich an, dass hier an- und ungelerntes Personal stark vertreten war. Was die quantitative Ausdehnung der Arbeitsniederlegungen angeht, stimmen die Zahlen zu Beginn der sechziger Jahre weitgehend überein. Das bedeutete für die DDR jährlich etwa 150 kleine Streiks mit insgesamt ca. 1.500 Beteiligten.99 Nach Angaben von Renate Hürtgen reduzierte sich die Zahl der Streiks in den siebziger Jahren auf unter zehn und tendierte Mitte der achtziger Jahre gegen Null.100 Für Polen sind Zahlen von Streiks überliefert, die 1946 mit 565 einen Höhepunkt erreichten und in den frühen fünfziger Jahren zwischen ca. 50 und 70 lagen.101 Ob die langfristige Tendenz ähnlich wie in der DDR verlief, wäre zu prüfen. Eindeutig jedoch wichen die großen Streikwellen vor allem der siebziger Jahre von einer solchen Entwicklung ab.

e) Arbeitsrecht und Konfliktregulierung

Gleichwohl ließ sich in Polen wie in der DDR jener Mechanismus beobachten, der zur konsensu-alen Inszenierung von Konfliktlösungen führte.102 Wenn der Konsens-Taktik offenbar einiger Erfolg beschieden war, lag das jedoch nicht allein an den auf der Betriebsebene getroffenen Arrangements. Auch das Arbeitsrecht spielte eine wichtige Rolle. Grundsätzlich war eine Ar-beitsniederlegung mit erhöhtem Risiko verbunden, weil ein rechtlicher Rahmen fehlte. Daran änderte es auch nicht viel, wenn sich das Streikrecht bis 1968 in der Verfassung der DDR hielt. Im Arbeitsrecht verschwand es bereits 1950, als in der DDR eine erste Gesamtkodifizierung erfolgte. Auch nach den Neukodifizierungen von 1961 und 1977 gab es kein Streikrecht.103 In Polen nahm man seit 1949 eine Angleichung der arbeitsrechtlichen Institutionen an die neuen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Einzelschritten vor. Erst 1975 trat ein Arbeitsge-

97 Vgl. Günter Morsch: Arbeit und Brot. Studien zur Lage, Stimmung, Einstellung und Verhalten der

deutschen Arbeiterschaft 1933–1936/37, Frankfurt a.M. 1993, S. 250–262, 411–460. 98 Vgl. ders.: Streik im „Dritten Reich“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ) 36 (1988), S. 649–

689, hier bes. 687. 99 Mary Fullbrook: Herrschaft, Gehorsam und Verweigerung – Die DDR als Diktatur, in: Jürgen Ko-

cka/Martin Sabrow (Hg.): Die DDR als Geschichte. Fragen – Hypothesen – Perspektiven, Berlin 1994, S. 77–85, hier 80.

100 Renate Hürtgen: Der Streik in der DDR. Wie viel Widerstand gab es in den DDR-Betrieben?, in: <www.buergerkomitee.org/hug/h43-dateien/huertgen.html >.

101 Łukasz Kamiński: Polacy wobec nowej rzeczywistości 1944–1948 [Die Polen und die neue Realität 1944–1948], Toruń 2000, S. 137; Chumiński, Ruch zawodowy, S. 270.

102 Tymiński: PZPR; Dorota Jagodzińska-Sasson u.a.: PZPR w Fabryce. Studium wrocławskiego „Pafawagu“ w proczątku lat pięćziesiątych opracowane pod kierunkiem Marcina Kuli [Die PZPR in der Fabrik. Studie zur Breslauer Waggonfabrik „Pafawag“ Anfang der fünfziger Jahre, erarbeitet unter Lei-tung von Marcin Kula], Warszawa 2001.

103 Vgl. Wera Thiel: Arbeitsrecht in der DDR. Ein Überblick über die Rechtsentwicklung und der Versuch einer Wertung, Opladen 1997.

Page 42: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 41 setzbuch als zusammenfassendes Normativdokument in Kraft.104 Polen ging dabei mehr auf die Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ein als die DDR, die ihre prekäre Ar-beitskräftebilanz nicht durch weitere Schutzmaßnahmen für Arbeiter belasten wollte. Aber in beiden Fällen brachte die Entwicklung des Arbeitsrechts Betriebsleitungen im Konfliktfall in eine tendenziell immer schwächere Position. Man wird nicht fehlgehen, darin einen Aspekt der allgemeinen Konfliktvermeidungsstrategie zu vermuten. Angesichts eines nahezu absoluten Kündigungsschutzes für Beschäftigte wurde die Aufwand-Nutzen-Relation für die betriebliche Leitungsebene zu ungünstig, um auf nennenswerte Status- oder Ressourcengewinne hoffen zu dürfen. Man verzichtete dann eher auf die Durchsetzung der eigenen Rechtsposition gegenüber Betriebsangehörigen. Zumindest von dieser Seite her entwickelte sich das Arbeitsrecht zum Mittel der Konfliktdämpfung.

Zu fragen wäre auch nach der Wirkung arbeitsrechtlicher Konfliktregelungen, die den Arbeitsgerichten vorgelagert waren. In Polen bestanden entsprechende Schiedskommissio-nen bereits seit September 1951.105 Die in der DDR seit 1953 üblichen Konfliktkommissio-nen106 z.B. entschieden durchschnittlich viermal mehr Fälle als die Arbeitsgerichte. Sie wa-ren dem Vorbild der 1928 in der UdSSR entstandenen Schlichtungskommissionen nachgebildet.107 Zumeist ging der Streit um Arbeitseinkommen, materielle Verantwortlich-keit, Disziplinarmaßnahmen sowie die Begründung, Änderung oder Beendigung von Ar-beitsrechtsverhältnissen.108 Ende der achtziger Jahre existierten in der DDR nahezu 30.000 solcher Konfliktkommissionen mit rund 250.000 Mitgliedern.109 Diese in den Betrieben angesiedelten Gremien trugen in einer recht flexiblen Weise zur Entschärfung oder Lösung arbeitsrechtlicher Konflikte bei. Ob die polnische Version dieser Institution ähnlich effektiv wirkte, bleibt zu vermuten.

Als weitere Faktoren, die für die Vermeidung oder Entschärfung von Arbeitskonflikten eine gewisse Bedeutung erlangten, sind die Instrumente der territorialen Sozialplanung bzw. der territorialen Rationalisierung zu nennen. Ursprünglich handelte es sich um eine Parallel-entwicklung zu den wirtschaftlichen Reformversuchen der sechziger Jahre. Der Ausgangs-punkt der Entwicklung ist aber bereits in den frühen fünfziger Jahren zu suchen.110 Nachdem schon zu dieser Zeit die zahlreichen Pannen des zentralplanwirtschaftlichen Systems durch Improvisation und lokale Initiativen mitunter etwas gelindert werden konnten, setzte man in der Reformphase ganz gezielt auf dieses kompensatorische Potential. Es kam vor allem den Aufgabenfeldern der Sozial-, Konsum- und Kulturpolitik zugute, wo lokale Staatsorgane

104 Wacław Szubert: Das neue Arbeitsgesetzbuch der Volksrepublik Polen, in: Arbeit und Arbeitsrecht 30

(1975), S. 627–630. 105 100 lat polskiego ruchu robotniczego. Kronika wydarzeń [100 Jahre polnische Arbeiterbewegung.

Chronik der Ereignisse], Warszawa 1978, S. 297. 106 Verordnung über die Bildung von Kommissionen zur Beseitigung von Arbeitsstreitfällen (Konflikt-

kommissionen) in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben und in den Verwaltungen (KKVO) vom 30. April 1953, in: Gesetzblatt der DDR (Gbl. DDR) 1953, S. 695–698.

107 Thiel, Arbeitsrecht, S. 89. 108 Vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR (StJB DDR) 1988, Berlin 1988, S. 400. 109 Ebd., S. 410. 110 Vgl. z.B. Patronage, personal networks and the party-state: everyday life in the cultural sphere in com-

munist Russia and East Central Europe [6 Beiträge], in: Contemporary European History 11 (2002), S. 1–152.

Page 43: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

42 Die späten sechziger Jahre

und Betriebsleitungen als direkte Akteure in Erscheinung traten. Vor diesem Hintergrund begann man in der UdSSR, Bulgarien, Ungarn und der ČSSR über eine realitätsnahe Sozial-planung zu diskutieren.111 In der DDR reifte seit den späten sechziger Jahren ein Konzept der „territorialen Rationalisierung“, das in den beiden folgenden Jahrzehnten die Praxis lokaler Entscheidungsträger bestimmte.112 Im Kern ging es darum, bei der Lösung vor allem sozialpolitischer Aufgaben verstärkt auf lokale und nicht von der zentralen Planung erfasste Ressourcen zurückzugreifen und sie für die örtliche Versorgung, das Gesundheitswesen, den Wohnungsbau usw. zu akquirieren. Damit scheint ein erhebliches Konfliktdämpfungspoten-tial verbunden gewesen zu sein, das unter den Bedingungen der in den siebziger und achtzi-ger Jahren formulierten Sozialpolitik in das Konzept der sozialen Befriedung eingeordnet war. Das hierfür maßgebende Motiv hieß: „Ruhe in der Arbeiterklasse“.113

f) Kulturelle Prägungen und Milieubindungen

Die strategische Wende der sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas von der Mobili-sierungs- zur Fürsorgediktatur erfolgte um 1970.114 Generell wird man das Konfliktverhal-ten von Arbeitern in den letzten beiden Jahrzehnten des Ostblocks vor diesem Hintergrund zu beurteilen haben, aber es lohnt auch ein Blick auf weiter zurückreichende strukturelle Voraussetzungen: Die Adaption des sowjetisch-sozialistischen Modells hatte das Konflikt-potential der Arbeiterschaft auf ambivalente Weise beeinflusst. Vorhandene soziale und ökonomische Strukturen waren nach 1945 teilweise zerstört und durch neue ersetzt wor-den.115 Damit ging viel an jener Kontinuität in der Arbeitergeschichte verloren, die für die Herausbildung moderner Industriegesellschaften so wichtig war.116 Andererseits wirkte dieser Umbruch in anderer Hinsicht geradezu konservierend: Die am sowjetischen Vorbild orientierte industrielle Strukturpolitik führte in nahezu allen mittel- und osteuropäischen Ländern zur „Hypertrophie der Produktionsmittelindustrien gegenüber den Konsumgüterin-dustrien“.117 Die gezielte Förderung oder auch nur der Erhalt „alter“ Industrien, deren wirt-schaftliche Problematik hier nicht näher zu erörtern ist, sorgte auch für den Fortbestand eines traditionalen Arbeitertypus.

111 Соцальное планироваие и профсоюзы. Из опыта работы профсоюзов социалистических стран

Москва [Sozialplanung und Gewerkschaften. Aus der Arbeitserfahrung der Gewerkschaften sozial-istischer Länder, Moskva 1982].

112 Rudolf Bechmann: Zu Problemen der Wechselbeziehungen zwischen den sozialistischen Produktions-verhältnissen und anderen gesellschaftlichen Verhältnissen aus territorialer Sicht, Berlin 1981, S. 64–75.

113 SAPMO-BArch, DY 30 /IV 2/I/414, Bl. 32–46, 90–110: 14. Tagung des ZK der SED, 9.–11.12.1970 (Protokoll): Diskussionsbeiträge Werner Krolikowski und Hanna Wolf,

114 Hübner/Danyel, Soziale Argumente, S. 832. 115 Vgl. Jürgen Kocka: Ein deutscher Sonderweg. Überlegungen zur Sozialgeschichte der DDR, in: APuZ,

B 40 (1994), S. 34–45, hier 44. 116 Josef Mooser: Einleitung und Auswertung: Kontinuität und Diskontinuität in der Arbeitergeschichte des

20. Jahrhunderts, in: Klaus Tenfelde (Hg.): Arbeiter im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 653–664, hier 653.

117 Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945, Bd. 3: 1943–1945, Berlin 1996, S. 673.

Page 44: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 43 In den „realsozialistischen“ Ländern stand der Facharbeiter im Zentrum gesellschaftspoliti-scher Projektionen. Seine Bedürfnisse bildeten den Maßstab für Gleichheits- und Gerechtig-keitsvorstellungen.118 Diese spielten in der Geschichte sozialer Konflikte eine wesentliche Rolle. Generell scheint der auf die DDR gemünzte Begriff der „Facharbeitergesellschaft“ wenn schon nicht auf die gesamte Landfläche, so doch auf die industrialisierten Regionen des östlichen Mitteleuropa anwendbar zu sein.119 Auch was Peter Alheit mit Blick auf die DDR und in Anlehnung an Pierre Bourdieus Konzept vom sozialen Raum feststellte, ist, so scheint es, auf dieses gesamte Gebiet übertragbar: Der soziale Raum sei dort zwar nicht auf den Kopf gestellt, aber doch nach links gekippt worden. Die „Arbeiterklasse“ wurde aufge-wertet und erhielt Zugang zum politischen Kapital. Doch diese symbolische Aufwertung und eine Reihe von Privilegien auf der betrieblichen Ebene haben den Zugang zum kulturel-len Kapital sogar überflüssig erscheinen lassen. Möglicherweise sei diese Tatsache ein ent-scheidender Indikator für die mit westlichen Verhältnissen kaum vergleichbare Persistenz der Arbeitermilieus.120

Welche Konsequenzen ergaben sich daraus für das Konfliktverhalten der Arbeiter? Die hohe Milieustabilität und eine starke Betriebsfixierung vieler Arbeiterbiographien bedingten recht traditionale Erwartungshaltungen und Forderungen. Neben einer stabilen Versorgung mit Nahrungsmitteln, Gebrauchsgütern und Wohnungen ging es den Arbeitern besonders um ein „gerechtes“ Lohnsystem. Sie standen damit in einer ungebrochenen Tradition zu früheren Arbeitergenerationen: Löhne sollten die Lebenshaltungskosten decken, sie sollten sich an Ausbildung, Erfahrung und Leistung orientieren, daher nicht gleich, sondern leistungsge-recht sein, und sie sollten nicht sinken.121

Gleichwohl durchzog ein Bruch diese scheinbare Kontinuität. Über die Generationen hinweg verband Arbeiter nicht nur der Wunsch nach „gerechtem“ Lohn, einer auskömmli-chen Erwerbsarbeit und nach sozialer Absicherung gegen die Wechselfälle des Lebens. Es ging ihnen, wie Gerhard A. Ritter und Klaus Tenfelde am Beispiel des Deutschen Kaiser-reichs zeigten, um eine Annäherung an „bürgerliche“ Existenzformen. Darunter verstanden sie „Sicherheit für sich und ihre Kinder, menschenwürdige Behandlung bei der Arbeit, klei-nen, aber dauerhaften Besitz, Wohnverhältnisse, in denen zu leben lohnenswert erschien, und Chancen, soviel zu lernen, soviel im Leben zu erreichen wie andere auch“.122 In dieser Option trat nach 1945 im sowjetischen Machtbereich Mittel- und Osteuropas ein markanter Bruch ein: Arbeiter suchten kaum noch den Vergleich mit bürgerlichen Schichten, die ohne-

118 Vgl. Bernd Faulenbach/Annette Leo/Klaus Weberskirch: Zweierlei Geschichte. Lebensgeschichte und

Geschichtsbewußtsein von Arbeitnehmern in West- und Ostdeutschland, Essen 2000, S. 279. 119 Vgl. Rainer Geißler: Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer

Zwischenbilanz zur Vereinigung, Opladen 1996, S. 173. 120 Peter Alheit u.a.: Gebrochene Modernisierung. Der langsame Wandel proletarischer Milieus. Eine

empirische Vergleichsstudie ost- und westdeutscher Arbeitermilieus in den 1950er Jahren, Bd. 1: Sozi-algeschichtliche Rekonstruktionen, Bremen 1999, S. 41.

121 Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Erster Band: Arbeitswelt und Bürgergeist, Mün-chen 1991, S. 306.

122 Gerhard A. Ritter/Klaus Tenfelde: Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914, Bonn 1992, S. 838.

Page 45: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

44 Die späten sechziger Jahre

hin marginalisiert wurden. Aber sie hielten auch zur neuen „sozialistischen Dienstklasse“123, die ihrerseits „bürgerliche“ Lebensformen zu adaptieren begann, auf Distanz.124 Zwar führte die westliche Lebensweise bei den einen wie den anderen schon seit den fünfziger Jahren in ironischer Wendung des revolutionären Anspruchs zu Nachahmungseffekten, doch schwächte sich gerade bei Arbeitern das soziale Aufstiegsmotiv deutlich ab. Der Anspruch, dass zumindest die Kinder „es einmal besser haben“ sollten, verlor seinen Reiz in einer Gesellschaft, die nicht nur in sozialer Hinsicht starken nivellierenden Einflüssen ausgesetzt war. Im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ musste, so spitzte Wolfgang Engler es zu, ein Arbeiter „nichts sein, um etwas zu werden, nichts werden, um etwas zu sein, denn alles, was er sein und werden konnte, war er bereits: ein anerkanntes Mitglied des Gemeinwesens. Er war ökonomisch unabhängig, existentiell von vornherein gesichert und wußte vom Kampf um soziale Anerkennung nur vom Hörensagen.“125

Von dieser Position her erfuhr das Konfliktverhalten von Arbeitern eine deutlich defensive Wendung. Das schloss nicht aus, manche Ziele wie Arbeitszeitverkürzungen mit dem subti-len Instrument der Arbeitszurückhaltung gewissermaßen zu ertrotzen. In der Regel aber entzündeten sich Konflikte am Versuch, die Einkommen konsequent an Leistung und die Konsumtion an die Akkumulation zu binden. Auch wenn ökonomische Argumente dafür sprachen, scheiterten letztlich alle in diese Richtung gehenden Bestrebungen am Widerstand der Arbeiterschaft. Die Arbeiter suchten in diesem Punkt den Konflikt nicht, aber nach den schlechten Erfahrungen des Jahres 1953 vermieden auch die Parteiregime die Konfrontation. Eine differenzierende Lohnpolitik konnte seither nur noch über abgestufte Lohnerhöhungen durchgesetzt werden.126 Dies war dann ein Feld vielfältiger betrieblicher Arrangements, bei denen sehr auf die Vermeidung sozialer Nachteile geachtet wurde.

g) Gewaltpotentiale

Ein Vergleich der in der DDR und in der Volksrepublik Polen ausgetragenen Arbeitskon-flikte zeigt neben vielen Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen, in denen sich solch traditi-onales Konfliktverhalten spiegelt, aber auch einen auffälligen Unterschied. Im polnischen Fall setzte sich immer wieder ein deutlich härterer Konfliktstil durch.127 Nicht ohne Grund wird die Geschichte der sozialen und politischen Konflikte in der Volksrepublik Polen durch die sehr emotionalen und teils gewaltsamen Auseinandersetzungen der Jahre 1956, 1970,

123 Heike Solga: Auf dem Weg in die klassenlose Gesellschaft? Klassenlagen und Mobilität zwischen

Generationen in der DDR, Berlin 1995, S. 210. 124 Vgl. Anna-Sabine Ernst: Vom „Du“ zum „Sie“. Die Rezeption der bürgerlichen Anstandsregeln in der

DDR der 1950er Jahre, in: Mitteilungen aus der kulturwissenschaftlichen Forschung 16 (1993) H. 33, S. 190–209, hier 203f.

125 Engler, Die Ostdeutschen, S. 206. 126 Ebd., S. 83. 127 Vgl. Włodzimierz Borodziej: Gewalt in Volkspolen: 1944–1989, in: Osteuropa 50 (2000). S. 1365–

1384.

Page 46: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 45 1976 und 1980/81 dominiert.128 Darin bestand zwar eine gewisse Parallele zum Jahr 1953 in der DDR, doch setzte sich dort gerade wegen des 17. Juni der konsensverhüllte Konfliktstil durch. Wie ist diese Differenz im Konfliktverhalten zu erklären? Eric Hobsbawm hat auf ein Bedingungsgefüge aufmerksam gemacht, das Polen von allen anderen Staaten des sowjetischen Blocks unterschied: „erstens war die öffentliche Meinung in überwältigendem Maße durch die gemeinsame Abneigung gegen das Regime und einen antirussischen (und antisemitischen) und sehr bewußt römisch-katholischen polnischen Nationalismus geeint; zweitens hatte die Kirche eine unabhängige, landesweite Organisati-onsstruktur wahren können; und drittens hatte die Arbeiterklasse ihre politische Macht seit Mitte der fünfziger Jahre in Intervallen immer wieder durch massive Streiks unter Beweis stellen können“.129 Im Hinblick auf das Konfliktverhalten ergab sich daraus jene konfronta-tive „Wir-Sie“-Konstellation, die für die Gesellschaft der Volksrepublik charakteristisch war.130 Mit dem „Wir“ grenzten sich die regimekritischen oder auch -feindlichen Gruppie-rungen gegen „Sie“, die anderen, die Vertreter der Staatsmacht, der „Kommune“ ab. Die gesellschaftliche Bruchlinie war hier nicht nur aus sozialen Gründen schärfer gezogen als in der DDR, sie gewann ihre Brisanz auch aus einem spezifischen Staatsverständnis. Dieses war entscheidend von der Geschichte der polnischen Teilungen bestimmt. Der Staat er-schien vor deren Hintergrund als Instrument der Fremden, der Okkupanten und ihrer Kolla-borateure. Gegen den Staat zu sein war Vorbedingung des Patriotismus. Daraus erwuchs ein beträchtliches Identifikationspotential, das im polnischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung 1939–1945 ebenso zum Tragen kam wie in den Konflikten zur Zeit der Volksre-publik. Gleichwohl lag darin eine Gefahr für das „Wir“. Seine Bindekräfte erwuchsen vor allem aus der Gegnerschaft zum PZPR-Staat. Nach dessen Untergang schwanden sie. Man mag darüber streiten, inwieweit sich das „Wir“ in den 1970er und 1980er Jahren als „zweite Gesellschaft“131, faktisch also als Gegengesellschaft konstituierte. Es gab aber keinen Ge-genstaat. Hier machte sich wohl auch „das Fehlen eines positiven Staatsverständnisses“ geltend, von dem Stefan Garsztecki sprach. Nach 1989 wurde es für die III. Polnische Re-publik zum Problem. Dies werde, so Garsztecki, „nicht zuletzt dadurch verursacht, daß Parteien und Politiker, auch wenn sie in Verantwortung stehen, immer Partei bleiben und den Staat […] wie eine Beute behandeln. Die Inbesitznahme des Staates, das Ausspielen des Gegners durch das Besetzen von Positionen, die Instrumentalisierung von politischen Insti-tutionen zu eigenen, partikularen Interessen dominiert gegenüber unmittelbar gemein-schaftsbildenden Ansätzen.“132 Eine Vorstellung von der Spannweite, die zwischen „Wir“

128 Sehr illustrativ für die späte Phase: Hartmut Kühn: Das Jahrzehnt der Solidarność. Die politische Ge-

schichte Polens 1980–1990, Berlin 1999. 129 Hobsbawm, Zeitalter, S. 388f. 130 Jolanta Polakowska-Kujawa: Soziale Konflikte in Polen und die Legitimierung der Macht: Wandlungen

im gesellschaftlichen Bewußtsein in den Jahren 1945–1994, in: Jahrbuch für historische Kommunis-musforschung 1996, hg. von Hermann Weber, Berlin 1996, S. 69–83.

131 Helmut Fehr: Unabhängige Öffentlichkeit und soziale Bewegungen. Fallstudien über Bürgerbewegun-gen in Polen und der DDR, Opladen 1996, S. 69.

132 Stefan Garsztecki: Die polnische politische Kultur – Kontinuiät und Wandel, in: Zdzisław Krasnodębski/Klaus Städtke/Stefan Garsztecki (Hg.): Kulturelle Identität und sozialer Wandel in Osteu-ropa: das Beispiel Polen, Hamburg 1999, S. 131–168, hier 157.

Page 47: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

46 Die späten sechziger Jahre

und „Sie“ lag, vermitteln die von Teresa Torańska veröffentlichten Interviews mit ehemali-gen PZPR-Funktionären und bekannten Oppsitionellen.133

Diese „Wir-Sie“-Konfrontation in der PRL musste jedoch nicht zwingend in militante Kon-fliktformen münden, zumal die katholische Kirche gegen Gewaltausbrüche, gleich von wel-cher Seite sie ausgingen, immer wieder mäßigend zu argumentieren versuchte.134 Dies blieb zwar nicht ohne Erfolg, doch barg die Situation der polnischen Gesellschaft auch dann ein erhebliches Gewaltpotential. Einiges scheint darauf hinzudeuten, dass politische Auseinan-dersetzungen oder soziale Konflikte mit hoher politischer Aufladung schneller in gewalttäti-ge Aktionen münden können als reine Arbeitskonflikte. Dies war in der Volksrepublik Polen öfter der Fall, in der DDR hingegen seit 1953 nicht mehr. Auch spielten unterschiedliche kulturelle Prägungen eine Rolle. Arbeitergruppen, die sich nach einer abrupten Lösung aus den Traditionszusammenhängen agrarischer Gesellschaften plötzlich in ungefestigten indus-triellen Milieus wiederfanden, neigten erkennbar stärker zu radikalen Formen der Konflikt-austragung.135 Andere, die bereits länger in einem durch industrielle Arbeit geprägten Um-feld sozialisiert waren und die oft auch qualifiziertere Tätigkeiten ausübten, zeigten sich für Kompromisse offener und überhaupt im Konfliktverhalten moderater. Die Beispiele der DDR und der Volksrepublik Polen lassen jedoch noch etwas anderes er-kennen: In der Zwischenkriegszeit hatten die Dekomposition des klassischen Arbeitermili-eus und in deren Folge die Zersplitterung der Arbeiterbewegung zur politischen Radikalisie-rung beigetragen.136 Andererseits ging der zwischen 1918 und 1945 in mehreren Phasen ablaufende, in den mittel- und osteuropäischen Gesellschaften jedoch unterschiedlich inten-sive Modernisierungsschub137 nicht so tief, dass er die traditionalen Arbeitermilieus völlig umgepflügt hätte.138 Mehr noch, die Sozialstruktur der Bevölkerung im mitteldeutschen Gebiet, der späteren DDR, war zwischen den beiden Weltkriegen und noch mehr während des Zweiten Weltkrieges im Vergleich zu anderen deutschen Regionen „proletarischer“ geworden.139 Nicht zuletzt deswegen bildete das traditionale Facharbeitermilieu140 im Zeit-

133 Teresa Torańska: Oni [Sie], Warszawa 1985 (dt. Die da oben: polnische Stalinisten zum Sprechen

gebracht, Köln 1987); dies.: My [Wir], Warszawa 1994. 134 Vgl. hierzu Leonid Luks: Katholizismus und politische Macht im kommunistischen Polen 1945–1989.

Die Anatomie einer Befreiung, Köln/Weimar/Wien 1993; Nikolaus Lobkowicz/Leonid Luks,: Der pol-nische Katholizismus vor und nach 1989. Von der totalitären zur demokratischen Herausforderung, Köln/Weimar/Wien 1998.

135 Gunst, Agrarian Development, 1996. 136 Günter Mai: Arbeitsplatz und Arbeitsorganisation 1918 bis 1939. Einleitung und Auswertung, in:

Tenfelde, Arbeiter im 20. Jahrhundert, S. 28. 137 Für den Zeitrahmen 1918 bis 1945 plädiert z.B. Hans Mommsen: Noch einmal: Nationalsozialismus

und Modernisierung, in: Geschichte und Gesellschaft 21 (1995), S. 391–302, hier 393. 138 Zur Entwicklung in der Bundesrepublik vgl. Josef Mooser: Abschied von der „Proletarität“. Sozial-

struktur und Lage der Arbeiterschaft in der Bundesrepublik in historischer Perspektive, in: Werner Conze/M. Rainer Lepsius (Hg.): Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zum Kon-tinuitätsproblem, Stuttgart 1986, S. 143–186.

139 Dietrich Storbeck: Soziale Strukturen in Mitteldeutschland. Eine soziologische Bevölkerungsanalyse im gesamtdeutschen Vergleich, Berlin 1964, S. 153.

Page 48: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 47 raum zwischen 1945 und Mitte der sechziger Jahre noch immer ein wichtiges konstitutives Element der Nachkriegs-Arbeiterschaft.141 Sein Gewicht war auch deshalb besonders groß, weil die hohen Kriegsverluste der Männerjahrgänge zwischen 1915 und 1928 eine demo-graphische Lücke gerissen hatte, zu einer Überrepräsentanz älterer, im Allgemeinen gut ausgebildeter und sehr junger, aber über weit weniger Berufserfahrung verfügender Arbeiter sowie zu einer beschleunigten Erweiterung weiblicher Erwerbsarbeit führte. Verschärft wurde dieser Effekt noch durch die Fluchtbewegung vor allem jüngerer qualifizierter männ-licher Fachkräfte in die Westzonen bzw. in die Bundesrepublik.142 Eine Abwanderung älte-rer Arbeiter erfolgte nicht im gleich starken Maße. Für die Konfliktfähigkeit der Arbeiter-schaft bedeutete dies, dass mit den Verlusten an jüngeren Arbeitern die typische Spitzenformation schwächer wurde, die sich in Arbeitsstreitigkeiten exponierte. Ältere Ar-beiter und die wachsende Zahl erwerbstätiger Frauen neigten eher zum Konsens und zu Kompromisslösungen.

Anders war die Situation in Polen. Hier setzte ein rapides Bevölkerungswachstum ein. Die Einwohnerzahl stieg von 1950 rund 25 Mio. auf über 37 Mio. in den späten achtziger Jahren. Allerdings wuchs hier die Zahl der Arbeiter und Angestellten im gleichen Zeitraum nur von 10,3 auf 12,8 Mio.143 Selbst wenn man einen hohen Anteil von Kindern und Jugend-lichen an der Gesamtbevölkerung berücksichtigt, blieb im Landesmaßstab eine beträchtliche Arbeitskraftreserve bestehen. Seit den sechziger Jahren suchte die polnische Regierung dadurch Entlastung zu schaffen, dass Frauen nicht zuletzt durch sozialpolitische Angebote vom Eintritt ins Berufsleben abgehalten wurden. Auch Arbeitszeitbeschränkungen und Be-schäftigungsangebote in der DDR und der ČSSR sollten das polnische Beschäftigungsprob-lem entschärfen.

Im Hinblick auf das Konfliktverhalten und die Konfliktfähigkeit der Arbeiter lag ein wichtiger Unterschied gegenüber der DDR in einer deutlich niedrigeren Frauenbeschäfti-gungsquote und einem höheren Anteil junger Jahrgänge unter den Arbeitern. Hinzu kam, dass der durch die Industrialisierungspolitik bedingte Arbeitskräftebedarf in Polen weitaus stärker aus dem ländlichen Raum befriedigt wurde, als das in der DDR der Fall war. Hier fände die These vom Zusammenhang kultureller Entwurzelung und Radikalität des Kon-fliktverhaltens einen Ansatzpunkt.144 Sie lässt sich möglicherweise im Vergleich der Streiks

140 Michael Hofmann/Dieter Rink: Die Auflösung der ostdeutschen Arbeitermilieus. Bewältigungsmuster

und Handlungsspielräume ostdeutscher Industriearbeiter im Transformationsprozeß, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ (APZ) B 26–27/1993, S. 29–36, hier 31.

141 Das findet sich besonders in lokalen Fallstudien bestätigt. Vgl. Michael Hofmann: Die Kohlearbeiter von Espenhain. Zur Enttraditionalisierung eines ostdeutschen Arbeitermilieus, in: Michael Vester/ Mi-chael Hofmann/Irene Zirke (Hg.): Soziale Milieus in Ostdeutschland. Gesellschaftliche Strukturen zwi-schen Zerfall und Neubildung, Köln 1995, S. 91–135; Michael Hofmann: Die Leipziger Metallarbeiter. Etappen sozialer Erfahrungsgeschichte. Milieubiographie eines Arbeitermilieus in Leipzig, in: ebd., S. 136–192.

142 Helge Heidemeyer: Flucht und Zuwanderung aus der SBZ/DDR 1945/49–1961. Die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland bis zum Bau der Berliner Mauer, Düsseldorf 1994, S. 52, 187.

143 StJB DDR 1988, Berlin 1988, S. 3*, 6*. 144 Vgl. Gunst, Agrarian Development; s.a. Edmund Lewandowski: Charakter narodowy Polaków i innych

[Der Nationalcharakter der Polen und der anderen], Warszawa 1995.

Page 49: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

48 Die späten sechziger Jahre

von 1970/1971 in den Städten Szczecin und Łódź exemplifizieren.145 Die Szczeciner Werft war im Dezember 1970 einer der wichtigsten Ausgangspunkte der Streikwelle. Hier nahm der Konflikt auch eine besondere Schärfe an, und zwar im Agieren der Arbeiter ebenso wie bei den Partei- und Staatsorganen. In der alten Industriestadt Łódź hingegen verlief die Kon-frontation eher nach dem Muster gewerkschaftlicher Lohnkämpfe. Inwieweit dieser Unter-schied aus den Herkunftsmilieus der Betriebsbelegschaften erklärt werden kann, wäre ein-gehender Nachfrage wert. Zumindest wurde die Erwerbsbevölkerung Szczecins durch ein seit 1945 entstandenes Zuwanderermilieu dominiert, dessen kulturelle Wurzeln im Gebiet um Lwów (Lemberg) lagen. In solchen Fällen bedeutete der Bevölkerungs-„Transfer“ im-mer auch einen Kulturbruch. Die Ausgangssituation für solche Problemlagen hat Gregor Thum am Beispiel von Breslau/Wrocław herausgearbeitet.146

h) Fazit

Es spricht einiges für einen kulturgeschichtlichen Erklärungsansatz des Konfliktverhaltens von Arbeitern. Indes wird man auch der These von Grzegorz Ekiert einiges abgewinnen können, wonach die jeweilige Krise die Konfliktmuster im Verlauf eines praktischen Lern-prozesses generierte. Weder der Parteistaat noch die politische Opposition, aber auch nicht die Arbeiterschaft traten dabei als monolithische Akteure auf. Es waren immer nur einzelne Segmente, die Krisenerfahrung zuerst verarbeiteten und Lösungsvarianten ausloteten. Erst dieser schrittweise Vorgang verdichtete sich zu Institutionen der Konfliktlösung.147 Das Konfliktverhalten von Arbeitern spricht dafür, dass sie der Funktionsfähigkeit solcher Insti-tutionen halbwegs vertrauten, wohl auch um die riskantere Alternative offener Konfrontati-on zu vermeiden. Allerdings blieb die Leistungsfähigkeit dieser Konfliktlösungsmechanis-men begrenzt. In einer Extremsituation, wie sie die Verhängung des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember 1981 darstellte, war die Eskalation einzelner Konfliktszenarien nicht zu-letzt auch eine Frage von Zufällen. Wie sich unter solchen Voraussetzungen Konflikte auf-schaukeln und außer Kontrolle geraten konnten, zeigte der Schusswaffeneinsatz der Polizei gegen Bergarbeiter der Kohlengrube „Wujek“ in der Wojewodschaft Katowice.148

145 Vgl. u.a. Helmut Wagner: Das Ende der Ära Gomułka. Die polnische „Sechs-Tage-Woche“ im Dezem-

ber 1970. in: Lemberg, „Tauwetter“, S. 117–132; Andrzej Głowacki: Kryzys politycny 1970 roku [Die politische Krise des Jahres 1970], Warszawa 1990; Janusz Rolicki/Edward Gierek: Przerwana dekada [Die abgebrochene Dekade], Warszawa 1990; Piotr Jaroszewicz/Bohdan Roliński: Przerywam milcze-nie [Ich breche das Schweigen], Warszawa 1991; Bogumiła Danowska: Grudzień 1970 na Wybrzeżu Gdańskim: przyczyny, przebieg, reperkusje [Der Dezember 1970 an der Gdańsker Küste: Ursachen, Verlauf, Nachklang], Pelplin 2000; Jerzy Eisler: Grudzień 1970: geneza, przebieg, konsekwensje [De-zember 1970: Genesis, Verlauf, Konsequenzen], Warszawa 2000; Henryk Mieczysław Kula: Dwa oblicze Grudnia ’70: oficjalne – rzeczywiste [Die zwei Gesichter des Dezember ’70: das offizielle – das tatsächliche], Gdańsk 2000; s. auch: Peter Raina: Independent social movements in Poland, London 1981; Klaus Ziemer: Polens Weg in die Krise: eine politische Soziologie der „Ära Gierek“, Frankfurt a.M. 1987.

146 Gregor Thum: Die fremde Stadt. Breslau 1945, Berlin 2003. 147 Vgl. Ekiert, The State, S. 322–325; Segert, Grenzen, S. 170f. 148 Kühn, Jahrzehnt, S. 283–286.

Page 50: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Die späten sechziger Jahre 49

Zu bedenken ist aber auch, dass der Spielraum für die Parteiregime – nicht nur für das polnische – enger wurde. Es gelang ihnen zwar, das Leistungsniveau ihrer Volkswirtschaf-ten weit genug anzuheben, um soziale Konflikte mit Hilfe einer sozialpolitischen Befrie-dungstaktik durchstehen und mehr oder weniger lösen zu können. Doch während sie in den sechziger Jahren wie Gomułka und Ulbricht auch noch riskantere Wege wirtschaftlicher Konsolidierung und Modernisierung bei gleichzeitiger Konsumzurückhaltung zu gehen bereit waren, geriet die Zahlung eines, wie Claus Offe es genannt hat, „loyalitätsbindenden Schweigegeldes“149 in den letzten beiden Jahrzehnten des „realen“ Sozialismus zu einer alternativlosen Einbahnstraße. Auch wenn noch 1981 in Polen mit der Verhängung des Kriegsrechts Gewalt zum Mittel der Politik wurde, konnte die Gesellschaft zwar einigerma-ßen stillgestellt werden, aber die Probleme, um die es eigentlich ging, waren nicht mehr zu lösen. In dem Maße, in dem die Dienstklassen dieser Lage gewahr wurden, sank auch ihre Bereitschaft, Konflikte durch massiven Gewalteinsatz zu beenden.150 Die Konsenshülle des Konflikts wurde zum tragenden Konstruktionselement einer Klientelbeziehung.

Das Konfliktverhalten von Arbeitern orientierte sich während des hier betrachteten Zeit-raums wesentlich an den in politischen Großkonflikten gemachten Erfahrungen. Diese spra-chen im Allgemeinen gegen eine massive Interessenkonfrontation mit dem Parteiregime und vor allem gegen Gewaltanwendung. Vielmehr stellte sich der Aufbau eines Forderungs-drucks in kleinen Schritten und seine Realisierung in Form von lokalen Arrangements als eine Methode heraus, auf die sich auch die Parteiregime einlassen konnten, ohne ihren Füh-rungsanspruch preisgeben zu müssen. Die Konfliktaustragung als inszenierter Konsens stellte sich für die beteiligten Seiten als das risikoärmste Verfahren dar. Erst relativ spät wurden die realen Kosten sichtbar: Die Symbiose von Regime und Arbeiterschaft tendierte erst langsam, dann beschleunigt zur Konsumtion des Modernisierungspotentials.

149 Claus Offe: Ein Sonderweg der Transformation? Das „deutsche Beitrittsgebiet“ im Vergleich zu seinen

Nachbarn, in: ders.: Der Tunnel am Ende des Lichts. Erkundungen der politischen Transformation im Neuen Osten, Frankfurt a.M./New York 1994, S. 230–278, hier 245.

150 Segert, Grenzen, S. 106.

Page 51: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR1

1. Sozialpolitischer Paradigmenwechsel 2. Sozialpolitik zwischen Theorie und Praxis 3. Netzwerke und Subsidiarität 4. Versuche einer „Ökonomisierung“ der „sozialistischen Sozialpolitik“ 1967–1970 5. Das Ende der „ökonomisierten“ Sozialpolitik 1970

1. Sozialpolitischer Paradigmenwechsel

Um den sozialpolitischen Entscheidungsprozess in der DDR und die in den späten 1960er Jahren aufbrechenden Kontroversen besser verstehen zu können, lohnt es den Blick auf die Jahre 1966 und 1967 zu richten. Denn im zweiten Halbjahr 1966 sah sich die SED-Führung vor der Entscheidung, in welchem Verhältnis Investition und Konsumtion bei der weiteren Entwicklung des 1963 eingeleiteten „Neuen ökonomischen Systems“ (NÖS) stehen sollten. Spätestens auf dem bevorstehenden VII. Parteitag musste sie zu dieser Frage Stellung neh-men. Die Abteilung „Planung des Lebensstandards“ der Staatlichen Plankommission (SPK) erarbeitete im Herbst 1966 erste Vorstellungen zum Anteil der Konsumtion am Nationalein-kommen, zu Lohnfragen, Einkommens- und Verbrauchsdifferenzen zwischen einzelnen sozialen Gruppen, zur Arbeitszeit, zur Struktur des Warenverbrauchs, zur Rolle der Arbeits- und Lebensbedingungen als Produktivitätsfaktoren und zu den Wohnverhältnissen. Dieses Papier, dessen Verfasser ausdrücklich vor zu hohen Erwartungen an die Entwicklung des Lebensstandards warnten, war am 9. Dezember 1966 Gegenstand einer Diskussion in der neugebildeten Arbeitsgruppe „Sozialpolitik“ innerhalb des zur Vorbereitung des Parteitages beim ZK der SED geschaffenen interdisziplinären, „Strategischen Arbeitskreises“.2 Diese unter Vorsitz von Gerhard Montag3, Leiter der Abteilung Planung des Lebensstandards in der SPK, tagende Gruppe diskutierte zunächst Möglichkeiten einer Prognose der Konsumti-

1 Teile dieses Kapitels basieren auf den Kapiteln II und III/16 in Bd. 9 der „Geschichte der Sozialpolitik in

Deutschland seit 1945“, hg. vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und Bundes-archiv, Christoph Kleßmann (Band-Hg.): Deutsche Demokratische Republik 1961–1971: Politische Sta-bilisierung und Mobilisierung, Baden-Baden 2006, S. 77–145; 721–762.

2 Die Bildung des „Arbeitskreises zur Planung der Strategie der Partei auf dem Gebiet der Politik, der Wirtschaft und Kultur“ war vom Politbüro des ZK der SED am 24. November 1966 beschlossen worden. Ihm gehörten ca. 130 zumeist jüngere Experten an. Als Sekretär des Arbeitskreises fungierte Dr. Wolf-gang Berger, Ulbrichts wirtschaftspolitischer Persönlicher Mitarbeiter. Vgl. Norbert Podewin: Walter Ul-bricht. Eine neue Biographie, Berlin 1995, S. 375f.

3 Gerhard Montag, Jg. 1929, Dr.-Ing. an der TH Magdeburg, Abteilungsleiter der SPK, seit 1975 stellv. Minister für Wissenschaft und Technik.

Page 52: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

2 Umstrittene Prioritäten: DDR

onsentwicklung und gab als erstes zu bedenken, man müsse aus dem Wandel der Bedürfnis-struktur eine Rangfolge der zu lösenden Probleme ableiten. Auch dürfe sich die Einschät-zung der Verbrauchstendenzen nicht nur am internationalen Vergleich orientieren, sondern sie müsse von einer „prinzipielleren Fragestellung“ ausgehen, der „richtigen Reproduktion der Arbeitskraft“ etwa.4 Solche Erwägungen wurden geradezu leitmotivisch für die weitere Tätigkeit dieser zeitweiligen Arbeitsgruppe. Von Anbeginn gehörte die künftige Einkommensentwicklung zu den strittigen Themen. Noch vor der ersten Diskussion hatte Fritz Rösel (1926–2003), Sekretär des FDGB-Bundesvorstandes, in einer Stellungnahme zur SPK-Konzeption die Befürchtung geäußert, die angestrebte Erhöhung des Realeinkommens vorwiegend über den gesellschaftlichen Konsumtionsfonds verschärfe das Risiko, „daß sich bei bestimmten Beschäftigtengruppen ein wesentlich langsameres Entwicklungstempo des Realeinkommens vollziehen wird. Denn neben der weitgehenden Verwendung des gesellschaftlichen Konsumtionsfonds für die Bevölkerung im nichtarbeitsfähigen Alter beinhaltet er Aufwendungen für den Unterhalt und die Weiterentwicklung der gemeinschaftlichen Versorgungseinrichtungen der kommu-nalen Wirtschaft, einschließlich der Zuschüsse zum Wohnungswesen. Diese Aufwendungen werden jedoch sehr differenziert und für den einzelnen Werktätigen wenig sichtbar und nicht immer direkt wirksam.“5

Wenig später schlug er vor, die Zuwendungen aus gesellschaftlichen Fonds, wie etwa das Kindergeld stärker nach Einkommen zu differenzieren.6 Im Verhältnis zwischen Akkumula-tion und Konsumtion des Nationaleinkommens ging es seiner Meinung nach darum, in beide Richtungen ein Wachstum zu erzielen, wenn auch mehr bei der Akkumulation. Doch auch hier gab er zu bedenken:

„Den vorliegenden Materialien nach zu urteilen, sind die vorgesehenen Relationen zwi-schen individuellem und gesellschaftlichem Konsumtionsfonds real. Ein Kürzen des gesell-schaftlichen Konsumtionsfonds würde unbedingt notwendigen Maßnahmen (Bildungssys-tem, soziale und kulturelle Betreuung, kommunale Wirtschaft u.a.) einen Verzug bringen, der sich anderweitig negativ auswirken würde. Zu überprüfen wären die vorgegebenen Posi-tionen innerhalb des gesellschaftlichen Konsumtionsfonds hinsichtlich ihres optimalen Ein-satzes.“7

Rösel konstatierte zwar, dass auch dann die bis 1970 vorgesehene Erhöhung der Realein-kommen um 180 bis 200 Mark pro Kopf der Bevölkerung und Jahr nicht überall, „vor allem nicht bei der Arbeiterklasse“ wirksam werde, weil ein Teil der Beschäftigten sein Einkom-

4 SAPMO-BArch DY-30/JIV2/202/499, Staatliche Plankommission, Abt. Planung des Lebensstandards:

Protokoll der Beratung der Arbeitsgruppe 6 vom 9.12.1966 zu grundsätzlichen Fragen der Entwicklung der Konsumtion bis 1975/80.

5 SAPMO-BArch DY-34, 6767, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik, Fritz Rösel: Stellungnah-me zum Entwurf der Konzeption zur Entwicklung des Lebensstandards bis 1970 (Präsidiumsvorlage, streng vertraulich) vom 17.10.1966, S. 5f.

6 SAPMO-BArch DY-34, 5033, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik, Fritz Rösel: Stellungnah-me zur Konzeption Lebensstandard vom 31.10.1966.

7 SAPMO-BArch DY-34, 6767, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik, Fritz Rösel: Stellungnah-me zum Entwurf der Konzeption zur Entwicklung des Lebensstandards bis 1970 (Präsidiumsvorlage, streng vertraulich) vom 17.10.1966, S. 3.

Page 53: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 3

men weder unter Nutzung leistungsstimulierender Lohnsysteme noch durch andere geplante Schritte erhöhen könne. Dennoch sei es unbedingt notwendig, „ein weiteres Zurückbleiben gesellschaftlicher Einrichtungen und Aufgaben zu verhindern bzw. unbedingt notwendige zu lösen“.8

Eine Balance war schwer zu finden. Experten sahen in der Aufwertung gesellschaftlicher Fonds durchaus die Gefahr, das „sozialistische Leistungsprinzip“ zu konterkarieren. Es lag also nahe, wenn die Arbeitsgruppe bereits am 12. Dezember 1966 das Thema „Die Proble-me der Stimulierung wachsender persönlicher Leistungen durch Lohn und Einkommen“ behandelte.9 Zunächst kam sie über einen recht langen Fragenkatalog nicht hinaus, doch schon eine Woche darauf stand ein Konzeptionsentwurf der „Untergruppe Grundlinie der Sozialpolitik“ zur Diskussion. Hier ging es unter anderem um das Kindergeld, die Renten und die betriebliche Sozialpolitik. Drei Aufgaben schienen den Beteiligten hervorhebens-wert: Erstens hielten sie es für nötig herauszuarbeiten, „wie das Leistungsprinzip bzw. das persönliche materielle Interesse an hohen Leistungen über die Sozialpolitik stimuliert wird“. Dabei seien auch Grundsätze der Sozialpolitik zu entwickeln, die davon ausgehen müssten, „daß die sozialistische Produktionsweise ein eigenes Sozialpolitiksystem schafft“. Zweitens glaubte man, Grundsätze für eine dynamische Entwicklung der Sozialpolitik artikulieren zu müssen, „damit sichtbar wird, wie auf dem Gebiet der sozialen Sicherung der Werktätigen in Zukunft die Entwicklung vor sich geht. Es sollen nicht am gegenwärtigen Zustand kleine Verbesserungen geschaffen werden, sondern es sind die Zielpunkte für die Sozialpolitik zu formulieren“. Hierzu müsse man vom prognostizierten Nationaleinkommen zurückrechnen. „Kapitalistische Überreste“ auf dem Gebiet der Sozialpolitik sollten schrittweise beseitigt werden. Drittens wollte man die Stellung der Sozialpolitik im Reproduktionsprozess klä-ren.10

Die Diskussion in dieser Arbeitsgruppe bewegte sich bei aller Grundsätzlichkeit der The-matik keineswegs in fest vorgezeichneten Bahnen. Nichts war entschieden, und die ange-sprochenen Sachpunkte ließen eine gewisse Unsicherheit im Hinblick auf den eigentlichen Gegenstand, die Sozialpolitik, erkennen. Allerdings hatte man auch keine Entscheidungen zu treffen, sondern war von der SED-Führung zu einer, wie sich zeigen sollte, recht unver-bindlichen Politikberatung aufgefordert. Zu den mehr oder weniger regelmäßigen Teilneh-mern zählten neben Vertretern des ZK-Apparates der SED und der SPK auch Mitarbeiter des FDGB-Bundesvorstandes, des Ministerrates, des Staatlichen Amtes für Arbeit und Löh-ne, des Ministeriums für Gesundheitswesen, der Parteihochschule der SED, der Zentralver-waltung für Statistik, der Hochschule für Ökonomie sowie in Einzelfällen einiger universitä-rer oder außeruniversitärer Institute. Der Parteiapparat nahm sich jetzt des Themas der Sozialpolitik direkt an, nachdem er zuvor den Aktivitäten an der FDGB-Hochschule in Ber-nau kaum Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Auch die später als wegweisend beurteilte Ha-bilitationsschrift, die Helga Ulbricht11 im Januar 1965 an der wirtschaftswissenschaftlichen

8 Ebd., S. 5. 9 SAPMO-BArch DY-30/JIV2/202/499, Büro Ulbricht: Kurzprotokoll über die Beratung der Arbeits-

gruppe Sozialpolitik vom 12.12.1966. 10 SAPMO-BArch DY-34/5033, Büro Ulbricht: Kurzprotokoll über die Beratung der Arbeitsgruppe Sozi-

alpolitik vom 19.12.1966. 11 Helga Ulbricht, Jg. 1922, seit 1955 Dozentin an der Universität Leipzig, Mitarbeiterin am Institut für

Arbeitsökonomik.

Page 54: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

4 Umstrittene Prioritäten: DDR

Fakultät der Leipziger Universität eingereicht hatte und in der sie das Thema der „sozialisti-schen Sozialpolitik“ besonders unter dem Aspekt der sozialen Sicherheit auch nichterwerbs-tätiger Bevölkerungsgruppen behandelte, war faktisch ins Leere gelaufen.12

Während sich der ZK-Apparat im Vorfeld des VII. SED-Parteitages der Sozialpolitik wid-mete, geriet der Gewerkschaftsbund ins Hintertreffen. Mit Fritz Rösel war die FDGB-Spitze zwar hochkarätig in dem beim ZK angebundenen Gremium vertreten, doch galt er ohnehin als ein Mann der Partei. Dagegen schien die FDGB-Hochschule regelrecht abgekoppelt worden zu sein. Der Leiter des dortigen „Instituts Sozialpolitik der Gewerkschaften“, Ger-hard Tietze (*1924), las im September 1966 zur Eröffnung eines neuen Dreijahreslehrgangs über Grundfragen der Sozialpolitik13, wandte sich dann aber wieder seinem ursprünglichen Fachgebiet zu und referierte im Januar 1967 auf einer Tagung des Arbeitskreises „Lebens-standard“ bei der SPK über Probleme des Gesundheits- und Arbeitsschutzes.14

Zur selben Zeit legte die im Auftrage des ZK der SED tätige Arbeitsgruppe eine ausführ-lichere Studie zur Funktion der Arbeitseinkommen im NÖS vor. Darin nahm sie zu tarifpoli-tischen Problemen, zur Struktur der Arbeitseinkommen und Möglichkeiten des monetären Leistungsanreizes, zur Gewährleistung eines Mindestarbeitseinkommens und zu Arbeits-zeitverkürzungen Stellung.15 Man visierte eine Lösung an, in der das Familieneinkommen für die unteren Einkommensschichten zum entscheidenden Kriterium werden sollte. Auch kürzere Arbeitszeiten wurden für möglich gehalten. Nur wenig später plädierte die Arbeits-gruppe für eine „prinzipielle Veränderung der Tarifpolitik und des Tarifsystems“. Starre Tarifsätze sollten durch „Von-bis-Spannen“ ersetzt werden, die den Betrieben die Möglich-keit differenzierterer Einstufungen einräumten. Ein erhöhtes Mindestlohnniveau hätte dabei zum Ausgangspunkt für eine stärkere Differenzierung der Lohngruppen werden können.16 Dieser Vorschlag verlangte geradezu nach einer sozialpolitischen Ergänzung. Das erwähnte Papier enthielt sie in Form einer knappen Skizze zur „Stellung der Sozialpolitik im gesell-schaftlichen System des Sozialismus“. Darin hieß es:

„In der DDR wurde bisher keine einheitliche sozialpolitische Konzeption ausgearbeitet. Die Sozialpolitik war vielmehr reduziert auf einzelne Teilgebiete. Eine dynamische Ent-wicklung war nicht geplant.

Das vorherrschende Prinzip, das auch tief im Bewußtsein der Menschen wirkt, ist, daß alle sozialen Leistungen vorwiegend vom Staat zentral geregelt und gewährt werden. Die Mit-wirkung und Verantwortung der örtlichen Organe und der Betriebe ist noch sehr einge-

12 Helga Ulbricht: Aufgaben der sozialistischen Sozialpolitik bei der Gestaltung der sozialen Sicherheit in

der Deutschen Demokratischen Republik. Habilitationsschrift, Univ. Leipzig 1965. 13 SAPMO-BArch DY-34, 6788, Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften: „Grundfragen der Sozialpoli-

tik“ – Einführungsvorlesung zum 6. Dreijahreslehrgang – Doz. Dr. Gerhard Tietze (Auszug) vom Sept. 1966.

14 SAPMO-BArch DY-34, 3973, Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften: Gerhard Tietze: Die Stellung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes im Reproduktionsprozeß, eine theoretische Grundlage für seine Einbeziehung in die Planung. Referat auf der Arbeitskreistagung „Lebensstandard“ vom 26.1.1967.

15 SAPMO-BArch DY-30/JIV2/202/499, Arbeitsgruppe Sozialpolitik, Untergruppe Lohn und Prämie: Das Arbeitseinkommen im neuen ökonomischen System der Planung und Leitung vom 5.1.1967.

16 SAPMO-BArch DY-30/JIV2/202/499, Arbeitsgruppe Sozialpolitik: Probleme der Arbeitsgruppe 6, die andere Arbeitsgebiete berühren, vom 13.1.1967, S. 3.

Page 55: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 5

schränkt. Auch die Verantwortung der einzelnen Werktätigen für sozialpolitische Leistun-gen ist wenig entwickelt.

Die Sozialpolitik in der sozialistischen Gesellschaft kann u.E. nur verwirklicht werden, wenn sich alle Teile der Gesellschaft (Staat, örtliche Organe, Betrieb und jeder Bürger) dafür verantwortlich fühlen.

Daraus würde sich die Notwendigkeit auch einer betrieblichen Sozialpolitik im Rahmen des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung ergeben und die örtlichen Orga-ne müßten bestimmte sozialpolitische Leistungen entsprechend den ökonomischen Bedin-gungen gewährleisten. Die Sozialpolitik muß sinnvoll in die Wirtschaftspolitik eingeordnet werden und die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Daraus ergeben sich wichtige Bezie-hungen z.B. zur Planung, zu den Problemen der Kostenentwicklung in den Betrieben u.a.“17

Dieser Passus stand in Spannung zu den an der Gewerkschaftshochschule angestellten Über-legungen zur „sozialistischen Sozialpolitik“. So stellte er das Modell einer zentralisierten Zuteilungs- und Versorgungspolitik in Frage, während das Plädoyer für die Integration der Sozialpolitik in die Wirtschaftspolitik auf eine instrumentelle Einordnung der ersteren in das NÖS zielte. Die ganze Argumentationslinie trug technokratische Züge, wie sie zu dieser Zeit besonders für die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion in der DDR charakteristisch wa-ren.18 Auch die meisten der zwischen Ende 1966 und April 1967 von der Arbeitsgruppe angefertigten Ausarbeitungen folgten dieser Tendenz.19 Im Urteil darüber wird man aller-dings zu bedenken haben, dass es sich hier gewissermaßen um Trockenübungen handelte, bei denen man nicht in erster Linie an indirekte politische Folgen, sondern eher an kausale Wirkungszusammenhänge dachte.

Zu den Unwägbarkeiten, mit denen solche konzeptionellen und programmatischen Über-legungen befrachtet waren, gehörten die Belastungen der DDR-Wirtschaft durch Militäraus-gaben. Bei allem Abwägen zwischen Investition und Verbrauch blieb die Rüstung ein be-sonders schwer zu kalkulierendes Gebiet. Allerdings galt es als offenes Geheimnis, dass damit eine erhebliche wirtschaftliche Last zu schultern war. Über deren wirkliches Ausmaß wurde offiziell jedoch nichts bekannt. Die Angaben zum Anteil der Verteidigung am Staats-haushalt der DDR konnte man getrost vergessen. Um so erstaunlicher musste es anmuten, als im August 1969 in der relativ verbreiteten Zeitschrift „Wirtschaftswissenschaft“ ein Aufsatz erschien, der ziemlich unverblümt auf das Problem wachsender Rüstungsausgaben

17 Ebd., S. 5. 18 Vgl. Peter Hübner: Menschen-Macht-Maschinen. Technokratie in der DDR, in: ders. (Hg.): Eliten im

Sozialismus. Beiträge zur Sozialgeschichte der DDR, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 325–360. 19 Vgl. u.a. SAPMO-BArch DY-34, 5033, „Sozialpolitische Probleme“. Ausarbeitung der Arbeitsgruppe

Sozialpolitik (Fragment, undat., ungez. Dieser Text ist Teil der folgenden „Rededisposition“, im Wort-laut jedoch abweichend.); „Rededisposition“. Bericht zur Tätigkeit der Arbeitsgruppe Sozialpolitik (wahrscheinlich Januar 1967, Autor: Rösel?); „Zwischenbericht der Arbeitsgruppe Sozialpolitik“, un-gez., undat., Januar/1967; „Niederschrift über den Zwischenbericht der Arbeitsgruppe 6 vor dem Leiter des Arbeitskreises zur Vorbereitung des VII. Parteitages - Genossen Walter Ulbricht“, ungez., undat., Januar/1967; Bericht über die Ergebnisse der Untersuchung des Fragenkomplexes: „Wie beurteilen die Arbeiter die Entwicklung ihres Lebensstandards, die Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen im Betrieb und worin sehen sie schwerpunktmäßig zu lösende Probleme?“ vom 7.2.1967.

Page 56: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

6 Umstrittene Prioritäten: DDR

einging.20 Zwar müsse, so hieß es darin, „der geforderte hohe militärische Effekt aller Ver-teidigungsmaßnahmen bei möglichst geringem gesellschaftlichen – auch ökonomischem – Aufwand erzielt“ werden, doch habe man es trotzdem mit wachsenden Rüstungskosten zu tun.21 Als Beleg führte der an der Militärakademie „Friedrich Engels“ in Dresden lehrende Autor sowjetische Angaben an, wonach eine moderne Schützendivision im Vergleich zu 1939 das 16-fache an Panzern, das 37-fache an Transportfahrzeugen und Panzerspähwagen, das 13-fache an automatischen Waffen und das 5-fache an Fernmeldemitteln beanspruche. Eine Artilleriesalve erfordere heute 30mal mehr Munition als vor dem Zweiten Weltkrieg.22 Die Zahlen ließen sich durchaus auf die weitgehend mit sowjetischem Material ausgerüstete Nationale Volksarmee der DDR übertragen.

Dem wurde eine Begründung für unaufschiebbare Rüstungsanstrengungen nachgescho-ben: „In der Vergangenheit konnten kriegswirtschaftliche Versäumnisse der Vorkriegszeit oft noch während der Kampfhandlungen ausgeglichen werden. Heute wäre das kaum mehr möglich. Es gilt das Prinzip: Was im Frieden an grundlegenden militärökonomischen Maß-nahmen versäumt wurde, kann im Krieg nicht mehr nachgeholt werden.“ Künftig müsse man damit rechnen, „daß die finanziellen und materiellen Aufwendungen zur Gewährleis-tung der Schlagkraft der Streitkräfte weiter wachsen und den volkswirtschaftlichen Repro-duktionsprozeß entscheidend beeinflussen. Es gibt Schätzungen, wonach die Kosten für das System der Luftverteidigung in den siebziger Jahren 10mal so hoch sein werden wie 1960. Die Kosten für Heer, Luftstreitkräfte und Marine sollen sich vervierfachen.“ Schon in den letzten Jahren seien die Anschaffungskosten für militärisches Gerät enorm gestiegen. Habe der Beschaffungspreis für die NVA 1962/1963 bei rechnerisch 100 gelegen, so belaufe er sich gegen Ende der sechziger Jahre bei Flugzeugen auf 320, bei Torpedoschnellbooten auf 483, bei mittleren Panzern auf 246, bei Schützenpanzerwagen auf 166 und bei Artillerie-funkmeßstationen auf 163.23 Dass man in dieser Hinsicht leistungsfähig sei, hätten die – zum Teil mehrmaligen – Umrüstungen in allen Teilstreitkräften der NVA gezeigt, auch könne man angesichts der Tatsache, dass in einem modernen Krieg etwa 50% aller materiel-len Versorgungsmittel aus Treib- und Schmierstoffen bestehen, eine quantitativ und qualita-tiv ausreichende Versorgung der Streitkräfte mit Treib- und Schmierstoffen gewährleisten und habe auf diesem Gebiet „Anschluß an das Weltniveau“ erreicht.24

Dieser an sich schon bemerkenswerte Artikel endete mit einer mindestens ebenso merk-würdigen Zusammenfassung: Insgesamt sei „der Gesamtprozeß zur ökonomischen Siche-rung der Landesverteidigung aufs engste mit dem ökonomischen System des Sozialismus verbunden“. Einerseits stellten „die militärökonomischen Führungsorgane der sozialisti-schen Staaten umfangreiche spezifische Forderungen an die Wirtschaft und beeinflussen merklich den volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozeß; auf der anderen Seite übt die sozialistische Ökonomik einen tiefen Einfluß auf die militärische Versorgungsführung […] aus und zwingt zur Beachtung der ökonomischen Gesetze im Bereich der Landesverteidi-

20 Siegfried Schönherr: Über den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Landesverteidigung beim

Aufbau des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR, in: Wirtschaftswis-senschaft 17 (1969), S. 1161–1175.

21 Ebd., S. 1162f. 22 Ebd., S. 1163. 23 Ebd., S. 1165. 24 Ebd., S. 1169.

Page 57: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 7

gung.“25 Auch für diese, also die Landesverteidigung, gelte Walter Ulbrichts Forderung: „Das ganze Volk soll im Sinne der ökonomischen Gesetze des Sozialismus wirtschaftlich denken lernen.“26 Man konnte das als Aufforderung in zwei Richtungen verstehen: Erstens galt es, sich auf wachsende Rüstungslasten einzurichten. Zweitens sollten die Militärs den Bogen nicht überspannen.

2. Sozialpolitik zwischen Theorie und Praxis

Am 27. Januar 1967 fand eine Beratung Walter Ulbrichts mit der Arbeitsgruppe „Sozialpoli-tik“ statt, an der seitens der SED-Führung auch Günter Mittag27 und Werner Jarowinsky28 teilnahmen.29 Nachdem der Arbeitsgruppenleiter, Gerhard Montag, über die bisher geleistete Arbeit berichtet hatte, lobte Ulbricht, „die vorgeschlagenen Lösungen“ seien „theoretisch richtig“, doch müsse man mit der SPK klären, was davon zu realisieren sei. Günter Mittag nannte die Erhöhung der unteren Einkommen vordringlich, doch gebe es bei den Renten falsche Erwartungen. Man könne „die Rentenproblematik in 15 Jahren nicht lösen“. Gene-rell aber plädierte er dafür, „alle Regelungen möglichst einfach durchzuführen“. Mit der Bemerkung, „auf dem gesamten Gebiet der gesellschaftlichen Konsumtion dürfe das neue ökonomische System nicht schlummern“, kam Mittag zu sozialpolitischen Problemen im engeren Sinne: Im Kulturbereich, im Gesundheitswesen und auch anderswo sei jetzt „ein Generalangriff für die Organisierung des NÖS“ notwendig: Man könne nicht ewig Geld ausgeben, ohne dass nachgewiesen werde, welcher Nutzen eintritt. „Wenn wir so in der Kultur und im Gesundheitswesen weitermachen, schneiden wir uns die Perspektive ab.“

Ähnlich argumentierte auch Jarowinsky. Allerdings betonte er, es gehe nicht darum, „so-ziale Maßnahmen abzubauen, sondern mit den vorhandenen Mitteln mehr soziale Maßnah-men zu erbringen“. Kritisch sah er die eher demotivierenden Wirkungen der Subventions-preise für Lebensmittel, hielt es jedoch für illusionär, diese Subventionen erheblich senken zu können. Überaus kritisch bewertete Ulbricht die hohen Kosten der Sozialversicherung. Hier wie auch im Kulturbereich müsse man die Arbeit überprüfen, die Verwaltung vereinfa-chen, Personal reduzieren und notfalls Fachberater für Ökonomie einsetzen. Schließlich beauftragte er die Arbeitsgruppe, bis Mitte Februar, also innerhalb von knapp drei Wochen, je eine Vorlage über die Lohn- und Tarifpolitik, über Urlaub und Fünf-Tage-Woche, über die Entwicklung der unteren Einkommen und über die Anwendung des NÖS in der kommu-nalen Wirtschaft, insbesondere hinsichtlich der Mieten und der Kosten für Altbaureparatu-ren auszuarbeiten.

25 Ebd., S. 1171. 26 Walter Ulbricht: Das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft in der

Praxis, Berlin 1963, S. 120. 27 Günter Mittag, 1926–1994, seit 1962 Mitglied des ZK der SED, Sekretär für Wirtschaft. 28 Werner Jarowinsky, 1927–1990, 1959–1963 Staatssekretär im Ministerium für Handel und Versorgung,

1963–1989 Mitglied und Sekretär des ZK für Handel und Versorgung. 29 SAPMO-BArch DY-34, 5033, Arbeitsgruppe Sozialpolitik, 30.11.1967, Fritz Rösel: Bericht über die

Beratung Walter Ulbrichts mit der Arbeitsgruppe Sozialpolitik am 27.1.1967. Die folgenden Zitate sind dieser Quelle entnommen.

Page 58: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

8 Umstrittene Prioritäten: DDR

Die SED-Führung verfolgte damit eine Politik, die man in Anlehnung an Werner Jaro-winsky als „Ökonomisierung“ des Umgangs mit den zu Gebote stehenden wirtschaftlichen Ressourcen bezeichnen könnte. Jarowinsky hatte während der Beratung mit der Arbeits-gruppe kritisiert, die einzelnen Teilbereiche der gesellschaftlichen Konsumtion seien seiner Meinung nach noch nicht „ökonomisiert“, also in das NÖS integriert.30 Das traf die Intenti-onen der Reformpolitik ziemlich genau.

Stärker als zuvor trat jetzt das Kostenargument in den Vordergrund, auch in der Sozialpo-litik. Doch verschlossen sich die Reformbefürworter auf diesem Gebiet auch nicht dem Kompromiss. Zu evident waren die politischen Risiken. Deshalb neigten sie eher zu einem vorsichtigen Abtasten der Möglichkeiten. In der Arbeitsgruppe waren die ökonomischen Dimensionen der Sozialpolitik bislang mehr unter dem Gesichtspunkt der Leistungsanreize, nicht so sehr unter dem der begrenzten Spielräume diskutiert worden. Jetzt sahen sich ihre Mitglieder von höchster Stelle darüber belehrt, dass ihre „theoretisch richtigen“ Vorschläge für die Praxis wenig taugten. Insgesamt warf der Auftritt Ulbrichts, Mittags und Jaro-winskys in der Arbeitsgruppe mehr Fragen auf, als Antworten gegeben wurden. Klar zu erkennen war die Absicht der Parteispitze, auf dem bevorstehenden Parteitag so etwas wie eine sozialpolitische Leitlinie zu präsentieren. Auf mittlere Sicht ging es um eine Integration der Sozialpolitik in das NÖS. Im März 1967 legte die Abteilung „Planung des Lebensstandards“ der SPK eine ausführli-che „Information über einige Probleme der Planung der Arbeits- und Lebensbedingungen“ vor. Diese enthielt Berichte über einschlägige Untersuchungen in einer Reihe von VEB. Seit 1964 hatten diese Betriebe zusammen mit den Räten der Städte und Gemeinden Pläne bzw. Programme „zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen“ aus-gearbeitet. Erste praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet fielen jedoch nicht überzeugend aus. Nach Ansicht der SPK wurden die „Möglichkeiten, die für das Zusammenwirken der Betriebe und örtlichen Organe bestehen“, nicht ausreichend genutzt. Zur Überwindung die-ser Schwierigkeit bedürfe es eines den Erfordernissen entsprechenden Systems.31 Anders gesagt: Würde es gelingen, die sozialpolitischen Aktivitäten auf der betrieblichen und der kommunalen Ebene in einer für beide Seiten verbindlichen Weise effektiver zu koordinie-ren, ließ sich auf beträchtliche Einspareffekte hoffen. Das Thema sollte in der weiteren sozi-alpolitischen Diskussion einen prominenten Platz einnehmen. Die Tätigkeit des Arbeitskreises „Sozialpolitik“ wie auch der Abteilung „Planung des Le-bensstandards“ und ganz besonders das direkte Engagement der SED-Führung konnten den Eindruck erwecken, als sei der FDGB bei der sozialpolitischen Diskussion ins Hintertreffen geraten. Im Präsidium des Bundesvorstandes betrachtete man diese Entwicklung recht skep-tisch und versuchte, in der sozialpolitischen Debatte präsent zu bleiben. So äußerte Herbert Warnke (1902–1976) Anfang Februar 1967 in einem an Günter Mittag gerichteten Brief seine Sorge darüber, dass Präsidium und Sekretariat des FDGB-Bundesvorstandes „wenig Einfluß“ auf die Beratungen der Arbeitsgruppe ausüben könnten. Zwar sei diese zur Vorbe-

30 Ebd, S. 4. 31 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Staatliche Plankommission, Abt. Planung des Lebensstandards: Informa-

tion über einige Probleme der Planung der Arbeits- und Lebensbedingungen, März 1967.

Page 59: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 9

reitung des Parteitages tätig, doch handele es sich schließlich „um ureigenste Angelegenhei-ten der Gewerkschaften“. Die in der Arbeitsgruppe diskutierten Probleme müssten mindes-tens auch einmal im Präsidium oder im Sekretariat des Bundesvorstandes behandelt werden. Vorsichtshalber fügte er aber hinzu: „Daß die Entscheidung letzten Endes bei der Partei liegt, ist selbstverständlich.“32

In den von der Arbeitsgruppe „Sozialpolitik“ erarbeiteten Vorbereitungspapieren für den SED-Parteitag hingegen dominierten einfacher strukturierte, Ursache und Wirkung abwä-gende Vorschläge.33 Zwischen ihnen und dem, was dann auf dem Parteitag im April 1967 verkündet wurde, waren allerdings bei weitgehender Übereinstimmung in der Sache auch Schwerpunktverlagerungen zu erkennen. Diese betrafen insbesondere die Bewertung des NÖS als Zusammenhang von zentraler Planung, flexibler Leitung und lokaler Eigenverant-wortung, wie sie Walter Ulbricht in seinem Parteitagsreferat vornahm.34 Die Formel war freilich in diese oder jene Richtung interpretierbar. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftsre-form allerdings ließ sie sich mit einiger Wahrscheinlichkeit als eine strategische Vorgabe lesen, die im Interesse größerer Flexibilität auf eine kontrollierte Dezentralisierung zielte. Wie die Konsequenzen im Umgang mit sozialen Problemen aussehen konnten, zeichnete sich relativ klar ab: Vor allem erblickten die NÖS-Befürworter innerhalb der SED-Führung im Funktionszuwachs von Betrieben und Kommunen und in deren verstärkter Kooperation einen wichtigen Vorteil. Zudem griff der Gedanke Raum, die sozialpolitisch relevanten Ressourcen besser dosiert und damit auch differenzierter einzusetzen. Diese Argumentati-onslinie bestimmte auch Ulbrichts Referat. Im Abschnitt „Wissenschaftlich-technisches Höchstniveau, Arbeitsproduktivität und Lebensbedingungen“ behandelte er die Themen Lohnpolitik, Arbeitszeit und Urlaub, Sozialpolitik und die Lebenslage kinderreicher Famili-en. Wie ein roter Faden zog sich die Forderung nach einem sparsamen Umgang mit den hierfür benötigten Mitteln hindurch. Auch in dieser Hinsicht hatte sich die Arbeitsgruppe geäußert, als sie die Arbeitseinkommen als Schlüsselproblem bezeichnete und sich gegen eine allgemeine und undifferenzierte Anhebung des Lebensstandards aussprach. Um eine Zersplitterung der Ressourcen zu vermeiden, sollte für einen Zeitraum von zehn bis 15 Jah-ren eine Schwerpunktbildung erfolgen. Dabei sei „denen der Vorrang zu geben, die selbst wieder aktiven Einfluß auf die Steigerung des Nationaleinkommens nehmen“.35 Das war offenkundig nicht so sehr als Leistungsanreiz gedacht, vielmehr ging es um einen Moderni-sierungsimpuls.

Ganz in diesem Sinne führte Ulbricht dann auch auf dem Parteitag aus, man wolle sich auf die strukturbestimmenden Betriebe konzentrieren, die „das Modell der Fabrik von morgen“ seien. In ihnen gelte es eine Lohngestaltung durchzusetzen, „die der technischen Entwick-

32 SAPMO-BArch DY-34, 5033, Bundesvorstand des FDGB: Brief Herbert Warnkes an Günter Mittag

vom 1.2.1967. 33 SAPMO-BArch DY-34, 5033, Bundesvorstand des FDGB: Mitteilung Fritz Rösels an Herbert Warnke

über die an Walter Ulbricht gerichteten Vorschläge der Arbeitsgruppe Sozialpolitik vom 20.2.1967. 34 Protokoll der Verhandlungen des VII. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. 17.

bis 22. April 1967 in der Werner-Seelenbinder-Halle zu Berlin, 1.–3. Verhandlungstag (Bd. 1), Berlin 1967, S. 142.

35 SAPMO-BArch DY-34, 5033, Arbeitsgruppe Sozialpolitik: Zwischenbericht, undat. (I/1967), S. 4.

Page 60: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

10 Umstrittene Prioritäten: DDR

lung im kommenden Jahrzehnt entspricht“.36 Hieraus folgten gleich mehrere sozialpolitische Konsequenzen. So war beabsichtigt, ein nicht durch Mehrleistung begründetes Überziehen des Lohnfonds aus Prämienmitteln zu finanzieren. Anders gesagt, Prämien würden dann nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Ein solches Verfahren musste aller-dings auch die Spielräume der betrieblichen Sozialpolitik einschränken. Gravierende Wir-kungen konnte man von der Konzentration der Investitionen auf die strukturbestimmenden Betriebe erwarten, da dies auch deren soziale Bevorzugung einschloss. Von sozialpolitischer Qualität zeigte sich ebenfalls der von Ulbricht verkündete „Vorschlag“ der SED, die Min-destlöhne von 220 auf 300 Mark anzuheben und zur durchgängigen fünftägigen Arbeitswo-che überzugehen.37 Damit folgte die SED bereits seit längeren erhobenen Forderungen. Die Absicht war hier unverkennbar, im Niedriglohnbereich und in der Arbeitszeitfrage für Ruhe zu sorgen.

Während diese Punkte bereits seit einiger Zeit diskutiert worden waren, signalisierte der in Ulbrichts Referat enthaltene Unterabschnitt „Zur Entwicklung der Sozialpolitik“ eine wichtige Neuorientierung.38 Damit beanspruchte die SED-Führung das Politikfeld nunmehr direkt als ein ihr zustehendes Aufgabengebiet. Das war nicht selbstverständlich. Bis weit in die sechziger Jahre hinein galt es als ausgemacht, dass der Sozialismus keine separate Sozi-alpolitik benötige.39 Spuren dieser Position zeigten sich auch 1967 noch, denn der Rechen-schaftsbericht des ZK der SED enthielt zwar einen Abschnitt über die Entwicklung des Lebensstandards, verwendete den Begriff „Sozialpolitik“ aber weder hier noch an anderer Stelle.40 Zwar belebte der VII. Parteitag die seit 1964/65 erneut einsetzende sozialpolitische Diskussion in der DDR, doch schon in den späten sechziger Jahren trat der Begriff „Sozial-politik“ unter dem Einfluss der auf Investitionskonzentration setzenden Strukturpolitik zeit-weise wieder etwas zurück.41 Es handelte sich hier natürlich nicht um die Ursache, wohl aber um ein ernstzunehmendes Symptom für das Heranreifen der Krise von 1970. Wenngleich Walter Ulbrichts Parteitagsreferat der Sozialpolitik in Form eines eigenen Ab-schnitts gleichsam die höheren Weihen parteipolitischer Akzeptanz verlieh, bot die entspre-chende Textpassage an sich nichts Sensationelles. Sozialpolitik wurde hier zunächst ganz allgemein als „Ausdruck der gesellschaftlichen Sorge um den Menschen“ beschrieben. Sie habe Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen, „die der Entwicklung aller Bürger und der Erhaltung und Förderung der Arbeitskraft dienen.“42 Angesichts der Arbeitszentrierung der DDR-Gesellschaft konnte man darin beim besten Willen keine Überraschung entdecken.

36 Protokoll der Verhandlungen des VII. Parteitages der SED, 1.–3. Verhandlungstag (Bd. 1), S. 234. 37 Ebd., S. 236f. 38 Ebd., S. 239–241. 39 Zu diesem Problem ausführlicher: Peter Hübner: Gesellschaftliche Strukturen und sozialpolitische

Handlungsfelder, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Hg. vom Bundesministeri-um für Gesundheit und Soziales, Bd. 9: Christoph Kleßmann (Band-Hg.): Deutsche Demokratische Re-publik 1961-1971. Politische Stabilisierung und wirtschaftliche Mobilisierung, Baden-Baden 2006, S. 77–145, hier bes. 101; s.a. Wolf-Rainer Leenen: Sozialpolitik in der DDR. Teil 1: Theoretische Prob-leme, in: Deutschland Archiv 8 (1975), S. 254-270, hier 257.

40 Protokoll der Verhandlungen des VII. Parteitages der SED. Beschlüsse und Dokumente (Bd. 4). Berlin 1967, S. 116–125, 161–163.

41 Hübner, Gesellschaftliche Strukturen, S. 130. 42 Protokoll der Verhandlungen des VII. Parteitages der SED, 1.–3. Verhandlungstag (Bd. 1), S. 239.

Page 61: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 11

Sie folgte allerdings im folgenden Abschnitt: Darin hieß es, Sozialpolitik könne nicht allein Sache des Staates sein, sondern sie müsse sich auch auf die Solidarität der Menschen unter-einander gründen. „Die Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen neben uns, die Sicherheit für jeden, mit seinen Problemen nicht allein zu sein – das charakterisiert die sozi-alistische Menschengemeinschaft.“43 Mit den Forderungen, man solle sich mehr um die Förderung der Familien und den Lebensunterhalt Alter und Kranker kümmern, in den Be-trieben der Beschäftigung älterer Arbeiter und Angestellter größere Aufmerksamkeit wid-men und das Rentensystem stärker nach Arbeitseinkommen und Berufsjahren differenzieren sowie durch eine freiwillige Zusatzrente ergänzen, wurden nicht nur Aufgaben beschrieben, sondern auch bestehende Defizite benannt. Die Sozialversicherung erfuhr harsche Kritik, weil sie fiskalisch, unrationell und teuer arbeite. Sie sei keine Insel im NÖS, sondern müsse nach dessen Prinzipien arbeiten und sich dem ökonomischen Zwang zur rationelleren Arbeit stellen.44

In den Grundzügen stimmten Ulbrichts Ausführungen mit den Erwägungen und Vorschlä-gen, wie sie in der Arbeitsgruppe „Sozialpolitik“ zu Papier gebracht worden waren, überein. Ein gradueller, jedoch wichtiger Unterschied zeigte sich aber darin, dass Ulbricht das Kos-tenargument und die Kompatibilität der Sozialpolitik mit dem NÖS und seiner „zweiten Phase“, dem „Ökonomischen System des Sozialismus“ (ÖSS) weit stärker betonte, als es die Arbeitsgruppe getan hatte. Für ihn stand die Modernisierung der DDR-Wirtschaft durch Investitionskonzentration auf die exportorientierten und strukturbestimmenden Bereiche an erster Stelle. Die sich auf dem Parteitag abzeichnenden sozialpolitischen Kompromisslinien wiesen allerdings in eine andere Richtung. Exemplarisch hierfür war die erwähnte Anhe-bung der Mindestlöhne von 220 auf 300 Mark.45 Damit veränderte sich das Verhältnis des Mindestlohnes zum durchschnittlichen monatlichen Arbeitseinkommen in der DDR von 1:2,8 im Jahr 1964 auf 1:2,2 im Jahr 1967.46 Die hier deutlich werdende egalitäre Tendenz stand in offenkundigem Kontrast zu Grundprinzipien der Wirtschaftsreform.47

3. Netzwerke und Subsidiarität

Der in Ulbrichts Rede enthaltene Passus, Sozialpolitik könne nicht allein Sache des Staates sein, sondern müsse sich auch auf die Solidarität der Menschen untereinander gründen, wirft die Frage auf, ob man es hier, jenseits der Formel von der sozialistischen Menschengemein-schaft, mit einem Plädoyer für eine DDR-Variante des Subsidiaritätsprinzips zu tun hatte. Anklänge daran ließen sich auch hinter dem Prinzip der „Eigenerwirtschaftung“ vermuten,

43 Ebd., S. 214. 44 Ebd., S. 240. 45 VO über die Erhöhung des monatlichen Mindestbruttolohnes von 220 MDN auf 300 MDN und die

differenzierte Erhöhung der monatlichen Bruttolöhne unter 400 MDN vom 1.6.1967. GBl. der DDR II 1967; S. 313–315.

46 Gunnar Winkler (Hg.): Geschichte der Sozialpolitik der DDR 1945–1985, Berlin 1989, S. 122. 47 Vgl. Peter Hübner: Konsens, Konflikt und Kompromiß. Soziale Arbeiterinteressen und Sozialpolitik in

der SBZ/DDR 1945 bis 1970, Berlin 1995, S. 84–88.

Page 62: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

12 Umstrittene Prioritäten: DDR

das den Betrieben auferlegte, auch die Mittel für kulturelle und soziale Betreuungseinrich-tungen aus den eigenen Gewinnen zu finanzieren.48 Nach dem VII. Parteitag der SED wid-mete der Bundesvorstand des FDGB diesem Thema eine eigene Arbeitsgemeinschaft.49 Ebenso fallen in diesem Zusammenhang einige andere Faktoren auf, die eine gewisse Affi-nität zur Eigen-, mitunter sogar zur Privatinitiative erkennen lassen. Beispielsweise wurde den noch verbliebenen Privatbetrieben, den Betrieben mit staatlicher Beteiligung wie auch Genossenschaften in Handwerk, Landwirtschaft usw. während der NÖS-Periode größerer Spielraum gewährt.50 Ähnliches ließe sich von einem Teil der in der DDR wirkenden sozia-len Dienste sagen.51 Alles dies konnte als Appell an den „alten Adam“ verstanden werden. Der „neue Mensch“ einer kommunistischen Gesellschaft war hier jedenfalls nicht gefragt.52

Ohne an dieser Stelle auf die Frage nach der Funktion das Privateigentum im Sozialismus eingehen zu wollen, bleibt auf jeden Fall der Versuch erwähnenswert, soziale und teils sogar wirtschaftliche Aufgaben der individuellen oder auch der kollektiven Initiative zu überlas-sen. Dies zielte auf eine Entlastung des NÖS-Mechanismus ebenso wie auf die des Staats-haushaltes, der im Zeichen der Strukturpolitik verstärkt für Modernisierungsinvestitionen in Anspruch genommen wurde.53 Folgte die DDR damit vielleicht dem Subsidiaritätsprinzip?

Dies ergäbe eine pikante Pointe. Denn in seinen Hauptmerkmalen thomistisch-naturrechtlich fundiert ist das Subsidiaritätsprinzip essentiell für die Soziallehre der katholi-schen Kirche. Der von ihr vertretene Grundsatz der Subsidiarität geht davon aus, dass die Gesellschaft die Tätigkeit ihrer Mitglieder nicht ersetzen und aufheben solle, sondern ergän-zen und fördern möge, wobei die jeweils kleinere Gruppe möglichst viele Aufgaben über-nimmt.54 Dieses Prinzip lief dem zentralistischen Staats- und Gesellschaftsmodell der DDR eigentlich zuwider. Umso bemerkenswerter erscheint im gegebenen Fall die Aktivierung lokaler Kooperation und des privaten Interesses als komplementäre Elemente staatlicher Politik, insbesondere der Sozialpolitik. Für die politischen Entscheidungsträger der Reform-

48 S. hierzu André Steiner: Die DDR-Wirtschaftsreform der sechziger Jahre: Konflikt zwischen Effizienz-

und Machtkalkül, Berlin 1999, S. 41–425, 476–489; vgl. auch Angelika Oelschläger: „Die Millionen-kinder von Leuna“. Kosten und Finanzierung betrieblicher Sozialleistungen in der DDR am Beispiel des VEB Leuna-Werke, Univ. Bremen (Diplomarbeit am FB 7) 1997.

49 SAPMO-BArch, DY 34, 9650, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle, Niederschrift über die konstituierende Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft für die Entwicklung neuer Grundsätze der Anwendung von Normativen auf dem Gebiet der Arbeits- und Lebensbedingungen als Grundlage für die perspektivische Neugestaltung des Kultur- und Sozialfonds“ am 19.5.1967, vom 26.5.1967.

50 Maria Haendcke-Hoppe: Privatwirtschaft in der DDR: Geschichte, Struktur, Bedeutung, Berlin 1982. 51 Vgl. Soziale Dienste, in: FDGB-Lexikon: Funktion, Struktur, Kader und Entwicklung einer Massenor-

ganisation der SED (1945–1990), (=Arbeitspapiere des Forschungsverbundes SED-Staat, Nr. 36/2005) hg. von Dieter Dowe/Karlheinz Kuba/Manfred Wilke. Bearbeitet von Michael Kubina (Arbeitsversion), Berlin 2005.

52 Vgl. Manfred Kappeler: Der schreckliche Traum vom vollkommenen Menschen, Marburg 2000; Su-sanne Schattenberg: Der neue Mensch. Jüngste Entwicklungen in der Stalinismusforschung, in: Pots-damer Bulletin für Zeithistorische Studien Nr. 26/27 (2002), S. 17–19.

53 Steiner, DDR-Wirtschaftsreform, S. 489–498. 54 Karl Homann/Christian Kirchner: Das Subsidiaritätsprinzip in der Katholischen Soziallehre und in der

Ökonomik, in: Lüder Gerken (Hg.): Europa zwischen Ordnungswettbewerb und Harmonisierung: euro-päische Ordnungspolitik im Zeichen der Subsidiarität, Berlin/Heidelberg 1995, S. 45–74.

Page 63: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 13

periode war damit aber kein Strategiewechsel verbunden. Im Unterschied etwa zu der von Ludwig Erhard dem Wirtschaftsbürger in den Mund gelegten Formulierung „Kümmere du, Staat, dich nicht um meine Angelegenheiten, sondern gib mir soviel Freiheit und laß mir von dem Ertrag meiner Arbeit soviel, daß ich meine Existenz, mein Schicksal und dasjenige meiner Familie selbst zu gestalten in der Lage bin“55, sollte der DDR-Staat in der dominie-renden Position bleiben. Im übertragenen Sinne wäre es an ihm zu sagen: „Du, Bürger des sozialistischen Staates, meine wirtschaftliche Leistungskraft hat ihre Grenzen, soziale Zu-wendungen und Sicherungen hängen davon ab. Wenn Du mehr haben willst, tue dich an Ort und Stelle mit anderen zusammen, um dir selbst zu helfen. Du darfst es, soweit du meine eigenen Ziele förderst, aber nur so.“ So oder so ähnlich ließe sich die Haltung der NÖS-Protagonisten paraphrasieren. Sie resultierte sicher nicht aus der Überzeugung, dass flexibel agierende Individuen oder kleine Gruppen dem „System ökonomischer Hebel“ überlegen seien, vielmehr reagierte man damit auf offenkundig gewordene Steuerungsdefizite der sozialistischen Wirtschaft. Die Triade aus zentraler Planung, flexibler Leitung und lokaler Eigenverantwortung entsprach der damit verbundenen Erwartung durchaus. Doch bildete sie nicht einfach eine Aufzählung, sondern in der Reihenfolge von Leitung, Planung und Ei-genverantwortung war sie hierarchisch strukturiert und kam, so gesehen, einem umgestülp-ten Subsidiaritätsprinzip gleich.

Alles dies lief auf eine sehr begrenzte, dennoch aber reale Öffnung zu individueller bzw. kollektiver Verantwortung und Leistung hinaus. Darin lediglich einen nichtintendierten Nebeneffekt des NÖS oder gar nur eine kurzfristige Reparaturmaßnahme sehen zu wollen, griffe wohl zu kurz. Schon im Ansatz barg die Wirtschaftsreform mit der Kategorie des persönlichen Interesses ein politisch schwer zu kalkulierendes Potential. Auch die Forde-rung nach Leistung und Solidarität war geeignet, die Frage nach Handlungsräumen und Freiheit aufzuwerfen. Wie schnell die Parteiregime Mittel- und Osteuropas damit eine sich der zentralen Kontrolle entziehende Dynamik in Gang setzen konnten, hatte der „Prager Frühling“ im Jahr 1968 gezeigt.56 Umso bemerkenswerter erscheint es, wenn die sogenannte „Normalisierung“ im Rahmen des „real existierenden“ Sozialismus zwar auf eine Rezentra-lisierung der Macht- und Planungsstrukturen hinauslief, zugleich aber die bestehenden Netzwerke lokaler und regionaler Akteure unangetastet ließ.57 Man könnte sogar noch wei-ter gehen: Die um 1970 eingeleitete strategische Wende im Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialpolitik erforderte geradezu solche Netzwerke als flexibles Korrektiv. Improvisations-vermögen wurde in der DDR ebenso zum Markenzeichen des betriebs- und volkswirtschaft-lichen Geschehens wie die weiter ausgebaute „territoriale Rationalisierung“.58 Nach 1990 mit Wirtschaftsverantwortlichen der DDR geführte Interviews gewähren instruktive Einbli-

55 Ludwig Erhard: Wohlstand für alle, Düsseldorf 1957, S. 262f. 56 Mark Kurlansky: 1968: Das Jahr, das die Welt veränderte, München 2007. 57 Peter Hübner: Norm, Normalität, Normalisierung: Quellen und Ziele eines gesellschaftspolitischen

Paradigmenwechsels im sowjetischen Block um 1970, in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Stu-dien, Nr. 28/29 (2003), S. 24–40.

58 Autorenkollektiv: Territoriale Rationalisierung: Erfahrungen aus dem Kreis Staßfurt, Berlin 1974; Frank Grimm: Territoriale Rationalisierung in Städten und Stadtbezirken, Berlin 1975; Arnold Zim-mermann: Territoriale Rationalisierung als Intensivierungsaufgabe, Berlin 1978.

Page 64: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

14 Umstrittene Prioritäten: DDR

cke in diesen Mechanismus.59 „Unter DDR-Bedingungen mußte man ein König der Impro-visation sein, man mußte vieles beherrschen, was hier [d.h. in der Bundesrepublik, P.H.] in der Wirtschaft überhaupt nicht bekannt ist“, erklärte einer der Interviewten, der frühere Generaldirektor von Carl Zeiss Jena, und meinte damit nicht zuletzt einen recht eigenwilli-gen, im Wesentlichen zwischen Wirtschaft, Politik und Sozialem changierenden Netzwerk-betrieb.60 Beispiele dieser Art wurden bislang meist im Kontext anderer Vorgänge, aber kaum als eigener Forschungsgegenstand systematisch untersucht. Gleichwohl finden sich in der Literatur zur Geschichte der industriellen Arbeit in der DDR nicht wenige Belege für das Entstehen und Wirken inner- und zwischenbetrieblicher Management-Netzwerke, für Netzwerke betrieblicher Führungskräfte und lokal oder regional zuständiger SED-Leitun-gen, vor allem aber für Netzwerke von Betriebs- und Kommunalfunktionären.61 Einen recht genauen Einblick in Netzwerkstrukturen der späten DDR gewährt Landolf Scherzer mit einer ins Detail gehenden Reportage über den Alltag eines Kreissekretärs der SED.62

In vielen Fällen handelte es sich um Beschaffungsnetzwerke. Sie gehörten gewissermaßen zum Inventar der sozialistischen Planwirtschaft, die immer auch eine Mangelwirtschaft war und den Zwang zur Kompensation aus sich heraus erzeugte.63 Hierin zeigten sich Anklänge an Situationen der Kriegswirtschaft im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Der Vergleich damit könnte schon deshalb von Interesse sein, weil er die Frage nach der Pfadabhängigkeit auch aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet: Der Versuch, Mangel an benötigten Erzeugnis-sen in einer gelenkten Wirtschaft zu mildern oder zu beheben, führte zu ähnlichen zweckra-tionalen Verhaltensweisen. Netzwerken kam dabei oft eine Schlüsselfunktion zu. Vor allem Unternehmensgeschichten liefern hierfür zahlreiche Beispiele. Zu nennen wären etwa die Beschaffungsnetzwerke der Fried. Krupp AG und der elektrochemischen Werke in Bitter-feld als exemplarische Fälle etablierter Firmen, aber auch die des bei Fallersleben errichte-ten Volkswagenwerkes wie auch des Werkes Schwarzheide der Braunkohle-Benzin AG, bei denen es sich um Neugründungen aus der Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg handelte.64

59 Theo Pirker u.a.: Der Plan als Befehl und Fiktion. Wirtschaftsführung in der DDR. Gespräche und

Analysen, Opladen 1995. 60 Ebd., S. 215; s. hierzu auch: Wolfgang Mühlfriedel/Edith Hellmuth: Carl Zeiss in Jena 1945–1990

(=Wolfgang Mühlfriedel/Rolf Walter (Hg.): Carl Zeiss. Die Geschichte eines Unternehmens, Bd. 3), Köln/Weimar/Wien 2004, bes. S. 281–314.

61 Vgl. hierzu u.a. Peter Hübner/Klaus Tenfelde (Hg.): Arbeiter in der SBZ-DDR, Essen 1999; Peter Alheit/Hanna Haack: Die vergessene „Autonomie“ der Arbeiter. Eine Studie zum frühen Scheitern der DDR am Beispiel der Neptun-Werft, Berlin 2004; Hermann-Josef Rupieper/Friederike Sattler/Georg Wagner-Kyora (Hg.): Die mitteldeutsche Chemieindustrie und ihre Arbeiter im 20. Jahrhundert, Halle (Saale) 2005; Peter Hübner/Christoph Kleßmann/Klaus Tenfelde (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005.

62 Landolf Scherzer: Der Erste. Protokoll einer Begegnung, Rudolstadt 1988. 63 Rolf Walter: Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/Wien,

3. Aufl. 2000, S. 274f. 64 S. hierzu u.a. Werner Abelshauser: Rüstungsschmiede der Nation? Der Kruppkonzern im Dritten Reich

und in der Nachkriegszeit 1933 bis 1953, in: Lothar Gall (Hg.): Krupp im 20. Jahrhundert. Die Ge-schichte des Unternehmens vom Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Stiftung, Berlin 2002, S. 267–472, hier 328–353; Dirk Hackenholz: Die elektrochemischen Werke in Bitterfeld 1914–1945. Ein Standort der IG Farbenindustrie AG, Münster 2004, bes. S. 277–287; Hans Mommsen/Manfred Grie-ger: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf, 3. Aufl. 1997, S. 155–176,

Page 65: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 15

Zu Letzterem, das seit 1954 als VEB Synthesewerk Schwarzheide firmierte, liegt ein Be-richt vor, der zeigt, wie Beschaffungsnetzwerke in der DDR funktionieren konnten: „Prak-tisch alle Rohstoffe und Materialien wurden an Hand des Planes und der Bilanzen auf Be-zugschein zugeteilt. Selbst bei den mengenmäßig größten Rohstoffkontingenten war damit noch nicht sicher, dass dafür auch die entsprechende Ware geliefert wurde. Für die men-genmäßig kleinen Materialpositionen wie Reparaturmaterial und Ersatzteile erhielt das Werk oft nur unzureichende Kontingente bzw. eben auch gar keine. So fehlten am Ende des I. Quartals 1957 Zuteilungen für metallurgische Erzeugnisse, Stahlformguss, Schrauben und Elektro-Gummischlauchleitungen. Das, was geliefert wurde, war oft von schlechter Qualität. Diese Situation war typisch für den gesamten Zeitraum 1954–1964. Und dennoch lief die Produktion dank des nimmermüden Einsatzes der Einkäufer des Bereiches Materialversor-gung kontinuierlich. Etwa 10 männliche Einkäufer des Werkes waren nahezu ständig kreuz und quer in der DDR mit Werks-PKW unterwegs, um in unzähligen kleinen privaten und halbstaatlichen Betrieben, wo das Planungssystem des Staates noch nicht so recht wirkte, Materialien auf Grund von Beziehungen und kleinen Gefälligkeiten zu beschaffen. Dabei waren Dreiecks- oder Mehrecksgeschäfte durchaus nicht außergewöhnlich. Natürlich ent-sprach das nicht den Gesetzen, aber den Plan zu erfüllen war auch ein Gesetz. Es wurde beschafft, aber nicht darüber gesprochen. In der Werkleitung fragte niemand danach. Ver-ständlicherweise gab es hierzu auch keine schriftlichen Unterlagen. In dieser Hinsicht hatte man in der SAG-Zeit einiges lernen können.“65

Zur Kategorie innerbetrieblicher bzw. betrieblich-kommunaler Netzwerke dürften in der Regel auch solche zu zählen sein, die man als Solidar-Netzwerke bezeichnen könnte. Exem-plarisch in dieser Hinsicht sind die lokalen Strukturen der „Volkssolidarität“ zu nennen. Anhand von personifizierten Einzelbeispielen hat Philipp Springer gezeigt, dass die vernetz-ten Aktivitäten ihrer meist ehrenamtlichen Mitarbeiter über den von der staatlichen Sozial-politik vorgegebenen Rahmen hinausgehend eine Teilautonomie erlangten.66 Andere und zudem besonders häufige Formen von Solidar-Netzwerken waren an den Arbeitsstätten anzutreffen. Ihre unmittelbaren Akteure kannten sich aus dem täglichen Berufsleben, aber oft auch aus anderen Zusammenhängen wie Wohnnachbarschaft und Freizeit. Eine wichtige Rolle für solche Netzwerkbildungen spielten besonders seit den sechziger Jahren die Ar-beitsbrigaden, die man in allen größeren Betrieben antreffen konnte.67 Vielfach ging es um gegenseitige Hilfe bei der täglichen Lebensbewältigung: Einkauf, Kinderbetreuung, Woh-nungsrenovierung, aber auch Freizeit. Man wird dies nicht idealisieren und generalisieren dürfen, aber dieses System funktionierte offenbar erstaunlich gut. Es reichte im Einzelfall weit über das Übliche hinaus und war nicht frei von einem patriarchalischen Gestus. So beschreibt etwa Hansjürgen Pröger, wie sich die Mitarbeiter einer Abteilung des For-schungszentrums im Kombinat Carl Zeiss Jena jahrelang um einen erkrankten Kollegen kümmerten, der im Rahmen seiner Möglichkeiten auch weiter beschäftigt blieb. Beachtens-

601–623; Hans-Joachim Jeschke: Aus der Geschichte des Chemiewerkes Schwarzheide, Teil 1: 1935 bis 1945, Schwarzheide 2003, S. 53–56.

65 Ders.: Aus der Geschichte des Chemiewerkes Schwarzheide, Teil 3: 1954–1964, Schwarzheide 2007, S. 133.

66 Philipp Springer: „Da konnt’ ich mich dann so’n bißchen entfalten“. Die Volkssolidarität in der SBZ/DDR 1945–1969, Frankfurt a.M. u.a. 1999, S. 191f.

67 Hübner, Konsens, S. 212–245.

Page 66: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

16 Umstrittene Prioritäten: DDR

wert an diesem Beispiel erscheint auch, wie horizontal strukturierte Netzwerke vertikal in die betriebliche Hierarchie ausstrahlen konnten: Immerhin erteilte der wegen seines robus-ten Umgangstons von vielen gefürchtete Generaldirektor des Kombinats sein ausdrückliches Plazet.68

Die hier nur knapp umrissenen Beispiele inter- und innerbetrieblicher Netzwerke verweisen auf eine erhebliche Pfadabhängigkeit von älteren Formen betrieblicher und kommunaler Sozialpolitik. Zweifellos dürften auch für manche Beschaffungsnetzwerke solche Bindun-gen relevant gewesen sein. Gleichwohl geben die beiden Vergleichsfälle DDR und PRL auch Anlass, nach Kontinuitätsbrüchen zu fragen. Denn offensichtlich litten die Bevölke-rungen bzw. Gesellschaften beider Staaten – mehr als viele andere in Europa – noch in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts unter den Folgen des Zweiten Weltkrie-ges. Insofern ist anzunehmen, dass zahlreiche tradierte Netzwerkstrukturen nach 1945 zer-brochen oder zerfallen waren. Ein Übriges taten die politischen Veränderungen. Nicht zu-letzt sind die Dominanz staatlichen Eigentums und die mit omnipotentem Anspruch versehenen Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten der Parteidiktaturen im Hinblick auf Netzwerkbildungen als einschränkende Faktoren zu beachten. Andererseits machten gerade die neuen, am sowjetischen Beispiel orientierten politischen und wirtschaftlichen Verhält-nisse das Entstehen von Netzwerken sinnvoll, solange sie im Sinne jenes umgestülpten Subsidiaritätsprinzips funktionierten. Das betraf insbesondere die Bereiche des betrieblichen Managements und der Kommunalverwaltungen.

Wie etwa das Beispiel der Wirtschaftsreform in der DDR der sechziger Jahre zeigt, agier-ten Netzwerke sowohl im Bereich der Machtelite als auch unter den Funktionseliten.69 Die Spannweite reichte vom Netzwerk der in den sechziger Jahren um Walter Ulbricht gruppier-ten „NÖS-Mannschaft“ über den zu ihrer Unterstützung installierten „Strategischen Arbeits-kreis“ bis hin zu den Anti-Ulbricht-Frondeuren, die sich in den späten sechziger Jahren um Erich Honecker sammelten.70 Daneben etablierten sich innerhalb der wirtschaftlichen Funk-tionseliten auch Beschaffungsnetzwerke, die versuchten, Steuerungsdefizite des nur inkon-sequent reformierten Wirtschaftssystems durch gegenseitigen Ressourcentausch zu kompen-sieren. Und schließlich entstanden verstärkt und nicht trotz, sondern wegen des seit den späten fünfziger Jahren angestiegenen Lebensstandards private Beschaffungs- bzw. Tausch-netzwerke. In wohl eher begrenztem Umfang wird auch die Existenz von Karrierenetzwer-ken innerhalb der DDR-Eliten anzunehmen sein. Allerdings wurde deren Entwicklung mas-siv durch die zentralisierte Kaderpolitik der SED überlagert. Singuläre politische Netzwerke in Form innerparteilicher Fraktionen oder oppositioneller Gruppen blieben offenbar eine

68 Hansjürgen Pröger: Mikrostrukturen. Erinnerungen an ein Arbeitsleben bei Carl Zeiss Jena, Jena 2003,

S. 209–212. 69 Einen guten Einblick in die Problematik gewährt Peter Fässler: „Gegenelite“ versus „strategische Cli-

que“. Kaderpolitik und -entwicklung während der DDR-Wirtschaftsreform, in: Christoph Boyer (Hg.): Sozialistische Wirtschaftsreformen. Tschechoslowakei und DDR im Vergleich, Frankfurt a.M. 2006, S. 559–595.

70 Ausführlich hierzu: Monika Kaiser: Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962 bis 1972, Berlin 1997; Steiner, DDR-Wirtschaftsreform.

Page 67: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 17

reale, mitunter aber auch wohl nur herbeigeredete Erscheinung der frühen ebenso wie der späten DDR.71

Das Funktionsprinzip solcher Netzwerke lautete im Allgemeinen „Hilfst Du mir, helf’ ich Dir“. Bedeutung erlangten solche Beziehungen vor allem auf der Ebene lokaler Funktions-eliten zwischen Betrieben und Kommunen. Ein Ausgangspunkt hierfür ist in dem Umstand zu sehen, dass das tägliche Leben in der DDR im Laufe der Zeit zunehmend fließende Übergänge zum Betriebsalltag aufwies. Nach dieser Logik folgten die Entwicklung des Wohnungsbaus, der Infrastruktur und die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und technischen Konsumgütern unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen vor allem den Bedürfnissen größerer Betriebe und ihrer Beschäftigten.72 Hieraus erwuchs ein gewisses Tauschpotential oder, wenn man so will, Verhandlungsmasse.

Schon in den frühen fünfziger Jahren entdeckten manche Wirtschaftsplaner, dass soziale Erwartungen und Forderungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Rahmen der zentralen Planung nie vollständig zu befriedigen waren. In diese Richtung argumentierte beispielsweise der FDGB-Bundesvorstand bereits 1950.73 Auch Bruno Leuschner, zu dieser Zeit immerhin Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, verlangte, man solle „ernsthaf-te Maßnahmen zur wirklichen Ausnutzung aller örtlichen Reserven, d.h. zur Mobilisierung von Materialien, Arbeitskräften usw. für die Deckung der örtlichen Bedürfnisse ergreifen“. Es müssten „nicht immer alle Fragen zentral gelöst werden.“74 Ergänzend mehrten sich in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre auch Plädoyers für eine größere Eigenverantwortung der Betriebe.75 Hierin deuteten sich nicht nur Grundzüge der 1963 begonnenen Wirtschafts-reform an, auch die Tendenz zur Improvisation wurde stärker.76 Die Planer begannen beson-ders im Hinblick auf die Sozial- und Konsumpolitik außerplanmäßige Lösungen geradezu einzukalkulieren. Es waren vor allem die lokalen, im Plan nicht bilanzierten, also „außer-planmäßigen“ Ressourcen, die sie für Infrastruktur-, Konsum- und Sozialpolitik in Betrie-ben, Städten und Gemeinden zu aktivieren hofften.77

71 Vgl. Werner Müller: Gab es in Deutschland einen demokratischen Kommunismus? In Uwe Ba-

ckes/Stéphane Courtois (Hg.): Ein Gespenst geht um in Europa: das Erbe kommunistischer Ideologien, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 369–378.

72 Peter Hübner: Betriebe als Träger der Sozialpolitik, betriebliche Sozialpolitik, in: Geschichte der Sozi-alpolitik in Deutschland seit 1945. Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Hg.: Bun-desministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und Bundesarchiv; B. 8: Dierk Hoff-mann/Michael Schwartz (Band-Hg.): Deutsche Demokratische Republik 1949–1961: Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus, Baden-Baden 2004, S. 729–773.

73 Aus der Arbeit des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1947–1949, hg. v. Bundesvorstand des FDGB, Berlin 1950, S. 256.

74 Bruno Leuschner, Die Hauptaufgaben des Volkswirtschaftsplanes 1951 – das erste Jahr des Fünfjahr-planes, in: Einheit 6 (1951), S. 174–183, hier 182f.

75 Ders.: Mit Optimismus und Zuversicht ans Werk. Aus dem Schlußwort auf der Ökonomischen Konfe-renz der Textil- und Bekleidungsindustrie in Karl-Marx-Stadt, 23. April 1960, in: Ders.: Ökonomie und Klassenkampf. Ausgewählte Reden und Aufsätze 1945–1965, Berlin 1984, S. 389–393, hier 391.

76 Vgl. Peter Hübner: Durch Planung zur Improvisation. Zur Geschichte des Leitungspersonals in der staatlichen Industrie der DDR, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 197–233.

77 Ders.: Reformen in der DDR der sechziger Jahre: Konsum- und Sozialpolitik, in: Boyer, Sozialistische Wirtschaftsreformen, S. 501–539.

Page 68: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

18 Umstrittene Prioritäten: DDR

Vielfach kooperierten Betriebe und Kommunalverwaltungen bei der improvisatorischen Beschaffung defizitärer Waren. Betriebliche Sozialpolitik, kommunale Sozialplanung und territoriale Rationalisierung erlangten auf diese Weise auch in späteren Jahren für das fami-liäre und individuelle Leben erhebliche Bedeutung.78 Lokale Netzwerke von Entscheidungs-trägern versuchten, betriebliche und kommunale Interessen für die Betreuungs- und Versor-gungspolitik zu aktivieren. Man wird dies nicht idealisieren dürfen. Es waren Versuche, Ressourcen- und Steuerungsdefizite der sozialistischen Mangelwirtschaft durch Improvisa-tion zu lindern.79 Auch ist dies möglicherweise auf dem Dorf besser gelungen als in der Stadt. Gleichwohl barg dieses relativ schwach formalisierte Zusammenspiel von Betrieben und Städten und Gemeinden beträchtliche Entwicklungspotentiale.80

Andererseits wies die zumeist nichtformalisierte Kooperation von Betriebsleitungen und kommunalen Verwaltungen immer wieder Unwägbarkeiten auf. Nicht selten standen die möglichen positiven Ergebnisse einer solchen Zusammenarbeit in einem eher ungünstigen Verhältnis zum Ärger, den vorgesetzte Stellen verursachen konnten, indem sie auf Plan- und Parteidisziplin pochten. Die Frage stellt sich, was in solchen Fällen die beteiligten Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionäre bewog, keinen „Dienst nach Vorschrift“ zu machen, sondern durchaus auch die nicht zuletzt persönlichen Risiken ihres Improvisierens in Kauf zu nehmen. Man mag hier jenseits aller politischen Rhetorik und Zeitgebundenheit Elemen-te eines bürgerschaftlichen Engagements erkennen. Spätestens jedoch seit der Einführung des „Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung“ und der damit betonten „Ei-genverantwortung“ der Betriebe erschien die Sache in einem günstigeren Licht. Vor allem machte sich hierbei geltend, dass die SED-Führung unter Walter Ulbricht sehr bewusst auf eine stärkere sozialpolitische Flankierung der Wirtschaftsreform verzichtete und dafür auf die Ausnutzung örtlicher Ressourcen setzte.81

Die Staatliche Plankommission ließ solche lokalen Beziehungen seit 1964 in verschiedenen Betrieben untersuchen. 1967 konstatierte sie, die „Möglichkeiten, die für das Zusammen-wirken der Betriebe und örtlichen Organe bestehen“ und für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen genutzt werden könnten, seien nicht ausgeschöpft.82 Für eine effek-tive Koordination sozialpolitischer Aktivitäten auf kommunaler und betrieblicher Ebene schlug sie ein System vor, das später unter der Bezeichnung „territoriale Rationalisierung“

78 Vgl. u.a. Zimmermann, Territoriale Rationalisierung. 79 Exemplarisch hierfür: Małgorzata Mazurek: Socjalistyczny zakład pracy. Porównanie fabrycznej

codzienności w PRL i NRD u progu lat sześćdziesiątych [Der sozialistische Betrieb. Ein Vergleich des Fabrikalltags in der PRL und der DDR an der Schwelle der sechziger Jahre], Warszawa 2005.

80 Vgl. Sylke Behrendts: Erklärung von Gruppenphänomenen in der Wirtschaftspolitik, Berlin 1999; Hans-Rudolf Peters: Wirtschaftspolitik, München/Wien, 2000, S. 79–81; Franz Traxler: Die Metamor-phosen des Korporatismus: vom klassischen zum schlanken Muster, in: Politische Vierteljahresschrift 42 (2001), S. 590–623.

81 Peter Hübner: Gesellschaftliche Strukturen und sozialpolitische Handlungsfelder, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 9, S. 77–145.

82 SAPMO-BArch, DY 34, 6787, SPK, Abt. Planung des Lebensstandards, Information über einige Prob-leme der Planung der Arbeits- und Lebensbedingungen, März 1967.

Page 69: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 19

ein erhebliches Improvisationsvermögen freisetzte.83 Wie schon gezeigt, gelangten auch die Vertreter der FDGB-Hochschule zu ähnlichen Ergebnissen.84 Grundsätzlich ließen sich hinter all diesen Erörterungen und Vorschlägen zwei Absichten erkennen: Zum einen ging es darum, lokale Kompetenz und lokales Engagement für die im großen Rahmen vorgege-benen wirtschaftlichen und sozialen Ziele zu mobilisieren. Zum anderen sollte die in der Regel größere Detail- und Problemkenntnis lokaler Akteure wohl auch für das Ausloten alternativer Varianten genutzt werden. Der Zeitpunkt dieser Diskussion im Frühjahr 1967 war keineswegs zufällig. Er fiel mit einer Debatte um die Zukunft des NÖS zusammen.85 Wenn aber, wie oben erwähnt, Walter Ul-bricht das NÖS in seinem Parteitagsreferat vom April 1967 die Wirtschaftsreform als Zu-sammenhang von zentraler Planung, flexibler Leitung und lokaler Eigenverantwortung be-schrieb86, war damit keineswegs die Axt an die Wurzel des zentralen Planungssystems gelegt. Vielmehr ging es um eine dosierte und auf jeden Fall auch kontrollierte Dezentrali-sierung im Interesse größerer Flexibilität. Die Annahme, hier werde ein Teil der zentralen staatlichen Steuerungskompetenz an die betriebliche und kommunale Ebene abgegeben, um die Potentiale lokaler Initiativen zu erschließen, griffe zu weit. Während Letzteres zweifel-los beabsichtigt war, stand die Möglichkeit einer Intervention „von oben“ nie in Frage. Frag-lich blieb allerdings auch, inwieweit sich den Akteuren an der Spitze der SED die Konse-quenzen erschlossen. Zumindest bei der Honecker-Fraktion scheint die Furcht vor den Risiken ein starkes Motiv politischen Handelns gewesen zu sein.87

Der dahinterstehende Zielkonflikt um die Sozial- und Strukturpolitik nahm immer deutli-cher die Konturen einer machtpolitischen Kontroverse an. In dieser Situation versuchte Ulbricht, die sozialpolitisch einsetzbaren Ressourcen der kommunalen Ebene zu mobilisie-ren, um mehr Stabilität in die „Versorgung und Betreuung der Bevölkerung“ zu bringen.88 Diesem Zweck diente ein Staatsratsbeschluss zur Entwicklung der sozialistischen Kommu-nalpolitik, der das Zusammenwirken „von Städten, Gemeinden und Betrieben als soziale

83 Rudolf Bechmann: Zu Problemen der Wechselbeziehungen zwischen den sozialistischen Produktions-

verhältnissen und anderen gesellschaftlichen Verhältnissen aus territorialer Sicht, Berlin 1981, S. 64–75.

84 SAPMO-BArch, DY 34, 624, Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften, Gerhard Tietze, Heinz Menz-zer und Gunnar Winkler: „Der Zusammenhang der komplexen sozialistischen Rationalisierung mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Aufgaben der Gewerkschaften“ (Entwurf), undat., (Febr./März 1967), S. 8.

85 André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004, S. 142–151; ders., DDR-Wirtschaftsreform, S. 407–435.

86 Protokoll der Verhandlungen des VII. Parteitages der SED, 1.-3. Verhandlungstag (Bd. 1), S. 142. 87 Vgl. u.a. Günter Mittag: Um jeden Preis. Im Spannungsfeld zweier Systeme, Berlin/Weimar 1991,

S. 143f. 88 Zum System der Planung und Leitung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der

Versorgung und Betreuung der Bevölkerung in den Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden. Mate-rialien der 19. Sitzung des Staatsrates der DDR am 11.12.1969 zum „Entwurf des Beschlusses zur wei-teren Gestaltung des Systems der Planung und Leitung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ent-wicklung der Versorgung und Betreuung der Bevölkerung in den Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden“, hg. von der Abteilung Presse und Information des Staatsrates der DDR, Berlin 1969.

Page 70: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

20 Umstrittene Prioritäten: DDR

Gemeinschaften“ regeln sollte.89 Vorgesehen war eine Kooperation in einem „System der Versorgung und Betreuung der Bevölkerung“, als dessen Schwerpunkte die Versorgung mit Waren, die jede Familie zum täglichen Leben benötigt, die Arbeiterversorgung, die Schul- und Kinderspeisung, die „gastronomische Betreuung“, die Versorgung mit haus- und stadt-wirtschaftlichen Dienstleistungen und Reparaturen, die „Gestaltung sozialistischer Wohnbe-dingungen“ und die „Förderung eines aktiven kulturellen Lebens, der Gesunderhaltung und Leistungsfähigkeit der Bürger“ benannt wurden.90

Der an sich nicht überraschende Umstand, dass es bereits seit den frühen Zeiten der DDR, netzwerkartige Beziehungen zwischen Betrieben und Kommunalverwaltungen gab, legt die Frage nahe, ob man es mit einer sozialistischen Mutation korporatistischer Strukturen zu tun hatte. Es würde hier zwar zu weit führen, näher auf das Korporatismus-Problem einzugehen, zumal das Modell eines besonders an das Verbändewesen gekoppelten Korporatismus an dieser Stelle weniger von Interesse ist.91 Auch erscheint es kaum geeignet, gesellschaftliche und politische Handlungszusammenhänge in der DDR abzubilden. Allerdings verdient der u.a. von Alan Cawson vertretene Ansatz des Mikrokorporatismus Beachtung, weil dieser sich im Wesentlichen auf das Verhältnis einzelner Unternehmen zu staatlichen Akteuren bezieht.92

Auf der lokalen, oder wenn man so will, der Mikroebene entstanden offenbar Vernetzun-gen von betrieblichen und kommunalen Entscheidungsträgern, ähnlich denen, wie sie an-hand der Beziehung zwischen Stadt und Werk für westliche Gesellschaften beschrieben worden sind.93 Hinzu kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt: Dem Entstehen personaler Netzwerke mikrokorporatistischen Typs scheinen besonders solche historischen Wegmarken günstig zu sein, in denen sich der Prozess der technischen bzw. der industriellen Revolution mit Phasen politischer Instabilität verbindet. Das war um 1970 der Fall. Carlota Perez hat solche Schnittpunkte am Ende langer, wellenartiger Sequenzen in der Geschichte des In-dustriekapitalismus lokalisiert: a) technological revolution – financial bubble – collapse – golden age – political unrest bzw. b) irruption – frenzy – turning point – synergy – maturi-ty.94 Diese Abfolge lässt sich im Kontext sozialistischer Ordnungen sowjetischen Typs mög-licherweise ähnlich deklinieren: „Wissenschaftliche-technische Revolution“ – Investitions-konzentration – Ressourcenüberdehnung – politische Unruhe und sozialer Protest – sozial- und wirtschaftspolitische Korrektur. Ein solches Entwicklungsmuster käme der Realge-schichte der UdSSR, Polens und der DDR in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und

89 Die weitere Gestaltung des Systems der Planung und Leitung der wirtschaftlichen und gesellschaftli-

chen Entwicklung der Versorgung und Betreuung der Bevölkerung in den Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden – zur Entwicklung sozialistischer Kommunalpolitik, hg. von der Abteilung Presse und Information des Staatsrates der DDR, Berlin 1970, S. 10.

90 Ebd., S. 122–137. 91 Vgl. hierzu Roland Czada: Konjunkturen des Korporatismus. Zur Geschichte eines Paradigmenwech-

sels in der Verbändeforschung, in: Wolfgang Streeck (Hg.): Staat und Verbände, Opladen 1995, S. 37–64; Traxler, Metamorphosen.

92 Vgl. Alan Cawson: Corporatism and Political Theory, Oxford 1986. 93 Werner Reutter: Korporatismustheorien: Kritik, Vergleich, Perspektiven, Frankfurt a.M. u.a. 1991,

S. 17; ders./Peter Rütters (Hg.): Verbände und Verbandssysteme in Westeuropa, Opladen 2001. 94 Carlota Perez: Technological Revolutions and Financial Capital. The Dynamics of Bubbles and Golden

Ages, Cheltenham 2002, S. 5, 78.

Page 71: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 21

1970/71 zumindest nahe. Je mehr aber die Reformprozesse ins Stocken gerieten, desto zügi-ger formierte sich die „Konterreform“. Letztlich ging es um Macht.95

Im Zusammenhang mit solchen Kontroversen, Konflikten sowie wirtschafts- und sozialpoli-tischen Strategiewechseln wuchs offenbar der Bedarf an korrigierenden Eingriffen und im-provisiertem Handeln auch im lokalen Kontext.96 Auf die NÖS-Periode in der DDR traf das ohne weiteres zu. In diesem Fall verdient jedoch noch ein weiterer Aspekt Beachtung: Der mit dem NÖS vollzogene wirtschaftliche Strategiewechsel ging mit einer gewissen Locke-rung der politischen Zügel einher. Selten in der Geschichte der DDR gab es zumindest in „technokratischer“ Hinsicht eine so offene Diskussionsatmosphäre wie in den ersten Jahren der Wirtschaftsreform. Das oft zitierte „Kahlschlag-Plenum“ des ZK der SED vom Dezem-ber 1965 steht dazu nicht im Widerspruch. Wenn die ursprünglich als „Ökonomie-Plenum“ vorbereitete Veranstaltung zu einem „Ideologie-Plenum“ umfunktioniert wurde, gab dies nur einen Hinweis darauf, dass es der um Erich Honecker versammelten Anti-Ulbricht-Fronde darum ging, die aus ihrer Perspektive bedrohlich werdende Eigendynamik der Re-form auszubremsen.97

Die politische Logik dieses Vorgehens ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn unver-kennbar verlief die NÖS-Diskussion parallel zu einer Debatte, die mit dem Postulat des sowjetischen Ökonomen Evsej Liberman zur positiven Rolle individueller Interessen, dem sich an der internationalen Kafka-Konferenz entzündenden Entfremdungsdiskurs und nicht zuletzt in Ota Šiks wirtschaftspolitischen Thesen ihre wichtigsten Signaturen fand. Es war wohl alles andere als ein Zufall, wenn Šiks 1962 in der ČSSR erschienenes Buch „Ökono-mie – Interessen – Politik“ 1966 in deutscher Übersetzung im Parteiverlag der SED erschien – vom Rektor der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Otto Rein-hold (*1925), wissenschaftlich bearbeitet und mit einer vom September 1965 datierten emp-fehlenden „Vorbemerkung“ versehen.98 In der durch dieses Buch belebten Diskussion spiel-te der Netzwerkbegriff zwar keine Rolle, doch in der Kategorie des Interesses blieb er durchgehend präsent.

Es waren vor allem die sozialpolitischen Fragwürdigkeiten des NÖS, durch die unverse-hens die Netzwerk-Problematik ins Spiel kam. Denn zwischen dem Modernisierungs- und Wachstumsanspruch des NÖS auf der einen Seite und den sozialen Zielsetzungen auf der anderen klaffte, wie sich bald zeigen sollte, ein Zwiespalt, der gegen Ende der sechziger Jahre den schwelenden Konflikt in der SED-Führung verschärfte. Das war jene Konstellati-on, aus der sich Ulbrichts bemerkenswerter Aufruf zu Eigenverantwortung und Solidarität erklärte. Im Grunde schwang darin die Hoffnung mit, individuelle oder kollektive Initiative,

95 Dieter Segert: Repression und soziale Klassen. Überlegungen zu einer Sozialgeschichte der politischen

Macht im Staatssozialismus, in: Christiane Brenner/Peter Heumos (Hg.): Sozialgeschichtliche Kommu-nismusforschung. Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, DDR 1945–1968 (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum; 27), München 2005, S. 307–317.

96 Vgl. hierzu Czada, Konjunkturen, S. 37–63. 97 Ausführlicher hierzu: Kaiser, Machtwechsel, S. 200–231. 98 Ota Šik: Ekonomika, zájmy, politika. Jejich vzájemné vztahy do socialismu [Ökonomie, Interessen

Politik. Ihre Wechselbeziehung bis zum Sozialismus], Praha 1962; ders.: Ökonomie, Interessen, Politik, Berlin 1966.

Page 72: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

22 Umstrittene Prioritäten: DDR

auf jeden Fall aber eine solche, die über die „verplanten“ Ressourcen hinausreichte, könne diese Kluft überbrücken. Daran änderte sich auch nach dem im Frühjahr 1971 vollzogenen Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker nichts. Weil die knapp zwei Jahrzehnte der Ära Honecker im Zeichen einer extensiven staatlichen Sozialpolitik standen, hing sie in noch größerem Maße von einer erfolgreichen Interaktion des betrieblichen Managements und kommunaler Verwaltungen ab.

Allerdings schränkte die in den frühen 1970er Jahren auf nahezu allen Politikfeldern um sich greifende Rezentralisierung der Entscheidungsprozesse naturgemäß auch die Hand-lungsräume lokal und regional operierender „Netzwerker“ ein.99 Doch am Beispiel der im Allgemeinen als wichtig betrachteten betrieblichen und kommunalen Sozialpolitik lässt sich recht gut zeigen, wie wenig man auf die flexible „Netzwerkerei“ verzichten konnte. Das nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 verkündete sozialpolitische Programm sicherte zunächst einmal die erreichten Standards und beugte Tendenzen einer sozialen Niveauab-senkung vor. In dieser Frage gab es einen weitgehenden Konsens. Im Herbst 1972 versuchte auch der FDGB, seine brüchig gewordene Position vor allem in der betrieblichen Sozialpoli-tik zu festigen.100 Er wollte wieder verstärkt gestaltend und kontrollierend ins Spiel kom-men. Der FDGB hatte hierbei keine guten Karten. Denn auf der staatlichen Leitungsebene unterstand den Kombinatsdirektoren ein eigener Direktionsbereich Arbeit und Sozialpolitik. Einige Generaldirektionen verfügten auch über sozialpolitische Beiräte, die sich aus Vertre-tern der einzelnen Direktionsbereiche zusammensetzten. In den Kombinatsbetrieben selbst lag die Hauptverantwortung für Sozialmaßnahmen und -einrichtungen beim Betriebsdirek-tor. An der Ausarbeitung des Planteils „Arbeits- und Lebensbedingungen“ waren im Grunde alle Direktionsabteilungen der Betriebe beteiligt, wobei allerdings die Abteilungen Arbeits-kräfte/Kader und Finanzwirtschaft besondere Bedeutung erlangten. In manchen Betrieben existierten auch Arbeitsgruppen „Arbeitsbedingungen/Gesundheitsschutz“.101 Alles dies bot Ansatzpunkte für Netzwerk-Aktivitäten im Sinne eines außerplanmäßigen Ressourcentau-sches.

4. Versuche einer „Ökonomisierung“ der „sozialistischen Sozialpolitik“ 1967–1970

Die während der Beratung Ulbrichts mit der Arbeitsgruppe „Sozialpolitik“ am 27. Januar 1967 von Werner Jarowinsky vorgetragene Kritik an einer unzureichend „ökonomisierten“ gesellschaftlichen Konsumtion ließ sich mühelos auf die „sozialistische Sozialpolitik“ aus-weiten. Weil im NÖS der Preis als einer der wichtigsten „ökonomischen Hebel“ fungierte, musste auch eine in das Gesamtsystem eingeordnete Sozialpolitik dem Aufwand-Nutzen-

99 Vgl. u.a. Michael Schetsche/Kai Lehmann (Hg.): Netzwerker-Perspektiven, Regensburg 2003. 100 SAPMO-BArch DY-34, 8972, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik: Richtlinie für die Arbeit

der Kommission Sozialpolitik in den Betrieben (Entwurf) vom 4.10.1972. 101 Gerhard Tietze/Joachim Schindler/Helga Hoffmann: Sozialpolitik im Betrieb und Mitwirkung der

Gewerkschaften, Berlin 1986, S. 90–96; Gerhard Tietze/Gunnar Winkler: Sozialpolitik im Betrieb: so-ziale Erfordernisse des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, Berlin 1988, S. 174–177.

Page 73: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 23

Kriterium unterliegen. Unter solchen Umständen kam es nicht überraschend, wenn sich die sozialpolitische Diskussion nach dem VII. SED-Parteitag stärker auf die Kosten- und Res-sourcenproblematik verlagerte. Für den FDGB bedeutete das einerseits eine Herausforde-rung, andererseits bot sich ihm hierdurch auch Gelegenheit zur Stärkung seiner Position.

Bereits am 19. Mai 1967 konstituierte sich bei der Abteilung Arbeiterversorgung/Arbei-terkontrolle des Bundesvorstandes unter Leitung von Erhard Sonntag eine „Arbeitsgemein-schaft für die Entwicklung neuer Grundsätze der Anwendung von Normativen auf dem Gebiet der Arbeits- und Lebensbedingungen als Grundlage für die perspektivische Neuge-staltung des Kultur- und Sozialfonds“. Ihr gehörten insgesamt zwölf Personen an, darunter Gunnar Winkler (*1931), Experte für Betriebswirtschaft und Sozialpolitik an der Hochschu-le des FDGB in Bernau, sowie der Leiter der Abteilung Finanzökonomie der VVB Poly-graph, der stellvertretende BGL-Vorsitzende der Armaturenwerke Magdeburg und einige weitere Mitarbeiter des Bundesvorstandes. Man wollte klären, in welchem Umfang und wie konkret sachliche und finanzielle „Normative“ auszuarbeiten seien und wie der KSF bei gleichzeitiger Sicherung von Mindeststandards der kulturellen und sozialen Betreuung leis-tungsbezogener zu machen wäre. Auch sollte geprüft werden, wie die „Eigenerwirtschaf-tung“ der Mittel für kulturelle und soziale Betreuungseinrichtungen gefördert werden kön-ne.102

Auch der beim ZK der SED angesiedelte Arbeitskreis „Sozialpolitik“ setzte in einer leicht veränderten personellen Zusammensetzung seine Tätigkeit fort. Nachdem er an der Vorbe-reitung des VII. Parteitages mitgewirkt hatte, bestand seine neue Aufgabe darin, Prognosen der künftigen sozialen Entwicklung und des daraus resultierenden sozialpolitischen Hand-lungsbedarfs auszuarbeiten. Solche Prognosegruppen entstanden nach dem Parteitag im Sommer 1967 bei den zentralen Staats- und wirtschaftsleitenden Organen in beträchtlicher Anzahl. Sie sollten die technologischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungstrends des bevorstehenden Jahrzehnts abschätzen. Am 10. Juli 1967 wandte sich der Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Sozialpolitik“, Gerhard Montag, mit einem Schrei-ben an Ulbrichts persönlichen Referenten Wolfgang Berger103 und bat um eine Entschei-dung, „welches Profil die Arbeitsgruppe Sozialpolitik für die bevorstehende Etappe erhalten soll“.104 Er selbst wollte die bisherigen Arbeitsschwerpunkte, also die Entwicklung des Ar-beitspotentials, Grundrichtungen der Einkommenspolitik, Förderung von Familien mit Kin-dern und die Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen älterer Menschen, beibehal-ten, thematisch aber weiter fassen. Besonders verwies Montag auf die zunehmende Bedeutung der Preispolitik, die sich mehr nach volkswirtschaftlichen Effektivitätskriterien richten müsse.105

102 SAPMO-BArch DY-34, 9650, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle:

Niederschrift über die konstituierende Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft für die Entwicklung neuer Grundsätze der Anwendung von Normativen auf dem Gebiet der Arbeits- und Lebensbedingungen als Grundlage für die perspektivische Neugestaltung des Kultur- und Sozialfonds“ am 19.5.1967, vom 26.5.1967.

103 Wolfgang Berger, 1921–1994, Abteilungsleiter im ZK der SED, bis 1971 persönlicher Referent Walter Ulbrichts.

104 SAPMO-BArch DY-30/JIV2/202/499, Arbeitsgruppe Sozialpolitik: Brief Gerhard Montags an Wolf-gang Berger vom 10.7.1967.

105 Ebd.

Page 74: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

24 Umstrittene Prioritäten: DDR

Noch im Juli 1967 traf sich Walter Ulbricht mit den Gruppenleitern des ZK-Arbeitskreises, um ihnen seine Vorstellungen über die weitere Tätigkeit mitzuteilen. Durchaus im Sinne einer Weisung erhielten sie den Auftrag, Arbeitspläne auszuarbeiten, die Mitte September auf einer Beratung des Arbeitskreises diskutiert werden sollten. Zu ihren generellen Aufga-ben gehörte die rechtzeitige Information der Parteiführung darüber, wo sich nach Auffas-sung der Experten Abweichungen von den Zielen des Perspektivplanes bis 1970 abzeichne-ten. Im Hintergrund stand die Befürchtung, die Planziele bis 1970 besonders bei Wohnungsbau, Kindereinrichtungen, Schulbau und beim Erholungswesen nicht erreichen zu können. Die Arbeitsgruppen waren angehalten, Übersichten mit komplexen Kennziffern und Berechnungen vorzulegen und zur Lösung dieser Aufgaben „alle wissenschaftlichen Kapa-zitäten auf ihrem Gebiet in die Arbeit ein(zu)beziehen“.106 Bereits am 17. Juli wurde die Arbeitsgruppe „Sozialpolitik“ über den Inhalt dieser „Anleitung“ informiert.107 Ende August legte sie einen ersten „Arbeitsplanvorschlag“ vor, demzufolge man sich besonders auf die Frage konzentrieren wollte, „wie das Wachstum des Arbeitspotentials durch die Lohn- und Sozialpolitik stimuliert werden kann und welche objektiven Anforderungen sich daraus an die künftige Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen in der entwickelten sozialisti-schen Gesellschaft ergeben“.108 Nachdem dieses Programm am 9. Oktober 1967 mit Wolf-gang Berger diskutiert worden war und es einige Änderungsvorschläge gegeben hatte, schickte Montag einen überarbeiteten Arbeitsplan an Berger.109 Gegenüber dem vorherigen Entwurf enthielt das Papier Veränderungen, die vor allem auf eine stärkere Betonung öko-nomischer Funktionen der Sozialpolitik hinausliefen, während der Gedanke einer sozialen Absicherung gegen die Wechselfälle des Lebens zurücktrat. Besondere Aufmerksamkeit richtete man jetzt auf die Sicherung bzw. Mobilisierung des Arbeitskräftepotentials.110 Da-mit zeichnete sich gegenüber bisherigen Aufgabenbestimmungen der Sozialpolitik, die eher direkt produktions- oder auch produktivitätsorientiert waren, die demographische Entwick-lung als neuer Gesichtspunkt ab.

Während auf der einen Seite mit ziemlichem Aufwand prognostiziert und theoretisiert wurde, hatte man es auf der anderen mit ganz praktischen, teils schon seit längerem beste-henden, teils aber auch durch Ulbrichts Wirtschaftsreform noch verstärkten sozialen Schief-lagen zu tun. Wo sich die Probleme bündelten, verdeutlichte in ungefähren Konturen eine Analyse der im zweiten Quartal 1967 bei der Abteilung Arbeit und Sozialpolitik des Staats-rates eingegangenen Eingaben. Von insgesamt 189 Fällen bezogen sich 68 auf Renten und die Altersversorgung der Intelligenz, 43 auf Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen sowie da-mit verbundene Ausgleichszahlungen, 53 betrafen Löhne, Prämien und Zuschlagszahlungen.

106 SAPMO-BArch DY-34, 5033, Arbeitsgruppe Sozialpolitik: Fritz Rösel: Weitere Arbeit der Arbeits-

gruppe Sozialpolitik beim Arbeitskreis des ZK. Mitteilung vom 18.7.1967 an Herbert Warnke und Rolf Berger.

107 Ebd. 108 SAPMO-BArch DY-30/JIV2/202/499, Arbeitsgruppe Sozialpolitik: Arbeitsplanvorschlag vom

23.8.1967. 109 SAPMO-BArch DY-30/JIV2/202/499, Arbeitsgruppe Sozialpolitik: Brief Gerhard Montags an Wolf-

gang Berger vom 16.10.1967 und Arbeitsplan der Arbeitsgruppe Sozialpolitik. 110 Ebd., Arbeitsplan.

Page 75: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 25

Lediglich sechs galten dem Arbeitsschutz und 19 verteilten sich auf sonstige Gründe.111 Das entsprach ziemlich genau einer in der Bevölkerung verbreiteten Interessenlage, bei der die Alterssicherung, Arbeitseinkommen, Arbeitszeit und, was bei diesen Eingaben nicht deut-lich wurde, die Stabilität des Einzelhandelsangebots im Vordergrund standen. Hinzu kam ein weiteres Problem, das zwar keine allgemeine Aufmerksamkeit beanspruchte, aber doch die Experten auf den Plan rief: Angesichts der angestrebten umfassenden volkswirtschaftli-chen und betrieblichen Rationalisierung stellte sich nämlich die Frage nach der Sicherheit und nach der Schaffung von Arbeitsplätzen. Damit befassten sich im September 1967 die Teilnehmer eines vom „Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften“ in Bernau organisierten Kolloquiums. Die Veranstalter legten dabei Thesen zum „neuen Inhalt des Rechts auf Arbeit in der DDR“ vor. Sie gingen darin von einem Recht auf eine dem Arbeitsvermögen des Beschäftigten entsprechende Tätigkeit unter optimalen Arbeitsbedingungen, auf Lohn und Prämie in Abhängigkeit von erfüllbaren Leistungskennziffern, auf sozialistische Gemein-schaftsarbeit und auf Mitentscheidung in der Planung und Leitung aus.112 Das wirtschaftli-che Leitungspersonal habe zu beachten, dass die „Organisierung der sozialistischen Ge-meinschaftsarbeit und der Teilnahme der Werktätigen an der Planung und Leitung der Arbeit […] wichtige Kriterien für die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit durch die lei-tenden Organe des Betriebes und der Wirtschaft“ seien.113 Die Inhalte der Betriebskollektiv-verträge (BKV) sollten darauf gerichtet sein, eine „auch vertraglich demonstrierte Atmo-sphäre der sozialen Sicherheit im Prozeß der Rationalisierung“ zu schaffen.114 Aus diesen Überlegungen ließ sich einige Reserve gegenüber einer „Ökonomisierung“ der Sozialpolitik ablesen. Die sozialistische Arbeitswelt sollte, auch wenn sich ihre Produktionsstrukturen wandelten, ein sozial abgesicherter Raum bleiben. Zu den auch nach dem VII. Parteitag der SED nicht klar beantworteten Fragen, gehörte jene, wie die von den Betrieben verlangte Gewinnorientierung mit der Forderung nach sozialer Sicherheit in Einklang zu bringen sei. Im zweiten Halbjahr 1967 entbrannte deshalb eine lebhafte Debatte zum Umgang mit dem KSF. Schon Anfang Juli 1967 offenbarte eine Bera-tung, zu der Vertreter des Finanzministeriums, der SPK und des FDGB vom Leiter des Staatlichen Amtes für Arbeit und Löhne eingeladen worden waren, erhebliche Differenzen in der genaueren Beurteilung dieses Problems. Gegenstand des Treffens war der Entwurf einer Ministerratsvorlage zur Neugestaltung des KSF. Über die Notwendigkeit einer Neure-gelung bestand zwar Einigkeit, doch gingen die Meinungen vor allem hinsichtlich der ge-forderten Eigenerwirtschaftung der Mittel durch die Betriebe, der staatlichen Zuschüsse zum KSF, der Umverteilung von Ausgleichsbeiträgen sowie der Verwendung der Amortisationen aus Einrichtungen der betrieblichen kulturellen und sozialen Betreuung auseinander. Gegen

111 SAPMO-BArch DY-34, 21793, Abteilung Arbeit und Sozialpolitik des Staatsrates: Eingabenanalyse

II/1967 vom 1.7.1967. 112 SAPMO-BArch DY 34, 625, Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften: Thesen zum Kolloquium „Le-

nins Lehren: ,Über die Arbeitsgesetzgebung‘ für die Verwirklichung des Grundrechts auf Arbeit in der DDR“ am 14.9.1967 in Bernau, S. 4.

113 Ebd., S. 5. 114 Ebd., S. 6.

Page 76: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

26 Umstrittene Prioritäten: DDR

die Position der SPK, die den Status quo bis zu einer grundsätzlichen Neuregelung beibehal-ten wollte, setzten sich Anhänger einer Verordnung „mit Übergangscharakter“ durch.115

Eigentlich bestand der Dissens nur darin, wie man einer endgültigen Festlegung aus dem Wege gehen konnte. Man wich vor dem zentralen Problem des NÖS/ÖSS aus, Leistungsdif-ferenzierung und soziale Grundsicherung in ein befriedigendes Verhältnis zu bringen. In der Frage des KSF bündelte sich die Problematik exemplarisch. Es war deshalb nur konsequent, wenn sich der Bundesvorstand des FDGB im zweiten Halbjahr 1967 intensiv mit ihr befass-te. Der Umgang mit dem KSF beschäftigte am 26. September 1967 auch die neugebildete Arbeitsgemeinschaft „Kultur- und Sozialfonds/Normative“. Bei dieser Gelegenheit unter-breitete die Abteilung Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle des Bundesvorstandes Lö-sungsvorschläge, denen der Versuch anzumerken war, soziale Ungleichgewichte bei der Mittelzuteilung zu vermeiden. Ähnlich sprach man sich in der Diskussion dafür aus, den Grundsatz, „die den VEB für soziale und kulturelle Aufgaben zu gewährenden Mittel an die kollektive Leistung zu binden und sie entsprechend den Erfordernissen der Betriebe und Belegschaften in eigener Verantwortung der Betriebe zu verwenden“, in einigen Punkten zu modifizieren. So sollte das in der „Perspektivlösung“ vorgesehene Niveau nicht unterschrit-ten werden. Auch wurde vorgeschlagen, die besonderen Bedingungen der Betriebe mit überwiegender Frauenbeschäftigung und Mehrschichtarbeit zu berücksichtigen und entspre-chend differenzierte Zuschüsse festzulegen.116

Ungeachtet dieser Argumente verlangte die am 22. Oktober 1967 vom Ministerrat be-schlossene Verordnung über die Bildung und Verwendung des KSF, dessen Höhe vom betrieblichen Nettogewinn abhängig zu machen.117 Aber die praktischen Wirkungen dieser Verordnung bestärkten die Skeptiker in ihren Befürchtungen. Noch im Dezember 1967 machte die Abteilung Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle in einem vertraulichen Papier geltend, es sei „zu berücksichtigen, daß die Bildung des Kultur- und Sozialfonds nicht nur ökonomischen, sondern auch sozialen Kriterien unterliegt.“ Worum es dabei im Einzelnen ging, zeigte der gleich mitgelieferte Katalog von Aufgaben, für die Mittel des KSF „ausge-hend von der Übereinstimmung der gesellschaftlichen Erfordernisse und der persönlichen Interessen“ verwendet werden sollten:

„die Arbeiterversorgung, insbesondere für die Versorgung am Arbeitsplatz und der Schichtarbeiter; die gesundheitliche und soziale Betreuung sowie für das Wohnungswesen; die Erholung an

Wochenenden und im Urlaub; die Betreuung der Jugend und der Kinder; die kulturelle und sportliche Betätigung und Betreuung; die Qualifizierung in Form von sozialen und leistungsabhängigen Unterstützungen;

115 SAPMO-BArch DY-34, 7951, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle:

Information über die vom Leiter des Staatlichen Amtes für Arbeit und Löhne beim Ministerrat einberu-fene Beratung zum Entwurf der Vorlage an den Ministerrat über die Neufassung des Kultur- und Sozi-alfonds am 3.7.1967.

116 SAPMO-BArch DY-34, 9650, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle: Vorschläge für die perspektivische Lösung der Bildung des Kultur- und Sozialfonds vom 26.9.1967.

117 VO über die Bildung und Verwendung des KSF vom 22.10.1967. GBl. der DDR II 1967, S. 753–755.

Page 77: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 27

die Verpflichtung der Betriebe gegenüber den Territorien.“118

Völlig neu war keiner dieser Punkte, doch zu diesem Zeitpunkt bestand ihre Funktion nicht zuletzt in einer Relativierung des rein wirtschaftlichen Arguments. Die vom FDGB-Bundesvorstand ausgearbeiteten Grundsätze für die Bildung des Fonds sollten künftig bei der Erarbeitung gesetzlicher Grundlagen durch die SPK, das Ministerium für Finanzen und das Staatliche Amt für Arbeit und Löhne Berücksichtigung finden, doch bereits für 1970 wurde eine „vorrangige Teilregelung in der Finanzierung von betrieblichen Kindereinrich-tungen […] aufgrund der Dringlichkeit und der Forderungen vieler Betriebe mit einem ho-hen Frauenanteil“ verlangt.119 All das zog einer „Ökonomisierung“ sozialer Leistungen enge Grenzen. Dabei dürfte der Versuch ausschlaggebend gewesen sein, von der Leistung her kaum zu begründende Ungleichgewichte im staatlichen Zuteilungssystem so gut es ging zu kompensieren. Besonders die jährlich erfolgende Festlegung einer Liste von rund 120 bis 160 „Schwerpunktbetrieben“, die zusammen über eine halbe Million Menschen beschäftig-ten, trug wegen der bevorzugten Belieferung mit Nahrungsmitteln und Konsumgütern zu sozialen Schieflagen bei.120 Eine auf bestimmte Zielgruppen gerichtete soziale Privilegie-rung war relativ gut zu steuern und zu dosieren, doch bildete die dadurch erzeugte Frustrati-on der Nichtprivilegierten einen schwer kalkulierbaren Faktor.

Dem erkennbaren Risiko suchte die SED mit einem integrativen Konzept zu begegnen. In der auf dem VII. Parteitag verwendeten Formel von der „sozialistischen Menschengemein-schaft“121 schien ein begriffliches Äquivalent gefunden. Die sozialpolitische Diskussion der Jahre 1966/1967 mündete hier in ambivalenten Vorstellungen, in denen eine dichte soziale Grundsicherung ebenso eine Rolle spielte wie die Eigenverantwortung von Individuen oder auch Gruppen. Ulbricht brachte diesen Gedanken bei der Begründung des Entwurfs der neuen Verfassung am 31. Januar 1968 vor der Volkskammer auf den Nenner, jeder Bürger habe ein Recht auf Mitgestaltung des sozialen Lebens, aber ebenso auch Pflichten.122 In der im April 1968 nach einem Volksentscheid angenommenen neuen Verfassung der DDR kam dieser Grundgedanke durchaus zur Geltung, allerdings nicht ohne Widersprüche im Hin-blick auf den sozialen Aspekt.123 Die Zusage einer „umfassenden Sozialpolitik“124 folgte dem bisherigen Verständnis von den Aufgaben staatlicher Sozialpolitik. Die Kostenfrage, die Schlüsselrolle der Betriebe und die Verknüpfung sozialer Leistungen mit Leistungsan-

118 SAPMO-BArch DY-34, 7951, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle:

Die weitere Gestaltung des Kultur- und Sozialfonds. Vertraulicher Entwurf vom 20.12.1967. 119 SAPMO-BArch DY-34, 6768, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik: Standpunkt der Gewerk-

schaften zur Bildung und Verwendung des Kultur- und Sozialfonds im Perspektivplanzeitraum 1971–1975. Sekretariatsvorlage vom 26.3.1969.

120 SAPMO-BArch DY-34, 6768, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Arbeiterversorgung/Arbeiterkontrolle: Bericht über die Situation in der Versorgung der Werktätigen der Schwerpunktbetriebe und Aufgaben der Gewerkschaften zur Herbeiführung weiterer Verbesserungen. Sekretariatsvorlage vom 28.8.1968.

121 Protokoll der Verhandlungen des VII. Parteitages der SED, 1. bis 3. Beratungstag (Bd. 1), S. 29. 122 Die Verfassung des sozialistischen Staates deutscher Nation. Bericht des Vorsitzenden der Kommission

zur Ausarbeitung einer sozialistischen Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, Walter Ulbricht, Vorsitzender des Staatsrates. 7. Tagung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. (Berlin 1968), S. 19f.

123 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968, Berlin 1968. 124 Ebd., S. 29–31.

Page 78: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

28 Umstrittene Prioritäten: DDR

reizsystemen klangen in den sozialpolitisch relevanten Verfassungsartikeln nicht an. Aller-dings bot der Artikel 21, der ein Recht auf Mitgestaltung des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens vorsah, einen allgemeinen Zugang zu diesen Problemfel-dern.125

Die in den Monaten zuvor geführten sozialpolitischen Diskussionen spiegelten sich hier nur noch schemenhaft. Dabei hatte sich nach der Prognosegruppe beim ZK der SED am 27. November 1967 auch beim Bundesvorstand des FDGB ein Arbeitskreis „Prognose der Sozi-alpolitik“ konstituiert, dem sechs Mitarbeiter der Gewerkschaftshochschule, drei Universi-tätsangehörige, vier Vertreter der Staatsorgane, sechs leitende FDGB-Funktionäre und als Gäste zwei Abgesandte der Abteilung Gewerkschaften und Sozialpolitik des ZK der SED angehörten. Aufgabe der unter Leitung von Gerhard Tietze, dem Chef des Instituts für Sozi-alpolitik der FDGB-Hochschule, tätigen Gruppe war es, die Funktion der Sozialpolitik „im System der einheitlichen Politik“, die spezifischen Seiten betrieblicher Sozialpolitik und die gewerkschaftlichen Aufgaben in der Sozialpolitik näher zu bestimmen.126 Zusätzlich fasste das Sekretariat des Bundesvorstandes im Mai 1968 einen Beschluss über die Bildung und Zusammensetzung einer Kommission für Sozialpolitik. Mitglieder dieses aus insgesamt 28 Personen bestehenden Gremiums waren neben Tietze auch der Sekretär des SPK-Arbeitskreises Lebensstandard, Gerhard Lippold, und Fritz Rösel als Vorsitzender des Volkskammerausschusses für Arbeit und Sozialpolitik.127 Der Versuch dieser Arbeitsgrup-pe, künftige Entwicklungslinien der Sozialpolitik und des Lebensstandards zu skizzieren, offenbarte gravierende Informationsdefizite. Trotzdem lagen im Januar 1968 eine Reihe von Analysen und Berichten zum „Prognosezeitraum“ bis 1980 vor. Sie behandelten die Per-spektiven der Sozialpolitik auf zentraler, örtlicher und betrieblicher Ebene und versuchten, die erforderlichen Ressourcen zu bestimmen.128 Besondere Aufmerksamkeit beanspruchte die Entwicklung der Arbeitszeit.129 Desgleichen galten die Entwicklung der Renten130, die Arbeiterversorgung und das Wohnungswesen131 als wichtige Themenfelder. Generell ging man von einer zunehmend wichtigen sozialpolitischen Trägerfunktion der Betriebe aus.

Auch eine beim Ministerrat angesiedelte Prognosegruppe für Probleme des Lebensstan-dards meldete sich zu Wort. Nachdem sie am 18. Januar 1968 „die Entwürfe der Teilprog-nosen auf dem Gebiet der materiellen Interessiertheit, Entwicklung des Warenverbrauchs

125 Ebd., S. 22. 126 SAPMO-BArch DY-34, 6767, Arbeitskreis „Prognose der Sozialpolitik“ (Leiter): Information über die

Tätigkeit des Arbeitskreises „Prognose der Sozialpolitik“ vom 14.5.1968. 127 SAPMO-BArch DY-34, 6766, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Zusammensetzung der Kom-

mission für Sozialpolitik. Beschlußvorlage für das Sekretariat vom 16.5.1968. 128 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Grundrichtungen der Entwick-

lung der zentral, örtlich und betrieblich durchgeführten Sozialpolitik und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Entwicklung der Fonds (undat., ungez., Januar 1968?).

129 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Teilprognose zur Entwicklung von Arbeitszeit und Erholungsurlaub im Prognosezeitraum der Volkswirtschaft der DDR bis 1980 vom 12.1.1968 (Abschrift).

130 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Die Entwicklung auf dem Gebiet der Renten und Versorgungen im Prognosezeitraum bis 1980. Ausarbeitung vom 15.1.1968 (Abschrift).

131 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB: Erhard Sonntag: Prognostische Zielvorstel-lungen auf dem Gebiet der Arbeiterversorgung und des Wohnungswesens, Entwurf vom 26.1.1968.

Page 79: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 29

der Bevölkerung, Entwicklung der Arbeitszeit und des Urlaubs, des Erholungswesens, der Renten, der Unterstützung der Familien mit Kindern und der Sicherung eines hohen Be-schäftigungsgrades der Frauen“ diskutiert hatte, wagte Fritz Rösel in einem Brief an Herbert Warnke, Rolf Berger132 und Horst Heintze133 die Voraussage, dass es bis 1980 möglich sein werde, den Arbeitszeitfonds um zehn Prozent zu vermindern, den Urlaub zu verlängern und die 40-Stunden-Woche einzuführen. Zugleich aber machte er deutlich, auf welch dünnem Eis sich viele dieser Prognosen bewegten. Ausgerechnet für die betriebliche Sozialpolitik, die als Schlüsselbereich des gesamten Politikfeldes galt, hielt er fest, dass „auf diesem Ge-biet zur Zeit keinerlei aussagekräftige Unterlagen vorliegen und Inhalt und Umfang der betrieblichen Sozialpolitik noch nicht genau bestimmt sind“.134 Ungeachtet dessen hatte die Prognosegruppe des Ministerrates am 23. Februar 1968 ihre Ergebnisse „einschließlich der Vorschläge, die für die Strukturentscheidungen der gesamten Volkswirtschaft notwendig sind“, vor dem Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission, Gerhard Schürer135, zu ver-teidigen.136

Der weitere Umgang mit solchen auf diese Art zustande gekommenen Prognosen entbehrte nicht eines kritischer werdenden Untertones. So verwies Fritz Rösel in einer streng vertrau-lichen Stellungnahme zu der von der FDGB-Arbeitsgruppe vorgelegten Prognose „Haupt-faktoren der Arbeits- und Lebensbedingungen“ nicht nur auf die „Möglichkeit einer zuneh-menden Gesundheitsgefährdung“ durch die „Mechanisierung und Chemisierung der Volkswirtschaft“, sondern belegte dies auch gleich mit einem bereits eingetretenen und statistisch nachgewiesenen Anstieg bei den neu anerkannten Berufskrankheiten.137 Auch machte er auf die negativen Folgen des Subventionspreissystems aufmerksam, das teilweise aus überhöhten Preisen für eine Reihe von Industriewaren finanziert wurde.138 Überhaupt zeigte sich Rösel nunmehr gegenüber den inzwischen vorliegenden Prognosen skeptischer. In einem Brief an den FDGB-Vorsitzenden warnte er davor, sie zu überschätzen. Überstei-gerten Erwartungen hielt er entgegen, es sei „nicht möglich, von den jetzt vorhandenen materiellen Fonds auf die Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen und den Le-bensstandard in 30 Jahren zu schließen.“139

Während die Bemühungen sowohl der ZK- als auch der beim Ministerrat angesiedelten Arbeitsgruppe kurzfristig zur politischen Entscheidungsfindung beitragen sollten, beschritt der daran nicht unmittelbar beteiligte Arbeitskreis „Prognose der Sozialpolitik“ beim Bun-

132 Rolf Berger, 1921–1978, seit 1953 Vorsitzender der IG Metall, 1961–1971 stellv. Vorsitzender des

FDGB-Bundesvorstandes. 133 Horst Heintze, 1927–1997, 1961–1989 Mitglied des Präsidiums und Sekretär des FDGB-

Bundesvorstandes. 134 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB: Brief Fritz Rösels an Herbert Warnke, Rolf

Berger und Horst Heintze vom 22.1.1968. 135 Gerhard Schürer, Jg. 1921, 1961–1965 stellv. Vorsitzender und 1965–1989 Vorsitzender der SPK. 136 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB: Brief Fritz Rösels an Herbert Warnke, Rolf

Berger und Horst Heintze vom 22.1.1968. 137 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB: Fritz Rösel: Zur Prognose „Hauptfaktoren

der Arbeits- und Lebensbedingungen“ vom 20.9.1968, S. 2. 138 Ebd., S. 5. 139 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Bundesvorstand des FDGB: Brief Fritz Rösels an Herbert Warnke vom

24.9.1968.

Page 80: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

30 Umstrittene Prioritäten: DDR

desvorstand des FDGB inhaltlich wie methodisch einen anderen Weg. Im ersten Halbjahr 1968 befasste man sich dort ausgiebig mit der Definition des Begriffs „Sozialpolitik“.140 Hierzu lag ein von Gunnar Winkler und Gerhard Tietze verfasstes Papier vor.141 Beide Au-toren verlangten darin, den Inhalt sozialistischer Sozialpolitik noch differenzierter aus ihrer Funktion als eigenständiges Politikfeld herzuleiten.142 Hierzu formulierten Tietze und Wink-ler: „Aufgabe und Funktion der Sozialpolitik muß es sein, in Einheit mit allen anderen Be-reichen der Politik auf die sozialen Aspekte der Lebens- und Arbeitsbedingungen einzuwir-ken. Als soziale Aspekte der Lebens- und Arbeitsbedingungen wollen wir verstehen, die sich aus dem gegebenen Niveau der Lebens- und Arbeitsbedingungen und ihren Entwick-lungsperspektiven ableitenden gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Klassen, Schichten und Gruppen der Bevölkerung. So ist z.B. die Gestaltung der Einkommen nicht Aufgabe der Sozialpolitik.“143

Unter Berufung auf Walter Ulbricht144 hoben die Autoren eine im Zusammenhang mit der wissenschaftlich-technischen Revolution „zunehmende Bedeutung der Sozialpolitik in den Betrieben“ hervor und bemerkten, „daß sie in ihrer eigenen Gestaltung dem Grundgedanken des ökonomischen Systems unterworfen ist, was die Notwendigkeit unterstreicht, gesamt-staatliche, betriebliche, territoriale Sozialpolitik sowie sozialpolitische Maßnahmen der gesellschaftlichen Organisationen im Interesse des Gesamtsystems sinnvoll aufeinander abzustimmen.“145

Es handelte sich hier um den bis dahin weitestgehenden Versuch, das Konzept der sozia-listischen Sozialpolitik in einen funktionalen Zusammenhang mit der Wirtschaftsreform Ulbrichts zu stellen. Bereits im März 1968 war am „Institut Sozialpolitik der Gewerkschaf-ten“ in Bernau ein entsprechendes Lehrplanmodell vorgestellt worden. Dieses sah u.a. vor, „mit der Klärung des Wesens der sozialistischen Sozialpolitik […] insbesondere jene Prob-leme herauszuarbeiten, die sich aus der Strukturpolitik ergeben“.146 Auf diese Weise wurde ein besonders prekärer Aspekt des „Ökonomischen Systems des Sozialismus“ zum Gegens-tand von Lehre und Forschung. Von diesen Ausgangspunkten her konzentrierte sich die Diskussion am Institut im Laufe des Jahres 1968 zunehmend auf die „sozialistische Sozialpolitik“. Deren Ziel sei, so hieß es in einem neuen Thesenpapier der Bernauer Autoren vom Februar 1969, „die ständig bessere Befriedigung und zielgerichtete Veränderung der Bedürfnisse und Interessen über die Ver-

140 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Arbeitskreis „Prognose der sozialpolitischen Aufgaben der Gewerk-

schaften“: Protokoll der Beratung vom 6.6.1968. (Niederschrift vom 16.7.1968). 141 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften: Gunnar Winkler/Gerhard

Tietze: Gedanken zur Funktion, Inhalt und Aufgabe der sozialistischen Sozialpolitik vom Mai 1968 (hektogr. masch., 48 S.).

142 Ebd., S. 5. 143 Ebd., S. 7. 144 Walter Ulbricht: Die gesellschaftliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik bis zur

Vollendung des Sozialismus, Berlin 1967, S. 233f. 145 SAPMO-BArch DY-34, 6787, Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften: Gunnar Winkler/Gerhard

Tietze: Gedanken zur Funktion, Inhalt und Aufgabe der sozialistischen Sozialpolitik vom Mai 1968, S. 11.

146 SAPMO-BArch DY-34, 621, Institut Sozialpolitik der Gewerkschaften: Lehrplanmodell 10 (Dreijahres-lehrgang, Teil II – obligatorisch) vom 28.3.1968.

Page 81: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 31

besserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen entsprechend dem gesellschaftlichen Ge-samtinteresse, die vorausschauende Erkenntnis möglicher und die ständige Lösung auftre-tender sozialer Widersprüche und in diesem Sinne die Mitwirkung an der Herausbildung der sozialistischen Menschengemeinschaft“.147

Nahezu alles war schon in den vorangegangenen Definitionsversuchen zu finden, nur der aufgesetzt wirkende Hinweis auf die „Menschengemeinschaft“ kam hinzu. Eine stärkere Akzentuierung efuhr auch die betriebliche Sozialpolitik als ein „relativ selbständiger Teil sozialistischer Sozialpolitik“. Ihre Bedeutung läge in der „planmäßige(n) Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Werktätigen“, dies allerdings in Verbindung mit der Wirtschafts-, Kultur-, Bildungs- und Gesundheitspolitik. In dieser komplexen Funktionsbe-stimmung blieb der ursprüngliche Ausgangspunkt Gerhard Tietzes und seiner Mitarbeiter substantiell erhalten. Deren Ambitionen gingen inzwischen noch weiter, wie die Forderung nach dem Aufbau eines Informationssystems für betriebliche Sozialpolitik zeigte. Darin sollten alle für dieses Aufgabengebiet relevanten Daten aus den Betrieben der DDR zusam-menfließen.148 Auch wenn diese Thesen vorläufig ohne praktische Konsequenz blieben, verdeutlichten sie aber doch den erheblichen Einfluss des „Systemdenkens“ auf die Diskus-sion.149

Die für die NÖS/ÖSS-Periode typische Spannung zwischen wirtschaftlichen Entwicklungs-zielen und Sozialpolitik kam auch im Verhältnis zwischen zentraler sozialpolitischer Steue-rung und betrieblicher Eigenverantwortung zur Geltung. Vor allem die Bildung des zu we-sentlichen Teilen am Gewinn orientierten KSF verschaffte den Betrieben eine finanzielle Manövriermasse, die zugleich der Erschließung sozialpolitischer, bis ins lokale Umfeld hineinreichender Spielräume dienen konnte. Das war besonders dann der Fall, wenn der Betrieb zu den „strukturpolitischen“ Schwerpunkten gehörte. Der Abschluss von Vereinba-rungen zwischen Betrieben und „Territorien“ machte betriebliche Sozialleistungen teilweise auch für nicht zur Belegschaft zählende Einwohner zugänglich, doch im Gegenzug erlang-ten Betriebe im Zugriff auf kommunale Leistungen oft Vorteile für ihre Belegschaftsmit-glieder.

Hierbei waren durchaus Synergieeffekte zu erzielen. Um das Ganze für die zentralen Pla-nungs- und Leitungsorgane überschaubar zu halten, galt es die nötigen Informationen außer für die Betriebe auch für die jeweiligen Orte zusammenzutragen. Dieses Anliegen verfolgte eine 1968 von der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik ausgehende Initiative zur Schaffung einer „Territorialstatistik“. Bestehende statistische Informationssysteme der Räte der Bezirke, Kreise und Städte sollten vereinheitlicht werden, um ein genaueres Bild von den ökonomischen, kulturellen und sozialen Entwicklungen im jeweiligen Zuständigkeitsbe-reich zu erhalten.150 Doch auch wenn gleichzeitig entwickelte Ideen zur „territorialen Ratio-

147 SAPMO-BArch DY-34, 6788, Hochschule der Deutschen Gewerkschaften – Sektion Wirtschafts- und

Sozialpolitik: Thesen zu Problemen der Entwicklung der betrieblichen Sozialpolitik vom 11.2.1969. 148 Ebd. 149 SAPMO-BArch DY-30, IV A2/6.11/28, Abteilung Gewerkschaften und Sozialpolitik des ZK der SED:

Schlußfolgerungen aus der Beratung mit den Abteilungsleitern bei Günter Mittag am 16.7.1970, S. 1. 150 Vgl. Karl-Dieter Seiffert/Juliane Trettin: Die Aufgaben der SZS auf örtlicher Ebene und die Schaffung

einer Territorialstatistik, in: Statistische Praxis 23 (1968), S. 320–322.

Page 82: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

32 Umstrittene Prioritäten: DDR

nalisierung“151 gut zur „Ökonomisierung“ der Sozialpolitik zu passen schienen, waren sie bei weitem nicht ausgereift, zudem mangelte es an praktischer Erfahrung. Im Zugriff auf knappe Ressourcen kollidierten kommunale und betriebliche Interessen zudem sehr häufig. Eines von vielen Beispielen dieser Art war Hoyerswerda-Neustadt, in den sechziger Jahren die größte Neubausiedlung der DDR, wo die Wohnanlagen für die meisten Beschäftigten des neuen Braunkohleveredlungskombinats „Schwarze Pumpe“ entstanden. Hier vergaben die lokalen Behörden für das Werk bestimmten Wohnraum an ortsansässige Wohnungssu-chende, noch bevor die Kombinatsleitung mit der Anwerbung neuer Arbeitskräfte nachkam. Als diese dann eintrafen, war der Konflikt nicht mehr zu vermeiden. Seine Lösung erfolgte durch Anerkennung des Status quo, fernab jeder Planung.152

Immerhin trugen Erfahrungen dieser Art in den folgenden Jahren zur Entwicklung eines funktionsfähigen Vertragssystems zwischen Betrieben und Kommunen bei. Hierzu bereitete der FDGB-Bundesvorstand in Zusammenarbeit mit dem Volkskammerausschuss für Arbeit und Sozialpolitik im Frühjahr 1970 zwei Richtlinien zur Gestaltung der Beziehungen und zur Verwendung der zusätzlich zum Plan erwirtschafteten Nettogewinne vor. Letztere ent-hielt ein Erprobungsprogramm, das mit den FDGB-Bezirksvorständen Berlin, Cottbus, Ge-ra, Frankfurt/Oder, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Halle und Suhl bis zum 30. Juni 1971 in ausgewählten Städten, Betrieben und Kombinaten durchgeführt werden sollte.153 Mit diesen praktischen Versuchen nahm die erst in groben Umrissen konzipierte „sozialisti-sche Sozialpolitik“ allmählich schärfere Konturen an. Viele Fäden dieser Entwicklung liefen bei Fritz Rösel zusammen, der in seiner Doppelfunktion als Sekretär des FDGB-Bundesvorstandes und als Vorsitzender des Volkskammerausschusses für Arbeit und Sozi-alpolitik hierfür geradezu prädestiniert war. Im Juni 1969 legte die Forschungsgruppe Sozialpolitik der im Rahmen der Hochschulreform gebildeten Sektion Wirtschafts- und Sozialpolitik an der FDGB-Hochschule unter dem Titel „Die betriebliche Sozialpolitik und die Aufgaben der Gewerkschaften (Thesen)“ ein Lehr-material für das Direkt- und Fernstudium vor. Es handelte sich um die überarbeitete und erweiterte Fassung der Thesen vom Februar des gleichen Jahres. In einer Situation, die von zunehmenden Funktionsstörungen des ÖSS gekennzeichnet war, wurden hier noch einmal die Argumente für eine „Ökonomisierung“ der Sozialpolitik ausgebreitet und die Schlüssel-rolle der Betriebe unterstrichen. Grundanliegen der „sozialistischen Sozialpolitik“ sei es, „die Bedürfnisse und Interessen der sozialen Gruppen so zu entwickeln bzw. zu befriedigen,

151 Vgl. Joachim Reiner/Gerhard Reuscher: Konferenz über „Theorie und Praxis der territorialen Rationali-

sierung“, in: Wirtschaftswissenschaft 15 (1967), S. 293f. 152 Vgl. Hübner, Konsens, S. 171–176: Hartmut Mehls: Arbeiterwohnungsbau und Wohnerfahrungen in

Hoyerswerda zwischen 1955 und 1965, in: Peter Hübner (Hg.): Niederlausitzer Industriearbeiter 1935 bis 1970. Studien zur Sozialgeschichte, Berlin 1995. S. 233–262.

153 SAPMO-BArch DY-34, 6768, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik: Stellungnahme zum Entwurf der „Richtlinie für die Gestaltung der Beziehungen zwischen den Räten der Städte und Ge-meinden und den Betrieben und Kombinaten zur Durchführung gemeinsamer Maßnahmen auf dem Ge-biet der Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens und sozialistischer Arbeits- und Lebensbedingun-gen im Territorium“ und der „Richtlinie für den Einsatz von zusätzlich zum Plan erwirtschafteten Nettogewinn für gemeinsame Maßnahmen zur Entwicklung sozialistischer Arbeits- und Lebensbedin-gungen im Territorium“. Sekretariatsvorlage vom 30.6.1971.

Page 83: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 33

daß eine Interessenübereinstimmung zwischen den sozialen Gruppen und dem gesellschaft-lichen Gesamtinteresse“ hergestellt und gesichert werde.154 Sie habe ihre Voraussetzung im „soziale(n) Charakter des gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“.155 Der entscheiden-de Gedanke, die „ständige Lösung auftretender sozialer Widersprüche“ durch eine Konflik-ten vorbeugende und diese notfalls regulierende Sozialpolitik zu erreichen, blieb auch hier in der harmonisierenden Rhetorik von der „sozialistischen Menschengemeinschaft“ ver-packt.156 Diese Thesen bündelten die Summe der in der NÖS/ÖSS-Zeit angestellten sozial-politischen Überlegungen.

Die Reichweite der Broschüre blieb freilich ebenso begrenzt wie ihre unmittelbaren prak-tischen Folgen. Lediglich ein engerer Kreis von FDGB-Funktionären dürfte hiervon Kennt-nis genommen haben. In Diskrepanz zu den Vorstellungen von einer umfassenden, voll in das Wirtschaftssystem integrierten Sozialpolitik, die sich zugleich als Teil einer ambitionier-ten Gesellschaftspolitik verstand, unterschieden sich die in den Jahren 1967 und 1968 prak-tisch unternommenen sozialpolitischen Einzelschritte prinzipiell nicht von dem, was auch in den Jahren zuvor schon üblich war.157 Noch am spektakulärsten erschienen im Mai 1967 die Einführung der durchgängigen fünftägigen Arbeitswoche158 und die Verlängerung des Min-desturlaubs von zwölf auf 15 Tage.159 Hinzu kamen noch einige Verordnungen zur Unter-stützung von Familien mit mehreren Kindern. Das Kindergeld für diesen Personenkreis stieg, die Leistungen der Sozialversicherung sowie die Wohnraumversorgung wurden ver-bessert.160 Schließlich erließ der Ministerrat auch eine Verordnung über die Erhöhung der Monatsbruttolöhne von 220 auf 300 Mark und die gestaffelte Anhebung aller anderen unter 400 Mark liegenden Bruttolöhne.161

Von der angestrebten „Ökonomisierung“ der Sozialpolitik waren diese Maßnahmen aber weit entfernt. Auch im Jahr 1968 änderte sich daran wenig. Jenseits der wirtschaftlichen Prioritäten kam man allerdings um einige dringend gebotene Verbesserungen im Renten-recht sowie im Bereich der Sozialfürsorge nicht herum.162 Damit reagierte die SED auf bestehende soziale Problemlagen und betrieb damit eher eine stückweise Sanierung, als dass

154 Die betriebliche Sozialpolitik und die Aufgaben der Gewerkschaften (Thesen). Hg. v. der Sektion

Wirtschafts- und Sozialpolitik – Forschungsgruppe Sozialpolitik – Hochschule der Deutschen Gewerk-schaften „Fritz Heckert“, Bernau 1969, S. 2.

155 Ebd., S. 1. 156 Ebd., S. 3. 157 Vgl. Leenen, Sozialpolitik in der DDR. Teil 1, S. 264. 158 VO über die durchgängige 5-Tage-Arbeitswoche und die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bei

gleichzeitiger Neuregelung der Arbeitszeit in einigen Wochen und Feiertagen vom 3.5.1967. GBl. der DDR II 1967, S. 237–241.

159 VO über die Einführung des Mindesturlaubs von 15 Werktagen im Kalenderjahr vom 3.5.1967. GBl. der DDR II 1967, S. 253.

160 VO zur Verbesserung der Lebenslage von Familien mit 4 und mehr Kindern durch Bereitstellung ge-eigneten Wohnraumes und Gewährung von Mietzuschüssen und anderen Zuwendungen vom 3.5.1967. GBl. der DDR II 1967, S. 248f.

161 VO über die Erhöhung des monatlichen Mindestbruttolohnes von 220 MDN auf 300 MDN und die differenzierte Erhöhung der monatlichen Bruttolöhne unter 400 MDN vom 1.6.1967. GBl. der DDR II 1967, S. 313–315.

162 Erlaß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Weiterentwicklung des Renten-rechts und zur Verbesserung der materiellen Lage der Rentner sowie zur Verbesserung der Leistungen der Sozialfürsorge vom 15.3.1968. GBl. der DDR I 1968, S. 187.

Page 84: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

34 Umstrittene Prioritäten: DDR

sie dem erklärten Ziel einer systematischen und umfassenden Sozialpolitik wesentlich näher gekommen wäre. Der Handlungsdruck kam zu dieser Zeit vor allem aus jenem Bereich, wo Menschen an oder bereits unterhalb der Schwelle zur Armut lebten.163 Besonders Rentner und Empfänger niedriger Löhne waren davon betroffen, wie Inhalt und Zahl der Eingaben an den Staatsrat und die Volkskammer zeigten.164 Jedoch sah sich die SED nicht in der La-ge, die bestehenden Defizite rasch zu beheben. Das traf nicht nur auf die Armutssituationen zu, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen. Anfang Oktober 1968 gab Fritz Rösel zu bedenken, in den kommenden Jahren seien mehr Aufwendungen zur Verbesserung der Ar-beitsbedingungen, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit und der Arbeitskultur nötig, auch müsse man den Umfang der körperlich schweren Arbeit verrin-gern. Obwohl er die Notwendigkeit betonte, „daß im Prognosezeitraum die Eigenverantwor-tung der Betriebe über die Bildung und Verwendung des Kultur- und Sozialfonds noch mehr erhöht wird“, verlangte er aber auch mehr staatliche Investitionen für diese Zwecke.165 Sol-che Forderungen standen zwar nicht in Widerspruch zur „Ökonomisierung“ der Sozialpoli-tik, doch enthielten sie, mehr oder minder verklausuliert, eine Kritik an der „Strukturpolitik“ und ihren problematischen sozialen Folgen.

Diese zeigten sich vor allem in Versorgungslücken unterschiedlichster Art, in der Ein-schränkung des Wohnungsbaus, aber auch bei der ansonsten privilegierten Arbeiterversor-gung in den Betrieben. Schon seit dem Beginn der Wirtschaftsreform versuchten Betriebs-leitungen zunehmend die Gewinnziele des Betriebes zu erreichen, indem sie Investitionen in betriebliche Sozialeinrichtungen verringerten oder hinausschoben. Dieser Trend verstärkte sich in den späten 1960er Jahren. Sorgte dies bereits für Unmut in den Belegschaften, so galt das noch viel mehr im Hinblick auf die Arbeitseinkommen. Konzentrierten sich die Diskus-sionen in der ersten Zeit des NÖS auf Prämien und die Umwandlung der bisherigen Weih-nachtszuwendungen in leistungsbezogene Zahlungen, so stand seit 1967 die Einführung von Jahresendprämien im Zentrum einer kontrovers geführten Debatte. Als neuralgischer Punkt erwiesen sich hierbei die problematischen Konsequenzen im Niedriglohnbereich.

Besonders die Bezieher niedriger Einkommen empfanden die allgemeine Einführung ei-ner Jahresendprämie nicht als Vorteil. Ihnen waren die bisherigen Quartals-Leistungs-prämien als relativ sicherer Zuschlag lieber.166 Schließlich setzte sich auch bei der Jah-resendprämie eine stärkere soziale Komponente durch, als es der Leistungsanreizfunktion gut tat. Während ihre Höhe zwischen 30 und 50% eines Monatseinkommens erreichen soll-te, tendierte sie zum Überschreiten dieser Marke. So lagen die im Januar und Februar 1967 für 2,5 Millionen Arbeiter und Angestellte in 4.656 Betrieben der Industrie und des Bauwe-

163 Vgl. Günter Manz: Armut in der „DDR“-Bevölkerung. Lebensstandard und Konsumtionsniveau, Augs-

burg 1992. 164 SAPMO-BArch DY-34, 21792, Abteilung Arbeit und Sozialpolitik des Staatsrates: Informationsbericht

über den wesentlichen Inhalt der an den Vorsitzenden und die Mitglieder des Staatsrates sowie an die Volkskammer gerichteten Eingaben im Monat März 1969.

165 SAPMO-BArch DY-34, 6766, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik: Stellungnahme zur Prognose „Hauptfaktoren der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung“ (Sekretariatsvorlage, Verf.: Fritz Rösel) vom 3.10.1968.

166 BArch DQ-3, 3716, Kommission für Arbeit und Löhne der SPK, Abt. Lohn und Prämie: Information über eine Rücksprache mit dem Werkdirektor Genossen Hessel des VEB Textilwerk Mülsen am 24.1.1967 über die Gewährung von Jahresendprämien vom 2.2.1967.

Page 85: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 35

sens gezahlten Jahresendprämien bei 63,3% ihres durchschnittlichen Monatsverdienstes.167 Im Jahr 1969 erhielten ca. 1,7 Millionen Beschäftigte volkseigener Betriebe eine Prämie in Höhe von durchschnittlich zwei Dritteln ihres Monatsverdienstes.168 Soziale Gründe dürften hierbei ausschlaggebend gewesen sein.

5. Das Ende der „ökonomisierten“ Sozialpolitik 1970

Es war besonders die nach dem VII. Parteitag der SED verfolgte lohnpolitische Strategie, die sozialpolitischen Konfliktstoff barg, obwohl sie die Differenzen zwischen den Branchen-tarifen vermindern sollte.169 Die der staatlichen Wirtschaft vorgeschriebene Bindung des Lohnzuwachses und der Prämienfonds an das Betriebsergebnis war nur auf den ersten Blick schlüssig. Sehr schnell wurde klar, dass das Kennziffernsystem, nach dem die Leistung der Betriebe ermittelt werden sollte, die unterschiedlichen Bedingungen nicht adäquat berück-sichtigte. Infolgedessen traten zwischen den sogenannten strukturbestimmenden Zweigen und der übrigen Wirtschaft markante Verwerfungen im Lohngefüge ein. Die Diskrepanzen vergrößerten sich weiter, als seit 1968 die Bildung des Kultur- und Sozialfonds vom Lohn-fonds abgekoppelt und an den Nettogewinn des Betriebes gebunden wurde.170 Hierdurch waren betriebliche Sozialleistungen direkt betroffen, im Positiven wie im Negativen. Der Versuch, auch die Lohnmittel an den Leistungszuwachs der Betriebe zu binden, gelangte in der Zeit von 1968 bis 1971 über einige Experimente nicht hinaus.171

Solche Unsicherheiten, aber ebenso die vermehrt auftretenden Sortimentslücken im Wa-renangebot des Handels verstärkten die Zweifel am NÖS/ÖSS. Auch aus der sozialpoliti-schen Perspektive wurden sie genährt. Exemplarisch zeigte sich das in den Reaktionen auf den Anstieg des Krankenstandes von 5,19% Anteil an den zu leistenden Arbeitstagen im Jahr 1968 auf 5,63% im Jahr 1970.172 Hierzu hatte der Volkskammerausschuss für Arbeit und Sozialpolitik im Oktober 1969 einen alarmierenden Bericht vorgelegt.173 Wiederum war es Rösel, der bei dieser Gelegenheit seine einflussreiche Position nutzte, um eine „Grund-satzdebatte zur Problematik des Krankenstandes“ zu fordern. Seine Feststellung, dass insbe-sondere „das, was sich auf dem Gebiet des Betriebsgesundheitswesens abspielt, […] nicht länger vertretbar“ sei, war unschwer als Kritik an Schwachstellen des ÖSS zu verstehen. Zugleich handelte es sich um einen Versuch, das sozialpolitische Argument in dem sich anbahnenden innerparteilichen Konflikt um die Weiterführung der Wirtschaftsreform zu

167 Winkler, Geschichte der Sozialpolitik der DDR, S. 312. 168 Johannes Frerich/Martin Frey: Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Bd. 2: Sozi-

alpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik, München/Wien 1993, S. 135. 169 Hierzu ausführlich Steiner, DDR-Wirtschaftsreform, S. 324–338. 170 VO über die Bildung und Verwendung des Kultur- und Sozialfonds vom 20.10.1967. GBl. der DDR II

1967, S. 753–755. 171 Steiner, DDR-Wirtschaftsreform, S. 326. 172 StJb DDR 1972, Berlin 1972, S. 431. 173 SAPMO-BArch DY-34, 21788, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Bericht des Ausschusses für

Arbeit und Sozialpolitik der Volkskammer der DDR zur Problematik Entwicklung des Krankenstandes. Entwurf vom 10.10.1969.

Page 86: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

36 Umstrittene Prioritäten: DDR

stärken. Rösels Vorstoß diente aber noch einem anderen Zweck: „Es wird ein Leitinstitut auf dem Gebiet der Sozialpolitik gebraucht. Zur Zeit hat nur die Hochschule der Gewerk-schaften ein solches Institut, das sich mit sozialpolitischen Fragen befaßt.“174 Hier ging es offenbar darum, außerhalb des FDGB einem Institut den Boden zu bereiten, das mit größe-rem wissenschaftlichem Potential auch eine entsprechende Durchsetzungsfähigkeit in der Politikberatung erwarten ließ.

Der von Rösel geleitete Volkskammerausschuss bot der Kritik am ÖSS ein Forum. Schon in der Sitzung vom 4. November 1969 stellte der Leiter des Amtes für Arbeit und Löhne, Horst Rademacher,175 am Beispiel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes fest, eine Lösung der Probleme sei nicht sofort möglich und erfordere große materielle Aufwendungen, die man den Betrieben nicht allein überlassen dürfe. Es sei an der Zeit, zentrale staatliche Fest-legungen zu treffen.176 In den folgenden Monaten insistierten der Ausschuss und die Abtei-lung Sozialpolitik des FDGB-Bundesvorstandes immer wieder auf baldige Lösungen. Tat-sächlich handelte es sich um ein für die NÖS/ÖSS-Protagonisten heikles Thema, denn politisch war es kaum zu begründen, wenn ausgerechnet die Produktionsarbeiter, von der SED als „Kern der Arbeiterklasse“ protegiert, die Schattenseiten der Strukturpolitik in Form von verschlechterten Arbeitsbedingungen und höheren Unfallzahlen zu spüren bekamen. Noch am 3. Mai 1971, am Tag des offiziellen Machtwechsels von Ulbricht zu Honecker, legte die Abteilung Sozialpolitik einen Bericht über „das Niveau der sozialhygienischen Bedingungen in ausgewählten Kombinaten und Betrieben“ vor und erhob schwere Vorwürfe gegen die bisherige Politik:

„Trotz einiger guter Beispiele wird festgestellt, daß die sozialhygienischen Einrichtungen in den vergangenen Jahren zum Teil sehr ungenügend entwickelt wurden. Die planmäßige Verbesserung wurde im Gegensatz zur Entwicklung anderer sozialpolitischer Einrichtungen, wie Kultur- und Erholungseinrichtungen, Sportanlagen usw. auf Grund einseitiger Entschei-dungen und mangelnder analytischer und kontrollierender Tätigkeit nicht entsprechend den vorhandenen Möglichkeiten durchgeführt.“177

Walter Ulbricht erfasste die in dieser Entwicklung liegenden politischen Risiken recht ge-nau. Deshalb versuchte er, die sozialpolitisch einsetzbaren Ressourcen der kommunalen Ebene zu mobilisieren. In diesem Sinne befasste sich der Staatsrat der DDR im Dezember 1969 mit „der Versorgung und Betreuung der Bevölkerung“.178 Auch der wenige Monate später als Entwurf vorliegende Staatsratsbeschluss zur Entwicklung der sozialistischen Kommunalpolitik folgte dieser Linie, übrigens ohne den Begriff der Sozialpolitik zu ver-

174 SAPMO-BArch DY-34, 21788, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Protokoll der Beratung der

gemeinsamen Redaktionskommission der Ausschüsse für Arbeit und Sozialpolitik und für Gesund-heitswesen der Volkskammer der DDR zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik zur Problematik Entwicklung des Krankenstandes vom 21.10.1969.

175 Horst Rademacher, 1923–1990, 1966–1977 Leiter des Staatlichen Amtes für Arbeit und Löhne. 176 SAPMO-BArch DY-34, 21788, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Stenographisches Protokoll

der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik der Volkskammer am 4.11.1969 in Berlin, S. 17.

177 SAPMO-BArch DY-34, 8972, Bundesvorstand des FDGB, Abt. Sozialpolitik: Auszüge aus Analysen zu einigen Problemen der Sozialpolitik vom 3.5.1971, S. 5.

178 Zum System der Planung und Leitung.

Page 87: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 37

wenden. Der Beschluss sollte das Zusammenwirken „von Städten, Gemeinden und Betrie-ben als soziale Gemeinschaften“ regeln.179 Vorgesehen war eine Kooperation in einem „Sys-tem der Versorgung und Betreuung der Bevölkerung“, als dessen Schwerpunkte die Versor-gung mit Waren, die jede Familie zum täglichen Leben benötigt, die Arbeiterversorgung, die Schul- und Kinderspeisung, die „gastronomische Betreuung“, die Versorgung mit haus- und stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen und Reparaturen, die „Gestaltung sozialistischer Wohnbedingungen“ und die „Förderung eines aktiven kulturellen Lebens, der Gesunderhal-tung und Leistungsfähigkeit der Bürger“ benannt wurden.180 Den Hintergrund bildete die allgemein schwieriger gewordene wirtschaftliche Situation der DDR. Zusätzliche Erschwer-nisse brachte der überaus harte Winter 1969/1970 mit sich. In größerem Umfang führte er zu Produktionseinbrüchen und Versorgungsschwierigkeiten. Die Planrückstände und Schäden wurden auf drei Milliarden Mark beziffert.181 Mitte 1970 sah sich die SED vor der Alterna-tive, diese Belastungen entweder „mit hohem Arbeitselan und sozialistischer Bewußtheit der Werktätigen“ zu überwinden, oder „mit nur kleinen Schritten vorwärts zu gehen, was bedeu-tet, im volkswirtschaftlichen Entwicklungstempo insgesamt zurückzubleiben und zugleich für einige Jahre auf eine weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu verzichten.“182

Ulbricht favorisierte eine Stabilisierung durch einen härteren Spar- und Rationalisierungs-kurs. Es war wohl kein Zufall, wenn die von ihm am 15. Juni 1970 unterzeichnete Grußad-resse des ZK der SED zum 25. Jahrestag des FDGB die Sozialpolitik überhaupt nicht er-wähnte.183 Ulbricht und die NÖS/ÖSS-Leute in seinem Umkreis bemühten sich weiter, die für 1970 anvisierten Wirtschaftsziele unter Zurückstellung sozialer Belange doch noch zu erreichen. Dass im Zuge der Strukturpolitik über den Plan hinaus in die Modernisierung bestimmter Teile der Industrie investiert wurde und die damit verbundenen Umstrukturie-rungen unerwartet Lücken ins Warensortiment rissen, sorgte zwar für erhebliche Unzufrie-denheit bei den Käufern, doch ließen sich solche Pannen vergleichsweise leicht beheben. Für Ulbricht verhängnisvoller wurde der faktische Teilrückzug aus einer aktiven Sozialpoli-tik. Hierdurch gewannen die sich bisher zurückhaltenden Reformgegner ein Aktionsfeld von strategischer Bedeutung. Ihnen kam entgegen, dass sich der Unmut in der Bevölkerung allmählich auch auf das Feld der Sozialpolitik erstreckte. Hier nahm die Zahl der Eingaben an den Staatsrat und die Volkskammer Ende 1969 stärker zu als auf anderen Gebieten.184

179 Die weitere Gestaltung des Systems der Planung und Leitung, S. 10. 180 Ebd., S. 122–137. 181 Bewährungsprobe (Leitartikel), in: Neues Deutschland, 18.6.1970, S. 1. 182 Die Durchführung des Volkswirtschaftsplanes im Jahre 1970. Aus dem Referat des Genossen Günter

Mittag, Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees, in: Neues Deutschland, 11.6.1970, S. 3.

183 Grußadresse des ZK zum 25. Jahrestag der Gründung des FDGB, in: Neues Deutschland, 15.6.1970, S. 1f.

184 SAPMO-BArch DY-34, 6777, Abteilung Arbeit und Sozialpolitik des Staatsrates der DDR, Abt.-Ltr. Gundlach: Informationsbericht über den wesentlichen Inhalt der an den Vorsitzenden und die Mitglie-der des Staatsrates sowie an die Volkskammer gerichteten Eingaben im Monat Dezember 1969, undat., ungez. (Febr. 1970), S. 1.

Page 88: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

38 Umstrittene Prioritäten: DDR

Bereits auf der 13. Tagung des ZK der SED im Juni 1970 zeigten sich Risse in der ÖSS-Phalanx. Zwar verteidigte der SPK-Chef Schürer bei dieser Gelegenheit noch die Struktur-politik, sprach sich aber auch für eine Revision der Planungen zum Aufbau der Stadtzentren aus. Das betraf immerhin ein Lieblingsprojekt Ulbrichts. Vor allem aber plädierte er für eine erneute Stärkung der zentralen Planung.185 Solche Zeichen einer Abkehr vom ÖSS mehrten sich im weiteren Verlaufe des Jahres 1970. Auch die zunehmende Unzufriedenheit der Be-völkerung diente in der regimeinternen Meinungsbildung als Argument für einen Abbruch der Wirtschaftsreform. Konkrete politische Formen nahm diese Entwicklung mit dem teil-weisen Stopp industrieller und städtebaulicher Neuinvestitionen an, den der Ministerrat am 23. September 1970 verfügte. Strukturpolitik sollte der Proportionalität der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr entgegenstehen. Auch verlangte der Ministerrat von den Staats- und Wirtschaftsorganen intensivere Anstrengungen für eine „planmäßige und kontinuierliche“ Versorgung der Bevölkerung, ohne allerdings von einer Umverteilung zugunsten der kon-sumtiven Verfügungsmasse auszugehen.186

Zu dieser Zeit, als die „sozialistische Sozialpolitik“ aus dem Vokabular der Partei- und Staatsgremien wieder nahezu verschwand, bot der FDGB nach wie vor Raum für eine Fort-setzung der sozialpolitischen Diskussion. Im September 1969 war die Sozialpolitik Gegen-stand eines eigenen Arbeitskreises auf der 2. Theoretischen Konferenz des Bundesvorstan-des des FDGB und der Bernauer Hochschule.187 Mit der Tagung, so gaben sich die Veranstalter überzeugt, habe man erstmals eine zusammenfassende Darstellung zur Theorie der sozialistischen Sozialpolitik, zur betrieblichen Sozialpolitik als Bestandteil sozialisti-scher Betriebsführung und ihre Verflechtungen mit dem Territorium sowie eine theoretische Begründung der Interessenvertretung der Gewerkschaften auf sozialpolitischem Gebiet vorgelegt.188 Als Themen, die weiterer „theoretischer Arbeit“ bedürften, nannte man präzi-sere Kriterien sozialistischer Sozialpolitik, die Verflechtung betrieblicher und territorialer Sozialpolitik, die arbeitsrechtliche Ausgestaltung der betrieblichen Sozialpolitik, die genau-ere Erfassung sozialer Daten in den Betrieben und die „durchgängige Berücksichtigung“ der Sozialversicherung als sozialpolitisches Anliegen des FDGB.189 Kontrovers beurteilten die Teilnehmer die spezifischen Funktionen der Sozialpolitik und die Kriterien optimaler Ar-beitsbedingungen. Auch zur Prognose und Planung der Arbeits- und Lebensbedingungen gingen die Meinungen auseinander.190

185 Strukturpolitik dient den Werktätigen. Aus der Diskussionsrede des Genossen Gerhard Schürer, in:

Neues Deutschland, 14.6.1970, S. 4. 186 Für höhere Effektivität in der Volkswirtschaft. Kommuniqué über die Sitzung des Ministerrates vom

23. September 1970, in: Neues Deutschland, 24.9.1970, S. 1f. 187 Vgl. Sozialistisches Gesellschaftssystem – Sozialistische Demokratie und Gewerkschaften. Materialien

der 2. Theoretischen Konferenz des Bundesvorstandes des FDGB und der Hochschule der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“ vom 17. bis 19. September 1969 in Bernau. Teil I und II, Berlin 1970.

188 SAPMO-BArch DY-34, 6788, Hochschule des FDGB, Sektion Wirtschafts- und Sozialpolitik: Ein-schätzung der Tätigkeit des Arbeitskreises 3 „Die betriebliche Sozialpolitik und die Aufgaben der Ge-werkschaften“ auf der 2. Theoretischen Konferenz des Bundesvorstandes des FDGB und der Hochschu-le der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“, Bernau, vom 30.9.1969, S. 1.

189 Ebd., S. 2. 190 Ebd., S. 4.

Page 89: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 39

Diese Diskussion ließ von den machtpolitischen Implikationen der ÖSS-Krise wenig erken-nen. Immerhin registrierten die FDGB-Vertreter, dass ihre Organisation während der sich zuspitzenden Auseinandersetzungen innerhalb der SED-Führung an Einfluss verlor. Um dem entgegenzusteuern, war im Referat des Arbeitskreises „Sozialpolitik“ mit ungewöhnli-chem Nachdruck betont worden: „Wir betrachten es als ein legitimes Anliegen der Gewerk-schaften, als Ausdruck ihrer durch die Verfassung fixierten Rechte, einen eigenständigen Beitrag zur Theorie der Sozialpolitik zu leisten, der über die Bestimmung der Aufgaben der Gewerkschaften hinausgeht.“ 191 Sozialpolitische Interessenvertretung sollte „Bestandteil der einheitlichen Interessenvertretung“ sein. In dem Zusammenhang habe der FDGB „aus sozi-alpolitischer Sicht Einfluß auf die Herausbildung von Bedürfnissen und Interessen“ zu neh-men.192 Eine Mitwirkung der Gewerkschaften an sozialpolitischen Entscheidungen verlange aber auch „die Kenntnis der allgemeinen und spezifischen Erfordernisse der wissenschaft-lich-technischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung des jeweiligen Führungsberei-ches.“193 Zudem sollte die sozialpolitische Interessenvertretung „auf die Herstellung der dialektischen Einheit von zentraler staatlicher Planung und Leitung und Eigenverantwortung der Betriebe bei Berücksichtigung der Erfordernisse des Territoriums gerichtet sein.“194 Schließlich hätten die Gewerkschaften die Aufgabe, zur Vorbereitung und Durchführung sozialpolitischer Schritte „durch Organisierung der Masseninitiative, insbesondere der Teil-nahme der Werktätigen an der Planung und Leitung sowie im Rahmen des sozialistischen Wettbewerbs“ einen Beitrag zu leisten.195 Das zielte auf eine Positionsstärkung des FDGB. Die auf dieser Konferenz präsentierte Aufgabenbestimmung der „sozialistischen Sozialpoli-tik“ sah drei Handlungsschwerpunkte vor: (1.) die Gestaltung und Verbesserung der Ar-beits- und Lebensbedingungen; (2.) „die Gestaltung der Beziehungen ausgewählter sozialer Gruppen, der Klassen und Schichten sowie der sozialistischen Menschengemeinschaft“; (3.) „Anerkennungs-, Förderungs- und Betreuungsmaßnahmen für jeweils differenzierte Grup-pen, deren soziale Position im gesellschaftlich notwendigen Maße geregelt wird“. Die Sozi-alpolitik könne nur als Einheit dieser drei Aspekte „aufgefaßt, verstanden und realisiert werden“.196 Ausdrücklich bekannten sich die Autoren des Referats zur Strukturpolitik, die sie unter Berufung auf Ulbrichts Parteitagsreferat als „eine unausweichliche Folge der wis-senschaftlich-technischen Revolution bzw. Voraussetzung ihrer erfolgreichen Meisterung“ bezeichneten.197 Die führenden Köpfe der sozialpolitischen Diskussion an der Gewerk-schaftshochschule ließen also auch in der spannungsgeladenen Niedergangsphase der Wirt-schaftsreform nicht in dem Versuch nach, die Wirkungen der „Ökonomisierungs-“ und Rationalisierungsprozesse zu analysieren und sozialpolitisch zu entschärfen.

191 SAPMO-BArch DY-34, 6788, Hochschule des FDGB, Forschungskollektiv Sozialpolitik: Gewerk-

schaftliche Führungsaufgaben bei der Durchsetzung der sozialistischen Sozialpolitik in den Betrieben. (Entwurf des Referats zum Arbeitskreis: „Das Teilsystem der Sozialpolitik in den Betrieben – Entwick-lungsstand und Probleme sozialer Interessenvertretung der Gewerkschaften“, S. 1, undat. (III/1967).

192 Ebd., S. 7. 193 Ebd., S. 12. 194 Ebd., S. 16. 195 Ebd., S. 25. 196 Ebd., S. 3f. 197 Protokoll der Verhandlungen des VII. Parteitages der SED, 1. bis 3. Beratungstag (Bd. 1), S. 234.

Page 90: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

40 Umstrittene Prioritäten: DDR

Im Frühjahr 1970 kam noch ein weiterer Grund hinzu. In der Zeitschrift „Die Wirtschaft“ hatte Walter Ulbricht argumentiert, beim Streben nach höherer Arbeitsproduktivität könne es nicht darum gehen, sich an den gegenwärtigen Welthöchststand heranzuarbeiten. Viel-mehr sei es nötig, „gewissermaßen am gegenwärtigen wissenschaftlich-technischen Höchst-stand vorbei, völlig neue Wirk- und Arbeitsprinzipien, neue technologische Verfahren aus-zuarbeiten und praktisch zu beherrschen, die dazu erforderlichen neuen Maschinensysteme und Produktionsinstrumente zu entwickeln und auf diese Weise einen neuen wissenschaft-lich-technischen Höchststand zu bestimmen“.198 Dies wurde in der Regel als Aufforderung interpretiert, „unser wissenschaftlich-technisches Potential auf die strukturbestimmenden Gebiete (zu) konzentrieren und planmäßig Pionier- und Spitzenleistungen (zu) erreichen“.199

Außenstehende Beobachter registrierten diese Position durchaus mit Verständnis. So ver-merkte das im Westteil Berlins ansässige Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem Jahresbericht 1-2/1970, eine „zu Lasten des privaten Verbrauchs gehende vorran-gige Stärkung des Produktionspotentials“ sei „im Interesse störungsfreien Wirtschafts-wachstums“. Zugleich glaubte man auch einen anderen Grund für ein bewusstes Abbremsen des Lebensstandards zu erkennen: Politische Überlegungen sprächen „für eine auf langsa-meres Wachstum des privaten Verbrauchs gerichtete Wirtschaftspolitik“. Zwar liege der Lebensstandard in der DDR noch um fast ein Drittel unter dem der Bundesrepublik. „Er ist jedoch der bei weitem höchste in Osteuropa und übersteigt z.B. den in der ČSSR und Un-garn seinerseits um ein Drittel. Diesen Abstand nicht noch größer werden zu lassen, dürfte im politischen Interesse auch der DDR liegen.“200 Dieses Argument entbehrte zwar nicht einer gewissen Plausibilität, doch wurde das Problem durch die deutsch-deutsche System-konkurrenz mindestens kompensiert. Auch war schon früher eingewandt worden, die DDR diene als Schaufenster des Ostblocks gegenüber Westeuropa. So hatte der Wirtschaftswis-senschaftler Wolfgang Heinrichs bereits 1961 etwas blauäugig zu bedenken gegeben, die DDR habe „bei der Versorgung auch eine moralisch-politische Pflicht gegenüber den sozia-listischen Bruderländern zu erfüllen. Die Versorgung und der Binnenhandel in der DDR stehen stellvertretend für das gesamte sozialistische Lager, für dessen Möglichkeiten bei der immer besseren Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse.“201

Solche Überlegungen und Ulbrichts seit 1967 unternommener und zudem recht schul-meisterlich vorgetragener Versuch, mit der These vom Sozialismus als relativ selbständiger Gesellschaftsformation in die Fußstapfen der „Klassiker“ des Marxismus-Leninismus zu treten, besserten das Image der DDR im östlichen Europa nicht unbedingt auf. Auch mochte deren im DIW-Bericht konstatierter Vorsprung im Lebensstandard dort eher mit gemischten Gefühlen betrachtet worden sein. In dieser Hinsicht sah die Situation der DDR nach der Dürreperiode vom Sommer 1969 und dem langen, strengen Winter 1969/1970 auch nicht

198 Walter Ulbricht: „Überholen ohne einzuholen“ – ein wichtiger Grundsatz unserer Wirtschaftspolitik, in:

Die Wirtschaft, Nr. 9, 26.2.1970, S. 8f., hier 8. 199 Klaus Stubenrauch/Dietrich Austel: Überholen ohne einzuholen!, in: Einheit 25 (1970), S. 733–741,

hier 734. 200 Wirtschaft: Entwicklungstendenzen des privaten Verbrauchs in der DDR (Wochenbericht Nr. 1–2/1970

des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin), in: Deutschland Archiv 3 (1970), S. 319–324, hier 323f.

201 Wolfgang Heinrichs: Zur Schaffung der Bedingungen für eine verbesserte Versorgung der Bevölkerung der DDR, in: Wirtschaftswissenschaft 9 (1961), S. 814–833, hier 815.

Page 91: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 41

mehr so günstig aus. Aber auch wenn die angespannte Versorgungslage des Jahres 1970 Wasser auf die Mühlen der NÖS/ÖSS-Kritiker leitete, hielt Ulbrichts Reform-Mannschaft die sozialen Risiken der Strukturpolitik auch angesichts der Ernteausfälle für begrenzt und kalkulierbar.

Vor diesem Hintergrund erscheint es auch erklärlich, wenn sich beispielsweise der Aus-schuss für Arbeit und Sozialpolitik der Volkskammer im Jahr 1970 auf die Bedingungen und Folgen der Systemautomatisierung konzentrierte.202 Zu diesem Zweck führten mehrere Ausschussmitglieder in verschiedenen Betrieben Untersuchungen durch. Ihr Interesse galt vor allem der Zusammenarbeit zwischen örtlichen Staatsorganen und Betrieben wie auch der Entwicklung des in der DDR als „Neuererwesen“ bezeichneten betrieblichen Vor-schlagswesens, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes.203 Insbesondere dessen besorgniser-regende Tendenz gab Anlass, die Folgen der Strukturpolitik kritischer zu sehen und auf Abhilfe zu drängen. In einem Brief an Ministerpräsident Willi Stoph204 schrieb Fritz Rösel: „Die Diskrepanz in den Arbeitsbedingungen und in der arbeitshygienischen Betreuung zwi-schen der zentral geleiteten Industrie und der örtlich geleiteten Wirtschaft wird immer grö-ßer. In den Jahren 1969/70 entfallen auf die Betriebe in der örtlich geleiteten Wirtschaft 60% der vorgekommenen Unfälle. Es bedarf konkreter Festlegungen, um die krassen Unter-schiede zu beseitigen.“205

Auf der Sitzung des Volkskammerausschusses am 8. Dezember 1970 kam die Situation noch einmal zur Sprache, wobei man die sehr einseitige Ressourcenzuteilung für die struk-turbestimmenden Betriebe und die Folgen der Witterungsunbilden als Hauptfaktoren für die Mängel im betrieblichen Sozialwesen und bei der Versorgung der Bevölkerung herausstell-te. Wirtschaftsleitenden und Staatsorganen galt die Empfehlung, sich von Illusionen zu verabschieden: „Bei vielen Leitern ist ein Umdenken notwendig. Sie sprechen noch über Ziele, für die eine reale Basis in den Fonds ihrer Betriebe nicht gegeben ist. Auch Räte der Bezirke hatten Illusionen über die Möglichkeiten der Produktivitäts- und Leistungssteige-rung im nächsten Jahr.“206

202 SAPMO-BArch DY-34, 6777, Bundesvorstand des FDGB, Büro Rösel: Arbeitsplan des Ausschusses

für Arbeit und Sozialpolitik der Volkskammer der DDR für das Jahr 1970 vom 20.1.1970. 203 SAPMO-BArch DY-34, 6777, Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik der Volkskammer: Abschlußbe-

richt der Arbeitsgruppe 3 über durchgeführte Untersuchungen zu Problemen der Zusammenarbeit zwi-schen örtlichen Staatsorganen und Betrieben sowie Kombinaten entsprechend des Beschlusses (sic) der 24. Tagung des Staatsrates vom 16.4.1970 (Oktober 1970); SAPMO-BArch DY-34, 6775, Volkskam-merausschuss für Arbeit und Sozialpolitik: Bericht einer Arbeitsgruppe des Volkskammerausschusses für Arbeit und Sozialpolitik der Volkskammer der DDR über den in der Zeit vom 25. bis 27. August 1970 im Raum Görlitz durchgeführten Arbeitseinsatz zu Problemen der Zusammenarbeit zwischen Be-trieben und Territorien auf der Grundlage des Beschlusses der 24. Tagung des Staatsrates vom 22.10.1970.

204 Willi Stoph, 1914–1999, 1956–1960 Minister für Nationale Verteidigung, 1962–1964 stellv. Vorsitzen-der, 1964–1973 und 1976–1989 Vorsitzender des Ministerrates, Mitglied des Politbüros des ZK der SED.

205 SAPMO-BArch DY-34, 8009, Bundesvorstand des FDGB: Brief Fritz Rösels an Ministerpräsident Willi Stoph vom 8.10.1970.

206 SAPMO-BArch DY-34, 6776, Volkskammerausschuss für Arbeit und Sozialpolitik: Stenographisches Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik vom 8.12.1970, S. 32.

Page 92: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

42 Umstrittene Prioritäten: DDR

Unter anderem mit diesem Argument bereitete übrigens in der Parteispitze der SED auch die um Honecker versammelte Fronde Ulbrichts Sturz vor.207 Eine solche Konsequenz lag aller-dings jenseits der Vorstellungen, wie sie die in den Jahren 1969/1970 an der sozialpoliti-schen Diskussion Beteiligten entwickelten. Was sie vorschlugen, diente eher dazu, die in sozialer Hinsicht problematischen Auswirkungen der Wirtschaftsreform durch Umvertei-lung der verfügbaren Mittel zu mildern. Zu dieser Zeit zielten die Erörterungen im Exper-tenkreis darauf, die Sozialpolitik in die Steuerungs- und Regelungsmechanismen des „öko-nomischen Systems“ zu integrieren. Hier trafen sich die Vorstellungen jener, die aus-drücklich von „Sozialpolitik“ sprachen mit solchen, die deren Inhalte auf das Begriffspaar „Versorgung und Betreuung“ reduzierten.

Theoretisch waren solche Überlegungen durchaus plausibel. Allerdings hätte eine engere und gleichsam automatische Kopplung von Sozialleistungen an das wirtschaftliche Ergebnis gegebenenfalls auch einen partiellen Sozialabbau nicht ausschließen dürfen. Aber schon Ulbrichts Versuch, dem Wirtschaftswachstum Vorrang vor weiteren sozialpolitisch initiier-ten Leistungen zu geben, ließ sich nicht durchhalten. Hier lag eine überaus brisante Schwel-le, die auch später in der Ära Honecker nie überschritten wurde. Im Jahr 1970 kam aller-dings noch hinzu, dass selbst unter den Protagonisten eines relativ autonom gesteuerten ökonomischen Systems Zweifel an dessen Leistungsfähigkeit aufgekommen waren. Auch mehrten sich die Anzeichen für einen Kontrollverlust der Politik. So sah sich Günter Mittag, einer der wichtigsten Reformer, veranlasst, seine Abteilungsleiter „persönlich“ dafür ver-antwortlich zu machen, „daß bei Automatisierungsvorhaben kein Einbruch zugelassen wird“. Zugleich wünschte er sich von ihnen „neue Übersichten“ zum Stand der Großfor-schungszentren, der Prognose, der Automatisierungsvorhaben, der Operationsforschung und über „neueste ökonomische, wissenschaftliche, technische Erfahrungen aus der Sowjetunion (auf 1 Schreibmaschinenseite)“. Außerdem sollten sich die Abteilungen „eine Übersicht über das Leitungssystem der Ministerien verschaffen“. Das Beispiel der Stahlgussprodukti-on habe gezeigt, „daß bei den verantwortlichen Ministern und Generaldirektoren die Linie, die vor 1 bis 1½ Jahren gegeben wurde, überhaupt nicht angekommen ist“.208

Während in diesem Fall noch Reformpolitik mit der Brechstange versucht wurde, zeigten auch in der NÖS-Phalanx zunehmend Risse. Dies war nicht gleichzusetzen mit einer völli-gen Abkehr vom bisherigen Kurs, wohl aber mit einer Revitalisierung von Argumenten, die für zentrale Planung sprachen. Ein Beispiel hierfür bot der Ständige Stellvertreter des Rek-tors des Instituts für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Werner Kalweit (*1926), mit einem im Mai 1970 veröffentlichten Artikel in der Zeitschrift „Einheit“. Darin brach er noch einmal eine Lanze für das „Überholen ohne einzuholen“, verband dies aber mit der Warnung, zentrale Planung und Eigenverantwortung einander gegenüberzustellen.209 Die „gesetzmäßige Tendenz“ gehe vielmehr „in die Richtung einer gemeinsamen Höher-entwicklung der zentralen staatlichen Planung und der Eigenverantwortung der Produkti-onskollektive und territorialen Organe. Mit einem Automatismus der Wirtschaft kann die

207 Vgl. Kaiser, Machtwechsel, S. 397–423. 208 SAPMO-BArch, DY 30/ IV A2/6.11/28, Schlußfolgerungen aus der Beratung mit den Abteilungsleitern

beim Genossen Dr. Mittag am 16.7.1970. 209 Werner Kalweit: Ökonomie – Kernstück der Festigung der DDR, in: Einheit 26 (1970), S. 619–627,

hier 620–622.

Page 93: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Umstrittene Prioritäten: DDR 43

Arbeiterklasse das kapitalistische Konkurrenzsystem in der Arbeitsproduktivität nicht über-holen. Die ökonomische Überlegenheit des Sozialismus beruht auf seiner Planwirtschaft.“210 Diese allerdings gründe auf „wirtschaftlicher Rationalität“. „Umfassende Rationalität“ sei das „entscheidende gesellschaftliche Erfordernis“. „Erfordernisse des gesellschaftlichen Fortschritts und die persönlichen Interessen jedes einzelnen“ müssten zu „einem einheitli-chen Ziel und Handeln der Menschen“ verbunden werden, um „so die höchste Rationalität des Wirtschaftens zu erreichen“.211 Solche Sätze zielten offenbar auf einen Kompromiss, der die Forderung nach einer Renaissance zentraler Planung aufnahm, den NÖS-Intentionen zugleich aber eine Hintertür offenhielt. Bemerkenswert daran war der Bezug auf die persön-lichen Interessen, während die staatliche Konsum- und Sozialpolitik überhaupt nicht er-wähnt wurde. André Steiner konnte zeigen, wie selbst Ulbricht bedauerte, das ÖSS nicht früher, wenn man so will, auf Handsteuerung umgestellt zu haben. Im November 1970 beklagte er, wenn die Zulieferindustrie der Finalproduktion nicht folgen könne, „dann hätte doch durch das Sys-tem signalisiert werden müssen: Stopp, Genossen, so geht das nicht weiter! Dieser Stopp, den wir nun vor ein paar Wochen beschlossen haben, hätte bereits Anfang des Jahres 1970 kommen müssen.“212 Die immer lauter werdende Kritik zielte jedoch nicht nur auf solche evidenten Probleme. Zunehmend galt sie grundsätzlichen Aspekten des „ökonomischen Systems“. So führte der Vorsitzende des Staatlichen Vertragsgerichts Anfang November 1970 in einem Zeitschriftenbeitrag aus, dass bei der Plandurchführung 1970 wiederholt „Disproportionen […] sozusagen mit der Bilanz sanktioniert“ worden seien. Man könne dies „nicht allein auf Unzulänglichkeiten in den Betrieben“ zurückführen, vielmehr liege das Problem bereits in „Diskrepanzen zwischen Aufkommen und Bedarf“ sowie in „nicht ge-troffene(n) Bilanzentscheidungen“.213

Ohne dass zu diesem Zeitpunkt schon klar gewesen wäre, ob und inwieweit das ÖSS kor-rigierbar sei oder ob man es ganz abblasen sollte, zeichnete sich mit solchen Einwänden das Ende der „ökonomisierten“ Sozialpolitik bereits deutlich ab. Weil das „System“ keine oder nur undeutliche „Signale“ gab, konnte man auch nicht erwarten, dass es verlässliche wirt-schafts- und sozialpolitische Steuerungsimpulse aussandte. Das kam dem faktischen Schei-tern gleich und öffnete den Weg zur unmittelbaren politischen Intervention, wie er im Herbst 1970 beschritten wurde.

210 Ebd., S. 627. 211 Ebd., S. 626. 212 BArch DE 1/56118, SPK, Staatssekretär: Persönliche Notizen über die Beratung der Grundfragen zur

Ausarbeitung des Volkswirtschaftsplanes 1971 im Politbüro des ZK der SED am 3. und 4.11.1970. Zit. nach Steiner: Von Plan zu Plan, S. 161f.

213 Gerhard Walter: Stabile Kooperationsbeziehungen sind ein Plus für die Planerfüllung, in: Die Wirt-schaft, Nr. 45, 5.11.1970. S. 3.

Page 94: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis

Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004. Abelshauser, Werner: Rüstungsschmiede der Nation? Der Kruppkonzern im Dritten Reich

und in der Nachkriegszeit 1933 bis 1953, in: Gall, Lothar (Hg.): Krupp im 20. Jahrhun-dert. Die Geschichte des Unternehmens vom Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Stiftung, Berlin 2002, S. 267–472.

Ackermann, Rolf: Pfadabhängigkeit, Institutionen und Regelreform, Tübingen 2001. Adamski, Wiesław: Związki zawodowe – twórczym czynnikiem rozwoju budownictwa

socjalistycznego [Die Gewerkschaften – schöpferischer Faktor bei der Entwicklung des sozialistischen Aufbaus], in: Nowe Drogi, 25 (1971) 9, S. 13–28.

Ahbe, Thomas: Deutsche Generationen nach 1945, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Bei-lage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 3 (2007), S. 38–46.

Die Ahnenfeier. Ein Poem/Dziady. Übers., hg. u. mit einem Nachwort versehen von Walter Schamschula. Vorwort von Hans Rothe, Köln/Weimar/Wien 1991.

Ahrens, Ralf: Gegenseitige Wirtschaftshilfe? Die DDR im RGW. Strukturen und handelspo-litische Strategien 1963–1976, Köln/Weimar/Wien 2000.

Alheit, Peter u.a.: Gebrochene Modernisierung. Der langsame Wandel proletarischer Milie-us. Eine empirische Vergleichsstudie ost- und westdeutscher Arbeitermilieus in den 1950er Jahren, Bd. 1: Sozialgeschichtliche Rekonstruktionen, Bremen 1999.

Alheit, Peter/Haack, Hanna: Die vergessene „Autonomie“ der Arbeiter. Eine Studie zum frühen Scheitern der DDR am Beispiel der Neptun-Werft, Berlin 2004.

Althoff, Gerd: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 2003.

Altmann, Franz-Lothar: Wirtschaftsentwicklung und Strukturpolitik in der Tschechoslowa-kei nach 1968, München 1987.

Ambrée, Kurt/Matho, Fred: Stabile Verbraucherpreise für Konsumgüter, in: Einheit, 27 (1972), S. 498–505.

Ambrosius, Gerold: Ursachen der Deindustrialisierung in Europa, in: Abelshauser, Werner (Hg.): Umweltgeschichte, Göttingen 1994, S. 190–221.

Ambrosius, Gerold/Hubbard, William H.: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, München 1986.

Andert, Reinhold/Herzberg, Wolfgang: Der Sturz. Erich Honecker im Kreuzverhör, Ber-lin/Weimar 1990.

Arbeitsproduktivität in der Industrie der DDR und in der Bundesrepublik – ein Vergleich, in: Deutschland Archiv, 3 (1970), S. 877–882 (Nachdruck aus: DIW-Wochenbericht Nr. 20/1970. Bearbeiter: Herbert Wilkens).

Arnold, Otfried/Pawlak, Heinz/Parthey, Kuntz: Die Verwirklichung der sozialistischen Demokratie durch die Teilnahme der Werktätigen an der Planung und Leitung im sozia-

Page 95: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

2 Literaturverzeichnis

listischen Industriebetrieb (Tagungsbericht), in: Wirtschaftswissenschaft, 18 (1970), S. 1230–1237.

Arnold, Otfried/Wieland, Karl-Heinz: Informationsbedarf und Informationsbedürfnis sozia-listischer Produzenten und Eigentümer, in: Wirtschaftswissenschaft, 18 (1970), S. 1827–1838.

Arnold, Otfried/Wieland, Karl-Heinz: Die komplexe sozialistische Automatisierung und die neuen Anforderungen an die Informierung der Werktätigen, in: Wirtschaftswissenschaft, 18 (1970), S. 1460–1473.

Aßländer, Michael S.: Von der vita activa zur industriellen Wertschöpfung. Eine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte menschlicher Arbeit, Marburg 2005.

Auf Leninschen Kurs zu neuen Errungenschaften des kommunistischen Aufbaus, in: Ein-heit, 26 (1971), S. 258–268.

Aus der Arbeit des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 1947–1949, hg. v. Bundesvor-stand des FDGB, Berlin 1950.

Autorenkollektiv: Territoriale Rationalisierung: Erfahrungen aus dem Kreis Staßfurt, Berlin 1974.

Bacci, Livi: Europa und seine Menschen. Eine Bevölkerungsgeschichte, München 1999. Bachmann, Rudolf: Zu Problemen der Wechselbeziehungen zwischen den sozialistischen

Produktionsverhältnissen und anderen gesellschaftlichen Verhältnissen aus territorialer Sicht, Berlin 1981.

Backes, Uwe: Totalitäres Denken, in: ders./Courtois, Stéphane (Hg.): „Ein Gespenst geht um in Europa“. Das Erbe kommunistischer Ideologien, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 383–407.

Baecker, Dirk: Archäologie der Arbeit, Berlin 2002. Balcerek, Józef: Sytuacja gospodarcza Polski w okresie 1956–1993 [Die wirtschaftliche

Situation Polens in der Zeit von 1956–1993], in: Wójcik, Przemysław (Hg.): Elity władzy a struktura społeczna w Polsce w latach 1956–1981 [Die Machteliten und die Sozialstruktur in Polen in den Jahren 1956–1981], Warszawa 1994, S. 327–370.

Barcikowski, Kazimierz: U szczytów władzy [Auf den Gipfeln der Macht], Warszawa 1998. Barck, Simone/Mühlberg, Dietrich: Arbeiterbilder und Klasseninszenierung in der DDR.

Zur Geschichte einer ambivalenten Beziehung, in: Hübner, Peter/Kleßmann, Chris-toph/Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 163–189.

Barkleit, Gerhard: Mikroelektronik in der DDR. SED, Staatsapparat und Staatssicherheit im Wettstreit der Systeme, Dresden 2000.

Bartnicki, Mariusz: Aktualne problemy inwestycyjne [Aktuelle Investitionsprobleme], in: Nowe Drogi, 18 (1964) 1, S. 46–57.

Bauer, Raymond A./Inkeles, Alex/Kluckhohn, Clyde: How the Soviet System Works: Cul-tural, Psychological, and Social Themes, Cambridge 1956.

Baumgart, Alfred: Überlegungen der Arbeitsrechtswissenschaft zur Neugestaltung des Ge-setzbuches der Arbeit, in: Staat und Recht, 22 (1973), S. 652–663.

Bechmann, Rudolf: Zu Problemen der Wechselbeziehungen zwischen den sozialistischen Produktionsverhältnissen und anderen gesellschaftlichen Verhältnissen aus territorialer Sicht, Berlin 1981.

Page 96: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 3 Beck, Kornelia van der/Weiß, Peter unter Mitarb. von Piotr Biedkowski (Hg.): Sozialpolitik

im Transformationsprozeß: Ordnungspolitische und sozialpolitische Reformen in Polen, Berlin/New York 1995.

Beck, Stefan: Umgang mit Technik. Kulturelle Praxen und kulturwissenschaftliche For-schungskonzepte, Berlin 1997.

Behrendts, Sylke: Erklärung von Gruppenphänomenen in der Wirtschaftspolitik, Berlin 1999.

Berend, Iván Tibor: Central and Eastern Europe 1944–1993. Detour from the periphery to the periphery, Cambridge/New York/Melbourne 1996.

Berger, Rolf: Gewerkschaften im Kampf um hohe Produktivität und Effektivität, in: Einheit, 26 (1971), S. 161–167.

Berger, Suzanne: Globalisierung und die Zukunft der Arbeit, in: Krull, Wilhelm (Hg.): Zu-kunftsstreit, Weilerswist 2000, S. 87–100.

Bernhard, Karl-Heinz/Ebbecke, Hans-Dieter: Entscheidung und Organisation (Tagungsbe-richt), in: Wirtschaftswissenschaft, 24 (1976), S. 758–763.

Bethell, Nicholas: Gomułka, His Poland and His Communism, London 1969. Betschon, Stefan: Mutmaßungen über die Gründe eines Zuspätkommens. Warum verpaßte

die Sowjetunion bei der Computertechnik den Anschluß an den Westen?, in: NZZ Onli-ne, 1.7.2006 (www.nzz.ch/2006/07/01/zf/artivleE7VE2. print.html).

Białkowski, Wiesław: Łańskie imperium [Das Imperium von Łańsk], Warszawa 1990. Bierwisch, Manfred: Die Rolle der Arbeit in verschiedenen Epochen und Kulturen, Berlin

2003. Bispinck, Hendrik u.a. (Hg.): Aufstände im Ostblock. Zur Krisengeschichte des realen Sozi-

alismus, Berlin 2004. Bispinck, Hendrik u.a.: Ist die DDR-Forschung wirklich in der Krise? in: Frankfurter Rund-

schau, 30.9.2003, S. 9. Błażyński, Zbigniew: Towarzysze zeznają. Z tajnych archiwów Komitetu Centralnego

[Genossen sagen aus. Aus den geheimen Archiven des Zentralkomitees], London 1987. Bobrowski, Czesław: Wspomnienia ze stulecia [Erinnerungen an das Jahrhundert], Lublin

1985. Böhm, Siegfried: Förderung der Initiative der Betriebskollektive durch den Leistungsfonds

und andere ökonomische Regelungen, in: Die Wirtschaft, Nr. 26, 28.6.1972, S. 3–5. Borodziej, Włodzimierz: Gewalt in Volkspolen: 1944–1989, in: Osteuropa, 50 (2000),

S. 1365–1384. Bouvier, Beatrix: Die DDR – ein Sozialstaat? Sozialpolitik in der Ära Honecker, Bonn

2002. Christoph Boyer, Arbeiter im Staatsozialismus: ein Leitfaden in theoretischer Absicht, in:

Bohemia 42 (2001), S. 209–219. Boyer, Christoph: Normalisierung, in: Bohemia, 47 (2006), S. 348–360. Boyer, Christoph (Hg.): Zur Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen. Die Sowjet-

union, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, die DDR und Jugoslawien im Vergleich, Frankfurt a.M. 2007.

Boyer, Christoph: Sozialgeschichte der Arbeiterschaft und staatssozialistische Entwick-lungspfade: konzeptionelle Überlegungen und eine Erklärungsskizze, in: Hübner, Pe-

Page 97: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

4 Literaturverzeichnis

ter/Kleßmann, Christoph/Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologi-scher Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 71–86.

Boyer, Christoph: Sozialistische Sozialpolitik und Gesellschaftsreform in den sechziger Jahren: DDR und ČSSR im Vergleich., in: Haupt, Heinz-Gerhard/Requate, Jörg unter Mitarbeit von Maria Köhler-Baur (Hg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er Jahre zwi-schen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, ČSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Göttingen 2004, S. 249–265.

Boyer, Christoph (Hg.): Sozialistische Wirtschaftsreformen. DDR und Tschechoslowakei im Vergleich, Frankfurt a.M. 2006.

Boyer, Christoph: Die tschechoslowakischen Wirtschaftsreformen und der tschechoslowaki-sche Entwicklungspfad, in: ders. (Hg.): Zur Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsre-formen. Die Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, die DDR und Jugosla-wien im Vergleich, Frankfurt a.M. 2007, S. 77–94.

Boyer, Christoph: Verflechtung und Abgrenzung: sozial- und konsumpolitische Beziehun-gen im RGW, in: Hoffmann, Dierk/Schwarz, Michael (Hg.): Sozialstaatlichkeit in der DDR. Sozialpolitische Entwicklungen im Spannungsfeld von Diktatur und Gesellschaft 1945/49–1989, München 2005, S. 151–173.

Boyer, Christoph: Stabilisierung durch Wandel. Institutionenevolution im Staatssozialismus, in: Bender, Gerd u.a. (Hg.): Das Europa der Diktaturen: Steuerung – Wirtschaft – Recht, Baden-Baden 2002, S. 119–13.

Boyer, Christoph/Skyba, Peter (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabili-sierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999.

Boyer, Christoph (Hg.): Sozialistische Wirtschaftsreformen: Tschechoslowakei und DDR im Vergleich, Frankfurt a.M. 2006; ders. (Hg.): Zur Physiognomie sozialistischer Wirt-schaftsreformen. Die Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, die DDR und Jugoslawien im Vergleich, Frankfurt a.M. 2007.

Boyer, Christoph (Hg.): Vom Keynesianismus und Staatssozialismus zum …? [= zeitge-schichte /Themenheft/, 34 (2007) 3].

Bożyk, Paweł: Warunki dynamicznego rozwoju kraju w latach siedemdziesiątych [Die Be-dingungen für das dynamische Wachstum in den siebziger Jahren], in: Nowe Drogi, 28 (1974) 3, S. 94–105.

Brandt, Willy: Erinnerungen, Berlin/Frankfurt a.M./Zürich 1990. Braudel, Fernand: Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II.,

Bd. 1, Frankfurt a.M. 1998. Brecht, Bertolt: Gedichte (Werke in fünf Bänden; Bd. 3), Berlin 1973. Breschnew, Leonid I.: Auf dem Wege Lenins. Reden und Aufsätze, Bd. 1, Berlin 1971;

Bd. 3, Berlin 1974. Bretschneider, Harry: Langfristige Planung bis 1990, in: Einheit, 28 (1973), S. 448–454. Brown, William/Kahn, Herman/Martel, Leon: Vor uns die guten Jahre, Wien/München/

Zürich 1976. Brunner, Georg: Das Rechtsverständnis der SED (1961–1989), in: Materialien der Enquete-

Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutsch-land“ (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages). Hg. v. Deutschen Bundestag, Bd. IV: Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat, Baden-Baden 1995, S. 291–336.

Page 98: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 5 Brus, Wlodzimierz/Kende, Peter/Mlynář, Zdeněk: „Normalisierungsprozesse“ im sowjeti-

sierten Mitteleuropa. Ungarn, Tschechoslowakei, Polen, Wien 1982. Brzostek, Błażej: Robotnicy Warszawscy. Konflikty codzienne 1950–1954 [Die Warschauer

Arbeiter: Alltägliche Konflikte 1950–1954], Warszawa 2002. Buchheim, Christoph: Die Achillesferse der DDR – der Außenhandel, in: Steiner, André

(Hg.): Überholen ohne einzuholen. Die DDR-Wirtschaft als Fußnote der deutschen Ge-schichte?, Berlin 2006, S. 91–103.

Buchheim, Christoph: Die Integration der Tschechoslowakei in den RGW, in: Bohemia, 42 (2001), S. 1–10.

Buck, Hannsjörg F.: Mit hohem Anspruch gescheitert – Die Wohnungspolitik der DDR, Münster 2004.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Statistische Übersichten zur Sozialpolitik in Deutschland seit 1945 (Bd. SBZ/DDR), Verf.: André Steiner unter Mitarbeit von Mat-thias Judt und Thomas Reichel, Bonn 2006.

Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung in Deutschland – KAB (Hg.): Texte zur katholischen Soziallehre. Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchliche Dokumente. Mit Einführungen von Oswald von Nell-Breuning SJ und Johan-nes Schaschning SJ, Kevelaer, 8. Aufl. 1992.

Campbell, Joan: Joy in Work, German Work: The National Debate, 1800–1945, Princeton 1989.

Castel, Robert: Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit, Kon-stanz 2000.

Castells, Manuel: Das Informationszeitalter. Teil 1: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Teil 2: Die Macht der Identität, Teil 3: Jahrtausendwende, Opladen 2003.

Cawson, Alan: Corporatism and Political Theory, Oxford 1986. Chmelnicki, Naum: Wpływ pracy zarobkowej kobiet na funkcje wychowawcze kobiet [Der

Einfluss der Erwerbsarbeit von Frauen auf die Erziehungsfunktion der Frauen], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 6, S. 39–46.

Chmiel, Beata/Kaczyńska, Elżbieta (Hg.): Postulaty 1970–71 i 1980: materiały środkowe do dziejów wystąpień pracowniczych w latach 1970–1971 i 1980 (Gdańsk i Szczecin) [Die Forderungen 1970–71 und 1980: Gesammelte Materialien zur Geschichte der Arbeiter-unruhen in den Jahren 1970–71 und 1980 (Gdańsk i Szczecin)], (Archiwum Solidar-ność), Warszawa 1999.

Chumiński, Jędrzej: Formy nadzoru środowiska pracowników przemysłu w latach forsow-nej industrializacji 1949–1956 [Formen der Kontrolle des Milieus der Industriebeschäf-tigten in den Jahren der forcierten Industrialisierung 1949–1956], in: Studia Historyczne 41 (1998), S. 557–575.

Chumiński, Jędrzej: Ruch zawodowy w Polsce w warunkach kszałtującego się systemu totalitarnego. 1944–1956 [Die Gewerkschaftsbewegung in Polen unter den Bedingungen des entstehenden totalitären Systems. 1944–1956], (Habilitationsschrift), Wrocław 1999.

Chumiński, Jędrzej/Ruchniewicz, Krzysztof: Arbeiter und Opposition in Polen 1945–1989, in: Hübner, Peter/Kleßmann, Christoph/Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter im Staatssozia-lismus. Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 425–451.

Page 99: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

6 Literaturverzeichnis Coser, Lewis A.: Sozialer Konflikt und sozialer Wandel, in: Dreitzel, Hans-Peter (Hg.):

Sozialer Wandel, Darmstadt/Neuwied 1972, S. 278–294. Courtoise, Stephane u.a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus: Unterdrückung, Verbre-

chen und Terror. Mit dem Kapitel „Die Aufarbeitung des Sozialismus in der DDR“ von Joachim Gauck und Ehrhart Neubert, München/Zürich 1998.

Czada, Roland: Konjunkturen des Korporatismus. Zur Geschichte eines Paradigmen-wechsels in der Verbändeforschung, in: Streeck, Wolfgang (Hg.): Staat und Verbände, Opladen 1995, S. 37–64.

Československo roku 1968 [Die Tschechoslowakei im Jahr 1968], Bd. 1: Obrodný proces [Der Erneuerungsprozess]; Bd. 2: Počátky normalizace [Die Anfänge der Normalisie-rung], hg. von Vojtěch Mencl u.a., Prag 1993.

Dadlez, Anna R.: Political and social issues in Poland as reflected in the Polish novel 1946–1985, New York 1989.

Dahrendorf, Ralf: Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit, Stuttgart 1992.

Dahrendorf, Ralf: Wenn der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgeht, in: Matthes, Joachim (Hg.): Krise der Arbeitsgesellschaft? Verhandlungen des 21. Soziologentages in Bam-berg 1982, Frankfurt a.M. 1983.

Dahrendorf, Ralf: Zu einer Theorie des Konflikts, in: Zapf, Wolfgang (Hg.): Theorien sozia-len Wandels, Köln/Berlin 1969, S. 108–123.

Dannenbaum, Thomas/Kienzle, Claudius/Kirsch, Sabine: Tagungsbericht: Krise des Regie-rens in den 1970er Jahren? Deutsche und westeuropäische Perspektiven, in: http://sozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=924.

Danowska, Bogumiła: Grudzień 1970 na Wybrzeżu Gdańskim: przyczyny, przebieg, reper-kusje [Der Dezember 1970 an der Gdańsker Küste: Ursachen, Verlauf, Nachklang], Pelplin 2000.

Darmstädter, Tim: Transformation der Arbeit, Frankfurt a.M. 2002. Dau, Rudolf/Svatosch, Frank: Neueste Geschichte der Tschechoslowakei, Berlin 1985. Davies, Norman: Im Herzen Europas. Geschichte Polens, München 2000. DDR-Handbuch. Wissenschaftliche Leitung Hartmut Zimmermann unter Mitarbeit von

Horst Ulrich und Michael Fehlauer, Bd. 1 A-L, Bd. 2 M-Z, 3., überarbeitete und erwei-terte Auflage. Hg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Köln 1985.

Delhaes, Karl von: Polnische Wirtschaftsreformen außerhalb der Landwirtschaft, in: Lem-berg, Hans (Hg.): Zwischen „Tauwetter“ und neuem Frost. Ostmitteleuropa 1956–1970, Marburg 1993, S. 53–66.

Demmler, Horst/Rinke, Rolf: Die planmäßige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Betrieben (Ergebnisse von Untersuchungen in Betrieben der Metall- und Elektroin-dustrie), in: Wirtschaftswissenschaft, 22 (1974), S. 840–851.

Deppe, Frank: Politisches Denken im 20. Jahrhundert. Die Anfänge, Hamburg 1999. Dialektische Wechselbeziehungen zwischen ökonomischer Theorie, Wirtschaftspolitik und

Wirtschaftspraxis und die damit verbundenen Konsequenzen für die wirtschaftswissen-schaftliche Forschung. 2. Tagung des Wissenschaftlichen Rates für die wirtschaftswis-senschaftliche Forschung bei der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin 1973.

Page 100: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 7 Die betriebliche Sozialpolitik und die Aufgaben der Gewerkschaften (Thesen). Hg. v. der

Sektion Wirtschafts- und Sozialpolitik – Forschungsgruppe Sozialpolitik – Hochschule der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“, Bernau 1969.

Doering-Manteuffel, Anselm: Nach dem Boom. Brüche und Kontinuitäten der Industriemo-derne seit 1970. in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 55 (2007), S. 559–581.

Dohlus, Horst: Die Erhöhung der Kampfkraft unserer marxistisch-leninistischen Partei, in: Einheit, 26 (1971), S. 3–13.

Domański, Paweł (Hg.): Tajne dokumenty Biura politycznego. Grudzień 1970 [Geheime Dokumente des Politbüros. Dezember 1970], London 1991.

Dubiński, Krzysztof: Rewolta radomska. Czerwiec ’76 [Die Radomer Revolte. Juni ’76], Warszawa 1991.

Dudek, Antoni: Państwo i Kościół w Polsce 1945–1970 [Staat und Kirche in Polen 1945–1970], Kraków 1995.

Dudek, Antoni: Polityka władz wobec Kościoła w latach 1956–1980 [Die Politik der Machthaber gegenüber der Kirche in den Jahren 1956–1980], in: Wójcik, Przemysław (Hg.): Elity władzy a struktura społeczna w Polsce w latach 1956–1981 [Die Machteliten und die Sozialstruktur in Polen in den Jahren 1956–1981], Warszawa 1994, S. 202–231.

Dudek, Antoni/Gryz, Ryszard: Komuniści i Kościół w Polsce (1945–1989) [Kommunisten und Kirche in Polen (1945–1989)], Kraków 2003.

Dudek, Antoni/Kochański, Aleksander/Persak, Krzysztof (Hg.): Centrum władzy: protokoły posiedzeń kierownictwa PZPR: wybór z lat 1949–1970 [Das Machtzentrum: Sitzungsprotokolle der PZPR-Führung: Auswahl aus den Jahren 1949–1970], Warszawa 2000.

Dyskusja o Władyslawie Gomułce [Diskussion über Władyslaw Gomułka], Warszawa 1984. Dziewięcka-Bogun, Ludmiła: Miejsce zagadnień socjalnych w programu PZPR (1948–

1970) [Der Platz der sozialen Fragen im Programm der PZPR (1948–1970)], in: Z pola walki, 29 (1986) 1, S. 145–159.

Ebert, Georg u.a.: Die ökonomischen Gesetze des Sozialismus umfassender erforschen, in: Einheit, 29 (1974), S. 554–561.

Ebert, Georg/Matho, Fred/Milke, Harry: Ökonomische Gesetze des Sozialismus und Haupt-aufgabe, in: Einheit, 27 (1972), S. 698–706.

Ebert, Georg/Milke, Harry/Siewert, Heinz: Leistungsprinzip und Sozialpolitik, in: Einheit, 30 (1975), S. 303–310.

Edele, Mark: Soviet Society, Social Structure, and Everyday Life. Major Frameworks Re-considered, in: Kritika. Explorations in Russian and Eurasian History, 8 (2007) 2, S. 349–373.

Eichholtz, Dietrich: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945, Bd. 3: 1943–1945, Berlin 1996.

Eisler, Jerzy (Hg.): Czerwiec 1976 w materialach archiwalnych [Der Juni 1976 in Archiv-materialien], Warszawa 2001.

Eisler, Jerzy: Grudzień 1970: geneza, przebieg, konsekwensje [Dezember 1970: Genese, Verlauf, Konsequenzen], Warszawa 2000.

Eisler, Jerzy: Grudzień 1970 w dokumentach MSW [Der Dezember 1970 in Dokumenten des Innenministeriums], Warszawa 2000.

Page 101: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

8 Literaturverzeichnis Eisler, Jerzy: Marzec 1968. geneza – przebieg – konsekwencje [Der März 1968. Genese –

Verlauf – Konsequenzen], Warszawa 1991. Eisler, Jerzy: Miejsce Czerwca ’76 wśród kryzysów w PRL [Der Platz des Juni ’76 unter

den Krisen in der PRL], in: Sasanka, Paweł/Spałek, Robert (Hg.): Czerwiec 1976: spory i reflekcje po 25 latach [Der Juni 1976: Auseinandersetzungen und Reflexionen nach 25 Jahren], Warszawa 2003, S. 11–19.

Eisler, Jerzy: Polski rok 1968 [Das polnische Jahr 1968], Warszawa 2006. Eisler, Jerzy/Trepczyński, Stanisław: Grudzień ’70 wewnątrz „Bialego Domu“ [Der De-

zember ’70 im „Weißen Haus“], Warszawa 1991. Ekiert, Grzegorz: The state against society. Political crises and their aftermath in East Cen-

tral Europe, Princeton/N.J. 1996. Elsner, Steffen H.: Flankierende Stabilisierungsmechanismen diktatorischer Herrschaft: Das

Eingabenwesen in der DDR, in: Boyer, Christoph/Skyba, Peter (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999, S. 75–86.

Engels, Friedrich: Dialektik der Natur, [Artikel]: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 20, Berlin 1971, S. 307–570.

Engler, Wolfgang: Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land, Berlin, 2. Aufl. 2000.

Erdmann, Kurt: Abkehr vom bisherigen Modell des Ökonomischen Systems des Sozialis-mus, in: Deutschland Archiv, 4 (1971), S. 816–832.

Erdmann, Kurt: Umgestaltung der Planung in der DDR. Einheitliche Ordnung bis 1980, in: Deutschland Archiv, 9 (1976), S. 723–737.

Erhard, Ludwig: Wohlstand für alle, Düsseldorf 1957. Ernst, Anna-Sabine: Vom „Du“ zum „Sie“. Die Rezeption der bürgerlichen Anstandsregeln

in der DDR der 1950er Jahre, in: Mitteilungen aus der kulturwissenschaftlichen For-schung, 16 (1993) H. 33, S. 190–209.

Evans, Richard J.: Fakten und Fiktionen. Über die Grundlagen historischer Erkenntnis, Frankfurt a.M./New York 1999.

Fässler, Peter: „Gegenelite“ versus „strategische Clique“. Kaderpolitik und -entwicklung während der DDR-Wirtschaftsreform, in: Boyer, Christoph (Hg.): Sozialistische Wirt-schaftsreformen. Tschechoslowakei und DDR im Vergleich, Frankfurt a.M. 2006, S. 559–595.

Faulenbach, Bernd/Leo, Annette/Weberskirch, Klaus: Zweierlei Geschichte. Lebensge-schichte und Geschichtsbewußtsein von Arbeitnehmern in West- und Ostdeutschland, Essen 2000.

FDGB-Lexikon: Funktion, Struktur, Kader und Entwicklung einer Massenorganisation der SED (1945–1990) (=Arbeitspapiere des Forschungsverbundes SED-Staat, Nr. 36/2005). Hg. von Dieter Dowe/Karlheinz Kuba/Manfred Wilke. Bearbeitet von Michael Kubina, (Arbeitsversion) Berlin 2005.

Fehr, Helmut: Unabhängige Öffentlichkeit und soziale Bewegungen. Fallstudien über Bür-gerbewegungen in Polen und der DDR, Opladen 1996.

Page 102: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 9 Fik, Marta: Marcowa kultura. Wokuł „Dziadów“. Literaci i władza. Kampania marcowa

[Die Märzkultur. Um die „Dziady“. Literaten und Macht. Die Märzkampagne], War-szawa 1995.

Flam, Helena: Mosaic of Fear. Poland and East Germany before 1989. East European Mo-nographs, New York 1998.

Frank, Mario: Walter Ulbricht: eine deutsche Biographie, Berlin 2001. Freeman, Christopher/Francisco, Louçã: As Time Goes By. From the Industrial Revolution

to the Information Revolution, Oxford 2001. Freeman, Christopher/Soete, Luc: Work for All or Mass Unemployment?, London 1994. Frerich, Johannes/Frey, Martin: Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland.

Bd. 2: Sozialpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik, München/Wien 1993. Friedrich, Gerd/Gerisch, Rudolf/Trauer, Horst: Zur Organisation der Leitung in den sozialis-

tischen Industriebetrieben und Kombinaten, in: Wirtschaftswissenschaft, 19 (1971), S. 1120–1136.

Friedrich, Gerd/Schulz, Gerhard: Effektivität, wissenschaftlich-technische Revolution und sozialistische Wirtschaftsführung, in Einheit, 28 (1973), S. 187–197.

Friszke, Andrzej: Diariusz Rakowskiego [Das Diarium Rakowskis], in: Polityka, Nr. 37, 17.9.2005, Beilage „Niezbędnik Inteligenta“, S. 15–19.

Friszke, Andrzej: Koło posłów „Znak“ w Sejmie PRL 1957–1976 [Die Abgeordnetengruppe „Znak“ im Sejm der PRL 1957–1976], Warszawa 2002.

Friszke, Andrzej: Opozycja polityczna w PRL 1945–1980 [Politische Opposition in der PRL 1945–1980], London 1994.

Friszke, Andrzej: Polska Gierka [Das Polen Giereks], Warszawa 1995. Friszke, Andrzej (Hg.): Władza a społeczeństwo w PRL. Studia historyczne [Macht und

Gesellschaft in der PRL. Historische Studien], Warszawa 2003. Friszke, Andrzej: Z ziemi polskiej do włoskiej [Vom polnischen ins italienische Land], in:

Polityka, Nr. 39, 29.9.2007, S. 76–79. Friszke, Andrzej/Stola, Dariusz/Eisler, Jerzy: Kierownictwo PZPR w czasie kryzysów 1956,

1968 i 1970 [Die Führung der PZPR in den Krisen 1956, 1968 und 1970], Warszawa 2000.

Fulbrook, Mary: Herrschaft, Gehorsam und Verweigerung – Die DDR als Diktatur, in: Ko-cka, Jürgen/Sabrow, Martin (Hg.): Die DDR als Geschichte. Fragen – Hypothesen – Per-spektiven, Berlin 1994, S. 77–85.

Garlicki, Andrzej: Władysław Gomułka o marcu 1968 [Władysław Gomułka über den März 1968], in: Przegląd Historyczny, LXXXIV (1993) 4, S. 502–518.

Garlicki, Andrzej: Z tajnych archiwów [Aus den Geheimarchiven], Warszawa 1993. Garsztecki, Stefan: Die polnische politische Kultur – Kontinuität und Wandel, in:

Krasnodębski, Zdzisław/Städtke, Klaus/Garsztecki, Stefan (Hg.): Kulturelle Identität und sozialer Wandel in Osteuropa: das Beispiel Polen, Hamburg 1999, S. 131–168.

Gehler, Michael: Zeitgeschichte in dynamischen Mehrebenensystemen. Zwischen Regiona-lisierung, Nationalstaat, Europäisierung, internationaler Arena und Globalisierung (=Herausforderungen. Historisch-politische Analysen. Hg. von Wolfgang Schmale, Bd. 12), Bochum 2001.

Page 103: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

10 Literaturverzeichnis Geißler, Rainer: Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit

einer Zwischenbilanz zur Vereinigung, Opladen 1996. Gerlach, Christian: Die Welternährungskrise 1972–1975, in: Geschichte und Gesellschaft,

31 (2005), S. 546–585. Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Hg.: Bundesministerium für Arbeit

und Sozialordnung (für Bd. 8: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Siche-rung, für Bd. 9 und 10: Bundesministerium für Arbeit und Soziales) und Bundesarchiv: Bd. 1: Grundlagen der Sozialpolitik, Baden-Baden 2001; Bd. 2: Wengst, Udo (Band-Hg.): Die Zeit der Besatzungszonen 1945–1949: Sozialpoli-

tik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten, Baden-Baden 2001;

Bd. 5: Hockerts, Hans Günter (Band-Hg.): Bundesrepublik Deutschland 1965–1974. Ei-ne Zeit des vielfältigen Aufbruchs, Baden-Baden 2006;

Bd. 8: Hoffmann, Dierk/Schwartz, Michael (Band-Hg.): Deutsche Demokratische Repu-blik 1949–1961: Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus, Baden-Baden 2005;

Bd. 9: Kleßmann, Christoph (Band-Hg.): Deutsche Demokratische Republik 1961–1971: Politische Stabilisierung und Mobilisierung, Baden-Baden 2007

Bd. 10: Boyer, Christoph/Henke, Klaus-Dietmar/Skyba, Peter (Band-Hg.): Deutsche Demokratische Republik 1971–1989. Bewegung in der Sozialpolitik, Erstarrung und Niedergang, Baden-Baden 2008 (i.E.).

Geschichte des FDGB. Chronik 1945–1982, hg. von der Gewerkschaftshochschule „Fritz Heckert“ beim Bundesvorstand des FDGB, Berlin 1985.

Giarini, Orio/Liedtke, Patrick M.: Wie wir arbeiten werden. Der neue Bericht an den Club of Rome. Mit einem Vorwort von Ernst Ulrich von Weizsäcker, Hamburg 1998.

Gibas, Monika: Hammer und Zirkel im Ährenkranz. Anmerkungen zur Symbol- und Reprä-sentationskultur der DDR, in: Deutschland Archiv, 32 (1999), S. 552–563.

Gierek, Edward: Ausgewählte Reden und Schriften 1971–1978, Berlin 1979. Gierek, Edward: Smak życia. Pamiętniki [Der Geschmack des Lebens. Erinnerungen],

Warszawa 1993. Głowacki, Andrzej: Kryzys polityczny 1970 roku [Die politische Krise des Jahres 1970],

Warszawa 1990. Główczyk, Jan: Intensyfikacja i konsumpcja [Intensivierung und Konsumtion], in: Życie

Gospodarcze, XXIV (1969) 51/52 (21.–28.12.), S. 3, XXV (1970) 5 (1.2.), S. 1, 9. Gomułka i inni. Dokumenty z archiwum KC 1948–1982 [Gomułka und andere. Dokumente

aus dem ZK-Archiv 1948–1982], hg. von Jakub Andrzejewski (eigentl. Andrzej Pacz-kowski), Warszawa 1986.

Gomułka, Władysław: Przemówienia [Reden] 1967, Warszawa 1968; 1968, Warszawa 1969.

Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999.

Grabas, Margrit: Die DDR zwischen Emanzipation und Systemzwang. Die ambivalente Modernisierung der 1960er Jahre, in: Fischer, Wolfram/Müller, Uwe/Zschaler, Frank (Hg.): Wirtschaft im Umbruch. Strukturveränderungen und Wirtschaftspolitik im 19. und

Page 104: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 11

20. Jahrhundert. Festschrift für Lothar Baar zum 65. Geburtstag, St. Katharinen 1997, S. 335–356.

Graniewska, Danuta: Możliwości i potrzeba okresowej dezaktwyzacji kobiet mających małe dzieci [Möglichkeiten und Notwendigkeit einer zeitweisen Deaktivierung von Frauen, die kleine Kinder haben], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 13 (1971) 6, S. 27–32.

Graupner, Karl-Heinz/Krzyzanowski, Walter: 14. Tagung des Wissenschaftlichen Rates für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung (Tagungsbericht), in: Wirtschaftswissen-schaft, 23 (1975), S. 1386–1403.

Grebing, Helga (Hg.): Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. Sozialismus – Katholi-sche Soziallehre – Protestantische Sozialethik: ein Handbuch, Essen 2000.

Gries, Rainer: Dramaturgie der Utopie. Kulturgeschichte der Rituale der Arbeiter-und-Bauern-Macht, in: Hübner, Peter/Kleßmann, Christoph/Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/ Wien 2005, S. 191–214.

Grimm, Frank: Territoriale Rationalisierung in Städten und Stadtbezirken, Berlin 1975. Grochal, Eugeniusz: Kodeks pracy [Das Arbeitsgesetzbuch], in: Nowe Drogi, 29 (1975) 1,

S. 63–73. Grudzień 1970 [Dezember 1970], Paris 1986. Gruner-Domić, Sandra: Abriß zur Geschichte der Arbeitskräftemigration in der DDR. Die

bilateralen Verträge zur Beschäftigung ausländischer Arbeiter (1961–1989), Berliner In-stitut für Vergleichende Sozialforschung 1997.

Gunst, Péter: Agrarian Development and Social Change in Eastern Europa, 14th-19th Cen-turies, Aldershot 1996.

Hackenholz, Dirk: Die elektrochemischen Werke in Bitterfeld 1914–1945. Ein Standort der IG Farbenindustrie AG, Münster 2004.

Häder, Sonja/Tenorth, Heinz-Elmar: Bildungsgeschichte einer Diktatur – Probleme ihrer Analyse am Beispiel der DDR, in: dies. (Hg.): Bildungsgeschichte einer Diktatur. Bil-dung und Erziehung in SBZ und DDR im historisch-gesellschaftlichen Kontext, Wein-heim 1997, S. 9–22.

Haendcke-Hoppe, Maria: Privatwirtschaft in der DDR: Geschichte, Struktur, Bedeutung, Berlin 1982.

Haftendorn, Helga: Sicherheit und Stabilität. Außenbeziehungen der Bundesrepublik zwi-schen Ölkrise und NATO-Doppelbeschluß, München 1986.

Hager, Kurt: Leninismus und entwickeltes gesellschaftliches System des Sozialismus in der DDR, in: Einheit, 25 (1970), S. 408–427.

Hantsche, Walter: Wertvolle Vorschläge und Hinweise zur weiteren Verbesserung der Rechtsarbeit, in: Arbeit und Arbeitsrecht, 30 (1975), S. 403–405.

Hasl, Rainer/Koschwald, Ulrich: Grundlegende Merkmale der Sozialpolitik in der Ära Gie-rek (=Regensburger Diskussionsbeiträge zur Wirtschaftswissenschaft, Nr. 157), Regens-burg o.J.

Heidemeyer, Helge: Flucht und Zuwanderung aus der SBZ/DDR 1945/49–1961. Die Flücht-lingspolitik der Bundesrepublik Deutschland bis zum Bau der Berliner Mauer, Düssel-dorf 1994.

Page 105: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

12 Literaturverzeichnis Heinrichs, Wolfgang: Zur Schaffung der Bedingungen für eine verbesserte Versorgung der

Bevölkerung der DDR, in: Wirtschaftswissenschaft, 9 (1961), S. 814–833. Heintze, Horst: Ein Gesetz zum Wohle der Werktätigen, in: Arbeit und Arbeitsrecht, 32

(1977), S. 289–292. Hemmerling, Zygmunt/Nadolski, Marek: Opozycja demokratyczna w Polsce 1976–1980.

Wybór dokumentów [Die demokratische Opposition in Polen 1976–1980. Dokumenten-auswahl], Warszawa 1994.

Hemmerling, Zygmunt/Nadolski, Marek: Opozycja polityczna wobec rządów komunistycz-nych w Polsce 1956–1976. Wybór dokumentów [Die politische Opposition und die kommunistische Herrschaft in Polen 1956–1976. Dokumentenauswahl], Warszawa 1991.

Herold, Manfred: Die Einheit unserer erfolgreichen Wirtschafts- und Sozialpolitik, in: Ein-heit, 30 (1975), S. 1085–1096.

Herren, Madeleine: Sozialpolitik und die Historisierung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft, 32 (2006), S. 542–559.

Hertle, Hans-Hermann/Gilles, Franz-Otto: Zur Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR-Wirtschaft, in: Hürtgen, Renate/Reichel, Thomas (Hg.): Der Schein der Sta-bilität. DDR-Betriebsalltag in der Ära Honecker, Berlin 2001, S. 173–189.

Hertle, Hans-Hermann/Jarausch, Konrad H. (Hg.): Risse im Bruderbund. Die Gespräche Honecker-Breshnew 1974–1982, Berlin 2006.

Herzog, Gerd: Schwäche als Stärke: Bargaining Power im RGW. Arbeitspapiere des Osteu-ropa-Instituts der Freien Universität Berlin, Arbeitsbereich Politik und Gesellschaft, Heft 17/1998.

Heumos, Peter: Normalisierung und soziale Beschwichtigungsstrategien in der ČSSR. KPTsch-Politik, Gewerkschaften und Arbeiterbewußtsein, in: Boyer, Christoph/Skyba, Peter (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabilisierung von Parteiherr-schaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999, S. 119–128.

Heumos, Peter (Hg.): Sozialgeschichtliche Kommunismusforschung [=Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder. A Journal of History and Civilization in East Central Europe, 42 (2001) H. 2].

Heumos, Peter: Sozialgeschichtliche Kommunismusforschung: Industriearbeiter in der Tschechoslowakei, der DDR und in Polen, in: ders. (Hg.): Sozialgeschichtliche Kommu-nismusforschung [=Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder. A Journal of History and Civilization in East Central Europe, 42 (2001) H. 2], S. 205–208.

Heumos, Peter: „Wenn sie sieben Turbinen schaffen, kommt die Musik“. Sozialistische Arbeitsinitiativen und egalitaristische Defensive in tschechoslowakischen Industriebe-trieben und Bergwerken 1945–1965, in: Brenner, Christiane/Heumos, Peter (Hg.): Sozi-algeschichtliche Kommunismusforschung. Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und DDR 1948–1968, München 2005, S. 133–177.

Hildebrandt, Eckart u.a. (Hg.): Arbeitspolitik im Wandel. Entwicklung und Perspektiven der Arbeitspolitik, Berlin 2007.

Hildermeier, Manfred: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates, München 1998.

Page 106: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 13 Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Mün-

chen, 4. Aufl. 2000. Hockerts, Hans Günter: Drei Wege deutscher Sozialstaatlichkeit – NS-Regime, die „alte“

Bundesrepublik und die DDR in vergleichender Betrachtung, in: Ruland, Franz/Maydell, Bernd Baron v./Papier, Hans-Jürgen (Hg.): Verfassung, Theorie und Praxis des Sozial-staates. Festschrift für Hans Zacher zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1998, S. 267–279.

Hockerts, Hans Günter: Grundlinien und soziale Folgen der Sozialpolitik in der DDR, in: Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen/Zwahr, Hartmut (Hg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 519–544.

Hoensch, Jörg K.: Geschichte Polens, Stuttgart, 3. Aufl. 1998. Hoffmann, Heinz: Die Betriebe mit staatlicher Beteiligung im planwirtschaftlichen System

der DDR (1956–1972), Stuttgart 1999. Hofmann, Michael: Die Kohlearbeiter von Espenhain. Zur Enttraditionalisierung eines ost-

deutschen Arbeitermilieus, in: Vester, Michael/Hofmann, Michael/Zirke, Irene (Hg.): Soziale Milieus in Ostdeutschland. Gesellschaftliche Strukturen zwischen Zerfall und Neubildung, Köln 1995, S. 91–135.

Hofmann, Michael: Die Leipziger Metallarbeiter. Etappen sozialer Erfahrungsgeschichte. Milieubiographie eines Arbeitermilieus in Leipzig, in: Vester, Michael/Hofmann, Mi-chael/Zirke, Irene (Hg.): Soziale Milieus in Ostdeutschland. Gesellschaftliche Strukturen zwischen Zerfall und Neubildung, Köln 1995, S. 136–192.

Hofmann, Michael/Rink, Dieter: Die Auflösung der ostdeutschen Arbeitermilieus. Bewälti-gungsmuster und Handlungsspielräume ostdeutscher Industriearbeiter im Transformati-onsprozeß, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parla-ment, B 26–27 (1993), S. 29–36.

Höhmann, Hans-Hermann (Hg.): Die Wirtschaft Osteuropas am Beginn der siebziger Jahre – Rückblick und Ausblick, Stuttgart 1972.

Homann, Karl/Kirchner, Christian: Das Subsidiaritätsprinzip in der Katholischen Sozialleh-re und in der Ökonomik, in: Gerken, Lüder (Hg.): Europa zwischen Ordnungswettbe-werb und Harmonisierung: europäische Ordnungspolitik im Zeichen der Subsidiarität, Berlin/Heidelberg 1995.

Honecker, Erich: Auf sicherem Kurs, in: Einheit, 31 (1976), S. 407–414. Honecker, Erich: Fragen von Wirtschaft und Politik in der sozialistischen Gesellschaft der

DDR, in: Einheit, 27 (1972), S. 12–20. Honecker, Erich: Reden und Aufsätze, Bd. 2, Berlin 1975. Hornbostel, Stefan: Spätsozialismus, Legitimierung und Stabilität, in: Boyer, Chris-

toph/Skyba, Peter (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999, S. 13–25.

Hübner, Heinz-Werner: Einige Methoden der organischen Verbindung der zentralen staatli-chen Planung der Volkswirtschaft mit der eigenverantwortlichen Planung der sozialisti-schen Warenproduzenten, in: Wirtschaftswissenschaft, 18 (1970), S. 205–220.

Hübner, Heinz-Werner: Erfahrungen und Schlußfolgerungen für die Planung 1972, in: Die Wirtschaft, Nr. 22, 2.6.1971, S. 7f.

Page 107: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

14 Literaturverzeichnis Hübner, Peter: Arbeiterklasse als Inszenierung? Arbeiter und Gesellschaftspolitik in der

SBZ/DDR, in: Bessel, Richard/Jessen, Ralph (Hg.): Die Grenzen der Diktatur. Staat und Gesellschaft in der DDR, Göttingen 1996, S. 199–223.

Hübner, Peter: Arbeitskampf im Konsensgewand? Zum Konfliktverhalten von Arbeitern im „realen“ Sozialismus, in: Bispinck, Hendrik u.a. (Hg.): Aufstände im Ostblock. Zur Kri-sengeschichte des realen Sozialismus, Berlin 2004, S. 195–213.

Hübner, Peter: Arbeitskonflikte in Industriebetrieben der DDR nach 1953. Annäherungen an eine historische Struktur- und Prozeßanalyse, in: Poppe, Ulrike/Eckert, Rainer/Kowal-czuk, Ilko-Sascha (Hg.): Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Wi-derstandes und der Opposition in der DDR, Berlin 1995, S. 178–191.

Hübner, Peter: Betriebe als Träger der Sozialpolitik, betriebliche Sozialpolitik, in: Geschich-te der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Hg.: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und Bundesarchiv; B. 8: Hoffmann, Dierk/Schwartz, Michael (Band-Hg.): Deutsche Demokratische Republik 1949–1961: Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus, Baden-Baden 2004, S. 729–773.

Hübner, Peter: Durch Planung zur Improvisation. Zur Geschichte des Leitungspersonals in der staatlichen Industrie der DDR, in: Archiv für Sozialgeschichte, 39 (1999), S. 197–233.

Hübner, Peter: Gesellschaftliche Strukturen und sozialpolitische Handlungsfelder, in: Ge-schichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945. Hg. vom Bundesministerium für Ge-sundheit und Soziales, Bd. 9: Kleßmann, Christoph (Band-Hg.): Deutsche Demokrati-sche Republik 1961–1971. Politische Stabilisierung und wirtschaftliche Mobilisierung, Baden-Baden 2006, S. 77–145.

Hübner, Peter: Im Parteiauftrag: Herbert Warnke an der Spitze des FDGB, in: Lauschke, Karl (Hg.): Die Gewerkschaftselite der Nachkriegszeit: Prägung – Funktion – Leitbilder [=Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen, H. 35 (2006)], Bochum 2006, S. 101–120.

Hübner, Peter: Konsens: Konflikt und Kompromiß. Soziale Arbeiterinteressen und Sozial-politik in der SBZ/DDR 1945–1970, Berlin 1995.

Hübner, Peter: Menschen-Macht-Maschinen. Technokratie in der DDR, in: ders. (Hg.): Eliten im Sozialismus. Beiträge zur Sozialgeschichte der DDR, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 325–360.

Hübner, Peter: Norm, Normalität, Normalisierung: Quellen und Ziele eines gesellschaftspo-litischen Paradigmenwechsels im sowjetischen Block um 1970, in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien, Nr. 28/29 (2003), S. 24–40.

Hübner, Peter: Reformen in der DDR der sechziger Jahre: Konsum- und Sozialpolitik, in: Boyer, Christoph (Hg.): Sozialistische Wirtschaftsreformen. Tschechoslowakei und DDR im Vergleich, Frankfurt a.M. 2006, S. 501–539.

Hübner, Peter: Die Werktätigen. Arbeiter und Arbeiterklasse in der DDR, in: vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 46 (2007), S. 103–114.

Hübner, Peter/Danyel, Jürgen: Soziale Argumente im politischen Machtkampf: Prag, War-schau, Berlin 1968–1971, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 50 (2002), S. 804–832.

Page 108: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 15 Hübner, Peter/Kleßmann, Christoph/Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter im Staatssozialismus.

Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln/Weimar/Wien 2005. Hübner, Peter/Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter in der SBZ-DDR, Essen 1999. Hummel, Lothar/Pietrzynski, Gerd: Effektivität und Disponibilität des Arbeitsvermögens –

Leitungserfahrungen aus Kombinaten und Konsequenzen für die Forschung, in: Jahr-buch für Soziologie und Sozialpolitik 1985, Berlin 1985, S. 35–51.

100 lat polskiego ruchu robotniczego. Kronika wydarzeń [100 Jahre polnische Arbeiterbe-wegung. Chronik der Ereignisse], Warszawa 1978.

Huntington, Samuel P.: Kampf der Kulturen. The Clash of Civilzations. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München/Wien 1996.

Hürtgen, Renate: Der Streik in der DDR. Wie viel Widerstand gab es in den DDR-Betrieben?, in: www.buergerkomitee.org/hug/h43-dateien/huertgen.html.

Inkeles, Alex/Bauer, Raymond A.: The Soviet Citizen: Daily Life in a Totalitarian Society, Cambridge 1961.

Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien Moskau 1969, Prag 1969.

Jagodzińska-Sasson, Dorota u.a.: PZPR w Fabryce. Studium wrocławskiego „Pafawagu“ w proczątku lat pięćziesiątych, opracowane pod kierunkiem Marcina Kuli [Die PZPR in der Fabrik. Studie zur Waggonfabrik „Pafawag“ in Wrocław am Anfang der fünfziger Jahre, erarbeitet unter Leitung von Marcin Kula], Warszawa 2001.

Jajeśniak-Quast, Dagmara: Die ersten Versuche der Dezentralisierung der sozialistischen Planwirtschaft in Polen. Höhepunkte der Debatten über die Wirtschaftsreformen (1956–1968), in: Haupt, Heinz-Gerhard/Requate, Jörg unter Mitarbeit von Maria Köhler-Baur (Hg.): Aufbruch in die Zukunft. Die 1960er zwischen Planungseuphorie und kulturellem Wandel. DDR, ČSSR und Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Weilerswist 2004, S. 89–106.

Jarausch, Konrad H.: Care and Coercion: The GDR as Welfare Dictatorship, in: ders. (Hg.): Dictatorship as Experience. Towards a Socio-Cultural History of the GDR, New York/Oxford 1999, S. 47–69.

Jarausch, Konrad H.: Krise oder Aufbruch? Historische Annäherung an die 1970er Jahre, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, 3 (2006), S. 334–341.

Jarausch, Konrad H.: Realer Sozialismus als Fürsorgediktatur. Zur begrifflichen Einordnung der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parla-ment, B 20 (1998), S. 33–46.

Jaroszewicz, Piotr/Roliński, Bohdan: Przerywam milczenie. 1939–1989 [Ich breche das Schweigen. 1939–1989], Warszawa 1991.

Jaruzelski, Wojciech: Mein Leben für Polen. Erinnerungen. Mit einem Gespräch zwischen Wojciech Jaruzelski und Adam Michnik, München/Zürich 1993.

Jeschke, Hans-Joachim: Aus der Geschichte des Chemiewerkes Schwarzheide, Teil 1: 1935 bis 1945, Schwarzheide 2003; Teil 3: 1954–1964, Schwarzheide 2007.

Jezierski, Andrzej/Petz, Barbara: Historia gospodarcza Polski Ludowej 1944–1985 [Wirtschaftsgeschichte Volkspolens 1944–1985], Warszawa 1988.

Jung, Peter: Von der „Tyrannei“ des Arbeitsmarktes zur Vitalpolitik der Arbeitswelt, in: WeltTrends, 13 (2005) Nr. 47, S. 11–25.

Page 109: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

16 Literaturverzeichnis Kaelble, Hartmut: Die Debatte über Vergleich und Transfer und was jetzt?, in:

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/2005-02-002. Kaiser, Monika: Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der

SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962 bis 1972, Berlin 1997. Kaiser, Monika: 1972 – Knockout für den Mittelstand. Zum Wirken von SED, CDU, LDPD

und NDPD für die Verstaatlichung der Klein- und Mittelbetriebe, Berlin 1990. Kalinová, Lenka: K sociálním dějinám Ceskoslovenska v letech 1969–1989 [Zur Sozialge-

schichte der Tschechoslowakei 1969–1989], Praha 1999. Kalinová, Lenka: Sociální reforma a sociální realita v Československu v šedesátých letech

[Sozialreform und soziale Realität in der Tschechoslowakei in den sechziger Jahren], Praha 1998.

Kalinová, Lenka: Sociální vývoj Československa 1969–1989 [Die soziale Entwicklung der Tschechoslowakei 1969–1989], Praha 1998.

Kalinová, Lenka: Společenské proměny v čase socialistického experimentu. K sociálním dějinám v letech 1945–1969 [Gesellschaftlicher Wandel in der Zeit des sozialistischen Experiments. Zur Sozialgeschichte der Tschechoslowakei 1945–1969], Praha 2007.

Kaliński, Janusz (Hg.): Historia gospodarcza Polski (1939–1989) [Wirtschaftsgeschichte Polens (1939–1989)], Warszawa 2001.

Kaliński, Janusz: Przemiany strukturalne w gospodarce polskiej w latach 1944–1970 [Die strukturellen Umgestaltungen in der polnischen Wirtschaft in den Jahren 1944–1970], Warszawa 1993.

Kaliński, Janusz/Landau, Zbigniew: Gospodarka Polski w XX wieku [Die Wirtschaft Polens im 20. Jahrhundert], Warszawa 1998.

Kalweit, Werner: Ökonomie – Kernstück der Festigung der DDR, in: Einheit, 26 (1971), S. 619–627.

Kalweit, Werner/Wolf, Herbert/Friedrich, Gerd: Thesen zur Konferenz über „Plan und öko-nomische Hebel beim umfassenden Aufbau des Sozialismus unter den Bedingungen der technischen Revolution, in: Wirtschaftswissenschaft, 14 (1966), S. 177–230.

Kamiński, Łukasz: Polacy wobec nowej rzeczywistości 1944–1948 [Die Polen und die neue Realität 1944–1948], Toruń 2000.

Kaplan, Karel: Kořeny československé reformy 1968 [Die Wurzeln der tschechoslowaki-schen Reform 1968], Prag 2000.

Kaplan, Karel: Sociální souvislosti krizí komunistického režimu v letech 1953–1957 a 1968–1975 [Die sozialen Zusammenhänge der Krise des kommunistischen Regimes in den Jahren 1953–1957 und 1968–1975], Prag 1993.

Kappeler, Manfred: Der schreckliche Traum vom vollkommenen Menschen, Marburg 2000. Karlsch, Rainer: Ein Buch mit sieben Siegeln. Die Schattenhaushalte für den Militär- und

Sicherheitsbereich in der DDR und ihre wirtschaftliche Bedeutung, in: Fischer, Wolf-ram/Müller, Uwe/Zschaler, Frank (Hg.): Strukturveränderungen und Wirtschaftspolitik im 19. und 20. Jahrhundert, St. Katharinen 1999, S. 282–306.

Kaufmann, Franz-Xaver: Der deutsche Sozialstaat im internationalen Vergleich, in: Bun-desministerium für Arbeit und Sozialordnung, Berlin/Bonn, Bundesarchiv Koblenz (Hg.): Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 1: Grundlagen der So-zialpolitik, Baden-Baden 2001, S. 799–989.

Page 110: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 17 Kaufmann, Franz-Xaver: Normative Konflikte in Deutschland: Basiskonsens, Wertewandel

und soziale Bewegungen, in: Berger, Peter L. (Hg.): Die Grenzen der Gemeinschaft. Konflikt und Vermittlung in pluralistischen Gesellschaften. Ein Bericht der Bertels-mann-Stiftung an den Club of Rome, Gütersloh 1997, S. 155–197.

Kaufmann, Franz-Xaver: Der Sozialstaat als Prozeß – Für eine Sozialpolitik zweiter Ord-nung, in: Ruland, Franz/Maydell, Bernd Baron v./Papier, Hans-Jürgen (Hg.): Verfas-sung, Theorie und Praxis des Sozialstaates. Festschrift für Hans Zacher zum 70. Ge-burtstag, Heidelberg 1998, S. 307–322.

Kaufmann, Ludwig: Ansätze einer Theologie der Befreiung in Europa? M.-D. Chenu (1895–1990), eine notwendige Erinnerung an französische Impulse, in: Ludwig, Hei-ner/Schröder, Wolfgang (Hg.): Sozial- und Linkskatholizismus. Erinnerung, Orientie-rung, Befreiung, Frankfurt a.M. 1990, S. 261–284.

Kawalec, Wincenty: Celem – troska o człowieka [Das Ziel ist die Sorge um den Menschen], in: Nowe Drogi, 27 (1973) 4, S. 40–49.

Kawalec, Wincenty: Zamierzania i zadania Ministerstwa Pracy, Płac i Spraw Socjalnych [Absichten und Aufgaben des Ministeriums für Arbeit, Löhne und Soziale Fragen], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 8, S. 3–10.

Kennedy, Paul: Aufstieg und Fall der großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militäri-scher Konflikt von 1500 bis 2000, Frankfurt a.M. 1991.

Kennedy, Paul: In Vorbereitung auf das 21. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1993. Kersten, Krystyna: Masowe protesty w PRL – proces ciągły czy odosobnione wydarzenia

[Massenproteste in der PRL – ständiger Prozess oder Einzelereignisse], Warszawa 1999. Kirchner, Otto Bernd: Wafer-Stepper und Megabit-Chip – die Rolle des Kombinats Carl-

Zeiss-Jena in der Mikroelektronik der DDR, Stuttgart, Univ. Diss. 2000. Klages, Helmut/Kmieciak, Peter: Wertewandel und gesellschaftlicher Wandel, Frankfurt

a.M./New York 1979. Klaus, Georg: Kybernetik und ideologischer Klassenkampf, in: Einheit, 25 (1970), S. 1180–

1189. Kleßmann, Christoph: Arbeiter im „Arbeiterstaat“ DDR. Deutsche Traditionen, sowjetisches

Modell, westdeutsches Magnetfeld (1945 bis 1971) (=Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 14), Bonn 2007.

Kleßmann, Christoph: Die „verstaatlichte Arbeiterbewegung“. Überlegungen zur Sozialge-schichte der Arbeiterschaft in der DDR, in: Rudolph, Karsten/Wickert, Christl (Hg.): Geschichte als Möglichkeit. Über die Chancen der Demokratie. Festschrift für Helga Grebing, Essen 1995.

Kloc, Kazimierz: Rady robotnicze kontra socjalizm rynkowy [Arbeiterräte kontra Marktso-zialismus], in: Polska 1944/45–1989, Bd. 3, Warszawa 1997, S. 119–136.

Kłuczyński, Jan: Wykształcenie a model konsumpcji [Bildung und Konsummodell], in: Nowe Drogi, 24 (1970) 10, S. 84–93.

Kmieciak, Peter: Wertstrukturen und Wertewandel in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 1976.

Page 111: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

18 Literaturverzeichnis Kochanowski, Jerzy: Das „Problem Nummer 1“ und seine Protagonisten. Fleisch und

Fleischspekulanten in Polen 1945 bis 1989, in: Gries; Rainer/Satjukow, Silke (Hg.): Un-sere Feinde. Konstruktionen des Anderen im Sozialismus, Leipzig 2004, S. 455–464.

Kochanowski, Jerzy: „Wir sind es schon gewöhnt“. Einführung in die gesellschaftlich-modernisierenden Hintergründe des „Fleischproblems“ in der Volksrepublik Polen, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2007, hg. von Hermann Weber, Ber-lin 2007.

Kocka, Jürgen: Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, Bonn 1990.

Kocka, Jürgen: Der Blick über den Tellerrand fehlt, in: Frankfurter Rundschau, 22.8.2003, S. 7.

Kocka, Jürgen: Ein deutscher Sonderweg. Überlegungen zur Sozialgeschichte der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament B 40 (1994), S. 34–45.

Kocka, Jürgen: Das östliche Mitteleuropa als Herausforderung für eine vergleichende Ge-schichte Europas, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung, 49/2 (2000), S. 158–174.

Kocka, Jürgen/Offe, Claus (Hg.): Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt a.M. 2000. Kohl, Heribert/Lecher, Wolfgang/Platzer, Hans-Wolfgang: Arbeitsbeziehungen in Ostmit-

teleuropa zwischen Transformation und EU-Beitritt, Bonn 2000 (Electronic ed: Bonn: FES Library, 2000).

Kohli, Martin: Die DDR als Arbeitsgesellschaft? Arbeit, Lebenslauf und soziale Differen-zierung, in: Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen/Zwahr, Hartmut (Hg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 31–61.

Kohlmey, Gunther: Zielfunktionen des sozialistischen Wirtschaftens, in: Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1966/Nr. 4, S. 21f.

Kornái, János: Das sozialistische System. Die politische Ökonomie des Kommunismus, Baden-Baden 1995, S. 35–428.

Korybutowicz, Zygmunt: Grudzień 1970 [Dezember 1970], Paris 1983. Koselleck, Reinhart: ‚Erfahrungsraum‘ und ‚Erwartungshorizont‘ – zwei historische Kate-

gorien, in: ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1989, S. 349–375.

Kosta, Jiří: Abriß der sozialökonomischen Entwicklung der Tschechoslowakei, 1945–1971, Frankfurt a.M. 1978.

Kosta, Jiří: Die tschechische/tschechoslowakische Wirtschaft im mehrfachen Wandel, Münster 2005.

Kosta, Jiři: Die tschechoslowakische Wirtschaftsreform der sechziger Jahre. Ein historischer Rückblick, in: Lemberg, Hans (Hg.): Zwischen „Tauwetter“ und neuem Frost. Ostmittel-europa 1956–1970, Marburg 1993, S. 67–78.

Kostikow, Piotr/Roliński, Bohdan: Widziane z Kremla. Moskwa – Warszawa. Gra o Polskę [Aus dem Kreml gesehen. Moskau – Warschau. Das Spiel um Polen], Warszawa 1992.

Kozłowski, Kazimierz (Hg.): Grudzień 1970 genezą Sierpień 1980 [Der Dezember 1970 als Genese des August 1980], Szczeciń 2000.

Page 112: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 19 Kozłowski, Kazimierz: Od Października ’56 do Grudnia ’70. Ewolucja stosunków

społeczno-politycznych na Wybrzeżu (1956–1970) [Vom Oktober ’56 zum Dezember ’70. Die Evolution der gesellschafts-politischen Verhältnisse an der Küste (1956–1970)], Szczecin 2002.

Kranke, Rudi/Langer, Sabine: Arbeitsrecht stand im Mittelpunkt der Konfliktkommissions-tätigkeit, in: Arbeit und Arbeitsrecht, 30 (1975), S. 460–462.

Krasnodębski, Zdzisław: Einleitung, in: ders./Städtke, Klaus/Garsztecki, Stefan (Hg.): Kul-turelle Identität und sozialer Wandel in Osteuropa: das Beispiel Polen, Hamburg 1999, S. 7–16.

Krause, Wolfgang: Vervollkommnung der Planung – Erfordernis zielstrebiger Lösung der Hauptaufgabe, in: Einheit 28, (1973), S. 284–292.

Krencik, Wiesław: Podstawy i kierunki polityki płac w PRL [Grundlagen und Richtungen der Lohnpolitik in der PRL], Warszawa 1972.

Krencik, Wiesław: Rozwój gospodarczy a polityka wzrostu dochodów z pracy [Die Wirt-schaftsentwicklung und die Politik des Einkommenswachstums aus Arbeit], in: Nowe Drogi, 26 (1972) 1, S. 27–33.

Kresucki, Eryk: Unikając szablonu. Wokół biografii Edmunda Bałuki [Eine Schablone ver-meidend. Um die Biographie Edmund Bałukas], in: Gazeta Wyborcza. Online, Ausgabe Szczecin, 19.1.2007.

Kubasiewicz, Janusz/Gaida, Stefan: Kluczowe znaczenie konsultacji w działalności PZPR [Die Schlüsselbedeutung von Konsultationen in der Tätigkeit der PZPR], in: Nowe Dro-gi, 30 (1976) 8, S. 24–31.

Küchler, Falk: Die Wirtschaft der DDR. Wirtschaftspolitik und industrielle Rahmenbedin-gungen 1949–1989, Berlin 1997.

Kuczynski, Jürgen: Geschichte des Alltags des deutschen Volkes. Nachträgliche Gedanken, Berlin 1985.

Kuczyński, Waldemar: Burza nad Wisłą. Dziennik 1980–1981 [Sturm über der Weichsel. Tagebuch 1980–1981], Warszawa 2002.

Kučera, Jaroslav: Reformdynamik und wirtschaftspolitischer Alltag. Der Außenhandel in Theorie und Praxis der tschechoslowakischen Wirtschaftsreform der sechziger Jahre, in: Boyer, Christoph (Hg.): Sozialistische Wirtschaftsreformen. DDR und Tschechoslowa-kei im Vergleich, Frankfurt a.M. 2006, S. 311–356.

Kühn, Hartmut: Das Jahrzehnt der Solidarność. Die politische Geschichte Polens 1980–1990, Berlin 1999.

Kula, Henryk Mieczysław: Dwa oblicze Grudnia ’70: oficjalne – rzeczywiste [Die zwei Gesichter des Dezember ’70: das offizielle – das tatsächliche], Gdańsk 2000.

Kunicki, Mikolaj: Zwischen Anpassung, Widerstand und Dialog. Das Verhältnis von Kirche und Staat im kommunistischen Polen 1945–1989, in: Transit, 31 (Sommer 2006), S. 52–68.

Kunz, Frithjof: Die Arbeitsgesetzbücher der Volksrepublik Polen und der DDR (Tagungsbe-richt), in: Arbeit und Arbeitsrecht, 32 (1977), S. 589f.

Kurlansky, Mark: 1968: Das Jahr, das die Welt veränderte, München 2007. Kuroń, Jacek: Polityka i odpowiedziałność [Politik und Verantwortung], London 1984.

Page 113: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

20 Literaturverzeichnis Kusin, Vladimir V.: From Dubček to Charter 77. A study of „normalisation“ in Czechoslo-

vakia 1968–1978, Edinburgh 1978. Landau, Zbigniew/Tomaszewski, Jerzy: Wirtschaftsgeschichte Polens im 19. und 20. Jahr-

hundert. Ins Deutsche übertragen und hg. von Berthold Puchert, Berlin 1986. Lange, Oskar: Całość i rozwój w świetle cybernetyki [Ganzheit und Entwicklung in kyber-

netischer Sicht], Warszawa 1962. Lange, Oskar: Ekonomia burżuazyjna w epoce imperializmu [Bürgerliche Ökonomie in der

Epoche des Imperialismus], Warszawa 1958. Lange, Oskar: Ekonomia polityczna [Politische Ökonomie], 2 Bde., Warszawa 1959/1968. Lange, Oskar: Optimale decyzje. Zasady programowania [Optimale Entscheidungen.

Grundsätze des Programmierens], Warszawa 1964. Lange, Oskar: Teoria reprodukcji i akumulacji [Theorie der Reproduktion und Akkumulati-

on], Warszawa 1961. Lange, Oskar, Wstęp do cybernetyki ekonomicznej [Einführung in die ökonomische Kyber-

netik], Warszawa 1965. Leenen, Wolf-Rainer: Sozialpolitik in der DDR. Teil 1: Theoretische Probleme, in: Deutsch-

land Archiv, 8 (1975), S. 254–270. Lehmann, Harry: Den Plan zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen kontinu-

ierlich erfüllen, in: Die Arbeit. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewerkschaften, 20 (1967) H. 12, S. 34f.

Leißling, Rudolf/Lindner, Eberhard: Leitungswissenschaft und Vervollkommnung von Leitung, Planung und Stimulierung, in: Wirtschaftswissenschaft, 23 (1975), S. 321–341.

Lemberg, Hans (Hg.): Zwischen „Tauwetter“ und neuem Frost. Ostmitteleuropa 1956–1970, Marburg 1993.

Lenin, W. I.: Bericht über die Tätigkeit des Rats der Volkskommissare, 22. Dezember [1920], in: ders.: Werke, Bd. 31, Berlin 1959, S. 483–515.

Lenin, W. I.: Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, in: ders.: Werke, Bd. 28, Berlin 1972, S. 225–327.

Lenin, W. I.: Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den imperialistischen „Öko-nomismus“, in: ders.: Werke, Bd. 23, Berlin 1978, S. 18–71.

Lepsius, M. Rainer: Handlungsräume und Rationalitätskriterien der Wirtschaftsfunktionäre in der Ära Honecker, in: Pirker, Theo u.a. (Hg.): Der Plan als Befehl und Fiktion. Wirt-schaftsführung in der DDR. Gespräche und Analysen, Opladen 1995, S. 347–362.

Lesiakowski, Krzysztof: Mieczysław Moczar „Mietek“. Biografia polityczna [Mieczysław Moczar „Mietek“. Eine politische Biografie], Warszawa 1998.

Lesiakowski, Krzysztof (Hg.): Opozycja i opór społeczny w Łodzi 1956–1981 [Opposition und gesellschaftlicher Widerstand in Łódź 1956–1981], Warszawa 2003.

Lesiakowski, Krzysztof: Strajki robotnicze w Łodzi w latach 1957–1980 [Die Arbeiter-streiks in Łódź in den Jahren 1957–1980], in: ders. (Hg.): Opozycja i opór społeczny w Łodzi 1956–1981 [Opposition und gesellschaftlicher Widerstand in Łódź 1956–1981], Warszawa 2003, S. 30–41.

Leuschner, Bruno: Die Hauptaufgaben des Volkswirtschaftsplanes 1951 – das erste Jahr des Fünfjahrplanes, in: Einheit, 6 (1951), S. 174–183.

Page 114: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 21 Leuschner, Bruno: Ökonomie und Klassenkampf. Ausgewählte Reden und Aufsätze 1945–

1965, Berlin 1984. Lewandowski, Edmund: Charakter narodowy Polaków i innych [Der Nationalcharakter der

Polen und der anderen], Warszawa 1995. Liberman, Evsej: Plan, Gewinn, Prämie, in: Die Wirtschaft, Nr. 39, 26.9.1962, S. 15. Lindenberger, Thomas/Sabrow, Martin: Das Findelkind der Zeitgeschichte. Zwischen Ver-

inselung und Europäisierung: Die Zukunft der DDR-Geschichte, in: Frankfurter Rund-schau, 12.11.2003, S. 9.

Lippold, Gerhard: Die materiellen Arbeitsbedingungen der Werktätigen – Volkswirt-schaftliche Analyse ihres Zustandes in der DDR, Berlin 1970, 2. überarb. Aufl. 1975.

Lipski, Jan Józef: KOR – Komitet Obrony Robotników, Komitet Samoobrony Społecznej [KOR – das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter, das Komitee zur Gesellschaftlichen Selbstverteidigung], hg. von Andrzej Friszke, Warszawa 2006.

Lobkowicz, Nikolaus/Luks, Leonid: Der polnische Katholizismus vor und nach 1989. Von der totalitären zur demokratischen Herausforderung, Köln/Weimar/Wien 1998.

Lorenz, Jan N.: Erich Honecker. Eine Biographie, Reinbek bei Hamburg 2001. Lüdtke, Alf: Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis

in den Faschismus, Hamburg 1993. Lüdtke, Alf: From Ties that Bind to Ties that Relieve. Eigensinn and Bindung Among In-

dustrial Workers in 20th Century Germany, in: Elkana, Yehuda u.a. (Hg.): Unraveling Ties. From Social Cohesion to New Practices of Connectedness, Frankfurt a.M./New York 2002, S. 179–198.

Lüdtke, Alf: „Helden der Arbeit“ – Mühen beim Arbeiten. Zur mißmutigen Loyalität von Industriearbeitern in der DDR, in: Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen/Zwahr, Hartmut (Hg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994.

Luks, Leonid: Katholizismus und politische Macht im kommunistischen Polen 1945–1989. Die Anatomie einer Befreiung, Köln/Weimar/Wien 1993.

Luks, Leonid: Die Tygodnik-Powszechny-Gruppe in den Jahren 1945–1989. Symbol des katholischen Widerstandes im kommunistischen Polen, in: Forum für Osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte, 6 (2002) 2, S. 215–258.

Machcewicz, Paweł: Władysław Gomułka, Warszawa 1995. Mai, Günter: Einleitung und Auswertung: Arbeitsplatz und Arbeitsorganisation 1918 bis

1939, in: Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 17–31. Maier, Charles S.: Two Sorts of Crisis? The „long“ 1970s in the West and the East, in: Ho-

ckerts, Hans Günter (Hg.): Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, München 2004, S. 49–62.

Maier, Charles S.: Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, Frankfurt a.M. 1999.

Mampel, Siegfried: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Kommentar. Dritte Auflage mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung, Goldbach 1997.

Manz, Günter: Armut in der „DDR“-Bevölkerung. Lebensstandard und Konsumtionsniveau, Augsburg 1992.

Page 115: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

22 Literaturverzeichnis Manz, Günter: Zur Entwicklung der sozialistischen Lebensweise und sozialistischer Arbeits-

und Lebensbedingungen, in: Wirtschaftswissenschaft, 19 (1971), S. 178–190. Marek, Edward: Problemy pełnego i racjonalnego zatrudnienia [Probleme einer vollen und

rationellen Beschäftigung], in: Nowe Drogi, 26 (1972) 7, S. 112–123. Marglin, Stepan Alan/Schor, Juliet (Hg.): The Golden Age of Capitalism, Oxford 1990. Marody, Mira: Poland – A society at the crossroads, in: Meyer, Gert (Hg.): Die politischen

Kulturen Osteuropas im Umbruch, Tübingen/Basel 1993, S. 89–100. Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Bd. 1: Der Produktionsprozeß

des Kapitals (=Marx-Engels-Werke, Bd. 23), Berlin 1965. Marzec 1968. Trzydzieści lat póżniej [März 1968. 30 Jahre später]. Bd. 1: Kula,

Marcin/Osęka, Piotr/Zaremba, Marcin (Hg.): Referaty [Referate], Bd. 2: Zaremba, Marcin (Hg.): Aneks źródłowy [Quellenanhang], Warszawa 1998.

Maydell, Bernd Baron v. u.a. (Hg.): Die Sozialordnung in Polen und Deutschland in einem zusammenwachsenden Europa, Warschau 1999.

Mazurek, Małgorzata: Socjalistyczny zakład pracy. Porównanie fabrycznej codzienności w PRL i NRD u progu lat sześćdziesiątych [Der sozialistische Betrieb. Ein Vergleich des Fabrikalltags in der PRL und der DDR an der Schwelle der sechziger Jahre], Warszawa 2005.

Meadows, Donella H. u.a.: The limits to growth. A report for the Club of Rome’s project on The Predicament of Mankind, New York 1972 [dt.: Die Grenzen des Wachstums. Be-richt an den Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972].

Mehls, Hartmut: Arbeiterwohnungsbau und Wohnerfahrungen in Hoyerswerda zwischen 1955 und 1965, in: Hübner, Peter (Hg.): Niederlausitzer Industriearbeiter 1935 bis 1970. Studien zur Sozialgeschichte, Berlin 1995.

Meine, Charlotte: Bessere Sorge um den Menschen – mehr Freude an der Arbeit, in: Die Arbeit. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewerkschaften, 17 (1964) H. 1, S. 40–42.

Mencl, Vojtěch und Autorenkollektiv: Osm měsíců pražského jara 1968 [Acht Monate Pra-ger Frühling 1968], Praha 1991.

Meyer, Ulrich: Soziales Handeln im Zeichen des Hauses: zur Ökonomik in der Spätantike und im frühen Mittelalter, Göttingen 1998.

Michas, Joachim u.a.: Arbeitsrecht der DDR, Berlin 1970. Miegel, Meinhard: Vollbeschäftigung – eine sozialromantische Utopie?, in: Alfred Herrhau-

sen Gesellschaft für internationalen Dialog (Hg.): Arbeit der Zukunft – Zukunft der Ar-beit, Stuttgart 1994, S. 37f.

Miera, Frauke: Polski Berlin – Migration aus Polen nach Berlin. Integrations- und Transna-tionalisierungsprozesse 1945 bis Ende der 1990er Jahre, Münster 2007.

Mirończyk, Albin: Nowe przywileje kobiet pracujących, związane z wychowanien dzieci [Neue Privilegien für arbeitende Frauen, die mit der Kindererziehung verbunden sind], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 3, S. 35–41.

Misiak, Marek: Dyskusja o problemach polityki żywnościowej [Diskussion zum Problem der Lebensmittelpolitik], in: Nowe Drogi, 28 (1974) 12, S. 160–171.

Mittag, Günter u.a.: Politische Ökonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR, Berlin 1969.

Mittag, Günter: Um jeden Preis. Im Spannungsfeld zweier Systeme, Berlin/Weimar 1991.

Page 116: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 23 Mittag, Günter: Unsere Wirtschaft im Prozeß der Gestaltung der entwickelten sozialisti-

schen Gesellschaft, in: Einheit, 31 (1976), S. 17–28. Mitzscherling, Peter: Die Wirtschaft der DDR. Bestandsaufnahme und Aussichten, in:

Deutschland Archiv, 4 (1971), S. 1264–1291. Mizerski, Wiesław M. (Hg.): Radomski czerwiec 1976, T: 1: Doniesienie o przestęstwie

[Der Radomer Juni 1976. Bd. 1: Bericht über ein Verbrechen], Lublin 1991. Mlynář, Zdeněk: Nachtfrost. Das Ende des Prager Frühlings, Frankfurt a.M. 1988. Mołdawa, Tadeusz: Ludzie władzy 1944–1991. Władze państwowe i polityczne Polski

według stanu na dzień 28 II 1991 [Menschen der Macht 1944–1991. Die staatlichen und politischen Organe Polens nach dem Stand vom 28.2.1991], Warszawa 1991.

Mollnau, Karl A.: Sozialistische Gesetzlichkeit in der DDR: Theoretische Grundlagen und Praxis, in: Bender, Gerd/Falk, Ulrich (Hg.): Recht im Sozialismus. Analysen zur Norm-durchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften (1944/45–1989), Bd. 3: Sozi-alistische Gesetzlichkeit, Frankfurt a.M. 1999, S. 59–195.

Mommsen, Hans: Noch einmal: Nationalsozialismus und Modernisierung, in: Geschichte und Gesellschaft, 21 (1995), S. 391–402.

Mommsen, Hans/Grieger, Manfred: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf, 3. Aufl. 1997.

Mooser, Josef: Abschied von der „Proletarität“. Sozialstruktur und Lage der Arbeiterschaft in der Bundesrepublik in historischer Perspektive, in: Conze, Werner/Lepsius, M. Rainer (Hg.): Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Beiträge zum Kontinuitäts-problem, Stuttgart 1986, S. 143–186.

Mooser, Josef: Einleitung und Auswertung: Kontinuität und Diskontinuität in der Arbeiter-geschichte des 20. Jahrhunderts, in: Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 653–664.

Morsch, Günter: Arbeit und Brot. Studien zur Lage, Stimmung, Einstellung und Verhalten der deutschen Arbeiterschaft 1933–1936/37, Frankfurt a.M. 1993.

Morsch, Günter: Streik im „Dritten Reich“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 36 (1988), S. 649–689.

Mühlfriedel, Wolfgang/Hellmuth, Edith: Carl Zeiss in Jena 1945–1990 (=Mühlfriedel, Wolfgang/Walter, Rolf (Hg.): Carl Zeiss. Die Geschichte eines Unternehmens, Bd. 3), Köln/Weimar/Wien 2004.

Müller, Werner: Gab es in Deutschland einen demokratischen Kommunismus?, in: Backes, Uwe/Courtois, Stéphane (Hg.): Ein Gespenst geht um in Europa: das Erbe kommunisti-scher Ideologien, Köln/Weimar/Wien 2002.

Myant, Martin: The czechoslovak economy 1948–1988. The Battle for Economic Reform, Cambridge 1989.

Nalepa, Edward Jan: Wojsko polskie w wydarzeniach grudniowch 1970 roku: materiały z sympozjum 17 grudnia 1970 [Das polnische Militär in den Dezemberereignissen des Jahres 1970: Materialien eines Symposiums zum 17. Dezember 1970], Warszawa 1991.

Namiotkiewicz, Walery (Hg.): Działalność Władysława Gomułki. Fakty. Wspomnienia. Opinie [Die Tätigkeit von Władysław Gomułka. Fakten, Erinnerungen, Meinungen], Warszawa (1985).

Page 117: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

24 Literaturverzeichnis Narzędnym celem lepsze zaspokajanie potrzeb spoleczeństwa [Oberstes Ziel ist die bessere

Befriedigung der Bedürfnisse der Gesellschaft], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 13 (1971) 3, S. 1f.

Naumann, Astrid/Welskopf, Rudolph: Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und sozialis-tische Lebensweise, in: Jahrbuch für Soziologie und Sozialpolitik 1983, Berlin 1983, S. 51–67.

Naumann, Gerhard/Trümpler, Eckhard: Von Ulbricht zu Honecker. 1970 ein Krisenjahr der DDR, Berlin 1990.

Nawrocki, Joachim: Über Autorität und Vernunft der Wirtschaftsplaner, in: Deutschland Archiv, 4 (1971), S. 3–5.

Nick, Harry: Wirtschaftswachstum – seine Perspektiven im Sozialismus und seine bornier-ten Kritiker, in: Einheit, 31 (1976), S. 586–596.

Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866–1918. Erster Band: Arbeitswelt und Bür-gergeist, München 1991.

Nonn, Christoph: Die Ruhrbergbaukrise. Entindustrialisierung und Politik 1958–1969, Göt-tingen 2001.

Oelschläger, Angelika: „Die Millionenkinder von Leuna“. Kosten und Finanzierung betrieb-licher Sozialleistungen in der DDR am Beispiel des VEB Leuna-Werke, Univ. Bremen (Diplomarbeit am FB 7) 1997.

Offe, Claus: Ein Sonderweg der Transformation? Das „deutsche Beitrittsgebiet“ im Ver-gleich zu seinen Nachbarn, in: ders.: Der Tunnel am Ende des Lichts. Erkundungen der politischen Transformation im Neuen Osten, Frankfurt a.M./New York 1994, S. 230–278.

Oldenburg, Fred: Die konservative Revolution. Das Parteiprogramm der Honecker-Ära, in: Deutschland Archiv, 9 (1976), S. 113–117.

Oldenburg, Fred: Das 6. ZK-Plenum, in: Deutschland Archiv, 5 (1972), S. 787–792. Olędzki, Michał: Polityka ludnościowa a polityka zatrudnienia [Bevölkerungspolitik und

Beschäftigungspolitik], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 7, S. 3–8. Olschowsky, Burkhard: Die staatlichen Beziehungen zwischen der DDR und Polen, in:

Kerski, Basil/Kotula, Andrzej/Wóycicki, Kazimierz (Hg.): Zwangsverordnete Freund-schaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990, Osnabrück 2003, S. 41–58.

Opielka, Michael: Gerechtigkeit durch Sozialpolitik?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 8-9 (2006), S. 32–38.

Osęka, Piotr: Syjoniści, inspiratorzy, wichrzyciele. Obraz wroga w propagandzie marca 1968 [Zionisten, Inspiratoren, Aufwiegler. Das Feindbild in der Märzpropaganda 1968], Warszawa 1999.

Osękowski, Czesław: Der pass- und visafreie Personenverkehr zwischen der DDR und Po-len in den siebziger Jahren – Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswir-kungen, in: Kerski, Basil/Kotula, Andrzej/Wóycicki, Kazimierz (Hg.): Zwangsverordne-te Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990, Osnabrück 2003, S. 123–133.

Page 118: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 25 Otáhal, Milan: Opozice, moc, společnost 1969–1989. Příspěvek k dějinám normalizace

[Opposition, Macht, Gesellschaft 1969–1989. Ein Beitrag zur Geschichte der Normali-sierung], Prag 1996.

Oxley, Andrew/Pravda, Alex/Ritchie, Andrew: Czechoslovakia. The Party and the People, London 1973.

Ożóg, Maria Ewa: Władysław Gomułka: biografia polityczna, t. 1 [Władysław Gomułka: politische Biographie, Bd. 1], Warszawa 1989.

Paczkowski, Andrzej: Poł wieku dziejów Polski [Ein halbes Jahrhundert der Geschichte Polens], Warszawa 2005.

Paczkowski, Andrzej: Pól wieku dziejów Polski (1939–1989) [Ein halbes Jahrhundert der Geschichte Polens (1939–1989)], Warszawa, 3. Aufl. 1998.

Paczkowski, Andrzej: Strajki, bunty, manifestacje jako „polska droga“ przez socjalizm [Streiks, Aufruhr, Manifestationen als „polnischer Weg“ durch den Sozialismus], Poznań 2003.

Pajestka, Józef: Problemy polityki strukturalnej konsumpcji na obecnym etapie rozwoju [Probleme der strukturellen Konsumtionspolitik in der gegenwärtigen Entwicklungs-etappe], in: Nowe Drogi, 23 (1969) 10, S. 12–29.

Palmowski, Jan: Regional Identities and the Limits of Democratic Centralism in the GDR, in: Journal of Contemporary History, 43 (2006), S. 503–526.

Patronage, personal networks and the party-state: everyday life in the cultural sphere in communist Russia and East Central Europe. [6 Beiträge], in: Contemporary European History, 11 (2002), S. 1–152.

Pauer, Jan: Prag 1968. Der Einmarsch des Warschauer Paktes, Bremen 1995. Pawlicka, Katarzyna: Polityka władz wobec Kościoła katolickiego: grudzień 1970 –

październik 1978 [Die Politik der Machthaber gegenüber der Katholischen Kirche: De-zember 1970 – Oktober 1978], Warszawa 2004.

Pawłowicz, Jacek/Sasanka, Paweł: Czerwiec 1976 w Płocku i wojewódzkim płockim [Der Juni 1976 in Płock und in der Wojewodschaft Płock], Toruń 2003.

Perez, Carlota: Technological Revolutions and Financial Capital. The Dynamics of Bubbles and Golden Ages, Cheltenham 2002.

Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik, München/Wien, 2000. Piątkowski, Marek: Nowe przepisy o zasiłkach chorobowych i urlopach macierzyńskich

[Neue Vorschriften über das Krankengeld und den Mutterschaftsurlaub], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 9, S. 47–53.

p., m. [Piątkowski, Marek]: Nowe ustawy socjalne realizacją Uchwały VI Zjazdu PZPR [Neue Sozialgesetze zur Verwirklichung des Beschlusses des VI. Parteitages der PZPR], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 9, S. 1f.

Piątkowski, Marek: Pomoc państwa dla pracowników i rencistów o niskich dochodach [Die Hilfe des Staates für Beschäftigte und Rentner mit niedrigem Einkommen], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 13 (1971) 2, S. 1–5.

Piątkowski, Marek: Sozialpolitik in Polen, in: Polen, Warszawa 1977, S. 358–372. Piątkowski, Marek: Ubezpieczenie społeczne członków rolniczych spółdzielni produk-

cyjnych [Die Sozialversicherung der Mitglieder der landwirtschaftlichen Produktions-genossenschaften], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 1, S. 35–40.

Page 119: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

26 Literaturverzeichnis Piekalkiewicz, Jaroslaw A.: Public Opinion Polling in Czechoslovakia, 1968–69. Results

and Analysis of Surveys Conducted During the Dubček Era, New York/Washington/ London 1972.

Pierson, Paul (Hg.): The New Politics of the Welfare State, Oxford 2001. P., J. [Piotrkowski, Jerzy]: Ministerstwo obietnic i nadziei [Ministerium der Versprechen

und Hoffnungen], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 7, S. 1–3. Piotrkowski, Jerzy: Sprawy socjalne [Die sozialen Fragen], in: Praca i Zabezpieczenie

Społeczne, 13 (1971) 10, S. 1–4. Pirker, Theo u.a.: Der Plan als Befehl und Fiktion. Wirtschaftsführung in der DDR. Gesprä-

che und Analysen, Opladen 1995. Pisarski, Grzegorz: Polityka socjalna a gospodarka [Sozialpolitik und Wirtschaft], in: Nowe

Drogi, 25 (1971) 2, S. 44–55. Podewin, Norbert: Walter Ulbricht. Eine neue Biographie, Berlin 1995. Pohl, Hans/Treue, Wilhelm (Hg.): Betriebliche Sozialpolitik deutscher Unternehmen seit

dem 19. Jahrhundert (=Zeitschrift für Unternehmensgeschichte – Beihefte; 12). Stuttgart 1978.

Polakowska-Kujawa, Jolanta: Soziale Konflikte in Polen und die Legitimierung der Macht: Wandlungen im gesellschaftlichen Bewußtsein in den Jahren 1945–1994, in: Jahrbuch für historische Kommunismusforschung 1996, hg. von Hermann Weber, Berlin 1996.

Poznań 1956 – Grudzień 1970. Dokumenty [Poznań 1956 – Dezember 1970. Dokumente], Paris 1971.

Pradetto, August: Techno-bürokratischer Sozialismus: Polen in der Ära Gierek (1970–1980), Frankfurt a.M. u.a. 1991.

Pröger, Hansjürgen: Mikrostrukturen. Erinnerungen an ein Arbeitsleben bei Carl Zeiss Jena, Jena 2003.

Promieńska, Halina: Moralne aspekty pracy zawodowej kobiet [Moralische Aspekte der Berufsarbeit von Frauen], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 7, S. 29–34.

Prokopiak, Janusz: Radomski czerwiec ’76. Wspomnienia partyjnego sekretarza [Der Radomer Juni ’76. Erinnerungen eines Parteisekretärs], Warszawa/Radom 2001.

Poutrus, Patrice G.: Die Erfindung des Goldbroilers. Über den Zusammenhang zwischen Herrschaftssicherung und Konsumentwicklung in der DDR, Köln/Weimar/Wien 2002.

Radio Free Europe (Hg.): Listening to Western radio in Poland before and after the „De-cember events“: May 1970–March 1971, München 1971.

Radomski Czerwiec. Dwadzieścia lat póżniej [Der Radomer Juni. Zwanzig Jahre später], Warszawa 1996.

Radziński, Tadeusz: Jeszcze o urlopach bezplatnych na opiekę nad małym dzieckiem [Noch einmal zum unbezahlten Urlaub zur Betreuung kleiner Kinder], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 7, S. 45–50.

Raina, Peter: Independent social movements in Poland, London 1981. Raina, Peter (Hg.): Kościół w PRL. Kościół katolicki a państwo w świetle dokumentów. t 2:

Lata 1960–1974 [Die Kirche in der PRL. Die katholische Kirche und der Staat im Lichte von Dokumenten. Bd. 2: Die Jahre 1960–1974], Poznań 1995.

Page 120: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 27 Raina, Peter: Rozmowy z władzą. Arcybiskup Dąbrowski w służbie Kościoła i Narodu

[Verhandlungen mit der Macht. Erzbischof Dąbrowski im Dienste der Kirche und der Nation], Bd. 1: 1970–1981, Warszawa 1995.

Rakowski, Mieczysław F.: Dzienniki polityczne [Politische Tagebücher] 1967–1968, Warszawa 1999; 1969–1971, Warszawa 2001; 1972–1975, Warszawa 2002; 1976–1978, Warszawa 2002.

Rakowski, Mieczysław F.: Przesilenie grudniowe, przyczynek do dziejów najnowszych [Dezemberwende. Ein Beitrag zur neuesten Geschichte], Warszawa 1981.

Ratyński, Władysław: Udział Związków Zawodowych w pracach nad nowym systemem bodźców [Die Beteiligung der Gewerkschaften an den Arbeiten zum neuen Anreizsys-tem], in: Nowe Drogi, 24 (1970) 9, S. 112–119.

Rawls, John: A theory of justice, Cambridge Mass. 1971 [dt. Eine Theorie der Gerechtig-keit, Frankfurt a.M. 1975].

Reichel, Thomas: „Jugoslawische Verhältnisse“? – Die „Brigaden der sozialistischen Ar-beit“ und die „Syndikalismus“-Affäre (1959–1962), in: Lindenberger, Thomas (Hg.): Herrschaft und Eigensinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 45–73.

Reiner, Joachim/Reusche, Gerhard: Konferenz über „Theorie und Praxis der territorialen Rationalisierung“, in: Wirtschaftswissenschaft, 15 (1967), S. 293f.

Reuter, Norbert: Arbeitslosigkeit bei ausbleibendem Wachstum – das Ende der Arbeits-marktpolitik?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Par-lament, B 35 (1997), S. 3–13.

Reuter, Norbert: Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität. Wirtschaftspolitische Leitbil-der zwischen Gestern und Morgen. Mit Texten zum Thema in neuer Übers. von John Maynard Keynes und Wassily W. Leontief, Marburg 2007.

Reutter, Werner: Korporatismustheorien: Kritik, Vergleich, Perspektiven, Frankfurt a.M. u.a. 1991.

Reutter, Werner/Rütters, Peter (Hg.): Verbände und Verbandssysteme in Westeuropa, Opla-den 2001.

Rewolta Szczecińska i jej znaczenie. Dokumenty [Die Szczeciner Revolte und ihre Bedeu-tung. Dokumente], Paris 1971.

RGW-Planziel 1971/75: Verstärkte Anhebung des Lebensstandards ohne Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums [Nachabdruck des DIW-Wochenberichts Nr. 48/1972. Bear-beiter: Heinrich Machowski, Jochen Bethkenhagen, Maria Lodahl], in: Deutschland Ar-chiv, 6 (1973), S. 158–163.

Richert, Ernst: Revolutionäre und evolutionäre Tendenzen im DDR-Gesellschaftsprozeß. Ein Versuch über den Befund und sein Selbstverständnis, in: Deutschland Archiv (Son-derhaft „Sozialstruktur und Sozialplanung in der DDR. Achte Tagung zum Stand der DDR-Forschung in der Bundesrepublik, 20. bis 23. Mai 1975“), 8 (1975) Sonderheft, S. 19–45.

Richta, Radovan und Kollektiv (Hg.): Richta-Report. Politische Ökonomie des 20. Jahrhun-derts. Die Auswirkungen der technisch-wissenschaftlichen Revolution auf die Produkti-onsverhältnisse, (Prag 1968), Frankfurt a.M. 1971.

Page 121: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

28 Literaturverzeichnis Richter, Fritz/Swoboda, Heinrich: Was sagt uns Engels heute?, in: Sozialistische Arbeits-

wissenschaft, 15 (1971) H. 1, S. 1–9. Ritter, Gerhard A.: Der Preis der deutschen Einheit: die Wiedervereinigung und die Krise

des Sozialstaats, München 2006. Ritter, Gerhard A.: Der Sozialstaat. Entstehung und Entwicklung im internationalen Ver-

gleich, München, 2. Aufl. 1991. Ritter, Gerhard A./Tenfelde, Klaus: Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914, Bonn

1992. Rödder, Helmut/Becker, Claus: Umgestaltung betrieblicher Sozialpolitik: Vom volkseige-

nen Betrieb zum marktwirtschaftlichen Unternehmen am Fallbeispiel der BASF Schwarzheide GmbH, in: Schmähl, Winfried (Hg.): Betriebliche Sozial- und Personalpo-litik. Neue Herausforderungen durch veränderte Rahmenbedingungen, Frankfurt a.M./New York 1999, S. 136–160.

Röhr, Rita: Polnische Arbeitskräfte in der DDR 1960–1970, in: Hübner, Peter/Tenfelde, Klaus (Hg.): Arbeiter in der SBZ-DDR, Essen 1999, S. 185–204.

Rokicki, Konrad/Stępień, Sławomir (Hg.): Oblica Marca 1968 [Das Antlitz des März 1968], Warszawa 2004.

Rolicki, Janusz: Edward Gierek – Życie i narodziny legendy [Edward Gierek – Leben und Geburt einer Legende], Warszawa 2002.

Rolicki, Janusz/Gierek, Edward: Przerwana dekada [Die abgebrochene Dekade], Warszawa 1990.

Roth, Harald (Hg.): Studienhandbuch östliches Europa, Bd. 1: Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas, Köln/Weimar/Wien 1999.

Roth, Klaus (Hg.): Arbeit im Sozialismus – Arbeit im Postsozialismus. Erkundungen zum Arbeitsleben im östlichen Europa (=Freiburger sozialanthropologische Studien; 1), Münster 2004.

Roszkowski, Wojciech: Historia Polski 1914–1993 [Geschichte Polens 1914–1993], Warszawa 1994.

Ruchniewicz, Krzysztof: Antistalinisten und Chartisten, Reformer und politische Aussteiger. Die verschiedenen Oppositionsgenerationen im real existierenden Sozialismus, in: Bispinck, Hendrik u.a. (Hg.): Aufstände im Ostblock. Zur Krisengeschichte des realen Sozialismus, Berlin 2004, S. 275–285.

Rupieper, Hermann-Josef/Sattler, Friederike/Wagner-Kyora, Georg (Hg.): Die mitteldeut-sche Chemieindustrie und ihre Arbeiter im 20. Jahrhundert, Halle (Saale) 2005.

Sabrow, Martin: Die DDR-Geschichtswissenschaft und ihre Zeithistorie, in: Nützenadel, Alexander/Schieder, Wolfgang (Hg.): Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven der Forschung in Europa, Göttingen 2004, S. 257–282.

Sabrow, Martin: Einleitung: Geschichtsdiskurs und Doktringesellschaft, in: ders. (Hg.): Geschichte als Herrschaftsdiskurs. Der Umgang mit der Vergangenheit in der DDR, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 9–35.

Sabrow, Martin: Der Konkurs der Konsensdiktatur. Überlegungen zum inneren Zerfall der DDR aus kulturgeschichtlicher Perspektive, in: Jarausch, Konrad H./Sabrow, Martin: Weg in den Untergang. Der innere Zerfall der DDR, Göttingen 1999, S. 83–116.

Page 122: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 29 Salomon, Peter: Die Geschichte der Mikroelektronik-Halbleiterindustrie in der DDR, Des-

sau 2003. Sander, Peter: Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb, Opladen 1997. Sasanka, Paweł: Czerwiec 1976. Geneza, Przebieg, Konsekwencje [Juni 1976. Genese,

Verlauf, Konsequenzen], Warszawa 2006. Sasanka, Paweł: PZPR i mechanizm przygotowania podwyżki cen w 1976 roku [Die PZPR

und der Vorbereitungsmechanismus der Preiserhöhung im Jahre 1976], in: ders./Robert Spałek (Hg.): Czerwiec 1976. Spory i reflekcje po 25 latach [Juni 1976. Auseinanderset-zungen und Berichte nach 25 Jahren], Warszawa 2003, S. 20–30.

Sasanka, Paweł/Spałek, Robert (Hg.): Czerwiec 1976: spory i reflekcje po 25 latach [Der Juni 1976: Auseinandersetzungen und Reflexionen nach 25 Jahren], Warszawa 2003.

Sasanka, Paweł/Stępień, Sławomir: Czerwiec 1976. Radom, Ursus, Płock [Der Juni 1976: Radom, Ursus, Płock], Warszawa 2006.

Saxonberg, Steven: The Fall. A Comparative Study of the End of Communism in Czecho-slovakia, East Germany, Hungary and Poland, London/New York 2000.

Schäfer, Anneliese: Der Planteil Arbeits- und Lebensbedingungen muß der neuen Situation entsprechen, in: Die Arbeit. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewerkschaften, 19 (1966) H. 2, S. 38–41.

Schattenberg, Susanne: Der neue Mensch. Jüngste Entwicklungen in der Stalinismusfor-schung, in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien, Nr. 26/27 (2002), S. 17–19.

Scherzer, Landolf: Der Erste. Protokoll einer Begegnung, Rudolstadt 1988. Scherzinger-Rüger, Angela: Gegenwärtige Probleme der Jahresplanung in der DDR, in:

Deutschland Archiv, 5 (1972), S. 920–932. Schetsche, Michael/Lehmann, Kai (Hg.): Netzwerker-Perspektiven, Regensburg 2003. Słabek, Henryk: Obraz robotników polskich w świetle ich świadectw własnych i statystyki

1945–1989 [Das Bild der polnischen Arbeiter im Lichte ihrer eigenen Zeugnisse und der Statistik 1945–1989], Warszawa/Kutno 2004.

Schmid, Josef: Wohlfahrtsstaaten im Vergleich, Opladen, 2. Aufl. 2002. Schmidt, Manfred G.: Sozialpolitik der DDR, Wiesbaden 2004. Schmidt, Manfred G.: Sozialpolitik in Deutschland. Historische Entwicklung und internati-

onaler Vergleich, Opladen, 3. Aufl. 2005. Schmiechen-Ackermann, Detlef: Diktaturen im Vergleich, Darmstadt 2002. Schönherr, Siegfried: Über den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Landesverteidi-

gung beim Aufbau des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR, in: Wirtschaftswissenschaft, 17 (1969), S. 1161–1175.

Schuhmann, Frank (Hg.): Lotte und Walter. Die Ulbrichts in Selbstzeugnissen, Briefen und Dokumenten, Berlin 2003.

Schüller, Alfred/Hamel, Hannelore: Die Integration der DDR-Wirtschaft in den RGW, in: Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Ver-antwortung. Materielien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), Bd. II, 4: Macht, Entscheidung, Verantwortung. Baden-Baden 1995, S. 2692–2808.

Schulmeister, Stephan: Der polit-ökonomische Entwicklungszyklus der Nachkriegszeit: Vom Bündnis Realkapital-Arbeit in der Prosperität zum Bündnis Realkapital-

Page 123: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

30 Literaturverzeichnis

Finanzkapital in der Krise, in: Politik und Gesellschaft. Online. International Politics and Society 1/1998 (Vorläufige Fassung / Preliminary version).

Schulte, Bernd: Reformen der sozialen Sicherheit in Westeuropa 1965–1980, in: Vierteljah-resschrift für Sozialrecht, 8 (1980), S. 323–361.

Schulze, Erhard/Siewert, Heinz: Die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen, in: Einheit, 25 (1970), S. 1278–1287.

Schürer, Gerhard: Gewagt und verloren. Eine deutsche Biographie, Frankfurt/Oder 1996. Schütz, Gertrud u.a. (Hg.): Kleines Politisches Wörterbuch. Neuausgabe 1988, Berlin 1989. Schwarz, Hans-Peter: Fragen an das 20. Jahrhundert, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschich-

te, 48 (2000), S. 1–36. Schwarz, Hans-Peter: Die neueste Zeitgeschichte. Muß der Begriff Zeitgeschichte neu defi-

niert werden?, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 51 (2003), S. 5–28. Schweres, Manfred/Rohde, Regina: Arbeitsbedingungen, Gesundheits- und Arbeitsschutz in

Ostdeutschland, in: Die BG [Die Berufsgenossenschaft], 42 (1991), S. 312–318. Schweres, Manfred/Trognitz, Volkmar: Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den neuen

Bundesländern – Situation, Ursachen Aufgaben, in: Fertigungstechnik und Betrieb, 41 (1991), S. 363–366.

Segert, Dieter: Die Grenzen Osteuropas. 1918, 1945, 1989 – Drei Versuche im Westen anzukommen, Frankfurt a.M./New York 2002.

Segert, Dieter: Repression und soziale Klassen. Überlegungen zu einer Sozialgeschichte der politischen Macht im Staatssozialismus, in: Brenner, Christiane/Heumos, Peter (Hg.): Sozialgeschichtliche Kommunismusforschung. Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, DDR 1945–1968, München 2005, S. 307–317.

Seibel, Hans Dieter: Bürokratie und Charisma. Systemrationalität und Systemwandel bei Max Weber, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft/Zeitschrift für Wirtschaftswissenschaf-ten, 27 (1976), S. 342–369.

Seiffert, Karl-Dieter/Trettin, Juliane: Die Aufgaben der SZS auf örtlicher Ebene und die Schaffung einer Territorialstatistik, in: Statistische Praxis, 23 (1968), S. 320–322.

Siegenthaler, Hansjörg: Geschichte und Ökonomie nach der kulturalistischen Wende, in: Geschichte und Gesellschaft, 25 (1999), S. 276–301.

Sloterdijk, Peter: Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch, Frankfurt a.M. 2006. Solga, Heike: Auf dem Weg in die klassenlose Gesellschaft? Klassenlagen und Mobilität

zwischen Generationen in der DDR, Berlin 1995. Sołtysiak, Grzegorz/Stępień, Józef (Hg.): Marzec ’68 między tragedią i podłością [Der März

’68 zwischen Tragödie und Schändlichkeit], Warszawa 1998. Sonderreihe mit Beiträgen für das Gebiet der ehemaligen DDR. Heft 23: Rechtspflege:

Arbeitsverfahren der Konfliktkommissionen 1972 bis 1988 – Arbeitsunterlage –. Hg. vom Statistischen Bundesamt, Wiesbaden 1995.

Soziale Ergebnisse und Bedingungen des wirtschaftlichen Wachstums – die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Gemeinsame Tagung des Wissenschaftlichen Rates für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung und seines Hauptgebietsrates für Fragen der Sozialpolitik und Demografie. Tagungsmaterial, Berlin 1989.

Page 124: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 31 Соцальное планироваие и профсоюзы. Из опыта работы профсоюзов социалисти-

ческих стран, Москва 1982 [Sozialplanung und Gewerkschaften. Aus der Arbeitserfah-rung der Gewerkschaften sozialistischer Länder, Moskva 1982].

Spałek, Robert: „Wstyd nam za tych z Radomia i Ursusa!“ – kampania propagandowa latem 1976 roku [„Schande über uns für die von Radom und Ursus“ – Die Propagandakam-pagne im Sommer 1976], in: Sasanka, Paweł/Spałek, Robert (Hg.): Czerwiec 1976. Spo-ry i reflekcje po 25 latach [Juni 1976. Auseinandersetzungen und Berichte nach 25 Jah-ren], Warszawa 2003, S. 63–75.

Speigner, Wulfram: Bevölkerungsentwicklung und Geburtenpolitik in den letzten zwei Jahrzehnten der DDR, in: Wirtschaftswissenschaft, 38 (1990), S. 1601–1619.

Spittmann, Ilse: Die DDR unter Honecker, Köln 1990. Springer, Philipp: „Da konnt’ ich mich dann so’n bißchen entfalten“. Die Volkssolidarität in

der SBZ/DDR 1945–1969, Frankfurt a.M. u.a. 1999. Statistisches Bundesamt (Hg.): Datenreport 1992. Zahlen und Fakten über die Bundesrepu-

blik Deutschland, Bonn 1992. Steiner, André: Bundesrepublik und DDR in der Doppelkrise europäischer Industriegesell-

schaften. Zum ökonomischen Wandel in den 1970er Jahren, in: Zeithistorische For-schungen/Studies in Contemporary History, 3 (2006), S. 342–362.

Steiner, André: Die DDR-Wirtschaftsreform der sechziger Jahre. Konflikt zwischen Effi-zienz- und Machtkalkül, Berlin 1999.

Steiner, André: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004. Stępień, Józef (Hg.): Listy do Pierwszych Sekretarzy KC PZPR (1948–1970) [Briefe an die

Ersten Sekretäre des ZK der PZPR (1948–1970)], Warszawa 1994. Stiemerling, Karl-Heinz: Planmäßige und proportionale Entwicklung, Effektivität und Stabi-

lität, in: Einheit, 26 (1971), S. 269–280. Stobiecki, Rafał: Die Zeitgeschichte in der Republik Polen seit 1989/90, in: Nützenadel,

Alexander/Schieder, Wolfgang (Hg.): Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven der Forschung in Europa, Göttingen 2004, S. 328–346.

Stola, Dariusz: Kampania antysyjonistyczna w Polsce 1967–1968 [Die antizionistische Kampagne in Polen 1967–1968], Warszawa 2000.

Stola, Dariusz: Das kommunistische Polen als Auswanderungsland, in: Zeithistorische For-schungen/Studies in Contemporary History, 2 (2005), S. 345–365.

Storbeck, Dietrich: Soziale Strukturen in Mitteldeutschland. Eine soziologische Bevölke-rungsanalyse im gesamtdeutschen Vergleich, Berlin 1964.

Strokowski, Aleksander: Lista ofiar: grudzień 1970 r. w Szczecinie [Die Liste der Opfer: der Dezember 1970 in Szczecin], Szczecin 1993.

Stubenrauch, Klaus/Austel, Dietrich: Überholen ohne einzuholen!, in: Einheit 25 (1970), S. 733–741.

Sufin, Zbigniew: Cele społeczne w programie perspektywicznego rozwoju [Die sozialen Ziele im Programm der perspektivischen Entwicklung], in: Nowe Drogi, 25 (1971) 7, S. 49–64.

Sufin, Zbigniew: Długofałowe i bieżące potrzeby [Langfristige und laufende Bedürfnisse], in: Nowe Drogi, 30 (1976) 4, S. 110–120.

Page 125: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

32 Literaturverzeichnis Suleja, Włodzimierz: Dolnyśląski marzec ’68: anatomia protestu [Der März ’68 in

Niederschlesien: Anatomie eines Protestes], Warszawa 2006. Szeliga, Zygmunt: Polen in den Jahren 1971–1980, in: Polen, Warszawa 1977, S. 680–706. Szlachcic, Franciszek: Górzki smak władzy [Der bittere Geschmack der Macht], Warszawa

1990. Szubert, Wacław: Das neue Arbeitsgesetzbuch der Volksrepublik Polen, in: Arbeit und

Arbeitsrecht, 30 (1975), S. 627–630. Šik, Ota: Ekonomika, Zájmy, Politika. Jejich vzájemné vztahy do socialismu [Ökonomie,

Interessen, Politik. Ihre Wechselbeziehung bis zum Sozialismus], Praha 1962 [dt. Öko-nomie, Interessen, Politik, Berlin 1966].

Šulc, Zdislav: Stručné dějiny ekonomických reforem v Československu (České republice) 1945–1995 [Kurze Geschichte der Wirtschaftsreformen in der Tschechoslowakei (Tschechische Republik) 1945–1995], Brno 1998.

Tajne dokumenty Biuro Politycznego. PRL – ZSRR 1956–1970 [Geheime Dokumente des Politbüros. PRL – UdSSR 1956–1970], eingel. von Andrzej Paczkowski, London 1998.

Tajne dokumenty Państwo – Kościół 1960–1980 [Geheime Dokumente Staat – Kirche 1960–1980], London 1996.

Tejchma, Józef: Kulisy dymisji. Z dzienników ministra kultury 1974–1977 [Die Kulissen des Rücktritts. Aus den Tagebüchern des Kulturministers 1974–1977], Kraków 1991.

Tejchma, Józef: Odszedł Gomułka, przyszedł Gierek. Notatki z lat 1971–1973 [Gomułka ist gegangen, Gierek gekommen. Notizen aus den Jahren 1971–1973], Toruń 2006.

Tejchma, Józef: Pożegnanie z władzą [Abschied von der Macht], Warszawa 1996. Teichova, Alice (Hg.): Central Europe in the Twentieth Century. An Economic History

Perspective, Aldershot u.a. 1997. Teichova, Alice: Wirtschaftsgeschichte der Tschechoslowakei, 1918–1980, Wien 1988. Thiel, Wera: Arbeitsrecht in der DDR. Ein Überblick über die Rechtsentwicklung und der

Versuch einer Wertung, Opladen 1997. Thum, Gregor: Die fremde Stadt. Breslau 1945, Berlin 2003. Tietze, Gerhard/Schindler, Joachim/Hoffmann, Helga: Sozialpolitik im Betrieb und Mitwir-

kung der Gewerkschaften, Berlin 1986. Титце, Герхaрд/Шмунк, Гюнер/Шиндлер, Ёахим: Coциальное планирование в

Германской Демократической Республике, в: В. И. Валевская (состав.): Социаьное планирование и профсоюзы. Йз опыта работы профсоюзов социалистических стран, Москва 1982 [Gerhard Tietze/Günter Schmunk/Joachim Schindler: Sozialpla-nung in der Deutschen Demokratischen Republik, in: W. I. Walevskaja (Hg.): Sozialpla-nung und Gewerkschaften. Aus der Arbeitserfahrung der Gewerkschaften sozialistischer Länder, Moskau 1982], S. 38–60.

Tietze, Gerhard/Winkler, Gunnar: Sozialpolitik im Betrieb: soziale Erfordernisse des wis-senschaftlich-technischen Fortschritts, Berlin 1988.

Tomala, Mieczysław: Deutschland – von Polen gesehen. Zu den deutsch-polnischen Bezie-hungen 1945–1990, Marburg 2000.

Tomala, Mieczysław: Eine Bilanz der offiziellen Beziehungen zwischen der DDR und Po-len, in: Kerski, Basil/Kotula, Andrzej/Wóycicki, Kazimierz (Hg.): Zwangsverordnete

Page 126: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 33

Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949–1990, Osnabrück 2003, S. 59–79.

Tomasiewicz, Jarosław: Ugrupowanie neoendeckie III Rzeczypospolitej [Die neonational-demokratische Gruppierung in der III. Rzeczpospolita], Toruń 2003.

Torańska, Teresa: My [Wir], Warszawa 1994. Torańska, Teresa: Oni [Sie], Warszawa 1985 [dt. Die da oben: polnische Stalinisten zum

Sprechen gebracht, Köln 1987]. Touraine, Alain: Eine unzeitgemäße Vorstellung: Das Ende der Arbeit, in: Krull, Wilhelm

(Hg.): Zukunftsstreit, Weilerswist 2000, S. 101–114. Traxler, Franz: Die Metamorphosen des Korporatismus: vom klassischen zum schlanken

Muster, in: Politische Vierteljahresschrift, 42 (2001), S. 590–623. Tůma, Oldřich: „Normalizace“ und Repression in der Tschechoslowakei 1968–1989, in:

Boyer, Christoph/Skyba, Peter (Hg.): Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Restabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999, S. 129–140.

Turek, Otakar: Podíl ekonomiky na pádu komunismu v Československu [Der Anteil der Wirtschaft am Fall des Kommunismus in der Tschechoslowakei], Prag 1995.

Tusiński, Piotr A.: Rewolta robotnicza 1976 roku [Die Arbeiterrevolte des Jahres 1976], in: Sasanka, Paweł/Spałek, Robert (Hg.): Czerwiec 1976. Spory i reflekcje po 25 latach [Ju-ni 1976. Auseinandersetzungen und Berichte nach 25 Jahren], Warszawa 2003, S. 31–38.

Tymiński, Maciej: PZPR i przedsiębiorstwo. Nadzór partyjny nad zakładami przemys-łowymi 1956–1970 [PZPR und Betrieb. Die Parteiaufsicht über die Industriebetriebe], Warszawa 2001.

Tymowski, Andrzej: Minimum socjalne jako problem moralny [Das soziale Minimum als moralisches Problem], Warszawa 1979.

Tyszkiewicz, Jakub: Walka o wladzę w Polskiej Zjednoczonej Partii Robotniczej (lipiec 1967-listopad 1968) w świetle relacji polskich informatorów ambasady amerykańskiej w Polsce [Der Machtkampf in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Juli 1967–November 1968) im Lichte der polnischen Informatoren der amerikanischen Botschaft in Polen], in: Dzieje Najnowsze, XXXI (1999) 4, S. 105–120.

Ulbricht, Helga: Aufgaben der sozialistischen Sozialpolitik bei der Gestaltung der sozialen Sicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik. Habilitationsschrift, Univ. Leip-zig 1965.

Ulbricht, Walter: Die gesellschaftliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Re-publik bis zur Vollendung des Sozialismus, Berlin 1967.

Ulbricht, Walter: Das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirt-schaft in der Praxis, Berlin 1963.

Ulbricht, Walter: Überholen ohne einzuholen – ein wichtiger Grundsatz unserer Wissen-schaftspolitik, in: Die Wirtschaft, Nr. 9, 26.2.1970, S. 8f.

Urban, George R.: Radio Wolna Europa i walka o demokrację: moja wojna w czasach zim-nej wojny [Radio Freies Europa und der Kampf um Demokratie: mein Krieg in Zeiten des kalten Krieges], Warszawa 2000.

Page 127: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

34 Literaturverzeichnis Venohr, Wolfgang: Die roten Preußen. Vom wundersamen Aufstieg der DDR in Deutsch-

land, Erlangen/Bonn/Wien 1989. Veselý, Ludvík: Dubček: Biographie, München 1970. Wagner, Helmut: Das Ende der Ära Gomułka. Die polnische „Sechs-Tage-Woche“ im De-

zember 1970, in: Lemberg, Hans (Hg.): Zwischen „Tauwetter“ und neuem Frost. Ostmit-teleuropa 1956–1970, Marburg 1993, S. 117–132.

Wagner-Kyora, Georg: Karbidarbeiter in der Bargaining-Community. Klassenlage und Identitätskonstruktion, in: Hürtgen, Renate/Reichel, Thomas (Hg.): Der Schein der Sta-bilität. DDR-Betriebsalltag in der Ära Honecker, Berlin 2001, S. 191–216.

Wahl, Günter: Wie wirksam ist die Rahmenrichtlinie für die Jahresplanung?, in: Die Wirt-schaft, Nr. 22, 29.10.1975, S. 11.

Walter, Gerhard: Stabile Kooperationsbeziehungen sind ein Plus für die Planerfüllung, in: Die Wirtschaft, Nr. 45, 5.11.1970, S. 3.

Walter, Rolf: Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, Köln/ Weimar/Wien, 3. Aufl. 2000.

Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. 5., revi-dierte Auflage. Besorgt von Johannes Winckelmann. Studienausgabe, Tübingen 1980 (1. Auflage 1921–1922).

Wehler, Hans-Ulrich: Diktaturenvergleich, Totalitarismustheorie und DDR-Geschichte, in: Bauerkämper, Arnd/Sabrow, Martin/Stöver, Bernd (Hg.): Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 1945–1990, Bonn 1998, S. 346–352.

Welskopp, Thomas: Der Betrieb als soziales Handlungsfeld. Neuere Forschungsansätze in der Industrie- und Arbeitergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft, 22 (1996), S. 118–142.

Werner, Michael/Zimmermann, Bénédicte: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft, 28 (2002) S. 607–636.

Winkler, Gunnar (Hg.): Geschichte der Sozialpolitik der DDR 1945–1985, Berlin 1989. Winkler, Gunnar (Hg.): Sozialreport ’90. Daten und Fakten zur sozialen Lage in der DDR,

Berlin 1990. Winkler, Gunnar: Zum Wesen unserer Sozialpolitik, in: Einheit, 30 (1975), S. 1104–1112. Wirtschaft: Entwicklungstendenzen des privaten Verbrauchs in der DDR (Wochenbericht

Nr. 1-2/1970 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin), in: Deutschland Archiv, 3 (1970), S. 319–324.

Wojtas, Andrzej: Kwestia chłopska w latach 1956–1980 [Die Bauernfrage in den Jahren 1956–1981], in: Wójcik, Przemysław (Hg.): Elity władzy a struktura społeczna w Polsce w latach 1956–1981 [Die Machteliten und die Sozialstruktur in Polen in den Jahren 1956–1981], Warszawa 1994, S. 75–127.

Wolf, Frieder O.: Arbeitsglück. Untersuchungen zur Politik der Arbeit, Münster 2003. Wolf, Heinz/Hein, Eva: Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik bestimmt Weiterentwick-

lung des Arbeitsrechts. Internationales Symposium zur Kodifizierung des Arbeitsrechts an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR, in: Arbeit und Arbeits-recht, 31 (1976), S. 729f.

Page 128: Das Buch Sozialismus als soziale Frage. Sozialpolitik in ......Zweitens geriet das Regime Gomułkas im März 1968 gleich von mehreren Seiten unter Druck, sowohl aus den ... Im Herzen

Literaturverzeichnis 35 Wölk, Werner u.a.: Die komplexen Aufgaben der Kombinate bei der Planung der Arbeits-

und Lebensbedingungen. Hochschule für Ökonomie „Bruno Leuschner“ (hektogr. MS-Druck), Berlin 1984.

Wójcik, Przemysław (Hg.): Elity władzy a struktura społeczna w Polsce w latach 1956–1981 [Die Machteliten und die Sozialstruktur in Polen in den Jahren 1956–1981], Wars-zawa 1994.

Wrona, Vera u.a.: Zur Geschichte der marxistisch-leninistischen Philosophie in der DDR. Von 1945 bis Anfang der sechziger Jahre, Berlin 1979.

Wspólne cele. Polityczne podstawy współdziałania międzypartyjnego w latach 1944–1978. Wybór dokumentów i materiałów [Gemeinsame Ziele. Die politischen Grundlagen des interparteilichen Zusammenwirkens in den Jahren 1944–1978], (Warszawa) 1980.

Wyczański, Andrzej: Polen als Adelsrepublik, Osnabrück 2001. Zblewski, Zdzisław: Czasy komunistycznych „pragmatyków“. Rządy ekipy Gierka (1971–

1980) [Die Zeit der kommunistischen „Pragmatiker“. Die Herrschaft der Gierek-Equipe (1971–1980)], in: Bernacki, Włodzimierz u.a.: Komunizm w Polsce. Zdrada, zbrodnia, zakłamanie, zniewolenie [Kommunismus in Polen. Verrat, Verbrechen, Verlogenheit, Zwang], Kraków o. J., S. 288–313.

Zernack, Klaus: Polen und Rußland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte, Berlin 1994.

Zieliński, Zygmunt: Der Katholizismus in Polen vor und nach 1989, in: Luks, Leonid (Hg.): Das Christentum und die totalitären Herausforderungen des 20. Jahrhunderts. Rußland, Deutschland, Italien und Polen im Vergleich, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 227–235.

Ziemer, Klaus: Ausgangsbedingungen für den politischen und wirtschaftlichen Transforma-tionsprozeß in Südost- und Ostmitteleuropa. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in: Südosteuropa, 45 (1996) 2-3, S. 99–115.

Ziemer, Klaus: Polens Weg in die Krise: eine politische Soziologie der „Ära Gierek“, Frank-furt a.M. 1987.

Zimmermann, Arnold: Territoriale Rationalisierung als Intensivierungsaufgabe, Berlin 1978.

Zwanzig Jahre Deutsche Demokratische Republik, Berlin 1969. Zwiernik, Przemyslaw: Czerwiec ’76 w wojewódtzwie poznańskim [Der Juni ’76 in der

Wojewodschaft Poznań], in: Sasanka, Paweł/Spałek, Robert (Hg.): Czerwiec 1976: spo-ry i reflekcje po 25 latach [Der Juni 1976: Auseinandersetzungen und Reflexionen nach 25 Jahren], Warszawa 2003, S. 55–62.

Żarnowski, Janusz: Arbeiter in Volkspolen, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 4 (2005) II, S. 57–79.

Żarski, Tadeusz: Korekta polityki mieszkaniowej [Korrekturen in der Wohnungspolitik], in: Praca i Zabezpieczenie Społeczne, 14 (1972) 4, S. 21–29.

Żuk, Dobrosław: Niektóre najpilniejsze problemy polityki socjalnej [Einige dringendste Probleme der Sozialpolitik], in: Nowe Drogi, 25 (1971) 5, S. 234–244.