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Depesche - Startseite – Hochschule Fulda · Seite 15-17: Ursachen und Ablauf des Reaktorunglücks in Tschernobyl Seite 17-19: Kurz- und mittelfristige Folgen von Tschernobyl vor

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26. April 1986: "4. Alle Störfall-Daten sind streng geheimzuhalten. 8. Alle Daten hinsichtlich der Behandlungsergebnisse sind streng geheimzuhalten. 9. Alle Daten über die Ergebnisse der Verstrahlung des Personals, das an den Liquidierungsarbeiten am Tschernobyl- Kernkraftwerk beteiligt war, sind streng geheimzuhalten"

Leiter des 3. Hauptamtes beim Ministerium für Gesundheit der UdSSR

W. Schulshenko

Sonderausgabe SS 06 Juli 2006

Depesche

Sonderausgabe

Inhalt

T s c h e r n o b y l Seite 2: Einführung

Seite 3: Programm des Tschernobyl-Tages

Namen und Adressen der eingeladenen Tagungsteilnehmer

Seite 4: 20 Jahre Tschernobyl-Katastrophe

Seite 5: Bilder zur Fotoausstellung der Tschernobyl-Katastrophe

Bilder zur Greenpeace-Ausstellung

Seite 6-8: Oecotrophologie und Tschernobyl

Seite 9: Stellungnahme zur Abschaltfete

Seite 9-10: Panik in Deutschland

Seite 10: Ein Verein stellt sich vor: Tschernobyl-Initiative in der Propstei Schöppenstedt e.V.

Seite 11-12: Reaktorkatastrophe Tschernobyl und die Auswirkungen

Seite 13-14: Auswirkungen im Fuldaer Land:

Spezifische Aktivität von Cs-137 in Bq/kg

Spezifische Aktivität von Cs-137 in Bq/kg Frischmasse

Spezifische Aktivität von Cs-137 in Bq/kg aktuelle Messwerte (Bayern)

Seite 15-17: Ursachen und Ablauf des Reaktorunglücks in Tschernobyl

Seite 17-19: Kurz- und mittelfristige Folgen von Tschernobyl vor Ort

Seite 20-24: Neue Studie zu den Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe

Seite 24-25: Eine Geschichte aus den verstrahlten Gebieten…

W a s g i b t ’ s N e u e s … ? ? Seite 26: Umbenennung der Fachhochschule in Hochschule

Seite 26-27: Neuer Master-Studiengang Public Health Nutrition

Seite 27-28: Presseerklärung zum Thema Studiengebühren

Seite 28: Euer neues ProFu-Team

Seite 29: Tag der offenen Tür

Seite 30: Nachwort

Vorschau auf die nächste Projekt-Depesche

I m p r e s s u m Herausgeber:

ProFu Projekt-Team

AG Öffentlichkeitsarbeit

Marquardstraße 35

36039 Fulda

Tel./Fax: 06 61 - 9 64 03 90

E-Mail:

[email protected]

Redaktion: Christina Uthof

Coretta Schott

1

Wie ihr aus dieser Depeschen-Sonderausgabe

entnehmen könnt, ist Tschernobyl immer noch

ein aktuelles Thema, das auch nach 20 Jahren

die Gemüter beschäftigt. Die Gefahr, die nicht

nur von Tschernobyl ausgeht, sondern auch von

vielen anderen Atomkraftwerken, darf nicht

unterschätzt werden. Leider neigt die

Bevölkerung dazu, Dinge die nicht sichtbar sind

und die im Hintergrund geschehen, nicht

wahrzunehmen und zu verdrängen. Wir hoffen,

dass diese Ausgabe für etwas Aufklärung

gesorgt hat und dass ihr euer aufgefrischtes

Wissen nutzt, um eure Freunde und

Verwandten über die weiter bestehende

Problematik der radioaktiven Strahlung, einer

Gefahr, die niemand sehen, riechen und fühlen

kann, aufklären könnt.

Am 20sten Jahrestag der Tschernobyl-

Katastrophe fand im Cafe-Chaos auch eine

Diskussion zum Thema statt, deren Thematik

noch einmal in der nächsten Projekt-Depesche

aufgegriffen und ausführlich dargestellt wird.

In Sinne des Nachwortes möchte sich das

Depeschen-Redakt ionsteam für a l le

geschriebenen Artikel, Informationen und die

gute Zusammenarbeit bedanken.

Nachwort

Vorschau auf die nächste Projekt-Depesche

Die nächste Projekt-Depesche wird pünktlich

zum Wintersemester 06/07 fertig sein. Wir

haben uns überlegt, dass wir noch einmal das

Thema Studiengebühren aufgreifen werden, da

es ein sehr akutes Problem darstellt. Bald sind

S e m e s t e r f e r i e n u n d d a s T h e m a

Studiengebühren wird für viele wohl erst einmal

in den Hintergrund rücken. Um diese Lücke

wieder aufzufüllen, werden wir auch darüber

berichten, was sich in der vorlesungsfreien Zeit

ergeben hat und wie es weiter gehen wird.

Dieser Sonderausgabe wird endlich wieder eine

Depesche folgen, die sich ganz spezifisch mit

den Arbeiten der einzelnen Projekte beschäftigt,

wobei wir auf eure tatkräftige Unterstützung

hoffen indem ihr fleißig kurze Artikel über eure

Projekte und Arbeiten schreibt, die wir

veröffentlichen können.

Bis zur nächsten Projekt-Depesche wünscht

euch das ProFu-team alles Gute

30

Diskussionsrunde zum

Thema Tschernobyl

und Atomausstieg

Den Tag der offenen Tür an der Hochschule

Fulda nutzten mehr als tausend Schülerinnen

und Schüler um sich über das breite

Informationsangebot in den einzelnen

Fachbereichen zu informieren. Der

Hochschulpräsident Prof. Dr. Roland Schopf

hieß die Besucher unter anderem mit den

Worten willkommen: „ Sie finden hier

Praxisorientierung, kleine Gruppen - Fulda ist

keine Massenhochschule - und gute

Abschlussquoten. Auf Ihre Motivation kommt es

an, entscheiden Sie selbst über ihre

Berufsperspektive.“

Neben den anderen Fachbereichen zeigte auch

der Fachbereich Oecotropholgie was er zu

bieten hat. Ein Großteil der Oe-Projekte hatte

sich mit Infoständen in Halle 8 versammelt und

konnten somit den Schülern vielfältige Einblicke

in ihre Arbeit bieten. Auch das ProFu-Projekt

war mit von der Partie und richtete seinen

Infostand durch einen Tisch-Kicker ganz im

Sinne der WM 2006 aus.

Insgesamt ist der Tag der offenen Tür wieder

sehr erfolgreich gewesen. Viele potentielle

Studenten und Studentinnen konnten sich

ausgiebig über ein Studium an der Hochschule

informieren und durch viele Seminare,

Vorlesungen und Einführungsveranstaltungen

hautnah miterleben, was es bedeutet Studentin

an der Hochschule Fulda zu sein.

Autor: Das ProFu Projekt

Quelle: Hochschule Fulda

Tag der offenen Tür

kleine Tagesverpflegung Mo., Di., Do. von 8.30 – 15.30h geöffnet Mi. und Fr. von 8.30 – 14.00h geöffnet hochschulinternes Tagungs-Catering nach Angebot div. Tageszeitungen und Fachzeitschriften Neu: TV- Weltnachrichten 12h und 14h hot spot 3-Gänge-Mittagsmenue täglich wechselnd Mo- Do 12.30-14.00 h (rauchfrei) Do- alles Öko ! Bio-Fair-Zusatz- und Geschenksortiment Kultur- und Bildungsveranstaltungen Di und Mi ab 19.00 gemäß Programmheft Sondertermine und Aktionen gemäß Trans- parente und flyer in Kooperation mit ASTA, FSRn Fördervereinen und Hochschulleitung Kontakt: 0661-9640-174, www.cafe-chaos-fulda.de

29

Projekt-Depesche Sonderausgabe SS 2006: 20 Jahre Tschernobyl

Vor 20 Jahren, am 26. April 1986, geschah das

Unfassbare. Der Reaktorblock 4 des

Kernkraftwerkes in Tschernobyl explodierte. Mit

dem Unglück einher geht jedoch eine breit

gefächerte Geheimhaltungspolitik, so dass über

die wirklichen Geschehnisse des Unglücks

sowie den tatsächlichen Ausmaßen keine

zuverlässigen Angaben existieren. Wie viele

Menschenleben forderte die Katastrophe bisher,

wie viele wird sie noch fordern und wie weit sind

die heute lebenden Menschen noch betroffen?

Gibt es immer noch gefährdete

Lebensmittelgruppen, auf dessen Verzehr man

der Gesundheit zu liebe verzichten sollte? Was

genau ist eigentlich radioaktive Strahlung, und

welche Wirkungen hat sie auf den menschlichen

Organismus?

Mit diesen und noch weiteren Fragen beschäftigt

sich die aktuelle Sonderausgabe der Projekt-

Depesche aus dem SS 2006. Wir haben

recherchiert um Licht in die Verdunkelung um

die Tschernobyl-Katastrophe zu bringen.

Tschernobyl ist immer noch aktuell!

Tschernobyl-Gedenk-Tagung Aufgrund der bis heute währenden Aktualität

der Katastrophe, und dem 20. Jahrestag als

Anlass, hat das Projekt ProFu e.V. in

Zusammenarbeit mit dem Cafe Chaos eine

Tschernobyl-Gedenk-Tagung organisiert. Diese

fand am 26. April 2006 im Cafe Chaos an der

Hochschule Fulda statt, deren Programmpunkte

auf Seite 4 nachzulesen sind. Die eingeladenen

Tagungsmitglieder können ebenfalls auf Seite 4

nachgeschlagen werden.

Tschernobyl-Tagung fand großen Zuspruch

ProFu-Team: Mittendrin statt nur dabei!

20 Jahre

Tschernobyl:

Auch an der

Hochschule

ein Thema

2

Namen und Adressen der eingeladenen Tagungsteilnehmer:

Dipl.Ing. Thomas Dersee → Strahlentelex

Waldstr. 49, 15566 Schöneiche-Berlin

Prof. Dr. Friedhelm Diel → FB:Oe und AVE

e.V.

Dr. Michael Fischer → Wiss Beirat AVE

e.V. und IUG

Prof. Dr. Barbara Freytag-Leyer →

Dekanin FB:Oe

Margarete Hölldobler-Heumüller → Stellv.

Frakt.Vors. Grüne (Wiesbaden)

Prof. Dr. Georg Koscielny → FB:Oe

Prof. Dr. Ulrich Kurfürst → FB:Oe

Dr. Frank Puin → FB:Oe

Prof. Dr. Roland Schopf → Präsident der

Hochschule

Prof. Dr. med. Hans → Schubert Wiss.

Beirat AVE e.V. (Erfurt)

Volker Strauch → UWZ (angefragt)

Dr. med. Klaus-Michael Weber → Wiss.

Beirat AVE e.V. (Bad Wildungen)

A d r e s s e n :

Fachbereich Oecotrophologie

Biochemie und Analytik Geb. E 2. Stock

Marquardstr. 35

36039 F u l d a

Institut für Umwelt und Gesundheit IUG/AVE e.V.

Petersgasse 27

36037 F u l d a

Umweltzentrum UWZ

Johannisstr. 44

36037 F u l d a

verantw. F Diel w.o.a.

3

Programm

U h r 13.00 Begrüßung durch Vizepräsidentin Prof. Dr. Kathrin Kohlenberg- Müller, Dekanin Oe Barbara Freytag- Leyer und Einführung, Tagungsleiter, Friedhelm Diel

13.10 Gemeinsame Gedenkminute aller Anwesenden für die Tschernobyl- Opfer

13.11 Musikalische Einlage

13.15 Impuls-Referat (Thomas Dersee,

Dipl.Ing. Herausgeber der

Zeitschrift „Strahlentelex“ - Berlin)

13.45 Diskussionsrunde zum Thema

„Atomenergie- Ausstieg“ mit M.

Hölldobler-Heumüller, F. Diel, G.

Koscielny, U. Kurfürst, H.

Schubert, V. Strauch, K.M.

Weber.

Moderation: Frank Puin

14.15 Vorstellung aktueller

Radioaktivitätsdaten (Michael

Fischer)

14.30 Musikalischer Ausklang

W e i t e r e A n g e b o t e : Photoausstellung im Cafe Chaos,

Greenpeace-Aktion, Besuch des Meßlabors

FB:Oe Geb E 2. Stock, Bücher zu

Tschernobyl in der Bibliothek gegenüber,

Fi lme und Redebeiträge, abends

„Abschaltparty“ u.v.m.

überhastete und durch keinerlei Stipendienkultur

abgesicherte Gebührenpolitik der hessischen

Landesregierung ( - und nicht nur hier) für das

Bankensystem. Dieses hatte sich gerade auf

eine finanzplanerisch solide,

elternunabhängige, zinsgünstige und Jobarbeit

ersetzende Studienkreditkonzeption mit Hilfe der

KfW geeinigt und war gerade dabei, diese

Konzeption bei den Studierenden in Ergänzung

zur Bafög-Förderung zu etablieren. Angesichts

der neuen Studiengebühren ist jedoch ein

unmittelbarer Zusammenhang von Gebühr und

Kredit für Studierende nicht mehr zu leugnen.

Das Kreditkonzept ist damit politisch bei den

„Studenten-Kunden“ als durchsichtiges Manöver

zur Förderung privater Verschuldung für

öffentliche Dienstleistungen diskreditiert. Dabei

ist unerheblich, ob die maximale Verschuldung

17€ oder 20 T€ beträgt.

Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ist zudem die

„Umwegverschuldung“ zur Förderung der

Hochschulen über die Studierenden und deren

Familien willkürlich und bürokratisch. Der

Verwaltungsaufwand für die Abwicklung von

tausenden von Studienkleinkrediten bei den

Banken steht in keinem Verhältnis zu den

Kosten einer Groß-Kreditaufnahme der

Körperschaft Hochschule, eines professoralen

Fördervereins oder einer Kreditaufnahme durch

das Land selbst.

Volkswirtschaftlich gesehen sind

Kreditaufnahmen und Kaufkraftentzug

( egal an welcher Stelle) und gebührenträchtige

Bürokratieförderung ( ebenfalls unabhängig von

deren Location) Gift für die Konjunktur und keine

Verbesserung, sondern mittel- und langfristig

eine Behinderung des tertiären

Bildungssystems. Betriebswirtschaftlich

gesehen gibt es eigentlich nur Verlierer im

neuen Gebührendschungel. Die größten

Verlierer sind natürlich die „studierenden

Kunden“.

Gleich danach aber kommt die konsumnahe

Wirtschaft.

So stellen wir uns eine gelungene

Interessenvertretung vor! Herzlichen

Glückwunsch Herr Fasbender. Und treten Sie

zurück.

Verfasser: Frank Puin 1. Vorsitzender Profu

e.V. – Mitglied im VSBH

Euer neues ProFu-Team

Es hat sich sicher schon rumgesprochen: ProFu

hat ein neues Team. Neben Frank Puin und

Stefanie Krecek wird Profu nun auch durch Eva

Henze, Britta Sturm, Sandy Mathes, Coretta

Schott und Christina Uthof beherrscht. Bekannt

dürften euch unsere Gesichter nach nun fast

drei Jahren an der Hochschule sein. Falls nicht,

findet ihr unsere Profile auf der bald neu

gestalteten Profu-Internetpräsenz. Wir stehen

euch immer gerne mit Rat und Tat zur Seite,

sprecht uns einfach an! Am besten erreicht ihr

uns Mittwochs im ProFu-Projekt hinten in der

Marquard-Schule. Falls euch der Weg zu weit

ist, könnt ihr auch anrufen oder warten, bis wir

zu unserer Mittagspause in der Mensa

anzutreffen sind. Wir freuen uns auf eine

k o l l e g i a l e , d y n a m i s c h e u n d

abwechselungsreiche Teamarbeit mit allen

Projekten! Bis bald und mit freundlichen Grüßen

aus der MQS, gez. Das neue Profu-Team :-)

28

Gesundheitsbereich zu begegnen. Das

viersemestrige Studium wird in Kooperation

zwischen den Fachbereichen Oecotrophologie

und Pflege und Gesundheit durchgeführt.

Insgesamt werden 11 Module aus den

B e r e i c h e n E r n ä h r u n g u n d

Gesundheitswissenschaften angeboten:

psychologische/kulturelle Ansätze und

In te rvent ion ; L i fe Cyc le Nut r i t ion ;

Ernährungsepidemiologie; Nutrition: Health/

Disease Relationship; Soziologie der

G e s u n d h e i t ; E r n ä h r u n g s - u n d

Gesundheitspol i t ik; Forschungsprojekt;

Forschungsmethoden; Master-Thesis. Das

Master-Studium qualifiziert unter anderem für

verantwortungsvolle Gestaltungs-, Planungs-

und Koordinierungsaufgaben im höheren

öffentlichen Dienst, in nationalen und

internationalen Unternehmen, in der

P o l i t i k b e r a t u n g s o w i e N i c h t -

Regierungsorganisationen. Darüber hinaus

ermöglicht es den Zugang zur Promotion und

den Einstieg in Forschung und Lehre.

Vorraussetzung für die Zulassung zum Studium

ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium im

Bereich der Oecotrophologie oder verwandter

Studiengänge mit einem Notendurchschnitt von

mindestens 2,5. Ein Teilzeitstudium ist möglich.

Weitere Informationen sind erhältlich unter

www.fh-fulda.de/phn und bei Annika

Wessendorf, Studiengangskoordinatorin

E-Mail: [email protected]

Tel.: 0661-9640378

Presseerklärung zum Thema Studiengebühren

Profu e.V. widerspricht der Stellungnahme der

„Vereinigung der hessischen

Unternehmerverbände (VhU)“ zu

Studiengebühren aufs Schärfste. (vgl. FR v.

31.05.06, S. 27). Die Funktionäre des VhU

maßen sich ein Alleinvertretungsrecht für die

Hessische Wirtschaft und für diese ein

hochschulpolitisches Mandat an, dem sie weder

inhaltlich noch im Ton gewachsen sind. Mit

ihrer vorbehaltlosen Verteidigung der

Studiengebühren missbrauchen sie ihr Amt

parteipolitisch und stellen sich mit einer

entwürdigenden Beschimpfung der

protestierenden Studierenden und

Hochschulleitungen selbst ein „geistiges

Armutszeugnis“ aus.

Vor allem aber verraten sie die

unternehmerischen Interessen ihrer klein- und

mittelbetrieblichen Mitglieder, die im nächsten

Jahr neben der Mehrwertsteuererhöhung nun

noch mit den Studiengebühren als Sondersteuer

eine spürbare Senkung der Kaufkraft bzw. der

Binnennachfrage zu verkraften haben. Danach

dürfen sich die hochschulnahen Versorger und

Dienstleister (von Cafés, Buchläden bis zu

Copy-shops) pro 1000 Studenten auf einen

jährlichen Umsatzeinbruch von ca. 1Mill €

einstellen. (Für Fulda könnte dies z.B. ca. 4

Mill.€ Kaufkraftverlust im konsumnahen Bereich

bedeuten)

Für einen Unternehmerverband, der seit Jahren

Steuersenkungen für Unternehmen und

Spitzenverdiener betreibt, grenzt die Forderung

nach allgemeinen Studiengebühren als

Sondersteuer für Studierende und ihre Eltern an

Betrug. Geschäftsschädigend ist die

27

Am 26. April 2006 jährt sich die Tschernobyl-

Katastrophe zum 20. Mal. Einige Millionen

Menschen waren und sind weltweit betroffen.

Viele Tote und an Strahlenkrebs leidende

Menschen sind zu beklagen. Von russischen,

weißrussischen und ukrainischen Ärzten wird

über hunderte an tödlichem Schilddrüsenkrebs

und Leukämie erkrankte Kinder berichtet. Von

offizieller Seite werden die vielen Toten

insbesondere aus den Reihen der damals vor Ort

eingesetzten Männern – zumeist junge Soldaten

– verschwiegen. Aber trotz Abwiegelns auch des

„Tschernobyl Forums“ der Weltgesundheits-

Organisation (WHO) sowie der internationalen

A t o m e n e r g i e b e h ö r d e ( I A E A ) t i t e l n

Fachzeitschriften wie der Strahlentelex:

„Internationale Fachärzte (z.B. IPPNW) decken

Falschdarstellung des Tschernobyl-Forums von

WHO und IAEA auf“ oder die Umwelt Nachrichten

aus München: „Die Atomlobby verhöhnt die

Opfer“… Dass auch heute noch Lebensmittel und

Umweltproben mit Tschernobyl-Radioaktivität

verseucht sind, weisen Strahlentelex und Umwelt

Nachrichten in regelmäßig erscheinenden

Messergebnissen nach. Das langlebige

Tschernobyl-Radioisotop Cäsium-137 wird in

Mischpilzproben aus Lindberg-Ludwigsthal mit

910 Bq/kg gemessen, Steinpilze aus der

Steiermark sogar mit 2639 Bq/kg und Juni-Honig

aus Starnberg immerhin mit 14 Bq/kg. Das sind

Proben aus Süddeutschland aus dem Jahr 2005

und nur einige Beispiele aus dieser Region. Aber

was ist mit Import-Produkten aus der Umgebung

von Kiew oder besonders verseuchten Zonen in

Ost-Europa? Oder eingemachten oder haltbar

gemachten Lebensmitteln, die noch aus den

endachtziger Jahren stammen? Hier kann man

sicher sein, noch Tschernobyl-Radioaktivität zu

finden. Das Institut für Umwelt und Gesundheit

(IUG) hat mehr als zehntausend Messungen seit

1986 zusammen mit der FH Fulda durchgeführt

und war eine der ersten Institutionen in der

Region und national, die über den Super-GAU in

Tschernobyl berichtet hatte. Es gab hierzu einige

Pressemitteilungen in der FZ. Unsere

regelmäßigen Messungen von Radioaktivität z.B.

in Milch wurden in der Zeitschrift Öko-Test

veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit dem

Analytischen Labor Fachbereich Oecotropholgie

an der FH Fulda werden bis zum jetzigen Tag

Anfragen aus der Bevölkerung und Wirtschaft zur

Radioakt iv i tätsauswirkung beantwortet .

Tatsächlich gibt es heute noch erhöhte

Radioaktivitätswerte etwa in Innereien von Wild,

Pilzen, Tee- und Lebensmittelkonzentraten. Das

IUG wird nun zusammen mit der FH Fulda und

anderen regionalen Institutionen eine

Gedenkstunde für die Tschernobyl-Opfer am 26.

April d.J. Uhr 13.00 (Halle 8) veranstalten. Dort

w e r d e n u . a . d i e n e u e s t e n

Radioaktivitätsmessdaten vorgestellt. In einer

einmaligen dreimonatigen Aktion – beginnend am

26. Januar 2006 – wird der Öffentlichkeit

angeboten, kritische Lebensmittel oder

Umweltproben kostenneutral (5 € Schutzgebühr)

für private Haushalte bei uns auf Radioaktivität

messen zu lassen. Dazu sind lediglich 20 Gramm

der gut verpackten Probe mit Bezeichnung, Name

und Adresse notwendig. Diese werden

abgegeben entweder in dem Analytischen Labor,

Geb. E 2. Stock, Fachbereich Oecotrophologie,

Marquardstrasse 35 oder IUG, Petersgasse 27

oder im Umweltzentrum Fulda, Johannisstrasse

44 (Auepark am Stadion Johannisaue).

20 Jahre Tschernobyl-Katastrophe

4

Fotoausstellung im Cafe Chaos

Greenpeace-Aktion

Auch Greenpeace war am 20. Jahrestag der

Tschernobyl-Katasrophe im Cafe Chaos vertreten.

Die Fotoausstellung im Cafe-Chaos über die Opfer der Katastrophe schockte die Betrachter und regte zum Nachdenken an

5

D i e F a c h h o c h s c h u l e h a t i h r „ F a c h “ v e r l o r e n Die Fachhochschule Fulda hat seit dem 1. Juni

2006 einen neuen Namen. Sie hat ihr „Fach“

eingebüßt und ist zur Hochschule geworden. Wir

alle studieren jetzt also offiziell an der

Hochschule Fulda. „Endlich“ denkt sich der eine,

„was soll das?“ fragt sich der andere. Die

Umbenennung ist darauf zurück zu führen, dass

der Name der FH international nicht anerkannt

ist und dass sich „die deutsche

Hochschullandschaft in den letzten Jahren

verändert hat“ laut Hochschulpräsident Prof. Dr.

Roland Schopf.

Die Änderung des Namens unserer Hochschule

hängt sehr eng mit den Reformen im deutschen

Hochschulsystem zusammen. Die Umstellung

der Diplomstudiengänge auf international

übliche Bachelor- und Masterstudiengänge wird

als ein wichtiger Schritt hin zu einem

harmonisierten europäischen Hochschulraum

mit vergleichbaren und anerkannten

S t u d i e n a b s c h l ü s s e n g e s e h e n . D i e

Akkreditierung der einzelnen Studiengänge soll

dabei garantieren, dass Mindeststandards

eingehalten werden und eine Vergleichbarkeit

gegeben ist. Da die Anforderungen an Bachelor-

und Masterstudiengänge nicht mehr vom

Hochschultyp, d.h. Fachhochschule oder

Universität, abhängen, wird mit der Umstellung

auch die Durchlässigkeit im deutschen

Hochschulsystem deutlich erhöht. Als Folge

dieser Entwicklung werden die bisher scharfen

Grenzen zwischen Fachhochschulen und

Universitäten allmählich verschwimmen.

Gleichzeitig wird sich der Wettbewerb zwischen

den Hochschulen eher verschärfen. Vor diesem

Hintergrund haben sich viele Fachhochschulen

in Deutschland umbenannt.

Von der Namensänderung versprechen wir uns

nicht zuletzt auch im Ausland eine höhere

Akzeptanz, da der Begriff „Fachhochschule“

international nicht eingeführt ist und damit

immer wieder zu Missverständnissen und

Unsicherheiten geführt hat.

Quelle: Hochschule Fulda

Was gibt’s Neues...??

An der Hochschule Fulda hat sich in den letzten

Monaten einiges geändert und es ist viel

passiert… Von der Umbenennung der

Fachhochschule in Hochschule, über

verschiedene Aktionen gegen Studiengebühren

und dem neuen Team des Profu Projektes hat

sich viel getan.

Umbenennung der Fachhochschule in Hochschule

Neuer Master-Studiengang Public Health Nutrition

Im Wintersemester 2006/07 wird an der

Hochschule Fulda der in Deutschland bisher

erste Master-Studiengang Public Health

Nutrition eröffnet. Public Health Nutrition

betrachtet Fragen der Ernährung unter

gesundheitlichen und bevölkerungsbezogenen

Aspekten, um mit neuen Ansätzen den

Herausforderungen im Ernährungs- und

26

Studenten und Studentinnen, die nicht aus den

hochkontaminierten Gebieten kommen, das als

Ungerecht. Ich kann sie auch sehr gut

verstehen. Sie haben teilweise die gleichen

gesundheitlichen Probleme wie ich, bekommen

aber keinerlei Hilfen.

Mein derzeitiger Gesundheitszustand wird von

meinem Arzt als stabil beschrieben. Aber ich

bekomme regelmäßig Infektionskrankheiten, wie

Grippe, die meistens sehr lange anhalten. Gute

Medikamente kann ich mir nur sehr selten leisten.

Das schlimmste dabei ist, das ich in Folge der

vielen Krankheiten in meiner Kindheit heute auch

unfruchtbar bin. Infolge dessen habe ich natürlich

auch sehr große Schwierigkeiten, eine Partnerin

zu finden; den Traum von einer eigenen Familie

habe ich schon lange aufgegeben.

Alles was mir bleibt ist ein winziger Funken

Hoffnung. Hoffnung darauf, das ein Wunder

passiert. Ein Wunder, welches bewirkt, das ich

doch noch eine Familie gründen kann und nicht

einsam und verbittert auf meinen Tod warten

muss....

Quelle: Tschernobyl-Initiative

in der Propstei Schöppenstedt e.V.

„Wenn ich die Folgen geahnt hätte wäre ich

Uhrmacher geworden.“ Albert Einstein

25

...haben nichts - oder nur wenig - miteinander zu

tun? Sind Gesundheitsrisiken durch BSE oder

Vogelgrippe, Passivrauchen oder Adipositas

wichtiger als Strahlungs(krebs)erkrankungen,

sind die energie- und umweltpolitischen

Richtungsentscheidungen Sonne vs. Atom

nachrangig gegenüber Wohlfühlwohnen,

FengShui und Biogasanlagen, das Älterwerden

der deutschen Gesellschaft wichtiger als der

frühe Tod tausender „Liquidatoren“, das

Flaschenpfand wichtiger als die immer noch

ungelöste Atommüll-Endlagerfrage, die

Optimierung von Molkereifahrstrecken wichtiger

als das fortgeltende EU-Einfuhrverbot für

Lebensmittel aus den besonders belasteten

Rayons Weissrusslands und der Ukraine? Die

Veranstaltung zum 20. Jahrestag der

Reaktorkatastrophe diente auch dazu, das

Agenda-setting im Fachbereich wieder

atomkritisch aufzufrischen, nachdem in seiner

Gründungsphase das umwelttoxikologische

Engagement sehr bedeutend war. Heute muss

nicht nur das gleichnamige „Utox“-Projekt um

seine Existenz bangen, weil zu wenige

Studenten es anwählen, sondern auch das

Projekt Schwermetallanalyse und Allergie und

Ernährung, das sich mit Einflüssen der

Umweltgifte auf das menschliche Immunsystem

beschäftigt.

Zunächst betreffen die radioaktiven

Strahlungsrisiken den Bereich Ernährung und

Gesundheit. Denn nach den unmittelbaren

Expositionsfolgen des Reaktorunfalls – insb.

der über 600.000 Liquidatoren aus den

Sowjetrepubliken und der Mittelfristemissionen

radioaktiven Staubs und Materials (z.B.

innerhalb der 30 km Sperrzone rund um den

Reaktor) – gilt die Anreicherung von

Strahlungsisotopen in der Nahrungskette und

ihre konzentrierte Aufnahme über die Ernährung

zu den dauerhaftesten Risiken, weil sie an

Halbwertszeiten zwischen 30 und 35.000 Jahren

gebunden sind. Allerdings wird - wie in vielen

anderen Fällen wissenschaftlicher Gutachten-

auch hier die Kausalität zwischen einzelnen

Krebsarten und radioaktiver Strahlung in Zweifel

gezogen – ohne jedoch zu einer verstärkten und

n a c h h a l t i g e n u mw e l t t o x i k o l og i s c h en

Forschungsförderung der staat l ichen

„Autoritäten“ zu anzuregen. So blieb es

Greenpeace und dem Verband „Ärzte gegen

den Atomkrieg- IPPNW“ im Vorfeld des 20-

Jahresgedenktermins vorbehalten, die

pressemäßig zusätzlich verkürzten Ergebnisse

einer IAEA1/ WHO- Studie zu kritisieren, in der

40-50 unmittelbare Todesopfer des

Reaktorunfalls von Tschernobyl (d.h. der

gegenwärtigen Tagesopferzahl in Bagdad) und

die Gesamtzahl der insgesamt zu erwartenden

Todesfälle weltweit in Höhe von ca. 4000 ( Zahl

der jährlichen Verkehrstoten in der BRD)

angegeben werden. IPPNW und Greenpeace

gehen dagegen von 1-2000 unmittelbar

Getöteten und 30-40.000 zu erwartende

Todesfälle nach der radioaktiven Verseuchung

in und um Tschernobyl aus.2

Immerhin wurden seit Tschernobyl im deutschen

Arbei tsschutz d ie Sicherhei ts- und

Gesundheitsschutzvorkehrungen für Personal im

Strahlungsbereich (Arzthelferinnen, MTA,

RTA,BTAs, etc.) über eng bemessene MAK-

Werte relativ gut überwacht, anders jedoch im

Verbraucherschutz. Weder biologisch - noch

Oecotropholgie und Tschernobyl...

6

konventionell erzeugte Lebensmittel benötigen

heute noch - oder wieder - ein

„Strahlenzertifikat“, das z.B. auf systematischen

Kontrollen bei Einfuhr bzw. vor der Verarbeitung

beruht.

Einfuhrbeschränkungen z.B. von Haselnüssen

und Pistazien aus der Türkei und Wildbret

(auch gammeliges) aus Bayern oder Baden-

Württemberg, sind längst aufgehoben, obwohl

bekannt ist, dass isotopenangereicherte

Lebensmittel sich wenig bis gar nicht an

durchschnittliche Grenzwerte orientieren.

Vielmehr kommen sie - wie fast alle Umweltgifte

- in räumlich eingegrenzten hohen

Konzentrationen vor.3 Pech für diejenigen, die

ein solches „toxisches Nugget“ zu sich nehmen.

Auch die rot-grünen Bundesregierungen haben

in den vergangenen Jahren die Schutz- und

Kontrollmechanismen vor umwelttoxischen

Risiken vernachlässigt und sich auf die

Förderung von Alternativen (im Ernährungs und

Energiebereich) konzentriert.

Die „Überbringer schlechter Nachrichten“ von

weiterhin bestehenden Gesundheitsgefahren bei

verstrahlten Lebensmitteln, wie z.B. der web-

Informationsdienst Strahlentelex, 4 „ wurden und

werden systematisch übersehen und deren

Forschungsergebnisse kaum rezipiert.

Stattdessen wird – womöglich in slow-food-

convivien – bei kulturvoll erzeugten,

verarbeiteten und dargereichten Lebensmitteln –

ernsthaft über eine Verlängerung der Laufzeiten

alter AKWs, den Wiedereinstieg in neue

Atomtechnologien und das Recht des Iran z.B.

auf eine eigenständige „friedliche Nutzung“

dieser Technologie diskutiert.5

Es ist jedoch nicht „die Wirtschaft“, die einen

erneuten Kurswechsel zum „Austieg aus dem

Ausstieg“ aus der Atomtechnologie für

Deutschland fordert und die AKW-Option aus

technisch- ökonomischen Gründen weltweit

befürwortet. Es ist eine kleine aber einflussreiche

Minderheit aus der alten staatskapitalistischen

„Subventions-Elite“ in den Chefetagen der vier

verbliebenen Oligopolisten im Energiemarkt- die

der entsprechenden staatssozialistischen Elite

der Sowjetunion in der Kunst der

Risikoverdrängung und Technologiegläubigkeit

in nichts nachstand.6 Demgegenüber hat eine

bunte Mischung aus Klein- und Mittelbetrieben

seit Tschernobyl „mit Wissen und Wollen“ die

regenerativen und angepassten ( BHKW) -

Energiemärkte aufgelockert, um Atomstrom zu

substituieren. Dabei sind energetisch

teilautonome Landwirtschaftsbetriebe ( z.B. Öko-

GmbH Kaltensundheim), eigensinnige

Genossenschaften (z.b. Schönau-Grüner Strom,

windwärts- Hannover) und unzählige

selbstversorgende Kleinhaushalte mit

Solaranlagen (PV und Solarthermie) auf dem

D a c h e n t s t a n d e n , d i e i h r

Ressourcenmanagement wieder selbst, d.h.

dezentral und nah organisieren anstatt groß und

zentral. Weit über 100 Tsd. Menschen arbeiten

mittlerweile in diesem modernen Energiesektor

und tragen maßgeblich zum umwelttechnischen

Export Deutschlands bei. Aber auch im

Binnenmarkt sind erst ca. 20-30 % der

möglichen energetischen Modernisierungen

erfolgt.

Im Rückblick erscheint zweifelhaft, ob es nach

dem Reaktorunfall den zumindest in

Skandinavien und Deutschland immer noch

spürbaren umwelt- und energiepolitischen Aufbruch überhaupt gegeben hätte. Er hat

nicht nur technisch und unternehmerisch

innovativ gewirkt, sondern auch zu einer Flut

7

verbindliche und weitgehend ungestörte

Restlaufzeit zugesichert, Kosten müssen also

möglichst gering gehalten werden, die längst

abgeschriebenen Meiler sollen schließlich

Gewinne erwirtschaften. Ein katastrophaler

Unfall ist deshalb auch hierzulande nicht

auszuschließen. Außerdem wird seit dem 11.

September 2001 ein terroristischer Angriff auf

Atomanlagen als reale Gefahr eingeschätzt, wie

schon mehrfach aus Geheimdienstkreisen

verlautete. Das Umweltinstitut München e.V.

wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass

der Atomausstieg in Deutschland zügig

vollzogen wird. Vor allem darf es keine

Betriebsverlängerungen für alte und

störanfällige Reaktoren, die noch nicht einmal

den Absturz eines kleinen Verkehrsflugzeuges

aushalten, geben. Auch in Zukunft werden wir

kontinuierlich die Umgebungsradioaktivität

überwachen, Messungen von Umweltproben

durchführen und vor allem unabhängig

informieren.

Verfasser: Christina Hacker

Umweltnachrichten, Ausgabe 102/ Dezember 2005

Quellen: 1 The Chernobyl Forum: Chernobyl´s Legacy: Health, Environmental and Socio-economic Impacts. IAEA, Wien, September 2005 2 International Atomic Energy Agency, World Health Organization, United Nations Development Programme: Chernobyl: The True Scale of the Accident. Press Release, September 5, 2005 3 Schweinfurter Tagblatt vom 15.9.2005 4 Pressemitteilung Nr. 236/05 des BMU vom 7.9.2005

V o r w o r t

Diese Geschichte basiert auf Berichten und

Gesprächen mit jungen Menschen aus den

verstrahlten Gebieten. Sie ist zwar erfunden, aber

dennoch realistisch. Es gibt viele "Iwans" in

Weißrussland, Russland und der Ukraine.

Diese Geschichte soll zeigen, dass eine ganze

Generation durch die Tschernobyl-Katastrophe

betroffen ist und die Folgen der Katastrophe noch

viele Jahrzehnte zu spüren sein werden.

Mein Name ist Iwan. Ich lebe in Minsk, der

Hauptstadt Weißrusslands und studiere dort

Architektur. Geboren bin ich in einem Dorf bei

Homel, nicht weit vom Unglücksreaktor entfernt.

Bis zum 26. April 1986 war ich ein ganz normaler

9-jähriger Junge, der auf der Dorfstraße spielte

und viel Unsinn im Kopf hatte. Bis dahin war die

glücklichste Zeit meines Lebens.

Nach dem Unfall wurde ich krank. Die

Krankenhausaufenthalte habe ich irgendwann

aufgehört zu zählen. Das Krankenhaus wurde

zu meinem zweiten Zuhause. Aber ich

überlebte, während viele meiner Freunde

sterben mussten. Ihre von Krankheit

gezeichneten Gesichter werde ich nie

vergessen, auch wenn ich 100 Jahre alt werden

sollte (was ich aber nicht glaube).

Nach meiner Schulzeit begann ich mit dem

Studium in Minsk. Da ich tschernobylgeschädigt

bin, bekomme ich einige Vergünstigungen, wie

z.B. die bevorzugte Zuteilung eines

Wohnheimplatz. Das ist für mich natürlich eine

schöne Sache, jedoch empfinden viele andere

Eine Geschichte aus den verstrahlten Gebieten…

24

annähernd so tiefgreifend, wie ursprünglich

befürchtet“.2 Auch Burton Bennett,

Strahlenexperte und Vorsitzender des

Tschernobyl-Forums, kommt zu einer ähnlichen

Einschätzung: „Es war ein sehr schwerer Unfall

mit ernsthaften gesundheitlichen Folgen,

besonders für tausende Arbeiter, die in den

ersten Tagen sehr hohen Dosen an radioaktiver

Strahlung ausgesetzt waren und für weitere

Tausende, die unter Schilddrüsenkrebs leiden.

Im Großen und Ganzen aber haben wir keine

wesentlichen negativen gesundheitlichen

Auswirkungen beim Rest der Bevölkerung in

den umliegenden Gebieten festgestellt und

haben auch keine weitreichende Kontamination

gefunden, die noch immer eine ernsthafte

Bedrohung für die menschliche Gesundheit

darstellt, abgesehen von einigen wenigen

begrenzten Gebieten.“2

B i l a n z n o c h n i c h t m ö g l i c h Heute bereits Bilanz zu ziehen und zu

behaupten, dass die Reaktorkatastrophe

weniger Menschen das Leben gekostet hat als

befürchtet, ist nicht seriös. Die meisten der im

Bericht zitierten Studien stützen sich auf Zahlen

aus den 1990er Jahren. Die Latenzzeiten für

Krebs außer Leukämie betragen bekanntlich

zwischen zehn und dreißig Jahre. Es ist also

noch viel zu früh, um einen deutlichen Anstieg

der allgemeinen Krebsrate aufzeigen zu können.

Bester Beleg dafür ist, dass heute, 60 Jahre

nach den Atombombenabwürfen in Hiroshima

und Nagasaki, noch immer die Daten der

Überlebenden ausgewertet werden. Das „wahre

Ausmaß des Unfalls“ – wie es der Bericht

suggeriert – kann also noch lange nicht

abschließend beurteilt werden.

Auch das Bundesamt für Umwelt, Naturschutz

und Reaktorsicherheit (BMU) kritisiert die

Tschernobyl-Studie. Nach seiner Ansicht

werden in dem Bericht die Folgen des

Reaktorunglücks verharmlost. Bei der Aussage,

es könnten insgesamt etwa 4000 Menschen an

den Folgen des Unfalls sterben, handelt es sich

lediglich um eine Risikoabschätzung auf der

Basis der Strahlenerkenntnisse von Hiroshima

und Nagasaki. Nach ersten Erkenntnissen des

BMU sind in der Studie die tatsächliche

Dosisermittlung und die damit verbundenen

Folgen für Leben und Gesundheit für die

betroffene Bevölkerung im Einzelnen gar nicht

betrachtet worden, so dass die Aussagen weder

hinreichend belastbar noch plausibel sind.4

D i e G e f a h r i s t n i c h t g e r i n g e r g e w o r d e n Die Atommeiler sind inzwischen nicht sicherer

geworden. Insbesondere osteuropäische

Atomanlagen sind teilweise in einem

katastrophalen Zustand, sicherheitstechnische

Nachrüstungen können mangels Finanzen nicht

oder nur unzureichend durchgeführt werden.

Besonders beunruhigend ist, dass heute noch

immer 16 mit dem Unfallreaktor Tschernobyl

baugleiche Reaktoren am Netz sind, einer in

Litauen und 15 in Russland.

K a t a s t r o p h e d u r c h U n f a l l o d e r T e r r o r a n s c h l a g n i c h t a u s z u s c h l i e ß e n Aber auch die deutschen Energiekonzerne

scheuen sich, ihre Atomkraftwerke

sicherheitstechnisch nachzurüsten. Der so

genannte Atomkonsens hat ihnen eine

23

von Gesetzen und Verordnungen geführt, die

die baulichen, verhaltensorientierten und

versorgungstechnischen Rahmenbedingungen

für Einsparung, Ef f iz ienzste igerung,

Wiederverwertung, Langlebigkeit und Innovation

deutlich verbessert haben. Inländische

Wertschöpfungsketten durch Sonnen-Wind-

Wasser- und vor allem Biomasse-Technologien

haben d ie reg i ona lw i r t s cha f t l i chen

Entwicklungspolitiken nachhaltig beeinflusst und

d e r L a n d w i r t s c h a f t n e b e n d e r

Lebensmittelproduktion das zweite Standbein

der Energieproduktion verschafft.

Entsprechend is t der akademische

Bildungsbedarf gestiegen. Kreislaufwirtschafts-

Versorgungs- und Ressourcenmanagement

g e h ö r t z u m K e r n b e r e i c h d e r

oecotrophologischen Grundbildung, weil hier die

Bedürfnislagen der Letztverbraucher mit denen

der Anbieter verglichen und – unter optimaler

Berücksichtigung ökologischer, sozialer und

friedenspolitischer Kriterien - zur Deckung

gebracht werden. Aus dieser Interessenlage

muss auch die Lösung der Castor-Transporte

sowie der Zwischen- und Endlager von

Atommüll erwachsen- immer die 30 km

Todeszone rund um die Geisterstädte Pribjat

und Tschernobyl vor Augen, wie sie u.a. Kostin

in seinen Fotoserien eindrucksvoll hinterlassen

hat.7

Neben den umwelt-, gesundheits-, agrar- und

energiepolitischen Aspekten erinnert der

Reaktorunfall auch an die Bedeutung des

Verbraucherschutzes ganz allgemein und an die

zivilgesellschaftliche Rolle der nicht-staatlichen

Organisationen. Hier hätte die Oecotrophologie

als Wissenschaft die Aufgabe, parteilich die

Interessen der Geschädigten zu vertreten, so

wie seit Hypokrates die Ärzteschaft die

G e s u n d h e i t i h r e r P a t i e n t e n . D i e

Gedenkveranstaltung hat auch das Ziel, aus

dem oecotrophologischen Berufsstand heraus

eine dem IPPNW oder Umweltverbänden

entsprechende Initiative zu fördern. Schließlich

werden von Mitgliedern der evang.-lutherischen

Landeskirche in Niedersachsen jedes Jahr ca.

1000 kranke Kinder aus dem Tschernobyl-

Rayon zum Erholungsurlaub eingeladen. Die

Akte ist noch lange nicht geschlossen.

Autor: Frank Puin

Quellen: 1Internationale Atomenergie Organisation IAEO mit Sitz in Wien, www.iaea.org, im Zusammenhang mit ihrem Versuch die „Akte Tschernobyl“ mit einem Gutachten vom Sept.2005 zu den gesundheitlichen Folgen des Reaktorunfalls zu schließen, wurde sowohl ihr Kooperationsvertrag mit der WHO der UN kritisiert, als auch ihre Neutralität in atomwirtschaftlichen Fragen –in § 2 ihrer Satzung bekennt sich die IAEO u.a. zur Förderung der friedlichen Nutzung der Atomtechnologie, vgl. www.ippnw.de/tschernobyl-folgen/die_rolle_der_IAEO/ (06.04.06) 2 Vgl . www.greenpeace.de/themen/atomkraft /presseerklärungen/artikel (24.04.06) und www.ippnw.de/tschernobyl-folgen/Gesundheitliche_folgen/ (06.04.06) 3 Vgl. Kurfuerst, U.: Statistical Sampling Theory, London-FFM 2001 4 Vgl. www.strahlentelex.de (24.04.06) 5 Auch hier zeigt sich die indifferente Rolle der IAEO als einerseits „Scharfmacher“ andererseits Garant für friedliche Nutzung, 6 Vgl. Presseerklärungen zur Iran affaire unter www.iaea.org 7 Vgl. Gorbatschow;M: Manifest für die Erde, Mü 2005, Kostin,I.: Tschernobyl- Nahaufnahme.Mü 2006

8

Nach den Informationsveranstaltungen des

Tschernobyl-Tages wurde im Cafe Chaos noch

eine Fete veranstaltet. Diese Bekam den

Namen „Abschaltfete“. Wir hatten uns zu dieser

Fete entschlossen, um dem 20. Jahrestag der

Katastrophe von Tschernobyl einen Ausgang zu

ermöglichen, der nicht nur auf dieses traurige

Ereignis aufmerksam macht, sondern auch

einen Ausblick nach vorne ermöglicht. Daher

gaben wir dieser Party auch den Namen

„Abschaltfete“. Hierdurch sollte deutlich werden,

dass wir für einen Ausstieg aus der

Atomenergie sind. Außerdem sollten 50 Cent

der Eintrittsgelder für die Opfer der

Tschernobylkatastrophe verwendet werden. Im

Nachhinein erfuhren wir, dass einige eine Fete

zu diesem Thema als sehr morbide auffassten

und daher auch nicht daran teilnahmen. Wir

wollen hiermit noch mal darauf aufmerksam

machen, das dies in keiner Weise unsere

Absicht war. Vielmehr wollten wir denjenigen,

die im Laufe des Tages nicht an den

Veranstaltungen teilnehmen konnten, die

Möglichkeit geben, sich am Abend im Chaos mit

uns und den anderen Gästen über die Thematik

des „Atomenergieausstiegs“ zu unterhalten und

auszutauschen.

Verfasser: Cafe Chaos

Carsten Fischer

Stellungnahme zur Abschaltfete

Die Katastrophe in Tschernobyl fand am 26.April

1986 statt, doch wurden erste Berichte über den

Gau, infolge erhöhter Radioaktivitätswerte,

welche in Skandinavien gemessen wurden, erst

drei Tage später bekannt. Die russische

Regierung, welche die Katastrophe aus

Geheimhaltungsgründen erst erheblich später

(nach 3 Tagen) einräumen musste, machte

damit die Menschen, aufgrund der spärlichen

Informationsflut, noch ängstlicher, da am Anfang

der Berichterstattung in den Medien noch sehr

viel Vermutungen im Umlauf waren.

Über Deutschland zog die radioaktive Wolke

vom 30. April bis zum 3.Mai 1986 und je nach

der vorherrschenden lokalen Wetterlage und vor

al lem den starken Regenfäl len in

Süddeutschland kam es zu unterschiedlichen

Strahlenbelastungen. Obwohl die Regierung von

einer nicht ernsthaften Gefahr für die gesamte

Bevölkerung ausging und individuelle

Schutzmaßnahmen nicht für erforderlich hielt,

kam es dennoch vereinzelt zu Panik und

Hysterie in Deutschland. Dies ist auf die bereits

erwähnte anfänglich spärliche Informationsflut

bzw. die teilweisen widersprüchlichen Angaben

und auch auf Effekthascherei abzielende

Medienberichte zurückzuführen. Zusätzlich

veröffentlichten einige Umweltverbände,

Bürgerinitiativen, die Grünen aber auch einige

Landesregierungen, eigene individuelle

Einschätzungen der Gefahr und beschlossen

teilweise niedrigere Grenzwerte und empfahlen

darüber hinaus weitergehende individuelle

Maßnahmen, was die Bevölkerung noch mehr

Panik in Deutschland

9

Betroffenen selbst als hilflos mit unbestimmter

Zukunft sehen. Dies würde bei manchen zu

einem übervorsichtigen Lebensstil, bei anderen

zu völlig unbekümmertem Verhalten führen.

Armut wie auch psychische Erkrankungen vor

allem bei den 350.000 Evakuierten würden eine

weit größere Bedrohung darstellen als die

Strahlung. Nicht zuletzt hätten anhaltende

Mythen und eine Fehleinschätzung der

Bedrohung durch radioaktive Strahlung zu

einem lähmenden Fatalismus geführt. Nicht die

Strahlung sei schuld am zunehmend schlechten

Gesamtzustand der Bevölkerung, sondern

Hysterie und eine regelrechte „Radiophobie“.

In dieses Horn bläst auch Dr. Mikhail Balonov,

wissenschaftlicher Geschäftsführer des

Tschernobyl-Forums: „In den meisten Gebieten

herrschen wirtschaftliche und psychologische

Probleme vor, und nicht so sehr gesundheitliche

oder ökologische“.2 Auch bezüglich der

Umweltverseuchung gibt Balonov Entwarnung:

Abgesehen von der hochkontaminierten

Sperrzone, die im Radius von 30 Kilometern um

den Reaktor verläuft, und einigen gesperrten

Seen und Wäldern habe die radioaktive

Belastung im Großen und Ganzen wieder ein

akzeptables Niveau erreicht.

D i e A t o m l o b b y w ä s c h t s i c h r e i n Die Arroganz gegenüber dem Leiden der

Betroffenen ist schier unerträglich. Wenn man

die am Bericht beteiligten Organisationen

genauer betrachtet, wird allerdings klar, dass

diese „Wahrheit“ über die Tschernobyl-Folgen

nur subjektiv ausfallen kann. Der Bericht trägt

die deutliche Handschrift der Atomlobby,

schreibt sich doch die maßgeblich beteiligte

IAEA die weltweite Förderung der

Atomenergienutzung auf ihre Fahnen.

Kurz vor dem 20. Jahrestag der Tschernobyl-

Katastrophe soll offenbar die Meldung lanciert

werden, dass selbst bei einem GAU die

Schäden überschaubar bleiben und also die

Stromgewinnung aus Atomkraftwerken ein

durchaus duldbares Risiko beinhaltet. Der

Direktor der Würzburger Uniklinik und Leiter der

Nuklearmedizin, Professor Christoph Reiners,

untermauert d iese Vermutung: Bei

Strahlenunfällen schwinge immer eine

„unbestimmte Angst“ mit. Im Grunde aber sei

Tschernobyl „in seinem Ausmaß eine

Katastrophe, die mit anderen Industrie-

Katastrophen vergleichbar ist“.3 Diese

vermutlich eher beruhigend gemeinte Aussage

ist Wasser auf die Mühlen der Atomlobby in

i h rem de rze i t i gen Bes t reben , d ie

Atomenergienutzung wieder hoffähig zu

machen.

Tatsächlich könnte man Tschernobyl mit

Industrie-Katastrophen wie Seveso oder Bhopal

vergleichen, die in ihrem Ausmaß und den

Langzeitwirkungen auf die Gesundheit der

betroffenen Bevölkerung verheerend waren und

noch immer sind. Tatsächlich können

Katastrophen dieser Art genauso Angst

auslösen wie ein atomarer GAU. Mit solchen

vermeintlichen Verharmlosungen soll die

Bevölkerung beschwichtigt werden.

Für den WHO-Manager Repacholi ist denn

auch „das Ergebnis der Studie insgesamt

beruhigend.“ „Die gesundheitlichen

Auswirkungen des Unfalls waren

möglicherweise entsetzlich (potentially horrific),

aber wenn man sie unter Einbeziehung gültiger

Schlussfolgerungen aus gut belegten

Forschungen (good science) aufsummiert,

waren die Folgen für die Gesundheit nicht

22

erstaunten Öffentlichkeit, war doch bislang in

den Medien ein ganz anderes Bild der

Tschernobyl-Auswirkungen gezeichnet worden.

Dem Bericht zufolge werden von den mehr als

200.000 Katastrophenhelfern, die 1986 und

1987 mit Aufräumarbeiten in Tschernobyl

beschäftigt waren, bis zu 2200 wegen der

radioaktiven Belastung früher sterben, als es

ihrer Lebenserwartung entspräche. Zusammen

mit den nächsten Anwohnern des havarierten

Reaktors könnte die Gesamtzahl der durch den

Reaktorunfall geforderten Todesopfer auf 4000

steigen. Bis Mitte 2005 seien weniger als 50

Todesfälle direkt der Strahlung zuzuordnen.

Dies widerspricht Studien unabhängiger

Experten, die gezeigt haben, dass Tschernobyl

bereits heute deutlich mehr Todesopfer

verursacht hat als im Bericht prognostiziert und

ein Ende noch nicht in Sicht ist. Die ukrainische

Gesundheitsbehörde sprach bereits im Jahr

2002 von 15.000 Todesopfern unter den

Liquidatoren.

A n s t i e g v o n S c h i l d d r ü s e n k r e b s b e i E r w a c h s e n e n i g n o r i e r t Der Bericht führt weiter an, dass der Unfall zwar

etwa 4000 Fälle von Schilddrüsenkrebs bei

Kindern verursacht hat, allerdings liege die

Heilungschance bei 98,8 Prozent. Dass die

Erkrankungsrate bei Erwachsenen drastisch

angestiegen ist, wird im Bericht mit keinem Wort

erwähnt. Nach Informationen des Otto-Hug-

Strahleninstituts in München ist bei Patienten

der Altersgruppe der heute 18 bis 35-Jährigen,

die zum Zeitpunkt der Katastrophe Kinder

waren, ein deutlicher Anstieg zu erkennen. Die

abgebildete Grafik zeigt, wie sich die jährlichen

Neuerkrankungen von Schilddrüsenkrebs in

Weißrussland im Zeitraum von 1976 bis 2000

bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen

entwickelt haben.

A n s t i e g v o n L e u k ä m i e u n d a n d e r e n K r e b s f ä l l e n g e l e u g n e t Weiter verneint die Studie, dass andere

Krebsarten infolge des Tschernobyl-Unfalls

angestiegen seien. Dr. Michael Repacholi,

Manager des WHO-Strahlenprogramms,

resümiert, dass das internationale Expertenteam

abgesehen von den 4000 Schilddrüsenfällen

keine Anzeichen einer Erhöhung von Leukämie-

und anderen Krebserkrankungen bei den

betroffenen Bürgern gefunden habe. 2 Diese

Aussage wurde bereits von mehreren

unabhängigen Wissenschaftlern widerlegt (s.

auch Umweltnachrichten 98/2003 oder

Umweltinstituts-Webseite „Radioaktivität“

„Tschernobyl-Folgen“). Selbst die IAEA räumte

im Jahr 2000 ein, dass eine ganze Reihe von

Krankheiten bei der betroffenen Bevölkerung

augenfällig sei, auch Leukämie und andere

Krebsarten seien vermehrt beobachtet worden.

A l l e s n u r E i n b i l d u n g ? Schließlich heben die Autoren der Studie hervor,

dass mehrere 100.000 Betroffene an

psychischen Folgen des Unfalls leiden. Es wird

von Stress-Symptomen, Depression, Angst und

medizinisch nicht erklärbaren

Krankheitssymptomen sowie

selbstdiagnostiziertem schlechten

Gesundheitszustand berichtet.

Die Bezeichnung „Opfer“ anstatt „Überlebende“

hätte ebenfalls dazu beigetragen, dass sich die

21

verunsicherte. So gab es Ratschläge zum Ver-

zicht auf Frischmilch, Freilandgemüse sowie

Einschränkungsempfehlungen, was das Spielen

der Kinder im Freien betraf, um nur einige zu

nennen. Der anfängliche Informationsmangel

und die dann auftretende Informationsflut, wel-

che teilweise paradoxe Ausmaße annahm,

schürte die Panik in Deutschland auf ein für

mich bis dahin nie gekanntes Niveau. Viele ver-

trauten den staatlichen Informationen nicht und

versuchten ihren Wissensdurst in Magazinen,

Sondersendungen und Institutionen, die sich mit

dem Thema beschäftigten, zu stillen. So ist es

nicht verwunderlich, dass jeder mit Tschernobyl

individuell umging, da er unterschiedlichen Infor-

mationsquellen vertraute, was zu Diskussionen

innerhalb der Bevölkerung führte und die Hyste-

rie teilweise komplimentierte.

Verfasser: Cafe Chaos

Carsten Fischer

Ein Verein stellt sich vor

Tschernobyl-Initiative in der Propstei Schöppenstedt e.V.

Die Tschernobyl-Initative in der Propstei

Schöppenstedt e.V. ist ein in Watzum

beheimateter Verein, der am 11.04.1994

gegründet wurde, um den Menschen in

Weißrussland, die von der Tschernobyl-

Katastrophe betroffen sind, zu helfen, und über

die Tschernobyl-Katastrophe in Deutschland

aufzuklären.

Wir organisieren regelmäßig Hilfstransporte

nach Weißrussland. Alle 2 Jahre findet eine

Kindererholungsmaßnahme im Falkenheim /

Groß Denkte (Landkreis Wolfenbüttel) statt.

Daneben unterstützen wir Mutter-Kind-Kuren

sowie Kindererholungsmaßnahmen in

Weißrussland. In unregelmäßigen Abständen

werden Fahrten mit unterschiedlichem

Hintergrund nach Weißrussland durchgeführt.

K i n d e r e r h o l u n g s m a ß n a h m e n In den von der Tschernobyl-Katastrophe

betroffenen Gebieten leben auch heute noch

eine Vielzahl von Kindern, deren Leben durch

die radioaktive Verseuchung stark beeinflusst

wird. Wir versuchen schon seit den Anfängen

der Tschernobyl-Initiative im Jahr 1991 diesen

Kindern durch einen Erholungsaufenthalt

außerhalb der verseuchten Gebiete zu helfen.

Alle zwei Jahre organisieren wir für eine Gruppe

v o n c a . 2 5 - 3 0 K i n d e r n e i n e n

Erholungsaufenthalt im Falkenheim in Groß

Denkte in der Nähe von Wolfenbüttel. Daneben

unterstützen wir Kindererholungsmaßnahmen in

Weißrussland. Kontakt:

Tel.:(0 53 32) 62 26

Fax: (0 53 32) 62 05

E-Mail: [email protected]

10

Das Kernkraftwerk Tschernobyl, rund 130 km

nordwestlich von Kiew (Ukraine) und kurz vor der

Grenze zu Weißrussland gelegen, bestand aus 4

Reaktorblöcken, die zwischen 1977 und 1983

ans Netz gegangen sind. Der Reaktorunfall in

Tschernobyl wurde durch die Kernschmelze in

dem Reaktorblock 4 am 26. April 1986 ausgelöst.

In Folge des Unfalls, bei dem etwa

3 - 4 % des Schwermetallanteils (Uran, Plutonium

usw.) des Reaktorkerns in die Umgebung geriet,

gelangten weitere zahlreiche Radionuklide, vor

allem Jod 131, Cäsium 134 und Cäsium 137 bis

nach West- und Nordeuropa und führten auch

dort zu einer teilweise nicht unerheblichen Strah-

lenbelastung der Menschen.

Während der folgenden 14 Tage wurden große

Mengen von Radionukliden in die Umwelt freige-

setzt. Die erste radioaktive Wolke zog zunächst

über Polen nach Skandinavien, wo sie am

28. April eintraf. Nach Änderung der Wettersitu-

ation zog eine zweite Wolke westwärts über Slo-

wakei, Tschechien und Österreich nach

Deutschland und bewegte sich weiter über

Frankreich nach Großbritannien und Irland. Eine

dritte Wolke zog Anfang Mai in südliche Rich-

tung, wodurch insbesondere Rumänien, Bulga-

rien, Griechenland und die Türkei betroffen wur-

den. Bedingt durch heftige lokale Niederschläge

wurde der Süden Deutschlands deutlich höher

kontaminiert als der Norden. Lokal wurden im

Bayerischen Wald und südlich der Donau bis zu

100.000 Bq/m2 Cäsium 137 abgelagert. In der

norddeutschen Tiefebene betrug die Aktivitäts-

ablagerung dagegen selten mehr als 4.000 Bq/

m2. Wechselnde Windverhältnisse verteilen die

radioaktive Wolke über ganz Europa. In

Deutschland wurden v. a. Landstriche in Südost-

Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Ber-

lin verseucht.

N u k l i d z u s a m m e n s e t z u n g Die Nuklidzusammensetzung in den radioakti-

ven Wolken änderte sich mit der Entfernung

zum Reaktor. In unmittelbarer Nähe wurden die

weniger flüchtigen Elemente, wie Strontium 90

oder Plutonium 239, abgelagert. Vor allem Ra-

diocäsium und Iodisotope dagegen wurden über

weite Strecken transportiert. Für die Strahlenex-

position 20 Jahre nach der Katastrophe von

Tschernobyl ist in Europa nur noch das langlebi-

ge Cs-137 von Bedeutung. Dieses Radionukleid

ist auf Grund seiner Halbwertszeit von etwa 30

Jahren seit der Deposition bis heute nur zu etwa

30% zerfallen.

F o l g e n f ü r d i e G e s u n d h e i t – D i e W i r k u n g r a d i o a k t i v e r S t r a h l u n g R a d i o a k t i v e S p a l t p r o d u k t e : Jod 131: HWZ: 8 Tage; Speicherung in der

Schilddrüse; kann zu Schilddrüsenkrebs und

anderen Fehlfunktionen der Schilddrüse führen.

Cäsium 137: HWZ: 30 Jahre; Einlagerung in

allen Organen; gilt als Krebsauslöser; wird über

die Nahrungskette aufgenommen.

Strontium 90: HWZ: 28 Jahre; Einlagerung in

Zähnen und Knochen; gilt als Leukämieauslö-

ser.

Plutonium 239: HWZ 24.000 Jahre; Gefahr für

das Grundwasser; gilt als Krebsauslöser.

Reaktorkatastrophe Tschernobyl

11

D i e A t o m l o b b y v e r h ö h n t d i e O p f e r

Die Auswirkungen des Größt-Anzunehmenden-

Unfalls (GAU) im Atomkraftwerk Tschernobyl

seien geringer als bisher angenommen,

b e h a u p t e t e i n i n t e r n a t i o n a l e s

Wissenschaftlergremium in einem im September

2005 vorgelegten Bericht. Fast 20 Jahre nach

der Katastrophe präsentiert das so genannte

Tschernobyl-Forum unter Federführung der

Internationalen Atomenergiebehörde

(IAEA) das angeblich „wahre Ausmaß des

Unfalls“ mit dem Tenor: „Alles gar nicht so

schlimm“.

Neben UNDP (United Nations Development

Programme), FAO (Food and Agriculture

Organization), UNEP (United Nations

Environment Programme), UN-OCHA (United

Nations Office for the Coordination of

Humanitarian Affairs), und UNSCEAR (United

Nations Scientific Committee on the Effects of

Atomic Radiation). Auch die Regierungen von

Weißrussland, Russland und der Ukraine und

nicht zuletzt die Weltbank gehören dem

Tschernobyl-Forum an. Die 600 Seiten

umfassende Studie „Tschernobyls Vermächtnis“

behandelt die gesundheitlichen, ökologischen

und sozioökonomischen Folgen der

Katastrophe.1

O p f e r z a h l e n s c h ö n g e r e c h n e t Mehr als 100 Wissenschaftler erarbeiteten die

neuen Ergebnisse und präsentierten sie einer

Jährliche Neuerkrankungen an Schilddrüsenkrebs bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern in Belorussland von 1976 bis 2000.

Quelle: Nationales Schilddrüsenzentrum Belorussland und Otto Hug Strahleninstitut-MHM, München

Neue Studie zu den Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe

20

Gesundheitsbeschwerden aufzeigten und

mahnt an, dass der Krankheitsverlauf bei den

entsprechenden Personen weiter beobachtet

werden müsse. Bei Leukämie oder anderen

Krebsarten werden zwar in einigen Studien

mehr Fälle beobachtet als erwartet wurden, ein

signifikanter Anstieg konnte aber von offizieller

Seite nirgends gefunden werden. Auch bei

anderen Studien wurde von einem Anstieg

verschiedener Krankheiten berichtet, doch es

wird bezweifelt, inwieweit das verwendete

Datenmaterial überhaupt aussagekräftig und

damit für eine Analyse relevant ist. Über eine

Erhöhung von Fällen mit Immunschwäche, dem

sog. Tschernobyl-Aids, wird ebenfalls berichtet,

was aber nicht ursächlich mit dem Unfall in

Verbindung gebracht wird, sondern lediglich als

Folgeeffekt gilt.

Man müsse sehr sorgfältig unterscheiden, ob

eine Krankheit direkt auf die Strahlenexposition

zurückzuführen sei, oder ob die Ursache durch

Folge-Faktoren der Katastrophe bedingt sei. Als

solche Faktoren werden genannt:

Psychischer Stress, für den eigens das Wort

"Radiophobie" kreiert wurde; dazu gehören

soziale Faktoren wie die Evakuierung und damit

die Entwurzelung aus der Heimat, die

Umsiedlungen in die Fremde, die Unsicherheit,

ob man selbst oder ein Familienmitglied bereits

krank ist oder in naher Zukunft werden wird, die

Angst, behinderte oder missgebildete Kinder zu

bekommen u.v.m.

Die desolate Wirtschaftslage; die durch

Umsiedlung oder Krankheit bedingte hohe

Arbeitslosigkeit wurde noch verstärkt durch den

Zerfall der Sowjetunion, was zu großer Armut

und Elend in den Ländern, aber besonders in

den vom Unfall betroffenen Gebieten geführt

hat. Die Menschen, die heute noch oder wieder

in belasteten Gebieten leben, haben gar keine

andere Wahl, als sich durch eigene

Landwirtschaft, also mit verseuchten

Nahrungsmitteln zu versorgen.

Offiziell anerkannt ist inzwischen allein ein

hochsignifikanter Anstieg von Schilddrüsenkrebs

bei Personen, die zum Zeitpunkt des Unfalls

zwischen 0 und 15 Jahre alt waren. Die WHO

kommt aufgrund des zeitlichen Verlaufs der

b i s h e r a u f g e t r e t e n e n F ä l l e v o n

Schilddrüsenkarzinomen bei Kindern in Belarus

(Weißrussland) zu folgender Prognose: Von allen

Kindern aus dem Oblast Gomel, die zum

Zeitpunkt der Reaktorkatastrophe zwischen null

und vier Jahre alt waren, werden ein Drittel im

Laufe ihres Lebens an Schilddrüsenkrebs

erkranken, das sind allein in dieser Gruppe mehr

als 50.000 Menschen.

Verfasser: Christina Hacker

Umweltnachrichten Ausgabe: 91/2001

Tschernobyl-Opfer. Foto: www.asamnet.de

19

Waldböden zeichnen sich durch organische

Auf lageschichten (Humus) auf den

Mineralböden aus. Cäsium ist in diesen

Schichten, die reich an Bodenorganismen und

Nährstoffen sind, sehr mobil. Es wird schnell

durch Bodenorganismen, Pilze und Pflanzen

aufgenommen und, wenn Blätter und Nadeln

fallen, wieder dem Boden zugeführt. Cäsium

bleibt also in einen sehr wirkungsvollen

Nährstoffkreislauf eingebunden und kann

deshalb kaum in die mineralischen

Bodenschichten abwandern, wo es, ähnlich wie

auf landwirtschaftlichen Böden, durch

Tonminerale fixiert werden könnte. Für

Waldökosysteme ist eine hohe kleinräumige

Variabilität der Cs-137-Kontamination typisch.

B i o l o g i s c h e H a l b w e r t s z e i t Wichtig ist in diesem Zusammenhang die

Tatsache, dass die physikalische Halbwertszeit

des Cs 137 rund 30 Jahre beträgt, während die

biologische Halbwertszeit für Männer rund 110

Tage und bei Frauen 80 Tage beträgt. Unter der

biologischen Halbwertszeit versteht man die

Zeit, nach der die Hälfte der ursprünglichen

Menge an Cs 137, oder, ganz allgemein, jeder

Substanz, aus dem Organismus ausgeschieden

ist. Die mittlere jährliche Strahlenbelastung durch

den Unfall von Tschernobyl beträgt in der

Bundesrepublik allerdings nur noch 0,001 bis

0,002 mSv. Die mittlere Strahlenbelastung über

die auf den Unfall folgenden 50 Jahre, also die

Lebensdosis vor allen der damaligen Kinder,

wird insgesamt auf 2-5 mSv geschätzt.

G r e n z w e r t e In der BRD wurde für Molkereimilch ein

Grenzwert für 500 Bq/l festgelegt, für Gemüse

250 Bq/kg Iod. Da 1986 noch Bundesländer

eigene Grenzwerte festlegen konnten, wurden

z.T. sehr viel schärfere Grenzwerte erlassen, so

in Hessen: Milch 20 Bq/l und für Fleisch 200 Bq/

kg Iod und 100 Bq/kg Cäsium. Über den

Grenzwerten belastete Milch wurde jedoch i.d.R.

nicht vernichtet, sondern mit geringer

kontaminierter Milch bis unter die Grenzwerte

gemischt. Europaweit wurden ab Juni 1986 die

als hoch einzustufenden Grenzwerte von

370 Bq/kg bzw. Bq/l für Säuglingsnahrung und

600 Bq/kg bzw. Bq/l Cäsium für alle sonstigen

Lebensmittel verabschiedet.

Unabhängige Experten raten auf der Grundlage

der Strahlenschutzverordnung (1976) zu

strengeren Grenzwerten. Nahrung für

Erwachsene sollte mit höchstens 30 bis 50 Bq/

kg und für Kinder, stillende und schwangere

Frauen mit höchstens 10 bis 20 Bq/kg belastet

sein. Dabei wurde von 1% Strontium-90

bezogen auf den Aktivitätsgehalt an Cäsium-137

in Nahrungsmitteln ausgegangen. Wegen

Unsicherheiten bei den Bewertungsgrundlagen

wird für Kindernahrung jedoch meist nur ein

Höchstwert von 5 Bq/kg Cäsium-Gesamtaktivität

empfohlen.

Da sich keine Grenze angeben lässt, unterhalb

der Radioaktivität ungefährlich wäre, sollte im

Sinne des Minimierungsgebots generell so

wenig wie möglich Radioaktivität aufgenommen

werden.

Verfasser: Dr. Michael Fischer

12

Spezifische Aktivität von Cs-137 in Bq/kg

Messwert Herkunft

Pilze (getrocknet) 590 Künzell

Marmelade 5 Hanau/privat

Fenchel 21 Hanau

Rindenmulch 9,3 Petersberg

Waldboden 16 Petersberg

Maulwurfshügel 38/47 Petersberg

Champignons 23 Aldi

(Garten)Erde 23/67 Fulda/Bebra

Wein (Südtirol) 7 Südtirol

Holunder < 1 Gründau

Estragon < 1 Gründau

Vergissmeinnicht < 1 Gründau

Rhododendron < 1 Buchenau

Lavendel < 1 Neuenberg

Salbei < 1 Neuenberg

Löwenzahn < 1 Petersberg

Schnittlauch < 1 Fulda

Oberflächenwasser < 1 Weiher

Messergebnisse des INSTITUTES FÜR UMWELT UND GESUNDHEIT (IUG) 05/2006

Verfasser: Dr. Michael Fischer

Probenzahl Mittelwert Minimalwert Maximalwert

Milch (Sammelmilch) 358 0,3 0,06 0,92

Rindfleisch 161 1,0 0,10 12

Schweinefleisch 123 0,9 0,10 2,8

Blattgemüse 53 0,2 0,09 1,7

Spezifische Aktivität von Cs-137 in Bq/kg Frischmasse

Fortsetzung Seite 14 13

27.6.86 gab es z.B. eine Anweisung des

Gesundheitsministeriums der UdSSR, in der alle

Daten über die Havarie, Daten über das

Ausmaß der radioaktiven Bestrahlung des

beteiligten Personals, der sog. Liquidatoren, und

sogar die Ergebnisse über die Heilung der

Krankheiten für geheim erklärt wurden. Etwa ein

Jahr später, am 8.7.87, kam eine weitere

Regierungsanordnung, in der angewiesen wurde,

dass die akuten und chronischen Erkrankungen

von Liquidatoren, die eine Dosis von weniger als

500 mSv abbekommen haben, nicht mit der

Strahlenbelastung in Zusammenhang gebracht

werden dürfen. Damit ist vielleicht zu erklären,

warum die Angaben der Opfer, die in direkten

Zusammenhang mit dem Unfall gebracht werden,

in verschiedenen Berichten extrem differieren.

Zu dieser von ganz oben angeordneten

Geheimhaltungspolitik kam für eine objektive

Beurteilung erschwerend dazu, dass die meisten

d e r P e r s o n e n , d i e a d h o c z u r

Schadensbekämpfung am havarierten Reaktor

eingesetzt wurden, weder mit Dosimetern noch

mit Schutzkleidung ausgestattet waren. Einen

Dienstplan gab es in diesem Sinn auch nicht, so

dass im Nachhinein nicht mehr zu klären ist,

welche Personen wie lange welcher

Strahlenbelastung ausgesetzt waren. Um

Aussagen über einen Zusammenhang zwischen

Strahlenbelastung und aufgetretener Erkrankung

treffen zu können, muss aber die individuelle

Strahlendosis bekannt sein. So beruhen die

Dosisangaben meist nur auf groben

Schä t zungen , wo m i t e i n kausa le r

Zusammenhang zwischen Krankheit und

Reaktorunfall meist nicht zu beweisen ist. Das

macht die Situation der betroffenen Personen,

die heute krank sind, noch desolater, da ihnen

keine Unterstützung als staatlich anerkannte

Invaliden zukommt.

O f f i z i e l l e D a t e n Die Internationale Atomenergie Agentur (IAEA),

deren Aufgabe die Förderung der zivilen Nutzung

der Atomenergie ist, hat 1990 ein umfangreiches

Forschungsprogramm bzgl. der Auswirkungen

des Tschernobyl-Unfalls aufgelegt. Die jüngsten

Ergebnisse und Bewertungen sind im Folgenden

zusammengefasst.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt

die Anzahl der beteiligten Liquidatoren auf ca.

800.000. Letzte Pressemeldungen aus dem

Jahr 2000 berichteten von einigen zigtausend

Toten, genaue Zahlen gibt es aber offenbar

nicht. Vor diesen Zahlen verwundert das

offizielle Ergebnis der IAEA, die die Anzahl der

Todesfälle, die unmittelbar mit dem Unfall in

Verbindung gebracht werden, auch heute noch

mit 31 beziffert: 28 Personen sind innerhalb von

96 Tagen infolge akuter Strahlenkrankheit

(Acute Radiation Syndrome, ARS) gestorben,

zwei Personen sind am Unfallort aufgrund

mechanischer Einwirkung gestorben und eine

Person starb an Herzinfarkt. Weitere 11 ARS-

Patienten, die aber als "Überlebende" galten,

starben im Zeitraum von 1986 bis 1998. Von

anfangs 237 Personen, bei denen ARS

diagnostiziert wurde, blieben später nur noch

134 übrig, bei den anderen Fällen konnte die

Eindeutigkeit nicht bestätigt werden. Diese

sollen aber weiterhin beobachtet werden.

Die IAEA räumt zwar ein, dass eine ganze

Reihe von Krankheiten bei der betroffenen

Bevölkerung augenfällig ist. Sie bestätigt auch,

dass zahlreiche Untersuchungen eine Zunahme

g a n z u n t e r s c h i e d l i c h e r

18

Am 26. April 1986 ereignete sich der GAU, der Größt-Anzunehmende-Unfall im Block IV des Atomkraftwerks Tschernobyl. Im Laufe der Jahre wurden die Auswirkungen bei der von der Strahlenbelastung betroffenen Bevölke-rung zwar immer deutlicher. Eine abschlie-ßende Beurteilung über das gesamte Ausmaß der Katastrophe ist aber heute noch immer

nicht möglich. G e h e i m h a l t u n g s p o l i t i k Die Geheimhaltung von Fakten und Messdaten

der damaligen UdSSR, die Informationssperren

und die Nachrichtenausdünnungen sorgten da-

mals für Spekulationen in alle Richtungen. Am

Kurz- und mittelfristige Folgen von Tschernobyl vor Ort

17

"Igor, im Kernkraftwerk

Tschernobyl hat es heute

Nacht gebrannt. Wir fliegen

hin. Kommst Du mit?" Die-

ses Telefonat reißt den

Fotoreporter der Presse-

agentur Nowosti Igor Kostin

am 26. April 1986 aus dem

Bett. Als er schlaftrunken

am Helioport in Kiew in den

Hubschrauber steigt, ahnt

er nicht, dass er zu einem

der wichtigsten Chronisten

der Reaktorkatastrophe

werden wird.

Nach kurzer Flugzeit bli-

cken sie von oben in den

zerstörten Reaktor. Aus

dem geöffneten Seitenfens-

ter schießt Kostin die ers-

ten Fotos, nach gerade mal

zwanzig Aufnahmen blo-

ckiert die Kamera. Auf dem

gesamten Film sind fast

alle Bilder vollständig

schwarz, nur ein Bild ist

brauchbar. Es ist das einzi-

ge existierende Foto vom

Tag des Unfalls selbst.

Grobkörnig durch die ex-

trem hohe Strahlenbelas-

tung ist es ein einzigartiges

Dokument der Katastrophe.

Probenzahl Mittelwert Minimalwert Maximalwert

Gemüse ohne Blattgemüse 54 0,2 0,10 0,42

Kartoffeln 43 0,2 0,08 0,80

Gerste 14 0,2 0,10 0,20

Roggen 44 0,2 0,07 0,47

Weizen 45 0,2 0,05 0,48

Spezifische Aktivität von Cs-137 in Bq/kg Frischmasse

Messergebnisse des Bayrischen Landesamtes für Umweltschutz für landwirtschaftliche Produkte aus dem

Jahr 2000

Spezifische Aktivität von Cs-137 in Bq/kg aktuelle Messwerte (Bayern)

Probenzahl Mittelwert Minimalwert Maximalwert

Heidel-/Preiselbeeren 9 37 8 103

Honig 5 6 1 14

Steinpilze 11 407 55 2639

Maronen-/Rotfußröhrlinge 32 503 2 3281

Pfifferlinge 13 15 1 814

Halimasch 3 46 16 96

Pilzmischpulver 5457

Wild 8 1 1 3

Farne/Moose/Fichtentriebe 6 133 10 408

Messergebnisse des Umweltinstituts München aus dem Jahr 2005/2006

Verfasser: Dr. Michael Fischer

14

Am 26. April 1986 um 1.23 Uhr fand im

Reaktorblock 4 des Kernkraftwerkes in

Tschernobyl eines der größten bekannten

Reaktorunglücke statt, die sich seit der

Geschichte der Kernkraftwerke ereignet haben.

Nach russischen Aussagen war der Grund des

Unglücks eine Kombination von technischem

und menschlichem Versagen und Folge eines

Experiments, das im Reaktor stattgefunden hat.

Etwas später machte die Sowjetunion genauere

Angaben: Der 4. Reaktorblock sollte am 25. April

1986 zu einer Revision heruntergefahren

werden, und während des Abfahrens des

Reaktors sollte ein Experiment an einem

Turbogenerator stattfinden.

Dieses Experiment sollte wie folgt ablaufen: Vor

Beginn des Versuches musste die Leistung des

Reaktors auf ca. 20-30% heruntergefahren

werden und das Notkühlsystem abgeschaltet

werden, um ein automatisches Anspringen der

Sicherheitsanlage während des Experimentes

zu vermeiden. Alle Hauptkühlmittelpumpen

müssen während dessen in Betrieb sein.

Während des eigentlichen Versuches sollte der

im Betrieb befindliche Turbosatz schnell

abgeschaltet werden, wodurch automatisch eine

Reaktornotabschaltung ausgelöst werden sollte.

Vier der Hauptmittelkühlpumpen sind am

Turbogenerator angeschlossen und sollen sich

entsprechend zu ihm während des

Abschaltvorganges verhalten. Die anderen vier

Pumpen sollten ununterbrochen weiterlaufen

und waren deshalb am normalen Netz

angeschlossen. Der Versuch begann dann am

25.04.1986 um 13.05 Uhr mit dem Abschalten

des Turbosatzes. Nach Abschalten des

Notkühlsystems um 14.00 Uhr wurde es danach

nicht wieder für einen möglichen Zwischenfall

betriebsbereit gemacht. Dies war der erste

Verstoß des Personals gegen die

Betriebsvorschriften. In der Nacht zum

26.04.1986 um 0.28 Uhr wurde durch einen

weiteren Fehler des Personals die Leistung des

Reaktors stark abgesenkt. In der Folgezeit war

es dem Personal nicht mehr möglich den

Reaktor über den minimal zulässigen

Leistungswert zu bringen. Hier hätte der

Reaktor schon längst abgeschaltet werden

müssen. Dies war der zweite Verstoß gegen die

Betriebsvorschriften. Das Personal wollte die

Ursachen und Ablauf des Reaktorunglücks in Tschernobyl

15

Leistung des Kerns mit der Erhöhung des

Kühlmitteldurchsatzes anheben. Dies gelang

nicht, da die Regelung des Wasserdurchsatzes

für diese geringe Reaktorleistung nicht

ausgelegt war und daher konnten dabei

Schwierigkeiten auftreten. Die Reaktorleistung

sank um 1.23 Uhr weiter ab bis auf ca. 7%.

Jetzt wurde das Signal für die

Schnellabschaltung unterbrochen und die

Turboschnellschlussventile des

Turbogenerators wurden geschlossen. Dadurch

kam es zu einer Verringerung des

Dampfblasengehaltes und um dies

auszugleichen, wurden die Steuerstäbe aus

dem Kern gefahren. Vier Kühlmittelpumpen

wurden abgeschaltet, dies reduzierte den

Kühlmitteldurchsatz und erhöhte die

Reaktorleistung rapide. Um 1.23 Uhr und 40

Sekunden wurde die Reaktornotabschaltung per

Hand ausgelöst. Dies wurde nicht rechtzeitig

wirksam, so dass die Reaktorleistung immer

mehr und immer schneller anstieg. Vier

Sekunden später wurde der Reaktorkern und

das umschließende Gebäude aufgrund der 100-

fachen Nennleistung des Kernkraftwerkes

zerstört. Es kam zum Ausschleudern von

Materialien aus dem Reaktorkern. Die Brände

wurden gegen 5.00 Uhr gelöscht. Block 1 und 2

wurden erst einen Tag nach dem Unglück

abgeschaltet.

Verfasser: Projekt „Die Honigbienen“

16