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Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 1.04 1. Westfälischer Tag für Denkmalpflege 2004 Das Viehhaus von 1749/50 auf Burg Klusenstein bei Hemer Die Turmuhr von St. Nicolai zu Lemgo und ihre Restaurierung

Denkmalpflege - LWL

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Page 1: Denkmalpflege - LWL

Denkmalpflegein Westfalen-Lippe

1.04

1. Westfälischer Tag fürDenkmalpflege 2004

Das Viehhaus von1749/50auf Burg Klusenstein bei Hemer

Die Turmuhr von St.Nicolai zu Lemgound ihre Restaurierung

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Impressum:© 2004 Ardey-Verlag MünsterAlle Rechte vorbehaltenSatz/Litho/Druck: Thiekötter, MünsterPrinted in GermanyISSN 0947-829910. Jahrgang, Heft 1/04

Erscheinungsweise 2mal jährlich zum Preis von4,50 € (Einzelheft) zuzüglich Versand über denArdey-Verlag Münster, Holtmannsweg 21a48157 Münster

Herausgegeben vom Westfälischen Amt für Denk-malpflege im Auftrag des LandschaftsverbandesWestfalen-Lippe

Redaktion:Dr. Jost Schäfer (Leitung)Almuth GumprechtDr.-Ing. Roswitha KaiserDr. Fred KasparDr. Andrea PufkeDr. Thomas SpohnDr. Dirk Strohmann

Anschrift:Westfälisches Amt für DenkmalpflegeSalzstraße 38 (Erbdrostenhof)48133 Mü[email protected]

Die AutorenAus dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege:Dr. David GroppDr.-Ing. Roswitha KaiserDipl.-Ing. Hartmut OchsmannDr. Andrea PufkeDr. Kurt RöckenerDr. Thomas SpohnDr. Dirk StrohmannDipl.-Ing. Imme Wittkamp

Glockensachverständiger des Landeskonservatorsund der ev. Kirche v. WestfalenClaus PeterStarenweg 2859069 Hamm

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INHALT

1. WESTFÄLISCHER TAG FÜR DENKMALPFLEGE 2004Seite 3

AUFSÄTZE

David Gropp/Kurt Röckener/Thomas SpohnDAS VIEHHAUS VON 1749/50 AUF BURG KLUSENSTEIN BEI HEMER

Seite 4

Claus PeterDIE TURMUHR VON ST. NICOLAI ZU LEMGO UND IHRE RESTAURIERUNG

Seite 10

Imme WittkampDAS SCHICKSAL DES STAHLWERKS HENRICHSHÜTTE IN HATTINGEN

Seite 16

Roswitha KaiserVICTORIA! DIE ORGEL IST DA! DIE RESTAURIERUNG DES OSTÖNNER KLANGDENKMALS

Seite 23

Dirk StrohmannRELIKT EINER UNGELIEBTEN EPOCHE DER KIRCHENMALEREI?

Seite 30

BERICHTE

Andrea PufkeZUR INSTANDSETZUNG DES „BACKES“ IN KIRCHHUNDEM-SILBERG

Seite 34

Dirk StrohmannVON BEVERUNGEN BIS WÜNNENBERG –

EINZIGARTIGER VEDUTENZYKLUS AUS DEM HOCHSTIFT PADERBORN RESTAURIERTSeite 35

Hartmut OchsmannDIE EHEMALIGE SYNAGOGE IN PETERSHAGEN ALS INFORMATIONS- UND

DOKUMENTATIONSZENTRUMSeite 37

MITTEILUNGEN

Barbara PankokeRÜCKBLICK AUF DAS SONDERPROGRAMM 2003 „BESONDERE FENSTER“

Seite 39

BUCHBESPRECHUNGEN

HERMANN KAISER, EIN HAUS UND EINE FAMILIE IN SCHWEREN ZEITEN. CLOPPENBURG 2003(Thomas Spohn) Seite 40

GISBERT STROTDREES, HOFGESCHICHTEN. WESTFÄLISCHE BAUERNHÖFE IN HISTORISCHENPORTRAITS, MÜNSTER 2003 (Thomas Spohn) Seite 40

VERÖFFENTLICHUNGEN VON MITGLIEDERN DES WESTFÄLISCHEN AMTES FÜR DENKMALPFLEGEIM JAHR 2003

Seite 42

VERKÄUFLICHE BAUDENKMÄLERSeite 44

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1. WESTFÄLISCHER TAG FÜR DENKMALPFLEGE 2004

Lüdinghausen, Rathaus. 2004.

Das Westfälische Amt für Denkmalpflege richtet am2. und 3. Juli 2004 zum ersten Mal den „WestfälischenTag für Denkmalpflege“ unter dem Motto „Weiterbau-en am Denkmal – Historische und aktuelle Beispielevon Erweiterungs- und Zusatzbauten an Baudenk-mälern“ aus, dem in jeweils zweijährigem Abstandweitere folgen sollen. Den Teilnehmern werden Informationen und Diskus-sionsmöglichkeiten zu einem fest umrissenen Arbeits-feld der Denkmalpflege geboten. In diesem Jahr istdies der alltäglich auftauchende Wunsch nachAusweitung der nutzbaren Fläche von Baudenk-mälern. Die Auftaktveranstaltung findet in Münster imErbdrostenhof statt, dem Sitz des Denkmalamtes.Die Tagung wendet sich an Denkmaleigentümer,Denkmalpfleger, Architekten, Ehrenamtliche, Mitar-beiter von öffentlichen Verwaltungen und kirchlichenInstitutionen sowie die interessierte Öffentlichkeit. Ne-ben Referenten aus dem Westfälischen Amt für Denk-malpflege werden externe Architekten, Hochschul-lehrer, kommunale Denkmalpfleger und Nutzer vonDenkmälern sprechen.Weitere Informationen und Anmeldung bei:Dr. Hans H. Hanke, 02 51/ 5 91– 53 95,[email protected]. Barbara Pankoke, 02 51/ 5 91– 55 34,[email protected]älisches Amt für DenkmalpflegeErbdrostenhofSalzstraße 3848143 Münster

PROGRAMMFreitag, 2. Juli9.30 Uhr bis 18.00 UhrVorträge im Festsaal des Erbdrostenhofes– Begrüßung– Einführung (Prof. Dr. Eberhard Grunsky)– Das Denkmal im Spannungsfeld von Gewinn und

Verlust (Dr. Ursula Quednau)– Positionen der Denkmalpflege im Wandel der Zeit

(Dr. David Gropp)

– Zurück zur Schwere? Lehren aus der Architektur des20. Jahrhunderts (Prof. Dr.-Ing. Uta Hassler, Uni-versität Dortmund)

– Weiterentwicklung denkmalwerter Gärten und Park-anlagen (Dipl.-Ing. Uwe Siekmann)

– Westfälische Beispiele einer architektonischen Aus-einandersetzung mit dem denkmalgeschützten Be-stand (Prof. Dipl.-Ing. Oskar Spital-Frenking, Fach-hochschule Trier)

– Die ehemalige Synagoge in Blomberg – heute ge-nutzt als Stadtarchiv (Dr.-Ing. Barbara Seifen/DieterZoremba, Stadtarchiv Blomberg)

– Umbau, Erweiterung, Umnutzung – Vom Umgangmit dem Kirchenbau in Geschichte und Gegenwart(Dr. Andrea Pufke)

– Die Kirche St. Alexander in Schmallenberg – Stand-punkte und Präferenzen der Denkmalpflege im Lau-fe von 100 Jahren (Dr.-Ing. Roswitha Kaiser)

18.00 UhrFührung durch den Erbdrostenhof (Klaus Nenno)

20.00 UhrArchitekturhistorisches Kabarettvon Markus von Hagen

Samstag, 3. Juli10.00 Uhr bis ca. 18.00 UhrExkursionen– Münster (Gunnar Pick, Denkmalbehörde Stadt

Münster/Dr. Barbara Pankoke)Treffpunkt: Erbdrostenhof, Vorhalle

– Münsterland und nördliches Ruhrgebiet (Dr. UlrichReinke)Treffpunkt: Hindenburgplatz

– Ruhrgebiet (Prof. Dr. Eberhard Grunsky/Dr. Hans H.Hanke)Treffpunkt: Hindenburgplatz

BILDNACHWEISWestfälisches Amt für Denkmalpflege (Dülberg).

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Am Tag des offenen Denkmals 2003 feierte die StadtHemer (Märkischer Kreis) unter Mitwirkung der Eigen-tümer, des Heimatvereines und des WestfälischenAmtes für Denkmalpflege das 650jährige Bestehender Burg Klusenstein. Abgesehen von diesem Anlasslag der eigentliche Grund für die Feierlichkeiten in derWiederherstellung des schon aufgegebenen Vieh-hauses. Dieses Ereignis zog ca. 6000 Besucher an,die bei strahlendem Sonnenschein die Reste derBurg, aber vor allem den Kernbestand des über 300Jahre alten Pachtgutes Klusenstein – das Viehhaus –im noch unvollendeten Sanierungszustand besichti-gen konnten. Dies gab Einblicke in das komplexe undhandwerklich aufwändige Gefüge des Gebäudes.Nachdem zunächst nur der ehemalige Palast alsDenkmal eingetragen werden sollte, einigte man sichnach langen Verhandlungen, dass auch die landwirt-schaftlichen Nutzgebäude zum Denkmal gehörten.Nach Jahren fortschreitenden Verfalls entschloss sichder Eigentümer 2002, das nunmehr sehr geschädig-te Gebäude zu sanieren, obgleich weder eine öffentli-che Förderung noch eine Nutzung in Aussicht stan-den. Im Zuge der Instandsetzungsarbeiten hatte derFachbereich Inventarisation des Westfälischen Amtesfür Denkmalpflege Gelegenheit, das Gebäude näherzu untersuchen. Die Ergebnisse sollen im Folgendenvorgestellt werden.

GESCHICHTE KLUSENSTEINS ALS BURG UNDPACHTGUT Levold von Northof schreibt in seinernach 1358 erschienen Chronik der Grafen von derMark, dass der Droste Gerhard von Plettenberg in Ab-

wesenheit seines Landesherrn Graf Engelbert III.außer der später am Rand der Stadt Neuenrade ge-legenen Burg Rode im Jahr 1353 auch die Burg Klu-senstein gründete. Ihre exponierte Lage über demHönnetal (Abb. 1) und die Grenzlage zur benachbar-ten Grafschaft Arnsberg machten die Burg zu einemwichtigen märkischen Vorposten. Nachdem aller-dings 1368 die Grafschaft Arnsberg an Kurköln und1391 die Grafschaft Mark an Kleve gelangten, nah-men die Grenzstreitigkeiten ab, und die Grenzfesteverlor bald ihre Bedeutung.Die ersten Namen können Ende des 14. Jahrhundertsmit der Burg verbunden werden; es sind die BrüderEngelbert und Rotger Gibeldey, die vermutlich aus derFamilie der Vögte von Elspe stammen. Ab 1410 ist dieFamilie von Werminghausen nachweisbar. Da Jobstvon Werminghausen nur weibliche Nachkommenhatte, ging Klusenstein 1629 in den Besitz der Fami-lie von Reuschenberg über. Spätestens ab diesemZeitpunkt wurde die Burg nicht mehr von den Eigen-tümern selbst bewohnt, sondern von Rentmeisternverwaltet. Das änderte sich auch nicht, als die Burg1694 an den Hildesheimer Domkapitular Jobst Ed-mund Freiherr von Brabeck verkauft wurde. Er undseine Nachfolger haben nie hier, sondern in Haus Sö-der (Hildesheim) residiert, und so wurde KlusensteinMitte des 18. Jahrhunderts zu einem Pachtgut umge-wandelt. Dies blieb es auch unter der Familie Löb-becke, die das Gut nach 1816 kaufte, sowie unter denfolgenden Eigentümern (Phoenix; Eisen- und Stahl-werke Hoesch AG; Rheinisch-Westfälische-KalkwerkeDornap; Rheinkalk Wülfrath).

DAS VIEHHAUS VON 1749/50 AUF BURG KLUSENSTEINBEI HEMER

1. Burg Klusenstein im Hönnetal 1801, von W. Strack/F. Schütze. Das Viehhaus ist mit Steilgiebel abgebildet.

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Während die Besitzgeschichte der Burg Klusensteindurch die Quellen gut belegt ist, finden sich zur Bau-geschichte in der historischen Literatur nur wenigeAussagen. Die Erwähnung und kurze BeschreibungMitte des 18. Jahrhunderts in der westfälischen Ge-schichte von Johann Friedrich von Steinen galt bis-lang als Beleg, dass die Burganlage bis zu diesemZeitpunkt in ihrer mittelalterlichen Bausubstanz er-halten geblieben war. Auch Clausenstein, Klusen-steen geheißen, ein Rittersitz, eine halbe Stunde vonDeilinghofen an den Grenzen des Herzogthums En-gern und Westphalen, und zwar auf einem Felsen ge-legen, ist noch itzo ein vestes Schloß.Steinen vermittelt uns mit den Begriffen vest undSchloss den Eindruck, dass auf Klusenstein zu seinerZeit noch großzügige Baulichkeiten innerhalb einerFestung existierten. Neben dieser knappen Darstel-lung haben wir verschiedene Dokumente, an denenwir diese Aussage überprüfen können. Das hohe, ausBruchstein errichtete Wohngebäude ist wohl mitSchloss umschrieben, denn eine um 1804 entstan-dene, aquarellierte Umrissradierung, auf der dasWohnhaus ungefähr in den heutigen Ausmaßen zusehen ist, ist ebenfalls mit Schloss Klusenstein beyIserlohn bezeichnet (Luckhardt 1987, S. 149). Der Fe-stungscharakter ergibt sich aus der Lage und der er-haltenen Ringmauer, die bis heute den Eindruck einer‚uneinnehmbaren’ Burg vermitteln. Allerdings sugge-rieren die Aussagen von Steinens, dass die Burg mitihren Baulichkeiten zu seiner Zeit existiert hat (nochitzo) und der Verfall erst in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts eingetreten war; diesem Eindruck fol-gen noch die Forschungen von Ulrich Barth und Au-gust Kracht (Kracht 1979, S. 380f).Eine Bestandsaufnahme von 1715 (StaatsarchivMünster, Nr. 451) zeigt uns jedoch ein ganz andereshistorisches Bild: Aus der Ringmauer nächst demViehhause sind an drei unterschiedlichen Örterneinige Stücke herausgefallen (f. 21); an dem Vieh-hause an der untersten Seite ist ein Stück unten auf

der Erde aus der Mauer gefallen (f. 22) an selbigenViehhause längs der Seite sind oben unter dem Söl-ler oder Balken von der Mauer einige Stücke herun-tergefallen, der Türpost und die Schwellen wie auchdie Türen am Viehhause sind baufällig, die vorder-ste und hinterste Giebel nebst der Hönnen hin ist fastkein Brett oder Diele mehr vorhanden sogar dass dieHannejöcke aus dem Zapfen gegangen. In der fol-genden Aufzählung wird der ruinöse Zustand der ge-samten Anlage deutlich herausgestellt: Wohnhaus,Viehhaus, Brauhaus, Brückenanlage und Wasserlei-tung sind in einem desolaten, letztlich kaum noch be-wohnbaren Zustand, Dächer nicht mehr vorhanden,Kamine geborsten, Dielen verfault, Gefache ausge-brochen und Mauern zusammengestürzt. Dieser imfrühen 18. Jahrhundert beschriebene Zustand wird1733 noch einmal bestätigt, indem ein altes Wohn-haus, Brauhaus und ein altes schlechtes Viehhausnebst einer alten Stallung noch einmal aufgezählt undpauschal als alt bzw. schlecht bezeichnet werden. We-nig später trat jedoch eine Wende ein, denn in einemam 21. 1. 1751 verfassten Pachtvertrag heißt es: es seinicht allein das Wohnhaus daselbst aufs neuestesehr bequemlich eingerichtet, sondern auch einkostbares zur Ökonomie sehr wohl abtiertes neuesViehhaus von hochgedachtem Herrn Drosten darhiergesetzet worden. Johann Friedrich von Steinen hatfolglich um 1755 nicht die mittelalterliche Burg, son-dern die kurz vorher wieder instandgesetzte Anlagebeschrieben. Gute fünfzig Jahre hat der wohnliche Zu-stand gedauert, dann werden die Baulichkeiten 1806erneut von Pastor W. Aschenberg aus Hagen alsruinös beschrieben (Kracht 1979, S. 380). Allerdingsscheint der Zustand weit weniger dramatisch gewe-sen zu sein, da beim Verkauf von Burg Klusenstein imJahre 1811 die Baulichkeiten ohne negativen Kom-mentar aufgezählt werden: Ein massives Wohnhausmit guten Kellern, ein Viehhaus mit Bodenraum, einSchafstall, eine Scheune; alles dies mit einer massi-ven Mauer umgeben; dazu an Ländereien 3 Morgen84 Ruthen Gärten, 195 M 26 R Äcker, 12 M 130 R Wei-dekempe, 132 M 42 R Waldung (Summe 343 M 102R). Erst für die Mitte des 19. Jahrhunderts werden wie-der umfangreichere Baumaßnahmen, insbesonderean Nebengebäuden, fassbar.Der gegenwärtige Zustand des bis heute landwirt-schaftlich genutzten Gutes Klusenstein lässt insbe-sondere in seiner Topographie noch mittelalterlicheZustände erahnen: Das nahezu dreieckige Burgarealist dem zur Hönne stark abschüssigen Gelände durchteilweise sehr hohe Stützmauern abgewonnen. Diesegrenzen an einigen Stellen den eingeebneten Burghofein. Der Zugang zum Burggelände ist nur von Westenmöglich.Im Süden der Terrasse, am Rande des Abhangs stehtdas weit ins Hönnetal sichtbare, bruchsteinerneWohnhaus (A im Lageplan, Abb. 2), das in der Litera-tur auch als ‚Palas’ bezeichnet wird. Es ist im Wesent-lichen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuzu-rechnen. Durch enorme Mauerstärken zeichnen sichjedoch besonders an der Hofseite in Sockel- und Erd-geschoss weitaus ältere Bauteile ab. In welchem Um-fang mittelalterliche Substanz noch erhalten blieb,lässt sich jedoch im derzeitigen, bewohnten Zustandnicht zweifelsfrei ermitteln.Nördlich und südlich der Zufahrt liegen Wirtschafts-gebäude (B und C im Lageplan), die in der Mitte des19. Jahrhunderts ebenfalls unter teilweiser Einbezie-hung von vielleicht noch spätmittelalterlichen Gewöl-

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2. Hemer, Burg Klusenstein, Lageplan in Überlagerung des Ur-katasterplanes von 1829 (schraffiert) mit einer Vermessung von

1923 (feine Umrisslinie); beide Pläne sind hinsichtlich desViehhauses im Detail nicht präzise. A Wohnhaus, B und C

Wirtschaftsgebäude, D Viehhaus.

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be-, Ring- und Gebäudemauerresten hinzugefügtwurden.Südwestlich wird der Hof durch einen langgestreck-ten Fachwerkbau (D im Lageplan) geschlossen, des-sen Westwand ebenfalls auf der Wehrmauer aufsteht.Es wurde bisher aufgrund der letzten Nutzung alsScheune bezeichnet, was ebenso der letzten, schonJahrzehnte langen Nutzung wie dem baulichen Zu-stand entsprach. Für diese Nutzung waren mit Aus-nahme der Dielenseitenwände in großem Umfang ori-ginale Teile des technisch und funktional sehr kom-plexen Innengerüstes herausgesägt worden, das sichdennoch – gedanklich und zeichnerisch – weitgehendin seinem ursprünglichen Zustand rekonstruierenlässt. Errichtet war das Gebäude nämlich als multi-funktionales Ökonomiegebäude, das zwar im Dach-raum der Erntebergung, im Wesentlichen jedoch derAufstallung und in geringerem Umfang auch demWohnen von Gesinde diente. Dieses in den Quellendes 18. Jahrhunderts so bezeichnete Viehhaus wur-de in den Jahren 1749/50 errichtet.

DAS VIEHHAUS Die Rechnung des ZimmermeistersLudwig Wiethoff belegt den Beginn der Baumaßnah-men für ein neues Viehhaus: Anno 1749 d. 18. Fe-bruar ist das Holz zum Klausensteinschen Viehhau-ses Bau daselbst geschlagen und mit Zimmermei-ster Ludwig Wiethoff angewiesen undt am 20. ditoist mit der Fällung der Anfang gemacht worden. Die-se archivalische Nachricht wird durch die dendro-chronologische Untersuchung (Planungsbüro Tisjé,Neu-Isenburg) gestützt: Das Fälldatum konnte auf„nach 1746“ bestimmt werden. Der Neubau ersetzteeinen z. B. 1715 mit dem selben Begriff benanntenVorgängerbau, dessen Konstruktion unbekannt ist.Schriftliche Quelle und vorhandener Baubestand zei-gen, dass nur in geringem Umfang bereits in einemanderen, älteren Bau abgezimmertes Holz für denNeubau wieder verwendet wurde. Dagegen wurde dasGebäude vermutlich an derselben Stelle wie der ver-

fallene Vorgängerbau errichtet, denn man bezog älte-re Mauerteile in den Bau mit ein. Dafür nahm manauch den daraus resultierenden, nicht rechteckigenGrundriss in Kauf. Ein hoher Sockel aus Bruchsteinstützt das Gelände talseitig ab. Unter dem westlichenBereich führt ein etwa 60 cm hoher, aus Bruchsteingemauerter Abwasserkanal vom Hof zu dem erwähn-ten, tiefer liegenden Wiesenstück, das nur vom Ge-bäude aus zugänglich ist. Der Entwässerungskanalbefindet sich exakt unter dem Gang rechts der west-lichen Diele (XI). Der Zufluss zu diesem Kanal ist hof-seitig genau mit diesem Gang fluchtend ca. 2 m vorder nördlichen Traufwand erkennbar.

BAUGEFÜGE Der Fachwerkbau mit einer Tiefe von13,38m ist geschossig abgezimmert. Die nördliche,hofseitige Traufwand ist bei insgesamt 36,65 m Län-ge in 26 Gefache aufgeteilt (Abb. 3). Da die südliche,talseitige Traufwand aufgrund der schräg zulaufendenGiebelwände nur 20 Gefache aufweist, sind nur 21Vollgebinde vorhanden. Während die westliche Gie-belwand vollständig aus Bruchstein gemauert ist, hatdie sieben Gefache lange östliche Giebelwand nur ei-ne kurze, die Südostecke abschrägende Verbin-dungsmauer zu der talseitigen Traufwand. Die westli-che Giebelwand zeigt im unteren Bereich eher block-haftes Bruchsteinmauerwerk, während darüber flach-scholliges Gestein Verwendung fand.Die Umfassungswände wurden mit kurzen, nur übereine Riegelkette reichenden Fußstreben ausgesteift.Im Gebäudeinneren wurden fast ausschließlich dop-pelt vernagelte Ständer-Ständer-Streben eingesetzt.In der Regel sind die Gefache durch drei einfach ver-nagelte und mit römischen Abbundziffern verseheneRiegelketten gegliedert. Auch die inneren Trennwän-de, von denen drei mächtige Kuhnackenriegel auf-weisen, tragen separate Wandmarkierungen mitebenfalls römischen Ziffern. Zwei firstparallele – frei-lich angesichts der enormen Länge nicht aus einemStück gearbeitete – Unterzüge durchziehen das ge-

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3. Hemer, Burg Klusenstein, Ansicht des Viehhauses von Norden im Zustand 1975.

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samte Gebäude (Abb. 4 oben). Einfach genagelte, ge-rade Kopfbänder dienen der Aussteifung der Unter-zugsbalken mit den unterstützenden Ständern.Bei dem Dachwerk handelt es sich um ein Sparren-dach mit zwei Kehlbalkenlagen, wobei die Sparren un-mittelbar auf den Dachbalken stehen (Abb. 5). Unter-stützt werden die Sparren durch zwei stehende Stüh-le mit schlichten Kopfbändern im Längsverband. DieStuhlsäulen des unteren Stuhles sind durch Schräg-hölzer gesichert, die auswärtsweisend von den Dach-balken bis zu den Sparren reichen und hier jeweils or-dentlich verzapft sind. Der obere, ebenfalls stehendeStuhl mit Kopfbändern im Längsverband befindetsich mittig zwischen der unteren und der oberen Kehl-balkenlage, wobei die Last durch einen Ständer zwi-schen Dachbalken und unterer Kehlbalkenlage abge-tragen wird. Solche Vollgespärre finden sich unter je-dem dritten bzw. vierten Sparrenpaar (Abb. 4 oben).In den dazwischen liegenden Bereichen läuft die un-tere Kehlbalkenlage nicht durch, sondern die Sparrenleiten das Gewicht über kurze Balkenstücke auf Wech-selbalken ab. So entstehen im Dachraum relativgroße und vor allem in der Höhe ungeteilte Bansen-räume.Das Dachwerk könnte nach dem derzeitigen Baube-fund von Beginn an beidseitig abgewalmt gewesensein. Dafür sprechen die sauberen Stichbalkenkon-struktionen sowohl in der Ebene der Dachbalken- alsauch in der Ebene der unteren Kehlbalkenlage. Demstehen nur einige heute ‚leere’ Zapfenschlitze im obe-ren, östlichen Kehlbalken sowie ein weiterer in derStuhlsäule, der auf ein nach außen weisendes Kopf-

band hindeutet, entgegen. Die Annahme, dass dertalseitige Giebel im nachhinein abgewalmt wurde,wird auch durch verschiedene Abbildungen gestützt:Während der Stich Der Clusenstein im Hünenthal inder Grafschaft Mark, von Anton Strack gezeichnetund von F. Schütze 1801 gestochen (Abb. 1), nochsehr deutlich ein Satteldach zeigt, ist das Viehhaus aufeinem Aquarell, das Franz Lecke 1826 gemalt hat(Abb. 6), mit dem heute noch bestehenden Walm-dach dargestellt. Interessanterweise zeigt die im Talangesiedelte Mühle denselben Wandel: 1801 hatte sienoch einen Krüppelwalm, 1826 wird sie mit einemWalmdach dargestellt.

RAUMSTRUKTUR UND NUTZUNG Das Viehhauswar durch verschiedene Wandöffnungen in der hof-seitigen, nördlichen Traufwand erschlossen (Abb. 4unten). Bis heute sind zwei durchfahrbare Tore erhal-ten, während die meisten der ursprünglich fünf Türennachträglich geschlossen wurden. Die zwei gebäude-hohen, mit Spicksteinpflaster belegten Dielen (I, X) er-strecken sich in ganzer Gebäudetiefe und weisen je-weils eine Tür in der rückwärtigen, südlichen Trauf-wand auf. Hier schließt ein etwa 2 m tiefer gelegenesWiesengrundstück an, das wohl als Düngersammel-platz diente.Beide Seitenwände der östlichen Wirtschaftsdiele (I)zeigen jeweils drei mächtige Kuhnackenriegel, dieüber drei bzw. zwei Gefache reichen (Abb. 5); auf derDielenseite der Kuhnackenriegel befinden sich – diessei am Rande erwähnt – Inschriften, die wohl nicht vonBesuchern, sondern eher von Knechten stammen,

4. Hemer, Burg Klusenstein; Längsschnitt und Grundriss des Viehhauses in Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes derZeit um 1750.

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die mit den Jahreszahlen ihre Beschäftigungszeit aufKlusenstein vermerkten. Zu entziffern ist u. a.: O.Schwallmann 1880–82; H. Ostermann 1883–84; H. Lehaus 1884–85; W. Rohe 1888; F. Biermann1904/05; E. König 1907.Die dahinter gelegenen, jeweils gebäudetiefen Räumewaren zweigeschossig unterteilt. Sie dienten unten –nach Ausweis der Kuhnackenriegel – als Rindvieh-ställe. Eine weitere und identisch ausgebildete Wandmit Kuhnackenriegeln ist – zwischen den Räumen VIIIund IX – zwar weitgehend entfernt, aber sicher zu re-konstruieren. Sowohl der östliche Stall (II) von zweiGefachen als auch der westliche (VIII) Doppelstall vonvier Gefachen Breite waren jeweils durch eine Tür vonder Hofseite sowie nochmals von den Dielen aus er-schlossen.Die Räume über den Ställen dienten wie der Dach-boden als Lagerraum. In einem Bericht des Pächtersheißt es 1764: Das Viehhaus ist mit so viel eichenBrettern zwaren belegt als zu Hinlegung derenFrüchte erforderlich, es fehlen aber einige oben derSchneidebühne und über die Bühne hinter denSchneidebühn sind keine Bretter abhanden. DieseBühnen waren von der Diele durch jeweils zwei Lade-luken zu beschicken (Abb. 5).Der östliche Gebäudeteil in einer Länge von vier Ge-fachen war durchgängig zweigeschossig unterteiltund im Erdgeschoss relativ kleinteilig gegliedert (Abb.4 unten, Räume III bis VII), während der darüber ge-legene Bereich ohne jegliche räumliche Aufteilungblieb. Die untersten Gefache aller Umfassungs- undTrennwände waren ursprünglich – mit Ausnahme derbeiden Gefache der südlichen Traufwand – nichtdurch Backstein oder Lehm-Flechtwerk, sonderndurch horizontale Bohlen geschlossen; heute zeugenhiervon lediglich noch die breiten Nuten in den Stän-derfüßen. Solche verbohlten Gefache können als Hin-weis auf die Nutzung der Räume als Pferdeställe gel-ten, denn sie setzten Huftritten wirkungsvolleren Wi-derstand entgegen als die üblichen Ausfachungen.Die innere Erschließung der Räume ist nicht mehr si-cher nachweisbar, da sämtliche inneren Trennwändeentfernt worden sind. Sicher zu rekonstruieren ist nurnoch eine (Entmistungs- ?) Tür in der rückwärtigen,südlichen Traufwand.Die drei Gefache breite, westliche Wirtschaftsdiele (X)

war mit Ausnahme einer Tür zum westlichen Teil desGebäudes direkt hinter der nördlichen Traufwand voll-ständig von den daneben gelegenen Räumlichkeitenabgeteilt. Diese Wirtschaftsdiele war beidseitig flan-kiert von schmalen, ein Gefach breiten und haustie-fen Gängen, die jeweils über eine Türe in der hofsei-tigen Traufwand erschlossen waren. Der östlich dieDiele begleitende Gang (IX) diente als Futtergang desdaran angrenzenden Rindviehstalles (IX). Die heuteweitgehend entfernte Wand wies die schon oben be-schriebenen Kuhnackenriegel auf. Unklar bleibt da-gegen die Funktion des westlichen Ganges (XI), denndieser wies ursprünglich – bis auf eine Tür – sowohlzur Diele (X) als auch zum westlich dahinter gelege-nen Teil des Gebäudes (XII) vollständig geschlosseneWände auf.In diesem westlichen, von der Hofseite durch eine Türerschlossenen Gebäudeteil (XII) konnte nur eine klei-ne, eingeschossige Kammer (XIII) als abgeteilterRaum nachgewiesen werden. Ansonsten war derRaum in Fläche und Höhe ungeteilt; zwei mächtigeSäulen trugen zwar die im ganzen Gebäude üblichenLängs-Unterzüge, jedoch zumindest im ursprüngli-chen Zustand keine durchgehende Geschossdecke.Die Säulen sind an den Kanten sauber abgefast. Siezeigen zudem noch heute stark fettige Scheuerspu-ren, wie sie am ehesten von Schafen herrühren kön-nen. Allerdings ist die Tür in der hofseitigen Traufwandmit nur einem Gefach Breite für einen Schafstall un-gewöhnlich schmal.Nicht sicher zuzuordnen ist schließlich eine beschei-dene Wohnnutzung, die 1764 für das Viehhaus be-nannt wird: eine Bettesstätte in der Viehmagdkam-mer und im Pferdestall zwei vor die Knechte sind amehesten im östlichen Gebäudeteil (z. B. Räume IV, VI)vorstellbar.

DIE SANIERUNG IM JAHRE 2003 Der schlechte Zu-stand des seinerzeit als ‚Scheune’ bezeichneten Vieh-hauses war seit Jahren bekannt, doch scheiterten Sa-nierungsüberlegungen immer wieder an der fehlen-den Nutzung. Zum einen ist Burg Klusenstein nochimmer ein landwirtschaftlicher Betrieb, bei dem eineFremdnutzung des Viehhauses in den Betriebsablaufintegriert werden müsste, zum anderen schränkt diegeografische Lage, und hier insbesondere die man-

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5. Hemer, Burg Klusenstein; Querschnitt des Viehhauses inRekonstruktion des ursprünglichen Zustandes der Zeit um

1750.

6. Burg Klusenstein im Hönnetal 1826, von Franz Lecke. DasViehhaus ist mit Walmdach abgebildet.

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gelhafte Zuwegung über mehrere Kilometer unbefe-stigte Wege, den Kreis möglicher Nutzungen vonvornherein ein. Eigentümer und Pächter hatten keineVerwendung für den Bau. Auch die Bemühungen umFörderungen erbrachten trotz Befürwortung durchdas Westfälische Amt für Denkmalpflege kein Ergeb-nis. Aus diesen Gründen wurde ein seit 1990 vorlie-gender Abbruchantrag für die ‚Scheune’, der währendder langjährigen Bemühungen um eine neue Nutzungeinvernehmlich geruht hatte, wieder aufgenommen.Die überregionale Bedeutung des Baudenkmals BurgKlusenstein und die Unverzichtbarkeit der ‚Scheune’im Gebäudeensemble wogen jedoch so schwer, dassalle Seiten ihre Bemühungen wieder aufnahmen,letztendlich doch noch eine Lösung zu finden. Ende2002 wurde eine „Projektgruppe Klusenstein“ ins Le-ben gerufen, an der neben dem Eigentümer und denstaatlichen Stellen auch verschiedene Privatinitiati-ven, vor allem der Märkische Heimatbund, mitarbei-teten. Getragen vom gemeinsamen Willen zum Erhaltder Burganlage konnte schließlich ein tragfähigesKonzept zur Sanierung des Viehhauses entwickeltwerden.Im Jahre 2003 wurde der Bau konstruktiv und bau-technisch saniert, um seinen Bestand zu sichern undihn für neue Nutzungen zur Verfügung zu haben, wennsich solche ergeben sollten. Die bereit gestellten Mit-tel waren denn auch nur auf dieses Ziel ausgerichtet.Die Maßnahme verzichtete dementsprechend aufRückführungen oder Rückbauten. Die Ergebnisse derBauaufnahme und der begleitenden Bauforschungdurch das Westfälische Amt für Denkmalpflege konn-ten zwar mit ziemlicher Sicherheit die ursprünglichenStrukturen nachvollziehen, doch entschloss man sichletztlich zur reinen Bestandssicherung. Diese Lösungkam nicht nur dem festgelegten Budget entgegen,sondern entsprach auch denkmalpflegerischer Me-thodik, die Spuren der Vergangenheit mit allenBrüchen und Veränderungen als Bestandteil der Ge-schichte des Gebäudes zu erhalten.Dementsprechend wurden das bestehende Fach-werkgerüst durchgesehen, zimmermannsmäßig re-pariert, marode Teile ersetzt, statische Unzulänglich-keiten durch Verstärkungen behoben und, wo erfor-derlich, komplette Teile ausgewechselt. Letzteres warvor allem bei den Fußschwellen und im Dachbereicherforderlich, wo u.a. mehrere Sparren und Dachbal-ken ersetzt werden mussten. Zur statischen Sicherungwurden außerdem Streifenfundamente aus Beton un-ter die Fußschwellen gelegt und in der Mitte des Ge-bäudes aussteifende Kreuze aus dünnen Stahlstan-gen eingezogen. Vorgabe für alle Arbeiten war immer,die überkommene Substanz in möglichst großemUmfang zu erhalten und sichtbar zu lassen sowie dieerforderlichen Verstärkungen deutlich vom Bestandabzusetzen.Das Dach wurde mit Tonziegeln eingedeckt, die Ge-fache mit Vollziegeln geschlossen, die Bruchsteinbe-reiche repariert. Die Verwendung eines einheitlichen

Materials für alle Gefachfüllungen hatte wiederum Ko-stengründe. Das festgelegte Budget war durch uner-wartete weitere Schäden im Dachbereich, die erstwährend der Arbeiten zu Tage traten, sehr strapaziertworden, so dass eine differenzierte Lösung bei denAußenwänden nicht mehr möglich war.

FAZIT Dank der Sicherung und Restaurierung desViehhauses konnte ein wichtiger, historischer Be-standteil der Burg Klusenstein vor dem Verfall geret-tet werden, deren spätere Geschichte als Pachtgutsonst nur rudimentär zu veranschaulichen gewesenwäre. Durch die vor Ort erhobenen Baubefunde konn-te trotz der jüngeren Veränderungen die ursprüngli-che Raumstruktur um die Mitte des 18. Jahrhundertsrekonstruiert werden. Dies ermöglichte, die Nutzungdes Gebäudes nachzuzeichnen, die wiederum in bis-her unbekannten archivalischen Quellen ihre Bestäti-gung fand.So wurde die historische Funktion des Fachwerkbausals multifunktionaler Wirtschaftsbau erkannt und sei-ne Bedeutung nicht nur für das Pachtgut Klusensteinin ein neues Licht gestellt. Unter den nicht eben sel-tenen Ökonomiegebäuden von adeligen Herrensitzenund Gütern in der ehemaligen Grafschaft Mark undim übrigen Westfalen zeichnet sich das KlusensteinerViehhaus weniger durch seine zwar beachtlichen, aberdurchaus nicht ungewöhnlichen Dimensionen, alsvielmehr durch seine vielfältige, fast alle Bereiche ei-nes landwirtschaftlichen Betriebes unter einem Dachvereinende Nutzung aus. Die Verwendung und Ein-beziehung der unterschiedlichsten Baumaterialien –Bruchstein und Backstein, Fachwerk und Bohlenwerk– und ein höchst komplexes Baugefüge mit den viel-fältigsten konstruktiven Lösungen bis hinauf in dasteil-offene Dachwerk setzte einen aufwändigen Pla-nungsprozess voraus und macht das Viehhaus zu ei-nem bedeutenden Zeugnis der Zimmermannskunstdes 18. Jahrhunderts in Westfalen.

QUELLENStaatsarchiv Münster, Haus Hemer, Akten Nr. 451, 600.Wilhelm Honselmann, Die Burg Klusenstein. In: Heimatblätterfür Hohenlimburg und Umgebung 7/1971, S. 154ff. – AugustKracht, Burg Klusenstein, in: Bürger und Heimatverein Hemer(Hg.), Hemer, Beiträge zur Heimatkunde. Hemer 1979, S. 365–389. – Jochen Luckhardt (Bearb.), Westfalia Picta, Bd. 2. Biele-feld 1987. – Johann Friedrich von Steinen, Westphälische Ge-schichte, Bd. 1. Lemgo 1752. – C. L. P. Tross (Hg. u. Überset-zer), Levold’s von Northof Chronik von der Mark. Hamm 1859.

BILDNACHWEISReproduktionen: August Kracht: Burg Klusenstein, in: Bürgerund Heimatverein Hemer (Hg.) S. 365–389, hier S. 375: 2. – Jo-chen Luckhardt (Bearb.): Westfalia Picta, Bd. 2. S. 36, 150: 1,6. – Westfälisches Amt für Denkmalpflege: 3 (Barth); 4, 5(Gropp/Spohn).

David Gropp/Kurt Röckener/Thomas Spohn

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Der Regelung des Tageslaufs durch liturgische undprofane Glockenzeichen trat – als unentbehrlicheKomponente städtischer Verwaltung – bald auch dieZeitmessung durch öffentliche Uhren zur Seite. Be-reits lange vor dem Aufkommen der Räderuhr gab esVorrichtungen, mit denen die Zeit gemessen werdenkonnte. Doch seit dem ausgehenden 13. Jahrhundertnahmen die Räderuhren diese Aufgabe wahr.Zunächst gaben kleine sog. Türmeruhren dem Tür-mer das Zeichen, die Stunden von Hand auf dieGlocken zu schlagen. Das lateinische Wort signum alseine der ältesten Bezeichnungen für die abendländi-sche Glocke bringt diese Zeichen gebende Funktionder Glocke deutlich zum Ausdruck.Als Zeitraum des Aufkommens der Räderuhr gilt nachdem gegenwärtigen Stand der Forschung die zweiteHälfte des 13. Jahrhunderts. Dabei ist jedoch die Ab-grenzung des Begriffs Räderuhr zu beachten: Uhrenmit Zahnrädern gab es damals schon lange; so konn-ten die früher weit verbreiteten Wasseruhren bereitsmit komplizierten astronomischen Rädersätzen aus-gestattet sein. Als Räderuhr im eigentlichen Sinne be-zeichnet man heute aber eine Uhr, in welcher der An-trieb einer Räderkette mittels eines Gewichts durch ei-ne sog. Hemmung in regelmäßige, kleine, stets glei-che Zeiteinheiten aufgeteilt wird.Die Einteilung des Tages geschah zunächst durchAufteilung des Tages in einen hellen und einen dunk-len Teil, deren jeder in 12 Stunden aufgeteilt war, diewegen des unterschiedlichen Zeitpunktes von Son-nenauf- und Untergang im Laufe des Jahres von un-gleicher Länge waren. Zunächst in einzelnen Städten,häufiger dann im 14. Jahrhundert trat die Einteilungeines Tages in Äquinoktialstunden (24 gleich langeStunden) an die Stelle der vorgenannten Temporal-stundenzählung. Die Übernahme der Tageseinteilungin gleich lange Stunden steht aber offenbar wenigerin Zusammenhang mit der Verbreitung der Räderuhrselbst (deren technisch bedingter isochroner Lauf janur gleich lange Stunden messen kann) als vielmehrmit dem Aufkommen der ersten, die Stunden schla-genden Uhren (Dohrn-van Rossum); denn bald schonwar der Wunsch entstanden, die vormals manuelleakustische Zeitangabe (Anschlagen der Uhrzeit durchden Türmer von Hand) zu automatisieren. Mit Erfin-dung des von einem Gangwerk ausgelösten, von ei-ner Schlossscheibe gesteuerten Schlagwerks wardann seit dem 14. Jahrhundert jener kunstvolle Me-chanismus einer Turmuhr entstanden, der im Lauf derJahrhunderte eine von vielen technischen Neuerun-gen inspirierte Entwicklung durchlaufen und so zu ei-nem der interessantesten Kapitel der Technikge-schichte werden sollte.In den wesentlichen Zügen ist diese, im Vorstehendenkurz umrissene Entwicklung auch in Westfalen ver-laufen, hier vielleicht sogar begünstigt durch die ge-rade seit dem 13. Jahrhundert besonders manifesteEtablierung städtischer Strukturen, die solch regeln-der Elemente bedurften. Es ist keineswegs so (wie ver-schiedentlich angegeben), dass öffentliche Uhrensich nur in den größeren Städten des Landes befan-den; vielmehr gab es in Westfalen auch in den kleine-ren Städten Turmuhren schon im 15. Jahrhundert (fürDülmen möglicherweise durch zwei Uhrglocken be-

reits für das 14. Jahrhundert belegt). Spätestens seitdem 16. Jahrhundert verfügten auch Landkirchenüber eine Turmuhr.Als Standort einer städtischen Uhr und Glocke kamendas Rathaus (sofern es über einen Turm oder wenig-stens einen Dachreiter verfügte) und die in der Regeldiesem nahegelegene Stadtpfarrkirche gleicher-maßen infrage. In Lemgo wird sich die städtische Uhrwohl von Anfang an in einem der Türme der direkthinter dem Rathaus gelegenen Nikolaikirche befun-den haben; denn das Lemgoer Rathaus, das erst imLaufe eines längeren Zeitraumes aus einem Komplexverschiedener Gebäude zu einem Rathaus im enge-ren Sinne zusammengewachsen war (BKW StadtLemgo), hat nie über einen eigenen Turm verfügt; ei-ne für 1598 überlieferte Neudeckung des „Glocken-turmes“ mit Reparatur der Glocke (BKW Stadt Lem-go, S. 507) dürfte sich denn auch eher auf den seitAlters im Besitz der Stadt befindlichen Nordturm vonSt. Nicolai und die darin befindliche Uhrglocke bezo-gen haben.Aus dieser auch anderenorts vielfach anzutreffendenKonstellation, Kirchtürme für Zwecke der öffentlichenZeitangabe und sonstige administrative Aufgaben(Türmer, Feuer- bzw. Sturmglocke etc.) zu nutzen, re-sultiert, dass in vielen Fällen dem Magistrat der Un-terhalt von Turm und Glocken oblag, und er oft auchEigentumsrecht an diesen hatte. Vielfach wurde die-ses dann im Laufe der Zeit abgelöst und auf die Kir-che übertragen – in Hamm z. B. geschah das bereits

DIE TURMUHR VON ST. NICOLAI ZU LEMGO UNDIHRE RESTAURIERUNG

1. Die Westtürme von St. Nicolai. Im vorderen (nördlichen)Turm steht im untersten der befensterten Geschosse das Uhr-werk. In der Laterne der Turmhaube hängt die jetzt dem Uhr-

schlag dienende Glocke. 1981.

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in der zweiten Hälfte des 16. Jh., in Lippstadt erst ge-gen Ende des 19. Jahrhunderts. Der Nordturm vonSt. Nicolai in Lemgo hingegen befindet sich nochheute im Eigentum der Stadt, während der Südturmals Eigentum der Kirche das dieser dienende Geläu-te trägt (hier zwei große Glocken des 13. Jahrhun-derts, die wegen ihrer Klangschönheit zu den wert-vollsten Denkmälern ihrer Art in Westfalen gehören).Nach gegenwärtiger Kenntnis wird eine Uhr an St. Ni-colai erst verhältnismäßig spät, 1577, erwähnt, als sievon einem Uhrmacher aus Warstein repariert wurde.Doch dürfte zu diesem Zeitpunkt die Uhr bereits meh-rere hundert Jahre Bestand gehabt haben, denn öf-fentliche Uhren wurden in westfälischen Stadtkirchen,wie bereits erwähnt, im Verlauf des 14. Jahrhundertsallgemein üblich. Der 1577 erwähnten Uhr dientezweifellos bereits die heute in der Laterne des Nord-turmes befindliche Glocke als Stundenschlagglocke.Zwar war diese, wie die Abnutzung am Schlagringzeigt, ursprünglich eine Läuteglocke. Sie muss aberspätestens mit dem Aufrichten der mehrteiligen Re-naissancehaube an ihre heutige Stelle gelangt sein;zu späterer Zeit war das nämlich so gut wie ausge-schlossen, denn zum Einbringen der Glocke in dieTurmlaterne hätte diese wegen der Größe der Glocketeilweise zerlegt werden müssen. Die Glocke füllt denlichten Innenraum zwischen den Ständern nahezukomplett aus!Auch wenn die Geschichte der Uhr nach den Quellenbisher nicht aufgearbeitet wurde, muss man davonausgehen, dass sie stets nur als Schlaguhr diente undnicht über eine Zeitanzeige durch ein Außenzifferblattverfügte. Dies ist eher ungewöhnlich, denn selbstLandkirchen waren, durch erhaltene Beispiele belegt,mindestens seit dem 16. Jahrhundert häufig mit ei-nem solchen versehen (Reinke, Zifferblätter). Des wei-teren kann man annehmen, daß die Uhr lediglich dieStunden schlug, denn kurz nach Anschaffung der

heutigen, mit zwei Schlagwerken ausgestatteten Uhrim Jahre 1851 lieferte der Lemgoer Glockengießer H.Trebbe eine Glocke für den Viertelstundenschlag. Dasdeutet darauf hin, dass die Uhr bis zu diesem Zeit-

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2. In der Turmhaube von St. Nicolai. Die Abbildung zeigt, wie schwierig und gefährlich die Zuwegung zu exponiert hängendenGlocken oft ist. 2002.

3. Sonnenuhr an der Südseite von St. Nicolai. DerartigeSonnenuhren dienten nicht nur der allgemeinen Zeitangabe

sondern auch als wichtiges Zeitnormal zur Regulierung der Räderuhren. 1987.

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punkt kein Viertelschlagwerk hatte, sondern lediglichdie Stunden angab. Zwar sind Turmuhren mit Viertel-schlag seit dem 14. Jahrhundert bekannt, werdenvom 16. Jahrhundert an häufiger (Bamberg, Dom,1529; Münster, Dom 1696), auch erhielten manche,nur mit Stundenschlag ausgerüstete Werke später einViertelschlagwerk beigefügt (z. B. Lübeck, St. Jacobi,1783/84; Rahden/Westf. 1838); allgemein aber habensich in Westfalen Turmuhren, welche nur die Stundenschlagen, besonders lange gehalten.Die bereits erwähnte Anschaffung einer neuen Uhr fürden Nicolaiturm erfolgte im Jahre 1851. Das Werkwurde von der Berliner Firma C. Möllinger geliefert.Möllinger entstammte einer weit verzweigten, bis insausgehende 17. Jahrhundert nachzuweisenden pfäl-zischen Uhrmacherfamilie. E. Möllinger, KöniglichPreußischer Hof- und Stadtuhrmacher in Berlin, be-trieb dort bereits in den 20er Jahren des 19. Jahr-hunderts eine Fabrik für Turm- und Hofuhren.Die Uhren Möllingers wie auch die meisten der späte-ren Uhren Berliner Provenienz haben in der Regel ei-

nen horizontalen Werkaufbau, wie er im 19. Jahrhun-dert üblich wurde, d. h. die Achsen der einzelnen Rä-der und Hebel sind nebeneinander angeordnet. EineAusnahme bildet das Gehwerk, dessen Achsen übe-reinander liegen. Als Hemmung verwendete Möllingervorzugsweise den im mittleren 19. Jahrhundert oftzum Einsatz gebrachten Scherenstiftengang, einesehr robuste, leicht zu fertigende und für Turmuhrengut geeignete Hemmung. Zur Ausführung kam hierjene Version des Scherenstiftenganges, bei dem dieStifte auf beide Seiten des Steigrades verteilt sind. Dader Stiftengang zu den ruhenden Hemmungen zählt,gewährleistet er bei guter Imprägnierung der Pendel-stange gegen feuchtigkeitsbedingte Längenände-rung eine recht hohe Ganggenauigkeit (die Längen-änderung durch Temperaturschwankungen spielt beiHolzstabpendeln nur eine sehr geringe Rolle).Die Fa. Möllinger lieferte damals Uhren unterschiedli-cher Disposition, je nachdem, was sich der jeweiligeAuftraggeber leisten konnte oder wollte. Daher wur-den die verschiedenen Werke (Geh- und Schlagwer-ke) nicht, wie bisher üblich, in ein gemeinsames Werk-gestell eingebaut, sondern das Gehwerk und jedes derbeiden Schlagwerke erhielten ein eigenes Werkgestellfür sich. So konnten die Uhrensysteme nach Wün-schen der Auftraggeber mit oder ohne Viertelschlagoder auch nur als Gehwerk für Zeigerbetrieb zusam-mengestellt werden, wodurch sich auch die Produk-tion der Uhren sehr rationell gestaltete. Die (in Einzel-fällen auch schon früher beobachtbare) Tendenz zurRationalisierung des Herstellungsverfahrens ist nebender Einführung technischer Verbesserungen und neu-er technischer Systeme eines der wesentlichen Merk-male der Turmuhrenfertigung im 19. Jahrhundert.Eine weitere technische Neuerung im Turmuhrenbaudieser Zeit ist die durch die bereits erwähnte horizon-tale Werkanordnung mögliche leichte Montage oderDemontage. Die Radachsen laufen in oben offenenBronzelagern, die mit einer splintgesicherten Lasche

4. Gesamtansicht nach der Restaurierung. 2002.

5. Gesamtansicht der Uhr im Zustand vor der Restaurierung.1982.

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gegen das Herausgleiten der Achszapfen gesichertsind. So ist es möglich, bei Reinigungs- oder Repara-turarbeiten nahezu jedes Rad der Uhr einzeln aus- undeinbauen zu können, ohne dafür das ganze Werk zer-legen zu müssen. Auch der für die korrekte Auslösungund Sperrung der Schlagwerke erforderliche, genauzueinander abzustimmende Eingriff der Schlagwerks-räder ist bei dieser Art der Lagerung viel leichter her-zustellen.Mit diesen technischen Neuerungen repräsentierendie Uhren Möllingers und damit auch die LemgoerUhr ein wichtiges Stadium in der Entwicklung von derindividuellen Uhrenfertigung zur seriellen fabrikmäßi-gen Herstellung.Die Uhr der Nikolaikirche wurde 1851 als reineSchlaguhr beschafft und setzte damit die Tradition derVorgängerwerke fort. Obwohl technisch die Möglich-keit bestand, wurde auch diesmal auf die Anbringungeines Außenzifferblattes verzichtet, um so verwunder-licher, als die Nicolaikirche im Stadtzentrum liegt unddie nächste Uhr mit einem Zifferblatt erst ganz amRand der Altstadt, an der ehem. Klosterkirche derFranziskaner, St. Johann, zu finden ist; ob die moder-nen Zifferblätter am Turm der Neustadt-Kirche St. Ma-rien einen älteren Zustand fortschreiben, wäre nochzu klären. So bediente die Uhr der Nicolaikirche wei-terhin ohne sichtbare Zeitanzeige lediglich zweiSchlagglocken zur Angabe der Viertelstunden und derStunden. Als Stundenglocke diente die bereits er-wähnte, in der Laterne des Nordturmes befindlicheGlocke, ein Gußwerk wohl aus dem 13. oder 14. Jahr-hundert. Zum Viertelschlag wurde 1856 von demLemgoer Glockengießer H. Trebbe eine neue Glockebezogen. Sie wurde im 1. Weltkrieg vernichtet. Da ei-ne Ersatzbeschaffung nicht erfolgte, wurden die Vier-telstunden fortan nicht mehr geschlagen; das Viertel-schlagwerk mußte jedoch „stumm“ mitlaufen, weil eszur Auslösung des Stundenschlages benötigt wird.Als der Verfasser die Uhr in den 1960er Jahren erst-mals in Augenschein nehmen konnte, befand sie sichnoch einwandfrei in Betrieb und der Schlag der altenGlocke begleitete das Leben in der Stadt. Doch baldschon wurde die Uhr vermutlich wegen des nichtmehr sicherzustellenden regelmäßigen Aufziehensstillgelegt, obwohl es auch damals leicht möglich ge-wesen wäre, den Aufzug automatisch einzurichten.Statt dessen übernahmen nun zwei über Magnet-hämmer angeschlagene Glocken des im gleichenTurm befindlichen Glockenspiels die Aufgabe desUhrschlages. Das alte wertvolle Werk geriet in Ver-

gessenheit und immer mehr in Verfall.So war es nun, um den endgültigen Abgang der Uhrzu verhindern, überfällig, die Anlage zu restaurieren,ein Vorhaben, das sich der Verein Alt-Lemgo zueigenmachte.Im Einzelnen war dazu erforderlich:a) Demontage der Uhr, reinigen, konservieren derOberfläche, Zusammenbau, Probelauf und Wieder-einbau im Turm,b) Anbau eines automatischen elektrischen Aufzuges,c) Herstellen der nur noch teilweise vorhandenen Ver-bindung zur Stundenglocke in der Turmlaterne,d) Einrichten einer geeigneten Spielglocke für denViertelschlag.Nach ausführlichen Vorbesprechungen wurde derAuftrag zur Durchführung der Arbeiten an die Fa. H.Perrot in Calw vergeben, die in Absprache mit demVerfasser im Anschluß an die Restaurierung der Uhreinen elektrischen Aufzug mit Endlosketten einbaute.Die Technik, zwischen zwei selbständige Räderketteneine Endloskette anzuordnen, sie dadurch in gegen-seitige Abhängigkeit zu bringen, dabei aber gleichzei-tig ihre Selbständigkeit zu wahren, wurde im Turm-uhrenbau um 1900 eingeführt, als man deren Vortei-le zu nutzen beabsichtigte, den Gangregler (die ei-gentliche „Uhr“) und den Zeigerantrieb voneinanderzu trennen, um einen präziseren Gang der Uhr zu er-zielen. Davon machten insbesondere süddeutscheTurmuhrenbauer Gebrauch, während andere das Pro-blem mittels eines zwischengeschalteten Differential-räderwerkes oder einer Spiralfeder lösten (letzteres vorallem französische Firmen). Doch gleich mit der in-dustriemäßigen Herstellung und Verbreitung vonElektromotoren wurde das System auch zum auto-matischen Aufziehen von Turmuhren genutzt, da essich besonders leicht und mit wenig Aufwand her-stellen lässt und vor allem auch in ältere Werke mitgeringstem Aufwand und bestandschonend einzu-bauen ist. Zudem arbeitet es bei Verwendung geeig-neter Vorsatzgetriebe an den Motoren außerordent-lich ruhig und betriebssicher. Systembedingt kommtes bei diesem Aufzug zur Aufrechterhaltung desGanges während des Aufziehens, so dass Aufzüge mitEndloskette auch in Uhren ohne Gegengesperre imGangwerk einzusetzen sind, und das Aufziehen derSchlagwerke auch dann erfolgen kann, wenn diesegerade in Betrieb sind.Zu den ersten Firmen, welche solche Aufzüge auchserienmäßig bauten, gehörte die Fa. Johann FriedrichWeule in Bockenem/Harz. Doch auch andere Turm-

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6. Die Anrichtungsteile des Stundenschlagwerkes im Zustandvor der Restaurierung. 1982.

7. Das Gehwerk mit dem Scherenstiftengang im Zustand vorder Restaurierung. 1982.

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uhrenhersteller wussten bald die Vorteile des Systemszu nutzen. Erst viel später wurden dann serienmäßigTurmuhren mit neu entwickelten automatischen Auf-zügen gefertigt, die mit einem in den Walzen liegen-den Differentialräderwerk arbeiten. (In Westfalen wa-ren dies vorzugsweise die Firmen Eduard Korfhage &Söhne sowie Bernhard Vortmann).Mit diesen Eigenschaften bot sich das Endlosketten-System hervorragend zum Einbau auch in die Lem-goer Uhr an. Um dabei das Erscheinungsbild des al-ten Werkes so wenig wie möglich zu stören, wurdendie Motoren innerhalb des Uhrenbocks unterhalb desWerkgestells angebracht, und die Ketten mit den Ge-wichten in das darunterliegende Turmstockwerk ab-gehängt. Hier ist so viel Fallhöhe vorhanden, dass nuralle 12 Stunden ein Aufzug nötig wird. Während esgrundsätzlich möglich ist, den Aufzug alle 12 Stundendurch das Uhrwerk selbst auslösen zu lassen (z. B.über die Schlossscheibe des Stundenschlagwerkes),wurde hier, der Einfachheit halber, eine kleine elektri-sche Schaltuhr installiert, welche diese Aufgabe über-nimmt.Auf die grundsätzlich wünschenswerte Wiederver-wendung der alten, sicher noch vom Vorgängerwerkstammenden Steingewichte wurde auf Vorschlag desVerfassers ausnahmsweise verzichtet. Vor allem für diebeiden Schlagwerke erwiesen sie sich als viel zuschwer; sie hätten das wertvolle Uhrwerk technischvöllig unnötig überbelastet und so Verschleiß und vor-zeitigem Vergang Vorschub geleistet. Daher wurdenneue, aus Eisenplatten zusammengefügte Gewichtegefertigt, die durch Zulegen oder Abnehmen einzel-ner Platten genau auf den Kraftbedarf des jeweiligenWerkes ausgelegt werden konnten.Für die Ausführung des Viertelschlages wurde eine zuder hoch oben in der Turmlaterne befindlichen Stun-denglocke tonlich passende Glocke aus demGlockenspiel gewählt. Sie wurde mit einem Fallham-mer ausgestattet, der in herkömmlicher Weise mittels

Drahtzug von dem ein Stockwerk tiefer gelegenenUhrwerk betätigt wird.Grundsätzlich wäre es möglich gewesen, auch die et-wa 30 m höher gelegene Stundenglocke über einensolchen Drahtzug zu betätigen, wie es jahrhunderte-lang der Fall war. Jedoch ist die Verlegung einer der-art langen Hammerzugleitung, vor allem ihre genaueJustierung eine immens arbeitsaufwändige und da-mit teure Maßnahme. Daher wurde unterhalb derSchlagglocke im Inneren der Turmhaube ein elektri-sches Motor-Hubwerk installiert, das über einen vomStundenschlagwerk der Uhr betätigten Schalter für je-den abzugebenden Schlag einen Stromimpuls erhält.So wurde eine Lösung getroffen, die, ohne Spuren zuhinterlassen, wieder rückgängig gemacht und durchden konventionellen Drahtzug ersetzt werden könnte,wenn man es denn möchte.Eine wichtige bestandssichernde Maßnahme steht al-lerdings noch aus: Im Zuge der Voruntersuchungenzeigte sich nämlich, dass der uralte Schlaghammeran der Glocke viel zu tief, nämlich unten an der Schär-fe, der dünnsten und empfindlichsten Stelle derGlocke, anschlägt. Abgesehen davon, dass dieGlocke dadurch einen unschönen blechernen Klangentläßt, besteht die akute Gefahr, dass sie – ähnlichwie beim Läuten mit zu tief hängendem Klöppel –Schaden leidet. Allerdings ist ein Versetzen des Ham-mers wegen der ungünstigen Lage nur mittels einesFahrkorbes von außen möglich. Daher sollten dieseArbeiten mit demnächst notwendigen Sicherungs-maßnahmen an der Deckung im oberen Bereich derTurmhaube verbunden werden, bei deren Gelegen-heit dann auch die z. Z. lose an den Balken der Turm-konstruktion hängende und bei jedem Schlag hin undher pendelnde Glocke wieder fachgerecht zu befesti-gen wäre, um ein allmähliches Durchscheuern derKronenhenkel zu verhindern. Inzwischen jedoch tra-ten weitere Schäden auch an der Glocke selbst (ab-gerissener Kronenhenkel etc.) zutage. Das weitere

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8. Rückseite des Uhrwerks mit Richtrad und Schlagauslösungim Zustand vor der Restaurierung. 1982.

9. Das Gehwerk im Zustand nach der Restaurierung. 2002.

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Vorgehen in dieser schwierigen Situation wird z. Zt.beraten.Mit der Restaurierung und Wiederinbetriebnahme derUhr von St. Nicolai ist ein wertvolles technischesDenkmal vor weiterem Verfall bewahrt – nach Art undUmfang die erste derartige Maßnahme im westfä-lisch-lippischen Bereich. Es bleibt zu hoffen, dass die-se vorbildliche Maßnahme dem nach wie vor beden-kenlos praktizierten Ausmustern selbst wertvollstermechanischer Turmuhren entgegenwirken kann undwenigstens einige der zahllosen, oft noch voll be-triebsfähigen, jetzt aber stillgelegten Turmuhren wie-der in Gang gebracht und der Nachwelt erhalten wer-den können, bevor sie anonym in Sammlungen oderim Antiquitätenhandel verschwinden oder in einen Zu-stand geraten, der ihnen bestenfalls noch den hinter-sten Platz in irgend einem Museumsmagazin zuge-steht.

LITERATURZur allgemeinen Geschichte der öffentlichen Zeitmessung:Dohrn-van Rossum Gerhard, Die Geschichte der Stunde. Mün-chen 1995.Zur Technik und allgemeinen Geschichte der Turmuhren: UlrichBöhme/Claus Peter, Mechanische Turmuhren, ein unaufgebba-res Kulturgut, in: Glocken in Geschichte und Gegenwart, Bd. II.Karlsruhe 1997, S. 398 ff. – Igor A. Jenzen (Hg.), Uhrzeiten. DieGeschichte der Uhr und ihres Gebrauches. Historisches Muse-um Frankfurt, 1989. – Günther Glaser (Hg.), Turmuhren. BandII/6 a des Handbuches der Chronometrie und Uhrentechnik.Stuttgart 1991.Zu westfälischen Turmuhren und zu St. Nikolai/Lemgo: Bau- undKunstdenkmäler von Westfalen. Bd. 49, Teil 1: Stadt Lemgo.Münster 1983. – Claus Peter, Zur Entwicklung des Turmuhren-baues in Westfalen, in: Westfalen Jg. 1984. – Ulrich Reinke, FrüheTurmuhrzifferblätter in Westfalen und am Niederrhein, in: Zeit-schrift Westfalen Bd. 62, Münster 1984. S. 245–251. – Claus Pe-

ter, Zur Technikgeschichte mechanischer Turmuhren im westfä-lischen Raum. Hrsg. vom Münsterland-Museum Telgte (in Vor-bereitung).Zur Uhrmacherfamilie Möllinger: Knut Deutschle, Meister der al-ten Turmuhren. Rockenhausen 1987. Hier S. 20–24 u. 38. –Ders., Die alten Turmuhren. Rockenhausen 1989. Hier S. 57, 73,76,77.

BILDNACHWEISC. Peter, 1–11

Claus Peter

10. Einer der unterhalb des Uhrwerks montierten Getriebe-motoren für den Aufzug. 2002.

11. Funktionsskizze zu einem Aufzug mit Endloskette.a Ketten-Radkranz auf der Gehwerkwalze a´ montiert

b lose Rolle mit Antriebsgewicht b´c Kettenrad am Vorsatzgetriebe des elektr. Aufzugsmotors

d lose Rolle mit kleinem Gegengewicht zum Strammhalten derKette

e endlose KetteS1 Einschalter des elektrischen Aufzuges, betätigt durch das

sinkende AntriebsgewichtS2 Ausschalter des elektrischen Aufzuges

Alle Zusatzeinrichtungen wie Sicherheitsabschaltung beiSystemausfall etc. sind in der Skizze nicht wiedergegeben.

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DAS SCHICKSAL DES STAHLWERKS HENRICHSHÜTTEIN HATTINGEN

Im Dezember 1987 wurden auf der 1854 konzessio-nierten Henrichshütte in Hattingen die beiden noch inBetrieb befindlichen Hochöfen ausgeblasen. Wäh-rend ein Hochofen Wiederverwendung in China fand,wurde der zweite mit den zugehörigen Betriebsanla-gen als Denkmal der Eisenhüttengeschichte in dieDenkmalliste der Stadt eingetragen. Das Hochofen-werk gehört heute als Außenstelle zum WestfälischenIndustriemuseum des Landschaftsverbandes Westfa-len-Lippe.Als eines der ersten deutschen Hüttenwerke ging dieHenrichshütte schon bald nach ihrer Gründung zueinem gemischten Betrieb der Eisen- u n d Rohstahl-erzeugung über. Weil hier neben der Eisenerzeugungwichtige technologische Entwicklungen der Roh-stahlproduktion und Weiterverarbeitung nachvollzo-gen werden können, rückte auch das Stahlwerk nachseiner Stilllegung im Jahre 1993 in das Interesse derDenkmalpflege.

DIE BESTANDTEILE DES STAHLWERKS Die ge-samte Anlage besteht aus einem LD-Stahlwerk (Blas-stahlwerk, das nach dem Linz-Donawitz-Verfahren,kurz LD-Verfahren, arbeitet) und einem Elektrostahl-werk, beide mit technischer Ausstattung, einerStranggießanlage und dem einstigen Siemens-Mar-tin-Stahlwerk, dessen Öfen allerdings nicht mehr exi-stieren.Maßgebend für die Planung des 1970 in Betrieb ge-nommenen LD-Stahlwerks und für die Neuordnungder Elektrostahlerzeugung in den Jahren 1975/76 warder jährliche Rohstahlbedarf der Henrichshütte von1,2 bis 1,5 Mio t einschließlich 200 000 bis 250 000 tElektrostahl. Die 1967 in Betrieb gegangene Strang-gießanlage sollte möglichst reibungslos mit rund zweiDritteln der LD-Stahlmenge sowie einer Mehrzahl vonElektrostahlgüten bis zum rostfreien Material versorgt

werden. Für dicke und schwere Bleche benötigte manRohbrammen bis 40 t, für Schmiedestücke Blöckevon 1 bis über 300 t Einzelgewicht, für Stahlformgussflüssige Stahlmengen von 30 bis über 400 t. Durchdie nahe Zuordnung zum Siemens-Martin-Werk konn-ten nach dessen Stilllegung die Gießhalle und derSchrottplatz für die Neuanlagen weiter genutzt wer-den.

DAS LD- ODER BLASSTAHLWERK Aus Leistungs-und Verfahrensgründen erfolgte auf der Henrichshüt-te Ende der 1960er Jahre die Umstellung in der Roh-stahlerzeugung vom Siemens-Martin-Verfahren aufdas sogenannte LD-Verfahren. Am 3. Oktober 1970konnte nach nur 18monatiger Bauzeit das LD-Stahl-werk in Betrieb genommen werden. Der Neubau um-fasste im Wesentlichen die eigentliche Konverteranla-ge mit einem 150-t-Konverter, die Roheisenübergabe– das flüssige Roheisen wurde vom nahe gelegenenHochofenwerk der Henrichshütte in Torpedopfannenzum Stahlwerk gebracht –, die Einsetz- und Abstich-halle, das Rauchschiff, die außenliegende Entstau-bungsanlage sowie die Verlängerung der wenige Jah-re zuvor errichteten Stranggießhalle. 1972 erhielt dasLD-Stahlwerk eine Konverter-Ausmauerungshalleund 1980 eine Legierungsanlage.

DAS ELEKTROSTAHLWERK Das zweite Standbeinder Hattinger Rohstahlerzeugung bildete das Elek-trostahlwerk. Schon Ende der 1950er Jahre arbeite-ten auf der Henrichshütte ein 30- und ein 80-t-Elek-troofen. Ihre räumliche Trennung, die technische Aus-rüstung und die Umweltbestimmungen zwangen je-doch zu einer Neuordnung in diesem Bereich. 1975wurde deshalb mit dem Bau eines neuen Elek-trostahlwerks begonnen, dessen Inbetriebnahme1976 erfolgte. Es schließt in einer Länge von 69 m

1. Grundriss des Stahlwerks der Henrichshütte.

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östlich an das LD-Stahlwerk an und ist in drei Haupt-bereiche gegliedert: die Ofenhalle, die Zuschlagstoff-wirtschaft und die Entstaubungsanlage. Aus Gründendes Schallschutzes ist das Gebäude in einer Mehr-schalenbauweise errichtet worden.Ursprünglich standen in der Ofenhalle ein 40- und ein100-t-Ofen. Beide Aggregate waren keine Neukon-struktionen, vielmehr vergrößerte man die beidenoben genannten Elektroöfen aus den 1950er Jahrenund brachte sie auf den damals neuesten Stand derTechnik. Der 100-t-Ofen wurde später nochmals auf150 t vergrößert. Er ist heute noch erhalten. Der zwei-te Ofen, der 1989 zu einem 140-t-Pfannenofen um-gebaut wurde, ist nach Stilllegung des Stahlwerks ver-kauft worden.

DIE STRANGGIEßANLAGE Den beiden stahlerzeu-genden Betrieben – LD- und Elektrostahlwerk – wa-ren drei Gießbetriebe nachgeschaltet: die Strang-gießanlage, der Standgussbetrieb und der Stahl-formguss. Etwa 60% des flüssigen Rohstahls wurden

über die Stranggießanlage und 40% als Stand- undFormguss in der Gießgrube des stillgelegten Sie-mens-Martin-Werkes abgegossen.Die Stranggießanlage wurde 1966 gebaut und konn-te am 15. Januar 1967 in Betrieb genommen werden.Die Anlage arbeitete über zwei getrennt abzugießen-de Stränge. Die höchste monatliche Produktions-menge betrug nach Inbetriebnahme des LD-Stahl-werks und nach einigen Änderungen auf der Strang-gießanlage im Oktober 1974 etwa 73.000 t. Bis zumFebruar 1977 wurden insgesamt etwa 5 Mio. t Bram-men als Vormaterial für das Blechwalzwerk erzeugt.Zwischen 1976 und 1979 erhielt die Stranggießanla-ge im Norden einen überdachten Lagerplatz: die Ad-justage.

DAS SIEMENS-MARTIN-STAHLWERK Im Septem-ber 1905 ging auf der Henrichshütte ein Siemens-Martin-Werk mit zunächst fünf Siemens-Martin-Öfenin Betrieb. Es hatte die für jene Zeit gewaltigen Aus-maße von 168 x 45 m und bestand aus der Ofen- und

2. Blasstahlwerk. 2002.

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Gießhalle, der Kernmacherei und der Formerei. In ei-nem separat errichteten Gebäude wurde in zunächstsechs Generatoren Gas zur Beheizung der Siemens-Martin-Öfen erzeugt. Das Hauptgebäude erfuhr meh-rere Erweiterungen in nordwestlicher wie in südöstli-cher Richtung und zwar in den Jahren 1909/10,1911/12, 1921/22, 1928/29 und 1956 und besaß zeit-weise die enorme Länge von etwa 410 m. In der Hal-le arbeiteten neun Siemens-Martin-Öfen mit einer Ka-pazität zwischen 15 und 200 t.Mitte bis Ende der 1970er Jahre musste für den Baudes Elektrostahlwerks, einer Entschwefelungsanlageund der Adjustage ein Teil der Ofen- und der Gießhal-le des Siemens-Martin-Werkes abgebrochen werden.Zuvor waren bereits nach Inbetriebnahme des LD-Stahlwerks die Öfen, die Kamine und das Generato-renhaus entfernt worden.Von dem einstigen Siemens-Martin-Werk sind im Be-reich der Gieß- und Ofenhalle folgende Bauabschnit-te erhalten geblieben: Teile des Ursprungsbaus ausden Jahren 1904/05 sowie die Erweiterungen insüdöstlicher Richtung von 1911/12, 1928/29 und1956. Dem zweischiffigen und heute etwa 300 m lan-gen Baukörper ist parallel zur Ofenhalle auf nahezuder gesamten Länge der alte Schrottplatz, der spätervom LD- und vom Elektrostahlwerk weitergenutztwurde, vorgelagert.Das Siemens-Martin-Werk – der Ursprungsbau wieauch die Erweiterungen – ist im Wesentlichen in einergenieteten Stahl-Fachwerkkonstruktion errichtet. DasHauptschiff, die Gießhalle, besteht im Dachbereichaus Dreiecksbindern, die von eingespannten Fach-werkstützen getragen werden. In der Gießhalle befin-den sich noch Teile der Gießgruben und zwei überein-ander angeordnete Laufbahnen für die verschiedenenKrane.Das etwas niedrigere Seitenschiff, die ehemaligeOfenhalle, schließt mit einer vergleichbaren, jedocheinhüftigen Konstruktion an. Die Öfen und die einsti-ge Ofenbühne fehlen. Im Bereich der rückwärtigenOfenhalle sind an der Außenwand jedoch eine Ram-pe und Teile der einstigen Arbeitsbühne zur Be-schickung der Öfen erhalten.In den 1940er und 1950er Jahren wurde durch Her-ausnahme und Erneuerung von Stützen erheblich indas Wandgefüge von Gießhalle und Ofenhalle einge-griffen. Gründe hierfür mögen Kriegszerstörungen,aber auch die Möglichkeit des ungehinderten Quer-transportes zwischen dem alten Teil und den nord-östlich an das Gießschiff angrenzenden Hallen gewe-sen sein.

VERFAHREN ZUR STAHLERZEUGUNG UND DIEBEDEUTUNG DES STAHLWERKS HENRICHSHÜT-TE Generell beruhen die Verfahren zur Herstellungvon Stahl über die Flüssigphase auf dem Frischen desim Hochofen erzeugten Roheisens, das aufgrund sei-ner Begleitelemente spröde und brüchig ist und des-halb nicht geschmiedet oder gewalzt werden kann.Unter „Frischen“ verstehen die Hüttenleute seit demfrühen Mittelalter das Entfernen dieser Begleitele-mente, zu denen neben einem hohen Kohlenstoffge-halt auch Mangan, Silicium, Phosphor und anderegehören. Dabei werden die Begleitstoffe oxidiert undentweichen entweder gasförmig oder schwimmen alsSchlacke von festen Oxiden auf dem flüssigen Stahl.Das Frischen erfolgte im Laufe der Zeit mit Hilfe un-terschiedlicher, immer wieder verbesserter Verfahren,wobei verschiedene Frischmittel eingesetzt werden,

wie Feuerungsgase, Erze (sauerstoffhaltig) oder Sau-erstoff. Die Verfahren entwickelten sich vom Frisch-feuerverfahren des Mittelalters über das Puddelver-fahren, die Windfrischverfahren (Bessemer- oderThomasverfahren), das Siemens-Martin-Verfahren,das Elektrostahlverfahren bis zu den heute meist an-gewandten Sauerstoffaufblasverfahren, wie das LD-Verfahren.Im Folgenden werden die Stahlerzeugungsverfahrenbeschrieben, die im Stahlwerk der Henrichshütte zurAnwendung kamen. Die Reihenfolge orientiert sichnicht an ihrer technikgeschichtlichen Entwicklung,sondern an ihrer Bedeutung für das Denkmal. Zu-sätzlich wird das Stranggießen erläutert, das zur Wei-terverarbeitung des Rohstahls im Stahlwerk diente.

DAS LD-VERFAHREN, ein Sauerstoffaufblasverfah-ren Im Unterschied zu den Windfrischverfahren, beiwelchen zur Verbrennung des Kohlenstoffs und vor al-lem des Siliciums und Phosphors Luft durch Düsenim Konverterboden in das Eisenbad geblasen wird,wird beim Sauerstoffaufblasverfahren technisch rei-ner Sauerstoff durch eine wassergekühlte Lanze vonoben auf das flüssige Roheisen geblasen. Der Frisch-prozess beim LD-Verfahren verläuft sehr schnell, sodass eine große Stundenleistung erzielt werden kann.Benannt wurde das LD- oder Linz-Donawitz-Verfahrennach den Standorten der beiden Werke, die das Ver-fahren bis zur Betriebsreife entwickelten: die Vereinig-ten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke (VÖEST)in Linz und die Österreichische Alpine Montangesell-schaft (ÖAMG) in Donawitz. Das erste Stahlwerk derWelt, das nach diesem Verfahren arbeitete, war das mitzwei 30-t-Konvertern ausgestattete Linzer LD-Stahl-werk. Es nahm am 27. November 1952 die laufendeProduktion auf. Am 22. Mai 1953 wurde die ersteSchmelze im Donawitzer LD-Stahlwerk erblasen.Die LD-Stahlwerke in Linz und Donawitz bildeten dieAusgangspunkte für weltweit achtzehn Sauerstoffauf-blasstahlwerke, die in der Zeit bis 1960 errichtet wur-den. Hiervon befanden sich zwei in Deutschland, undzwar in Witten, Gussstahlwerk Witten, und in Bo-chum, Gussstahlwerk Bochumer Verein AG. Beidewurden im Jahre 1957 in Betrieb genommen. Sie sindjedoch nicht erhalten.Das LD-Verfahren gilt in der Stahlproduktion nebender Entwicklung des Stranggusses als grundlegendetechnologische Revolution. Benötigten die bis dahinverwendeten Schmelzaggregate für die Umwandlungvon Roheisen in Stahl acht bis zwölf Stunden, konn-ten in den LD-Konvertern Stahlmengen bis etwa 350 tin 30 Minuten erzeugt werden. Das LD-Verfahren so-wie der Strangguss ermöglichten bereits 1997 denjährlichen Bedarf an walzbarem Rohstahl von nahezu750 Mio. t abzudecken. Inzwischen wurde die Produk-tionskapazität weltweit auf über eine Milliarde Tonnenpro Jahr angehoben.Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem 1970in Betrieb genommenen und in seinen wesentlichenTeilen erhaltenen LD-Stahlwerk der Henrichshütteum ein hochrangiges Industriedenkmal für die Doku-mentation der bahnbrechenden und richtungswei-senden Entwicklung des Sauerstoffaufblasverfahrens.Technikgeschichtlich von Bedeutung ist auch die Aus-stattung des LD-Stahlwerks mit einer Schrottvor-wärmlanze, die seinerzeit in dieser Form zwar bereitsin verschiedenen Stahlwerken der USA mit Erfolg er-probt worden war, jedoch im LD-Stahlwerk der Hen-richshütte erstmalig in Europa eingesetzt wurde.

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DAS ELEKTROSTAHLVERFAHREN (Lichtbogen-Schmelzverfahren) Die Stahlerzeugung in elektri-schen Öfen begann bereits vor dem Ersten Weltkrieg.Das Frischen erfolgt hierbei während des Einschmel-zens der Beschickung (Roheisen und Schrott) durchZugabe von Eisenerz oder zur Beschleunigung durchdas Einleiten von Sauerstoff. Elektrostahl wird in er-ster Linie in einem Elektro-Lichtbogenofen herge-stellt. Die Wärme wird durch einen Lichtbogen er-zeugt, wobei der Strom auch durch das Eisenbad hin-durchgeht und sehr hohe Temperaturen erzeugt.Elektrisch beheizte Öfen eignen sich besonders zumErschmelzen und Vergießen von Stahl und Metallenunter Vakuum und erzeugen Qualitätsstähle vongroßer Reinheit. Der Lichtbogenofen wurde von demFranzosen Paul Héroult entwickelt und kam inDeutschland erstmals 1906 bei den Glockenstahl-werken Richard Lindenberg in Remscheid-Hasten zurAnwendung.Eine der Hauptaufgaben des Hattinger Stahlwerks be-stand darin, den vielfältigen Anforderungen der nach-geschalteten Betriebe hinsichtlich Losgröße, Qualitätund Legierungszusammensetzung nachzukommen.Eine besondere Spezialität waren dabei die soge-nannten Kombinationsschmelzen. Hierbei wurde ei-ner Grundschmelze aus dem LD-Konverter eine flüs-sige Legierung aus dem Elektroofen zugegeben.

DAS SIEMENS-MARTIN-VERFAHREN Beim Sie-mens-Martin-Verfahren erfolgt das Frischen durch diein die Schmelze geleiteten Flammgase und durch dieZugabe von Schrott mit dem ihm für gewöhnlich an-haftenden Rost (Eisen-Sauerstoffverbindung). DasVerfahren ist eine Weiterentwicklung der Arbeitsweiseim Puddelofen mit dem Unterschied, dass die Tem-peratur im Ofen auf 1600 bis 1700°C gesteigert wird.Der Siemens-Martin-Ofen ist zu diesem Zweck meistmit der Siemensschen Regenerativfeuerung kombi-

niert, durch die in einer Regenerationskammer, diesich unterhalb des Ofens befindet, die gasförmigenBrennstoffe durch die Abgase aus dem Ofen bis aufetwa 1000°C vorgewärmt werden können.Das Siemens-Martin-Verfahren wurde 1864 von demdeutschen Techniker Wilhelm von Siemens und demfranzösischen Hüttenfachmann Pierre Martin ent-wickelt. Im Gegensatz zum Konverter-Verfahrenbenötigt der Siemens-Martin-Prozess nicht unbedingtverflüssigtes Einsetzmaterial. Es lassen sich deshalbnicht nur alle Sorten Roheisen verwenden, sondernauch Stahlabfälle und Schrott.Der Siemens-Martin-Ofen ist damit der idealeSchrottverwerter. In Hüttenwerken wie der Henrichs-hütte, die ein umfangreiches Produktionsprogrammerfüllten, konnten mit diesem Verfahren der eigeneRücklaufschrott sowie Gießabfälle und Fehlchargenverarbeitet werden. Erst mit steigendem Anteil derStranggusserzeugung, der 1980 bei Auslaufen desSiemens-Martin-Verfahrens in der BRD etwa 50% be-trug, ging die Menge des Rücklaufschrotts deutlichzurück. In Westeuropa wurde das Siemens-Martin-Verfahren inzwischen durch Sauerstoffaufblasverfah-ren verdrängt.Auch wenn die ursprüngliche Ausstattung des Hat-tinger Siemens-Martin-Werkes nicht mehr vorhandenist, sind an den baulichen Anlagen Merkmale einesSiemens-Martin-Werkes abzulesen: Der große, derOfenhalle vorgelagerte Schrottplatz weist auf die we-sentliche Neuerung des Siemens-Martin-Verfahrens,die Schrottverwertung, hin. Die Arbeitsbühne an derOfenhalle sowie Bauspuren im Innern markieren dieLage der einstigen Ofenbühne. Die vorhandenenGießgruben definieren die Funktion des Hauptschif-fes, das auch nach Stilllegung des Siemens-Martin-Werkes durch das LD- und das Elektrostahlwerk wei-ter als Gießhalle genutzt wurde.Bei dem Hattinger Siemens-Martin-Werk handelt es

3. Gießhalle in dem Siemens-Martin-Stahlwerk. 2002.

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sich um eine der letzten erhaltenen baulichen Anla-gen dieser Art in Nordrhein-Westfalen. Ein weiteresWerk aus dem Jahre 1954 existiert in Duisburg-Huckingen. Es verfügt aber ebenfalls nicht mehr überdie technische Ausstattung. Als letztes und einzigesUnternehmen der BRD besaß das Stahl- und Walz-werk Brandenburg an der Havel noch ein intaktes Sie-mens-Martin-Werk, das jedoch 1993 stillgelegt wur-de. Die Entscheidung für eine Erhaltung des vermut-lich letzten Siemens-Martin-Ofens in Westeuropa wardort zugleich Auslöser für den Aufbau des Industrie-museums Brandenburg.

DER STAHLSTRANGGUSS Neben dem LD-Verfah-ren war die Entwicklung des Stahlstranggusses undseine großtechnische Anwendung die zweite grund-legende technologische Revolution in der Stahlpro-duktion. Stranggießen bedeutet das kontinuierlicheGießen von Metall zu Strängen. Das flüssige Metallwird dabei in eine Kokille (Gussform) mit Wasserküh-lung gegossen, aus der der erstarrende Strang abge-zogen wird. Im Wesentlichen werden zwei unter-schiedliche Endabmessungen der Gießanlagen un-terschieden: kleine Formate für Langprodukte, sog.Knüppel, und rechteckige, volumenmäßig größereFormate für Flachprodukte, sog. Brammen. BeimStahlstrangguss ging die Entwicklung von der ur-sprünglich vertikalen Anordnung (sog. Strangguss-Türme, die eine Höhe von 30 m erreichen konnten)

über die Abbiegeanlage 1956 zur Bogenanlage, beider die Stränge im halberstarrten Zustand in die Ho-rizontale umgelenkt werden. Für Brammenanlagen –wie in Hattingen – ist zudem das Sequenzgießen, beidem mehrere Schmelzen hintereinander ohne Unter-brechung abgegossen werden, von Bedeutung. Aufdiese Weise können sehr lange Stränge in gleichblei-bender Qualität erzeugt und damit Anfangs- und End-schrott verringert werden.1949 und 1952 gingen die ersten, von dem Amerika-ner Irving Rossi (1889-1991) geplanten Stahlstrang-gießanlagen bei Allegheny Ludlum Steel in WatervlietNY, USA, und bei Atlas Steels Ltd. in Welland/Onta-rio, Canada, in Betrieb. 1954 brachte Rossi, der maß-geblich an der Entwicklung des kommerziellenStranggusses beteiligt war, die gewonnenen Be-triebserfahrungen nach Europa und gründete dieConcast AG in Zürich. Nach großer Skepsis der Stahl-industrie setzte sich das Strangguss-Verfahren welt-weit etwa ab 1963 durch.Die Hattinger Stranggießanlage aus den Jahren1966/67 gehört – nach Pilotanlagen in Dillingen (Con-cast-Anlage, Bj. 1961) und Duisburg-Huckingen (Bj.1962) – mit zu den ersten Anlagen dieser Größe inDeutschland. Nachdem die Anlagen in Dillingen undHuckingen nicht mehr existieren, ist sie vermutlich dieälteste erhaltene Anlage in Deutschland, die dasStrangguss-Verfahren in großtechnischer Weise dar-stellt.

4. Konverterhalle im LD-Stahlwerk. 2003.

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DAS SCHICKSAL DES STAHLWERKS Von vornher-ein kollidierten die Überlegungen zur Erhaltung desStahlwerks mit den Planungsabsichten der Stadt Hat-tingen, auf diesen und auf bereits abgeräumtenFlächen der ehemaligen Henrichshütte einen Gewer-be- und Landschaftspark einzurichten. Auch diehochrangige und technikgeschichtlich vielfältige Be-deutung des Objektes sowie der inhaltliche Zusam-menhang mit der benachbarten Hochofenanlage desWestfälischen Industriemuseums änderten an derEinstellung der Stadt nichts. Ein erster Abschnitt desProjektes Gewerbe- und Landschaftspark war außer-dem zu jenem Zeitpunkt in Kooperation mit demGrundstücksfond Nordrhein-Westfalen bereits reali-siert. Ein weiterer befand sich in der Durchführung,zum Teil unter Einbeziehung von Qualifizierungspro-jekten des Bildungswerkes Hattingen-Witten. DieStadt drängte deshalb auf den Abriss des Stahlwerks.Im Herbst 2000 rief jedoch zunächst das Ministeriumfür Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Lan-des Nordrhein-Westfalen über den Grundstücksfondeinen Experten-Workshop zur Klärung möglicher wirt-schaftlich tragfähiger Nachnutzungen der Stahl-werksgebäude ins Leben. Die Expertengruppe solltein Abgrenzung zu dem vorhandenen, durchgeplantenund finanzierten Abrissszenario Alternativen untersu-chen, die eine Nachnutzung der bestehenden denk-malwerten Gebäude bei ihrem teilweisen oder voll-ständigen Erhalt ermöglichten.Von den untersuchten Möglichkeiten verdichtete sichdie Nutzungsidee „Fair Mart“: ein Zentrum für Schau-steller mit einem historischen Jahrmarkt, einemMarkt- und Schaustellermuseum, Schaustellerwerk-stätten, dem Varieté André Eisermann und einer Hat-tinger Winterkirmes. Dieses Projekt wurde jedoch vonVertretern der Stadt nicht uneingeschränkt positiv be-wertet. Außerdem bestand ein über den im Erhal-tungsfall einsparbaren Anteil der bereits bewilligtenAbbruchkosten hinausgehender zusätzlicher Förder-mittelbedarf.Die Möglichkeit, das Objekt als Ergänzung des Hoch-

ofenwerks ebenfalls ins Westfälische Industriemuse-um zu übernehmen, wurde aufgrund der wirtschaftli-chen Situation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von vornherein ausgeschlossen. Ebenso wenigstand zur Debatte, die Anlage ganz oder teilweise „ein-zumotten“, um dann zu einem günstigeren Zeitpunktüber ihr Schicksal entscheiden zu können.Am 1. 2. 2002 gab der für Denkmalpflege zuständigeMinister anlässlich einer Pressekonferenz im Landtagden beschlossenen Abbruch des Stahlwerks bekannt.Der Erhalt sei wirtschaftlich nicht tragfähig. Auch dieStiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskul-tur, deren Aufgabe die Übernahme von Industrie-denkmälern in ihr Eigentum bis zur Klärung der wei-teren Verwendung der Objekte ist, sei finanziell mitdieser Aufgabe überfordert. Mit dem Abbruch werdezudem Raum für die Ansiedlung von Arbeitsplätzender mittelständischen Wirtschaft geschaffen.Für den Abbruch hatte sich das Ministerium allerdingsetwas ganz Besonderes ausgedacht: Die Henrichs-hütte solle nicht „blind“ abgebrochen werden sondernman wolle „ein Rückbaukunstwerk im Sinne eines De-konstruktionsprozesses“. Den „einmaligen Weg derTransformation dieses Industriegiganten“ sollte dasniederländische Planungs- und Architekturbüro Offi-ce for Metropolitan Architecture (OMA) unter der Lei-tung von Rem Koolhaas begleiten.Besonders die Bereiche des LD-Stahlwerks und derStranggießanlage wollte man vor ihrem Abbruchkünstlerisch aufbereiten und für gewisse Zeit erstmalsder Öffentlichkeit zugänglich machen.Da der Denkmalwert des Stahlwerks unbestritten ist,erfolgte im März 2002 die Eintragung in die Denk-malliste der Stadt Hattingen. Einen Monat später er-ging bereits die Teilabbruchgenehmigung für das Sie-mens-Martin-Werk. Da die Mittel für das geplante„Rückbaukunstwerk“ fehlten, folgte im August 2003auch die Genehmigung für den Abbruch des LD- unddes Elektrostahlwerks einschließlich der Stranggieß-anlage. Sobald das Denkmal umfassend dokumen-tiert ist, beginnen in Kürze die Abbrucharbeiten.

5. Elektroofen. 2003.

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Mit dem Stahlwerk verlieren wir nicht nur ein hoch-rangiges Industriedenkmal. Während die Eisenerzeu-gung in der BRD durch den Erhalt einer Reihe vonHochöfen und Hochofenanlagen repräsentativ doku-mentiert ist – neben der Henrichshütte zählen hierzudie Werke in Völklingen, Duisburg-Meiderich undNeunkirchen sowie das Hochofenwerk Phoenix inDortmund-Hörde –, ist es bislang nicht gelungenauch die industrielle Stahlerzeugung und Weiterver-arbeitung als Denkmal im Bestand zu erhalten. DieChancen hierzu sind in Deutschland mittlerweile ge-ring. Um so größer ist der Verlust des Stahlwerks Hen-richshütte, weil hier die Möglichkeit bestanden hätte,in Verbindung mit dem Hochofenwerk auf vergleichs-weise engem Raum den gesamten Produktionsablaufder industriellen Eisen- u n d Stahlproduktion vonder Gewinnung des Roheisens im Hochofen, über dieStahlerzeugung im LD-Konverter und Elektroofen so-wie die Weiterverarbeitung in der Stranggießanlageanschaulich zu erhalten. Die wohl letzte Chance einerumfangreichen Dokumentation bietet jetzt nur nochdie Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg, zu der neben ei-nem Hochofen auch ein kleines Stahlwerk, eineStranggießanlage und ein Walzwerk gehören. Obwohlals Denkmal ausgewiesen ist aber auch ihre Erhaltungbis jetzt nicht gesichert.

QUELLENRede von Minister Dr. Michael Vesper anlässlich der Pressekon-ferenz „Henrichshütte Hattingen“ am 1. 2. 2002 im LandtagNRW. – Workshop zu Nachnutzungsmöglichkeiten des Stahl-werkes Hattingen. Dokumentation, LEG Standort- und Projekt-entwicklung. April 2001. – Bauunterlagen aus dem Planarchivder Henrichshütte.

LITERATURKarin Dahm-Zeppenfeld, Feuerarbeit: Bilder aus der Dortmun-der Hüttenindustrie 1850–1950. Teil 1: Der Arbeitsplatz des Hüt-tenmanns. Hg. Robert Laube, Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Westfälisches Industriemuseum. Essen 1998. – Ein Jahr-hundert Henrichshütte Hattingen, 1854–1954. Hg. Ruhrstahl

Aktiengesellschaft. Darmstadt 1954. – Walter E. Gantenberg,Chronik der Henrichshütte, Zur Geschichte eines gemischtenHüttenwerkes an der mittleren Ruhr, WEG-ARCHIV für Regional-,Bergbau- und Industriegeschichte, Bochum (unveröffentlicht). –Gemeinfassliche Darstellung des Eisenhüttenwesens. Hg. VereinDeutscher Eisenhüttenleute. Düsseldorf 1923. – Gerhard Riedel,Der Siemens-Martin-Ofen. Verlag Stahleisen mbH, Düsseldorf1994. – Karl Roesch, 3500 Jahre Stahl. Geschichte der Stahler-zeugungsverfahren vom frühgeschichtlichen Rennfeuer derHethiter bis zum Sauerstoffaufblasverfahren. Hg. Deutsches Mu-seum. R. Oldenbourg Verlag GmbH, München 1979. – A. Hein-rich Tanner, Revolution der Stahlindustrie, Strangguss, VerlagNeue Züricher Zeitung. Zürich 1997. – Brockhaus, Naturwis-senschaften und Technik, Wiesbaden 1983. – Otto Därmann/Dirk Springorum/Jochen Metzing, Das neue Blasstahlwerk derRheinstahl Hüttenwerke AG in Hattingen, in: Stahl und Eisen, Jg.91, Heft 21, 1971, S. 1232ff. – Die Rohstahlerzeugung der Hen-richshütte, in: Hüttenspiegel 4/1977, S. 4f. – Die Stahlgießereider Henrichshütte, in: Hüttenspiegel 12/1977, S.4f. – Rolf Höh-mann, Denkmale der Eisen- und Stahlerzeugung, Ein kurzerÜberblick, in: industrie-kultur. 1/2003, S. 6f. – Rolf Höhmann,Maxhütte Sulzbach-Rosenberg, in: industrie-kultur. 1/2003, S. 12f.– Hans Jörg Köstler, Der Weg zur Stahlerzeugung nach dem Sau-erstoffaufblas-(LD-)Verfahren, in: Blätter für Technikgeschichte,59. Heft, Wien 1997, S.9ff. – Robert Laube/Olaf Schmidt-Rutsch,Stahlwerk Henrichshütte oder: Umständlicher Versuch eines kur-zen Abrisses der Stahlerzeugung und ihrer Geschichte in Hat-tingen, in: industrie-kultur. 1/2003, S. 9ff. – Neues Blasstahlwerkder Rheinstahl Hüttenwerke AG, in: Stahl und Eisen, Jg.90, Heft25, 1970, S. 1465.

BILDNACHWEISWestfälisches Amt für Denkmalpflege: 2, 3 (Austrup). – Thyssen-Krupp Stahl AG: 4–6. – Reproduktion (aus: Stahl und Eisen1979. S. 14): 1.

Berichtsstand Januar 2004.Mit den Abbrucharbeiten wurde im März begonnen.

Imme Wittkamp

6. Stranggießanlage. 2003.

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GESCHICHTE DER ORGEL So habe ich hier einigeRegeln zum Bau und zur Verbesserung der Orgel zu-sammengebracht, die das vornehmste Musikinstru-ment ist, da sie die meisten Stimmen, sechs oder sie-ben, die von einem Menschen gleichzeitig gespieltwerden können, wiederzugeben vermag, schreibtAnno 1511 der Pfalzgräfliche Organist Arnold Schlickim Privilegium seines Spiegels der Orgelmacher undOrganisten.Als der blinde Schlick diese Zeilen seines Lehrbüch-leins über den Orgelbau verfasst, steht die später nachOstönnen verkaufte gotische Orgel noch in der Kir-che Alt St. Thomä in der reichen Hansestadt Soest.Vom weiteren Schicksal der Translozierung im Jahr1722 kündet denn auch die jetzt unter Mithilfe vonHannes Demming aus Münster entzifferte Inschrift aufdem linken Medaillon des barocken Gehäuseober-baus:ForstMannIVnIor non sIbI sIC strVItorganon ILLVDCoetVs ThoManVs VenDItet hIC refoVet(Forstmann der Jüngere lässt nicht für sich dieses Or-gelwerk so errichten. Die Thomasgemeinde verkauftes, und dieser [Forstmann] erweckt es zu neuem Le-ben.)Dieses Werk, das noch 1586 von Meister Bartholduswieder hergestellt und um die Register Trompete undGedackt unter Verwendung von Pfeifenmaterial desBestandes erweitert worden war, ist aktenkundig soderbhafft und baufällig gewesen, daß es ohne großekosten nicht konnte gebessert werden, und gleich-wohl ein alt werck geblieben, derhalben die zeitigeLohnherren den schluß faßeten, dieselbe zu ver-kauffen, und eine neue wohlklingende verfertigen zulassen (Gocke, S. 17). Auftragnehmer für den Abbauder alten Orgel und Bau der neuen Orgel in St. Thomäals auch Umbau der alten Orgel aus St. Thomä fürdie romanische Dorfkirche in Ostönnen ist JohannPatroclus Möller aus Lippstadt gewesen. Nach Trans-lozierung und Umbau wurde die Orgel in Ostönnen1722 solemniter beschmaust und eingeweiht inpraesentz des gantzen Magistrats (von Soest)(Schönstedt, S. 37). Anlässlich der Einweihung be-gann der junge Pastor seine Festpredigt mit dem Aus-ruf: Victoria! Die Orgel ist da (Gocke, S. 23).

PFEIFENWERK Das Orgelwerk umfasst im techni-schen Bestand die Register in der Abfolge ihrer Auf-stellung auf der Lade: Prästant 8“, Gedackt 8“, Octav4“, Quinte 3“, Superoctav 2“, Mixtur 4f (2“, 1 1/3“, 1“,2/3“), Sesquialtera 2f (1 3/5“, 1“) und Trompete 8“.Das Fußmaß gibt die Länge der tiefsten Pfeife im je-weiligen Register an, ein Fuß entspricht etwa 30 Zen-timetern. Stehen, wie bei der Mixtur, mehrere Pfeifenüber einer Tonkanzelle, so wird dies durch die Adjek-tion 4-fach charakterisiert.Ihr Tonumfang reicht im Manual von C, D–c3, im an-gehängten Pedal von C, D-g.Ursprünglich ist sie vermutlich als Blockwerk von 6–7 Registern konzipiert worden. Der Terminus Block-werk bedeutet, dass beim Anspiel einer Taste alle aufder Tonkanzelle stehenden Pfeifen angesprochen ha-

ben, mithin keine Mischung einzelner Klangfarbenmöglich ist. Zehn von zwölf Pfeifenreihen, so hat dieUntersuchung durch den Organologen Koos van deLinde aus Belgien erbracht, stammen im Bestandüberwiegend aus der Gotik. Das sind 326 Pfeifen.Bis auf die Register, die von Meister Bartholdus hin-zugefügt worden sind, der darüber aber verstorben,deßwegen ein anderer das werck volführen müssen(Gocke, S. 5), sind alle in der Orgel befindlichen Re-gisterpfeifen als zylindrisch offene Labialpfeifen inPrinzipalmensur, das heißt in mittlerer Weite gebaut.Die ältesten Pfeifen sind erkennbar an den eigentüm-lichen Formen der Ober- und Unterlabien, der Ober-bzw. Unterlippen, der flötenartig konstruierten Pfeifen.Besonders bei den Prospektpfeifen beeindrucken diespitzbogigen Oberlabien und die Unterlabien in Kiel-bogenform. Die größeren gotischen Pfeifen der übri-gen Register haben spitz angerissene Ober- und rundangerissene Unterlabien. Dieselbe letztere Form derPfeifenmünder lässt sich auch bei den Pfeifen des ein-zigen gedeckt gebauten, zylindrischen Metallregisters,des Gedackts von Bartholdus, feststellen. Dieser Or-gelbauer hat freilich die Zusammensetzung der Le-gierung und die Bearbeitung geändert, seine Pfeifenhaben eine unregelmäßigere Oberfläche und einenleicht bläulichen Metallschimmer. Die Zusammenset-zung des Metalls und auch des leicht glänzendenÜberzugs der ältesten Pfeifenregister sollen nochdurch Materialanalysen im Labor festgestellt werden.Auch die Analyse eines in der Pfeifenwandung ent-deckten Einschlusses steht noch aus; dieser soll Auf-schluss über das Gießverfahren bieten, das als Gussim Lehmbett vermutet wird.Das einzige Zungenregister der Orgel, die Trompete8“ mit konischen Aufsätzen, ist leider bei der letztenRestaurierung in seinen wesentlichen Bestandteilender Kehlen und Zungen verloren gegangen. „Kehleund Zunge werden von einem Keil im Kopf der Zun-genpfeife in Position gehalten, auf diesem sitzt derSchallbecher“. (Meister, S. 34) Der Ton einer solchenPfeife entsteht dadurch, dass bei einströmender Luftdie Zunge periodisch auf die Kehle aufschlägt. Die Or-gelbauwerkstatt West hat diese fehlenden Bestand-teile nach dem Vorbild der Orgel in Uttum von 1529rekonstruiert.Die von Möller 1722 ergänzend unter Beibehalt dervorhandenen Register eingebauten 91 Pfeifen sind anihren durchweg runden Labienformen und den Sig-naturen erkennbar. Die heutige Disposition der Orgelstammt aus dem Umbau durch Johann PatroclusMöller.Für das 18. Jahrhundert sind nur kleinere Reparatu-ren nachgewiesen. Archivalisch belegt sind Eingriffein das Pfeifenwerk erst wieder für das Jahr 1824 durchDreymann. Diese Quelle gibt auch den Hinweis, dassdie Orgel ein Zymbelregister besessen hat, dessennoch brauchbares Material durch Dreymann der drei-fachen Mixtur zugefügt worden ist. Im Übrigenstammt die Superoctav 2“ vollständig von diesem Or-gelbauer (Archivalienauswertung Hannalore Reuter).

WINDLADE Die massive Lade, auf der das Pfeifen-werk steht, ist aus drei miteinander verleimten 60 mmstarken Eichenbohlen konstruiert. Sie hat eine Länge

VICTORIA! DIE ORGEL IST DA!DIE RESTAURIERUNG DES OSTÖNNER KLANGDENKMALS

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1. Zustand der Orgel nach der Restaurierung 2003.

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von 3,30 m und eine Breite von 0,53 m. 45 Tonkan-zellen sind in die Bohlen gebohrt worden, drei kamenmit vergrößertem Tonumfang später hinzu. Das Ei-chenholz der Lade wie auch einiger im Gehäuse zweit-verwendeter windführender Teile lässt sich dendro-chronologisch dem Fällzeitpunkt des beginnenden15. Jahrhunderts (1416/1410) zuordnen (Dendro-chronologie: Hubert Michael). Außer dem einzigarti-gen Pfeifenbestand und der Bohlenlade sind auch dieerhalten gebliebenen geschmiedeten Ventilfedern ausMessing, teils mit Signaturen, technische Kunstwerkeder Erbauungszeit.Diese Federn halten die hölzernen Ventile unterhalbder Tonkanzellen in ihrer Position. Nur acht Ventilfe-dern aus Phosphorbronze mit Ösen sind neuerer Ent-stehungszeit. Die ursprünglichen Federn sind bis heu-te elastisch und voll funktionsfähig geblieben. An derWindlade sind zahlreiche spätere Eingriffe in Formvon Bohrungen und Verdübelungen erkennbar; derenAnalyse soll einer geplanten wissenschaftlichen Arbeitvorbehalten bleiben. Die aktuell abgeschlossene Re-staurierung des Instrumentes ist von 2001 bis 2003von der Orgelbauwerkstatt Rowan West durchgeführtworden.

REGISTERSTEUERUNG UND SPIELTRAKTUR Ent-sprechend dem durch Arnold Schlick 1511 dargeleg-ten Stand der Technik muss die Orgel bald mit einerRegistersteuerung versehen worden sein, die die nochim Bestand befindlichen Schleifen zwischen Lade undPfeifenstöcken von den Längsseiten her durchSchwerter angesteuert hat. Quinte, Superoctav (vor-mals Zimbel), Octave und Praestant sind von der ei-nen, Sesquialtera, Mixtur und Trompete von der ge-genüberliegenden Seite der Bohlenlade aus bedientworden. Unter Zugrundelegung welcher Hebelsyste-me und Kraftumlenkung diese Steuerung von Regi-sterknopf bis Schleife funktioniert hat, ist bislang nichtzu rekonstruieren. Heute greift die Registersteuerungder Schleifen von den kurzen Seiten (C Seite, Trom-pete geteilt Cis Seite) an. Die Verwendung der unter-schiedlichen Klangfarben beim Orgelspiel in Ostön-nen geschieht durch das Herausziehen der horizontalüber dem Spieltisch oberhalb des Notenpults ange-ordneten Zugknöpfe, deren Registerzugehörigkeit aufdem Staffelbrett mit alten Pergamentzetteln beschrif-tet ist. Hinter der Zugstange wird die Mechanik mit Hil-fe liegender Winkel, die auf einem diagonal unter derLade und das Wellenbrett durchstoßenden Balken an-gebracht sind, zu der C Seite der Lade zu den Regi-sterschleifen geführt. Nur das geteilte Trompetenre-gister wird hälftig auch von der gegenüberliegendenCis Seite angesteuert.Da das jahrhundertealte Instrument durch das Spielnaturgemäß bei den beweglichen Teilen einem Ver-schleiß unterliegt, sind Registerzüge und Spielme-chanik jünger und dem ausgehenden 18. und 19.Jahrhundert zuzuordnen. Archivalisch nachgewiesensind Erneuerungen der Mechanik durch Dreymann,dem der Gutachter Engelhardt im Abnahmeprotokollvom 26. Oktober 1824 bescheinigt: Der Windkanalist angelegt, auch sind die Wellenzapfen oder Hakenund Abstracten von gutem Messingdraht vorzüglichgearbeitet und sehr gut befestigt. (Acta wegen Repa-ratur der Kirchen-Orgel zu Ostönnen 1824 ) Pres-byteriumsprotokolle erwähnen den Einbau einerneuen Spielmechanik im Jahre 1888 und den einerneuen Klaviatur im Jahre 1892 (Dokumentation desOrgelsachverständigen Helmut Fleinghaus , S. 1).

Die zitierten Archivalien aus den Jahren 1823 und1824 belegen auch, dass Dreymann eine Verlegungder Klaviatur von der Seite an die Front der Orgeldurchgeführt hat. Der bisherige Organistensitz ander Seite ist durchaus nicht geeignet, die Gemeindedurch Begleitung der Orgel zu leiten, vielmehr ist esnachtheilig, weil der Organist seine Gemeinde nichtins Auge sehen kann und kein hinlängliches Lichthat, sein Noten- und Gesangbuch zu sehen, wennauch die Orgelbank erhöht wurde (Acta wegen Re-paratur der Kirchen-Orgel zu Ostönnen 1824). Daderselbe Gutachter Engelhardt ein Jahr später be-stätigt, dass die Verlegung der Claviatur in die gera-de Fronte der Orgel /.../ auf den besten Ort ange-bracht (Acta wegen Reparatur der Kirchen-Orgel zuOstönnen 1824) ist, gibt es keinen Zweifel an einerSeitenspieligkeit der Orgel zu Beginn des 19. Jahr-hunderts. Auch die schippenförmigen Bänder dersüdlichen zweitverwendeten Türe im heutigen Orgel-unterbau deuten auf eine Gehäuseänderung in dieserZeit.Kleine Winkel, Messingdrähte und hauchdünne Na-delholzleistchen, die Abstrakten, sorgen für die Kraft-umlenkung von der gedrückten Taste der Manualkla-viatur bis zum Wellenbrett, dem Herzstück der Spiel-mechanik. Von den einzelnen Wellenärmchen auswerden die Ventile der Tonkanzelle aus wiederum übervertikale Zugabstrakten geöffnet.Gocke vermutet, dass die Armut nach dem Dreissig-jährigen Krieg die Sparversion eines unselbstständi-gen, nur angehängten Pedals bei vielen westfälischenOrgeln bedingt hat.Die Entstehungszeit des Hauptwellenbretts ist durchHolzaltersbestimmung nicht zu klären. In seiner Brei-te und Auskragung passt das Wellenbrett jedoch ge-nau in den Gehäuseunterbau, der stilistisch und imZuge der aktuellen Restaurierung auch dendrochro-nologisch dem ausgehenden 15. Jahrhundert zuge-ordnet wird. Die Tuschezeichnung (1434/1456) Les

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2. Die Planzeichnung der Orgelspielmechanik des Henri-Arnault de Zwolle aus dem 15. Jahrhundert.

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3. Pfeifenwerkstatt in der Kirche St. Andreas während der Restaurierung. 2003.

4. Ausschnitt der Windladenoberseite mit den Vertiefungen für die Registerschwerter. 2003.

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Traités d’Henri-Arnault de Zwolle im Blatt 131 zeigtdie Planzeichnung einer Orgel mit der Steuerung vomManual über ein ebensolches Wellenbrett bis zu denPfeifen im Prospekt. Da somit eine solche Bauweiseeines Wellenbrettes für die Mitte des 15. Jahrhundertsschon belegt ist, darf man annehmen, dass auch dasWellenbrett zum relativ frühen Bestand der Orgel, spä-testens vielleicht zum Bartholdus-Umbau gehört.Hinzu kommt, dass der Winkelbalken der plumpenund schwergängigen Registermechanik das Haupt-wellenbrett mittels einer Aussparung schräg durch-stößt, was vermutlich auf die Verlegung der Klaviaturauf die Frontseite durch Dreymann zurückgeführtwerden muss.Wo der erste Aufstellungsplatz der Orgel in der Ostön-ner Kirche nach ihrer Translozierung aus Soest gewe-sen ist, wann die Seitenspieligkeit konstruiert wordenist und auf welche Weise die Spielmechanik ur-sprünglich funktioniert hat, lässt sich zurzeit nichtklären. Als Hypothese nach Auswertung der zur Ver-fügung stehenden Quellen kann jedoch vermutet wer-den, dass die Orgel wahrscheinlich schon seit ihrerTranslozierung im Chor von St. Andreas gestandenhat und das Wellenbrett mit deutlichen Spuren vonSchädlingsbefall während der Seitenspieligkeit des In-strumentes in der Kirche, etwa auf dem Dachbodenoder hinter dem Orgelgehäuse, ausgelagert wordensein könnte.Auch die winderzeugenden und -führenden Bestand-teile einer Orgel unterliegen einer ständigen Abnut-zung, die sich insbesondere durch Undichtigkeit unddamit verbundene erhebliche Mängel der Spielbarkeitdes Instrumentes bemerkbar macht. Schon kurz nachder Einweihung der Orgel sind für die Jahre 1728 und1739 Reparaturen der Bälge archivalisch belegt. (Ar-chivalienauswertung Hannalore Reuter) Drei neueKeilbälge wurden durch Dreymann zu Beginn des 19.Jahrhunderts für die Orgel geliefert. Substanz und Po-sition dieser Bälge, welche letztere von Hildegard

Gocke 1936 noch „zwischen Orgel und Gewölbe inHöhe der Lade“ (Gocke, S. 45) angegeben wurde,sind bei der Reparatur 1963 anlässlich der Verlegungdes Orgelwerks in das Turmjoch aufgegeben worden.Da die vor fünfzig Jahren erneuerte Balganlage unddie Kanäle dem historischen Orgelwerk unangemes-sen sind, ist im Zuge der aktuellen Restaurierung ei-ne neue Keilbalganlage gebaut und wiederum inHöhe der alten Windlade auf der Empore oberhalbdes Windfangs im Turm aufgestellt worden.

RESTAURIERUNG Die jetzige Restaurierung hat dasInstrument auf den gewachsenen Zustand, den maß-geblich Johann Patroclus Möller 1721/1722 bei derÄnderung des gotischen Werkes geschaffen hat,zurückgeführt. Möller hat auf den schrankähnlichen,dreifeldrigen gotischen Gehäuseunterbau mit denwohl originalen Auskragungen einen derb gestaltetenbarocken Aufbau gesetzt, den Gocke als „einfachesErgebnis bäuerlichen Kunstfleisses charakterisiert“(Gocke, S. 50). Dominierend für den fünfteiligen Ba-rockaufbau, der den Pfeifenprospekt enthält, ist dermittige halbrund hervorragende Turm, an den sichlinks und rechts Flachfelder anschließen. Die beidenseitlichen Felder kragen spitz vor und bergen die mit-telgroßen Pfeifen des Prästanten wie auch einige höl-zerne Blindpfeifen. „Blumen- und Fruchtgehänge anden Rahmen der Pfeifenfelder und -türme gehörenebenso zum gängigen Schmuckrepertoire vieler west-fälischer Orgeln des ersten Viertels des 18. Jahrhun-derts wie die als Akanthusrankenwerk gestaltetenSchleierbretter“ (Dirk Strohmann, Akte WAfD). Vonder spätgotischen Entstehungszeit des Orgelunter-baus im Bestand zeugen die oberhalb der Manualkla-viatur befindliche Maßwerkwirbelrosette als Verzie-rung der Notenablage und auf derselben Höhe diebeiden Wimpergmotivfelder in der Achse der Flach-felder. Einige der Hölzer des gotischen Unterbaueskonnten im Zuge der Restaurierung dendrochronolo-

5. Ausschnitt des Wellenbrettes mit der schräg durchstoßenden Registertraktur nach der Restaurierung. 2003.

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gisch datiert werden und belegen die Entstehung derSchmuckmotive gegen Ende des 15. Jahrhunderts.Vor der jüngsten Umstellung des Instrumentes inner-halb des Kirchenraumes hat es Planungen gegeben,sie als Chororgel für die wiederaufgebaute Wiesenkir-che zu verkaufen, da die Ostönner Kirche mit denschon seit 1880 bekannten wertvollen Ausmalungenin der Apsis – dem damaligen Aufstellungsort der Or-gel – „in ihrer ursprünglichen Gestalt als romanischesBaudenkmal“ (Schönstedt, S. 37) wiederhergestelltwerden sollte. Wiewohl bislang keine Primärquelle füreine Verlegung der Orgel in das Chorjoch für dieseZeitstellung bekannt ist, schreibt Adolf Clarenbachum 1930: „Daß aber die Memminger 1881 noch be-kannte Malerei so völlig in Vergessenheit geriet, lagnicht nur an der deckenden Tünche, sondern haupt-sächlich wohl daran, daß man um 1880 die ganze Ap-sis vollständig durch jene Barockorgel verdeckte. Manmuß schon auf den in die Koncha hineingeschobe-nen Blasebalg klettern, um hier in drangvoll fürchter-licher Enge einen Blick auf die Wölbung tun zu kön-nen. Dabei hätte man aber auch noch besonders gün-stiges Licht an dieser dunklen Stelle haben müssen,um überhaupt nur die Umrisse der alten Malereidurchschimmern zu sehen“ (Clarenbach, S. 230). Derin den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts geplan-te Verkauf ist jedoch unterblieben.Ihr Standort in der kleinen Dorfkirche hat dazu beige-tragen, das Instrument über die Jahrhunderte ohnegrößere Eingriffe und übermäßigen Anpassungs-druck an den jeweiligen Musikgeschmack und denStand der Technik authentisch zu erhalten.Bei der Restaurierung sind im Wesentlichen nur dieVerschleißteile der Orgel in historisch nachgewiese-ner handwerklicher Orgelbautechnik erneuert wor-den. Insbesondere der Korpus der Lade ist neu abge-richtet, beledert und dadurch winddicht gemacht wor-den. Während die Schleifendämme erneuert wordensind, hat bei Schleifen und Stöcken eine erneute Ab-

richtung und Einfügung von Dichtungsringen genügt.Der gewachsene Zustand des Instrumentes ist so weitwie möglich belassen worden. Bei der aus unter-schiedlichen Zeitstellungen bestehenden Traktur hatOrgelbauer West die stilfremden Materialien der letz-ten Restaurierung entfernt und beispielsweise Nylon-drähte und vernickelte Gewindedrähte ersetzt. Dieneuen Abstrakten bestehen aus leichtem Fichtenholz.Die undichten Pulpeten sind durch neue in weichemZiegenleder ausgetauscht, die Anhängung der Trak-tur an die Ventile mit gedrehter Hanfschnur auf derGrundlage eines Materialfundes im Ventilkasten wie-derhergestellt worden. Auch bei der Reparatur der Re-gistertraktur sind die Eingriffe auf das notwendigeMaß reduziert worden. Hier hat der Orgelbauer nur dieAchsenlagerungen überprüft und teilweise repariert.Bei der Klaviatur ist es unumgänglich gewesen, dieanlässlich der letzten Restaurierung falsch eingesetz-ten, die Tasten schädigenden Führungsstifte zu er-neuern. Die Wangenteile der Manualklaviatur habeneinen Lacküberzug in historischer Rezeptur erhalten.Rowan West hat insbesondere bei dem hochwertvol-len Pfeifenwerk auf die absolute Minimierung der Ein-griffe in die gewachsene Substanz geachtet. Verform-te Labialpfeifen sind ausgebeult, die Pfeifen auf Un-dichtigkeiten überprüft und aus Gründen der Statikvereinzelt Stütznähte angebracht worden. Wegen desaußergewöhnlich guten Erhaltungszustandes des Re-gisters Sesquialtera 2f hat dieses Anhaltspunkte fürdie klangliche Angleichung in der Intonationsphasegeboten. Die ungleichmäßige Stimmung von Arnol-dus Schlick aus dem Jahr 1511 dient als Stim-mungssystem.Nur einige Pfeifen von Dreymann sind ausgelagertund wenig sensible Reparaturen aus den sechzigerJahren des 20. Jahrhunderts zurückgenommen wor-den. Besonderes Augenmerk haben die Beteiligtenauf ein umfassendes Inventar des wertvollen Pfeifen-bestandes gelegt, das den gewachsenen Zustand un-

6. Originalplanung aus dem Jahr 1872 für die Verlegung der Orgel in das Turmjoch.

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terschiedlicher Epochen nachvollziehbar werden lässtund gleichzeitig Richtschnur der Restaurierungspla-nung gewesen ist.Restauratorin Monika Voss-Raker hat das Orgel-gehäuse gereinigt. Es besteht der Wunsch der Kir-chengemeinde, die Inschriften der beiden Medaillonsder Flachfelder wieder lesbar zu machen. Wie im Er-gebnis anfangs erwähnt, ist dies trotz Infrarotlichtun-tersuchung der Tafeln in den Untersuchungsräumendes Referates Restaurierung beim Westfälischen Amtfür Denkmalpflege in Münster nur bei einem Medail-lon gelungen. Das zweite Medaillon wird daher rever-sibel überklebt werden und eine auf die aktuell durch-geführte Restaurierung bezogene neue Inschrift alsChronogramm erhalten.Da vom Orgelbauer Rowan West bei den Prospekt-pfeifen Spuren von Blattzinn und bei den Labien vonVergoldung festgestellt worden sind, hat sich die Kir-chengemeinde für eine Erneuerung der Überzügenach Befund entschieden; diese verleihen den Pfeifenwieder ein kostbar glänzendes Aussehen.Die während der Restaurierung gewonnenen Er-kenntnisse haben erbracht, „dass die Orgel der St.Andreas Kirche in Ostönnen eine der ältesten erhal-tenen Orgeln der Welt ist“ (Dokumentation des Or-gelsachverständigen Helmut Fleinghaus, S. 2). AlsKlangdenkmal bringt sie insbesondere die Orgelmu-sik der Gotik und der Renaissance wieder authentisch

zu Gehör, wovon sich das anlässlich der Einweihungam 8. November 2003 zahlreich erschienene Publi-kum hat überzeugen können.Nach wie vor sind nicht alle Fragen zur Geschichte derOrgel geklärt. Im originalen Kern der C-Pfeife derQuinte befinden sich Schriftzüge, um deren Datie-rung und Entzifferung man sich zurzeit noch bemüht.Ebenfalls noch von Interesse für die Forschung ist dieAnalyse eines beschrifteten Pergamentblattes, das alsAbdichtung über Fehlstellen auf ein ehemals wind-führendes Holzbrett geklebt worden ist.Wer sich über die Arbeiten anschaulich und intensiverinformieren möchte, dem sei die Filmdokumentationder Restaurierung des Landesmedienzentrums desLWL empfohlen.

QUELLENArchiv der Evangelischen Landeskirche Bielefeld. KirchenkreisSoest. Ostönnen, Bestand 19,4. Acta wegen Reparatur der Kir-chen-Orgel zu Ostönnen 1824

LITERATURAdolf Clarenbach, Die Dorfkirche in Ostönnen, Kr. Soest, in:Volkstum und Heimat: Karl Wagenfeld zum 60. Geburtstag/vomWestfälischen Heimatbund. Münster 1929, S. 225–240. – Hil-degard Gocke, Der Orgelbau in den Kreisen Soest und Arnsbergvor 1800. Dissertation Münster 1936. – Internationale Gesell-schaft für Musikwissenschaft (Hg), Les Traités d’Henri-Arnault deZwolle et de divers anonymes, in: Documenta Musicologica.Zweite Reihe:Handschriften-Faksimiles IV. Kassel 1972. – Wolf-gang Meister, Die klangliche und technische Struktur der Orgel,in: Die Orgel als sakrales Kunstwerk. Beiträge zur Orgelge-schichte im ehemals kurrheinischen Reichskreis und seinenNachfolgestaaten. Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz. Hrsg.Friedrich W. Riedel, Mainz 1992, S.33–51. – Hannalore Reuter,Historische Orgeln der Stadt Soest, in: Westfälische Kunststät-ten, Heft 75. Münster 1995. – Arnold Schlick, Spiegel der Or-gelmacher und Organisten. Speyer 1511. Neudruck hg. vonErnst Flade. Kassel 1951. – Arno Schönstedt, Alte westfälischeOrgeln. Gütersloh 1953.

BILDNACHWEISWestfälisches Amt für Denkmalpflege: 1. – Orgelwerkstatt Ro-wan West: 3. – Roswitha Kaiser: 4, 5, 7. – KirchengemeindeOstönnen: 6. – Repro aus: Internationale Gesellschaft für Musik-wissenschaft (Hg), Les Traités d’Henri-Arnault de Zwolle et de di-vers anonymes, in: Documenta Musicologica. Zweite Reihe:Handschriften-Faksimiles IV. Kassel 1972: 2.

Roswitha Kaiser

7. Der originale Kern der C-Pfeife der Quinte mit Schriftzügen.

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RELIKT EINER UNGELIEBTEN EPOCHEDER KIRCHENMALEREI?

ENTSTEHUNGS- UND ERHALTUNGSGESCHICH-TE Im Mai 1927 begann der damals in Köln ansässi-ge süddeutsche Kirchenmaler Augustin Kolb mit derNeuausmalung der 1829–33 errichteten klassizisti-schen Hallenkirche St. Mauritius in Ibbenbüren (KreisSteinfurt). Vor Weihnachten 1927 konnte die Kirchebereits wieder ausgerüstet werden, die endgültige Fer-tigstellung der Ausmalungsarbeiten zog sich bis Som-mer 1928 hin.Über die näheren Umstände, die zur BeauftragungKolbs führten, ist nichts bekannt. Die erhaltenen Ar-chivunterlagen geben nur ungefähr über den Ablaufder Arbeiten und deren Abrechnung Auskunft. Ausdiesen Quellen, ergänzt durch einen Zeitungsartikelund wenige historische Fotos, ergibt sich das folgen-de, sehr lückenhafte Bild der bis auf das Decken-gemälde heute nicht mehr vorhandenen Kirchenaus-malung.Die Raumfassung war in hellen Tönen gehalten undsuchte sich offenbar recht zurückhaltend der vorhan-denen Architektur anzupassen. Die architektonischenGliederungselemente wie Wandpfeiler und Architravewaren weiß, die übrigen Flächen in hellen Farben ge-strichen. Die Säulen erhielten als dominierendeBauglieder eine abweichende Farbgebung, die sichvon kräftigen Tönen im unteren Bereich zu lichterenTönen in den oberen Zonen hin entwickelte. Auf Or-namentik scheint Kolb weitgehend verzichtet zu ha-ben. Das langgestreckte Tonnengewölbe des Haupt-schiffes wurde im Chorbereich mit einer DarstellungGottvaters versehen, vor lichtblauem Grund auf Wol-ken thronend, von den Tierkreiszeichen und einemStrahlenkranz umgeben. Als Bindeglied zwischenChor und Langhaus, gleichsam als eine Art Triumph-bogen, fügte Kolb nach Westen hin eine fünf Meterbreite, durch Felder unterschiedlicher Größe geglie-derte Zone ein, die in weiß und violett gehalten warund die Darstellung der Heilig-Geist-Taube aufnahm.Darauf folgte dann im Langhaus das monumentaleDeckengemälde der „Himmelfahrt Christi“. Die seitli-chen Chorwände trugen großformatige figürlicheDarstellungen. Links vom Hauptaltar „Jesus steigt zurErde nieder“, rechts „Das Wunder der Brotvermeh-rung“ als Hinweis auf die Einsetzung des hl. Altarsa-kraments. Weitere figürliche Szenen nahmen dieWandflächen über den Seitenaltären an den Osten-den der beiden Seitenschiffe auf: links Maria und Jo-

sef als Fürbitter bei Gott, darunter Leidende und Be-drängte unter Führung des Bischofs als Bittsteller,rechts der hl. Josef als Patron der Arbeit mit Vertre-tern der seinen Schutz erflehenden Berufsstände.Über den Windfängen der beiden Seiteneingänge wa-ren schließlich noch je ein Wandgemälde mit Szenenaus dem Leben des hl. Mauritius, des Kirchenpatrons,angeordnet.Bei der umfassenden Instandsetzung des Kirchenin-nenraums 1957/58 wurde die als zu dunkel und far-big empfundene Kolbsche Ausmalung mit Ausnahmedes Deckengemäldes „Himmelfahrt Christi“ übermaltbzw. durch Abschlagen des Putzes vernichtet. Ob undin welchem Umfang dennoch Reste unter den Über-strichen erhalten blieben, ist ungeklärt. Eine restau-ratorische Befunduntersuchung fand bisher nichtstatt. Das allein sichtbar gebliebene Deckengemäldewurde gereinigt und mit hellen Kaseinfarben „gelich-tet“. Eine erneute Restaurierung des Deckenbildesfolgte 1977/78. Damals rekonstruierte man nach Fo-tos die Rahmung des Bildes.

DER MALER Augustin Kolb wurde am 11. Juli 1869in Güntersleben, einem kleinen Dorf bei Würzburg,als Sohn eines Tünchers geboren. Er erlernte seit1887 zunächst den väterlichen Beruf und arbeitete inder Werkstatt des Würzburger Kirchen- und Dekora-tionsmalers Franz Wilhelm Driesler (1854–1910).1896 ging Kolb nach München, um sich dort bei denMalern Ludwig Schmid-Reutte und Friedrich Fehr aufdie Aufnahme in die Königliche Kunstakademie vor-zubereiten. Seit 1897 studierte er dann an der Aka-demie bei dem Landschaftsmaler Karl Raupp (1837–1918). 1899 begann mit der Niederlassung in Of-fenburg (Baden) Kolbs selbständige künstlerischeTätigkeit.Wichtigstes Tätigkeitsgebiet Augustin Kolbs war Zeitseines Lebens die Kirchenmalerei. Von 1899 bis zuseinem Tod am 25. Dezember 1942 malte Kolb nachheutigem Kenntnisstand ca. 70 Kirchen aus. Bliebsein Wirkungskreis zunächst auf den Schwarzwald be-grenzt, dehnte er sich doch schon vor Beginn des Er-sten Weltkrieges weiter nach Norden bis nach Hessenaus. 1922 nahm Kolb dann die Arbeit in seiner erstenwestfälischen Kirche auf. Der Ausmalung der Ludge-ruskirche in Gelsenkirchen-Buer (1922–25) folgtenmehrere Kirchen in Recklinghausen: Liebfrauenkir-che und St. Paulus 1923, Herz Jesu in Röllinghausen1924. 1925 malte Kolb in Münster die Kirche des Klo-sters vom Guten Hirten aus. 1926 kam in Dortmunddie Liebfrauenkirche hinzu. Seinem neuen Tätigkeits-schwerpunkt gemäß siedelte Kolb 1927 mit seiner Fa-milie nach Köln über. Seine Söhne Waldemar, Ferdi-nand und Alban arbeiteten in der Firma mit. Es folg-ten weitere Kirchenausmalungen im Rheinland und inWestfalen, so in Ibbenbüren 1927, in Marl-Brassert,St. Bonifatius, 1930 und 1931 in St. Laurentius inWanne-Eickel. Außer in Ibbenbüren ist keines der ge-nannten westfälischen Werke auch nur zum Teil er-halten. Mit zwei Kirchen in Schleswig-Holstein (Kiel,St. Nikolaus, Neumünster, St. Vicelin) erreichte Kolb1933 den hohen Norden Deutschlands. Seit 1937wohnte Augustin Kolb in Kassel-Wilhelmshöhe, bevorer 1940 nach Güntersleben zurückkehrte. Die Aus-

1. Innenansicht der Mauritiuskirche nach Osten mit der Aus-malung Kolbs, nach 1928.

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2. Deckengemälde „Himmelfahrt Christi“ von Augustin Kolb, Zustand 1981.

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malung von St. Marien in Volkmarsen 1939 gilt alssein letztes kirchenmalerisches Werk.Zweites künstlerisches Standbein Kolbs war der Holz-schnitt, mit dem er insbesondere in den 20er und 30erJahren des 20. Jahrhunderts Erfolge verzeichnenkonnte. Er entwarf Einzelblätter nicht nur religiösen In-halts sowie Buchillustrationen, Ex Libris etc. Weiter-hin sind zahlreiche Zeichnungen und Staffeleibilderdes Malers bekannt. Leben und Werk des zu seinerZeit bekannten und berühmten, aber heute in Ver-gessenheit geratenen Künstlers sind bisher nochkaum erforscht.

BEDEUTUNG DES DECKENGEMÄLDES Das erhal-tene monumentale Deckenbild der IbbenbürenerMauritiuskirche, rechts unten „Aug. Kolb Köln 1927“bezeichnet, hat die „Himmelfahrt Christi“ zum The-ma. In der unteren, dem Chor nahen Hälfte desGemäldes baut sich die irdische Szenerie auf felsigemTerrain treppenartig auf. Das geöffnete Felsgrab Chri-sti liegt auf einer Anhöhe, davor staffeln sich aufGeländevorsprüngen in den unterschiedlichsten Posi-tionen und Graden der Anteilnahme am Geschehender Himmelfahrt ein Teil der Apostel und andere Zu-schauer. Am hinteren Ende des Grabes kniet Maria,die Gottesmutter, hervorgehoben durch den Nimbus,umgeben von weiteren Aposteln und anderen Anteil-nehmenden. Die obere Bildhälfte bleibt der himmli-schen Szenerie vorbehalten. Christus schwebt, auf ei-nem von Engeln geleiteten Wolkenwirbel stehend,nach oben, wo ihn die Strahlen der Heilig-Geist-Tau-be treffen und Gottvater ihn bereits erwartet. Eine In-schrift am unteren Bildende fasst das Geschehen zu-sätzlich in Worte: DER HERR STEIGT SEGNENDHIMMELAN / MIT MACHT UND GLORIE ANGETAN /ES ÖFFNET SICH DES HIMMELS TOR / IHM JU-BELT FROH DER ENGEL CHOR.Die zweifellos an barocken Vorbildern orientierte,eher traditionelle Bildkomposition füllt Kolb mit einerFormensprache, die ihre zeitgenössische Herkunftdeutlich zu erkennen gibt. Der Maler setzt Farben undFormen, Licht und Schatten in großen, detailarmenFlächen mit expressiv-zackigen Konturen. Gesichter,Gesten, Körperwendungen wirken dadurch als Trä-ger stärkster Gefühle. Die Farben sind kräftig undbunt, aber nicht plakativ, sondern eher von mysti-scher Leuchtkraft, die allerdings heute durch starkesNachdunkeln beeinträchtigt ist. Eine ikonographi-sche Neuerung Kolbs ist der sich zum Grab, den An-teilnehmenden und damit auch zum Betrachterzurückwendende Christus. Üblicherweise erhebtChristus den Blick nach oben, zu Gottvater. Das Ge-neralvikariat in Münster bemängelte denn auch 1928den in wenig würdevoller Weise weit vorgebeugtenKopf Christi und darüber hinaus die seitliche StellungGottvaters, dem eigentlich der Platz der Taube zu-komme.Die Bildkomposition verwendete Kolb in Ibbenbürennicht zum ersten Mal. Bereits 1923/24 gestaltete derMaler in der Kirche St. Georg in Berghaupten bei Of-fenburg ein nicht mehr erhaltenes Deckenbild derHimmelfahrt Christi. Der Vergleich mit dem fotogra-fisch belegten Berghauptener Gemälde zeigt auf denersten Blick, dass es sich in Ibbenbüren um eine bisauf wenige Details identische Zweitausführung des-selben Entwurfs handelt. Einige Randfiguren sind hin-zugefügt, außerdem ein Selbstporträt Kolbs und diePorträts von zwei seiner Söhne. Weitere Porträts vonMitgliedern der Ibbenbürener Gemeinde sind ent-

sprechend Kolbs Gepflogenheiten anzunehmen. DieWiederverwendung von Entwürfen ist ein auch an an-deren Beispielen zu beobachtendes Verfahren desKünstlers.Auch wenn das Ibbenbürener Deckenbild heute nichtmehr in das zugehörige Farbkleid der ganzen Kircheeingebettet ist, so handelt es sich doch um ein Haupt-werk der Kirchenmalerei in Westfalen aus der Zeit zwi-schen den beiden Weltkriegen. Nach dem Ende desErsten Weltkriegs war man des bis dahin vorherr-schenden spätnazarenischen Stils müde, und ver-suchte als Reaktion auf die politischen und gesell-schaftlichen Veränderungen der Zeit eine Erneuerungkirchlicher Wandmalerei. In Köln arbeitete seit1919/20 das Kölner Institut für religiöse Kunst an derEntwicklung und Propagierung der Grundlagen fürdiesen Wandel. Augustin Kolb gehörte zwar nicht zuden von diesem Institut protegierten Künstlern, fandaber dennoch Aufträge in seinem Einzugsgebiet, wasschließlich zur Übersiedlung in die Domstadt führte.Kolb hatte sich spätestens 1921 mit der nicht erhal-tenen Ausmalung der Kirche St. Cyriak in Oberkirch(Baden) von der spätnazarenischen Tradition seinervorangehenden Schaffenszeit gelöst und einen sehrpersönlichen Stil entwickelt, der die unterschiedlich-sten Elemente aus byzantinischer Mosaikkunst, Beu-roner Schule, Jugendstil und Art déco zu einer ex-pressiv-mystischen Gesamtwirkung vereinte. Der Ma-ler wendete in vielen seiner Werke – nicht allerdings inIbbenbüren – eine tüpfelnde und strichelnde Malwei-se an, die man mit dem Pointillismus verglichen hat.Die Wirkung erinnert stark an das Mosaik, wobei Kolbdie Lichtreflexe glasierter Steine durch eingestreuteGlasflitter, Christbaumkugeln oder Metallauflagen zuimitieren suchte. Kolb gelangte damit zu einer zeit-gemäßen Darstellung religiöser Bildthemen, die sichinhaltlich und kompositorisch aber nur wenig verän-derten. Den besten und umfassendsten Eindruck derkünstlerischen Leistung Kolbs bietet heute die durcheinen seltenen Glücksfall komplett erhaltene Ausma-lung der katholischen Johanneskirche in Bad Hom-burg-Kirdorf von 1923–25.In großem Umfang entstanden in jenen Jahren über-all in den katholischen Kirchen, und auch in evange-lischen, wie das Beispiel des Malers Rudolf Schäfer(1878–1961) zeigt, neue Kirchenausmalungen undreligiöse Wandmalereien. Das öffentliche Interessedaran war sehr groß. In krassem Gegensatz dazusteht der heutige Umfang des Erhaltenen, der fast da-zu zwingt, kirchliche Wandmalerei von 1919–1939als verlorene Gattung zu bezeichnen. Die Purifizie-rung der Kirchenräume seit Ende der 50er Jahre des20. Jahrhunderts traf die oftmals starkfarbige, in ex-pressiven, gefühlsbetonten Formen vorgetrageneWandmalerei der 20er und 30er Jahre noch sehr vielstärker als die Zeugnisse des Historismus. Sie wurdeauch in Westfalen gnadenlos vernichtet oder über-malt. Erst in den letzten Jahren erfreuen sich die we-nigen erhaltenen Beispiele wieder in Ansätzen jenerWertschätzung, die ihnen als Dokumente einer längstabgeschlossenen historischen Epoche zukommt.Verschiedentlich konnten Ausmalungen der Zeit inWestfalen konserviert, freigelegt oder rekonstruiertwerden. Das Ibbenbürener Deckengemälde ist alsonicht nur als wichtiges Zeugnis des durch Verlustestark dezimierten Œuvres des Kirchenmalers Augu-stin Kolb zu werten. Es ist zugleich auch eines der sel-ten gewordenen monumentalen Relikte einer ganzenEpoche kirchlicher Kunst in Westfalen und darüber

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hinaus, deren denkmalpflegerische Rehabilitierungnoch am Anfang steht. Um so größer ist die Ver-pflichtung, dieses qualitätvolle und aussagekräftigeWerk zu konservieren und damit künftigen Genera-tionen zu erhalten.

KONSERVATORISCHE ERFORDERNISSE Bei derEinrüstung des Kirchenraums anlässlich der jüngstenErneuerung des Innenanstrichs bestand die Gelegen-heit, das Deckengemälde Kolbs aus der Nähe zu be-trachten. Neben der eher ästhetischen Beeinträchti-gung des Gemäldes durch das Nebeneinander vonmatten und glänzenden Oberflächen stellte Amtsre-staurator Beat Sigrist bei dieser Gelegenheit auch be-standsgefährdende Schäden fest. In Teilbereichen pu-dert die Malschicht, in anderen hat sie sich vom Grundgelöst, steht auf oder rollt sich ab, möglicherweise zu-sammen mit den bei den zurückliegenden Restaurie-rungen aufgebrachten Fixierschichten. Hinzu kommtein massiver biologischer Befall der Gemäldeober-fläche mit einem Schimmelpilz. Dieser Befall ist aufden glänzenden Bereichen des Deckenbildes amstärksten ausgebildet. Hier wurde 1977/78 vermutlichmit Acrylat gefestigt, das dem Schimmelpilz einenguten Nährboden bietet. Die vom Institut für ange-wandte Toxikologie und Umwelthygiene an der Uni-versität Oldenburg (INTOX) durch Prof. Dr. Karin Pe-tersen durchgeführten Untersuchungen identifizier-ten den Schimmelpilz als die auch für den Menschentoxische Art „Aspergillus fumigatus“. Messungen er-gaben allerdings zumindest für den Messtag keine kri-tischen Konzentrationen von Pilzkeimen in der Raum-luft des Kirchengebäudes, so dass eine Gefährdungder Kirchenbesucher eher unwahrscheinlich ist.Dennoch besteht für das Deckenbild dringender Kon-servierungsbedarf, der bei der inzwischen abge-schlossenen Anstricherneuerung zeitlich und finanzi-ell nicht eingeplant war und deshalb nicht realisiertwerden konnte. Im Augenblick laufen Bemühungen,

für die zwingend notwendige restauratorische Be-standserfassung, Schadenskartierung, Befundanaly-se und Maßnahmenkonzeption in Zusammenarbeitmit den Fachhochschulen Hildesheim und Köln ei-ne(n) angehende(n) Restaurator(in) zu gewinnen,die/der bereit ist, das Objekt im Rahmen einer Seme-ster- oder Diplomarbeit zu bearbeiten. Im Zuge derKonzeptionierung müssten auch Methoden erprobtwerden, mittels derer der stark biozidresistente Pilz ab-getötet und/oder zusammen mit dem vermeintlichenAcrylüberzug von der Malerei entfernt werden kann,ohne die Sporen noch weiter zu verbreiten. Erst nachVorliegen der Ergebnisse kann dann hoffentlich baldin einem zweiten Schritt mit den eigentlichen Konser-vierungsarbeiten begonnen werden.

QUELLENKath. Pfarrarchiv St. Mauritius, Ibbenbüren.

LITERATURDorothea Breunig, Ein in der Heimat Vergessener. Zum 50. To-destag des Malers Augustin Kolb, in: Mainfränkisches Jahrbuch44, 1992, S. 177–195. – Wolfgang Brücker, Zur Ausmalung vonKirchen – Entwicklungen in der Denkmalpflege, in: Westfalen 72,1994, S. 21–95, hier bes. S. 24. – Ernst Gerecht, Die Ausma-lung der Kirche St. Johannes in Kirdorf durch Augustin Kolb. In:Jahrbuch Hochtaunuskreis 2002, S. 64–76. – Elisabeth Peters,Kirchliche Wandmalerei im Rheinland 1920–1940. Rheinbach1996. – Renata von Poser, Rudolf Schäfer – Kirchenausstattun-gen. Religiöse Malerei zwischen Bibelfrömmigkeit und Pathos.Regensburg 1999. – Thieme-Becker-Künstlerlexikon, Bd. 21,Leipzig 1927, S. 221f.

BILDNACHWEISErnst Gerecht, Bad Nauheim: 1. – Westfälisches Amt für Denk-malpflege: 2 (Nieland).

Dirk Strohmann

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Zentral im Ortskern des 1383 erstmals erwähnten Or-tes Silberg, einem südlich der Gemeinde Kirchhun-dem inmitten des Olper Landes gelegenen Ortsteils,befindet sich die Hofanlage Schrabben. Der vermut-lich bis in das Mittelalter nachweisbare Hof Schrab-ben war Pachtgut der Vögte von Elspe und wurde erstim 19. Jahrhundert abgelöst.Die Hofanlage besteht heute aus drei Gebäuden: einemWohn- und Wirtschaftsgebäude, das nach einem Brand1916 als Neubau entstand und aus dieser Zeit mit sei-ner Ausstattung vollständig erhalten ist, einer Scheuneund einem Speicher mit Backhaus. Bis auf die Scheu-ne wurden die Gebäude im November 2002 in dieDenkmalliste der Gemeinde Kirchhundem eingetragen.Silbergs Ortslage wird entscheidend von dieser histo-rischen Gebäudegruppe geprägt. Weit über Silberghinaus reicht aber auch die Bedeutung des Speicher-gebäudes und Backes an der Hütte des 18. Jahrhun-derts, da vergleichbare Nebengebäude größerer Hof-anlagen im Kreis Olpe nur selten erhalten sind.Ursprünglich handelte es sich bei dem sog. Backes wohlnur um einen Speicher, in den erst nachträglich einBackofen eingebaut wurde. Spätestens seit dem frühen19. Jahrhundert diente das Gebäude mit einiger Wahr-scheinlichkeit dann sogar einer Wohnnutzung.Der einstöckige Fachwerkbau mit verbretterter nörd-licher Giebel- und westlicher Traufwand erhebt sichüber einem mächtigen bruchsteinernen, in einen Hangeingebauten Sockelgeschoss, das einen großen, ton-nengewölbten und verputzten Raum birgt. WelcheFunktion der Keller hatte, ist nicht bekannt; eine La-gerhaltung dürfte aber plausibel sein. Der aufgehen-de Fachwerkteil ist im Inneren dreizonig gegliedert,wobei mindestens zwei Räume ehemals durch sepa-rate Eingänge erschlossen werden konnten. Zusam-men mit dem Einbau eines Backofens im hinteren,hangseitigen Gebäudeteil wurde die untere Hälfte derfachwerkenen Nordwand des mittleren Raumes ent-fernt und durch ein Bruchsteinmauerwerk ersetzt so-wie die Balkenlage des nördlichen Gebäudedrittelsum eine Gefachhöhe reduziert. Seit dieser Zeit ist derBodenraum über eine Klappe in der Nordwand vomBackgang aus zu begehen.Bis auf wenige jüngere Eingriffe enthielten die Gefa-che noch historische Ausfachungen mit Lehmflecht-werk. Der südliche Raum war überdies im Inneren ver-putzt und weiß gekälkt. Unter dem jüngsten Anstrichverbarg sich neben weiteren Kalkanstrichen eine ge-

schwärzte Schi cht, welche zusammen mit den ruß-geschwärzten Wänden des Backganges auf eine ehe-malige weitere Nutzung als Räucherkammer deutet.Die Gefache des Backganges wiesen nur einen Un-terputz aus Lehm auf, auf dem teilweise noch eine inschön geschwungenen Formen aufgebrachte Auf-kämmung erhalten ist. Danach sollten die Gefache of-fensichtlich einen Oberputz erhalten, der entwederunterlassen wurde oder verloren ist.Mit Beginn des Jahres 2000 ist dem neu gegründe-ten Heimat- und Backesverein e. V. in Silberg die Nut-zung des Gebäudes übertragen worden. Seither be-treibt der Verein die Instandsetzung des Backes. So-gleich wurde der Ofen wieder gangbar gemacht. Mitder Teilnahme am Tag des Offenen Denkmals ergriffder Verein außerdem die willkommene Gelegenheit,das Backhaus in das Bewusstsein der Silberger undanderer Menschen im Olper Land zu rücken. Im Früh-jahr 2001 wurde auf der Grundlage eines Schadens-katasters ein Maßnahmenkonzept zur Restaurierungdes Bauwerks entwickelt. In dem gleichzeitig für dieHofanlage erarbeiteten Gesamtkonzept ist beabsich-tigt, das Backhaus verstärkt in seiner alten Funktionzu nutzen. Im angrenzenden Raum können überdieskleinere Gruppen Platz zur Rast und Feier finden. DerGewölbekeller ist als Ausstellungsfläche geplant.Die vorgesehene nicht ständige Nutzung des Gebäu-des ermöglichte ein reduziertes Sanierungspro-gramm. Erklärte Absicht des Vereins war es, bis aufdie statisch notwendige Sanierung des Fachwerk-gerüstes und ein Minimum an technischer Ausstat-tung nur kleinere „Schönheitsreparaturen“ auszu-führen. So sollten sämtliche historische Gefache inder historischen Technik repariert werden sowie dieRaumkonzeption und schlichte Ausstattung mit Zie-gel-, Lehm oder Bretterboden erhalten und sogar dierußgeschwärzten Wände der kleinen Backstube so-weit möglich sichtbar bleiben.Mit der Maßnahme wurde im Juni 2003 begonnen. Ineinem ersten Bauabschnitt erfolgte die Fachwerkre-paratur sowie ein Neuausmauern defekter Gefachemit Lehmsteinen. Im Innern erhielten der südlicheRaum wie vorgefunden und die erneuerten Gefacheim mittleren Backgang einen Lehmverputz mit Kalk-kaseinanstrich. Auch die Außenhaut ist mittlerweilerestauriert. In Eigeninitiative wurden die Gefachfeldermit einer selbst angerührten Kalkkaseintünche sowiedie Fachwerkbalken mit einem pigmentierten Leinöl-firnis gestrichen.In einem zweiten Bauabschnitt wird nun das Gebäu-de zur Benutzung fertiggestellt: Die fehlenden Bo-denbeläge aus Stampflehm und Ziegel müssen gelegtund eine kleine Küche im Nachbarraum zum Back-ofen eingerichtet werden, um künftig die Backwarenvor Ort zubereiten und servieren zu können.In Silberg ist bereits jetzt ein überzeugendes Restau-rierungsergebnis gelungen, das von allen Beteiligtenakzeptiert wird. Das materialgerechte Vorgehen amBackes ist darüber hinaus Vorbild für andere Projekteim Kreis Olpe.

BILDNACHWEISWestfälisches Amt für Denkmalpflege (Dülberg).

Andrea Pufke

ZUR INSTANDSETZUNG DES „BACKES“IN KIRCHHUNDEM-SILBERG

Silberger Straße 32. Gut Schrabben – Backhaus. 2002.

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VON BEVERUNGEN BIS WÜNNENBERG – EINZIGARTIGERVEDUTENZYKLUS AUS DEM HOCHSTIFT PADERBORN

RESTAURIERT

Stadt und Erzbistum Paderborn erinnern in der zwei-ten Jahreshälfte 2004 mit einer kulturgeschichtlichenAusstellung an Fürstbischof Ferdinand von Fürsten-berg (1626–1683), der als einer der bedeutendstenBischöfe, Gelehrten und Mäzene seiner Zeit geltenkann. Die Blüte der barocken Kunst im PaderbornerLand ist untrennbar mit seiner Person und seinen Stif-tungen verbunden. Gleichsam im Vorgriff auf dieseAusstellung wurde bereits Ende 2003 die Restaurie-rung einer Gemäldefolge abgeschlossen, die wiekaum eine andere Stiftung des Fürstbischofs geeig-net ist, den Status Ferdinands als Landesherr und sei-ne Neigungen als Geschichtsforscher und Kunstför-derer zu demonstrieren. Es handelt sich um einen Zy-klus von heute noch 41 Leinwandgemälden, von de-nen 39 Städte, Ortschaften, Burgen und Schlösser,Klöster und Landwehren aus dem Hochstift Pader-born abbilden. Mit diesen Bildern setzte Ferdinand vonFürstenberg den Gegenden seines Sprengels ein blei-bendes Denkmal und hinterließ uns ein getreues,heute oft längst entschwundenes oder verändertesBild des architektonischen und landschaftlichen Le-bensumfeldes seiner Untertanen nach der Mitte des17. Jahrhunderts und damit eine Geschichtsquellevon unschätzbarem Wert. Schöpfer des Vedutenzy-klus ist der Maler Carl Fabritius, der die Bilder in derRekordzeit von drei Jahren von 1664 bis 1666 im Auf-trag des Fürstbischofs für das Residenzschloss Neu-haus malte.1806 wurden die damals noch 62 Veduten mit An-sichten aus dem Hochstift, fünf Ideallandschaften(zwei sind erhalten) und acht religiöse bzw. allegori-sche Bilder im Zuge der Säkularisation aus den Räu-men des Schlosses Neuhaus entfernt und in einen un-benutzten Raum im Theodorianum, dem Gebäude

der ehemaligen Paderborner Jesuitenuniversität undheutigem Gymnasium, überführt. Aus diesem Lagerbedienten sich 1807 hohe Beamte des neu gegrün-deten Königreiches Westphalen zum Schmuck ihrerAmtssitze: 12 Gemälde gelangten nach Kassel zumPräfekten, der Löwenanteil blieb in der Unterpräfekturin Paderborn, einige Bilder kamen in Privatbesitz. Die12 Kasseler Gemälde schickte man nach dem Endedes Königreichs irrtümlich nach Münster, wo sie imSchloss aufbewahrt und mit diesem im Zweiten Welt-krieg vernichtet wurden. Die übrigen Fabritius-Gemäl-de führte 1827 der Paderborner GymnasiallehrerBrand im Theodorianum zusammen. Dort ereilte ei-nige der Bilder ebenfalls die Zerstörung im ZweitenWeltkrieg. Heute hängen die erhaltenen Gemälde inden Hörsälen und Fluren der Theologischen Fakultätam Kamp in Paderborn, direkt neben dem wieder-aufgebauten Theodorianum.Neben dem Bischofswappen Ferdinands von Für-stenberg erscheint in einigen Ansichten des Zyklus’auch das Wappen eines zweiten Paderborner Fürstbi-schofs. Friedrich Wilhelm von Westphalen (1727–1789) ließ die Gemälde 1783–1785 von dem Pader-borner Maler Johann Ferdinand Woltemate (auchWoltemuth, 1736–1791) restaurieren. Einige Bildermüssen damals in einem sehr schlechten Zustand ge-wesen sein, denn Woltemate malte die Ansichten vonNeuenheerse, Erwitte, Willebadessen und Marien-münster als Kopien der Originale neu. Weitere Re-staurierungen von Teilen der Gemäldefolge sind ausden Jahren 1910, um 1930, 1958 und 1980–1984bekannt.1999 belegte eine von der Theologischen Fakultät an-geregte restauratorische Bestandsaufnahme allerGemälde erneut den schlechten Erhaltungszustand

Ansicht der Stadt Brakel nach der Restaurierung 2002.

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vieler Ansichten. Fast durchweg trübte der stark ver-bräunte Firnis die Ablesbarkeit der Stadt- und Orts-silhouetten und verstellte den Blick für die durchausrespektable künstlerische Qualität der Bilder. DieLeinwände besonders der großen Formate litten un-ter mangelnder Spannung, teilweise waren Durch-stoßungen und Risse der Leinwand und das Abblät-tern der Malschicht zu verzeichnen. Zahlreiche wenigsachgemäße ältere Retuschen, zum Teil großflächigüber die noch erhaltene originale Malschicht gezogen,beeinträchtigten das Erscheinungsbild erheblich.Daraufhin setzten intensive Bemühungen ein, die fürdie Restaurierung notwendigen umfangreichen Fi-nanzmittel zu beschaffen. Die Verhandlungen führtenzum Verkauf der im Eigentum des Landes NRW be-findlichen Gemäldefolge an das Erzbistum Pader-born, das sich zur Restaurierung der Bilder verpflich-tete und dem dazu ein namhafter Zuschuss aus demDenkmalförderungsprogramm des Landes für dasJahr 2003 in Aussicht gestellt wurde.Im Vorgriff auf diese Maßnahme wurde bereits 2002das Gemälde mit der Ansicht der Stadt Brakel re-stauriert (Fa. Ochsenfarth Restaurierungen, Pader-born), finanziell gefördert vom LandschaftsverbandWestfalen-Lippe und der Stadt Paderborn. Das Bilddiente als eine Art „Pilotobjekt“, um bei den für dieMehrheit der Gemälde charakteristischen Schadens-bildern die angemessenen restauratorischen Metho-den zu erproben und den Zeitaufwand genauer fest-zulegen. Es zeigte sich, dass die besonders störendenRetuschen und großflächigen Übermalungen durch-weg jüngeren Datums waren. Ihre Entfernung brach-te einen Zugewinn an originaler Malschicht und dieKlärung sowie optische Verbesserung des Bestandes.Demgegenüber konnten die Eingriffe des späten 18.Jahrhunderts als Zeitdokument von bereits histori-schem Wert belassen werden. In diesem Sinne bear-beiteten die Restauratoren dann 2002/2003 nach undnach die weiteren Bilder des Gemäldezyklus’. Auchüber die Insolvenz der Fa. Ochsenfarth Restaurierun-gen hinaus konnte die Kontinuität der Bearbeitung si-chergestellt werden, da die neu gegründete Firma Arscolendi, Paderborn, mit dem zuvor bereits am Gemäl-de Stadt Brakel tätigen Restauratorenteam (Leitung:Dipl.-Rest. Christoph Fiebiger) die Weiterführung desAuftrages übernahm.Zu guter Letzt bleibt noch auf die wissenschaftliche

Begleitung der Restaurierung durch den Kunsthisto-riker Dr. Roland Pieper aus Münster hinzuweisen. We-gen der großen historischen Bedeutung der Gemäl-defolge bestand Einigkeit darüber, die sich bei der re-stauratorischen Bearbeitung einmalig bietende Chan-ce einer intensiven technologischen und kunstwis-senschaftlichen Erforschung und Dokumentationwahrzunehmen. Die zahlreichen interessanten undneuen Ergebnisse werden 2005 in einer eigenen Pu-blikation veröffentlicht, die zugleich eine Werkmono-grafie des Malers Carl Fabritius sein wird. Vielleichthebt sich dann auch der Schleier über dem Leben desMalers, der 1664 unvermittelt in Paderborn erscheint,hier neben den Veduten noch einige Altarbilder hin-terlässt und 1667 ebenso abrupt wieder aus der loka-len Überlieferung verschwindet. Fabritius’ nun vor-bildlich restaurierte Ansichten aus dem PaderbornerHochstift werden mit ihrer wissenschaftlichen Veröf-fentlichung hoffentlich endlich jene Beachtung undWürdigung durch eine breitere Öffentlichkeit erfah-ren, die ihrem künstlerischen Anspruch und ihremWert als fast ausnahmslos älteste historische Bild-quelle zu den einzelnen Städten und Orten angemes-sen ist.

LITERATURFranz Joseph Gehrken, Verzeichniß der vom Schlosse Neuhausim Jahre 1803 in das Universitätshaus zu Paderborn überführ-ten Gemälde, in: Westfälische Zeitschrift 43/II, 1885, S. 158–161.– Johannes Schäfers, Die Fabritius’schen Gemälde im Kolle-gienhause zu Paderborn, in: Westfälische Zeitschrift 69/II, 1911,S. 357–359. – Doris Westhoff, Ferdinand von Fürstenberg, Fürst-bischof von Paderborn und seine Kunstaufträge, in: WestfälischeZeitschrift 92/II, 1936, S. 135 – 179, hier S. 172 f, 176, 178. –Dirk Strohmann, J.G. Rudolphi. Ein Beitrag zur Malerei des 17.Jahrhunderts in Westfalen, Bonn 1986 (= Denkmalpflege undForschung in Westfalen 10), hier S. 113–115 m. Abb. – GünterDeppe, Einzigartige Gemäldesammlung zu Örtlichkeiten desHochstifts Paderborn. Bilanzierung und Gedanken in die Zukunftzu den Bildern von Carl Fabritius, in: Die Warte 60, 1999, Nr. 102,S. 30–32.

BILDNACHWEISRoland Pieper, Münster

Dirk Strohmann

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Zwei Jahre nachdem die bauliche Sanierung der ehe-maligen Petershäger Synagoge abgeschlossen wor-den war (s. Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 1/02,S. 30–35), wurde sie am 27. November 2003 als In-formations- und Dokumentationszentrum zur jüdi-schen Orts- und Regionalgeschichte eröffnet. Damitkonnte das ehemalige Gotteshaus nunmehr der seit1997 geplanten Nutzung zugeführt werden, die ge-genüber anderen Nutzungen den Vorzug bietet, dasssie dem Gebäude seine jüdische Identität weitgehendzurückgibt. Ergänzende Anbauten wurden vermie-den, so dass eine hohe Authentizität für die ehemali-ge Synagoge auch in ihrem äußeren Erscheinungs-bild erhalten wurde. Das Informations- und Doku-mentationszentrum erhielt eine Dauerausstellung zuder mehr als vierhundertjährigen jüdischen Ge-schichte im Raum Petershagen, die sich mit der erst-maligen Erwähnung jüdischer Einwohner bis ins 16.Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Das Zustandekommen der Ausstellung ist maßgeb-lich das Verdienst der ehrenamtlichen Arbeitsge-meinschaft „Alte Synagoge Petershagen e. V.“, die imJanuar 1999 gegründet worden war. Die Arbeitsge-meinschaft hatte sich seitdem neben der Erhaltungder alten Synagoge Petershagen und der Aufarbei-tung von jüdischem Kulturgut insbesondere die „För-derung einer Gedenk- und Informationsstätte im Sy-nagogengebäude“ zur Aufgabe gemacht. Die inhalt-liche Ausarbeitung der Ausstellung ist überwiegendvon Bernd-Wilhelm Linnemeier erstellt worden, der

nicht allein wegen seiner Forschungsarbeit an der Uni-versität Münster mit dem Thema „Jüdisches Lebenim Alten Reich. Stadt und Fürstentum Minden in derFrühen Neuzeit“ ein ausgewiesener Kenner der jüdi-schen Geschichte im Petershäger Raum ist. Die Ausstellung präsentiert sich hauptsächlich in achtpultförmigen Vitrinen. In der ersten Vitrine sind dieEinrichtung und der Gottesdienst in der Synagoge er-läutert, in den nächsten vier Vitrinen werden die frühejüdische Zuwanderung und jüdisches Alltags- und Er-werbsleben im geschichtlichen Zusammenhang vom16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts dargestellt.In weiteren drei Vitrinen wird über das Leben der Pe-tershäger Juden in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts bis zu den Deportationen und Vernich-tungen in der Zeit des Nationalsozialismus berichtet.Anhand von Fotos, Urkunden, Siegeln und Zeich-nungen werden die Geschichte und die Lebensbe-dingungen der Juden im Minden-Petershäger Raumveranschaulicht. Allerdings handelt es sich lediglichum Faksimile-Drucke aus Archivbeständen, wohinge-gen in der Ausstellung originale Schriftstücke und Bil-der fehlen. Das Fehlen dreidimensionaler originalerExponate ist vornehmlich mit den Zerstörungen wäh-rend des Pogroms 1938 zu erklären. Immerhin wer-den noch eine Thora-Rolle, die auf Grund einer Be-schädigung zu rituellem Gebrauch nicht mehr ver-wendbar ist, und ein Leuchter die Ausstellung berei-chern. Die denkmalgerechte Sanierung wurde eben-so wie die Einrichtung der Synagoge als Ausstel-

DIE EHEMALIGE SYNAGOGE IN PETERSHAGEN ALSINFORMATIONS- UND DOKUMENTATIONSZENTRUM

Petershagen, ehem. Synagoge. Blick auf die Thorawand nach der Einrichtung als Informations-und Dokumentationsstätte. 2003.

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lungsort von der Fachbehörde begleitet. WichtigstesAusstellungsstück und historisches Dokument aberist die Synagoge selbst.An der 1846 erbauten Petershäger Synagoge ist bei-spielhaft erkennbar, dass Synagogenbau ein wesent-licher Teil jüdischer Kultur ist. So wie sich die Syna-goge der Bebauung der Stadt Petershagen städte-baulich und architektonisch, angepasst an die regio-nale Bautradition, einordnet, sind Synagogen übli-cherweise in regionalen Bauweisen errichtet. Dabeigibt es generell keinen verbindlichen Baustil und kei-ne Gestaltungsregeln für ihren Außenbau. Entschei-dend für den Synagogenbau ist vielmehr der innereAufbau. Verbindlich ist grundsätzlich die Ausrichtungnach Osten, das heißt in Richtung Jerusalem undTempelberg. Der Innenraum wird maßgeblich vonzwei Raumelementen bestimmt, die zu jeder Synago-ge unverzichtbar gehören müssen: von dem Thora-schrein (Aron ha-Kodesch) und von der Bima (Alme-mor). So war auch in Petershagen der Thoraschrein,in dem sich die Thorarollen befanden, vor der Wand-nische in der Ostwand platziert – während die Bima,das Pult zum Vorlesen der Thora, nach orthodoxemRitus ganz zentral in der Mitte des Raumes angeord-net war. Während um die Mitte des 19. Jahrhundertsim Synagogenbau liberaler Gemeinden schon die Bi-ma aus der Mitte herausgenommen und in die Nähedes Thoraschreins gestellt wurde, folgt somit die Pe-tershäger Anordnung noch der traditionellen Raum-auffassung. Diese Erkenntnis macht die baulichenBefunde besonders wichtig und lässt die ehemaligeSynagoge in besonderem Maße als Ausstellungsortfür die jüdische Geschichte geeignet erscheinen.In Petershagen machen die erhaltenen Fundamenteund der Vergleich mit Fotomaterial der untergegan-

genen Nachbarsynagoge in Rahden die Einrichtungnachvollziehbar. Um diese für Besucher noch an-schaulicher zu machen, wurden aus didaktischenGründen Phantome (Gerüste) aus Edelstahlrohr andie Stellen der untergegangenen Thora und Bima ge-setzt. Auf Rekonstruktionen wurde bewusst verzichtet,um Verfälschungen zu vermeiden und um auch dieZerstörungen der Synagoge im November-Pogromvon 1938 nicht zu kaschieren. Die Frauenempore istgemäß ihrem Standort an der Westwand und ihrenAbmessungen ebenfalls anhand der Bauspuren nach-vollziehbar. An dem Petershäger Gotteshaus wird deutlich, dassfür die Synagogen nicht ihr Außenbau bestimmendist. Ihren eigentlichen Zeugniswert als Häuser des jü-dischen Gottesdienstes beziehen die Synagogen viel-mehr aus der Gestaltung des Innenraumes – maß-geblich aus der Anordnung von Thoraschrein und Bi-ma. In Petershagen befindet sich heute die einzige hi-storische Synagoge in Ostwestfalen, deren baulicheÜberreste noch anschaulich Auskunft über die frühe-re rituelle Nutzung geben. Die ehemalige Synagogeist aufgrund ihrer Zerstörungen Mahnmal und Ge-denkstätte, sie ist jetzt als Informations- und Doku-mentationsstätte der Öffentlichkeit zugänglich ge-macht worden. Die Chance, über vier Jahrhundertejüdischer Geschichte in Petershagen darzustellen undder besonderen Verantwortung gegenüber derdeutsch-jüdischen Geschichte gerecht zu werden, istgenutzt worden.

BILDNACHWEISWestfälisches Amt für Denkmalpflege (Ochsmann).

Hartmut Ochsmann

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Für das Erscheinungsbild eines Gebäudes sind Fen-ster und ihre Rahmungen ein wesentliches Gestal-tungselement, daher spricht man auch von ihnen alsvon den „Augen eines Hauses“. In der Denkmalpfle-ge wird aber nicht nur wegen der gestalterischen Qua-lität Wert auf den Erhalt von historischen Fenstern ge-legt, sondern sie stellen zugleich ein wichtiges Zeug-nis historischer Bausubstanz und deren Konstrukti-onsformen dar.Eine Auswahl „besonderer Fenster“ konnte im Jahr2003 mit Hilfe des Sonderprogramms „Das beson-dere Fenster – profane Farbverglasungen, außerge-wöhnliche Gebrauchsfenster, Blendläden, Fenster-rahmungen“ exemplarisch gefördert werden. DasSpektrum reichte von einer barocken Wappenschei-be über klassizistische Fenster mit ornamentalen Ei-sensprossenoberlichtern bis zu farbigen Jugendstil-bleiverglasungen. Die Fenster zweier Privatkapellenergänzten die profanen Verglasungen. Für die Re-staurierung dieser Objekte stellte das WestfälischeAmt für Denkmalpflege wieder einen Teil der Denk-malpflegemittel des Landschaftsverbandes Westfa-len-Lippe bereit, die in gleicher Höhe durch Mittel der

Handwerkskammern Münster, Dortmund, Arnsbergund nun auch Bielefeld ergänzt wurden. Damit lief dasProgramm erstmals westfalenweit, was als ein beson-ders schöner Erfolg unserer gemeinsamen Bestre-bungen zu werten ist.Es konnten solche Objekte berücksichtigt werden, dieals Bestandteil eines Baudenkmals in die Denkmalli-ste eingetragen sind. Die ausgewählten Fenster konn-ten bis zu zwei Dritteln gefördert werden. Die Förde-rung war formlos beim Westfälischen Amt für Denk-malpflege zu beantragen. Ein dort erhältliches Form-blatt „Hilfe zur Dokumentation von Restaurierungs-maßnahmen“ stellt einen Leitfaden für eine beurtei-lungsfähige Dokumentation der durch das Sonder-progamm geförderten Restaurierungen dar.Das Thema „Das besondere Fenster“ soll wegen dergroßen Resonanz im Jahr 2004 fortgeführt werden.

BILDNACHWEISWestfälisches Amt für Denkmalpflege (Bettina Heine-Hippler).

Barbara Pankoke

RÜCKBLICK AUF DAS SONDERPROGRAMM 2003„BESONDERE FENSTER“

Löhne, Wintergarten mit Jugendstil-Farbverglasungen.

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Hermann Kaiser, Ein Haus und eine Familie in schweren Zeiten.Kolonat Wübbe M. Meyer 1903–1960 (= Material und Studienzur Alltagsgeschichte und Volkskultur Niedersachsens 33). Clop-penburg 2003, 268 S., 170 Abb.

Zwischen 1998 und 2003 wurde ein denkmalge-schützes, aber am alten Standort nicht erhaltungs-fähiges Haupthaus von 1903/04 mit Nebengebäudenaus dem ostfriesischen Virrel in das niedersächsischeFreilichtmuseum Museumsdorf Cloppenburg umge-setzt. Die gründliche Bauuntersuchung und Befund-erhebung vor dem Abbau klärte die Baugeschichteund über Gebrauchsspuren auch die Nutzung der Ge-bäude und ihrer Räume. Das kleinbäuerliche Anwe-sen mit einem backsteinernen Gulfhaus als Haupt-haus nebst Kochhaus, Hühnerstall und Torfscheunewar in den knapp 100 Jahren seines Bestehens vorOrt immer in Besitz derselben Familie mit noch le-benden Nachkommen geblieben. Dies erleichtertedie Recherche zur Geschichte des Hauses und seinerBewohner, deren Ergebnisse Kaiser nun zur Eröff-nung im Museum vorlegt.Breiten Raum nehmen natürlich die Darstellung derBaulichkeiten (mit Fotografien aus dem Familienal-bum, vom alten Standort und im wieder aufgebautenZustand, mit Zeichnungen aus den Bauakten und sol-chen zur Vorbereitung der Translozierung) und derzahlreich erhaltenen Elemente der Sachkultur (von„Opas Sessel“ über den Konfirmationsschein von1940 als Wandschmuck bis zum Resopal-Blumen-ständer der Zeit um 1950) ein. Darüber hinaus erhelltKaiser auf Basis ganz typischer Familienüberlieferun-gen (mündliche Tradierung und Tagebuchaufzeich-nungen, Fotografien und Postkarten, Erb- und Erin-nerungsgegenstände, amtliche Schriftstücke) die Ar-beits- und Alltagswelt ebenso wie den Niederschlagder großen Zeitereignisse auf die Lebenswirklichkeiteiner Familie, die über drei Generationen ihr Aus-kommen auf einer Neusiedlerstelle fand. Da für West-falen vergleichbar umfassende Untersuchungen überdie sozial ähnlich zu verortenden Kotten bisher fehlen,wird bis auf weiteres auf diese hervorragende Mono-graphie zurückgreifen, wer sich mit der Geschichteder am gesamten ländlichen Baubestand und auch

im Denkmälerbestand so stark vertretenen Bautendieser Bevölkerungsschicht im 20. Jahrhundert ver-traut machen möchte.

Gisbert Strotdrees, Hofgeschichten. Westfälische Bauernhöfe inhistorischen Portraits. Münster 2003. Landwirtschaftsverlag; 256S., 120 Abb.

Strothdrees legt nach erfolgreichen Vorgängerwerken(Höfe, Bauern, Hungerjahre. Aus der Geschichte derwestfälischen Landwirtschaft 1809/1950. Münster1991; Es gab nicht nur die Droste. 60 Lebensbilderwestfälischer Frauen. Münster 1992) die nun dritte Zu-sammenstellung einer Artikelserie vor, für die er alsRedakteur und zumeist auch Autor im „Landwirt-schaftlichen Wochenblatt Westfalen-Lippe“ verant-wortlich zeichnet. Zwischen Juni 2000 und April 2003wurden dort 112 landwirtschaftliche Betriebe aus al-len Teilen Westfalen-Lippes vorgestellt, die nun hier inzumeist zweiseitigen Artikeln erscheinen.Grundsätzlich finden sich in allen Aufsätzen Angabenzur jüngeren Entwicklung und aktuellen Erwerbs-struktur des Betriebes. Breiteren Raum nehmen je-doch die Darstellungen der Hofesgeschichten ein.Strotdrees geht es nicht vorrangig um Lückenlosig-keit hinsichtlich genealogischer Abfolgen und Ent-wicklungen von Besitzgrößen und Wirtschaftsstruk-turen auf Basis der amtlichen Dokumente, wie diesmittlerweile in ungezählten Ortschroniken geleistetwird, sondern vielmehr um die Erhellung der ganzspezifischen Lebens- und Arbeitsbedingungen aufdem jeweiligen Hof. Als Quellen dienen ihm neben dermündlichen Überlieferung vor allem die in vielen Fäl-len bislang unpublizierten Hofesarchive mit Überga-be- und Teilungsverträgen, Hausratinventaren, Hof-chroniken und Briefschaften. Zur Anschaulichkeit tra-gen Fotografien von Mobiliar und Aktenstücken, vorallem aber oftmals historische Abbildungen der Hof-anlagen bei, unter denen Denkmalpfleger viele Be-

BUCHBESPRECHUNGEN

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kannte finden. Sozial sind die so entstehenden ‚Ho-fesbiografien’ gestreut von den Kleinbauernstättenund Kotten über die großen Schulzenhöfe und adeli-gen Güter bis zu den Staat sdomänen auf säkulari-siertem Klostergut. Zeitlich wird auf Basis älterer undjüngerer archäologischer Grabungen (Warendorf,Dreckburg, Dideriekeshusen) bis in die Frühge-schichte zurückgegriffen.Strotdrees und die Autoren von 16 Fremdbeiträgen(Ulli Kahmann, Ulrike Kindermann, Horst Kohls, Ro-land Linde, Helmut Platte, Ulrich Rottschäfer, WernerSteinhoff, Friedrich Vollmer, Karl-Heinz Wienke) bie-ten so eine hervorragend lesbare Darstellung vielerFacetten der ländlichen Geschichte Westfalen-Lippes.In den ‚Hofesbiografien’ finden sich ‚klassische’ The-men der regionalen Landes- und Agrargeschichte,wie etwa die Rechtsqualität der Höfe, die Hofestei-lung, die Hofesnamen im Erbfall weiblicher Linie oderdie Ablösung der Höfe im 19. Jahrhundert. Berück-sichtigt werden aber auch zeit- und forschungsge-schichtlich ‚jüngere’ Themen, wie z. B. Auswanderungund Mechanisierung/Motorisierung und ihre Rückwir-kung auf die tradierten Produktionszweige. Ihre be-sondere Qualität offenbart die ‚biografische’ Heran-gehensweise jedoch dort, wo Aspekte der Geschich-te des ländlichen Raumes besonders plastisch wer-den, die man in Überblicksdarstellungen notwendigsummarisch oder in Nebensätzen und Anmerkungenfindet: Die Lebensleistungen etwa bei der Ödlandkul-tivierung und der Einführung neuer landwirtschaftli-

cher Produktionsmethoden, bei der Umsiedlung nachBränden und modernen Infrastrukturmaßnahmenoder bei der Aussiedlung aus bedrängten Ortslagenschon im 19. Jahrhundert werden – wie z. B. auch diespezifischen Lebensbedingungen landsässiger Juden– so weit deutlicher als durch nüchterne Zahlen.Viele der Hofesgeschichten lassen darüber hinaus klarerkennen, dass sich die Tätigkeit der ländlichen Be-völkerung keineswegs auf die Bestellung von Acker,Wiese und Wald beschränkte. Der Autor schildertlandwirtschaftliche Sonderkulturen ebenso wie denhohen Umfang, den nicht landwirtschaftliche Er-werbszweige (Schankwirtschaft und Fuhrgewerbe,Landhandwerk und Bergbau, Heimarbeit) für dieHaushaltsführung durchaus nicht nur der Kötter- undBrinksitzer schon vor der einsetzenden Industrialisie-rung des ländlichen Raumes (mit z. B. den dann auchbaulich besonders prägnanten Ziegeleien, Brennerei-en und Landmaschinenproduktionen) besaßen.Dieses Buch ist am besten parallel zu den großenÜberblickswerken zu lesen, denn es bringt in Erinne-rung, dass „die landwirtschaftlichen Betriebe undHofstätten ... in ihrer je eigenen Geschichte ein hohesMaß an Brüchen, Verwerfungen und Wandlungenauf(weisen). Selbst nahe beieinander liegende Höfehaben bisweilen völlig voneinander abweichende Ent-wicklungen durchlaufen.“ (S. 5)

Thomas Spohn

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Peter Barthold, Kammerfach-Küchen im Raum Min-den und Schaumburg-Lippe, in: Rheinisch-Westfäli-sche Zeitschrift für Volkskunde 48. Bonn-Münster2003. S. 234–243.

Peter Barthold/Rolf Eschmann, Kirchplatz und Römerin Lengerich. (= Westfälische Kunststätten 97.) Mün-ster 2003.

Peter Barthold/Fred Kaspar/Ulrich Damaros, Zur Ge-schichte baurechtlicher Bestimmungen und der Bau-verwaltung als Grundlage des Bauens, in: Die Bau-und Kunstdenkmäler von Westfalen. Bd. 50: StadtMinden. Teilband 1. Essen 2003, S. 95–123.

Peter Barthold, Zur Geschichte der Baumaterialienund –techniken, in: Die Bau- und Kunstdenkmälervon Westfalen. Bd. 50: Stadt Minden. Teilband 1. Es-sen 2003, S. 623–689.

Peter Barthold u. a. s. u. Fred Kaspar.

Joachim Glandorf, „Das ehemalige Ökonomiege-bäude der von Ketteler’schen Kurie in Nottuln“, S. 27,in: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 1/03. S. 27.

David Gropp, Der Ulmer Hochaltar. Ein Gemein-schaftswerk von Jörg Syrlin d. Ä., Michel Erhart undHans Schüchlin?, in: Ausstellungskatalog Michel Er-hart & Jörg Syrlin d. Ä. Spätgotik in Ulm. Ulm 2002,S. 66–76.

David Gropp, Die Schreinerarbeiten Jörg Syrlins d. Ä.,in: Ausstellungskatalog Michel Erhart & Jörg Syrlin d.Ä. Spätgotik in Ulm. Ulm 2002, S. 172–180.

David Gropp, Die unerwartete Wiederauferstehungdes Viehhauses auf Klusenstein, in: Der Schlüssel. 48.Jg., H. 4, 2003, S. 174–178.

Eberhard Grunsky, Leitbilder im Wechselbad der Zei-ten, in: Städte- und Gemeinderat 56, 2002, Heft 3, S.15–18.

Eberhard Grunsky, Denkmalpflege vor Ort – EinGrußwort zu Rudolf Breuings 75. Geburtstag, in: Be-harren und Fortschreiten. Beiträge zur regionalen Kul-turgeschichte und Denkmalpflege. Rudolf Breuingzum 75. Geburtstag am 31. Juli 2002. Steinfurt 2002,S. 30–31.

Eberhard Grunsky, 20 Jahre Denkmalschutzgesetz:Standortbestimmung und Perspektiven. Zur Bau-denkmalpflege, in: Kultur im Dialog – Denkmalpflegeim Bewusstsein der Gesellschaft. 20 Jahre Denkmal-schutzgesetz Nordrhein-Westfalen: Standortbestim-mungen und Perspektiven. Hg. vom Landschaftsver-band Westfalen-Lippe. Münster 2002, S. 35–55.

Eberhard Grunsky, Otto Engler, in: Saur AllgemeinesLexikon der Künstler aller Zeiten und aller Völker. Bd.34. München-Leipzig 2002, S. 96–97.

Eberhard Grunsky, Restaurierungskonzept und Werk-prozess, in: Stadt Münster (Hg.), Der Zwinger in Mün-ster 1528 – 1732 – 1945 – 1997 und „Das gegenläu-fige Konzert“ von Rebecca Horn. Köln 2003, S. 13–16.

Hans H. Hanke, Teilen und Bewahren, in: Hans H.Hanke (Hg.),Vom neuen Nutzen alter Kirchen. Bo-chum 2003, S. 4–26.

Hans H. Hanke, Der Europarat zu nicht genutzten Kir-chen, in: Hans H. Hanke (Hg.),Vom neuen Nutzenalter Kirchen. Bochum 2003, S. 61–63.

Hans H. Hanke (Hg.), Ausstellungsbroschüre „Mosa-ik der Welt“ – Die Christuskirche Bochum und dieKriegergedächtniskapelle von 1931. (Ausstellung inTurm und Kirche als Projektergebnis eines Seminarsam Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-UniversitätBochum, Sommersemester 2003.) Selbstverlag Bo-chum 2003.

Hans H. Hanke, Denkmalschutz für Zwangsarbeiter-lager, in: Zeitschrift Forum. Industriedenkmalpflegeund Geschichtskultur. Essen 2/2003, S. 49–51.

Hans H. Hanke, Kein schöner Land. Das Gattungsin-ventar denkmalwerter Werkssiedlungen in Westfalen-Lippe, in: Landesamt für Denkmalpflege Hessen(Hg.), Dieter Griesbach-Maisant (Red.), 70. Tag fürDenkmalpflege. Vom Nutzen und Nachteil der Denk-malpflege für das Leben. Stuttgart 2003, S. 89–96(= Arbeitshefte des Landesamtes für DenkmalpflegeHessen, Bd. 4).

Bettina Heine-Hippler, Will Schwarz und die Dort-munder Gespräche, in: Gisela Framke, (Hg.), Dasneue Dortmund. Planen, Bauen und Wohnen in denfünfziger Jahren. (Ausstellungskatalog) DortmundDez. 2002, S. 57 ff.

Bettina Heine-Hippler, Der Schulbau, in: Gisela Fram-ke (Hg.), Das neue Dortmund. Planen, Bauen undWohnen in den fünfziger Jahren. (Ausstellungskata-log) Dortmund Dez. 2002, S. 97 ff.

Bettina Heine-Hippler/I. Trocka-Hülsken, Wohnungs-bau in der Nachkriegszeit, in Gisela Framke (Hg.), Dasneue Dortmund. Planen, Bauen und Wohnen in denfünfziger Jahren. (Ausstellungskatalog) DortmundDez. 2002, S. 81 ff.

Bettina Heine-Hippler, Will Schwarz 1907–1992. Ar-chitekt, Künstler und Städtebauer. Delft 2002.

Christoph Heuter, Emil Fahrenkamp, in: Saur Allge-meines Künstlerlexikon aller Zeiten und Völker. Band36. München-Leipzig 2003, S. 238–240.

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VERÖFFENTLICHUNGEN IM JAHR 2003

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Annegret Herden-Hubertus, „Das Bad vom Baulichenher aus provinzieller Enge befreit!“ Über die Entwick-lung Bad Salzuflens zum Großheilbad nach demZweiten Weltkrieg, in: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 2/02, S. 73–81 (Geringfügig verändert wieder-abgedruckt in: Bad Salzuflen 2002. Jahrbuch für Ge-schichte und Zeitgeschehen. Bielefeld 2002, S. 113–126.).

Oliver Karnau, Der heilige Quirinus in der SoesterWiesenkirche, in: Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss2004. Neuss 2003, 190–195.

Fred Kaspar u. a., Einführungen und Darstellung prä-gender Strukturen, in: Die Bau- und Kunstdenkmalevon Westfalen. Band 50: Stadt Minden. Teilband 1. Es-sen 2003.

Fred Kaspar, Auswertungen und zusammenfassendeDarstellungen, in: Die Bau- und Kunstdenkmale vonWestfalen. Band 50: Stadt Minden. Teilband 1. Essen2003, S. 124 622.

Fred Kaspar, Das Gut Ringelsbruch bei Paderborn-El-sen, in: Die Warte 120. Paderborn 2003, S. 4–9.

Fred Kaspar, Spurensuche – Bauforschung im Dien-ste der Denkmalpflege, in: Kultur im Dialog – Denk-malpflege im Bewusstsein der Gesellschaft. 20 JahreDenkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen: Stan-dortbestimmung und Perspektiven.Hg. vom Land-schaftsverband Westfalen-Lippe. Münster 2002, S.81 94.

Fred Kaspar/Peter Barthold, Archivalische Quellen zurGeschichte der Profanbauten, ihrer Nutzung und ih-rer Bewohner, in: Die Bau- und Kunstdenkmäler vonWestfalen. Bd. 50: Stadt Minden. Teilband1. Essen2003, S. 75–94.

Ulf-Dietrich Korn/Bettina Jost, Bau- und Kunstdenk-mäler von Westfalen, Bd. 50: Stadt Minden, Teil III/Alt-stadt 2: Die Stifts- und Pfarrkirchen. Essen 2003.

Ulf-Dietrich Korn, Das Wurzel-Jesse-Fenster von St.Patrokli in Soest, in: Soester Zeitschrift, Heft114/2002, S. 4–17.

Hartmut Ochsmann, Berichte aus den Landesdenk-malämtern. Nordrhein-Westfalen, Landesteil Westfa-len: Borgentreich (Ldkrs. Höxter), in: Die Denkmal-pflege 60, 2002, Heft 1. S. 169–170.

Thomas Spohn, Das Amtshaus der ehemaligen Sali-ne Königsborn aus den Jahren 1816/17, in: Denk-malpflege in Westfalen Lippe 1/03, S. 10–15.

Thomas Spohn, Der Umgang mit den Dingen in derwestfälischen Kleinstadt Unna zwischen dem ausge-

henden 17. und dem frühen 19. Jahrhundert, in:Michael Prinz (Hg.), Der lange Weg in den Überfluss.Anfänge und Entwicklung einer Konsumgesellschaftseit der Vormoderne. Paderborn 2003, S. 121–147.

Thomas Spohn, Die Trennung von Küche und Deel,Feuer und Stroh – Vor 200 Jahren Großbrand in War-stein, in: Denkmalpflege in Westfalen 2/03, S. 59–67(gemeinsam mit Dietmar Lange).

Thomas Spohn, Das Pfarrhaus der katholischen St.-Gertrudis-Gemeinde in Bochum-Wattenscheid, in:Der Märker 52, 2003, S. 112–118.

Thomas Spohn, Herdraum und Küche im nieder-deutschen Hallenhaus. Eine Sammlung von neuenBeiträgen zu einem „klassischen“ Thema der nord-westdeutschen Hausforschung, in: Rheinisch-Westfä-lische Zeitschrift für Volkskunde 48, 2003, S. 166–277. Darin: Einleitung. S. 167–178; Wider das elen-de „Rauchnest“ im Herzogtum Westfalen. S. 262–277.

Thomas Spohn, Volkskunde und Denkmalpflege –Westfalen als Beispiel, in: TOP 26. Berichte der Ge-sellschaft für Volkskunde in Schleswig-Holstein 13,2003, S. 26–46.

Dirk Strohmann, Vor allem mußte dem herrschendenZugwinde abgeholfen werden. Planungs- und Bauge-schichte der Portalvorhalle der St.-Felizitas-Kirche inLüdinghausen, in: Geschichtsblätter des KreisesCoesfeld 26, 2001, S. 73–98.

Dirk Strohmann, Beobachtungen und Neufunde zurbarocken Baugeschichte des Schlosses Hovestadt,in: Westfalen und Italien. Festschrift für Karl Noehles.Hg. von Udo Grote. Petersberg 2002, S. 185–202.

Dirk Strohmann/Christoph Hellbrügge, Das kurfürst-liche Wappen an der Clemenskirche in Münster, in:Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 1/03, S. 21–26.

Dirk Strohmann, Restaurierungsarbeiten im HaugenStuoben des Heimathauses, in: Borghorster Heimat-blätter 2003, Nr. 54, S. 16–17.

Dirk Strohmann, „Einer der vorzüglicheren KünstlerWestfalens“. Bartscher als Maler. Verzeichnis des ma-lerischen Werks, in: Feine Möbel aus Westfalen. DieManufaktur des Rietberger Hofmalers Philipp Ferdin-and Ludwig Bartscher (1749–1823). Stefan Baumei-er (Hg.) unter Mitarbeit von Ralf Nitschke. Heidelberg2003, S. 187–222 (= Schriften des WestfälischenFreilichtmuseums Detmold – Landesmuseum fürVolkskunde, Bd. 22).

Dirk Strohmann, Stuck aus der Zeit des Grafen Frie-drich Adolf im Detmolder Schloss, in: Lippische Mit-teilungen aus Geschichte und Landeskunde 72,2003, S. 57–80.

Dirk Strohmann, Lippstadt – St. Marien, in: Denk-mäler in Deutschland. Substanzerhaltung und Re-staurierung von unbeweglichen Kulturdenkmälernnationaler Bedeutung. Hg. Deutsches Nationalkomi-tee für Denkmalschutz. Bonn 2003, S. 171–173.

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VERKÄUFLICHE BAUDENKMÄLER

Ort: Holzwickede-HengsenKreis: UnnaAdresse: Kellerkopf 37Objekt: Kötterhaus, Erweiterung teilw. in BruchsteinDatierung: Anfang 19. JahrhundertNutzung: Z. Zt. leerstehend (Wohnhaus und Gast-stätte), renovierungsbedürftig

Zweigeschossiges giebelständiges Fachwerkhaus mitPutzgefachen, welches auf einem Bruchsteinsockel

errichtet wurde. Das Gebäude bestand ursprünglichaus fünf Gefachen und wurde durch eine Kübbungum drei Gefache erweitert, wobei die Traufwand ausBruchstein errichtet wurde. Die Giebeldreiecke sindverbrettert; das Dach ist mit einer Pfannendeckung(Falzziegel) versehen. Grundrissaufteilung mit mittigergeschosshoher Diele, Bereich der Wohnstuben undseitlichem Stallteil. Das Gebäude ist nur teilweise un-terkellert und besitzt keinerlei Sanitäranlagen. Es liegtim Außenbereich (Anschluss an den öffentlichenStraßenkanal auf dem Grundstück vorhanden), ca.vier Kilometer vom Ortszentrum Holzwickedes ent-fernt. Von dort optimale verkehrliche Anbindungen(regional und überregional).Die Grundfläche des Gebäudes beträgt ca. 136 m2

(zuzüglich kleiner Nebengebäude). Der umbauteRaum des Baudenkmals beträgt ca. 890 m3. Zu demGebäude gehören eine Grundstücksfläche von ca.1000 m2 sowie 12000 m2 Wald.

Kosten: 95.000,00 € (VB)Kontaktadresse: Sigrid Müller

Augustin-Wibbelt-Str. 5059423 UnnaTel. 0 23 03 / 2 19 65E-mail: [email protected]

Ort: HöxterKreis: HöxterAdresse: Wegetalstr. 10Objekt: WohnhausDatierung: 16./19. JahrhundertNutzung: Z. Zt. leerstehend (Wohnen)

Innerstädtisches zweigeschossiges Fachwerkgiebel-haus aus dem frühen 19. Jahrhundert mit spätmittel-alterlichem zweigeschossigem Fachwerkbau desfrühen 16. Jahrhunderts im Kern. Das Gebäude mitseinen nicht denkmalwerten rückseitigen Anbautenliegt im Stadtzentrum in unmittelbarer Nähe derFußgängerzone; das Grundstück hat eine Größe vonca. 300m2 und verfügt im hinteren Teil über eine süd-liche Ausrichtung.

Kosten: 150.000,00 €Kontaktadresse: Hans Riepe

Zum Buchholz 1437688 BeverungenTel. 0 52 73 / 2 23 88.

2003.

2002.

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