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Der Plan der Stadt Luzern von 1790 von Franz Xaver Schumacher
Ruedi Meier
Abstract
Eine der bekanntesten historischen Ansichten Luzerns ist Franz Xaver Schumachers «Elevation der Stadt Luzern». Schumacher wurde 1755 in Luzern geboren, studierte in Bologna und betätigte sich nach seiner Rückkehr in die Stadt an der Reuss als Politiker, Wissenschaftler, Unternehmer, Künstler und Architekt. Als sein Hauptwerk gilt der geometrisch sehr genau gezeichnete «Schumacherplan» von 1790, der die Stadt Lu-zern allerdings weniger realistisch widergibt als die 200 Jahre ältere Darstellung von Martinus Martini. Der «Schumacherplan» wurde 1792 von Jakob Joseph Clausner in Kupfer gestochen und erschien bis heute in zehn Auflagen. Schumacher selbst musste aufgrund seines Engagements für die Helvetische Republik nach deren Ende nach Paris emigrieren; 1808 verlieren sich seine Lebensspuren in Venedig.
Keywords
Luzern, Stadtansicht, Stadtplan, Vedute, Grafik, Schumacher, Martini, Emigration
Dieser Text erschien 1995 in der Reihe «Ins Licht gerückt» und wurde im Auftrag des Vereins Freunde des Historischen Museums Luzern von Ruedi Meier, Wissenschaftli-cher Mitarbeiter und Museumspädagoge Historisches Museum Luzern, verfasst.
Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitun-gen 4.0 International Lizenz.
Aus der Sammlung des Historischen Museums Luzern
Ins Licht gerückt
Der Plan der Stadt Luzern von 1790 von Franz Xaver Schumacher
Der Vater von Franz Xaver Plazid Aloys von Schumacher, Franz Plazid Leodegar ( 1725-1793), war Ratsherr und bekleidete verschiedene militärische und zivile Ämter. Aus politischen Gründen sah er sich zur Emigration nach Italien gezwungen. In Bologna betrieb er wissenschaftliche Studien und widmete sich vor allem der Mathematik und der Optik. 1770 wurde er vom Herzog von Modena zum Ingenieurshauptmann ernannt. Nach Luzern zurückgekehrt, liess er 1772 vor den Toren der Stadt den markanten Herrschaftssitz Himmelrich erbauen. Diese Anlage steht noch heute an der Obergrundstrasse bei der Moosegg. Franz Xaver Plazid Aloys wurde am 14. Mai 1755 in Luzern geboren. Er studierte zuerst am adeligen Kollegium in Bologna und wurde 1768 Leibpage des regierenden Herzogs in Modena. Dort setzte er seine Studien an der neu gegründeten Universität fort. Nach dem Abschluss des Studiums ernannte ihn der Herzog 1774 zum Kammerherrn und nahm ihn in seinen Orden zum goldenen Schlüssel auf. 1776 wurde er Mitglied des Grassen Rats von Luzern. Später amtierte er für ein Jahr als Landeshauptmann des Abtes von St. Gallen in Wil und für zwei Jahre als Landvogt von Kriens und Horw sowie für das Amt Habsburg (die heutigen Gemeinden Honau, Gisikon, Root, Meierskappel, Udligenswil, Adligenswil, Meggen).
Die Ereignisse der Französischen Revolution hinterliessen bei Schumacher einen tiefen Eindruck. Ab
GEMÄLDE UND GRAPHIK G3
Herrensitz «Himmelrich» an der Obergrundstrasse in Luzern, erbaut 1772. Foto um 1900 (Stadtarchiv Luzern).
1798 engagierte er sich eindeutig für die revolutionäre Ordnung der Helvetischen Republik. Nach deren Untergang war für ihn ein Aufenthalt in Luzern unmöglich geworden. Er emigrierte nach Paris. Seine Lebensspur verliert sich 1808 in Venedig. Als Wissenschafter unternahm Schumacher Experimente mit dem Blitzableiter und 1784 Flugversuche mit Heissluftballonen. Dabei unterstützten ihn die Herren zu Schützen. Als Unternehmer versuchte er einen Bleicherbetrieb aufzubauen, allerdings nur mit mässigem Erfolg. Als Künstler bekannt wurde er durch seine Zeichnungen der Fassaden des herzoglichen Schlosses von Modena, durch sein Projekt für die Treppen vor der Hofkirche und seine Darstellungen des Knutwilerbades und des lben-Moosbades. Zudem war er massgeblich an der Architektur des väterlichen Herrensitzes Himmelrich beteiligt. Sein Hauptwerk allerdings ist der unten beschriebene Plan der Stadt Luzern.
Der Plan der Stadt Luzern von 1790
Die heute unter der Bezeichnung Schumacherplan bekannte Darstellung der Stadt Luzern ist im Original betitelt mit «Elevation der Stadt Luzern». Sie besteht aus vier FolioBlättern. Die vier Teile passen in gedruckter Form allerdings nicht genau zusammen, so dass sich bei der Montage kleine Verschiebungen und Ungenauigkeiten ergeben. Der Plan ist aus der Vogelschau dargestellt und basiert auf einer genauen geometrischen Aufnahme der Stadt Luzern. Oben links ist ein kleiner Plan eingezeichnet, der die Stadt aus der Aufsichtsperspektive, d. h. zweidimensional von oben zeigt. Am rechten Rand ist eine kunstvoll gestaltete Windrose zu sehen. Unten links und rechts befinden sich zwei Legenden in Medaillonform. Die linke Legende enthält eine Erklärung zur Aufnahmetechnik. Darin äussert Schumacher das Anliegen, den Plan möglichst genau aufzunehmen. In diesem Zusammen-
hang verweist er ausdrücklich auf die geometrischen Grundlagen des Aufsichtsplans oben links. Schumachers Bemühen um geometrische Genauigkeit prägt den Gesamteindruck dieser Stadtansicht. Im Gegensatz zum Martiniplan von 1597, der sehr detailliert ist und viel Lebendigkeit ausstrahlt, trägt Schumachers Plan klar die nüchternen Züge der architektonischen Zeichentechnik. Obwohl geometrisch und zeichnerisch genauer, stellt der Schumacherplan die Stadt weniger realistisch dar. Theodor von Liebenau hat in seinem Werk «Das alte Luzern» darauf hingewiesen: Der Schumacherplan «bringt fast nur, was mit der Reissfeder in geraden Linien sich zeichnen liess; deshalb gleicht auch das alte Luzern, wie es nach seiner Ansicht hätte aussehen sollen, nicht wie es war, obwohl die Dimensionen weit richtiger sind, als bei Martini. Wie willkürlich Schumachers Zeichnung ist, lehrt ein einziger Blick auf die Fenstereinfassungen.» (Liebenau S. 175/176). Am 23. Juli 1790 legte Schumacher seine Zeichnung dem Grassen Rate vor. Ihm hatte er den Plan gewidmet. 1792 wurde Schumachers Zeichnung von Meister Jakob Joseph Clausner aus Zug in Kupfer gestochen. Bis heute erlebte Schumachers Werk über zehn Auflagen. Die vier Originalplatten befinden sich im Besitz der Korporationsgemeinde der Stadt Luzern.
Begriffserklärungen
Herren zu Schützen: Die Gesellschaft entstand zu Beginn des 15. Jahrhunderts als militärische Vereinigung der städtischen
Oberschicht. Um 1587 schloss sich ihr die adelige Gesellschaft zum Affenwagen an. 1807 verkaufte die Gesellschaft ihr Zunfthaus an der Reuss (Hotel Balance) und baute dafür das Kasino am Löwengraben.
Ingenieurshauptmann: Fachtitel (wie z.B. heute Ing. ETH). Gleichzeitig Stelle in der zivilen (Planung von Tiefbauten) und militärischen Verwaltung (zuständig für Befestigungsbauten) eines Staates.
Kammerherr: Ein Ehrentitel für Edelleute. Der Fürst symbolisierte durch die Überreichung eines goldenen Schlüssels die Erlaubnis, die herzoglichen oder königlichen Gemächer und Räume zu betreten. Der Kammerherr stand in einem besonderen, engen Verhältnis zum Fürsten.
Landvogt: Landvögte vertraten die Herrschaft in den Untertanengebieten. Sie leiteten die Verwaltung, zogen Abgaben und Bussen ein, amtierten als Richter und als militärische Vorgesetzte. Der Landvogt besass sein Amt auf Zeit (häufig nur ein oder zwei Jahre). Die Landvögte waren zum Teil an Abgaben der Untertanen beteiligt. Vogteien waren darum recht einträglich und standen nur den regimentsfähigen Personen offen (d. h. Mitgliedern des Kleinen und Grossen Rates).
Page: Edelknabe, junger Adliger im Dienste eines Hofes. Er übernahm Botengänge, die Betreuung von Gästen, kleinere Aufgaben bei Ritterturnieren usw. Später (ab 1600) Kammerjunge genannt.
Literatur
Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz, Bd. 6, S. 258, Nr. 17, Beitrag über Schumacher Franz Xaver Placid
Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Kanton Luzern, die Stadt Luzern: II. Teil, von Reinle Adolf, Basel 1954
Schweizerisches Künstler-Lexikon (Carl Brun), Bd. 3, S. 91, Beitrag über Schumacher Franz Xaver Placidus (mit weiteren Literaturangaben)
Liebenau Theodor von, Das alte Luzern, Luzern 1937 (2. Aufl.)
Ottiger Theodor, Die Luzerner Stadtansicht des Martinus Martini 1597, hrsg. Bell Maschinenfabrik AG Kriens, 1975, Bell-Blatt Sonderdruck Nr. 12
Ostertag, Materialien zur Lebensgeschichte berühmter Luzerner IV, p. 584-590 (Manuskript der Bürgerbibliothek Luzern)
Schumacher Renato, Franz Plazid und Franz Xaver Schumacher im Himmelrich, zwei typische Vertreter des gebildeten Ancien Regime, nach einem Manuskript von Franz Josef Bühler, Luzern 1995
Katalog
Stadtansicht von Luzern. Kupferstich auf vier Platten. 1790. Von Franz Xaver Plazid Aloys von Schumacher (1755-1808). Die Originalmasse der Darstellung betragen 94 cm in der Höhe und 122 cm in der Breite; die Plattengrösse je ungefähr 42,5 x 54,5 cm. Die Vorlage befindet sich in der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek, die Originalplatten sind im Besitz der Korporationsgemeinde Luzern.
© Verein Freunde des Historischen Museums Luzern Bearbeitet von Ruedi Meier Luzern 1995