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TREFFPUNKT FORSCHUNG 110 Phys. Unserer Zeit 3/2013 (44) www.phiuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim TEILCHENPHYSIK | Das Proton bleibt zu klein Die Frage nach der Größe des Protons rückte vor einiger Zeit erneut in das Interesse von Physikern, als eine von uns gemachte Messung einen um 4 % signifikant kleineren Wert erhielt, als bis dahin angenommen [1]. Die Ursache dieser viel diskutierten Diskrepanz ist nach wie vor unklar. Eine weitere Messung unserer Gruppe [2] bestätigt nun den damals gefundenen Wert. Zusätzlich ermöglicht unsere Messung eine Bestimmung des magnetischen Radius des Protons. Dieser ist im Ein- klang mit früheren Messungen. Die Struktur der Atomkerne wird tra- ditionell mit elastischer Elektron- Proton-Streuung untersucht. Seit einiger Zeit ermöglicht jedoch auch die präzise Laserspektroskopie von Übergängen in Atomen, in Verbin- dung mit detaillierten Rechnungen der atomaren Energieniveaus, einen Zugang zu kernphysikalischen Para- metern wie die Ladungsradien. Wir haben nun die Laserspektroskopie mit einer exotischen Variante des Wasserstoffatoms vorgenommen, dem myonischen Wasserstoff (μp). Hier umkreist ein Myon das Proton. Myonen sind, wie Elektronen, punkt- förmige, negativ geladene Leptonen. Allerdings besitzt ein Myon die 200-fache Elektronenmasse. Deshalb beträgt der Abstand des Myons zum Proton nur 1/200 des Elektrons in normalem Wasserstoff (H). Quanten- mechanisch ergibt sich ein um den Faktor 200 3 10 7 größerer Überlapp der Myonen-Wellenfunktion mit dem Proton. Darum eignet sich myoni- scher Wasserstoff besonders gut, um die Größe des Protons zu bestimmen (siehe Physik in unserer Zeit 2012, 43(5), 229). In unserem ersten Experiment im Jahr 2010 haben wir die Energiediffe- renz zwischen dem 2S- und dem 2P- Zustand (Lamb-Verschiebung) spek- troskopiert (Grün in Abbildung 1). Im 2S-Zustand hat das Myon eine besonders große Wahrscheinlichkeit, sich im Innern des Protons aufzuhal- ten. Dort wirkt eine reduzierte Cou- lomb-Anziehung, was das 2S-Niveau verschiebt, und zwar umso mehr, je größer das Proton ist. Der 2P-Zustand ist nahezu unbeeinflusst von der Größe des Protons, und so kann man aus der gemessenen 2S-2P-Energie- differenz auf die Größe der Ladungs- verteilung des Protons schließen. Unser auf diese Weise erhaltene Wert für den Ladungsradius des Pro- tons ist zehnmal genauer als der tra- ditionell aus der elastischen Elektron- Proton-Streuung [3] und der Präzi- sionsspektroskopie von Wasserstoff abgeleitete. Er ist um 4 %, entspre- chend 7 Standardabweichungen, kleiner als der Standardwert [1] (μp 2010 in Abbildung 2). Diese Diskrepanz hat zu vielfältigen Erklä- rungsversuchen geführt [4], von denen bisher noch keine allgemein akzeptiert ist (Physik in unserer Zeit 2012, 43(5), 211). Denkbar erschie- nen auch Korrekturen an der Quan- tenelektrodynamik (QED), doch neue Rechnungen haben ihre Richtigkeit inzwischen bestätigt [5]. Darüber hinaus liegen seit kurzem auch Ana- lysen von Elektronstreudaten vor, die ebenfalls zu einem kleineren Ladungs- radius von μp kommen (Bonn VMD in Abbildung 2) [6]. Bei einer weiteren Messung spektroskopierten wir einen anderen Laserübergang, der zwischen anderen Hyperfeinstruktur-Niveaus des 2S- und des 2P 3/2 -Zustandes in μp statt- findet (Blau in Abbildung 1). Das Ergebnis bestätigte erneut mit hoher Genauigkeit den kleineren Ladungs- radius des Protons (μp 2013 in Abbildung 2). Während sich aus der Lamb-Ver- schiebung der elektrische Ladungs- radius des Protons ergibt, liefert die in [2] nun erstmals gemessene 2S-Hyperfeinstruktur Informationen über die magnetische Struktur des Protons. Die 2S-Hyperfeinstruktur ergibt sich aus der Differenz der beiden gemessenen Übergänge (Abbildung 1). Hierbei berücksichtigt man, dass die kleine 2P-Hyperfein- struktur keine Abhängigkeit von der Protonenstruktur enthält und des- wegen sehr gut berechenbar ist. Die 2S-Hyperfeinstruktur enthält hinge- gen einen kleinen Beitrag von der magnetischen Struktur des Protons. Die Frequenz eines starken Pumplasers (Wellenlänge 1030 nm) wird in einem nichtlinearen Kristall in grünes Licht (515 nm) verdoppelt. Dieses dient dann als Pumplicht für die weiteren Laserstufen. Lamb- Shift 2S 1/2 2P 1/2 2P 3/2 F=0 F=1 F=0 F=1 F=2 F=1 2S-Hyperfein- Aufspaltung 2P-Feinstruktur Radiuseffekt λ = 6 μm λ = 5,5 μm ABB. 1 ENERGIENIVEAUS Energieniveaus mit n = 2 in myoni- schem Wasserstoff. Deutlich erkennt man den großen Effekt des Ladungsra- dius auf die Lamb-Verschiebung. Die 2010 und 2013 gemessenen Übergänge sind in Grün und Blau dargestellt.

Das Proton bleibt zu klein

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

110 Phys. Unserer Zeit 3/2013 (44) www.phiuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

T E I LC H E N PH YS I K |Das Proton bleibt zu kleinDie Frage nach der Größe des Protons rückte vor einiger Zeit erneut indas Interesse von Physikern, als eine von uns gemachte Messung einenum 4 % signifikant kleineren Wert erhielt, als bis dahin angenommen[1]. Die Ursache dieser viel diskutierten Diskrepanz ist nach wie vorunklar. Eine weitere Messung unserer Gruppe [2] bestätigt nun dendamals gefundenen Wert. Zusätzlich ermöglicht unsere Messung eineBestimmung des magnetischen Radius des Protons. Dieser ist im Ein-klang mit früheren Messungen.

Die Struktur der Atomkerne wird tra -ditionell mit elastischer Elektron-Proton-Streuung untersucht. Seiteiniger Zeit ermöglicht jedoch auchdie präzise Laserspektroskopie vonÜbergängen in Atomen, in Verbin-dung mit detaillierten Rechnungender atomaren Energieniveaus, einenZugang zu kernphysikalischen Para-metern wie die Ladungsradien. Wirhaben nun die Laserspektroskopiemit einer exotischen Variante desWasserstoffatoms vorgenommen,dem myonischen Wasserstoff (µp).Hier umkreist ein Myon das Proton.Myonen sind, wie Elektronen, punkt-förmige, negativ geladene Leptonen.Allerdings besitzt ein Myon die 200-fache Elektronenmasse. Deshalbbeträgt der Abstand des Myons zumProton nur 1/200 des Elektrons innormalem Wasserstoff (H). Quanten-mechanisch ergibt sich ein um denFaktor 2003 ≈ 107 größerer Überlappder Myonen-Wellenfunktion mit dem

Proton. Darum eignet sich myoni-scher Wasserstoff besonders gut, umdie Größe des Protons zu bestimmen(siehe Physik in unserer Zeit 2012,43(5), 229).

In unserem ersten Experiment imJahr 2010 haben wir die Energiediffe-renz zwischen dem 2S- und dem 2P-Zustand (Lamb-Verschiebung) spek-troskopiert (Grün in Abbildung 1).Im 2S-Zustand hat das Myon einebesonders große Wahrscheinlichkeit,sich im Innern des Protons aufzuhal-ten. Dort wirkt eine reduzierte Cou -lomb-Anziehung, was das 2S-Niveauverschiebt, und zwar umso mehr, jegrößer das Proton ist. Der 2P-Zustandist nahezu unbeeinflusst von derGröße des Protons, und so kann manaus der gemessenen 2S-2P-Energie -differenz auf die Größe der Ladungs-verteilung des Protons schließen.

Unser auf diese Weise erhalteneWert für den Ladungsradius des Pro -tons ist zehnmal genauer als der tra -ditionell aus der elastischen Elektron-Proton-Streuung [3] und der Präzi-sionsspektroskopie von Wasserstoffabgeleitete. Er ist um 4 %, entspre-chend 7 Standardabweichungen,kleiner als der Standardwert [1] (µp 2010 in Abbildung 2). DieseDiskrepanz hat zu vielfältigen Erklä-rungsversuchen geführt [4], vondenen bisher noch keine allgemeinakzeptiert ist (Physik in unserer Zeit2012, 43(5), 211). Denkbar erschie-nen auch Korrekturen an der Quan-tenelektrodynamik (QED), doch neueRechnungen haben ihre Richtigkeitinzwischen bestätigt [5]. Darüberhinaus liegen seit kurzem auch Ana -lysen von Elektronstreudaten vor, die

ebenfalls zu einem kleineren Ladungs-radius von µp kommen (Bonn VMDin Abbildung 2) [6].

Bei einer weiteren Messungspektroskopierten wir einen anderenLaserübergang, der zwischen anderenHyperfeinstruktur-Niveaus des 2S-und des 2P3/2-Zustandes in µp statt-findet (Blau in Abbildung 1). DasErgebnis bestätigte erneut mit hoherGenauigkeit den kleineren Ladungs-radius des Protons (µp 2013 inAbbildung 2).

Während sich aus der Lamb-Ver -schiebung der elektrische Ladungs -radius des Protons ergibt, liefert diein [2] nun erstmals gemessene 2S-Hyperfeinstruktur Informationenüber die magnetische Struktur desProtons. Die 2S-Hyperfeinstrukturergibt sich aus der Differenz derbeiden gemessenen Übergänge(Abbildung 1). Hierbei berücksichtigtman, dass die kleine 2P-Hyperfein-struktur keine Abhängigkeit von derProtonenstruktur enthält und des-wegen sehr gut berechenbar ist. Die2S-Hyperfeinstruktur enthält hinge-gen einen kleinen Beitrag von dermagnetischen Struktur des Protons.

Die Frequenz eines starken Pumplasers (Wellenlänge 1030 nm) wird in einem nichtlinearen Kristall in grünes Licht(515 nm) verdoppelt. Dieses dient dann als Pumplicht für dieweiteren Laserstufen.

Lamb-Shift

2S1/2

2P1/2

2P3/2

F=0

F=1

F=0 F=1

F=2 F=1

2S-Hyperfein-Aufspaltung

2P-Feinstruktur

Radiuseffekt

λ = 6 μm

λ = 5,5 μm

A B B . 1 E N E RG I E N I V E AU S

Energieniveaus mit n = 2 in myoni-schem Wasserstoff. Deutlich erkenntman den großen Effekt des Ladungsra-dius auf die Lamb-Verschiebung. Die2010 und 2013 gemessenen Übergängesind in Grün und Blau dargestellt.

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Die Hyperfeinstruktur-Aufspal-tung entsteht aus der Wechselwir-kung des Myonenspins mit demmagnetischen Moment des Protons.Da das Proton ein ausgedehntesObjekt ist, sind auch sein Spin undsein magnetisches Moment übereinen bestimmten Raumbereichverteilt. Die Spin-Spin-Wechselwir-kung zwischen dem (punktförmigen)Myon und dem ausgedehnten Protonhängt deshalb vom Radius der Mag-netisierungsverteilung im Proton ab.

Unsere Messung ergibt einenWert für den magnetischen Radiusdes Protons von 0,87(6) fm. DieserWert stimmt mit den viel genauerenelektronischen Werten überein. InZukunft planen wir neben Messun-gen der Ladungsradien von Deuteron

und Heliumkernen mit Laserspek-troskopie der entsprechenden myoni-schen Atome und Ionen auch eineverbesserte Bestimmung des magne-tischen Protonenradius. Es bleibtspannend, ob auch bei dieser Größeeine kleine Differenz im Bereichweniger Prozent auftritt.

Literatur[1] R. Pohl, et al., Nature 2010, 466, 213.[2] A. Antognini et al, Science 2013, 339, 417.[3] J. C. Bernauer et al, Phys. Rev. Lett. 2010,

105, 242001.[4] R. Pohl et al., arxiv.org/abs/1301.0905.[5] A. Antognini et al., Ann. Phys. 2013, 331,

127.[6] I. T. Lorenz et al., Europ. Phys. J. A 2012,

48, 151.

Randolf Pohl, MPI für Quantenoptik, Garching

© 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 3/2013 (44) Phys. Unserer Zeit 111

S PI N T RO N I K |Organische SpinventileAn den Kontaktflächen von magnetischen Schichten und organischenMaterialien kann es zu ausgeprägten Spinfiltereffekten im Elektronen-transport kommen. Eine solche Grenzschicht wird als Spinterface be-zeichnet. Sie erlaubt eine Optimierung spintronischer Bauelemente undkann deshalb von großer Bedeutung für die zukünftige Informations-und Kommunikationstechnologie werden. Unsere Arbeitsgruppe an derTU Kaiserslautern entschlüsselte nun in Zusammenarbeit mit einemKollegen der Universität in Tucson, Arizona, die molekularen Vorgängean einer solchen Spinterface [1].

Die Informationstechnologie nutztim Allgemeinen elektrische Ladun-gen, um Informationen zu verarbei-ten und zu speichern. Neben dieserklassischen Variante wird heutzutagezunehmend der Eigendrehimpuls desElektrons mit seinen zwei Konfigura-tionen Spin up und Spin down alsInformationsträger benutzt.

Die aktiven Elemente solcherspintronischer Bauteile basieren aufeinem Dreischichtsystem, dem sogenannten Spinventil. Dieses bestehtaus zwei magnetischen Elektroden,die durch eine nichtmagnetische,leitende oder ultradünne isolierendeZwischenschicht voneinander ge-

trennt sind (Abbildung 1). Ströme,die in diesen Systemen fließen, sindwegen der Magnetisierung der Elek -troden spinpolarisiert, das heißt dieAnzahl der Elektronen eines Spinzu-standes up oder down überwiegt.

Der Widerstand dieser Systemeist nun abhängig von der Orientie-rung der Magnetisierung der beidenElektroden zueinander (parallel oderantiparallel), wobei der Widerstands-unterschied von der Größe der Spin -polarisation der stromleitenden Elek -tronen an der Fermi-Kante abhängt.Für die Spinpolarisation ist einerseitsdas gewählte Elektrodenmaterialmaßgeblich. Andererseits können an

Ladungsradius /fm0,82 0,83 0,84 0,85 0,86 0,87 0,88 0,89

CODATA-2010

Wasserstoff

e-p Mainz

e-p JLab

Bonn VMD

Bonn VMD neu

p 2010μ

p 2013μ

A B B . 2 L A D U N G S R A D I E N

Die traditionellen Werte für denLadungsradius des Protons im Wasser-stoffatom und der elastischen Elektron-Proton-Streuung (e-p) bilden die Basisfür den offiziellen CODATA-Wert.Messungen an myonischem Wasser-stoff (μp) sowie VMD eine alternativeAnalyse derselben Daten wie [3] (VMD) führen zu signifikant kleinerenWerten.

A B B . 1 S PI N V E N T I L

Spinventil ohne a) und mit Spinfiltereffekt b). Durch dieMagnetisierung der ersten Elektrode wird die Anzahl derElektronen mit zur Magnetisierung (M) parallelem Spinerhöht (spinpolarisiert). Eine antiparallele Magnetisierungder zweiten Elektrode führt zu einem hohen, eine paralleleOrientierung zu einem etwas niedrigeren Widerstand. Durcheinen Spinfiltereffekt b) erhöht sich die Spinpolarisation derLeitungselektronen, und das Verhältnis der Widerständezwischen paralleler und antiparalleler Anordnung wirdgrößer.