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Zeitschrift fiir die gesamte experimentelle Medizin 141,230--234 (1966) Der EinfluB der Kohlendioxydspannung des Blutes auf die arterio-veniise Sauerstoffdifferenz bei tiefer Blutstromunterkiihlung ALEKSANDAR ALEKSIdund TAKASHI TANAKA ChirurgischeUniversitatsklinik in Belgrad Eingegangenam 17. Februar 1966 Im Laufe unserer Tierexperimente fiber die tiefe Hypo~hermie, aus- geffihrt durch Blu~s~romunterkfihltmg mRtels kfinstlichen Kreislaufes, bemerkten wir am Ende der Erws eine ausgepri~gte meta- bolische Acidose, die in den meisten F~tllen, tro~z aller MaBnahmen, den Tod der Tiere hervorrief. Eine mangelhafte Sauerstoffversorgung der Gewebe wi~hrend der Kfihlung wurde daher vermutet und deswegen ver- sucht, einen ansffihrlichen Einbliek in die physikalischen Umstgnde, die das Sauerstoffangebot an der Capillargrenze bedingen, zu gewinnen. In einer vorangehenden Arbeit [1] haben wir auf die stSrenden Folgen der groBen Temperaturdifferenzen zwischen den verschiedenen Ge- weben einerseits und dem durchstrSmenden Blur andererseits ffir dasopti- male Angebo~ yon Sauerstoffim Laufe der Blutstromunterkfihlunghinge- wiesen. Durch die groBen Temperaturdifferenzen innerhalb des KSrpers werden sehr ungfinstige Bedingungen ffir die Sauerstoffabgabe geschaffen. Da n~mlich die Dissoziation yon Oxyh~moglobin w~hrend der Bint- stromkfihlung unter bedeutend niedrigerer Temperatur des Blutes als im Gewebe stattfindet, ist zu vermuten, dab -- der Oxyh~tmoglobin- dissoziationskurve entsprechend -- die Menge des unter niedriger Tem- peratur freigesetzten Sauerstoffes nich~ den Sauerstoffanspruch der rela- tiv w&rmeren mid deswegen hSher metabolisierenden Gewebe befriedigen kann. Weiterhin wurde festgestellt, dab die arterio-venSse Sauerstoff- differenz keine sichere Auskunft fiber den Sauerstoffbedarf der Gewebe in tiefer Hypothermie gibt. Es wurde gefunden, dab der Wert der arterio- venSsen Sauerstoffdifferenz bei verschiedenen Hunden, aber bei beinahe derselben K6rper~emperatur und fast gleichem Perfusionsvolumen einen bemerkenswerten Parallelismus mit der Kohlendioxydspannung zeigt. Urn diese Beobaehtung zu prfifen, wurde in den folgenden Experi- menten versueh~, die Abhiingigkei~ der GrSBe der arterio-venSsen Sauerstoffdifferenz yon der aktuellen Kohlendioxydspannung des Blutes am selben Tier, bei derselben K6rpertemperatur und bei konstantem Perfusionsvolumen nachzuweisen.

Der Einfluß der Kohlendioxydspannung des Blutes auf die arterio-venöse Sauerstoffdifferenz bei tiefer Blutstromunterkühlung

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Page 1: Der Einfluß der Kohlendioxydspannung des Blutes auf die arterio-venöse Sauerstoffdifferenz bei tiefer Blutstromunterkühlung

Zeitschrift fiir die gesamte experimentelle Medizin 141,230--234 (1966)

Der EinfluB der Kohlendioxydspannung des Blutes auf die arterio-veniise Sauerstoffdifferenz

bei tiefer Blutstromunterkiihlung

ALEKSANDAR ALEKSId und TAKASHI TANAKA

Chirurgische Universitatsklinik in Belgrad

Eingegangen am 17. Februar 1966

Im Laufe unserer Tierexperimente fiber die tiefe Hypo~hermie, aus- geffihrt durch Blu~s~romunterkfihltmg mRtels kfinstlichen Kreislaufes, bemerkten wir am Ende der Erws eine ausgepri~gte meta- bolische Acidose, die in den meisten F~tllen, tro~z aller MaBnahmen, den Tod der Tiere hervorrief. Eine mangelhafte Sauerstoffversorgung der Gewebe wi~hrend der Kfihlung wurde daher vermutet und deswegen ver- sucht, einen ansffihrlichen Einbliek in die physikalischen Umstgnde, die das Sauerstoffangebot an der Capillargrenze bedingen, zu gewinnen.

In einer vorangehenden Arbeit [1] haben wir auf die stSrenden Folgen der groBen Temperaturdifferenzen zwischen den verschiedenen Ge- weben einerseits und dem durchstrSmenden Blur andererseits ffir dasopti- male Angebo~ yon Sauerstoffim Laufe der Blutstromunterkfihlung hinge- wiesen. Durch die groBen Temperaturdifferenzen innerhalb des KSrpers werden sehr ungfinstige Bedingungen ffir die Sauerstoffabgabe geschaffen. Da n~mlich die Dissoziation yon Oxyh~moglobin w~hrend der Bint- stromkfihlung unter bedeutend niedrigerer Temperatur des Blutes als im Gewebe stattfindet, ist zu vermuten, dab - - der Oxyh~tmoglobin- dissoziationskurve entsprechend - - die Menge des unter niedriger Tem- peratur freigesetzten Sauerstoffes nich~ den Sauerstoffanspruch der rela- tiv w&rmeren mid deswegen hSher metabolisierenden Gewebe befriedigen kann. Weiterhin wurde festgestellt, dab die arterio-venSse Sauerstoff- differenz keine sichere Auskunft fiber den Sauerstoffbedarf der Gewebe in tiefer Hypothermie gibt. Es wurde gefunden, dab der Wert der arterio- venSsen Sauerstoffdifferenz bei verschiedenen Hunden, aber bei beinahe derselben K6rper~emperatur und fast gleichem Perfusionsvolumen einen bemerkenswerten Parallelismus mit der Kohlendioxydspannung zeigt.

Urn diese Beobaehtung zu prfifen, wurde in den folgenden Experi- menten versueh~, die Abhiingigkei~ der GrSBe der arterio-venSsen Sauerstoffdifferenz yon der aktuellen Kohlendioxydspannung des Blutes am selben Tier, bei derselben K6rpertemperatur und bei konstantem Perfusionsvolumen nachzuweisen.

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Kohlendioxydspannung des Blutes bei ticfer Blutstromunterkiihlung 231

Material und Methode

Tiefo Hypothermie wurde in drei Hunden durch Blutstromunterkiihlung er. reicht. Die angewandte experimentelle Preparation des kiinstlichen Kreislaufes ist als Drewsche Methode [5] dor autogenen Oxygenation bekannt.

Die Tiore wurden mit ]Nembutal | anaosthesiert, dann intubiert und woiter mit einem EngstrSm Respirator ventiliert. Die Sauerstoff- und die Kohlendioxydkon- zentration des arteriellen und venSsen Blutes in Vol. % wurde nach v~-~ SLYKE U. Nv.IL [9] gemessen, die Kohlendioxydspannung des Blutes aus der Henderson- Hasselbalchschen Gleichung [8] berechnet. Das pH wurde auf einem Beckman Modell G Glass Elektroden pH-Meter bei vorliegender KSrpertemperatur des Hun- des gomessen.

Bis zur Erreichung der gewiinschten niedrigen K6rpertemperatur warden die Tiere mit reinem Sauerstoff leicht hyperventiliort, um das Absinken des pCO 2 wirksam zu beschleunigen. Am erwiinschten Punkte der K6rpertemperatur (intra- peritoneal gemessen) ffihrte man dann die Bostimmung des pH, des pCO~. und der aktuellen artoriovenSsen Sauerstoffdifferenz durch. Gleich danach, unter genau denselben experimentellen Umstiinden (KSrpertomperatur, Porfusionsvolumen usw.) wurden die Tiore w~hrend 15 rain mit einem Gemisch yon Kohlendioxyd und Sauerstoff leicht hyperventiliert. Im ersten Experiment warden nur 5% Kohlen- dioxyd in Sauorstoff dem Tiere zugeffihrt, im zweiton und dritten Experiment war- den, ebenfalls 15 rain, 40~ Kohlendioxyd in Sauerstoff gegeben. AnsohlieBend be- stimmte man zum zweitenmal die arteriovenSse Sauerstoffdifferenz, das pH und den PC02"

Ergebnisse

Die Ergebnisse dieser E x p e r h n e n t e s ind in der Tabel le zusammen- fassend aufgeffihrt . I m ers ten Tier bei e iner K e r n t e m p e r a t u r yon 17~ u n d be i e inem Per fus ionsvolumen yon 43 cma/kg/min l a n d sieh nach Ven- t i l a t ion m i t Sauers tof f ein PC02 yon 23,7 m m H g un4 eine ar ter io-venSse

Tabelle. Der Einflufl des Kohlendioxyddruckes au/ die arterio-ven6se Sauersto 0. di#erenz in tie]er Hypothermie

Hun4 KSrper- Verwendetes pH PCO~ A COs a,v Perfusionsrate temperatur Gasgemisch mm t{g Vol.- % (cm~/kg/min)

A 170 100% 03 7,62 23,7 10,45 43 5~ C02-~02 7,54 26,2 10,65 43

B 11 ~ 100~ 03 7,83 7 3,66 50 40% C02-~0 ~ 6,93 92 5,72 50

C 11 ~ 100~ 03 7,72 8 3,46 36 40~ C02-~02 6,82 121 8,96 36

Sauers~offdifferenz yon 10,45 Vol. ~ Naeh 15minii t iger Hype rven t i l i e - rung mi t 5 % K o h l e n d i o x y d in Sauerstoff , u n t e r sonst genau dense lben exper imente l l en Umsti~nden, st ieg der K o h l e n d i o x y d d r u c k au f 26,2 m m H g u n d para l l e l d a m i t aueh die ar ter io-ven6se Sauerstoffdifferenz au f 10,65 Vol. % an.

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232 A. ALEKSI~ und T. T~-~g~ :

In den zwei anschlieI3enden Experimen~en wurde die erste Bestim- mung des PC02 und der arterio-venSsen Sauerstoffdifferenz bei einer Kerntemperatur von l l~ durehgeffihrt. Es zeigten sich sehr niedrige Werte des PCO~ mit 8 bzw. 7 mm Hg und der arterio-venSsen Sauerstoff- differenz mit 3,46 bzw. 3,66 Vol. %. Um eine starke Differenz der PC02" Werte zu erreichen, verwendete man 40% Kohlendioxyd in Sauerstoff, das wghrend 15 rain, under sons~ unverinderten experimentellen Be- dingungen, den Tieren zugefiihr~ wurde. Danach erg~ben sich bei einem PC02 yon 92 bzw. 121 mm t{g Werte ffir dis arterio-venSse Sauers~off- differenz von 5,72 bzw. 8,96 Vol. %, nahezu eiae Verdoppelung der Sauerstoffaufnahme.

Diskussion

Der Einflul~ der Kohlendioxydspannung des Blutes auf die Sauer- stoffbindung ist als BoH~-Effekt bekannt [2, 3, 4]. Auf die prak~isehe Anwendung dieses physiologischen Saehverhaltes kam man erst spiter, als es sieh zeigte, dal] eine Hyperventflation mit Sauerstoff einen bedeu~- samen Ans~ieg des Milehs~uregehaltes im Itirngewebe verursaeh~ [6]. Sowohl in Normothermie als aueh in ttypothermie erfal]te man dis Wichtigkeit der Rolle, die die Kohlendioxydspannung des Blutes auf ein optimales Sauers~offangebot ausfibt [7, 10], und ein 3%- odor 5%iger Kohlendioxydzusa~z zum Sauerstoff wird heu~e routinem~ig im kfins~- lichen I{reislauf verwende~.

Im Laufe unserer vorl~ufigen Experimente [1] zeigte sigh jedoeh, dab aueh das s~rikte Aufreeh~erhalten einer normalen Kohlendioxydspannung des Blutes yon 40 bis 50 mm I{g w~hrend Blutstromkfihlung sieh als ungenfigend erweist, um das Auftreten einer mi~igen, aber doeh drohen- den metabo]ischen Aeidose zu verhindern. Die Erseheinung einer meta- bolisehen Acidose bei vollkommener Sauerstoffss und normaler Kohlendioxydspannung des Blutes wies bei diesen unterkfihlten Tieren auf das Bestehen sines Sauerstoffmangels hin. Es konnte vermu~e~ wer- den, dab die verminderte F~higkeit des Oxyhimoglobins zur Abdisso- ziation im Sauers~off, welehe sieh in der bekannten Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve ausdrfickt, hieran beteiligt ist. Die Sauer- stoffversorgung mull hierdureh besonders gef~hrdet werden, wenn bei schneller Abkfihlung die Temperatur der Gewebe fiber der des Blutes liegt und der Sauerstoffbedarf darum noch weniger gesenkt ist als bei Tamperaturausgleieh.

Die jetzt vorliegenden Versuche wurden durehgeffihr~, um die MSglieh- keit zu prfifen, durch ErhShung der Kohlendioxydspannung des Blutes auf i~bernormale Wer~e w~hrend der Bluts~romkiihlung die ~emperatur. bedingSe Hemmung der Oxyhimoglobindissozia~ion zu iiber~nden und dadureh eine Verbesserung der Sauerstoffabgabe zu erzielen. Die Ergeb-

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Kohlendioxydspannung des Blutes bei tiefer Blutstromunterkiihlung 233

nisse dieser Versuche weisen klar darauf hin, dag auch in vivo und gerade unter den Bcdingungen der tiefen pervascul/~ren Hypothermie, die Koh- lendioxydspannung des Blutes einen m/~chtigen Einflug aufdie Sauerstoff- utilisation ausfibt. Einc zus/~tzliche, physiologische Extraktion von Sauer- stoff kann unter diesen Bedingungen dutch Steigerung tier Kohlendioxyd- spannung leieht erzielt werden. Daraus ergibt sich die Frage nach tier optimalen Kohlendioxydspannung des Blutes wahrend Blutstrom- unterkfihlung. In weiteren Versuchen mug gekl/~rt werden, welche Kohlendioxydspannung des Blutes - - nachteillos - - tin ausreichendes, dem Bedarf der Gewebe entsprechendes Sauerstoffangebot w/~hrend Blutstromunterkfihlung zul~gt.

Zusammenfassung

Bei tiefer Blutstromunterkiihlung kann die arterio-venSse Sauerstoff- differenz unter im fibrigen genau denselben experimentellcn Bedingungen dutch Steigerung der Kohlendioxydspannung des Blutes wesentlich ver- gr6$ert werden.

Diese Beobaehtung ist ein Beweis dafiir, dal~ die arterio-ven6se Sauer- stoffdifferenz nicht den wahrhaften Sauerstoffbedarf tier Gewebe in tiefer pervascul~rer Hypothermie wiedergibt.

Dutch die vorliegenden Ergebnisse wird auf die MSglichkeit hinge- wiesen, die Kohlendioxydspannung des Blutes als einen physiologischen ,,Antreiber" der Sauerstoffaufgabe im Laufe einer tiefen Blutstrom- unterkfihlung zu benutzen.

Summary

In deep blood stream hypothermia the arterio-venous oxygen difference can be considerably enlarged if, under otherwise identical experimental conditions, the carbon dioxyde tension of the blood is increased.

This observation proves, that the arterio-venous oxygen difference is not reflecting the actual oxygen need of the tissues in deep pervascular hypothermia.

The results indicate that supranormal arterial carbon dioxyde tension might be used as a physiological means to increase oxygen release from the blood in deep blood stream hypothermia.

Literatur [1] ALEKSI6, A., and T. TANAKA: Acidosis in deep blood stream hypothermia and

its possible causes. Arm. Chit. 1, 587 (1962). [2] BAlCCI~OFT, J. : The respiratory function of the blood. Part II, p. 79, Hemoglo-

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Z. ges. exp. ~r Bd. 141 16

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234 A. ALE~SI6 und T. TANAKA: Kohlendioxydspannung des Blutes

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Dr. mcd. ALEKSANDAR ALEKSI6 Beograd, Dalmatinska 8 Jugoslawien