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Der Hexenhammer Entstehung und Umfeld des Malleus maleficarum von 1487 Herausgegeben von PETER SEGL SONDERDRUCK im Buchhandel nichr erhältlich

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Der Hexenhammer Entstehung und Umfeld des

Malleus maleficarum von 1487

Herausgegeben

von

PETER SEGL

SONDERDRUCK im Buchhandel nichr erhältlich

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H U M A N I S M U S U N D H E X E N G L A U B E BEI J O H A N N E S T R I T H E M I U S (1462-15 16)

Von Klaus A r n o l d

Im Nachhinein ist oft schwer erklärbar, warum nicht allein die über- zeugten Anhänger und gläubigen Adepten, sondern auch eher kritische intellektuelle Zeitgenossen einer herrschenden Lehrmeinung entweder stillschweigend beitreten oder doch keinen entschiedenen Widerspruch gegen sie vorbringen. Natürlich kommt einer solchen Lehre sehr zugute, wenn sie nahezu alles an menschlichem Fehlverhalten - und insbesonde- re an weiblichem Fehlverhalten - zu erklären und diese Erklärung aus einem bestimmten Ereignis der Vergangenheit mit einer deutlichen se- xuellen Komponente herzuleiten vermag; wobei der Sexus mehr und mehr zum eigentlichen Angelpunkt wird. Niemand stößt sich offenbar an verräterischen Details: an dem erniedrigenden Ausgeliefertsein - das horizontal Ausgestreckte der Probandin (oder des Probanden) ist hierfür äußeres Zeichen - am allmählichen und offenbar zwangsläufigen Einver- ständnis des Opfers sowie an einem von Anfang an unverhohlenen finan- ziellen Interesse des „Inquisitorsc' an dem ganzen Verfahren.

Jedem Leser der vorstehenden Passage ist selbstverständlich klar, daß hier nicht die Rede ist - sehr wohl jedoch sein könnte - vom histori- schen Hexenglauben, vielmehr lediglich ein vergleichbares Phänomen unserer Gegenwart am Paradigma der Psychoanalyse geschildert wird1. Das Beispiel sollte nicht zuletzt den Historiker warnen, vorschnelle Ur- teile über die nähere oder fernere Vergangenheit zu fällen.

Auch die Ambivalenz des für diesen Beitrag gewählten Titels ist dem Autor wohlbewußt: Allzu offenkundig erscheint die Antinomie von „Humanismus" und ,,Hexenglaubez' in der Person des Abtes Johannes Trithemius, einem Zeitgenossen und frühen Rezipienten des „Hexen- hammers".

Historiker unseres Jahrhunderts waren in ihrem Urteil über den „Zau-

' Diese Einschätzung ist nicht unbeeinflußt von Dieter E. Z i m m e r , Tiefen- schwindel. Die endlose und beendbare Psychoanalyse (1986).

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berer" Trithemius und seinen „Hexenwahn" denn auch wenig zurück- haltend: Joseph Hansen (1901): „Die Benutzung des ,Malleus maiefica- rum' tritt in diesen vom blödesten Hexenglauben erfüllten Schriften überall hervor. . ("; Paul Joachimsen (1903): „I508 hatte er (Maximilian) Trithemius acht theologische Fragen vorgelegt . . . die Antworten des Schot:enabtes sind meist erheblich thörichter als die kaiserlichen Fragen, und Maximilian wird nicht viel daraus gelernt haben. . .'" Willy Andreas (1932 bzw. 1959): ,,Unter den Hexengläubigen gebärdete sich Abt Trithe mius mit am verbohrtesten. Den Kaiser glaubte er zur Ausrottung dieser abscheulichen Menschengattung mit Stumpf und Stiel anspornen zu müssen . . . Die ganze Schrift albern und erschreckend zugleich . . Kurt Baschwitz schließlich (1963) sieht in dem Abt Trithemius den „an- gesehensten Zauberer seiner Zeit, . . . der mit Höllengeistern umging", einen ,,überspannten Verfasser . . . durch die undurch- sichtige Verwirrung, die in seinem Kopfe herrschte . . ."'.

Man wird einer so komplexen Erscheinung wie der des deutschen Friihhumanisten Johannes Trithemius - ebenso wie seinem Hexenglau- ben - schwerlich in dem hier zur Verfügung stehenden Rahmen gerecht werden können. Ich habe meine folgenden Ausführungen daher in zwei Hauptteile untergliedert: der erste hat das Ziel, Leben und Werk dieses vielseitigen Mannes kurz vorzustellen; im Anschluß daran sollen jene drei Werke näher betrachtet werden, die sich mit dem Hexenwesen be- schäftigen: ,,Octo Quaestiones", „Antipalus maleficiorum" und „De dae- monibus"; sowie eine Einordnung ihres Autors in die Anschauungen über Magie und Zauberwesen um 1500 versucht werden. Den Schluß bil- den einige Überlegungen in Thesenform.

Wer also war Trithemius?

Johannes Trithemius wurde am 1. Februar 1462 geboren. Er entstammte einer Winzerfamilie (namens Heidenberg oder Heidenherger) aus Trit- tenheim an der Mosel und benannte sich - lateinisch - stets nach seinem

' Joseph H a n s e n , Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter (1901; Ndr. 1963) S. 291, Anm. 4. ' Paul J o a c h i m s e n , Peutingeriana, in: Festgabe für Kar1 Theodor von Heigel

(1903) C. 271. Willy A n d r e a s , Deutschland vor der Reformation. Eine Zeitenwende (1932;

'1959) S. 199. Kurt Baschwi tz , Hexen und Hexenprozesse. Die Geschichte eines Massen-

wahns und seiner Bekämpfung (1963) S. 13, 123f.

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Humanismus und Hexengiaube bei Johannes Trirhernius (1462-1116) 219

Geburtsort: ,,TritemiusY Nach dem fnihen Tod des Vaters verheiratete sich die Mutter erneut, der Stiefbruder Jakob Zell (oder Zeller) wurde gleichfalls Geistlicher. Nach Studien in Trier und an der Universität Hei- delberg wurde Trithemius Mönch, trat Ende Februar 1482 - zwanzigjäh- rig - in das Benediktinerkloster Sponheim bei Bad Kreuznach ein und wurde bereits 18 Monate später zum Abt gewählt. Mit ganzer Kraft wid- mete sich der junge Prälat in der Folge der monastischen, wirtschaftli- chen und geistigen Reform seines Klosters. Die Bibliothek wurde bald zu einem Zentrum des deutschen Frühhumanismus.

Mit vielen Gelehrten stand der Abt in einem lebhaften Briefwechsel (erhalten sind etwa 230 Briefe), angeregt insbesondere durch das Erschei- nen seiner literaturgeschichtlichen Sammelwerke „De scriptoribus eccle- siasticis" (1494) und „Catalogus illustrium virorum Germaniae" (1495). Neben seinen monastischen und historischen Arbeiten reichen sie allein hin, ihm bleibenden Ruhm zu sichern: als krönender Abschluß einer Reihe mittelalterlicher Autorenkataloge erschienen sie zu einem Zeit- punkt, als die Masse gedruckter Werke dieses Verzeichnis von etwa 1000 Schriftstellern als die erste gedruckte Bibliographie dringend notwendig machte.

Des Buchdrucks bediente sich Trithemius auch beim Erscheinen eines scheinbar anachronistischen Werkes „De laude scriptorum manualium" (1492; gedruckt: Mainz 1494), das insbesondere die Mönche zum Ab- schreiben von Codices sowie zum Studium der Heiligen Schrift und der Kirchenväter, aber auch der klassischen Autoren ermahnte. Als Abt hat er nicht allein Handschriften und Drucke für seine Sponheimer Kloster- bibliothek zusammengetragen (insgesamt etwa 2000 Titel), er hat auch selbst kopiert: etwa zwanzig autographe Handschriften sind, wie die ge- samte Sponheimer Bibliothek über die ganze Welt verstreut, bis heute nachweisbar.

Neben der Beherrschung des Lateinischen eignete sich Trithemius mit Hilfe seiner Lehrer Johannes Reuchlin und Konrad Celtis Kenntnisse auch der griechischen und hebräischen Sprache an. Als Geschichtsschrei- ber verfaßte er neben vielen Gelegenheitsschriften die Chroniken seiner Klöster Sponheim ,,Chronicon Sponheimense" (1495-1508) und später von St. Jakob in Würzburg(1509) sowie die inhaltsreichen „Annales Hir- saugienses" (1509-14).

Wahrend er in diesen sein Ideal einer monastischen Blütezeit zur Zeit Karls des Großen noch mit einem wohlmeinenden Produkt seiner Phan- tasie in Gestalt eines fiktiven Fuldaer Chronisten „Meginfried" zu stüt-

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Zen suchte, schreckte er späterhin in Auftragsarbeiten für Kaiser Maximi- lian I. auch vor handfesten Fälschungen (,,Wasthald", „Hunibald") nicht mehr zurück.

Zu Unrecht jedoch haben schon Zeitgenossen und die Nachwelt Tri- themius selbst magischer Praktiken bezichtigt: Seine Schriften „Polygra- phia" und „Steganographia" sind wohlverschlüsselte Geheimschrifttrak- tate und wohl überhaupt seine originellsten Werke mit langer Wirkung auf die kryptographische Literatur.

Die häufige Abwesenheit in Angelegenheiten der Ordensreform, seine Bücherleidenschaft und großzügige Gastfreundschaft, die spürbar an der wirtschaftlichen Substanz des Klosters zehrten, sowie der Vorwurf ok- kulter Neigungen trugen schließlich dazu bei, daß Trithemius seine Ab- tei Sponheim 1506 mit dem relativ unbedeutenden Kloster St. Jakob in Würzburg vertauschen mußte; dort ist er am 13.12.1516 gestorben6.

Johannes Trithemius war ein hervorragender Vertreter des die mittelal- terlich-monastische Tradition mit fnihhumanistischer Begeisterung ver- bindenden deutschen „K1osterhumanismus'": Vornehmste Aufgabe und letztes Ziel waren ihm das Wirken für sein Kloster und die Tätigkeit für die von Bursfelde ausgegangene Reformkongregation der Benediktiner, der Sponheim seit 1470 und das Würzburger Schottenkloster seit 1514 zugehörten. Für die Belange dieser monastischen Erneuerungsbewegung setzte Trithemius seine ganze Kraft ein: Immer wieder findet sich sein Name unter den Teilnehmern der in ganz Deutschland alljährlich statt- findenden Generalkapitel der Bursfelder Kongregation, mehrfach war er Sekretär oder Mitpräsident dieser Zusammenkünfte. Ein Dutzend An- sprachen hat er bei dieser Gelegenheit an die versammelten deutschen

Die hier gegebene biographische Skizze fußt auf des Verf .s: JohannesTrithemius (1462-1516) (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts W ü r z b u ~ , 22, 1971); er~änzende Studien und Editionen sind erfaRt in ders . , Addi- - ii:? .nn'l'rirhc.n>!ana. Na:htfigc,.u Itl>ci, un2 \Crk Acr Johaiiricr Triihcni:us. iriihc soriJrrr ,.ur i:hiiii Dc denionibus. U'ürzhurrcr Di~7r>nnir,;h1;hr,l~I~:rcr 1 7 0 8 " (1975) S. 239-267. ' Zum Begriff: Franz M a c h i l e k , Klosterhumanismus in Nürnberg um 1500, Mit-

teilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnherg 64 (1977) S. 10-45, I1 ff. A r n o l d , TrithemiusS. 217ff., 225ff. -Allgemein vgl. Erich M e u t h e n , Charakter und Tendenzen des deutschen Humanismus, in: Säkulare Aspekte der Reformarions- zeit, hg. von H. Angermeie run te r Mitarbeit von R. Sey bolt(Schriften des Histo- rischen Kollegs. Kolloquien 5, 1983) S. 217-266. Andreas Kraus, Gestalten und Bil- dungskräfte des fränkischen Humanismus, in: Handbuch der bayerischen Geschichte 3, 1 (1971) S. 566-602.

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Benediktineräbte gehalten, die sich mit dem mönchischen Leben, dessen Niedergang und der Erneuerung durch die Bursfelder Reform beschäfti- gen und oft noch im gleichen Jahr im Druck verbreitet wurden. Diese Kapitelsreden zeigen den Abt als begabten Redner, daneben als einen Schriftsteller von staunenswerter Belesenheit und vollendeter Latinität, erfüllt von einer das ganze Wesen umfassenden Frömmigkeit. Neben und unbeschadet einer ausgedehnten Reisetätigkeit als Visitator anderer Konvente entstand eine große Zahl von Predigten, Regelkommentaren, monastischen Ermahnungen, Briefen, liturgischen Anleitungen, Heili- genbiographien und exegetischen Schriften8.

Wiederholt hat die Geschichtsforschung die Frage gestellt - die auch in den Kontext der beiden anderen dunklen Seiten seines Charakters, der magischen Neigungen und des Hexenglaubens seiner späteren Jahre, ge- hören - : Wie wird aus dem kirchentreuen Benediktinerabt und ver- dienstvollen Literaturhistoriker der Geschichtsfälscher Trithemius? Wie kann ein theologischer und monastischer Autor, dessen Werk im Druck wohl zehn Bände im Folioformat umfassen, seine Zuflucht zu derart be- denklichen Konstruktionen nehmen und einer bereits zweifelnden Um- welt gegenüber hartnäckig daran festhalten? Die Erklärung kann allein in jenem zweiten entscheidenden Einschnitt seines Lebens gesucht wer- den:

War der Eintritt ins Mönchtum die erste entscheidende Wende seines Lebens, so traf den allenthalben geschätzten und berühmten Abt von Sponheim - der doch in seinen Schriften stets das Ideal des klösterlichen Lebens und der benediktinischen Reform gepriesen hatte - die Vertrei- bung aus seinem Kloster durch ein Bündnis der eigenen unbotmäßigen Mönche mit dem Landesherrn unvermutet auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Die Folge war unausweichlich ein Bruch in der Persönlichkeit des nunmehr 43-jährigen. Nach einem mehrmonatigen Wanderleben, darunter längere Zeit am kurfürstlichen Brandenburger Hof in Berlin, zog Trithemius sich im Oktober 1506 in die Abtei St. Jakob, das ehemali- ge Schottenkloster, in Würzburg zurück; sie wurde zum Refugium für die letzten zehn Jahre seines Lebens. Unablässig beklagt er in den Briefen

Roland Behrendt OSB, Abhot John Trithemius (1462-1516) - Monk 2nd Hu- manist, RevueBenedictine 84(1974) S. 212-229. Noel L. Brann, The Abbot Trithe- mius (1462-1516). The Renaissance of Monastic Humanism (Studies in the History of Christian Thought 24, 1981). Klaus Ganzer , Zur monastischen Theologie des Johannes Trithemius, Historisches Jahrbuch 101 (1981) S. 384-421.

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dieser Tage ein Schicksal, das ihn gezwungen hatte, das geliebte Kloster Sponheim und seine berühmte Bibliothek aufzugeben.

An seiner Berühmtheit jedoch änderte sich nichts, sein Ruhm als Schriftsteller dauerte fort, seine Freunde und Gönner hielten fest an ihm. In besonderem Maße gilt dies für Kaiser Maximilian, in dessen Humani- stenkreis Trithemius Aufnahme fand. Maximilian war zwar in erster Linie an der Vergangenheit des Hauses Habsburg interessiert, erhoffte sich je- doch von dem vielwissenden Abt Antwort auf viele Fragen, die seiner Wundergläubigkeit und seiner Neigung zu allerlei Kuriosem entsprangen9.

Bereits im Jahr 1502 hatte Kaiser Maximilian den mit Trithemius be- freundeten poeta la~treatus Konrad Celtis um eine Aufstellung aller rnagi- schen Künste, die der Abt beherrschte, ersucht. Leider ist dieser ,,Catalogus artium magicarum Johannis Trithemii iussu Maximiliani I. per Conradum Celtem exploratarum A. 1502" ver~chollen'~. Und auch die handschriftli- che Überlieferungeines Briefes des Sponheimer Abtes an Maximilian vom 2. Oktober des gleichen Jahres 1502 zählt zu den Kriegsverlusten".

1505, auf dem Kölner Reichstag, ist Trithemius mit dem Kaiser zum ersten Mal persönlich zusammengetroffen. Als Ergebnis einer längeren Untersuchung über theologische Fragen durfte sich der Abt als kaiserli- cher Hofkaplan bezeichnen. Drei Jahre später, als er mehrere Monate

Jan-Dirk M ü l l e r , Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um MaximilianI. (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 2, 1982); de rs . , (Arti- kel) Kaiser MaximilianI., in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexi- kon. 2. Aufl., hg. von K. R u h u.a., Bd. 6 (1987) Sp. 204-236. Hermann Wies- f lecker , Kaiser Maximilian I. Bd. 5: Der Kaiser und seine Umwelt. Hof, Staat, Wirt- schaft, Gesellschaft und Kultur (1986) bes. S. 335, 362ff.

10 Universitätsbibliothek Breslau (Wroclaw), Ms. R 375, 6; laut Auskunft der Bi- bliothek (1975) verschollen. - Den Hinweis auf diese Überlieferung verdanke ich meinem Kollegen Dieter Wuttke/Bamberg, der die bisher unbekannre Sammlung im Zusammenhang der von ihm initiierten und betreuten Gesamtausgabe der Werke des Konrad Celtis durch eine Bibliotheksumfrage entdeckt hat. " Der Cod. Misc. 1366 des Staatsarchivs Würzburg ist in den letzten Kriegstagen

des Jahres 1945 im Ausiagemngsort Schlo5 Wässerndorf verbrannt; er enthielt einer Inhaltsangabe im „Repertorium Benediktiner 120-123" zufolge: ,,Mehrere aus ei- nem zur Bursfelder Kongregation gehörigen Benediktinerklosters stammende Papie- re. . .,dazu ein Brief (Kopie) des Trithemius an K. Maximilian 2. Oktober 1502, betr. die Historia Germaniae (Papiere des Trithemius?)". A r n o l d , Trithemius S. 167ff. RWE. R o t h , Studien zum Johann Trithemius-Jubeljahr (1516) 1916, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 37 (1916) C. 265-301, 278ff.

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im Gefolge Maximilians weilte, um ihm das Widm~ngsexem~lar seines Geheimschrifttraktats „Polygraphia" zu überreichen, hat ihm der Kaiser jene theologischen und dogmatischen Fragen vorgelegt, die er ursprüng- lich im Gespräch (1508), dann in schriftlicher Form und schließlich im Druck (1515) als die ,,Octo Quaestiones" beantwortet hat. Mit dreizehn Drucken des lateinischen Textes im 16. und 17. Jahrhundeir sowie drei weiteren in Auszügen und einer gedruckten deutschen Übertragung (so- wie einem deutschen Druck in Auszügen) des 16. Jahrhunderts ist das Werk - neben zwei vollständigen autographen Handschriften und drei weiteren mit Auszügen - von beachtlicher WirkungI2.

Nicht aus dem Glauben, sondern mittels natürlicher Logik sollte Tri- themius die acht Fragen beantworten, die ihm der Kaiser vorgelegt hatte: Warum der allmächtige Gott von den Menschen eher geglaubt und nicht, wie von den Engeln, erkannt werden wolle; ob auch ein Nichtchrist die ewige Seligkeit erlangen könne; auf welche Weise außerhalb des christli- chen Glaubens Wunder geschehen könnten; warum die Heilige Schrift häufig nicht klar, sondern in Rätseln zu uns spreche; weshalb gottlose Menschen - wie die Hexen - über die bösen Geister gebieten könnten, obgleich gläubige Christen weder über die guten noch die bösen Macht besäßen; woher die Hexen (mnleficae) eine so große Macht hatten, da3

12 Inc.: Pariri mandarü zuis Muximilane caesar invictürime . . ., Expl.: . . . Omnipo tens dem re sua prouidenria dingat er cuirodiat semper ad laudem nomrnir sui, ~ a x i k i - liane imoeraromm maxime. Ex civirare Neomerana decima die mensis Iulii. Anno chn. s&non<m Millesimo qzinanresimo Ocravo. l oanm Tntemius Abbas. Handschriften: . . \'.:P <)~ ' .~~rc~ .~~ .~s : ! l c X x : ! a n a ~ ~ ~ ~ k ~ ! ~ ~ ~ l ~ ~ c k , CO.{. : l7lb, !oI. 4'.-112'; LPp.;da, Lu,. ~.i.rii:i.i>i~.'hl:..riir. c i > J I\: f < I !2 i r - l in ' lc incz<~cnührr .lriii Vri:ck \on 1515 und

~ " " der varecnannten ~berlieferune. abweichender Text, wohl der Erstfassune. von 1308; Ihci ic C. >i:;~, .inJ i i i i ,~nph u n J a i i J,ccc,jahrdnrirrr~. Z u r A ~ ~ ~ C g < c n i h . ~ I t ~ n hin. xl;n P,, 1 % . ß::,'::,iliko.~~ .ic !'.kiscn,l. :<>J. 3?4/NVIII. !ol 172-191: Bclorna. Bi- " o blioteca Communale del Archiginnasio, cod. A 1038, fol. 380"-406' (saec. XVIL; Hinweis Ulrich ßubenheimer); München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 1202, fol. 137"' (nur die Fragen; Hinweis Dieter Mertens). Neben den bei A r n o l d , Trirhemi- us S. 239 genannten dreizehn vollständigen Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts sind Auszüo gedruckt in: Agrippavon Nettesheim, OperaOmnia, Bd. 1, Lyon 160C, . .. .. . . 5. t>43 T:.; Si::smi!r2 Y >i. Sc~-on.'Srirhcmius sui jpriusvindc*, Ingolsrdr 1616,i. '3 if. ., in S!;.,l~u\ I ~cau i c r . Fldoiliuni htcrericoruiii iasrln.irlorurii. Frankiurr 1581, " . , S. 452-494 (Quaestiones V, VI, VII). Eine deutsche Übersetzung ,,Antwort Herrn Johann Abts zu Spanheim auff acht fragstuck. . :'erschien Ingolstadr 1555,1556; die drei Fragen zum Hexenwesen auch in: Thearrum de Veneficiis. Von Teuffelsgespenst, Zauberern und Giftbereitern.. ., FrankfurdMain 1586, Nr. xv, S. 355ff. sowie zu- letzt bei Kurt Benesch , Magie der Renaissance (1985) S. 355-387.

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sie in einer Stunde mehr Wunderbares vollbrächten als ein guter Mensch in seinem ganzenLeben; aus welchem Grund der allmächtige Gott zulas- se, daß durch solchen Schadenszauber unschuldige Menschen zugrunde gingen; schließlich: ob Gott sich um die menschlichen Belange kümmere und wie es mit seiner Allwissenheit bestellt sei.

Es sind dies Probleme, wie sie Maximilian auch mit anderen Humani- sten und Theologen seines Umkreises erörtert hat. In den acht Fragen an Trithemius und in dessen Antworten stehen zwei Problemkreise im Mittelpunkt: Die göttliche Vorsehung und die Wirksamkeit der bösen Geister. Für unser Thema sind insbesondere die Fragen fünf, sechs und sieben von Bedeutung; sie behandeln jene Aspekte, die den Bereichen Magie und Aberglauben zuzurechnen sind. Wahrend der Kaiser wohl konkret nach der Meinung des Abtes zum Hexenglauben der Zeit gefragt hatte, antwortete dieser mit einer grundsätzlichen Darlegung seiner Dä- monologie. So er hierfür Heinrich Institoris' „Hexenhammer"'3 über- haupt herangezogen hat, hat er dies zumindest nicht erkennen lassen. Nach Ausweis des für das Würzburger Schottenkloster nach seinem Tod erstellten Nachlaßinventars war seine Bibliothek jedenfalls im Besitz ei- nes gedruckten Exemplars des Werkes14.

In seiner Antwort auf die dritte Frage des Kaisers, weshalb auch außer- halb der Kirche Wunderdinge geschehen könnten, verweist T~ithemius auf die Wirkung des Teufels und der Dämonen, welche die Zauberer (nec- romantict) und die Hexen (malejcae) zu ihrer Unterstützung anriefen. Beide begeben sich durch einen Pakt in die Abhängigkeit der Dämonen, die Anhänger der schwarzen Kunst zumindest implizit, wogegen die He- xen sich ihnen völlig unterwerfen, um ihren Schadenszauber zu vollbrin- gen; sie wirbeln die Luft durcheinander und entfesseln Gewitter, vernich- ten die Feldfrüchte und lassen die Menschen und Tiere krank werden15.

'"ie alleinige Autorschaft von Heinrich Institoris (Kramer) wird in den Beiträgen von Peter Segl und Rudolf Endres in diesem Band nachgewiesen; vgl. auch unten Anm. 47.

l4 „Malleus malleficarum": Rom, Bihlioteca Apostolica Vaticana, cod. Vat. lat. 11051, fol. 24' (Abschrift von Anton Ruland, Mitte 19. Jh., nach einem verlorenen Original des Ordinariatsarchivs W ü n b u ~ ~ abgedruckt von Ivo Fischer, Das Nach- - .. laßinvcrirai Jcr Ahrcj Joh,nnz> Triih.,miui von Si. J.xkoD ~n \Y'birl>urS, Archiv Jcs I Ii.,rur~,:hcii \'cr?in> von Cnieriranken uiid .\s:l!aiicnt,urr h7 11928 5. 41-79. S. 09.

"Johannes Trithemius, Octo Quaestiones, Oppenheim 1515 (benütztes Exem- plar: Hermg+ugust-Bibliothek Wolfenbüttel92 Quodl. 4") fol. C W"- Zum Inhalt bieten gute Ubersichten: Isidor Si ibernagl , Johannes Trithemius. Eine Monogm- ~h i e (~1885) bes. S. 140ff., 208ff. und Wilhelm Schneegans, Abt Johannes Trithe- mius und Kloster Sponheim (1882) S. 207ff, 237ff.

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Näheres wird in Frage fünf aufgeführt, die erklären soll, warum gottlo- se, schlechte, verwerfliche Menschen wie jene Frauen, die man gemein- hin als Hexen bezeichnet (v t sunt ille mulieres qtlas vulgo maleflcas nuncu- pamus) über die bösen Geister gebieten können. Sie verpflichten sich nämlich feierlich einem Dämon zu ewiger Gefolgschaft und können dann Mensch und Tier vielfachen Schaden tun: „Folglich dürfen sie auf keine Weise geschont werden, sondern sind allerorten gänzlich auszurot- ten gemäß dem Gebot des göttlichen Schöpfers: Übeltäter soll man nicht leben lassen (Vnde non sunt vspspiam tolerande, sedpotius i n loco omni fun- dittrs exteminande; omnium creatore deo sicprectpiente: Maleflcos non pa- tieris viuere - Exod. 22,18). Verglichen mit dem Hexenhammer sind dies deutliche, doch recht allgemein gehaltene Bemerkungen.

Über die Macht der Hexen wird in den Fragen sechs und sieben darauf verwiesen, daß auch sie nur mit göttlichem Konsens existiere. Vom Teu- felspakt und dem Schadenszauher ist in diesem Zusammenhang ausführ- lich die Rede, nicht aber vom Hexensabbath. Die den Hexen dienlichen Dämonen werden in sechs Kategorien - nach ihrem bevorzugten Aufent- haltsort -unterschieden: genus igneum, a e m m , terrestre, aquticum, sub- terraneum, luc$ugum. Insgesamt gibt also die Schrift ,,Octo Quaestiones" über den Hexenglauben ihres Autors nicht allzuviel Aufschluß; im Mit- telpunkt stehen eher theologische und ,,ciiimonologische" AspekteL6.

Für die zustimmende Aufnahme, die das Werk beim Kaiser gefunden hat, zeugen nicht zuletzt die Ausstattungdes Drucks von 1515 mit einem qualitätvollen Widmungsholzschnitt (von Hans Springinklee?), das den sein Werk Kaiser Maximilian präsentierenden Autor und den Verleger Johannes Haselberg zeigt, der ein zehnjähriges Druckprivileg unter dem Daturn des 11. November 1514 erlangt hatte. Und endlich wurde dem Werk noch ein empfehlendes Gedicht des Hofdichters Riccardo Shroglio beigegeben1'.

Paola Zambelli hat kürzlich darauf hingewiesen, daß eine der beiden autographen Überlieferungen der ,,Octo Quaestiones" deutlichere Hin-

l 6 Octo Quaestiones, fol. E IVR - H NY. " Kar1 S c h o t t e n l o h e r , Buchwidmungsbilder in Handschriften und FNh-

drucken, Zeitschrift für Bücherfreunde, Neue Folge 12 (1920), S. 157ff, 175 f. Joseph B e n z i n g , Johannes Harelberg, ein fahrender Verleger und Schriftsteller, Archiv für Geschichte des Buchwesens 7 (1967), S. 304ff. (Michael Furter als Dmcker der ,,Octo Quaestionesr*)

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weise auf die Quellen des Traktats gibt als die dann gedruckte Version1*.

Der Würzburger Schottenabt hat den heute in der Universitiitsbiblio- thek Uppsala befindlichen Codex mit seinen Schriften aus den Jahren 1507 und 1508 selbst zusammengestellt und in der ersten Jahreshälfte 1508 auch von eigener Hand abgeschrieben19. Durch diese erste Version der Schrift wird erkennbar, daß der Autor auch bei Abfassung dieses Werkes nicht nur auf der Heiligen Schrift und auf Augustinus fußt, son- dern als Hauptquelle der Quaestio VI: „De potestate maleficarum" einen Tak ta t „De daemonibus" heranzog und auch ihren Urheber benennt: stctlt Michael Pselltls dicit2'. Der Traktat ist byzantinischen Ursprungs, von Michael Psellos um die Mitte des 11. Jahrhunderts - oder auch nach anderer Meinung erst zu Ende des 13. Jahrhunderts - verfaßt und 1488 von dem Florentiner Humanisten Marsilio Ficino ins Lateinische über- setzt wordenz'; auch von diesem Text besaß die Würzburger Schottenbi-

bliothek ein Exemplarz2. Aus der Schrift des (Pseudo-)Psellos über die Dämonen wird die den

vier Elementen entsprechende Klassifikation der Geister stillschweigend übernommen; hinzugefügt werden zwei weitere Kategorien in Gestalt der ,,Unterirdischen" und der „Lichtscheuen': Die Abhängigkeit von neuplatonisch-hermetischem Gedankengut wird in der in Uppsala über- lieferten handschriftlichen Fassung deutlicher als späterhin im Druck:

Paola Zambelli, Scholastiker und Humanisten: Agrippa und Trirhrmius zur Hexerei. Die natürliche Magie und die Entstehung kritischen Denkens, Archiv für Kulturgeschichte 67 (1985) S. 41-79.

I9 Vgl. oben Anm. 13; zum weiteren Inhalt und zur Geschichte des Codex: Axel Nelson, Johannes Trithemius'skrift ,,Questiones in euangelium Johannis': Kyrko- historisk Arsskrifc 32 (1932) S. 297-333. Paul Le hmann, Merkwürdigkeiten des Ab- ies Johannes Trithemius, Sitzungsbeiichre der Bayerischen Akademie der Wissen- schaften, phi1.-hisr. Klasse, Jg. 1961, H. 2. Arnold , Trirhemius S. 191, 239; d e r ~ . , Johannes Trithemius und Bamherg: ,,Oratio ad clerum Bambergensem': Berichte des Historischen Vereins Bamberp. 107 (1971). S. 161-189. Roland Gauthier, C.S.C., - . . Un ouvrage inedit de Jean Trithkme sur saint Joseph, Cahiers de Jos6phologie 21, 1 (19731 S. 5-87. S. 5.

io uppsala, Ei, cod. C IV, fol. 145'. Zambelli(wieAnm. 19) S. 72f. PaulOskar Kristeller,Suppiementum Fici-

nianum(F1orenz 1937) Bd. 1, S. CXXXV. K. Svo boda, La d6monologie(Wiesbaden 1971) S. 11-42. P. Gaurier, Le De Daemonibus du Pseudo-Psellos, Revue des &tudes byzantines 38 (1980) S. 105-194 (tritt für eine spätmittelalterliche Entstehung ein).

22 Fischer, Nachlaßinventar(wie Anm. 16) C. 61. -Pscllos erscheint hier im Kon- text anderer neuplatonischer und von Ficino übersetzter Autoren wie Iamblichos, Proklus oder Prophyrios.

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Humanismus und Hexenglaube bei Johannes Trithemius (1462-1516) 227

Version I Druckfassung

Primum genus, sicut grecus Primum qu& gmus dernonum Michael Psellus tradit, appellatur igneum . . . igneum ntrncupatur . . .

Et Marsilius Ficintrs Apulei- Hinc motus vt reor Apuleus u m demonia quedam ignea esse demonia dixit animalia esse animalia dicentem introducit. . . ignita. . . 23

Andere Passagen haben in der endgültigen Fassung keine Entsprechung mehr gefunden: . . .hos Orphezs igneos sive celestes appellat proptw eo, ut opinor, quod eorum corpirs est ignis . . . Constat igitur nunc manifstequod maleficarumpotestas tota cooperationestat demonum. . . Sunt enim super- biapleni et supwioribus agitantur usqueadeo, sicut Prophirtlrsasserit. . . Est enim diabolus, ur inquit Plato, animal humectum, immortale, passibile, plenum nequicia, odio et invidia, bonis hominibus torquetur, malü laeu- tur. Libenter iuque demones utuntur voluntate maleficarum depravata in odium etpemiciem generis humani, er tota eis virtute quantlrm deuspermit- tit cooperaturi o c ~ u r m n t ~ ~ .

Die Macht der Hexen hangt also von der Mithilfe der Damonen ab; und diese bedienen sich ihrer zum Schaden des Menschengeschlechts. Die theoretische Grundlegung seines Damonen- und Hexenglaubens entnahm Trithemius für die ,,Octo Quaestiones" demnach nicht dem „Malleus maleficarum", sondern der Florentiner Tradition des Neupla- tonismus und Hermetismus; wobei er offenbar noch jene Passagen des Psellostextes und Ficinos unterdrückte, die sich konkreter mit den finste- ren Seiten des Hexenwesens beschäftigten. Trithemius hat sich ebensowe- nig mit der Praxis der Hexenverfolgung beschäftigt, wie sie den ganzen dritten Teil des „Hexenhammers" ausmachen, vielmehr in diesem Zu- sammenhang stets - wie wir noch sehen werden - auf die kirchlichen Mittel des Exorzismus verwiesen.

Mehrfach hat der Abt in seinen Schriften beteuert, ein aufrichtiger An- hänger des christlichen Glaubens und ein getreuer Sohn der römischen Kirche zu sein; keine Zeile von ihm solle veröffentlicht werden, die nicht nachweislich mit der katholischen Auffassung übereinstimme -so auch

23 U ppsala, UB, cod. C. iV, fol. 145''; Octo Quaestiones (wie Anm. 14), fol.

G:"". '' Uppsala, UB, cod. C IV, fol. 145', 147', 148'. Z a m b e l l i (wie Anm. 19) S. 74f.

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228 Klaus Arnold

am Ende der ,,Octo Quae~ t iones"~~ . Bekannt hat er sich hingegen zu der nach seiner Überzeugung erlaubten „natürlichen Magie" und befand sich dabei, wie er und seine Zeitgenossen wußten und betonten, in einer Tradition von Albertus Magnus bis zu Giovanni Pico della Mirandola, Marsilio Ficino, Jacques Lefkvre d'Etaples, Simphorien Champier und Heinricus Cornelius Agrippa von NettesheimZ6. Er scheute sich auch nicht, sich zur Lektüre jener Autoren zu bekennen, die diese ,,natürli- che" Magie tradierten: Ficino, Apuleius, Orpheus, Porphyrius - auch wenn er die Namen teilweise in der späteren Redaktion der „Octo Quae- stiones" wieder unterdrückte - und er benannte unter seinen Autoritä- ten keinen geringeren als Hermes Trismegistos selbst2'.

Trithemius hat sich selbst a!sphilomagus, als einen Freund der Magie bezeichnet. Diese Magie setzt er gleich mit Philosophie, mit Weisheit, mit dem Wissen um die göttlichen, die menschlichen und die natürli- chen Dinge. Von dieser erlaubten, natürlichen Magie ist scharf die dämo- nische Magie zu unterscheiden, die abergläubische, teuflische und von der heiligen römischen Kirche verworfene Magie, die sich der Hilfe der bösen Geister bedient: das Hexen- und Zauberwesen2'.

" Aucrorisprotesratio ad C e s a m . . . Dico aLrrem ex mente er man&steprorestor me christianefldei q n c m m confesorem: er in vnione iamiancre Romane ecclesie vsque ad morrem vellepmnanm. Vnde si quid vel in hac lucubratione mea vel in al-js habere- rur dictum vei scriprum aiiter quam illa tener senrir credir er docet: ur veerus obedienrie filiicrpreienrium atteriarione denuncio er volo simplicitw eise et haberipe,petuo rruoca- rum. . . Sicmmopere nanque curandum eir vt nihilpmponatur illis, quibur rva serenitas ad salutem inuigziat, nisi xoldum, probatum, manlfesrum et senrentia plu&omm U-

pientum in fde catholica legir t imeonflmrum . . ., Octo Quaestiones (wie Anm. 14), fnl .... . " -

26 Magzum mepenirus iporare naruralem d i c m non possum, perqiiam, quae miran- dafiunr, naturaliterfiunt . . . Doctissimus ilie er inter sanctor u m sanctiiiimus Albertu~ Magnus . . . ma&m natulue non ignoravir, pravorurnque librosplurimos izpwstitiosos inculpute le@ et intellexit. Scienria autem mali non est malum, red usur. . . Brief 1503, Mai 10 an Graf Johannes von (ieiningen-) Westerburg, gedr. Johannes Trithemius, De septem secundeis (1600) Anhang S. 43. - Vgl. Zambelli (wie Anm. 19) passim und insbesondere S. 60ff. über die von den Florentinern beeinflußte Einschätzung der Zauberei des Trithemiusschülers Johannes Butzbach.

27 In vita sancti Anthonijdiuus Aihanarilrs e m plmum dixir csie demonibur: quod er Merrurius anrea dixerac t w manimus; nullam videlicer mundipartem demonum pre- senria deirirutam . . . Octo Quaestiones (wie Anm. 14), fol. G;;':

28 Mephilomagum appeilari nonpudet, quoniam amator rum sapicnrlae divinae, bu- manaeac naturalis. H m eit magia mea, quam sequor; alterum v m , quae s~~pwiriciosa, diabolica er ab ecclcrid sancta iure damnara, nullifidelium eit iicita, execm, abhomo, despicio penitus, cum suis arnatoribui contemno, Johannes Trithemius, Nepiachus,

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Humanismus und Hexenglaube bei Johannes Trithemius (1462-1516) 229

In seiner autobiographisch-apologetischen Schrift „Nepiachus" hat der Würzburger Schottenabt um 1507 als seine Lehrer und Anreger in der magia natuvalis aufgeführt: Libanius Gallus, den Eremiten und Mönch Pelagius von Mallorca, Pico della Mirandola und Albertus Mag- nus. Lihanius, der den deutschen Humanisten im Sommer des Jahres 1495 in seinem Kloster Sponheim aufsuchte, hatte einige Zeit mit Pelagi- us auf der Insel Mallorca verbracht, wurde sein Schüler und der Erbe sei- ner Bibliothek. . . et multaabeo didicit arcana inphilosophia, in fde Chri- stiana, de natura spirituum bonorum et malorum, et de naturae mystais et alia mulra, qtule non suntpassim vulgaria in scholis hominum istius tem- pestatisZ9.

Person und Oeuvre des Libanius verbleiben solange noch weitgehend im Dunkel, bis seine erhaltenen Schriften und Briefe ediert sein werden. Bekannt ist jedoch, das er im Haus des Charles de Bouelles (Carolus Bo- villus) in Saint Quentin verkehrte, welcher späterhin gegen Trithemius unter Verweis auf dessen „SteganographiaU den Vorwurf okkulter Prakti- ken erhob und damit eine für den Beschuldigten bittere Kontroverse ent-

gedr. bei Johannes Georgius Eccardus, Corpus historicum medii aevi (Leipzig 1723) Tomus 11. Sn. 1831. - Im Zusammenhane dieser (auch andernons wiederholten) Di- ,ranricriiiig\.irriia:i;h ? r r Eins;hit;.ungvun %.i:nbcIl: u!r Aiini. 19, 5. iio, ni:hr S:i,u,rinmcr.: ,,L'rd cin dup~:lü~.Sylv: :SI es L U < \ \ , u,is'Sii.hcniiir ~ u , i v h e n hl.\git ur.d f 1exc . r~~ i rci l~r. In ,~.inri 3lii.:<, i i : &r I!si>:ki der iiruc!lcr! \!J-ic i.orlian.lcn. " ja vorherrschend: In der von Bouelles verdächtigten ,Steganographia' findet sich, ne- ben einer seltsamen Kryptographie, kabbalistischeMagie. . :'; vgl. zu diesen Gerüch- ten, zu den Geheimschriften und zu Charles de Bouelles: Arno ld , Trithemius S. 180-195 und (nicht immer zuverlässig) Will-Erich Peucker t , Pansophie. Ein Ver- such zur Geschichte der weißen und schwarzen Magie (19563 bes. S. 47ff., 70-93.

29Zu Libanius Gallus vgl. die Hinweise bei Arno ld , Trithemius C. 80f., 194f.; ders., Additamenta (wie Anm. 6) S. 250f. Zambel l i (wie Anm. 19) S. 66f.; dies., Cornelio Agrippa. Scritti inediti e dispersi, Rinascimento 16 (1965) S. 195-312,214. Francois Secret, La tradition du secret au temps de J. Trithime, Symholisme 52 (1969-70) war mir nicht zugänglich. - Trithemius hat den Eremiten Pelagius - mit Recht? - mit Fernando de Cordoba identifizien: Annales Hirsaugienses, Bd. I1 (Sr. Gallen 1690) S. 585 f. Vgl. T. und J. Car reras y Ar t au , Historis.de IaFilosofiaEspa- Bola. 3:FilosofiadelossiglosXIIIalXV,TomoII(1943)S.283 f., 642ff.AdolfoBoniI- la y san Mar t i n , Fernando de Cordoba (1425-1486?) y los origenes del Rinasci- mento filosofico de EspaBa(l911) C. 59 ff. Miquel Bat l lor i , EI gran cardenal d'Espa- nya i el 1ul.lista antilul,lii Fernando de Cordoba, Esrudios Llullianos 2 (1958) S. 313-316. J. N. H i l l ga r th , Some Notes on Lullian Hermirs in Majorca saec. X l i - XVII, Studia monastica 6 (1964) S. 3101. (über Joan Llobet, 1460).

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fe~selte'~. Mit Pelagius und seinem Pariser Propagandisten Bouelles kom- men insbesondere die Person und das Gedankengut des majorkanischen Theologen, Dichters und Mystikers Ram6n Llull (1232-1316) in den Blick, dessen kombinatorische Logik in seiner Ars generalic und der Ars inventina Trithemius Anregungen für seine kryptographischen Arbeiten vermittelten; umso erstaunlicher, daß gerade diese den Argwohn des Lul- listen Bovillus erregten3'!

D e r zweite Lehrer des Libanius - und damit auch des deutschen Bene- diktinerabtes aus Trittenheim - war der Graf von Mirandola; auf ihn geht die dichotomische Scheidung zwischen einer erlaubten natürlichen und der verbotenen dämonischen Magie zunick: dzfferentia inter magiam naturalem, quae docetjzcere Opera mirabilia, ut Picus ait, mediaatibus vir- tutibus naturalibus per applicationem earum ad invicem et ad sua passa na- turalia, quam nunquam damnavit ecclesia: et illam, quam spirituum ma- lignorum jer i cooperatione dubium non est". U n d schließlich wird in dem für das Selbstverständnis des Würzburger Abtes zentralen Text des ,,Nepiachus" auf das Vorbild des im Spätmittelalter gemeinhin des Ok- kultismus verdächtigten Albertus Magnus verwiesen3'.

'O Zu dieser Fehdc Arnold, Trirhemius S. 183ff. Noel L. Brann, The Shift from Mystical to Magical Theology in rhe Abbot Trirhemius (1462-1516), Studics in hle- dieval Culture 11 (1977) S. 147-159. Joseph Michael Vicror' Charles de Bovelles, 1479-1553. An inrellectuai biognphy(1978) bes. S. 31-36; ders., Charles de Bovel- lesand Nicholasde Pax: Two Sixrcenth-Cenrury Biographies of Ramon Lull, Tradirio 32(1976)S. 313-345; ders.;TheRevivalofLullism at Paris, 1499-1516, Renaissance Quanerly 28 (1978) C. 504-534. J. Gay;, Algunos remas lulianos en los escriros de Charles de Bovelles, Estudios Llullianos 24 (1980) S. 53-86. " Nebenden in der vorhergehenden Anm. genannten Titeln vgl. E. Colomer, De

la Edad Media al Renacimienro: Rarnon Llull- Nichoiis de Cusa - Juan Pico della Mi~ndola (Barcelona 1975) und die gute Einführung von Anrhony Bonner, Hrsg. U. Ubers., Selected Works of Ramon Llull (1232-1316), 2 Bde. (Princeron 1985). " Trithemius, Nepiachus (zir. Anm. 29) Sp. 1830. Eine ähnliche, aus der ,,Apolo-

gia" des Giovanni Pico della Mirandola (Opera I, Basel 1575, S. 791.) übernommene Argumentation findet sich in dem zu seiner Verteidigung von Johannes Butzbach ver- faßren „Macrostroma': in Auszügen gedr. von Zambelli (wie Anm. 19) S. 57ff.

33 MMagiani autem naturelern, quem P k r Miranduia neque dzmnatam abccciesia an- q u m fuirse nequepossedamnariscribit, multieccleikrici oir? doctüsimi approbaverunt er recuti sunt. Inter quos magnus ille Albertur noiter, wir suo tempore ceieberrimxs atque doctissimus, urque adeo magiam naturalern, id ext ~iipientirzm naturae, proseci<tus eir, utprqpter mirandam scientiam naruraiium occultarum virtutum in vdg i si<rpitionon venerit usque in diem prr~mton; homo Une rectus, piur atque sanctissiiin~ui, qzi damna- rum iliam ab eccksia magiam ur anime pesrem remper o r p u p r e , explodcre et detciiare consuevit, Trithemius, Nepiachus (wie Anm. 29) Sp. 1831. -Loris Scurlese, Saints er magiciens. Albert le Grand en face d'Hcrmes Trismkgisre, Archives de philosophie 43 (1980) C. 620ff.

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Humanismus und Hexenglaube bei Johannes Trithemius (1462-1516) 231

Bei dieser Gelegenheit ist daran zu erinnern, daß der italienische und auch der deutsche Renaissancehumanismus nicht - wie gemeinhin im Gefolge der älteren Forschung angenommen wurde - lediglich an Gram- matik, Poesie oder Philosophie interessiert war, sondern ebenso an den Naturwissenschaften bis in die Grenzbereiche der Astrologie, der Zah- lenmystik und eben auch der Mantik hinein34. Die arcana der natürli- chen Magie in besonderem Maße dürfen nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten, den wahren philosophi, zugänglich gemacht werden und sind vor Popularisierung und damit Profanierung zu bewahren. Zu die- ser Arkandisziplin rechnen eine Reihe von ,,Geheimwissenschaften": Al- chemie, astrologisch-mystische Geschichtskonstruktionen, Kryptogra- phie, Grenzgebiete der Medizin, die ,,weißec' Magie . . .; an ihnen sollen neben den humanistischen Freunden allenfalls die Mächtigen der Welt wie Kaiser und Fürsten teilhaben".

Während diese Künste jedoch mit natürlichen Methoden Erstaunli- ches zustandebringen, gibt es daneben jene „schwarzen" Künste, deren Zauber nur mit der Hilfe von bösen Geistern zustandekommt und die daher zu recht von der Kirche verworfen werden, wie necromantia, piro- mantia, acromantia, idromantia, geomantia, chtromantia, auruspicium,

36 pedomantia, orincomantia, sortilegium, aeromantia, maleficium . . . . Eine noch ausführlichere Übersicht mit etymologischen Erläuterungen sowie eine umfängliche Literaturliste von Zauberbüchern einschließlich ihres Incipit bieten die ersten Kapitel des gleich zu besprechenden „Anti- palus malefi~iorum"~~.

Im Mittelalter und weit bis in die Neuzeit hinein war die Überzeugung, daß sich die der Hexerei und Zauberei Verdächtigen ebenso außerhalb der christlichen Gemeinschaft begeben hätten wie die Ketzer, communis opinio von Kirche und Gesellschaft. Für Hexen und Häretiker lassen sich nicht zuletzt Gemeinsamkeiten auch in der Motivation aufzeigen: Auf- lehnung gegen die Unterdrückung der Frau oder sozialreligiöser Protest. Ungeachtet aller Versuche zu einer Differenzierung zwischen einer hö-

34 Als Paradigma: Helmuth Grössing, Humanistische Naturwissenschaft. Zur Geschichte der Wiener mathematischen Schulen des 15. und 16. Jahrhunderts (Saecv- la Spiriralia 8, 1983). '' Dieter Harmening,Faust und die Renaissance-Magie. Zum ältesten Faustzeug-

nis (Johannes Trithemius an Johannes Virdung, 1507), Archiv für Kulturgeschichte 55 (1973) S. 56-79. 36 Trithemius, Ne~iachus (wie Anm. 29) Sp. 1830. 37 Siehe unten C. 232ff. mit Anm. 40.

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heren (divinatio) und einer niederen Magie (maleficium, dem schadenstif- tenden Zauber) erfuhren de facto beide Ablehnung durch die Kirche; je- doch wurde vor allem die letztere mit Hexerei gleichgesetzt, da man der Uberzeugung war, daß sich die niedere Magie zwangsiaufig der Hilfe der Dämonen bedienen müsse. Der Damonenglaube war Gemeingut der mittelalterlichen Theologie von Augustinus bis zu Thomas von Aquin; ebenso wie der Glaube an die Existenz von Hexen Bestandteil der allge- meinen Mentalität war - und teilweise bis heute noch ist28.

Diese Anschauungen teilte auch Johannes Trithemius: Anders als Gott und seine Engel können Menschen Wunder nur mit deren Hilfe und H e xen oder necromantici sie nur mit der Hilfe der Damonen bewirken. ,,Geg- ner der Zaubereien" oder ,,Gegen den Schadenszauber" hat der Abt sein zweites Hauptwerk zu unserer Thematik überschrieben, den ,,Antipalus malefi~iorum"~~. Die Schrift ist, wie ihr Autor in seinem Begleitschrei- ben vom 16. Oktober 1508 betont, auf Anregung des Kurfürsten Joa-

"Eine Ausm-ahl der wichtigsten in den beiden letzten Jahrzehnten erschienenen Titel: H.A. Kelly, The Devil, Demonology and Witchcraft (1968); Jeffrey Burton Ruse i l , Witchcrafr in rhe Middle Ages (1972); H.C.E. M i d e l f o r r , Witch Hunting in Southwestern Germany (1972); S. L e u t e n b a u e r , Hexerei- und Zaubereidelikre in der Literatur von 1450 bis 1500 (1972); Wolfgang Ziege le r , Möglichkeiten der Kritik am Hexen- und Zauberwcsen im ausgehenden Mittelalter (1973); M. S u m - m e r s , The Hisrory of Witchcraft and Demonology (1973); Norman C o h n , Euro- pe's Inner Demons (1975); Richaid Kieckhefe r . European Wirch Trials. Their Foundations in Popular and Learned Culture, 1300-1500 (1976); Gerhard S c h o r - m a n n , Hexenprozesse in Deutschland (1981); Chr. D e g n u.a., Hrsgg., Hexenpro- zesse. Deutsche und skandinavische Beiträge (1983); Christina L a r n e r , Witchcraft and Religion (1984); Hugh R. Trevor -Roper , The European Wirch-Craze of rhe Sixteenth and Seventeenth Cenruries (1984); Joseph Kla i ts, Servants of Satan. The Age of Witch Hunts (1985); schließlich die Begleitbände zu zwei Aussrellungen 1987: Richard s a n D ü l m e n , Hrsg., Hexenxvelten. Magie und Imagination vom 16. bis 20. Jahrhundert (1987), insbes. Wolfgang B e h r i n g e r , ,;Vom Unkraut unter dem Weizen". Die Stellung der Kirchen zum Hexenproblern, S. 60-93; sowie: Helfried Valent i n i rsc h , Hrsg., Hexen und Zauberer. Die große Verfolgung - ein europä- isches Phänomen in der Steiermark (1987); hierin vor allem: Hans B i e d e r m a n n , Ausbildung der Hexenlehre, S. 209-218, Wolfgang Behr i nger , Meinungsbildende Befürworter und Gegner der Hexenverfolgung (15. bis 18. Jh.), S. 219-236, Dagmar G n v e r h a u , Die abendländische Hexe. Beispiele ihrer Verfolgung, S. 237-264.

"Den Angaben zur Überlieferung bei A r n o l d , Trithemius S. 197ff. und 2461. isr hinzuzufü~cn:Kopenhagen,cod.Thott629 4'0(saec.XVI);cf.Pau10skarKristeI- [ e r , Iter Italicum 111 (1983) S. 180. -Druck von Buch 1-4 bei Johannes Busaeus, Hrsg., Paralipomena opusculorum Perri Blesensis er Joannis Trirhemii aliorumque . . . (1605) S. 275-426. -Gute Zusammenfwungen des Inhalts bei Si1 b e r n a g l (nie Anm. 16) S. 132-160 und Schneegans (wie Anm. 16) S. 226-237.

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Humanismus und Hexenglaube bei Johannes Trithemius (1462-1516) 233

chimi. von Brandenburg entstanden; bis zum Beginn des 17. Jahrhun- derts ist sie nur handschriftlich überliefen und auch 1605 nur unvollstän- dig gedruckt worden.

Zur Einführung wird vom Verfasser ein Überblick über die verschiede- nen Arten der Zauberei mit einer ,,bibliographie raisonnee" des einschla- gigen Schrifttums geboten; die Kenntnis dieser Literatur, wenngleich häufig vana et stulta, sei notwendig zu ihrer Widerlegung. Unter den He- xen (maleftcae) seien die schlimmsten jene, die zur Ausführung ihrer Zau- bereien Dämonen anrufen, und insbesondere diejenigen, die sich zur Durchführung ihres Schadenszauber ganz in deren Gewalt begäben. Mit Gottes Willen und der Hilfe des Teufels könnten sie an Mensch und Tier ihre ma1ei;cia verüben; nahezu die ganze Welt sei bereits von ihnen infi- ziert; ihre Zahl sei so groß, daß nicht einmal das kleinste Dorf von diesen Hexen und ihrem Werk frei sei; und nur selten finde sich ein Ankläger und fast nie ein Richter, um dieses Unrecht wider Gott und die Natur zu ahnden. . .40.

Im zweiten Buch des „Antipalus" gibt der Autor in fünf Kapiteln eine cbersicht über die verschiedenen Mittel der Kirche, um sich vor Hexen- werk zu schützen. Vor allem muß der gläubige Christ vermeiden, im Stande der Sünde zu leben; vielmehr soll er fest sein im Glauben und die Sakramente und Segnungen der Kirche häufig empfangen. Das dritte Buch handelt von der Heilung der an Verhexung Leidenden mit Hilfe der in der Kirche seit alters her gebräuchlichen Exorzismen. In epischer Breite wird hierbei auf 61 Seiten die Prozedur eines „Hexenbades" be- schrieben:

Das Verfahren erstreckt sich über neun Tage. Zuvor muß der Verhexte eine Generalbeichte ablegen und das Altarsakrament empfangen sowie die Messe zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit hören. Das Bad ist an ei- nem geheimen Ort - wobei Sorge dafür zu tragen ist, daß Hexen der Zu-

"' Die entsprechenden Passagen sind auch abgedruckt bei Hansen, Quellen (zit. Anm. 2) S. 294ff.: Cdput 4. Dequa~ro malei;cammgenerepessimo, quodsedaemonibur homugio facit ppr ium. . . et ob rdpenitus extemzinandum. . . Isramm impkrar maxi- ma esr er incredibilk ad nocendrm momliburfumr; quoniampemzitrente deo et coope. rantediabolo ranta committunt in homineset bestias male)Üia, quanta enumerarc nemo potesc nam szis incantarionibus er nefindis makfiiis totumpame mundum inficmnt Maximu~ in omnia pmincia ralium esr numemi er nercio, ri viculur quear inveniripar- n u , in quo non iit ma1ef;ca vel hirirrr quarri velpraecedenrir genenipe+&ia macuiara. Sed quam rarus eit inquisitor et nullus paene iudex, qui dei et naturae u m manfesras nindiccr iniuriai?

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gang verwehrt wird - aus reinem Fiußwasser in einer ungebrauchten Wanne zu bereiten. Beizumengen sind: ein Sack Friedhofserde, Weihwas- ser, geweihte Asche, geweihte Palmen, geweihtes Salz und neun verschie- dene benedizierte Kfiuter. Ein Teig aus der geweihten Erde, geweihtem Salz und Weihwasser wird dem im Bad Sitzenden mit einem Tuch auf die erkrankte Stelle gelegt. Wahrend der arme Verhexte im Bad sitzt und die göttliche Hilfe erfleht, geht der eigentliche Exorzismus vonstatten. Nacheinander nach allen vier Himmelsrichtungen gewendet und den Dämon beschwörend umschreitet der Priester zweimal die Wanne, ein- mal ihr zu- und einmal von ihr abgewendet. Mit Hilfe eines neuen Wedels besprengt er darauf den Kranken mit Weihwasser und benediziert einen Wein, den dieser während der neun Tage trinken muß; anschließend stellt er eine Masse, das „geweihte voiikommene Wachs", aus 38 Pulvern, roten Korallen, Wachs und Weihwasser her; daraus wird ein Kreuz geformt und in einer Walnußschale, mit Wachs verkittet und in ein Tuch eingenäht, dem Patienten um den Hals gehängt; weitere Kreuzchen aus dieser Masse werden über Türen, Bett, Tisch und so weiter angebracht. Während der gesamten neun Tage nimmt der Kranke nur von dem geweihten Wein so- wie morgens und abends in Fleischbrühe ein Pulver des uns bekannten Eremiten Pelagius zu sich; wenn möglich sollte an jedem Tag die Messe zelebriert werden. Tritt daraufhin keine Besserung im Befinden des Kran- ken ein, muß er die Wohnung wechseln oder seine bisherige nach einem Rezept des genannten Pelagius vom Zauber befreit werden; Fasten, Gebe- te, Gelübde, Almosengeben und Wallfahrten werden empfohlen, bevor das Bad wiederholt wird.

Der Verfasser verweist darauf, daß er das Verfahren mehrfach selbst mit Erfolg angewendet habe. Einem heutigen Leser, dem das Geschilderte all- zu fremd und fern erscheint, sei ein Blick in den derzeit gültigen Taufri- tus empfohlen. Trithemius aber, der im ,,Antipalus" allenthalben auf das Gedankengut zurückgriff, das er im „Malleus maleficarum" vorfand, war sich jedoch auch bewußt, da8 scheinbar von Dämonen Besessene zu- weilen an wirklichen körperlichen Gebrechen litten; um solche psy- chisch oder somatisch Kranken von zweifelsfrei „Behextenw unterschei- den zu können, müsse der Exorzist notwendigerweise auch über medizi- nische Kenntnisse verfugen. Zum Beweis dieser Notwendigkeit verweist derSchortenabt auf die Krankengeschichte einesMannes, den er in Berlin sowohl mit geistlichen wie medizinischen Mitteln nach achtzehn Jahren von chronischem Kopfschmerz zu befreien vermochte; die Tatsache wird im übrigen durch ein überschwängliches Dankschreiben des Ge-

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Humanismus und Hexenglaube bei Johannes Trithemius (1462-1316) 235

heilten, Bartholomäus Lescanius, des Kaplans des späteren Kardinals Al- brecht von Brandenburg, bestätigt4'.

Das vierte Buch des „Antipalus malecifiorum" handelt, bewußt vom Vorhergehenden abgesetzt, vom geschlechtlichen C'nvermögen und über brauchbare Heilmethoden. Der Autor l eg angesichts dieser Thematik Wert auf die Feststellung, daß er aufgrund seiner monastischen Lebens- form und mangelnder eigener Erfahrung nur zögerlich und mit Beden- ken an diese Aufgabe herangetreten sei. Der Kurfürst von Brandenburg hatte seine diesbezüglichen Fragen entsprechenden Artikeln des „Mal- leus maleficarum" (I, 8,9; II,6,7) entnommen und Trithemius antworte- te auch ganz im Sinne von Institoris' Kompilation. Auch für diesen Kom- plex sind die von ihm vorgeschlagenen Heilmittel kirchliche, insbeson- dere Exorzismen, wie auch medizinische4'.

Wie eng sich der Würzburger Schottenabt gerade in diesen Teilen an das hielt, was er im „Hexenhammer" vorfand, verdeutlichten seine An- weisungen, woran man denn Hexen erkennen könne; zum Beispiel: An einem Sonntagschmiere man die Stiefel von Jünglingen mit Schweinefett ein, ziehe sie an und besuche damit die Kirche; dann wird keine Hexe das Gotteshaus verlassen können, ehe nicht jener, der auf diese Weise Macht über sie hat, hinausgeht oder ihr das Verlassen ausdrücklich er- laubt - das Ganze Wort für Wort nach dem ,,Malleus" I1 qu. 2".

Das dritte Werk des Johannes Trithemius zur Dämonologie schließlich wollte das Thema grundlegend und zugleich systematisch abhandeln.

"' Sciendum quod malqCciir nonnumquam morbi er aegnrudims coincidunr narura- ler. Unde opporrcr exorcisiam utriusque medicinae eixperirum, corporalis eet spiritxalis. Nam ego (ut novit evellentia rua)preibyrerum illum Bartholomaeum in Lirsulo solix emrcismis non currrrem, nisi eriam alia remedia dedisrem, pprerea quod male/icio er narura laborauit, Busaeus, Panlipomena (wie Anm. 40) S. 329f. - Brief des Lescani- us 1507, Mai 13 gedr. Johannis Trithemii Opera historica, ed. Marquard F r e h e r , (FrankfurdMain 1601, Ndr. 1966) S. 565. " Peter Browe, Beiträge zur Sexualethik des Mittelalters (1932); Gerda H o f f -

m a n n , Beitiäge zuur Lehre von der durch Zauber verursachten Knnkheit und ihrer Behandlung in-der Medizin des Mittelalters (Diss. Berlin 1933) bes. S. 30 ff. J. Löf f - ler. DieStöruneen des reschlechtlichen Vermöeens in der Literatur der autorirativen , ~- V a " Theologie des Mittelalters. Ein Beitrag zur Geschichte der Impotenz und des medizi- nischen Sachverständigenbeweises im kanonischen Impotenzprozeß (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, geistes- und sozialwis- senschaftlichen Klasse, Jg. 1958, Nr. 6).

43 Nunmehr leicht zugänglich in der als Taschenbuchausgabe erschienenen Über- setzung von J.W.R. S c h m i d t , Jakob Sprenger, Heinrich Institoris, Der Hexenham- mer (Malleus maleficarum) (1906; 1982) C. 195.

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Man darf wohl annehmen, daß der Autor mit diesem Vorhaben nicht nur seine eigenen Arbeiten zu einer Synthese vereinen wollte, sondern darüber hinaus mit diesem Werk zugleich für seine wohl schon den Zeit- genossen so unsystematisch erscheinende Hau~tquelle eine klarere Übersicht anstrebte. Er hat es als sein bisher größtes Werk (opus. . . meo- rum omnium quidem maximum) angekündigt.

Erhalten ist zu dieser groß angelegten Schrift „De demonibus" ein zwi- schen 1507 und 1314 entstandener Entwurf, ausgeführt jedoch nur in Prooemium und Kapitelseinteilung der insgesamt zwölf Bücher. O b der Plan weiter gediehen ist, erscheint eher zweifelhaft: Schon 1507 berichtet der Autor in einem Brief an den befreundeten Rutger Sicamber, er sei durch den zu erwartenden Arbeitsaufwand nicht wenig abgeschreckt und wolle den Plan daher vorerst aufschieben, zwischenzeitlich jedoch schon mit der Materialsammlung beginnen. Vorwort und Kapiteleinteilung zu „De demonibus", die inzwischen publiziert sind, haben sich in einer Ab- schrift des beginnenden 16. Jahrhunderts erhalten, deren Incipit mit je- nen von Trithemius in seinem letzten Werkverzeichnis von 1514 gegebe- nen identisch ist44.

Trithemius geht davon aus, daß seine Vorläufer zu diesem Thema zwar gute Einzelübersichten verfaßt hätten, eine Zusammenfassung ihrer Er- gebnisse jedoch Desiderat geblieben sei. Als Grund der Abfassung wer- den Gottesliebe, Treue im Glauben und Sorge um den Bestand der Kirche angegeben. Durch das Versagen der Priesterschaft regierten unter der Christenheit das Böse (iniquitas) und der Hochmut (superbia), die gesam- te Weltordnung sei in ihr Gegenteil verkehrt. Mit allen Kräften will der Autor daher die Kirche gegen sämtliche Arten von Zauberei in Schutz nehmen, die sich verstärkt vor allem in den letzten zwei Jahrhunderten ungehindert ausgebreitet hatten. In erster Linie wird die menschliche Neugier dafür verantwortlich gemacht, daß Zauberer, Schadensstifter, Geisterbeschwörer, Nekromanten, Losdeuter und Wahrsager Gehör mit ihren eitlen Versprechungen finden könnten, bis zu hochgestellten Perso-

44 Herausgegeben von A r n o i d , Additamenta Trithemiana (wie Anm. 6) S. 256-267; zur ¿'berlieferung ebd. S. 254f. mit Anm. 75. -Dem d o n zum Inhalt Ge- sagten folgen die nachstehenden Formulierungen weitgehend. - Z a m bel l i , Schola- stiker und Humanisten (wie Anm. 19) C. 67f., Anm. 76 hat den Belegstellen bei Ar - n o l d , Trithemius S. 199 f. noch den Bericht in Johannes Butzbachs „Macrostroma" hinzugefügt, in dem dieser wie von einem bereits vollendeten Werk spricht: Smpsit namqire super hoc opuspergramie conrru omnei artes ab ecclesia pmhibiirj in XII librm dixtinctor et 'De daemonibiü' puenoratzm.

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nen vorgelassen würden und ihre verlogenen libelli, die sie mit hochflie- genden Namen versehen hätten, und ihre geheimnisvollen Planetenbil- der herumzeigen könnten. Mit der Aura eines großen Magiers verspiä- chen sie Götter, Heroen und verborgene Schatze herbeizuzaubern, be- haupteten gar, durch die Luft nach Arabien zu fliegen, Herkules, Alexan- der den Großen oder auch verstorbene Angehörige herbeirufen zu kön- nen, Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges, ja alles nur Denkbare zu wissen. Diese Künste und die Bücher, die sie lehrten, zu benennen und zu widerlegen sowie die wahre Ursache - die Dämonen - zu be- kämpfen sieht Trithemius daher als seine Aufgabe an.

Das erste Buch von „De demonibus" wendet sich gegen Zweifel an der Existenz Gottes, der Wirksamkeit des Glaubens, der Unsterblichkeit der Seele, insbesondere aber an der Verderblichkeit der Dämonen. Buch 2 handelt vom Ursprung der Dämonen und der Herkunft des Begriffs, zählt die verschiedenen, nach der Art ihres Auftretens benannten Dämo- nen auf und gibt Hinweise auf ihre Schwächen, deren Kenntnis bei ihrer Abwehr nützlich sein könnte. Ihre verschiedenen Erscheinungsweisen sind Thema des dritten Buches: Sie begegnen den Menschen in Tierge stalt, sie belästigen, ja töten sie im Schlaf, bevorzugen vor allem geistig Verwirrte und das weibliche Geschlecht, sie nehmen die Gestalt Leben- der und Verstorbener an, erscheinen einem bevorzugen Personenkreis und an bevorzugten Plätzen, als Reigen oder nächtens als wildes Heer und sie stellen eine Gefahr vor allem für Gebärende, Hebammen und Kinder dar. Schließlich werden Indizien zu ihrer Entlarvung sowie Hin- weise auf ihre notorische Furcht vor spitzen Gegenständen, bestimmten Steinen, Kräutern, Melodien und den kirchlichen Sakramenten gegeben.

Buch 4 beschäftigt sich mit dem Anteil der Menschen an der Beschwö- rung der bösen Geister, führt -wie schon im „Antipalus rnaleficiorurn" -jene Werke magischen Inhalts auf, deren sich die incantatores bedienen, deren Verfasser zumeist willkürliche Zuschreibung und deren Inhalt rei- ne Phantasie seien, nennt die eitlen Versprechungen der Geisterbeschwö- rer und entlarvt ihren angeblichen Zauber als zum Teil handfeste Ta- schenspielerstücke. Das folgende, fünfte Buch hat in 14 Kapiteln die astrologischen Spekulationen zum Gegenstand, handelt über Loswurf, Zuk~nf t sdeu tun~ und verschiedenen Bildzauber mitsamt Besprechung der einschlägigen Literatur. Eine gegenüber der im „Antipalus" (Buch I, Kap. 2) gegebenen noch um siebzehn Varianten bereicherte Zusammen- stellungvon 51 Arten magischer Künste wird mit ihren Begriffserklärun- gen im 6. Buch geboten.

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Der Aberglaube in seinen verschiedenen Spielarten sollte in Buch 7 ab- gehandelt werden und wäre mit Sicherheit eine Fundgrube für histori- sche Volkskunde und Ethnologie: Liebe und Haß, Jagd, Reisen, Krank- heit und Tod, Kleidung, Kriegswesen, Glücksspiel, Medizin, Viehzucht und Ackerbau, Unwetter und Brand, das Schicksal Einzelner, von Für- sten und Städten, Schutz vor Zauberschaden und die Fähigkeit zu Un- sichtbarkeit, schließlich die Luftreise als Gegenstand des Aberglaubens. Vergleichbare Bedeutung hätte die Ausarbeitung des achten Buches für den Sagenforscher gewonnen: Venusberg, Unterwelt, Bergsagen, die Pe naten der Antike und die historischen Dichtungen der alten Deutschen, Gaukler- und Hexenkünste werden als Themenbereiche angesprochen. Die Auswirkungen abergläubischer Anschauungen auf das kirchliche Leben sollten im neunten Buch zur Darstellung kommen.

Abschließend sind die Bücher 10,ll und 12 dem Wirken der Dämonen mit Hilfe der Hexen gewidmet, jenen von den excanratores und anderen millieres s~dpepersriciose zu scheidenden malefice. Der Kapitelübersicht zu- folge sollten dort die Anschauungen des ,,Antipalus" mit weitestgehen- der Abhängigkeit vom ,,Malleus maleficarum" wiederholt werden4'.

45 Die Kapirelüberschriften des ,,Malleus maleficarum" I 5-11, I1 qu. 1,3,5-9, 12, 14; 15 und qu. 2, 1 erscheinen nahezu wörtlich in „De demonibus': z.B. ,,Malleus" „De demonibus"

I 6:Cur mulieres anipliui inve- X 3: Qua= piurer inveniantur niunrur hac hereii in/ecre mulieres malefice quam viri quam viri

I 9: A n preitigiora iliurione XI 5: Quomodo nzembra virilia memha viniia quasi rinr a vimque coeundi aufiranr ho- corporibur raulia auf- minibirs ioient

I 10: A n homines in bestialei XI 24: Quemadmodum hominer fo~mar poriint rransmurare tranrfomant in bestiar

I 11: De obrterricibur male- XI 2: Cavendum rn malefice ficis. . . funt obrtetrices panencium

I1 qu.1, 15: Quo grandiner er XI 9: Quomodo grandinei ac tempestures conciiare ac rempeiiatei pmvocent fzlgura filminare solenr

11 qu. 2, 1: Utrum sit licirum XI1 2: A n licear maieficium maieficia pcr alia maleficia malgiicio npellnr aur per iliicita to i lm

Die Zitate nach dem Druck des Malleus maleficarum, Speyer (Perer Drach) o.J. (vor dem 15.4.1487) (Exemplar: Uniuersirätsbibliorhek Würzburg Lr.f.632) bzw. dem Ab- druck bei A r n o l d , Additamenra (wie Anm. 6) S. 265f.

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Buch 11 hätte einen umfangreichen Katalog aller Übeltaten, deren die Hexen beschuldigt werden, enthalten, für das letzte und zwölfte Buch war daran gedacht, eine Reihe von Gegenmitteln (remedia) aufzuführen. Bei einer derart detaillierten Auflistung, wie sie Trithemius in seinen teil- weise mit den Kapitelüberschriften des „Hexenhammers" identischen Formulierungen vorgelegt hat, mag man Zweifel haben, wie ein bereits so differenziertes Gerüst noch mit weiterem Gehalt ausgefüllt werden konnte.

Wie dem auch sei - halten wir fest: 1. Johannes Trithemius war kein Theoretiker des Hexenglaubens, je-

doch, als der berühmte Humanist und Autor, ein wichtiger Verbreiter und Propagator des Glaubens an die Existenz von Dämonen und Hexen. Als seine Hauptquelle hat er hierbei fiir den „Antipalus maleficiorum" und „De demonibus" den ,,Hexenhammer" herangezogen - und im übrigen auch - kraft seiner Autorität als Literaturhistoriker - dazu bei- getragen, daß neben und vor Institoris Jakob Sprenger 11s dessen Verfas- ser in den Blick gerückt wurdeA6. Hinsichtlich dieses Textes ist freilich auch zu bedenken, daß Trithemius in seinen weit verbreiteten ,,Octo Quaestiones" noch ohne Bezugnahme darauf auskam und die davon ein- deutig abhängigen Werke „Antipalus maleficiorum" und „De demoni- bus" bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts beziehungsweise bis zum Ende des zwanzigsten in Handschriften verborgen blieben!

2. Die Rezeption des „Malleus maleficarum" setzt auch bei den Vertre- tern eines christlichen Humanismus früh und deutlich ein: Johannes Trithemius kennt das Werk seit 1492, besitzt in seinem Würzburger Klo-

46 Der Sprenget betreffende Eintrag in „De scriptoribus ecclesiasricis" (bereits in der handschriftlichen Erstfassung Berlin, Sraatsbibliothek, cod. lar 410, fol. 152'von 1492 vorhanden) lauter:

Iacobirr Spnger, narione theuronicuh ordinüfiatrumpraedicaron<mpmuinciaiis Co- loniensk, wir in divinls smptunsstudiosus er erudirus et seculansphilosoph non igna- rur, ingenio pracstans er aperrus eloquio. Cum pridem eirei ab Innocenrio Papa octavo inquisicor haercricae pravitarü constiturus u m cum Heneco Insritoris eiusdem ordinü rheologo, comportzzvit er scnpsir eodem collega ruo iuvanre volumen Contra maleficas mulimuias, diabolis instrirmenrir, pro cuurela simpiuium, quod prueizotavic:

Malleum male/icarxm lib. 3 <Incipit:> Utrum asserere malefi. Sed quid amplius icriprenr nescio. Vtvir usque hodie in convenru suo Coloniensi sub

Marimiliano rege Romanomm dementiisimo. Anno domini quo haec scnpsimsimus MCCCCXCIIIIindictioneXIL; gedr. Opera historica (wie Anm. 41) S. 397f.; danach in ,,Caralogus illustrium virorum Germaniae" (1495), gedr. ebd. S. 177.

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ster ein gedrucktes Exemplar hiervon und nützt es als Quelle bei der Ab- fassung eigener dämonologischer schriften.

3. ,,Octo Quaestiones" und ,,Antipalus maleficiorum" sind auf Anre- gung, ja Forderung der weltlichen Großen der Zeit, des Kaisers Maximi- lian I. und des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg, entstanden. Diese für den Hexenglauben einschlägigen Schriften des Trithemius sind somit nicht nur Zeugnisse seiner Beschäftigung mit dem Gegenstand und dem „HexenhammerC'; für die Rezeptionsgeschichte dieses Textes noch wich- tiger erscheint, daß der „Malleus maleficarum" die ebenso beunruhigen wie detaillierten Fragen der Auftraggeber evoziert hat.

4. Johannes Trithemius war ohne Zweifel ein Anhänger des Zauber- und Hexenglaubens seiner Zeit. Doch bleibt die Frage, inwiefern nicht allein die Spitzen der spätmittelalterlichen Gesellschaft und die Theoreti- ker des Hexenwahns für dessen Verbreitung und Virulenzverantwortlich zu machen sind, sondern auch ein in den Fragen der Herrschenden und Forderungen des Volkes sich manifestierende Glaube - oder Bedarf. Mit welchem Recht denn glaubt unsere sich so human und aufgeklärt gerie- rende Gegenwart, auf dieses „finstere Mittelalter" herabschauen zu kön- nen? Scheint nicht gerade in unserer Zeit eine nostalgische Hinwendung zu Bereichen des Übersinnlichen Platz zu greifen - gleichviel, ob sie sich als „Parapsychologie" etikettiert oder als eine „neue Weiblichkeit" auf der Suche nach den ,,weisen Frauen" der Vergangenheit versteht. . . Auch deshalb:

5. Nicht nur Historiker sollten sich hüten vor Urteilen über andere Zeiten.

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