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Literaturverzeichnis: 1. ICD-10-GM-2015. http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icd-10-gm/version2015/systematik/. 2. Haken R von, Gruss M, Plaschke K, Scholz M, Engelhardt R, Brobeil A, et al. Delir auf der Intensivstation. Anaesthesist. 2010;59:23547. doi:10.1007/s00101-009-1664-3 3. Bartus RT, Dean RL, Beer B, Lippa AS. The cholinergic hypothesis of geriatric memory dysfunction. Science. 1982;217:40814. Bildnachweis: Alle Bilder unterliegen der „Creative Commons-Lizenz oder sind im Internet zur nicht kommerziellen Wiederverwendung und Veränderung gekennzeichnet. Der delirante Patient in der Intensivmedizin - Wer ist gefährdet? Schützt Lichttherapie? Christian Gernhardt, Mira Meon, Sophie Kluge, Klaus Junghanns Fazit: 1. Worum geht es? Was bedeutet Delir? Ein Delir ist ein vorübergehender Verwirrungszustand mit Störung von Bewusstsein, Aufmerksamkeit, Denken, Gedächtnis, Emotionalität und Schlaf-Wach-Rhythmus [1].Teilweise sehen die Erkrankten weiße Mäuse als Halluzinationen. Welche Patienten wurden untersucht? Besonders herzchirurgische Patienten auf Intensivstation sind betroffen – 30% entwickeln postoperativ ein Delir [2]. Wie entsteht ein Delir? Delire können durch zahlreiche Ursachen entstehen. Eine vermutete Ursache ist der gestörte Tag-Nacht- Rhythmus im stressigen Umfeld einer Intensivstation [2]. Welche Rolle spielt die Lichttherapie? Eine Lichttherapie mit einer 10 000 Lux hellen Lampe kann über den Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus den Tagesrhythmus synchronisieren. Zur gezielten Prävention ist die Kenntnis von Risikofaktoren notwendig. 2.Fragestellung a) Welche Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass herzchirurgische Patienten ein Delir nach ihrer Operation erleiden? b) Erkranken Patienten, die nach der Herzoperation eine Lichttherapie erhalten, seltener am Delir als Patienten mit einer normalen Behandlung? 3. Methodik Randomisiert-kontrollierte klinische Studie 4. Ergebnisse 241 Patienten Lichttherapie täglich 30 Minuten morgens für 5 Tage nach Operation Kontrollgruppe Exkurs I Was ist so schlimm am Delir? - Längerer Aufenthalt Intensivstation/Krankenhaus - Erhöhtes Demenzrisiko - Posttraumatische Belastungsstörung - Pflegebedürftigkeit - Erhöhte Mortalität Exkurs II Was passiert im Gehirn während des Delirs? Es wird angenommen, dass bei einem Delir ein Überschuss an Dopamin sowie einem Mangel an Acetylcholin herrscht [3]. Komorbidität Höheres Alter Kognitive Leistungsfähigkeit a) Risikofaktoren: Alzheimer-Fibrillen in histologischer Färbung Wie hoch war das Risiko jeweils? Insgesamt erlitten 13% der Patienten ein Delir. Patienten mit schlechten Ergebnissen im Demenztest hatten ein vierfach erhöhtes Risiko. Vor allem ältere Patienten waren nach der Operation verwirrt und das Risiko erhöhte sich mit jedem Lebensjahr relativ um etwa 10% (=> siehe Abbildungen 2-4 unten). b) Lichttherapie: Hatte die Gruppe mit Lichttherapie weniger Patienten mit Delir als die Kontrollgruppe? Ja. Mit Lichttherapie konnten fast 97% der Patienten im Beobachtungszeitraum von 5 Tagen die Zeit auf der Intensivstation ohne Delir überstehen. In der Kontrollgruppe waren dies lediglich 85% (Chi² (1) = 5,562, p = 0,018). Wie sehr reduziert die Lichttherapie das Risiko für ein Delir? Die Lichttherapie senkt das absolute Risiko um etwa 12%. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 80%. Nicht alle Patienten mit Lichttherapie bleiben delirfrei, aber pro 8 Patienten, die Licht erhalten, rettet man 1 Patienten vor dem Delir („number needed to treat/prevent“ = 8). Abbildung 1: Balkendiagramm zum Vergleich der Delirhäufigkeit zwischen Kontrollgruppe und Lichttherapiegruppe Abbildung 2: Delirwahrscheinlichkeit über die Zeit im Vergleich zwischen Gruppe mit normalem versus pathologischen Demenztest (DemTect). Abbildung 3: Delirwahrscheinlichkeit über die Zeit im Vergleich zwischen älteren Patienten ab 65 Jahren und jüngeren Patienten Abbildung 4: Whisker-Box-Plot zur Darstellung des Unterschiedes in der Komorbidität von Patienten mit/ohne Delir. Die Komorbidität wurde standardisiert anhand des international gebräuchlichen Charlson-Deyo-Index ermittelt. Vor allem ältere, kognitiv eingeschränkte und kränkere Patienten sind gefährdet, nach einer Herzoperation ein Delir zu erleiden. Eine postoperative Lichttherapie ist eine ungefährliche wirksame Maßnahme, um dieses Risiko zu verringern.

Der delirante Patient in der Intensivmedizin - uni …...Intensivstation ohne Delir überstehen. In der Kontrollgruppe waren dies lediglich 85% (Chi² (1) = 5,562, p = 0,018). Wie

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Page 1: Der delirante Patient in der Intensivmedizin - uni …...Intensivstation ohne Delir überstehen. In der Kontrollgruppe waren dies lediglich 85% (Chi² (1) = 5,562, p = 0,018). Wie

Literaturverzeichnis: 1. ICD-10-GM-2015. http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icd-10-gm/version2015/systematik/.

2. Haken R von, Gruss M, Plaschke K, Scholz M, Engelhardt R, Brobeil A, et al. Delir auf der Intensivstation. Anaesthesist. 2010;59:235–47. doi:10.1007/s00101-009-1664-3

3. Bartus RT, Dean RL, Beer B, Lippa AS. The cholinergic hypothesis of geriatric memory dysfunction. Science. 1982;217:408–14.

Bildnachweis: Alle Bilder unterliegen der „Creative Commons“-Lizenz oder sind im Internet zur nicht kommerziellen Wiederverwendung und Veränderung gekennzeichnet.

Der delirante Patient in der Intensivmedizin

- Wer ist gefährdet? Schützt Lichttherapie? – Chr i s t i an Gernhard t , M i ra Meon , Soph ie K luge , K laus Junghanns

Fazit:

1. Worum geht es? Was bedeutet Delir? Ein Delir ist ein vorübergehender Verwirrungszustand mit Störung von Bewusstsein, Aufmerksamkeit, Denken, Gedächtnis, Emotionalität und Schlaf-Wach-Rhythmus [1].Teilweise sehen die Erkrankten weiße Mäuse als Halluzinationen. Welche Patienten wurden untersucht? Besonders herzchirurgische Patienten auf Intensivstation sind betroffen – 30% entwickeln postoperativ ein Delir [2]. Wie entsteht ein Delir? Delire können durch zahlreiche Ursachen entstehen. Eine vermutete Ursache ist der gestörte Tag-Nacht-Rhythmus im stressigen Umfeld einer Intensivstation [2]. Welche Rolle spielt die Lichttherapie? Eine Lichttherapie mit einer 10 000 Lux hellen Lampe kann über den Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus den Tagesrhythmus synchronisieren. Zur gezielten Prävention ist die Kenntnis von Risikofaktoren notwendig.

2.Fragestellung a) Welche Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass herzchirurgische Patienten ein Delir nach ihrer Operation erleiden? b) Erkranken Patienten, die nach der Herzoperation eine Lichttherapie erhalten, seltener am Delir als Patienten mit einer normalen Behandlung?

3. Methodik

Randomisiert-kontrollierte klinische Studie

4. Ergebnisse

241 Patienten

Lichttherapie täglich 30 Minuten morgens für 5 Tage

nach Operation

Kontrollgruppe

Exkurs I Was ist so schlimm am Delir? - Längerer Aufenthalt Intensivstation/Krankenhaus - Erhöhtes Demenzrisiko - Posttraumatische Belastungsstörung - Pflegebedürftigkeit - Erhöhte Mortalität

Exkurs II Was passiert im Gehirn während des Delirs? Es wird angenommen, dass bei einem Delir ein Überschuss an Dopamin sowie einem Mangel an Acetylcholin herrscht [3].

Komorbidität

Höheres Alter

Kognitive Leistungsfähigkeit

a) Risikofaktoren:

Alzheimer-Fibrillen in histologischer Färbung

Wie hoch war das Risiko jeweils? Insgesamt erlitten 13% der Patienten ein Delir. Patienten mit schlechten Ergebnissen im Demenztest hatten ein vierfach erhöhtes Risiko. Vor allem ältere Patienten waren nach der Operation verwirrt und das Risiko erhöhte sich mit jedem Lebensjahr relativ um etwa 10% (=> siehe Abbildungen 2-4 unten).

b) Lichttherapie: Hatte die Gruppe mit Lichttherapie weniger Patienten mit Delir als die Kontrollgruppe? Ja. Mit Lichttherapie konnten fast 97% der Patienten im Beobachtungszeitraum von 5 Tagen die Zeit auf der Intensivstation ohne Delir überstehen. In der Kontrollgruppe waren dies lediglich 85% (Chi² (1) = 5,562, p = 0,018). Wie sehr reduziert die Lichttherapie das Risiko für ein Delir? Die Lichttherapie senkt das absolute Risiko um etwa 12%. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 80%. Nicht alle Patienten mit Lichttherapie bleiben delirfrei, aber pro 8 Patienten, die Licht erhalten, rettet man 1 Patienten vor dem Delir („number needed to treat/prevent“ = 8).

Abbildung 1: Balkendiagramm zum Vergleich der Delirhäufigkeit zwischen Kontrollgruppe und Lichttherapiegruppe

Abbildung 2: Delirwahrscheinlichkeit über die Zeit im Vergleich zwischen Gruppe mit normalem versus pathologischen Demenztest (DemTect).

Abbildung 3: Delirwahrscheinlichkeit über die Zeit im Vergleich zwischen älteren Patienten ab 65 Jahren und jüngeren Patienten

Abbildung 4: Whisker-Box-Plot zur Darstellung des Unterschiedes in der Komorbidität von Patienten mit/ohne Delir. Die Komorbidität wurde standardisiert anhand des international gebräuchlichen Charlson-Deyo-Index ermittelt.

Vor allem ältere, kognitiv eingeschränkte und kränkere Patienten sind gefährdet, nach einer Herzoperation ein Delir zu erleiden. Eine postoperative Lichttherapie ist eine ungefährliche wirksame Maßnahme, um dieses Risiko zu verringern.