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Der Schuss im Gebirge
Abschlussarbeit zur Erlangung der akademischen Bezeichnung „Akademischer Jagdwirt“ „Akademische Jagdwirtin“ im Rahmen des Universitätslehrgang Jagdwirt/in Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft (IWJ) Department für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung Eingereicht von: LENHARDT Franziska Matrikelnummer: 8111999 Betreuer: Univ.Prof. Dr. Klaus Hackländer Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft
Department für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung
Wien, Februar 2016
2 | S e i t e
Dank an
Prof.Hackländer für die Hilfe und Verständnis,
an meinen 3 Söhnen für die Geduld.
Sie nahmen zahlreiche Entbehrungen in Kauf und hielten mir den Rücken frei.
3 | S e i t e
Inhaltsverzeichnis Einleitung ................................................................................................................................................. 5
Geschichtliche Entwicklung ..................................................................................................................... 6
Der Büchsenschuss .................................................................................................................................. 9
Munition .................................................................................................................................................. 9
Das Geschoss ..................................................................................................................................... 10
Treibladung ........................................................................................................................................ 10
Die Hülse ............................................................................................................................................ 12
Das Zündmasse .................................................................................................................................. 12
Geschosswirkung ................................................................................................................................... 13
Ausreichende Tiefenwirkung ............................................................................................................. 14
Rasch tötende Geschoßwirkung ........................................................................................................ 15
Schock- und Schlagwirkung ........................................................................................................... 15
Zerstörende Wirkung..................................................................................................................... 16
Wirksamer Ausschuss .................................................................................................................... 17
Ballistik .................................................................................................................................................. 17
Innenballistik ......................................................................................................................................... 19
Allgemeines ....................................................................................................................................... 19
Die Schußentwicklung ....................................................................................................................... 19
Die Zündung .................................................................................................................................. 20
Geschossbewegung und Druckverlauf .......................................................................................... 21
Der Geschossabgang (Abgangsballistik) ................................................................................................ 23
Die Vorgänge an der Mündung ......................................................................................................... 23
Der Rückstoß ..................................................................................................................................... 23
Laufschwingungen ............................................................................................................................. 25
Außenballistik ........................................................................................................................................ 25
Die Athmosphäre ............................................................................................................................... 26
Der Luftwiderstand ............................................................................................................................ 28
Gewicht ............................................................................................................................................. 29
Flugbahn ............................................................................................................................................ 32
Stabilität des Geschosses .................................................................................................................. 34
Kugelfang ........................................................................................................................................... 35
Aufwärts- und Abwärtsschießen ........................................................................................................... 36
Einflüsse ................................................................................................................................................. 40
Der Winkelschuss .................................................................................................................................. 40
4 | S e i t e
Athmospärische Einflüsse ..................................................................................................................... 42
Höhenlage des Reviers .......................................................................................................................... 42
Fazit ....................................................................................................................................................... 43
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 44
5 | S e i t e
Einleitung
Seit Urzeiten hat die Jagd im Leben der Menschen eine wichtige Rolle gespielt. Die Beute
stellte einen wesentlichen Teil der Ernährung des Menschen dar. Primitive Geräte, später
Pfeil und Bogen oder Saufeder waren Werkzeuge, welche unsere Vorfahren zuerst
verwendeten, dem Wild zu Leibe zu rücken.
Aus dieser Notwendigkeit entwickelte sich mit zunehmender fortschreitender Kultur aus den
einfachen Jagdgeräten das heutige moderne Jagdgewehr, sodass es wesentlich leichter
geworden ist, die Jagd mit Erfolg auszuüben, als früher. Gerade aus dieser Erleichterung
wächst jedoch die Verpflichtung das lebende Wild in seiner vielfältigen Arten und
Vorkommen zu erhalten, seine Lebensgewohnheiten kennenzulernen und es vor Gefahren
zu schützen.
Der Mensch sucht in seiner Freizeit Erholung, Entspannung und Ruhe in der Natur gerade
dort, wo sich das Wild am wohlsten fühlt. Der Jäger kennt das Wild in seinem Revier sehr
genau und weiß, welches Stück erlegt werden kann. Der Abschuss muss geplant sein, damit
zu jeder Zeit ein nützlicher, volkswirtschaftlich tragbarer Wildbestand garantiert ist. Ein
weidgerechter Jäger wird immer darauf achten, denn er will ja das Wild zur Strecke bringen
und nicht durch einen unsicheren Schuss verludern lassen.
Die Jagd im Gebirge ist für den Jäger nicht nur ein besonderes Erlebnis, sondern stellt nicht
selten eine ungewohnte Herausforderung dar. Neben der körperlichen Herausforderung ist
vor allem das Vertrauen, einen sicheren Schuss anbringen zu können, entscheidend für den
jagdlichen Erfolg.
6 | S e i t e
Der Traum eines Jägers, einmal eine alte Gams zu jagen, ist nicht nur für den Liebhaber der
Bergjagd ein Erlebnis, sondern zeigt auch oft die eigenen Gesetze am Berg.
Ein sicherer Schuss auf größere Entfernung hängt nicht nur von der Waffe und Munition ab,
sondern auch von einer ganzen Reihe verschiedener Faktoren ab. Wo liegen nun die Grenzen
zwischen „weit“ und „zu weit“? Subjektiv gesehen ist „weit“ natürlich relativ. Für den
Waldjäger, der sein Wild im Durchschnitt auf 40 bis 50 Meter erlegt, sind 100 Meter
vielleicht ungewohnt und weit. Ein Feldjäger sieht es als normal, wenn er sein Wild auf 150
Meter bejagt und einen sicheren Schuss anbringt, ein Bergjäger auf 200 Meter oder mehr.
Geschichtliche Entwicklung (A.E.Hartink)
Ursprünglich war die Jagd überlebenswichtig, lebensessentiell – ohne zu jagen hätte die
Nahrung der Menschen aus Kräutern und Beeren bestanden. Landwirtschaft und
Rinderhaltung musste erst noch erfunden werden. Unsere Vorfahren mussten Tiere jagen,
um durch deren Verzehr ihren Proteinbedarf zu decken.
Um Tiere nachstellen und töten zu können, bediente sich der frühere Mensch schnell und
mehr und mehr diverser Werkzeuge. Gegenstände für jagdliche Zwecke, also die primitiven
Jagdwaffen, zählten sogar zu den ersten Werkzeugen der Menschheit.
Die Urmenschen verwendeten primitive Schlag-, später Wurfinstrumente als Jagd- und
Verteidigungswaffen. Bald hat man jedoch erkannt, dass die mit den Wahrnehmungssinnen
besser ausgestatteten Wildtiere nur mittels Geschossen heranzukommen ist, die Distanzen
schneller zurücklegen, als der Mensch selbst. Bogen und Pfeil, später Armbrust und
schließlich Feuerwaffen war die Entwicklung.
Bekannt ist, dass die Chinesen bereits im 11. Jahrhundert die Zusammensetzung von
Schwarz- und Schießpulver kannten, es aber nicht für die Jagd entwickelten (Herrstellung
von Feuerwerksartikeln). Wahrscheinlich kam das Wissen durch arabische Händler nach
Europa, es gibt auch Meinungen, dass Marco Polo das Schießpulver zwischen 1250 und 1295
von seinen Reisen nach China mitgebracht hat. Eine dritte Theorie geht davon aus, dass das
7 | S e i t e
Schießpulver in Europa entdeckt wurde, Mönche sollten herausgefunden haben, dass man
durch das Abbrennen von Pulver auch Geschosse antreiben kann.
Die ersten tragbaren Feuerwaffen, übergroße Wallbüchsen, Rad- und Steinschloss- später
Perkussionswaffen waren für die Jagd nicht besonders gut geeignet.
Von Meyers encyclopedia 1890 1
Ab dem 18. Jahrhundert wurden die Waffen handlicher und leichter, das Prinzip des
Schießens damals und heute ist eigentlich noch das Gleiche. Das Pulver und ein Geschoß
werden in den Lauf geladen, das Pulver entzündet sich und der entstandene Gasdruck presst
das Geschoß aus dem Lauf.
Bedeutend war die Entwicklung einer Patrone. Zuerst gab es Hülsen aus Papier oder Pappe,
welche in einem speziellen Wickelsystem um den zylindrischen Teil des Geschosses gefaltet
wurden, später aus Metall mit Rand- oder Zentralfeuerzündung. Die Patrone verband zuerst
die Komponenten Geschoß und Pulverladung, später auch die Zündung.
Um 1500 wurden die ersten Läufe entwickelt, mit Bleikugeln geladen. Zuerst waren die Läufe
glatt, die Präzision war schlecht, die Bleikugeln wurden in erster Linie vom Militär eingesetzt.
Für die Jagd wurde damals schon bessere Präzision gefordert, um weiter schießen zu können
als mit Schrot.
Mit der Einführung der Patrone verschwanden nach und nach die Vorderladerwaffen, dafür
entwickelte man verschiedenste Verschlußsysteme, welche immer mehr Gasdruck
standhielten.
1 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84261
8 | S e i t e
photographed at the Musee de l'Armee, GFDL2
Die Verfeinerung des Treibladungspulvers war ein weiterer Schritt in der Weiterentwicklung
der Schusswaffen. Bei den Jagdwaffen war es schon immer die Vorgabe, das Wild möglichst
rasch und schmerzlos zu töten. Die mag wohl daran liegen, dass der Mensch vermeiden
wollte, dass Angriffe von angeschweißten, verletzten Tieren auf ihn stattfinden.
Erst in der Neuzeit begann man, die rasche und schmerzlose Tötung des Wildes jagdlich
mehr im Sinne des Tieres zu sehen. Grundsätze der Weidgerechtigkeit führten dazu, dass die
Einführung immer neuerer, technischer weiterentwickelter Jagdwaffen, Büchsen und
Flinten, Innovationen auf dem Gebiet der Patronen- und Geschoßtechnik dafür sorgten, dass
die Jagd, richtig ausgeübt, kein Leiden und kaum Schmerzen für das Wild bedeutet.
Erst im 20. Jahrhundert wurde begonnen, den Besitz und das Führen von Waffen mehr oder
weniger sinnvoll zu regeln. Seit gesetzliche Bestimmungen Tun und Unterlassen
vorschreiben, gibt es leider wenige, die sich trotzdem „illegal“ aufrüsten. Schalldämpfer,
Montage von Geräten, um mittels Lichtquelle das Ziel besser zu sehen (Nachtzielgeräte) sind
zwar für den illegalen Gebrauch, zur „Wilderei“ geeignet, eine Chance wird dem Wild nicht
gegeben. Gerade für die erforderlichen Jagdmaßnahmen in besonderen Situationen sollten
Schalldämpfer, Lampen auf Zielfernrohren und die Verwendung von Zielgeräten mit Infrarot-
oder Restlichtaufhellung keinesfalls tabuisiert werden. Bei einer genehmigten Reduzierung
von Schwarzwild zB wird man der Weidgerechtigkeit sicherlich mehr gerecht, wenn man
nicht nur auf die vagen Umrisse eines Wildschweines anlegen kann, sondern mit Hilfe eines
Nachtsichtgerätes einen sicheren, schnell tötenden Schuss anbringen kann. Und auch die
notwendige Jagd im besiedelten Bereichen, etwa auf Friedhöfen und in Parks, wird es
erheblich einfacher und mit erheblich weniger Diskussionen verbunden, wenn die Anrainer
erst gar nicht mitbekommen, dass die Reduzierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, weil
mit Kleinkaliberschalldämpfergewehren geschossen wird. Vorschriften und Bestimmungen
2 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3155441
9 | S e i t e
werden, wenn sie für den rationell denkenden Menschen nicht immer nachvollziehen sind,
auch leicht nicht mehr ernst genommen.
Grundprinzip von uns Jägern ist es, das Wild möglichst schnell und schmerzlos zu töten. Von
unseren Gewehren erwarten wir Qualität und einwandfreie Funktion. Voraussetzung für
den richtigen Einsatz der Jagdbüchsengeschosse ist die Kenntnis über Aufbau und Wirkung.
Dabei sind gerade diese beiden Kriterien, neben den ballistischen Daten, von besonderer
Wichtigkeit, um die Verwendungsmöglichkeit der Geschosse richtig beurteilen zu können.
Patronenhersteller haben ja schließlich das Ziel, Geschosse auf den Markt zu bringen, deren
Leistungsgrad die optimalste Wirkung im Wildkörper hervorruft. Am Ende sollte es jedoch so
sein, dass eine augenblicklich tötende Wirkung, auch bei ungünstigem Sitz des Treffers,
entsteht, um so das beschossene Wild weidgerecht und ohne unnötige Qualen zu erledigen.
Der Büchsenschuss
Der Büchsenschuss ist ein gezielter, präziser Schuss auf eine Entfernung. Diese optimale
Wirkung kann man natürlich nicht mit jedem Geschoß auf jedem Wildkörper erzielen.
Die Auftreffenergie im Verhältnis zur Geschoßmasse und Auftreffgeschwindigkeit muss
rechtzeitig und schnell in tötende Kraft umgewandelt werden. Das heißt in der Praxis, dass
nur die im Wildkörper abgegebene und in tödliche Wirkung umgewandelte Energie das Stück
schnell und sicher zur Strecke bringt. Diese Energie, die durch Zerlegung und/oder
Deformation entsteht, muss natürlich im Leben des beschossenen Stückes erfolgen, also im
Bereich der inneren Organe.
Munition
Waffen und Munition gehören unmittelbar zusammen. Waffe ist die Sammelbezeichnung für
alle Mittel, die der Verteidigung, dem Angriff auf einen Gegner oder dem Erlegen von Tieren
zum Zwecke der Nahrungsbeschaffung dienen.
10 | S e i t e
Munition ist ebenfalls eine Sammelbezeichnung. Es ist das Material, dass mit Waffen
verschossen wird. Sie besteht in der Regel aus dem Geschoss, Treibmittel und
Anzündvorrichtung. Bei der Patrone werden die drei Hauptbestandteile in einer Einheit
zusammengefasst.
Der Aufbau einer Patrone
Grundsätzlich besteht die Patrone aus vier Komponenten
- Geschoss
- Treibladung
- Hülse
- Zündmasse
Das Geschoss
Das Geschoss hat die Aufgabe, die für die Wirkung notwendige Energie ins Ziel zu
transportieren und dort das Gewebe zu zerreißen. Beim Abschuss in der Waffe darf es sich
nicht deformieren. Seine Form ist so zu wählen, dass eine möglichst störungsfreie und
gleichzeitige Beschleunigung im Lauf ermöglicht wird. Während des Fluges soll der
Geschwindigkeitsverlust (bedingt durch den Luftwiderstand) möglichst gering sein, keine
unkontrollierten Flugbahnen entstehen und am zudem verlangen und am Ziel rasch und
zuverlässlich wirken. So existieren – um all den vielfältigen Anforderungen gerecht zu
werden – verschiedenste Geschosskonstruktionen, die nach Form, verwendeten Material
und nach ihrem Aufbau unterschiedlich konzipiert sind. Vollgeschoss (Rundkopf),
Mantelgeschoss (Spitzkopf), Teilmantelgeschoss, Teilmantel-Hohlspitzgeschoss, sowie
Bezeichnungen, die sich auch kombinieren lassen wie z.B Teilmantelgeschoss mit Rundkopf
(MsWC) oder Bleigeschoss mit Hohlspitze (PbHSp).
Treibladung
Aufgabe der Treibladung ist es, dem Geschoss eine bestimmte Geschwindigkeit zu erteilen,
damit das Geschoss beschleunigt wird. Hierfür ist eine Kraft notwendig, die auf
verschiedenster Art erzeugt werden kann. In den meisten Fällen wird der Druck eines
11 | S e i t e
zusammengepressten Gases genutzt, der auf den Geschossboden wirkt und dadurch die
erforderliche Kraft erzeugt.
Für Schusswaffen mittlerer und größerer Leistung wird durch Verbrennung eine große
Gasmenge in einem kleinen Raum erzeugt. Verwendet werden Stoffe, die leicht brennbar
sind und bei der Verbrennung großes Gasvolumen freisetzen. Damit der Druck entsprechend
hoch ansteigen kann, muss der Raum möglichst klein gehalten werden. Für eine normale
Verbrennung ist aber zu wenig Sauerstoff vorhanden. Treibmittel müssen deshalb einen
Bestandteil enthalten, der den erforderlichen Sauerstoff mitliefert.
So sind Explosivstoffe mit Sauerstoff chemisch gebunden und nicht auf Luftzufuhr
angewiesen sind (Treibmittel und Sprengstoff). Explosivstoffe können auf verschiedene
Arten zur Reaktion gebracht werden. Oft reicht es aus, wenn Wärme zugeführt wird, andere
Stoffe reagieren auf mechanische Energie (Schlag, Reibung). Wie schnell ein Explosionsstoff
brennt, hängt stark von der Art der Anfeuerung ab.
Schwarzpulver ist das älteste Spreng- und Treibmittel. Die Zusammensetzung besteht aus
einem Gemisch aus 75 % Kaliumnitrat, 15 % Holzkohle, 10 % Schwefel. Kaliumnitrat ist
Sauerstoffträger, Kohle und Schwefel sind Stoffe zur Verbrennung. Die Herstellung erfordert
Sorgfalt, die Ausgangsstoffe werden fein zerkleinert, gemischt und dann hydraulisch zu einer
Art Kuchen gepresst. Dieser Kuchen wird dann gemahlen, die Körner gesiebt und nach
Körnergrößen sortiert.
Bei der Verbrennung von Schwarzpulver entsteht neben den Gasen Rauch (Kaliumsulfid), ein
fester Stoff, der unerwünschte Ablagerungen im Lauf verursacht. Der feste Anteil an
Verbrennungsrückstand beträgt rund 40 % der gesamten Pulvermasse. Daher wird heute
Schwarzpulver kaum noch verwendet, ausgenommen beim Schießen von historischen
Gewehren und in der Pyrothechnik.
Rauchschwache Pulver (Nitrotreibmittel) haben die Eigenschaft, dass sie nach der Zündung
sehr schnell verpuffen und praktisch keine Rückstände hinterlassen. Nitrocellulose (besteht
aus Salpeter-/Schwefelsäure auf Baumwollfasern, Alkohol) war wegen der großen
Brenngeschwindigkeit ungeeignet, sodass viele Versuche unternommen wurden,
Nitrocellulose weniger reaktionsfreudiger zu machen. Außerdem war es sehr
feuchtigkeitsempfindlich. Es wurden Stoffe gesucht, in denen Nitrocellulose gelöst werden
kann und in der Masse verbleibt. Ein solcher Stoff ist Nitroglyzerin, bekannt als ein äußerst
schlagempfindlicher Explosionsstoff. Wird Nitrocellulose in Nitroglyzerin gelöst, ergibt sich
eine knetbare Masse, die sich gut formen lässt. Beim Abbrennen des Nitropulvers entstehen
12 | S e i t e
praktisch nur Gase, bei gleicher Pulvermasse entwickelt sich ein etwa dreimal größeres
Gasvolumen als bei Schwarzpulver.
Die Hülse
Die Hülse dient als Transportbehälter für Treibmittel und Zündelement und positioniert das
Geschoss in der Waffe. Weiters dient sie dazu, dass ein gleichmäßiger Pulverbrand
stattfindet, das Geschoss richtig in den Lauf eingepresst wird, der Verbrennungsraum
abgedichtet ist und der Zündstiftmechanismus vor der Schlagwirkung des heißen
Gasgemisches geschützt wird. Auch führt die Hülse Wärme ab, damit die Waffe sich weniger
schnell erhitzt.
Steigerung der Leistung ist in erster Linie mit einer größeren Menge an Treibpulver möglich.
Die Vergrößerung des Hülsenvolumens durch Verlängerung lässt keine einwandfreie
Anfeuerung erzielen, sodass durch Verjüngung zwischen Hülsenkörper und Hülsenhals
(sogenannte Flaschenform) eine optimalere Auslösung erfolgen kann.
In der Waffe muss die Hülse abgestützt werden, damit das Geschoss und das Zündelement
richtig positioniert ist. Dazu gibt es verschiedene Hülsenkonstruktionen wie
- Hülse mit Rand (Randpatrone)
Hülsenboden ragt über den größten Durchmesser des Hülsenkörpers hinaus
- Hülse mit Gürtel (Gürtelhülse)
Wulst bei Übergang von Hülsenboden zu Hülsenkörper (starke Jagdpatronen)
- Hülse ohne Rand (Randlospatrone) Hülsenboden ragt nicht über den Hülsenkörper
Das Zündmasse
Das Zündelement hat die Aufgabe, das Treibmittel anzufeuern. Durch eine geringe Menge
eines schlag- und reibempfindlichen Explosionsstoffes wird genügend Wärme und Flamme
erzeugt, damit das Treibmittel möglichst gleichmäßig über die ganze Oberfläche zu brennen
13 | S e i t e
beginnt. Für Kurz- und Langwaffen gibt es von Sonderkonstruktionen abgesehen, drei
verschiedene Zündelementkonstruktionen:
- Ein Schlag auf den Rand der Hülse bringt den Zündsatz zur Detonation,
Zündsatz befindet sich in einem Wulst am Hülsenboden (Randfeuerzündung),
- Zündhütchen in der Mitte des Hülsenbodens(Zündglocke) mit Gegenstück
(Amboss), zentraler Zündkanal (Boxer-Zündung),
- Amboss ist Teil der Hülse und in der Zündglocke integriert, zwei oder mehrere
seitlich angebrachte Zündkanäle (Berdan-Zündung)
Geschosswirkung
Geschosse müssen sehr unterschiedlichen Anforderungen entsprechen, Form und
Konstruktion entscheiden über die gewünschte Funktion. Durch Zusammenführen von ein
oder mehreren Zusammenhängen und physikalische Gesetzen wird versucht, eine
Optimierung herbeizuführen.
Bei der Auswahl eines Büchsengeschosses bei der Jagd – ist dies aber nicht so einfach. Nach
der Abgabe des Schusses, der seine angestrebte Wirkung verfehlt hat, kann man die
Munition nicht so einfach retournieren und gegen eine andere austauschen. Ethisches
Grundprinzip soll es sein, das Wild bei der Jagd möglichst schnell und schmerzfrei zu töten.
Ein sofortiges, rasches und sicheres Töten des Wildes ist die Zielvorgabe. Die Wirkung des
Geschosses steht aber in sehr engem Zusammenhang mit dem Tierschutz.
Die Geschoßwirkung ist die von einem Geschoß am Ziel verrichtete Arbeit3. Die
Geschosswirkung ist abhängig von
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Geschosswirkung
14 | S e i t e
Der Geschwindigkeit des Geschosses
Seiner Masse
Seiner Form
Der Art des Materials,
Der Widerstandsfähigkeit des Ziels,
Der Tötungswirkung
Jeder auf ein Stück lebendes Wild abgegebene Schuss soll möglichst zum sofortigen
Verenden des Stückes führen. Der Jäger muss wissen, welche Stellen des Wildkörpers
getroffen werden müssen und welche Faktoren die Wirkung des Geschosses im Wildkörper
beeinflussen.
Wird das Wild am Blatt getroffen, dringt das Geschoß ins Herz, und das Stück bricht oftmals
im Feuer zusammen, vorausgesetzt, es ist genügend große Auftreffenergie und Stabilität des
Geschosses gegeben. So ist in den Landesjagdgesetzen in Österreich ist genau geregelt, wie
hoch diese Auftreffenergie sein darf, wie z.B. in der Steirischen Jagdgesetz § 6 (3), wo es
heißt:
….auf Schalenwild mit Kugelpatronen zu schießen, deren Auftreffenergie auf 100 Meter
Entfernung weniger als 2.000 Joule, bei Rehwild weniger als 1.000 Joule beträgt.4
Durchschlägt ein Geschoß die Wirbelsäule, so kann das Tier ebenso sofort verenden. Beide
Schüsse sind jedoch noch keine Garantie dafür, dass das Wild im Feuer zusammenbricht. Die
Gesamtwirkung eines Geschosses im Wildkörper hängt daher ab von:
Ausreichende Tiefenwirkung
Abhängig von der Auftreffenergie, dem Kaliber, der Geschoßform und der Zerlegbarkeit des
Geschosses. Je weniger ein Geschoß im Ziel zerlegt wird, umso größer wird seine
Durchschlagwirkung. Verformung bedeutet Verminderung der Durchschlagswirkung.
Das heißt, die größte Zerlegung bzw. Deformierung des Geschosses soll im Leben, also in
dem Bereich des Wildkörpers eintreffen, indem sich die lebenswichtigen Organe befinden.
Ist ein Geschoß in seinem Aufbau zu weich und es wird für den Schuss auf einen starken
4 http://www.jagd-stmk.at/wp-content/uploads/Steierm%C3%A4rkisches-Jagdgesetz-1986-Fassung-vom-09.03.2015.pdf
15 | S e i t e
Wildkörper verwendet, so wird die größte Zerlegung bzw. Deformation schon beim
Eindringen in den Wildkörper auftreten. Im Bereich der lebenswichtigen Organe wird nur
mehr unzureichende Energie vorhanden sein. Ein Ausschuss ist in den meisten Fällen
überhaupt nicht vorhanden.
Ist jedoch der Aufbau des Geschosses zu hart, wird es den Wildkörper, ähnlich einem
Vollmantelgeschoß, durchschlagen und beim Austritt aus dem Wildkörper, wenn es sich zu
zerlegen bzw. deformieren beginnt, große Wildbretzerstörungen verursachen, ohne rasch
tötende Wirkung zu hinterlassen. Bei der Verwendung von Jagdbüchsengeschossen sollte
man sich daher nach dem Sprichwort: „Grober Keil auf grobem Klotz und kleiner Keil auf
kleinem Klotz“ richten.
Die maßgeblichen Kriterien für optimale Geschoßwirkung sind dabei Geschoßgewicht,
Geschoßaufbau und Geschoßgeschwindigkeit.
Rasch tötende Geschoßwirkung
Diese setzt sich aus drei Kriterien zusammen:
Schock- und Schlagwirkung
Sie trifft beim Auftreten des Geschosses auf den Wildkörper auf und bewirkt eine Lähmung
des Nervensystems. Doppelte oder paarige Schockwirkung tritt dann ein, wenn beide
Körperhälften mit nahezu gleicher Wucht und Geschwindigkeit durchschlagen werden.5
Schnellere Geschosse haben höhere Schockwirkung und schwerere Geschosse haben
geringere Schockwirkung. Bei der Saujagd werden daher hauptsächlich schwere Geschosse
verwendet, dafür ist die Auftreffwucht höher.
Sprengwirkung
Sprengwirkung ist die Wirkung, die das Geschoß auf den Tierkörper ausübt. Infolge der
Fortpflanzung von Stoß- und Druckwellen beim Auftreffen des Geschosses auf
flüssigkeitsgefüllte Organe (Leber, Blutgefäße, gefüllter Pansen, Herz usw) tritt eine
Zerreißung bzw. –Sprengung dieser Organe ein. Je höher die Eindringgeschwindigkeit, desto
größer die Sprengwirkung.
5 http://www.impalabullets.at/data/wundballistik.pdf
16 | S e i t e
Durch die Nichtkomprimierbarkeit von Flüssigkeiten lassen diese Druckwellen Körperzellen
platzen und traumatisieren so massiv. Sowohl der durch das Geschoß verursachte Überdruck
als auch der hinter diesem sich bildende Unterdruck (Sog) sind dabei für die Wirkung
verantwortlich. Diese tritt, wie wissenschaftliche Experimente eindrucksvoll belegt haben,
auch weit vom Wundkanal (Kavitationsblase) auf. Bei allen modernen
Jagdbüchsengeschoßen, die 90 bis 100 % ihrer Masse behalten (Verbundkerngeschoße,
Massivgeschoße), erfolgt die Energieübertragung fast ausschließlich auf diese Weise.
Die Mindesteindringgeschwindigkeit muss über 500 m/s liegen, um Sprengwirkung zu
erzielen.
Zerstörende Wirkung
Die zerstörende Wirkung ist umso günstiger, je besser die Tiefenwirkung, je weitgehender
die Verformung und je größer die Zersplitterung des Geschosses im Wildkörper ist.
Zum Zeitpunkt des Aufschlages muss das Geschoss ausreichend Tötungswirkung besitzen.
„Ausreichend“ heißt, sofort, oder zumindest rasch und zuverläßlich.
Umso günstiger wirken diese Faktoren, je größer sind die Auftreffenergie und der
entgegenwirkende Widerstand im Wildkörper. Der Wunsch des Jägers ist es natürlich, dass
das beschossene Wild, im Besonderen das Schalenwild, an dem Anschuss im Feuer fällt, lässt
sich sicher auch bei besten Treffern nicht immer verwirklichen. Ein gewisser Teil des
beschossenen Stückes wird in manchen Fällen noch eine gewisse Fluchtstrecke zurücklegen.
Ein sofortiges, rasches und sicheres Töten des Wildes ist also die Zielvorgabe. Auf den Schuss
hin sollte sofort oder zumindest sehr schnell Handlungsunfähigkeit des Tieres eintreten. Mit
Handlungsunfähigkeit wird vom Tierschutzexperten gemeint, dass dies im Zuge der Tötung
nach höchstens 5 Sekunden eintritt und die Fluchtgeschwindigkeit durchschnittlich 10 Meter
pro Sekunde beträgt.
Wenn eine Analyse der Tötungswirkung durchgeführt werden sollte, dann muss man
zunächst eine maximale Fluchtdistanz des beschossenen Wildes festlegen, die akzeptiert
werden kann und muss. Eine Beurteilung der jagdlichen Eignung eines Geschosses – rasches
Töten nach einem sauberen Treffer (Kammerschuss) – ist nur über die Fluchtstrecke des
Wildes möglich, das heißt von einer optimalen Geschoßwirkung kann man sprechen, wenn
das beschossene Stück Schalenwild im Umkreis von 20 bis 50 m (je nach Wildart) vom
Anschuss zum Liegen kommt.
17 | S e i t e
Die Fluchtstrecken beziehen sich natürlich auf ebenes Gelände. Im Steilgelände kann ja das
Stück auch bei sofort tödlichen Treffern noch eine größere Strecke abstürzen.
Um messbare Parameter, die für die Tötungswirkung von Büchsengeschossen verantwortlich
sind, ist so alt wie die Büchsengeschosse selbst. Bis dato können keine einheitlichen
Parameter gefunden werden, die die Tötungswirkung eines Büchsengeschosses definieren
und beurteilen (Carl Gremse, 2012).
Wirksamer Ausschuss
Um bei schlecht angetragenen Treffern, bei denen das beschossene Schalenwild noch
gewaltige Fluchtstrecken zurücklegen kann, auch eine zielführende Nachsuche zu
ermöglichen, muss ein entsprechender Ausschuss vorhanden sein. Dieser gewährleistet das
Vorhandensein von entsprechenden Schusszeichen und einer guten Wundfährte. Diesen
sicheren Ausschuss gewährleistet bei genügend Geschoßenergie der hintere Geschoßteil,
wenn er entsprechend hart ausgeführt ist. Dieser Ausschuss soll ein Maß erreichen, welches
einerseits genügend Schusszeichen austreten lässt, andererseits aber übermäßige
Wildbretzerstörung vermeidet.
Ballistik
Ballistik - die Lehre der Bewegung und des Verhaltens von Geschossen – ist eine
ausgesprochene experimentelle Wissenschaft. Sie hängt unter anderem damit zusammen,
dass einige entscheidende ballistische Vorgänge in einem physikalischen Umfeld ablaufen,
das sich der menschlichen Vorstellung völlig entzieht (P.Kneubuehl, 2013).
Das Wort „Ballistik“ stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet die Lehre vom
Wurf und von den Bahnen geworfener Körper. Mit zunehmender Verbreitung der
Feuerwaffen wurden nach und nach alle Vorgänge, die im Zusammenhang mit der
18 | S e i t e
Bewegung eines Geschosses stehen, unter diesem Namen zusammengefasst. Es entstanden
verschiedene Teilgebiete:
Die Innenballistik befasst sich mit den Vorgängen, die sich während der Schussentwicklung in
der Waffe abspielen.
(1) Die Abgangsballistik untersucht den Austritt des Geschosses aus der
Mündung und die Störungen, die das Geschoss dabei durch Waffe und
Pulvergase erfährt.
(2) Die Außenballistik beschreibt die Bahn des Geschosses durch die Luft mit all
den Einflussen, durch die sie gestört werden können.
(3) Die Endballistik beschäftigt sich mit dem Eindringen eines Geschosses in
Stoffe (Material, Gewebe), deren Dichten wesentlich größer sind als die Luft.
Die ersten theoretischen Untersuchungen in der Ballistik wurden – eigentlich der
ursprünglichen Bedeutung des Wortes entsprechend – dem Werfen gewidmet. So haben
sich schon Leonardo da Vinci6 (15. Jahrhundert) und Galileo Gaililei (16. Jahrhundert) damit
beschäftigt.
Entwurf einer Flugmaschine, ca.1487; Leonardo da Vinci7
6 http://www.geodz.com/deu/d/Leonardo_da_Vinci
7 https://de.wikipedia.org/wiki/Pariser_Manuskripte_(Leonardo_da_Vinci)
19 | S e i t e
Erst rund 200 Jahre später begann man sich für die Vorgänge in der Waffe zu interessieren.
Erste Messversuche wurden im 18. Jahrhundert durchgeführt (Anfangsgeschwindigkeit mit
dem ballistischen Pendel), und im 19. Jahrhundert lassen sich die ersten Ansätze für die
theoretische Behandlung innenballistischer Probleme feststellen.
Innenballistik
Allgemeines
Die Innenballistik befasst sich unter anderem mit den Eigenschaften der Treib- und
Zündmittel, Verlauf des Gasdruckes, Form und Beschaffenheit der Laufbohrung, der
Bewegung des Geschosses im Lauf, Rückstoßwirkung und den Vorgängen an der
Laufmündung.
Die Schussentwicklung in einer Waffe gehört zu den extremsten Vorgängen der klassischen
Physik, gekennzeichnet durch Kurzzeitigkeit, enorme Kräfte und Beschleunigungen sowie
hohe Temperaturen.
Tabelle aus Beat.P.Kneubuehl GESCHOSSE Gesamtausgabe
Die Schußentwicklung
20 | S e i t e
Die Zündung
Der Vorgang wird durch heiße Stichflammen oder Zündstrahlen eingeleitet, die sich bei der
Verbrennung des Zündmittels bilden und durch die Zündkanäle in den Pulverraum treten.
Durch das Auftreffen des Zündstiftes auf das Zündhütchen wird der Boden einerseits gegen
den Amboss gedrückt, andererseits deformiert. Die damit verbundene Schlag- und
Reibungsenergie bringt den Zündsatz zur Detonation. Die entstehenden Gase schlagen
stoßwellenartig durch den Zündkanal in den Pulverraum der Hülse und feuern die
Pulveroberfläche an. Wichtig dabei ist, dass möglichst die ganze Oberfläche gleichmäßig und
gleichzeitig zu brennen beginnt (unterstützt durch schnellen Druckanstieg, da das Geschoss
sich zuerst nicht bewegen kann und so das Volumen des Verbrennungsraumes nicht
vergrößert).
Der Pulverabbrand
Das Entzünden der Zündmasse erfolgt durch Aneinanderreiben der einzelnen Kristalle.
Der Zündstrahl schlägt durch die Zündlochbohrung in den Brennraum der Hülse und zündet
das Pulver, welches sich unmittelbar von festen in den gasförmigen Zustand umsetzt und
somit Gasdruck aufgebaut. Die Brenngeschwindigkeit von Pulver ist stark von dem
umgebenden Druck abhängig. Mit zunehmendem Umgebungsdruck steigt daher die
Brenngeschwindigkeit massiv an. Bei 4000 bar kann die Geschwindigkeit bereits rund 60
cm/s betragen, jedoch bleibt diese normalerweise unterhalb den Geschwindigkeiten von
Detonationen.
Plättchenpulver (Schrotpatrone) Kugelpulver (Kal. 5.56x45) kurzes Röhrchenpulver (Kal.7mm) 7-Loch-Pulver
(Mittelkaliber)
21 | S e i t e
Die erforderliche Arbeit wird vom Schlagstück verrichtet, das von der Schlagfeder in Form
von Bewegungsenergie ausgeht. Die Größe der Entzündungsarbeit ist abhängig von der
Verformbarkeit des Zündhütchens und von der Entzündbarkeit der Zündmasse.
Geschossbewegung und Druckverlauf
Für die Verbrennungsgase des Pulvers steht in der Patrone kein Raum zur Verfügung, die
Folge ist ein Druckanstieg. Das bedeutet Steigerung der Bewegungsenergie der Gasmoleküle,
die dadurch mit großer Wucht gegen den Geschossboden prallen.
Übersteigt der Druck in der Hülse den Ausziehdruck, wird das Geschoss freigegeben und
beschleunigt. Am Beginn wird dem Gas zunehmend ein größeres Volumen zur Verfügung
gestellt, so lange, bis die neu entstandene Gasmenge der gleichzeitigen
Volumenvergrößerung entspricht. Danach sinkt der Druck wieder ab. Jedoch muss während
der gesamten Schussentwicklung die Energie erhalten bleiben. Die Wärmeenergie wird in
Druckenergie umgesetzt und diese in Bewegungsenergie.
Druckverlauf in einer Langwaffe
Geschossbogenweg/Geschwindigkeitsverlauf Schussentwicklung/ bei Kal. 7.5x55 Swiss
Der Gasdruck erzeugt die für die Beschleunigung des Geschosses erforderliche Kraft. Dieser
Gasdruck kann gemessen werden und ermöglicht die Berechnung weiterer wichtigen Größen
wie der Geschossgeschwindigkeit und –beschleunigung, der Rückstoßwirkung, der Belastung
des Laufes, der Belastung der Verschlussteile, Verlauf der Pulververbrennung u.a., wichtige
Grundlagen, die Aussage für die Wirkung des Geschosses im Wildkörper bilden.
22 | S e i t e
Ist das Pulver verbrannt, wird keine neue Energie mehr zugeführt. Der Druck nimmt ab, bis
das Geschoss die Mündung verlässt. Der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Druck ist für die
Vorgänge an der Mündung ausschlaggebend, man nennt diesen Druck auch Mündungsdruck.
Der Pulverabbrand muss so gesteuert sein, dass der maximale Gasdruck nicht zu groß und
der Mündungsdruck möglichst gering ist. Außerdem sollte die Mündungsgeschwindigkeit
groß werden und der Pulverabbrand abgeschlossen sein, bevor das Geschoss die Mündung
verlässt.
Bei der Schussentwicklung ist eine ganze Reihe von Energieformen beteiligt, in welche die
Pulverenergie verwandelt wird.
1) Bewegungsenergie (Bahnenergie, Drehenergie, Gase, Rückstoßenergie)
2) Wärmeenergie (innere Energie der Gase, Erwärmung Hülse und Waffe, Reibung
des Geschosses)
Die Bewegungsenergie des Geschosses beträgt ca. 30-40 % der Gesamtenergie, die Energie
der Gase rund die Hälfte. Die Drehenergie und die Rückstoßenergie sind gering. Die
Wärmeenergie, die an die Waffe übertragen wird, liegt bei 10-15 % der Gesamtenergie. Der
Rest ist Wärmeenergie und innere Energie der Gase.
Ungefähre Energieanteile für die Patrone .308Win./Energiebilanz beim Schuss:
Tabelle aus Beat P.Kneubuehl: GESCHOSSE Gesamtausgabe, Kapitel 4.2.2.4
23 | S e i t e
Der Geschossabgang (Abgangsballistik)
Beim Flug des Geschosses nach dem Verlassen des Laufes wirken äußere Kräfte auf das
Geschoss ein. Ihre Wirkung und Form bestimmen die Bewegung des Geschosses und die
Form der Flugbahn.
Die Vorgänge an der Mündung
Wenn das Geschoss die Laufmündung verlässt, stehen die Pulvergase im Lauf noch unter
relativem hohem Druck (Mündungsdruck). Wegen der großen Differenz zur Umgebung
ergeben sich in der Mündung große Strömungsgeschwindigkeiten, die sowohl das Geschoss
beeinflussen als auch auf die Waffe (und Schützen) zurückwirken.
Der plötzliche Ausgleich zwischen Mündungsdruck der Pulvergase und Luftdruck erzeugt
Schallwellen, die das menschliche Ohr als Knall wahrnimmt – den Mündungsknall.
Das Mündungsfeuer entsteht durch die unvollkommene Verbrennung der Pulvergase im
Lauf. Die Pulverreste folgen dem Geschoss und verbrennen an der Luft. Kurzer Lauf, starke
Pulverladung und leichtes Geschoss führen zu einen deutlich sichtbaren Mündungsfeuer. In
den meisten Fällen verbrennen die Pulverteilchen explosionsartig, wodurch ein zweiter Knall
entsteht; dieser ist aber wegen der Übertönung durch den Mündungsknall nicht immer zu
hören.
Durch Verdichtung der Luft an der Geschossspitze entsteht eine Kopfwelle, die den
Geschoßknall verursacht. Dieser verstärkt sich mit Verzögerung der
Geschoßgeschwindigkeit. Hören kann man diesen Geschoßknall nur, wenn man sich schräg
vor dem Schützen befindet. Der Geschoßknall tritt auf, wenn die Geschossgeschwindigkeit
größer als die Schallgeschwindigkeit ist (v ~ 330m/s).8
Der Rückstoß
Während der Schussentwicklung verspürt der Schütze einen Kraftstoß. Durch die
Schussabgabe erhalten das Geschoss und die nachströmenden Pulvergase einen bestimmten
Impuls in Schussrichtung, der durch einen ebenso großen Impuls in entgegengesetzter
Richtung ausgeglichen wird. Dieser Gegenimpuls wird Rückstoßimpuls genannt.
8 http://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/schallgeschwindigkeit/423
24 | S e i t e
Genau genommen müsste für die Bestimmung der Schussentwicklung bereits die Bewegung
des Geschosses und der Pulvergase im Lauf berücksichtigt werden. Da dies relativ schwierig
ist, ist es relativ einfacher, wenn die Impulsanteile im Zeitpunkt des Mündungsdurchganges
berechnet werden. Der Geschossimpuls ergibt sich aus der Mündungsgeschwindigkeit und
der Geschossmasse. ( p = m.v). Diese beiden von der Mündungsgeschwindigkeit abhängigen
Komponenten werden gemeinsam als Mündungsimpuls bezeichnet.
Hat das Geschoss die Mündung verlassen, strömen die Pulvergase aus und zwar mit den für
diese Gase spezifischen Ausströmungsgeschwindigkeiten. Der Impuls dieser nach dem
Geschossaustritt expandierenden Gase heißt Nachwirkungsimpuls.
Der Rückstoßimpuls setzt sich daher aus dem Mündungs- und Nachwirkungsimpuls
zusammen.
Infolge des Rückstoßimpulses wird der Waffe eine bestimmte Rücklaufgeschwindigkeit
erteilt. Das Abfangen einer Rückstoßenergie geschieht durch Erbringen von Arbeit in Form
einer Bremskraft. Diese Bremskraft (Rückstoßkraft) macht einen großen Teil des subjektiven
Rückstoßempfindens aus. Zusatzausrüstungen wie Gummikappen, gepolsterte Kleidung usw.
verlängern den Abbremsweg und verringern daher die Rückstoßkraft. Wird die Waffe fest in
der Hand gehalten bzw in die Schulter gepresst, so bildet sie mit dem entsprechenden
Körperteil eine Einheit. Bei der Berechnung der Rückstoßenergie ist anstelle der
Waffenmasse ein höherer Wert (Waffenmasse plus Anteil Körpermasse) einzusetzen.
Dadurch wird die Rückstoßenergie auch wesentlich geringer. So erklärt es sich auch, weshalb
ein fester Anschlag das Rückstoßempfinden verringert.
Normal sind Lang- als auch Kurzwaffen so konstruiert, dass der Lauf oberhalb des
Abstützpunktes liegt. Die Wirkrichtung des Rückstoßimpulses geht dadurch in einem
bestimmten Abstand am Abstützpunktes vorbei. Damit wird ein Drehimpuls erzeugt, der die
Waffe um den Abstützpunkt nach oben verdreht.
Die Rückstoßenergie lässt sich auf verschiedenen Arten beeinflussen. Ist sie allgemein groß,
wird es am einfachsten sein, eine Patrone mit geringer Mündungsenergie zu verwenden.
Soll jedoch die Mündungsenergie der Waffe erhalten bleiben, gibt es die Möglichkeit
entweder die Waffenmasse zu vergrößern (Zusatzgewichten) oder Verkleinerung der
Geschossmasse (Geschossimpuls hat den größten Anteil am Rückstoßimpuls). Je schwerer
die Waffe, desto geringer der Rückstoß.
Zur Verringerung des Rückstoßes lässt sich auch die Gasströmung an der Mündung
25 | S e i t e
ausnutzen. Mündungsbremsen verhindern das Drehen der Waffen weitgehend. Sie
vermindern jedoch nur die Drehenergie, die Rücklaufenergie wird ungefähr um den Betrag
erhöht, um den die Drehenergie sinkt.
Laufschwingungen
So rufen die im Lauf wirkenden Kräfte Erschütterungen hervor, die sich als
Laufschwingungen äußern. Dies beginnt bereits, wenn sich das Geschoss im Lauf in
Bewegung setzt wird (Drehung des Geschosses). Bis zum Zeitpunkt, in dem es den Lauf
verlässt, hat sich bei der Waffe die Laufmündung bereits einige Millimeter gehoben. Der
Schütze merkt nichts davon, es sei denn er schießt mit derselben Waffe Patronen mit sehr
unterschiedlichen Rückstoßimpulsen.
Die Drehbewegung setzt sich auch noch fort, nachdem das Geschoß den Lauf verlassen hat.
Bei großen Rückstoßenergien kann die Waffe beachtlich über die ursprüngliche
Schussrichtung angehoben werden, es kommt zu einem Hochschlagen der Waffenmündung.
Laufschwingungen beeinflussen die Treffpunktlage und spielen eine große Rolle bei der
Verbesserung der Schussleistung eines Gewehres. Schwingungen mit hoher Frequenz in
Richtung Längsachse, Einpressen des Geschosses in die Züge des Laufes, Schwingungen, die
von der Zugbelastung des Werkstoffes und senkrecht zur Längsachse gerichtet sind, sind die
Ursachen für die Ablenkung des Geschosses beim Austritt aus dem Lauf. Diese
Schwingungen setzen sich in den übrigen Gewehrteilen fort, haben jedoch unterschiedliche
Wirkung, die durch die Veränderung der Visierlinie ausgeglichen werden müssen. Jede
Veränderung der beim Schuss im Lauf auftretenden Kräfte hat eine Veränderung der
Laufschwingungen zur Folge. Daher müsste bei einer Patrone mit abweichendem Gasdruck
das Gewehr vor Abgabe des Schusses erneut eingeschossen werden.
Außenballistik
Hat das Geschoss die Mündung der Waffe verlassen, so bewegt es sich durch die Luft, bis es
auf den Boden oder auf ein Objekt aufschlägt. Seine Bewegung wird dabei im Wesentlichen
von zwei Kräften bestimmt, seinem Gewicht und dem einwirkenden Luftwiderstand.
Daneben ist es von seinem Gewicht und dem einwirkenden Luftwiderstand. Daneben ist es
26 | S e i t e
einer Reihe von Einflüssen (Störungen) unterworfen, die den normalen Bahnenverlauf zu
ändern suchen. Dazu gehören beispielsweise auch die Einwirkungen, denen das Geschoss an
der Mündung unterworfen ist.
In der Außenballistik werden einerseits der Verlauf und die Eigenschaften der ungestörten
Bahn, andererseits aber auch Größe und Auswirkungen der Störungen untersucht. Dabei
spielt der Zustand der Luft eine entscheidende Rolle.
Die Athmosphäre
Luft ist ein Gasgemisch, das vor allem aus Stickstoff (N₂) und Sauerstoff (0₂) besteht,
daneben aber noch Anteile von Kohlendioxid (CO₂) und weiteren Gasen enthält. Ein für die
atmosphärischen Erscheinungen wichtiger Bestandteil ist der Wasserdampf (H₂O). im
Gegensatz zu den übrigen Gasen ist sein Anteil sehr unterschiedlich.
Der Zustand der Luft wird durch den Luftdruck, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit
charakterisiert. Luftdruck und –temperatur lassen sich nur Barometer und Thermometer
messen. Die Luftfeuchtigkeit hat nur einen geringen Einfluss auf die Dichte. Sie wird – wenn
überhaupt – normalerweise durch eine Korrektur der Temperatur berücksichtigt.
Da der Luftdruck durch das Eigengewicht der Lufthülle erzeugt wird, nimmt er mit
zunehmender Höhe ab. Dabei spielt auch der Temperaturverlauf eine entscheidende Rolle.
Bei flachen Flugbahnen, bei denen der höchste Punkt (Flugbahngipfel) nur wenig über den
Abgangs- und Auftreffpunkt liegt, sind kaum Druckänderungen zu erwarten. Auch die
Temperatur bleibt während des ganzen Weges einigermaßen konstant, so dass in diesem
Fall mit einer konstanten Luftdichte gerechnet werden kann. Geschosse, die große Distanzen
zurücklegen, erreichen jedoch Fluggipfelhöhen von einigen hundert Metern bis zu mehreren
Kilometern. Da Luftdruck und Temperatur mit zunehmender Höhe sinkt, nimmt die
Luftdichte entsprechend ab. Die auf das Geschoss wirkenden Kräfte ändern sich dadurch so
stark, dass dieser Einfluss nicht mehr vernachlässigt werden kann.
Da sich Luftdruck und –temperatur nicht nur mit der Höhe, sondern auch stark mit dem
Wetter verändert, wurden so genannte „Normalatmospähren“ definiert, bei denen der
Druck- und Temperaturverlauf genau festgelegt sind. Die bekannteste derartige
Normalatmosphäre wurde von der „International Civil Aviation Organisation“ (ICAO)
herausgegeben (P.Kneubuehl, 2013). Diese so genannte ICAO-Atmosphäre ist weltweit am
stärksten verbreitet.
27 | S e i t e
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AComparison_International_Standard_Atmosphere_space_diving.svg
Tabelle 1 (Pokluar, 2005)
Der Temperaturverlauf in den verschiedenen Schichten unserer Atmosphäre ist im Mittel
linear. Das bedeutet, dass in gleichen Höhenabschnitten die Temperatur gleichviel ab- oder
zunimmt. Die auf die Höheneinheit bezogene Temperatur-entwicklung bezogene
Temperaturveränderung wird Temperaturgradient genannt. Der Temperaturgradient gibt
also an, um wie viel die Temperatur pro 1 Meter Höhendifferenz steigt oder sinkt.
Gewisse Länder oder Ländergruppen haben eigene abweichende Normalatmosphären
festgelegt. Die kann historisch bedingt sein (östliche Länder) oder aber auf die spezielle
geografische Lage des Landes Rücksicht nehmen (zum Beispiel Alpengebiet. Die Werte sind
selbstverständlich nicht willkürlich, sondern stammen aus Beobachtungen und Messungen
über eine lange Zeit und an vielen Orten der Erde. Sie wurden so gewählt, dass die
Normalatmosphäre etwa einem mittleren Zustand der wirklichen Atmosphäre entspricht.
Da aber in den meisten Fällen die Beschaffenheit der Atmosphäre zum Zeitpunkt des
Schießens nicht bekannt ist, werden die ballistischen Rechnungen üblicherweise mit der
zutreffenden Normalatmosphäre durchgeführt. Wie genau die Flugbahn eines Geschosses
berechnet werden kann, hängt davon ab, um wie viel sich die momentane wirkliche
Atmosphäre von der Normalatmospähre unterscheidet. Die Abweichungen zwischen
Rechnung und tatsächlicher Flugbahn werden umso größer, je mehr sich der
28 | S e i t e
Temperaturverlauf von der linearen Abnahme unterscheidet und der Luftdruck vom
Normalluftdruck abweicht.
Große Unterschiede zu Normalbedingungen ergeben sich beispielsweise im Winter bei so
genannten Inversionswetterlagen. Hier ist die Lufttemperatur in höheren Lagen
(normalerweise oberhalb einer Nebeldecke) höher als in tiefen Lagen. Die Temperatur ist
also im Gegensatz zur Normalatmosphäre anfänglich steigend (daher auch der Name
„Inversion“) und erst später fallend. Ein anderer abweichender Fall ergibt sich bei warmem
Sommerwetter, wenn die Bodentemperaturen infolge der Sonneneinstrahlung viel höher
sind, als es den Normalverhältnissen entspricht. Die Temperatur nimmt in diesem Fall in den
untersten Schichten wesentlich stärker ab als die Normalatmosphäre vorgibt.
Der Luftwiderstand
Für die Bestimmung einer Flugbahn ist in erster Linie das Wissen über die auf das Geschoss
wirkenden Kraft (genauer gesagt, der durch die Kraft verursachten Verzögerung)
ausschlaggebend.
Das erste Newtonsche Grundgesetz der Mechanik lautet:
Jeder Massepunkt verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung auf
geradliniger Bahn, solange keine Kräfte (äußere Einflüsse) auf ihm einwirken. (Barthold,
1986)
Beim Flug des Geschosses nach dem Verlassen des Laufes wirkt der Geschoßbewegung eine
frontal wirkende Kraft, deren Größe von der Form der Geschossspitze abhängt, von der
Reibung zwischen Geschoßmantelfläche und Luft und vom Sog am Geschossboden
entgegen.
Wird ein Geschoss von Luft umgeben, so kommt es innerhalb der Strömung zu Änderungen
der Geschwindigkeit und des Druckes. Die Luftteilchen werden von der Geschossspitze an
erst beschleunigt, dann wiederum verzögert. Dabei erfahren die dem Geschoss näher
gelegenen Luftschichten eine größere Geschwindigkeitsänderung als die weiter entfernten.
Die Arbeit, die für die Beschleunigung notwendig ist, wird von der Druckenergie
entnommen. Die Geschwindigkeit steigt an während der Druck sinkt.
29 | S e i t e
Wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeiten der umströmten Luftschichten entsteht
zwischen den Molekülen Reibung, die einen Teil der Bewegungsenergie in Wärme
umwandelt. Der verbleibende Rest reicht dann nicht mehr aus, um hinter dem Geschoss die
ursprünglichen Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse wieder herzustellen. So bildet sich
an der Rückseite eine Wirbelstrasse, in der ein Unterdruck herrscht als auf der Vorderseite.
Aus dieser Druckdifferenz ergibt sich eine Kraft, die der Bewegungsrichtung entgegenwirkt
und das Geschoss bremst. Diese Kraft wird als Bodensog bezeichnet. Sie macht den größeren
Teil des Luftwiderstandes aus (50 bis 60 % bei Überschallgeschwindigkeit.
Jedes Gas haftet an der Oberfläche eines umströmenden Körpers. Innerhalb einer sehr
dünnen Schicht (Schlieren) wird die effektive Strömungsgeschwindigkeit erreicht. Die
Geschwindigkeitsunterschiede innerhalb dieser Grenzschicht sind sehr groß. Es entsteht
Reibung und die Energie wird in Wärme umgewandelt, und die Geschossenergie nimmt ab.
Fliegt ein Geschoss schneller als die Schallgeschwindigkeit (1.235 km/h), so bildet sich an der
Geschossspitze eine Stosswelle. Die Strömungsgeschwindigkeit wird sprungartig auf
Unterschallgeschwindigkeit verzögert und gleichzeitig werden Druck und Dichte erhöht.
Dieser Verdichtungsstoß ist auch die Ursache für den Überschallknall.
Der Luftwiderstand ist also eine Kraft, die beim Flug durch die Luft auf das Geschoss wirkt.
Merkmale des Luftwiderstandes sind daher
der Angriffspunkt (Punkt, wo der Luftwiderstand im Massemittelpunkt des Geschosses
angreift), - Reibung zwischen Geschossmantelfläche und Luft
die Richtung, wie der Luftwiderstand der Bewegungsrichtung entgegenwirkt
der Größe des Luftwiderstandes (abhängig von Luftdichte, Lufttemperatur, Geschossform,
Geschossgeschwindigkeit, Oberflächenbeschaffenheit des Geschossmantels) – Sog
Geschossboden.
Gewicht
Nach Newton’schen Axiome bestimmen Masse und Geschwindigkeit eines Körpers seinen
Bewegungszustand.
Seine 1. Axiom macht Aussagen über die Bewegung von Körpern ohne äußerliche Einwirkung
(Trägheitsprinzip):
„Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Transaktion, sofern er
nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustandes gezwungen wird.“ (Hoyer,
1977)
30 | S e i t e
Das 2. Axiom definiert die Kraft als die zeitliche Änderung der Bewegungsgröße. Das kann
sowohl durch Änderung der Masse als auch durch Änderung der Geschwindigkeit entstehen
(Aktionsprinzip):
„Die Änderung der Bewegung ist die Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und
geschieht nach Richtung derjenigen, geraden Linien, nach welcher jene Kraft wirkt“. (Hoyer,
1977)
Das Grundgesetz der Dynamik ist daher Kraft = Masse mal Beschleunigung. (Barthold, 1986)
Das 3. Axiom besagt, dass jede Kraft mit einer betragsmäßig gleich großer Gegenkraft
verbunden ist („Actio gleich Reactio“ /Wechelwirkungsprinzip):
„Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft
aus (actio), so wirkt eine gleich große, aber entgegen gerichtete Kraft vom Körper B auf
Körper A.“ (Hoyer, 1977)
Ein Körper kann mehrere Bewegungen gleichzeitig ausführen, wobei sich die einzelnen
Bewegungen gleichzeitig nicht beeinflussen. Beispiel: 2 Kugeln, die sich auf gleicher Höhe
befinden werden gleichzeitig in Bewegung gesetzt. Die eine wird nur fallen gelassen, die
andere horizontal geworfen. Beide kommen zum selben Zeitpunkt auf dem Boden an. Die
zusätzliche horizontale Bewegung der zweiten Kugel nimmt auf ihre Fallbewegung keinen
Einfluss. (P.Kneubuehl, 2013)
Wegen dieser Unabhängigkeit von Bewegungen lässt sich die am Geschoss wirkende
Erdbeschleunigung in zwei Komponenten aufspalten: Verzögerung infolge Luftwiderstand
Krümmung der Flugbahn infolge Gewicht.
Geschosse, die in gezogenen Läufen beschleunigt geworden sind, rotieren außerordentlich
schnell um ihre Längsachse. Der auf ein Geschoss einwirkende Luftwiderstand greift nicht im
Schwerpunkt an, sondern im Luftkraftangriffspunkt, der zwischen Schwerpunkt und
Geschossspitze des Geschosses liegt und es bekommt Kreiselbewegung: das Geschoss weicht
nicht in Kraftrichtung aus, sondern in Richtung Drehimpuls. Es bewegt sich deshalb mit
seiner Längsachse entlang einer Kegelfläche um die Bewegungsrichtung und kippt deshalb
nicht um.
31 | S e i t e
Eine weitere Drehbewegung um eine (horizontale) Querachse vollführt das Geschoss, indem
es mit seiner Achse der Flugbahntangente folgt. Diese Bewegung ist dafür verantwortlich,
dass das Geschoss stets von einer Querströmung von unten beeinflusst wird. Diese Kraft
bewirkt, dass bei einem rechtsdrehenden Geschoss (Rechtsdrall) diese Querströmung nach
links wirkt und bei einem linksdrehenden nach rechts. Diese Kraft nennt man Magnuskraft.
(vergleichbar mit einem Fussball)
Ein rotierender Körper wird im rechten Winkel zur Anströmrichtung abgelenkt9
Geschosse müssen ab dem Mündungsabgang stabil im atmospärischen Raum fliegen, um die
notwendige Schussleistung und genau mit der Geschossspitze auf den Körper aufzutreffen.
So wird das Geschoss durch das Drallprofil im Lauf in eine Drehbewegung um die Längsachse
versetzt. Die Umdrehungsgeschwindigkeit ist abhängig von der Geschwindigkeit des
Geschosses und von der Dralllänge (Länge, die das Geschoss geradlinig zurücklegt, während
es sich einmal um die eigene Achse dreht). Die Dralllänge wird auf das Kaliber bzw. vor allem
auf das Geschossgewicht abgestimmt.
Grundsätzlich verhält sich das Geschoss wie eine Kreisel: Ist das Geschoss nicht ausreichend
stabil, beginnt es zu kippen und überschlägt sich (Hauptursache, wenn die Dralllänge nicht
mit den Geschosseigenschaften abgestimmt ist). Durch einen Stoß, etwa durch Kontakt des
Geschosses mit einem Hindernis, kann ein Taumeln des Geschosses erfolgen, es ist in diesem
Fall nicht mehr richtungsstabil und nur mehr bedingt einschätzbar. Jeder weitere Stoß kann
zu einer Richtungsänderung des Geschosses führen und schließlich überhaupt nicht mehr
einschätzbar sein. Passt die Dralllänge nicht zum verwendeten Geschoss, wird die Büchse
keine ausreichende Schussleistung liefern. Das Geschoss kommt nicht ausreichend
9 https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AMagnus_Effect_at_Flettner_Rotor_Boat.svg
32 | S e i t e
drallstabilisiert mit der Geschossspitze am Ziel an (P.Kneubuehl, 2013). Beim Umstieg auf
bleifreie Geschosse kann das Problem auftreten (bleifreie leichtere Geschosse/Drallprofil).
Flugbahn
Das Bedürfnis, Flugbahnen vorauszuberechnen ist in vielfacher Hinsicht ein nützliches
Instrument für Grundlagenberechnungen (maximale Reichweiten, Gefahrenzonen,
Bestimmung für Visierbereichen und günstige Einschießentfernungen,
Treffpunktunterschiede im Gelände, Treffpunktabweichungen bei Windeinwirkung).
Im Zusammenhang mit Kurz- und Langwaffen wird das Geschoss als Massenpunkt betrachtet
und angenommen, dass die Flugbahn in einer Ebene liegt.
Für die Bewegung des Geschosses sind zwei Komponenten ausschlaggebend, der
Luftwiderstand und das Gewicht. Weil sich der Luftdruck mit zunehmender Höhe ändert und
der Luftwiderstand von der Machzahl (Verhältnis Geschwindigkeit zur Schallgeschwindigkeit)
abhängig ist, muss die Flugbahn berechnet werden.
Im Zusammenhang mit dem jagdlichen Schuss auf unbekannte oder geschätzte Distanzen
kommt es sehr stark auf den Verlauf der Flugbahn in Bezug auf das Zielen des Schützen an.
Zielpunkt: Erwarteter Einschlagpunkt des Geschosses
Haltepunkt: Punkt, der mit der Visiereinrichtung anvisiert wird,
um den Zielpunkt zu treffen
Treffpunkt: Effektiver Einschlagpunkt des Geschosses
Visierlinie: Verbindungsgerade Auge-Visiereinrichtung-Haltepunkt
Mündungslinie: Verbindungsgerade Mündung-Zielpunkt
Fallen Halte- und Zielpunkt zusammen, so bezeichnet man diesen Zielvorgang mit „Fleck“.
Die maximale Flughöhe des Geschosses (Gipfelhöhe) ist für die Berechnung der Flugbahn
33 | S e i t e
entscheidend. Das zu treffende Ziel (z.B. Blattschussfläche beim Reh) hat immer eine gewisse
Ausdehnung in der Höhe (Zielhöhe). Solange die halbe Zielhöhe größer ist als die Gipfelhöhe,
spielt die genaue Schussentfernung keine Rolle; das Ziel wird getroffen. Die maximale
Schussdistanz, bei der die ganze Flugbahn innerhalb der Zielhöhe ist, heißt durchgehender
Visierbereich der betreffenden Zielhöhe. Übersteigt die Gipfelhöhe die Zielhöhe, wird der
Distanzbereich, in dem das Ziel getroffen wird, stark eingeschränkt. Weil die
Visiereinrichtung über der Laufachse angebracht wird, muss für die Berechnung der
Visierbereiche die Gipfelhöhe ungefähr um den halben Abstand Laufachse/Visierlinie
verkleinert werden. Besonders bei kurzen Flugdistanzen kann es vorkommen, dass die
gesamte Flugbahn unterhalb der Visierlinie verläuft. Geläufig sind daher in diesem Fall
Visierkorrekturen, d.h. ein höherer Treffpunkt wird durch ein Tieferstellen der
Zielvorrichtung erreicht. (P.Kneubuehl, 2013)
Der durchgehende Visierbereich eignet sich sehr gut, um die Strecke der Flugbahn zu
charakterisieren. Besonders bei den Jagdpatronen wird dies ausgenutzt, bei denen immer
die günstigste Einschießentfernung (GEE) angegeben wird. Als GEE wird der Punkt
bezeichnet, der zum zweiten Mal die Visierlinie schneidet, ist ein Maß für die Rasanz des
Geschosses (abhängig von Geschossgewicht, Geschossgeschwindigkeit, Form des
Geschosses) und gibt die Entfernung an, bis zu der geschossen werden kann ohne
Haltepunkt-Änderungen durchführen zu müssen. Dabei wird von einem Abstand von
Visierachse und Laufachse von 5 cm ausgegangen, weiters soll das Geschoss auf seiner
Flugbahn nicht mehr als 4 cm über der Visierlinie abweichen, Wird die Waffe auf 100 m auf
GEE eingeschossen, muss das Zielfernrohr so eingestellt sein, der Treffer bei 100 Meter 4 cm
hoch liegt.
Die GEE kann einer Schusstafel der betreffenden Patrone entnommen werden, auch ist
meist die GEE auf den meisten Munitionsschachteln angebracht und unterliegt ebenso den
ballistischen Daten. Wichtige Daten für die Flugbahn in Abhängigkeit zur Distanz werden
aufgelistet (Geschwindigkeit, Energie, Schusswinkel, Flugzeit, Gipfelhöhe und Gipfeldistanz)
und versetzen somit den Jäger in die Lage, auch ohne Hilfe des Büchsenmachers die Ballistik
des Kalibers seiner Waffe zu verstehen.
34 | S e i t e
Hinweis auf Munitionsschachtel 10
Ein Wind, der quer zur Geschosslaufbahn weht, erzeugt eine seitliche Kraft zum Geschoss.
Dieser Querwind und der durch die Geschossgeschwindigkeit erzeugte „Fahrtwind“ ergibt
zusammen eine leicht schräge Anströmrichtung gegen das Geschoss. Aufgrund der
Stabilisierung stellt sich das Geschoss mit seiner Längsachse der Anströmrichtung entgegen.
Dem Luftwiderstand wirken die Komponenten der Bewegungsrichtung des Geschosses und
eine in seitlicher Windrichtung entgegen. Man kann sofort ersehen, dass Geschosse mit
großem Luftwiderstand (stumpfe, leichte Geschosse) auch eine große seitliche
Kraftkomponente erhalten und somit stärker abgelenkt werden als Geschosse mit geringem
Luftwiderstand (spitze, schwere Geschosse).
Stabilität des Geschosses
An welchem Stelle das Geschoss auf dem Wildkörper auftrifft, der Treffpunkt, ist ein
wesentliches Kriterium für den Jäger. Befindet sich dieser Punkt nicht in der tödlichen Zone,
ist es auch für das wirksamste Geschoss schwierig, die Tötungswirkung zu bringen.
Die Schussleistung der Waffe ist ausschlaggebend, ob nun getroffen wird. Um die Zielzone
des Wildkörpers punktgenau zu treffen, reicht es normalerweise aus, wenn auf 100 Meter
ein 4 Zentimeter großer Streukreis auftritt. Das reicht auch aus, um auf 200 Meter noch
einen guten jagdlichen Schuss anbringen zu können. Wird aber die Schussdistanz größer und
soll weidgerecht gejagt werden, sollte beachtet werden, dass das Geschoss länger fliegt und
desto länger können Störfaktoren eintreten.
10
www.jaguar-geschosse.de/html/ballistik/110_502.jpg
35 | S e i t e
Ein Geschoss besitzt nämlich hinsichtlich seiner Eigenbewegung um den Schwerpunkt eine
Ruhelage (Längsachse des Geschosses fallen mit der Flugbahntangente zusammen), das
Geschoss hat die Fähigkeit, seine Achse immer der Bewegungsrichtung (Bahntangente)
anzupassen und der Winkel (Drallwinkel) zwischen Geschossachse Visiertangente ist in
jedem Punkt klein. Wirkt kurzfristig eine Störkraft ein, kann es entweder nach Abklingen der
erzwungenen Bewegung wieder in die Ausgangssituation zurückkehren. Das Geschoss ist
stabil. Werden jedoch die Störungen verstärkt, wird das Geschoss instabil.
Störungen, die auf ein Geschoss einwirken, verursachen einen Drehmomentstoß, der die
Geschossachse aus ihrer Ruhelage bringt. Für die Stabilität ist es entscheidend, ob sich der
Angriffspunkt der Luftkraft vor oder hinter dem Schwerpunkt befindet.
Liegt er hinter dem Schwerpunkt, wirkt die Luftkraft einer Auslenkung der Geschossachse
entgegen und es tritt Stabilität ein. Liegt dieser vor dem Schwerpunkt, wird die
Geschossachse ausgelenkt und es tritt Destabilisierung ein. Das Geschoss versetzt sich bei
Beschleunigung gleichzeitig in eine Drehung um seine Längsachse und somit zu einem Kreisel
wird (Kreiseleffekt) (P.Kneubuehl, 2013) . Ist das Geschoss nicht ausreichend stabilisiert,
beginnt es zu kippen und überschlägt sich.
Kugelfang
Die Umdrehungsgeschwindigkeit des Geschosses reduziert sich während der gesamten
möglichen Flugbahn nur unwesentlich. Das heißt, das Geschoss wird über den gesamten
maximalen Schussbereich - Gefährdungsbereich 5.000 Meter bei Büchsenschuss- (Der
Lehrprinz Jagdprüfungsbehelf, 2013)stabil fliegen und mit der Geschossspitze voran auf dem
Ziel auftreffen. Nur durch diese Stabilisation kommt auch der Gefährdungsbereich zu Stande
. Das bedeutet, dass ein Schuss über mehrere Kilometer fliegen kann, drallstabilisiert und vor
allem richtungsstabil bis zum Auftreffen auf dem Zielpunkt tödliche Wirkung haben kann.
Durch den Kontakt des Geschosses mit einem Hindernis kann es zu einer Destabilisierung
kommen, das Geschoss ist nicht mehr richtungsstabil und nur mehr bedingt einschätzbar.
Jedes weitere Hindernis kann zu einer weiteren Richtungsänderung des Geschosses kommen
und ist schließlich überhaupt nicht mehr einschätzbar. Bietet das Hindernis einen geringen
Widerstand, kann das Geschoss kurzfristig destabil werden, der Kreiseleffekt sorgt dann
nach kurzer Wegstrecke jedoch wieder für eine stabile Flugphase.
36 | S e i t e
Wenn das Geschoss im Lauf nicht ausreichend stabilisiert wird (Dralllänge passt nicht zum
verwendeten Geschoss) wird die Waffe keine ausreichende Schussleistung liefern.
Beim Schießen auf normalen Schussdistanzen (50 bis 200 m mit der Langwaffe) erfährt das
Geschoss unterwegs zum Ziel kaum Abweichungen von der Bahn (abgesehen vom
Windeinfluss). Differenzen können eine Frage der Waffe, der Munition und der
Schießtechnik sein.
Bei großen Schussdistanzen erfährt das Geschoss jedoch zusätzliche Probleme wie zum
Beispiel Flugzeit, Energieverlust, Luftwiderstand. Das Geschoss muss für große Schussweiten
einen möglichst geringen Luftwiderstand und eine möglichst kurze Flugzeit haben, das heißt
das Verhältnis der Gewichtskraft des Geschosses zur Geschoßquerschnittsfläche
(Querschnittsbelastung) und die Mündungsgeschwindigkeit müssen hoch sein.
Aufwärts- und Abwärtsschießen
Waffen werden üblicherweise horizontal eingeschossen. Wird jedoch mit der gleichen
Visiereinrichtung im Gelände aufwärts oder abwärts geschossen, so nimmt die Flugbahn
einen anderen Verlauf, als dies beim Einschießen der Fall ist.
Wesentlichen wirken nun zwei Kräfte auf das Geschoss ein, der Luftwiderstand und
Geschwindigkeit:
Das Geschoss wird mit einer Mündungsgeschwindigkeit V₀ horizontal abgeschossen. Beim
Geschoss stellt sich an der Oberfläche eine Druckverteilung ein, die von der Form des
Körpers und von der Strömungsgeschwindigkeit abhängig ist ein und es kommt zur Änderung
der Geschwindigkeit und des Druckes, das heißt das Geschoss wird gebremst. Die Abnahme
37 | S e i t e
der Geschwindigkeit wird mit Zunahme der Distanz immer geringer (entsprechende Werte
finden sich in den ballistischen Werten mancher Munitionsherrsteller - Schusstafeln).
Das Geschoss bewegt sich real zu einer Flugbahn
(Parabel).
Der Luftwiderstand ist abhängig von der Geschwindigkeit. Ein horizontal abgefeuertes
Geschoss würde so lange horizontal weiterfliegen und dabei immer mehr an
Geschwindigkeit einbüßen, bis es in der Luft stehenbleibt. Eine zweite Kraft, die
Erdanziehungskraft, die die Eigenschaft besitzt, jeden Körper in Richtung Erdmittelpunkt zu
ziehen, wirkt auf das Geschoss ein. Fallende Körper werden stetig beschleunigt, das heißt,
die Fallgeschwindigkeit nimmt zu. Der Luftwiderstand, der auch in vertikaler Richtung
wirksam wird, bremst auch hier die Fallgeschwindigkeit.
Vergleichbar mit einem Gartenschlauch, hier geschieht nichts anderes:
Bei einem horizontal gehaltenen Gartenschlauch ist die Parabel des Wassers sehr schön zu
erkennen; die Flugbahn geht nur abwärts. Ist das Ziel auf Höhe des Schlauchendes, muss die
Schlauchmündung etwas nach oben gerichtet werden. Je weiter das Ziel entfernt ist, desto
steiler muss der Schlauch nach oben gerichtet sein. Es entsteht ein Winkel, der
Abgangswinkel, bei 40⁰ bis 45⁰ die maximalste Wurfweite erreicht wird.
Die Mündung der Waffe zeigt – wie beim Wasserschlauch – etwas nach oben, um die
Flugbahn so zu richten, dass der Schuss genau ins Ziel trifft.
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Winkel zwischen Schusswinkel und Visierlinie ist der Abgangswinkel oder Schusswinkel α.
Dieser Winkel ist für eine bestimmte Patrone immer gleich. Je schneller das Geschoss ist,
desto kleiner wird dieser Winkel.
Was geschieht nun, wenn die Waffe auf 200 m eingeschossen wird: durch Vergrößerung des
Schusswinkels (Verstellen der Visiereinrichtung) wird die Flugbahn vergrößert und bei 100 m
wird es zu einem Hochschuss kommen. Daher ist es notwendig, die Waffe auf die günstigste
Einschussentfernung (GEE) einzuschießen. Da bei Jagdgewehren die Laufachse unterhalb des
Zielfernrohres liegt und diese bzw. die Fortsetzung der Visierlinie erst nach etwa 20 bis 50
Meter schneidet,
wird der GEE auch als der Punkt bezeichnet, der zum zweiten Mal die Visierlinie schneidet.
Sofort nach Verlassen des Geschosses aus der Laufmündung wirkt kontinuierlich die
Erdanziehung. Das Geschoss fällt zeitabhängig nach unten, das heißt, das Geschoss fällt mit
zunehmender Schussdistanz immer schneller.
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Die Flugzeit des Geschosses zwischen 200 und 300 Meter ist länger als zwischen 0 und 100
Meter, weil der Luftwiderstand das Geschoss gleichmäßig bremst.Die Flugbahn reicht weit
über die GEE hinaus und ist festgelegt durch den Winkel der Laufachse und Visierlinie.
Sie bildet sozusagen ein Dreieck. Durch Änderung des Schusswinkels verändert sich die
Fallstrecke. Beim Schuss mit einer Patrone mit Fleckschussentfernung 180 Meter innerhalb
der GEE – bis und mit 45 ⁰ Schusswinkel ist keine Haltepunktveränderung notwendig, danach
ist jedoch eine ist eine Haltepunktkorrektur notwendig. Ein Hochschuss wäre die Folge.
Verlauf Flugbahn11
http://lutzmoeller.net/Ballistik/Bergauf-bergab-schiessen.php
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Einflüsse
Meist handelt sich bei Büchsenschüsse im Gebirge um Weitschüsse oder Schüsse steil
bergauf oder bergab. Aufgrund der Höhenlage, Schusswinkel, Schussentfernungen ergeben
sich andere ballistische Voraussetzungen als in den Tallagen.
Unter der Voraussetzung, dass die Waffe und die Munition optimale Schussleistung erbringt,
und damit waffen- und munitionsabhängige Streuungen ausgeschlossen werden können,
sind äußere Einflüsse zu berücksichtigen, wie der Winkelschuss, die Einflüsse der
Athmosphäre (Windeinfluss) und die Höhenlage des Reviers.
Der Winkelschuss
Besondere Bedeutung muss der Flugbahn des Geschosses beim Schuss nach oben oder nach
unten beigemessen werden, im praktischen Gebrauch nur dann, wenn das Wild in größerer
Entfernung geschossen wird und dies in einem
Winkel von mehr als 30⁰ bergauf oder bergab. Bis
30⁰ ist aufgrund der geringen Flugbahnabweichung
keine Haltepunktkorrektur notwendig, d.h. wenn
beim Schießen vom Hochsitz auf sehr nahe
stehendes Wild steil nach oben (nach unten)
geschossen wird, aufgrund der geringen
Flugbahnabweichung keine Haltepunktkorrektur
notwendig ist. Zu beachten ist die eventuell die
Visierhöhe des Zielfernrohres.
Auf große Entfernung ist aber die eintretende
Flugbahnänderung und damit geänderte
Treffpunktlage (Hochschuss) zu berücksichtigen.
Flugzeit und Flugbahn hängen von der Rasanz und
dem Geschosstyp zusammen. Abgangswinkel beim
Schuss bergauf und bergab ändert sich nicht, die Fallstrecke und die Fallrichtung (senkrecht
zur Horizontalen) aber gleich groß bleiben, ergibt sich ein Hochschuss. Das heißt, wenn ich
auf ein Stück Wild ziele, dass hoch über oder unter mir steht, der Abgangswinkel des
Geschosses bezogen auf den Zielpunkt gleich bleibt. Bedingt durch die Erdanziehung fällt das
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Geschoss senkrecht zur Erdoberfläche um die gleiche Strecke wie beim horizontalen Schuss.
Es ergibt sich dadurch eine gestreckte Flugbahn und eine größere Rasanz des Geschosses.
Tatsächlich ist sowohl beim horizontalen und bergauf/bergab Schuss, dass die
Treffpunktlagenänderung so klein ist, dass in beiden Fällen das gleiche Maß angenommen
werden kann.
Der Wildkörper erscheint beim steil bergauf kleiner. Der Jäger visiert längsseitig den
Wildkörper an, somit ist beim waagrechten Schuss die größte Breite des Wildkörpers zu
sehen. Mit zunehmendem Winkelschuss wird die Ansicht des Wildkörpers immer schmäler.
Der Schuss auf ein schräg stehendes Stück sollte nur durch die
Kammer führen; Daher ist es zu empfehlen, den Schusswinkel,
dass beim Anvisieren die Entfernung des Wildes zu
berücksichtigen.
In der Praxis heißt das, dass das Stück Wild auf
250 Meter bei einem Schusswinkel von 45⁰ so
zu behandeln wäre, als stünde es 177 Meter.
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Athmospärische Einflüsse
Auch atmosphärische Einflüsse verändern besonders im Hochgebirge die Treffpunktlage des
Schusses in großer Entfernung.
Besonders bei großer Kälte unterkühlt sich der Lauf und die Munition, und somit auch das
Pulver und eine große Menge an Treibgaswärme wird abgegeben. Zudem ist im kalten
Winter die Luftdichte höher, die einen größeren Luftwiderstand auf das fliegende Geschoss
ausübt. Bei großen Entfernungen kann es dies daher zu einem Tiefschuss führen.
Ein von der Seite wehender Wind kann auch sehr wesentlich auf die Flugbahn des
Geschosses einwirken. Besonders bei leichteren und langsamen Geschossen ist dies oft
erkennbar, aber auch bei schwereren Geschossen ist die ersichtlich. Es kommt zu einem
Abdriften des Geschosses. Daher muss bei Wind bereits bei Schussdistanzen bis 300 Meter
der Haltepunkt oder die Einstellung der Visierung berücksichtigt werden. Je höher die Rasanz
des Geschosses ist, desto kürzer ist die Flugzeit und desto geringer die Abdrift. Für die
Korrektur ist dabei vor allem das Schätzen der Windrichtung und der Windgeschwindigkeit
notwendig. Außerdem ist das Geschoss oft einige Sekunden unterwegs; bei böigem Wind
kann sich die Windgeschwindigkeit und –richtung in dieser Zeitspanne durchaus ändern.
Nicht zu unterschätzen ist gerade bei der Gamsjagd das Abdriften des Geschosses durch
Seitenwind, wenn auf große Entfernungen oft am Gegenhang geschossen wird. Starke
auftreibende Winde und fallende Winde gerade über den Gegenhang sind zu
berücksichtigen.
Höhenlage des Reviers
Da mit zunehmender Höhenlage die Luftdichte abnimmt, nimmt auch der Luftwiderstand,
der dem Geschoss entgegenwirkt, d.h. die Luft wird dünner. Bei einem Hochschuss von 4 cm
auf 100 Meter in der Ebene, können je nach Höhenlage und Munition schon noch 4 – 5 cm
dazukommen. Das ist besonders bei Waffen, die in tieferen Lagen eingeschossen wurden, zu
berücksichtigen. Verwendung einer entsprechend hochrasanten Patronen lassen sich grobe
Fehlschüsse vermeiden, es empfiehlt sich auch, in hochgelegenen Lagen einige Probeschüsse
auf die zu erwartende Entfernung zu machen.
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Fazit
Damit wir Jäger neben den Schönheiten einer Jagd im Gebirge uns auch über etwaige
Gefahren und Auswirkungen bei der Schussabgabe am Berg bewusst sind, ist es notwendig,
sich über die Wirkung von Büchsengeschossen im Klaren zu sein. Es gibt inzwischen sehr
gute wissenschaftliche Erkenntnisse, meist aber kann der „normale“ Jäger mit den Aussagen
der Ballistiker wenig anfangen. Mit technischem Sachverstand lässt sich einfach erklären,
warum sowohl der Schuss bergauf als auch der Schuss berab im gleichen Umfang einen
Hochschuss bewirkt und wenn überhaupt, in beiden Fällen tiefer anzuhalten ist.
Wir Jäger haben allergrößte Verantwortung, sind wir doch die einzigen Menschen, die „kreuz
und quer“ im Revier Schüsse abgeben dürfen. Auf einem Schießstand gibt es Blenden und
Wälle, im Revier aber keine Sicherung gegen unbeabsichtigte oder fahrlässige Schüsse.
Einen wissenschaftlichen Anspruch stellt diese Arbeit nicht, ich habe lediglich versucht zu
erklären, welche physikalischen Gesetze am Berg herrschen. Bewusstsein und solides Wissen
über den Schuss im Gebirge sind notwendig.
Meine Arbeit ist nicht vollständig, würde mein Sohn Jakob sagen, der mir – ein fast fertiger
akademischer Techniker immer das nötige Feedback zu meinen Ausführungen gegeben hat
und für Diskussionen zur Verfügung stand.
„BERGAUF HAT DRAUF, BERGRUNTER HALT DRUNTER“
soll richtigerweise heißen:
„BERG RAUF, BERG RUNTER, HALT IMMER DRUNTER“
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Literaturverzeichnis
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