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Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo KZ-Gedenkstätte Neuengamme | Reproduktion nicht gestattet

Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS ......NSDAP und SA. Nach seiner Einberufung zur Wehrmacht 1941 wurde er im Mai 1944 zur Waffen-SS abkommandiert und im KZ Neuengamme

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Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo

KZ-Gedenkstätte Neuengamme | Reproduktion nicht gestattet

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2 Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo

Im Konzentrationslager Neuengamme wurden viele Hundert Exekutionen durchgeführt. Zum Teil waren die Opfer KZ-Gefangene, über die das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) die Todesstrafe verhängt hatte; zahlreiche Opfer wurden zur Abschreckung vor den Augen der anderen Häftlinge öffentlich auf dem Appellplatz gehängt. Bei den meisten Exekutierten handelte es sich allerdings um Frauen und Männer, die nicht Häftlinge des KZ Neuengamme waren, sondern Gefangene der Wehrmacht, der SS, der Justiz und der Gestapo. Grundlagen für die Anordnung der Exekution im Konzen-trationslager – die so genannte „Sonderbehandlung“ – bil-deten die am 3. September 1939 von Reinhard Heydrich erlassenen „Grundsätze der inneren Staatssicherung wäh-rend des Krieges“, Urteile der SS- und Polizeigerichte sowie weitere Anweisungen des Reichssicherheitshauptamtes bzw. der Amtsgruppe D des SS-Wirtschafts-Verwaltungs-hauptamtes (WVHA). Mindestens 1200 Menschen wurden im Lagergefängnis des KZ Neuengamme, dem so genannten „Arrestbunker“, erhängt oder auf dem SS-Schießstand erschossen. Nach dem Krieg schätzten ehemalige KZ-Häftlinge die Zahl der Exekutierten einschließlich der mit Gas ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen auf 1500 bis 2000.

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In den von Häftlingen im Kran-kenrevier handschriftlich ge-führten Totenbüchern des KZ Neuengamme finden sich zahl-reiche Hinweise auf Exekutionen. Die Namen der Opfer sind jedoch nicht vermerkt.

(ANg, Krankenrevier-Totenbuch 15.11.1943–17.12.1944)

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Die Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener

Ende August 1941 wurden 48 sowjetische Kriegsgefange-ne aus dem Kriegsgefangenenlager X D (310) Wietzendorf zur Erschießung in das KZ Neuengamme gebracht. Dieser ersten großen Massenexekution folgten in den darauf-folgenden Wochen weitere Erschießungen von Gruppen sowjetischer Kriegsgefangener. Die Namen der Männer wurden weder in die im Kranken-revier geführten Totenbücher eingetragen noch standes-amtlich registriert. Bisher sind lediglich von 64 Ermordeten die Namen bekannt, weil sie nicht im lagereigenen Krema-torium, sondern auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg eingeäschert wurden und ihre Namen im dort geführten Feuerbestattungsregister dokumentiert sind. Grundlage der völkerrechtswidrigen Mordaktionen waren vor allem die Ein-satzbefehle Nr. 8 und Nr. 9 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich, vom 17. und 27. Juli 1941. Bei zwei weiteren Mordaktionen im Herbst 1942 setzte die SS Giftgas ein. Insgesamt wurden 448 sowjetische Kriegs-gefangene, die vermutlich aus dem Kriegsgefangenenlager XI B Fallingbostel in das KZ Neuengamme überstellt worden waren, im Arrestbunker mit Zyklon B getötet.

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1946 sagte der SS-Hauptsturmführer und stellvertretende

Schutzhaftlagerführer Albert Lütkemeyer vor britischen

Ermittlern über die Vergasungen sowjetischer Kriegsgefan-

gener im Herbst 1942 aus:

Zum Fall der Vergasung von russischen Kriegsgefangenen kann ich folgendes aussagen. Im Winter 1942/43 wurde ich von Sturmbannführer PAULY beauftragt, den Arrestbun-ker luftdicht zu machen. Zu dieser Zeit war mir der Grund dieser Veränderung im Arrestbunker nicht bekannt. Ich habe damals auch auf PAULYS Befehl 6 Entlüftungsrohre im Dach angebracht. Als ich zum Gasbunker kam, waren die russischen Kriegsgefangenen schon im Bunker eingesperrt und ich habe nur noch das Schreien der sterbenden Männer gehört. Es ist mir bekannt, dass die Russen von den Sanitä-tern in den Bunker eingesperrt wurden und dass PAULY, der damals Diensthabende Lagerarzt und der Sanitäter BAHR daran teilnahmen. Als die Tür des Bunkers geöffnet wurde, war ich in der Nähe des Bunkers. Nachdem die Häftlinge Rollwagen herangebracht hatten, wurden die Leichen von dem Revierpersonal auf diese gepackt und ins Krematorium gefahren.

Aussage im Ermittlungsverfahren zum Neuengamme Concentration Camp Case VIII, 4.11.1946. Lütkemeyer wurde zum Tode verurteilt und

am 26. Juni 1947 hingerichtet. (TNA (PRO), WO 235/301)

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Auszug aus dem Bestattungs-register des Friedhofs Ohlsdorf vom August 1941. Die meisten Opfer der Mordaktionen waren Juden und gezielt in den Kriegs-gefangenenlagern „ausgesondert“ und zur Tötung in das KZ Neuen-gamme gebracht worden.

(Friedhofsverwaltung Ohlsdorf, Hamburg)

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Angehörige der SS und Polizei waren für Dienstvergehen wie Plünderung oder unerlaubte Entfernung von der Dienst- stelle ab Ende 1939 einer eigenen Sondergerichtsbarkeit unterworfen. In Hamburg wurde am Leinpfad das SS- und Polizeigericht XII eingerichtet; als oberster Gerichtsherr fungierte hier der örtlich zuständige Höhere SS- und Polizei- führer, Georg Henning Graf von Bassewitz-Behr. Dieser verfügte über die Anklageerhebungen und bestätigte die Urteile, die ohne seine Unterschrift nicht rechtskräftig waren. Todesurteile und hohe Zuchthausstrafen mussten von Heinrich Himmler als oberster SS-Gerichtsherr be- stätigt werden. Das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel diente als Untersuchungsgefängnis; die zu Freiheitsstrafen Verurteilten kamen in Straflager der SS und Polizei zumeist im besetzten Polen. In mehreren Fällen wurden Todesurteile des SS- und Polizeigerichts XII im KZ Neuengamme vollstreckt; die genaue Zahl der Opfer ist unbekannt. Viele Beschuldigte wurden, ohne dass eine Verurteilung vorlag, direkt aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in Konzentrationslager über-stellt, meist in das KZ Dachau.

Die Vollstreckung von Todesurteilen des SS- und Polizeigerichts XII

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Vermutlich der letzte aufgrund eines Urteils des SS- und Polizeigerichts XII hingerichtete SS-Angehörige war Theodor Breuing. Breuing, geboren am 14. November 1890 in Reck-linghausen, war von Beruf Lehrer und seit 1934 Mitglied der NSDAP und SA. Nach seiner Einberufung zur Wehrmacht 1941 wurde er im Mai 1944 zur Waffen-SS abkommandiert und im KZ Neuengamme als Leiter des Außenlagers in Salzgitter (Watenstedt) eingesetzt. Im April 1945 ließ der Kommandant des KZ Neuengamme, Max Pauly, Theodor Breuing verhaften. Ihm wurde vorgeworfen, den Räumungs-transport des Außenlagers in Richtung Neuengamme nicht begleitet und stattdessen mehrere Stunden in einer Gast-wirtschaft verbracht zu haben. Pauly strengte das Verfahren vor dem SS- und Polizeigericht XII an. Dessen Chefrichter, SS-Sturmbannführer Hans Wendt, kam am 14. April 1945 in das KZ Neuengamme, stellte ein Standgericht, beste-hend SS-Angehörigen, zusammen und verurteilte Theodor Breuing zum Tode. Das Urteil wurde am 26. April 1945 vollstreckt; aus Abschreckungsgründen wurde Theodor Breuing von einem 12-köpfigen SS-Erschießungskommando vor der gesamten Lager-SS erschossen.

Theodor Breuing.

Foto: unbekannt, nicht datiert. Aus: Luitgard Nolte (Hg.): Chronik

der Paulusschule: Die Zeit der Volksschule 1908–1968. Eine

Festgabe zum 90jährigen Bestehen der Paulusschule Recklinghausen,

Recklinghausen 1997, S. 67.

Theodor Breuing

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Nach den großen Bombenangriffen auf Hamburg im Rahmen der „Aktion Gomorrha“ im Sommer 1943, die auch Teile der Hinrichtungsstätte der Justiz im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis zerstörten, wurden im August und Sep-tember 1943 sechzehn von der Hamburger Justiz verhängte Todesurteile im KZ Neuengamme durch Erschießen voll-streckt. Am 8. August 1944 ließ die Justiz fünf Männer im KZ Neuengamme hinrichten. Weitere Hinrichtungen der Hamburger Strafjustiz im KZ Neuengamme sind zu vermuten.

Die Vollstreckung von Todesurteilen der Hamburger Justiz

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Erich de Giske

Erich de Giske, geboren am 3. Mai 1904 in Schwerin, war Betriebsschlosser bei der Firma Menck & Hambrock in Hamburg-Altona. Er war nicht zum Kriegsdienst einberufen worden, weil er in einem für die Rüstung produzierenden Betrieb arbeitete. Aus diesem Grund wurde ihm 1942 vom Arbeitsamt auch ein Arbeitsplatzwechsel zu einer anderen Hamburger Firma verwehrt. Im Juli 1943 nutzte Erich de Giske seinen Urlaub, um illegal in das besetzte Frankreich zu reisen und eine Freundin zu besuchen, die eine Zeitlang in Hamburg als Zivilarbeiterin beschäftigt gewesen war. Erich de Giske kehrte nach dem Urlaub nicht nach Hamburg zurück; seine Firma zeigte sein Fernbleiben an und die Gestapo veranlasste die Fahndung und seine Verhaftung. Das Hanseatische Sondergericht wertete das Verhalten von Erich de Giske als Versuch, sich der Wehrpflicht zu entzie-hen, und unterstellte ihm zugleich eine staatsfeindliche Ein-stellung. Nachdem zuvor bei einem Bombenangriff erneut das Untersuchungsgefängnis getroffen worden war, wurde das am 20. Juni 1944 verhängte Todesurteil am 5. August 1944 im KZ Neuengamme vollstreckt.

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Unten: Werksausweis von Erich de Giske, 1940.

(StA HH, 213-11, 254-45)

Rechts: Protokoll der Hinrichtung Erich de Giskes im KZ Neuengamme vom 8. August 1944.

(StA HH, 213-11, 254-45)

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Exekutionen auf Veranlassung der Hamburger Gestapo

Das Konzentrationslager Neuengamme war in mehreren Hundert Fällen Exekutionsort der Hamburger Gestapo. Die meisten Opfer wurden weder in den Totenbüchern noch im Sonderstandesamt des KZ Neuengamme registriert; ihre Namen sind bis heute unbekannt. Zwei Mordaktionen betrafen vornehmlich Hamburger Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer. In diesen Fällen konnte zahlreiche Namen und auch die Hinter-gründe der Hinrichtungen ermittelt werden. Es handelt sich um die Exekutionen von drei Männern und einer Frau am 14. Februar 1944 sowie von 58 Männern und 13 Frauen am 21. und 23. April 1945.

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Am 14. Februar 1944 wurden Elisabeth und Gustav Bruhn, Kurt Schill und Hans Hornberger auf Veranlassung der Hamburger Gestapo im Arrestbunker des KZ Neuengamme erhängt. Sie hatten der kommunistischen Widerstandsorga-nisation „Bästlein-Jacob-Abshagen“ angehört, die seit 1941 in Hamburg aufgebaut wurde und in etwa 30 Werften und Fabriken mit illegalen Betriebszellen vertreten war. Im Okto-ber 1942 verhaftete die Gestapo über 100 Mitglieder dieser Organisation. Als Hamburg Ende Juli 1943 durch die alliier-ten Flächenbombardierungen stark zerstört wurde, erhielten etwa 50 Gefangene Hafturlaub. Viele, die mit einer Anklage vor dem Volksgerichtshof und der Todesstrafe rechnen mussten, tauchten unter. Die Gestapo fahndete nach den Flüchtenden und deren Helferinnen und Helfern und ging dabei mit großer Brutalität vor. Dazu gehörte auch die de-monstrative Exekution von vier gefassten Mitgliedern der Widerstandsorganisation im KZ Neuengamme. Insgesamt wurden etwa 70 Frauen und Männer der „Bästlein-Jacob-Abshagen“-Organisation aufgrund von Todesurteilen der NS-Justiz hingerichtet oder während der Haft ermordet.

Die Exekutionen am 14. Februar 1944

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Schreiben des Hamburger Gene-ralstaatsanwalts an den Ober-reichsanwalt beim Volksgerichts-hof vom 8. Mai 1944. Die polizeilichen Ermittlungs-verfahren waren seit 1943 abgeschlossen und die Akten an den Oberreichsanwalt übermittelt worden, der Prozesse vor dem Volksgerichtshof vorbereitete. Dort wären die im KZ Neuen-gamme Exekutierten sowohl Angeklagte als auch Zeugen gewesen.

(StA HH, 213-9, OJs 1016-43g, Bd. 1)

Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo

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Elisabeth und Gustav Bruhn sowie Kurt Schill und Hans Hornberger wurden auf Veranlassung der Gestapo am 14. Februar 1944 im KZ Neuengamme ermordet. Gustav Bruhn war seit 1928 Mitglied des Preußischen Landtags gewesen; er und seine Frau waren bereits 1933 verhaftet und wegen Widerstandstätigkeit zu Zuchthaus- bzw. Gefängnisstrafen verurteilt worden. Sie hatten sich nach ihrer Haftentlassung wieder dem Widerstand angeschlossen. Hans Hornberger hatte auf der Werft Blohm & Voss gearbeitet und dort Widerstand bis hin zur Arbeitssabotage organi-siert, um zur Verkürzung des Krieges beizutragen. In der Wohnung des Ehepaars Kurt und Hilda Schill waren heimlich Flugblätter der Widerstandsorganisation hergestellt worden.

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19Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo

Oben links: Elisabeth Bruhn.

Foto: unbekannt, nicht datiert. (FZH, NHS 13-3-3-1)

Oben rechts: Gustav Bruhn.

Foto: unbekannt, nicht datiert. Aus: Deutsche Widerstandskämpfer

1933–1945. Biographien und Briefe, Bd. 1, Berlin (DDR) 1970, S. 165.

Unten links: Hans Hornberger.

Foto: unbekannt, nicht datiert. Aus: Ursel Hochmuth: Niemand und

nichts wird vergessen. Biogramme und Briefe Hamburger Widerstandskämpfer

1933–1945, Hamburg 2005, S. 74.

Unten rechts: Kurt Schill.

Foto: unbekannt, nicht datiert. (FZH, NHS 13-3-3-1)

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20 Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo

Der Häftling Michael Müller war in der Kleiderkammer

eingesetzt und musste dort auch die Kleidungsstücke der

Toten säubern und desinfizieren, bevor sie weiterverwendet

wurden. Über die Exekutionen im Februar 1944 berichtete

er nach Kriegsende:

Im Februar 1944 kam des morgens der Lagerälteste zu mir und sagte folgendes: „Pass auf es kommen gleich fünf Ham-burger Genossen die aufgehängt werden sollen.“ Kurze Zeit darauf kamen auch schon die Opfer. Als erste Frau Lisbeth Bruhns, dann drei Männer in Eisenbahneruniform und als fünfter Gustaf Bruhns. Sofort hintern diesen Opfern kam der ganze Stab der SS, sowie der Lagerälteste Fetz und zwei andere Genossen. […] ungefähr nach zehn Hinrichtungen bekam ich Bescheid, die Leichen abzunehmen. Ausser den Eheleuten Bruhns konnte ich nur noch den Eisenbahner Schill aus Hamburg […] identifizieren.

Michael Müller. „Bericht über die politische Arbeit der Genossen im Konzentrationslager Neuengamme vom 9.1941–Mai 1945.“,

8.12.1945. (ANg, HB 735)

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Der Mord an 71 Hamburger Gestapogefangenen

Die Ermordung von 71 Hamburger Gestapogefangenen am 21. und 23. April 1945 im Arrestbunker des KZ Neuen-gamme erfolgte im Zusammenhang mit der Räumung des Polizeigefängnisses Fuhlsbüttel gegen Kriegsende. Mehrere der in der Gestapozentrale und im Polizeigefängnis Fuhls-büttel tätigen Angehörigen der Gestapo hatten die Namen von 71 Frauen und Männern auf eine „schwarze Liste“ gesetzt, um sie noch vor Kriegsende ermorden zu lassen. Spätere Zeugenaussagen deuten darauf hin, dass etliche der Opfer auf diese Liquidationsliste gelangten, weil sie von der Beteiligung einzelner Gestapomitarbeiterinnen und -mitarbeiter an Verbrechen wussten oder von deren persönlichen Fehlverhalten wie der Aneignung der Woh-nungen oder des Eigentums von Inhaftierten. Andere Häft-linge kamen auf die Liste, weil sie einzelne für die Gestapo tätige Spitzel hätten enttarnen können; einer der bezahlten Gestapospitzel, Alfons Pannek, war an der Erstellung der Liquidationsliste beteiligt. Etliche der Opfer gehörten ver-schiedenen Widerstandsorganisationen an, mehrere waren „jüdischer Abstammung“. Auf Befehl des Höheren SS- und Polizeiführers, Georg Hen-ning Graf von Bassewitz-Behr, wurden die 13 Frauen und 58 Männer am 20. April 1945 vom Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in das KZ Neuengamme gebracht und dort am 21. und 23. April im Arrestbunker ermordet.

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22 Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo

In den Abendstunden des 20. April 1945 fuhren zwei Last-wagen vor, denen insgesamt 58 Männer und 13 Frauen entstiegen. Die Männer wurden unter Postenbedeckung auf den Block 20 (Strafblock) gebracht und jedem Häftling der Zutritt zu diesem Block verwehrt. Dadurch war jedem alten Lagerinsassen bewusst, dass es sich um eine besondere Angelegenheit handeln müsse. Aus meiner Lagerschreibstube, ich war mit Herbert Schem-mel Lagerschreiber, konnte ich die Vorbereitungen der Absperrung feststellen. Da ich gleichzeitig Vorsitzender des illegalen, internationalen Häftlingskomitees im KZ Neuen-gamme war, habe ich von mir aus versucht, festzustellen, aus welchen Gründen diese neuangekommenen Häftlinge so isoliert wurden. Dabei konnte ich feststellen, dass unter den 58 Männern 13 Tschechen, Polen und Russen waren. […] Am darauf folgenden Sonntag, am 22. April 1945 vormit-tags, wurden von den 58 Häftlingen des Blocks 20 durch Oberscharführer Naeve von der Politischen Abteilung und einem zweiten Oberscharführer in der Lagerschreibstube die Personalien aufgenommen. Sämtliche anderen Mitglie-der der Lagerschreibstube, mit Ausnahme von Schemmel und mir, mussten den Raum verlassen. […] Am gleichen Tage hatte Neave die Personalien der 13 Frauen, unter denen sich 2 Polinnen befanden, aufgenommen. […]

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23Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo

Am 22. April 1945 abends befand ich mich auf meinem Rundgang durch das Lager. Als ich aus dem Häftlingsbad kam, wurde ich von [SS-Rapportführer] Dreimann ange-rufen und als er feststellte, dass ich der Lagerschreiber sei, befahl der etwas abseits von ihm im Schatten stehende [SS-Schutzhaftlagerführer] Thumann, sofort die Häftlinge Leers, Cornelius, Uwe Sievertsen und Ossi Unverdorm zu holen. Einige Zeit später hörte ich, nachdem ich schon in der Lagerschreibstube war, Schritte von Vorbeimarschierenden und das Geräusch von Waffen der Posten. Später, als ich bereits auf dem Block 22 war, waren Schüsse und dumpfe Detonationen aus der Richtung des Lagerbunkers zu hören. […] Am nächsten Morgen früh erzählte Dreimann auf der Rapportführerstube den anderen Blockführern, dass es zu einem Kampf im Bunker gekommen sei und dass einer von den Häftlingen Thumann einen Schlag vor das Kinn versetzt hätte. Thumann kam auch einige Zeit später mit einem Heft-pflaster versehen ins Lager. In der Nacht vom 22./23. April 1945 wurde der Rest der Gefangenen vom Block 20 geholt und im Bunker liquidiert.

Hans Schwarz war seit Herbst 1944 Häftling des KZ Neuen-gamme. Aussage vom 26.2.1947 im Zuge des Verfahrens

Fuhlsbüttel Case No. 1, das vor einem britischen Militärgericht in Hamburg durchgeführt wurde. (TNA, WO 235/389)

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Das KZ Neuengamme als Exekutionsort von Wehrmacht, SS, Justiz und Gestapo24

Margarete Zinke, geboren am 18. Januar 1914, und Paul Zinke, geboren am 8. März 1901, hatten sich während des Krieges der Widerstandsorganisation „Bästlein-Jacob-Abshagen“ angeschlossen. Sie hatten unter anderem einen von der Gestapo Gesuchten in ihrer Wohnung versteckt. Paul Zinke wurde Ende November 1944, Margarete Zinke Anfang Februar 1945 verhaftet.

Fotos: unbekannt, nicht datiert. (ANg, 1999-1171 (oben),

2002-718 (Mitte))

Erika Etter, geboren am 22. September 1922, war die Ehefrau des Hamburger Widerstandskämpfers Werner Etter, der im März 1944 ver-haftet und im Februar 1945 hingerichtet wurde. Die Ver-haftung Erika Etters erfolgte am 17. Mai 1944, als sie in Angelegenheiten ihres Ehe-mannes die Gestapo aufsuchte und dort den für die Verhaf-tung ihres Mannes verantwort-lichen Spitzel der Gestapo, Herbert Lübbers, sah. Damit sie dessen Tätigkeit für die Ge-stapo nicht aufdecken konnte, wurde sie festgenommen.

Foto: unbekannt, nicht datiert. (Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e. V.)

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Margarethe Mrosek, gebo-ren am 25. Dezember 1902, gehörte zum engeren Freun-deskreis der Familie Leipelt (Hamburger Zweig der „Wei-ßen Rose“). Sie war „Halb-jüdin“, ihre Mutter wurde nach Theresienstadt depor-tiert. Die Gestapo konnte ihr keine Widerstandstätigkeit nachweisen.

Foto: unbekannt, nicht datiert. (ANg, 1983-4404)

Hanne Mertens, geboren am 13. April 1909, war Schau-spielerin am Thalia-Theater in Hamburg. Auf einer privaten Feier spöttelte sie über die NS-Führung und sang unter anderem das Lied „Es geht alles vorüber“ mit dem weiteren Text: „... zu-erst Hitler, dann die Partei“. Ein Gestapobeamter war anwesend und veranlasste ihre Verhaftung.

Foto: unbekannt, 1943. (ANg, 2000-198)

Annemarie Ladewig, gebo-ren am 5. Juni 1919, wurde am 22. März 1945 zusam-men mit ihrem Vater Rudolf Ladewig, dessen Lebensge-fährtin Elisabeth Rosenkranz und ihrem Bruder Rudolf von der Gestapo verhaftet. Ihr Vater hatte vermut-lich, wie auch Elisabeth Rosenkranz, Kontakt zur Widerstandsgruppe „Kampf dem Faschismus“ und zum „Nationalkomitee ‚Freies Deutschland‘“, während Annemarie Ladewig und ihr Bruder dem Widerstand – soweit bekannt – nicht angehörten. Sie wurden im KZ Neuengamme exekutiert.

Foto: unbekannt, nicht datiert. (ANg, 1996-309)

Helene Heyckendorf, geboren am 15. November 1893, war die Ehefrau von Max Heyckendorf, der der Widerstandsorganisation „Bästlein-Jacob-Abshagen“ angehörte und 1944 von der Gestapo gesucht wurde. Helene Heyckendorf wurde vermutlich anstelle ihres Mannes im Dezember 1944 verhaftet.

Foto: unbekannt, nicht datiert. (ANg, 1983-4405)