Upload
others
View
7
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Der chronifizierte Kreuzschmerzpatient im
multidisziplinären Setting
Dr. med. Joachim Mallwitz (Ärztliche Leitung)
Dipl.-Psych Britta Maurus (Psychologische Leitung)
M.Sc. Michael Richter (Physiotherapeutische Leitung)
Workshop beim Deutschen Schmerzkongress
am 15.10.2015 im Congress Center Rosengarten, Mannheim
Interessenkonflikt
Der Inhalt des folgenden Vortrages ist Ausdruck des größtmöglichen
Bemühens um Objektivität und Unabhängigkeit.
Die Referenten versichern, dass in Bezug auf den Inhalt des folgenden
Vortrages keine Interessenkonflikte bestehen, die sich aus einem
Beschäftigungsverhältnis, einer Beratertätigkeit oder Zuwendungen für
Forschungsvorhaben, Vorträge oder andere Tätigkeiten ergeben.
Sämtliche Bilder sind Eigentum des Rückenzentrums. Die dargestellten
Personen sind entweder Mitarbeiter oder Patienten, die uns alle schriftlich
ihre Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben haben.
Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz
• Arnold et al, multimodale Schmerztherapie, Schmerz
2009 – 23
• Nagel et al, Struktur- und Prozessqualität
multimodaler Schmerztherapie, Schmerz 2012 – 26
• Casser et al, interdsziplinäres Assessment zur
multimodalen Schmerztherapie, Schmerz 2013 – 27
• Arnold 2014 multimodale Schmerztherapie für die
Behandlung chronischer Schmerzsyndrome,
Schmerz 2014 – 28
Interdisziplinärer Diagnostiktag (isolierte Erhebung)
Zeitlicher Umfang:
45 Min. Arzt; 45 Min. Physiotherapeut; 60 Min. Psychologe;
anschließend: 15 Min. Teambesprechung; ggf. zweiter Termin zur
Patienteninformation
Inhalt:
Anamnese (aktuelle Probleme durch alle Therapeuten)
eingehende körperliche Untersuchung (orthopädisch und fokussiert
neurologisch, physiotherapeutisch)
Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit (Beweglichkeit, Kraft,
Ausdauer) und Beanspruchung bei der Arbeit und im Alltag
Psychologische Beurteilung (Interview und fokussierte Fragebögen)
Definition der Therapieziele gemeinsam mit dem Patienten
Interdisziplinärer Diagnostiktag - Teamgespräch
Gemeinsame Einschätzung des Gesamtbeschwerdebildes des Patienten
und der Kontextfaktoren
(Wieviel Prozent des Gesamtbeschwerdebilds wird durch die strukturellen
Veränderungen, die funktionellen Befunde und die psychologischen
Faktoren erklärlich ?)
Gemeinsame Definition der Therapieziele und Festlegung der
Therapieschwerpunkte im Therapieplan
Gemeinsame Risikoabschätzung und Zuteilung zur weiteren Therapie
Schriftliche Stellungnahme und Empfehlung aller drei Disziplinen in
einem gemeinsamen Brief an die Kollegen
Stundenplan Michelgruppe MONTAG DIENSTAG MITTWOCH DONNERSTAG FREITAG
09:00 - 10:00 09:00 - 10:00
Sporttheorie Sporttheorie
09:30 - 10:45
10:00 - 11:00 10:00 - 11:00 SBG 10:00 - 11:00 10:00 - 11:00
Alltagstraining GYM GYM Alltagstraining Pause 10:45 - 11:00
Pause 11:00 - 11:30 11:00 - 11:45 11:00 - 12:00 11:00 - 11:45 Pause 11:00-11:30
PME PME
11:30 - 12:45 GYM 11:30 - 13:00
Pause 11:45 - 12:15
SBG 12:00 - 13:00 Pause 11:45 - 12:30 MTT
12:15 - 13:00
gr. Seminarraum Sozialmedizin Alltagstraining 12:30 - 14:30
Pause 12:45 - 13:30 13:00 - 14:30
Visite
13:30 - 15:00 MTT (Ausdauer)
(Ausdauer)
MTT
14:30 - 15:15
Basisinformation
Wandertag
Abkürzungen: MTT = Medizinische Trainingstherapie SBG = Schmerzbewältigungsgruppe PME = Progressive Muskelentspannung
GYM = Gymnastik, Koordinationstraining
Ärztliche Therapieinhalte in der Gruppentherapie
wöchentliche
Gruppeneinheiten:
Basisinformation
Sozialmedizin
wöchentliche
Einzel-Visite
bei Bedarf
Individuelle
Behandlung
Basisinformation - Arzt
Anatomie, Physiologie
Belastbarkeit der WS bis zum Versagen
Trennung der Zusammenhänge
(Belastung –> Verschleiß -> Schmerz)
„richtiges“ Heben und Tragen
medikamentöse Schmerztherapie
konservative Therapieoptionen vs.
operative Therapieoptionen
Die Tatsache, dass wir so
häufig Beschwerden haben,
zeigt, dass der Rücken eine
Schwachstelle ist.
Quizfrage:
Mit wieviel Gewicht könnte die untere LWS
belastet werden, bis etwas kaputt geht ?
Die Tatsache, dass wir so
häufig Beschwerden haben,
zeigt, dass der Rücken eine
Schwachstelle ist.
Quizfrage:
Mit wieviel Gewicht könnte die untere LWS
belastet werden, bis etwas kaputt geht?
1 – 1,5 Tonnen
Mechanische Belastbarkeit der unteren LWS
Kompressionsversagen der unteren LWS bei
> 1-1,5 Tonnen (Übersichtsarbeiten (u.a. Michael Adams))
- es versagt der Knochen (Kompressionsfraktur)
- kein Bandscheibenversagen
Bandscheibenversagen (K. Burton, Biomechanics of Back Pain)
- möglich bei Kompression von mehreren 100 kg und maximaler
monosegmentaler Flexion im Labor
- solche Bewegungen sind physiologisch nicht möglich
Quizfrage
Wodurch entsteht die
Abnützung der Wirbelsäule?
Wie hoch schätzen Sie den Einfluss von
körperlichen vs. genetischen Faktoren
auf die Abnützung der Lendenwirbelsäule?
körperlich ..... % genetisch ..... %
Quizfrage
Wodurch entsteht die
Abnützung der Wirbelsäule?
Wie hoch schätzen Sie den Einfluss von
körperlichen vs. genetischen Faktoren
auf die Abnützung der Lendenwirbelsäule?
körperlich 2-5 % genetisch 70 %
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
0 10 20 30 40 50 60 70
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
% Anulusrupturen
Facettenarthrose
CT/MRT-Hernie
75
15 J.
30 J.
60 J.
70 J.
40 J.
28 J.
42 J.
Alter in Jahren
40
60
30
100 100
15
HÄUFIGKEIT
Radiologische Befunde in der Normalbevölkerung
Sozialmedizin - Arzt
Lohnfortzahlung und Krankengeld
Möglichkeiten der beruflichen
Wiedereingliederung
EU-Rentenverfahren
Schwerbehinderung
Im gleichen Zeitraum stiegen die Meldungen
von Rückenproblemen bei der Arbeit um mehr
als das 20-fache
Verhältnisprävention
In USA haben sich zwischen 1965 und 1995 :
die maximale und die kumulative Hebellast verringert
die Arbeitszeiten verringert
die Rotationsbewegungen verringert
der Arbeitsschutz verbessert
die Raumklimatisierung verbessert
Inhalte der psychologischen Diagnostik
Schmerzsymptomatik
Was hat sich durch den Schmerz verändert?
Wie habe ich mich durch den Schmerz verändert?
Wird der Schmerz durch psychische Faktoren beeinflusst?
Berufliche Anamnese
Arbeitszufriedenheit, Betriebsklima, Arbeitsmotivation, Reaktionen des AG auf Krankheit
Psychopathologischer Befund
Sozialer Kontext
Berufliche/Familiäre und erweiterte soziale Situation
Relevante psychosoziale und psychopathologische Daten
B. MAURUS
DER CHRONIFIZIERTE KREUZSCHMERZPATIENT IM MULTIDISZIPLINÄREN SETTING:
DIE PSYCHOLOGISCHE THERAPIE
Psychologische Yellow Flags
Auf Verhaltensebene
Angst-, Schon- und Vermeidungsverhalten; aber auch extremes
Durchhalteverhalten
Auf emotionaler Ebene
Ängstlichkeit, Katastrophisieren
Geringe Selbstkompetenzeinschätzung, Hilflosigkeit
Auf kognitiver Ebene
Falsche Vorstellung bzgl. Bedeutung von Schmerzen
Unpassendes Krankheitsentstehungs- und Behandlungsmodell
B. MAURUS
DER CHRONIFIZIERTE KREUZSCHMERZPATIENT IM MULTIDISZIPLINÄREN SETTING:
DIE PSYCHOLOGISCHE THERAPIE
Stundenplan Michelgruppe MONTAG DIENSTAG MITTWOCH DONNERSTAG FREITAG
09:00 - 10:00 09:00 - 10:00
Sporttheorie Sporttheorie
09:30 - 10:45
10:00 - 11:00 10:00 - 11:00 SBG 10:00 - 11:00 10:00 - 11:00
Alltagstraining GYM GYM Alltagstraining Pause 10:45 - 11:00
Pause 11:00 - 11:30 11:00 - 11:45 11:00 - 12:00 11:00 - 11:45 Pause 11:00-11:30
PME PME
11:30 - 12:45 GYM 11:30 - 13:00
Pause 11:45 - 12:15
SBG 12:00 - 13:00 Pause 11:45 - 12:30 MTT
12:15 - 13:00
gr. Seminarraum Sozialmedizin Alltagstraining 12:30 - 14:30
Pause 12:45 - 13:30 13:00 - 14:30
Visite
13:30 - 15:00 MTT (Ausdauer)
(Ausdauer)
MTT
14:30 - 15:15
Basisinformation
Wandertag
Abkürzungen: MTT = Medizinische Trainingstherapie SBG = Schmerzbewältigungsgruppe PME = Progressive Muskelentspannung
GYM = Gymnastik, Koordinationstraining
Teufelskreis: „Der Durchhalter“
Teufelskreis: „Angst-Vermeider“
(Chronischer) Schmerz
aktuelle Stressoren
Ignorieren der Schmerzen Durchhalteappelle „Muss ja“
Durchhalteverhalten „Sich durchbeißen“
Bemühen um positive Stimmungslage
Überaktivität Überforderung Zu wenig Ausgleich
(Chronischer) Schmerz
aktuelle Stressoren
Unkontrollierbarkeit Unsicherheit Angst
Tendenz zur bedrohlichen Überbewertung Aufmerksamkeits-fokussierung
Rückzug/Vermeidung von Aktivitäten
Fehlende Ablenkung Schmerz gerät in den Mittelpunkt
Inhalte der physiotherapeutischen Diagnostik
Heben, Tragen, jede Form der
Armaktivität, Stehen >10min
Wärme. Massage, PT, Chiro, Mobilisation
Trauma mit multiplen WK/Facetten#
06/2011, Impressions# BWK 1,3,4
Nachbehandlung abgeschlossen
04/2012
> 6 Wochen
Inhalte der physiotherapeutischen Diagnostik ctd.
6/10 NRS
Th 5-9 Hypo, EXT p
FBA_9cm post_0cm
M. Trapez des. Bd,
Parvertebrale EXT
CCFT positiv
ULNT 1 positiv links , CAR
Aktiv Fußball bis Mitte 20
dann BSV und seit dem
weniger seit Trauma
angstbedingt nicht mehr
„nicht klar was ich
machen kann/darf“
Beziehung
Körperliche
Belastbarkeit
normalisieren,
Sport ND, CCFT, NRS
Dauerschmerz, nur
in Ruhe und nachts
o.B.
Heben, Tragen,
Drehen, Stehen
Stehen >10min,
Heben (PILE)
Stundenplan Michelgruppe MONTAG DIENSTAG MITTWOCH DONNERSTAG FREITAG
09:00 - 10:00 09:00 - 10:00
Sporttheorie Sporttheorie
09:30 - 10:45
10:00 - 11:00 10:00 - 11:00 SBG 10:00 - 11:00 10:00 - 11:00
Alltagstraining GYM GYM Alltagstraining Pause 10:45 - 11:00
Pause 11:00 - 11:30 11:00 - 11:45 11:00 - 12:00 11:00 - 11:45 Pause 11:00-11:30
PME PME
11:30 - 12:45 GYM 11:30 - 13:00
Pause 11:45 - 12:15
SBG 12:00 - 13:00 Pause 11:45 - 12:30 MTT
12:15 - 13:00
gr. Seminarraum Sozialmedizin Alltagstraining 12:30 - 14:30
Pause 12:45 - 13:30 13:00 - 14:30
Visite
13:30 - 15:00 MTT (Ausdauer)
(Ausdauer)
MTT
14:30 - 15:15
Basisinformation
Wandertag
Abkürzungen: MTT = Medizinische Trainingstherapie SBG = Schmerzbewältigungsgruppe PME = Progressive Muskelentspannung
GYM = Gymnastik, Koordinationstraining
Sporttheorie Superkompensation
This
file
is lic
ensed u
nder
the C
reative C
om
mons
Attribution-S
hare
Alik
e 3
.0 U
nport
ed lic
ense.
Attribution:
Shm
uel C
saba O
tto T
raia
n
Evaluation von Funktion – ganz praktisch! Patientenspezifische Funktionsskala (Stratford et a. 1995)
Von der Krafttestung zum isolierten Training Training an den speziellen Wirbelsäulenstabilisationsgeräten (Denner 1998)
Von der Krafttestung zum isolierten Training Training an den speziellen Wirbelsäulenstabilisationsgeräten
Neue Schützende Schmerzgrenze
Gewebetoleranzgrenze
Baseline
Schmerzedukation Nach Butler D, Moseley LM
Take home messages
Ärztlich:
Relativieren Sie die bildgebenden Strukturbefunde
Vermeiden Sie passive Therapien
Psychologisch:
Bringen Sie den Patienten raus aus der Vermeidung
Ziel ist „Kontrolle und Selbstwirksamkeit“ statt „Hilflosigkeit“
Berücksichtigen Sie die Yellow Flags und das soziale Umfeld
Physiotherapeutisch:
Fokussieren Sie sich auf Funktion statt Struktur
Kommunizieren Sie mit Physiotherapeuten
Ist die NVL bekannt? Wie aktuell das Wissen über Schmerz? … Wie bringen die Kollegen die Patienten zurück in die Aktivität?
Nachemson AL, Jonsson E Neck and Back Pain – S. 222 ff.
Battié MC, Videman T, et al Determinants of lumbar disc degeneration - Spine 1995; 20: 2601 –
2612
Boden SD, Davis DO, et al. Abnormal magnetic-resonance scans of the lumbar spine in
asymptomatic subjects: … - J Bone Joint Surg Am 1990; 72: 403 – 408
Boden SD, McCowin PR, et al. Abnormal magnetic-resonance scans of the cervical spine in
asymptomatic subjects: … - J Bone Joint Surg Am 1990; 72: 1178 –
1184
Boos N, Lander PH. Clinical efficacy of imaging modalities … - Eur Spine J 1996; 5: 2 – 22
Carragee E. The prevalence and clinical features … - Spine 1996; 21: 776
Deyo RA. Magnetic resonance imaging of the lumbar … - N Engl J Med 1994;
331: 115 – 116
van Tulder MW et al. Spinal radiographic finding and nonspecific low back pain - Spine 1997;
22: 427 - 434
Radiologische Befunde in der Normalbevölkerung
Age-specific prevalence estimates of degenerative spine imaging findings in
asymptomatic patients, Brinjikji et al, AMNR, 11/2014, 3110 individuals
J. MALLWITZ
DER CHRONIFIZIERTE KREUZSCHMERZPATIENT IM MULTIDISZIPLINÄREN SETTING:
DIE ÄRZTLICHE DIAGNOSTIK
Alter in Jahren
Imaging
Finding 20 30 40 50 60 70 80
Disk-
degeneration 37% 52% 68% 80% 88% 93% 96%
Disk signal loss 17% 33% 54% 73% 86% 94% 97%
Disk height loss 24% 34% 45% 56% 67% 76% 84%
Disk bulge 30% 40% 50% 60% 69% 77% 84%
Disk protrusion 29% 31% 33% 36% 38% 40% 43%
Annular fissure 19% 20% 22% 23% 25% 27% 29%
Facet-
degeneration 4% 9% 18% 32% 50% 69% 83%
Spondylo-
listhesis 3% 5% 8% 14% 23% 35% 50%