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Der Streit ums Erbe

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Wie Sie Ihre Interessen wahren und Konflikte vermeiden. Spannende Fälle aus der Praxis zeigen, worauf es ankommt Erfreut nehmen Erben die Nachricht vom ihnen zustehenden Nachlass auf, nur um festzustellen, dass das an sich positive Ereignis mit ärgerlichen Konsequenzen verbunden ist: unklare Testamente, zahlreiche Miterben oder komplizierte Familienkonstellationen – es gibt viele Gründe, warum es zum Streit ums Erbe kommt. Die Fachanwälte Ludger Bornewasser und Bernhard F. Klinger beschreiben anhand realer Beispiele typische Konflikte und zeigen, welche Auswirkungen diese auf den Nachlass und die Angehörigen haben und wie man sie vermeiden kann. Hinweise zur Erstellung eines Testaments und Informationen über Pflichtteil, Vermächtnis oder Erbschaftsteuer machen das Buch zu einem Ratgeber für jene, die Streit unter ihnen nahestehenden Menschen vermeiden möchten.

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Das Testament

Das fehlende, unwirksame oder anfechtbare TestamentMit dem Tod eines Menschen geht dessen Vermögen auf den oderdie Erben über. Fehlt eine „Verfügung von Todes wegen“ (Tes-tament oder Erbvertrag), tritt die „gesetzliche Erbfolge“ ein.Dabei handelt es sich um ein Paragraphenwerk des Gesetzgebersfür die Verteilung des privaten Nachlasses an den Ehegatten unddie Verwandten des Verstorbenen.

Standard- oder Indivi-duallösung

Die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) niedergelegten Stan-dardlösungen für die Vererbung von Vermögen sind insgesamtgesehen eine durchdachte, gerechte und ausgefeilte Sache.Obwohl inhaltlich sehr genau geplant und juristisch perfekt for-muliert, passt die gesetzliche Erbfolge jedoch nicht in jedem indi-viduellen Fall zu der besonderen familiären Situation und zu denWünschen eines Menschen, der vor seinem Tod „seine letztenDinge regelt“. Wer über den eigenen Tod hinaus planen und über sein Vermögenverfügen möchte, ist daher gut beraten, per Testament oder Erb-vertrag die gesetzliche Erbfolge außer Kraft zu setzen und deneigenen „letzten Willen“ klipp und klar zu Papier zu bringen.Viele Menschen nutzen ein Testament, um den überlebendenPartner finanziell abzusichern, um einer Tochter für jahrelangePflegeleistungen zu danken, um einen verschwendungssüchtigenSohn zu enterben oder um das Erbe anstatt gierigen Verwandteneiner wohltätigen Organisation zu vermachen. Ein fehlendesTestament kann sich außerordentlich negativ auswirken und zujahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. Derfolgende Fall zeigt die fatalen Folgen eines unterlassenenTestaments.

KAPITEL 1

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Der Fall

Pablo Picasso starb am 8.4.1973 im Alter von 91 Jahren, ohne einTestament errichtet zu haben. Er hinterließ eine seit Jahrzehntenvon ihm getrennt lebende Ehefrau, ein eheliches Kind und dreinichteheliche Kinder. Der Erbstreit unter den gesetzlichen Erbendauerte mehrere Jahre. Die Erbschaftsteuer konnte nur durch dieÜbereignung von Bildern an den französischen Staat beglichenwerden. Dies alles nur, weil Pablo Picasso trotz mehrfacher Emp-fehlungen es stets abgelehnt hatte, ein Testament zu errichten.

Das ProblemErbengemein-

schaftDas Problem des Falles ist offensichtlich. Mangels eines Testa-ments kommt es zur gesetzlichen Erbfolge. Gesetzliche Erbensind die Verwandten und der Ehegatte des Erblassers. Es entstehteine Erbengemeinschaft mit Beteiligten, die in den meisten Fällennicht an einem Strang ziehen, sondern ihre eigenen Interessen –gegen die Interessen der anderen Beteiligten – verfolgen.

Streitpotenzial Eine gemeinsame Verwaltung der Erbschaft und eine vernünftigeAufteilung sind sehr oft so schwierig wie die Lösung des gor-dischen Knotens. Dies begründet ein hohes Streitpotenzial. DieVerwaltung und Auseinandersetzung von Erbengemeinschaftenist einer der Hauptstreitpunkte im Erbrecht. Der Fall Picasso zeigtauch eine weitere, meist ungewollte Folge einer unterlassenen„Vorsorge“ per Testament oder Erbvertrag: So hätte es der begna-dete Maler in der Hand gehabt, die Erbschaft- steuer nach seinemTod – etwa durch Zuwendungen schon zu Lebzeiten oder dieGründung einer Stiftung – deutlich zu minimieren. Auch ist frag-lich, ob Picasso wirklich wollte, dass seine Verwandten Erbenwerden. Immerhin lebte er von seiner ihn beerbenden Ehefraumehrere Jahrzehnte getrennt. So lässt sich immer wieder feststel-

IN DIESEM KAPITEL ERFAHREN SIE,

– welche fatalen Folgen es haben kann, kein Testament zu errichten,– in welchen Situationen Sie in jedem Fall ein Testament errichten sollten,– welche Erben die gesetzliche Erbfolge vorsieht und– wie hoch der Erbteil des überlebenden Ehegatten ist.

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len, dass ein fehlendes Testament und eine unterlassene Vorsorgemeist zu folgenden Problemen führen:

Es erben Personen, die der Erblasser nicht oder nicht in die-sem Umfang als seine Erben sehen wollte.Mehrere Personen bilden eine Erbengemeinschaft. Die Ver-waltung des Erbes und die Auseinandersetzung einer solchenErbengemeinschaft verursachen oft mehrjährige, kosteninten-sive Rechtsstreitigkeiten.Oft sind die Erben erst aufgrund schwieriger Ermittlungenfestzustellen.

SteuernAuch wenn die Erbschaftsteuer grundsätzlich für nächsteAngehörige und damit für die gesetzlichen Erben geringerausfällt als für entfernt verwandte oder nicht verwandte Per-sonen, kann auch die gesetzliche Erbfolge zu hohen steuer-lichen Belastungen führen. Durch eine vorweggenommeneErbfolge (Schenkungen) oder durch die Gründung einerStiftung lassen sich Steuerzahlungen erheblich reduzieren.

KinderOft sind minderjährige Kinder an der Erbengemeinschaftbeteiligt. Dies führt bei bestimmten Rechtsgeschäften zuSchwierigkeiten, weil das Vormundschaftsgericht und oftein Ergän-zungspfleger zu beteiligen sind.Die gesetzliche Erbfolge kann die wirtschaftliche Absiche-rung des überlebenden Partners gefährden.

Die LösungVermächtnisViele Probleme mit der gesetzlichen Erbfolge lassen sich mit einem

Testament oder einem Erbvertrag vermeiden. Ein Testament kannbestimmen, wer Erbe werden soll. Es kann auch verbindlich fest-legen, dass ein Erbe einzelne Gegenstände oder Vermögenswertean andere Personen herauszugeben hat. Solche „Vermächtnisse“führen dazu, dass mehrere Personen (gelegentlich auch Organisa-tionen) begünstigt werden. Vermächtnisse haben aber nicht zurFolge, dass die begünstigten Personen als Miterben an der Nach-lassverwaltung und -teilung mitwirken können.

Nachlass- verwaltung

Auch dann, wenn eine Erbengemeinschaft gewollt ist, kann manper Testament dafür sorgen, dass Streit unter Miterben erst garnicht ausbricht. Per Teilungsanordnung lässt sich bestimmen, wieder Nachlass verwaltet und aufgeteilt werden soll. Auch dieAnordnung einer Testamentsvollstreckung ist ein gutes Mittel,

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über die Verwaltung und Teilung des Erbes zu bestimmen undStreit in der Erbengemeinschaft zu unterbinden.Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass jeder Mensch einTestament unterzeichnen („testieren“) sollte, der erkennt, dassdie vom Gesetz geregelte Erbfolge nicht seinem Willen ent-spricht. Insbesondere in folgenden Situationen sollte man jeden-falls ein Testament errichten:

Ein Partner hat nichteheliche Kinder oder Kinder aus einerfrüheren Ehe.Ein Lebenspartner soll nach kürzerer oder längerer Bezie-hung den Nachlass erben.Es soll Vorsorge für ein behindertes Kind getroffen werden.Ein Kind ist – aus welchem Grund auch immer – überschuldet.Minderjährige Kinder müssen vorranging abgesichert werden. Es ist zu verhindern, dass das Vermögen an bestimmte Ver-wandte fällt.Eine Schwiegertochter oder ein Schwiegersohn soll nichtam Nachlass partizipieren.Aus einer Ehe oder Partnerschaft sind keine Kinder hervor-gegangen.Eine Person soll für besondere Leistungen (Pflege) belohntwerden.Nach einer Schenkung an ein Kind – zum Beispiel Übertra-gung einer Immobilie – soll per Testament ein gewisses Maßan Gerechtigkeit für die anderen Kinder hergestellt werden.Ein Unternehmen soll weitergeführt werden.Beteiligungen an einer Gesellschaft sind zu vererben und zuerhalten.Auslandsvermögen ist zu vererben.Die Förderung karitativer oder künstlerischer Zwecke ist geplant..

EXPERTENTIPP

Immer dann, wenn es um die Vorsorge und Absicherung einer Person geht – sei esder Ehegatte, der Partner oder der Geschäftspartner –, sollte man zwingend überdie Errichtung eines Testaments nachdenken. Oft reicht schon ein kurzes und ein-faches Testament, um einen gewünschten Erben zu benennen.

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Exkurs: Gesetzliche Erbfolge

Verwandten-erbrecht

Liegt kein „letzter Wille“ (keine wirksame Verfügung von Todeswegen) vor, tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge ein. Diesesieht ein Verwandtenerbrecht vor. Die Verwandten des Erblas-sers werden in sogenannte Ordnungen eingeteilt:

Gesetzliche Erben der ersten Ordnung und damit vorrangigeErben sind die Abkömmlinge des Erblassers.Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern desErblassers und deren Abkömmlinge, somit beispielsweisedie Geschwister.Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind die Großelterndes Erblassers und deren Abkömmlinge.In den weiteren Ordnungen finden sich entferntere Ver-wandte.

OrdnungenSobald in einer vorangehenden Ordnung eine Person vorhandenist, schließt dies alle weiteren Ordnungen von der Erbfolge aus.Ein einziges eigenes Kind schließt also die Eltern und entferntereVerwandte aus. Hat jemand weder Ehegatten noch Kinder, erbendie Eltern und deren Abkömmlinge (Geschwister und deren Kin-der) und schließen sämtliche entfernteren Verwandten aus. Mitdem Erblasser im gleichen Grade verwandte Personen erben zugleichen Teilen. Neben den Verwandten eines Erblassers erbtauch der Ehegatte oder der Partner einer eingetragenen Lebens-partnerschaft eines Erblassers. Dessen Erbrecht bestimmt sichzum einen nach dem Güterstand, in dem er mit dem Erblasserlebte und zum anderen danach, welche Verwandten beim Tod desErblassers vorhanden sind.

FormulierungsbeispielTestamentZu meiner Alleinerbin bestimme ich meine Ehefrau (Partnerin)Mareika Schmid.München, den 20.12.2010Max Schmidt

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Erbquote bei der Zugewinngemeinschaft

Die Zugewinngemeinschaft ist der gesetzliche Güterstand, derimmer gilt, wenn die Ehegatten nicht in einem notariellen Ehe-vertrag Gütergemeinschaft oder Gütertrennung vereinbart haben.In diesem Fall erbt der überlebende Ehegatte

neben den Abkömmlingen des Erblassers die Hälfte derErbschaft;wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind, neben Verwand-ten der zweiten Ordnung, also neben den Eltern des Erblas-sers und deren Abkömmlingen drei Viertel der Erbschaft.Gleiches gilt, wenn er neben Großeltern Erbe wird.

Alleinerbe Alleinerbe wird der Ehegatte nur, wenn keine Abkömmlinge desErblassers (Kinder und deren Kinder), keine Eltern oder derenAbkömmlinge (Geschwister und deren Kinder) und keine Groß-eltern mehr leben.

Erbquote bei der GütertrennungDie Hälfte, ein

DrittelLebten die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung, so redu-ziert sich die zuvor dargestellte Erbquote meist. Nur wenn keinAbkömmling des Erblassers vorhanden ist oder wenn der Ehe-gatte Erbe neben maximal einem Kind des Erblassers wird, erbter die Hälfte des Nachlasses. Sind zwei Kinder des Erblassers vor-handen, so erbt der überlebende Ehegatte ein Drittel. Bei drei odermehr Kindern des Erblassers erbt der überlebende Ehegatte ledig-lich ein Viertel des Nachlasses.

Erbquote bei der GütergemeinschaftEin Viertel des

ErbesLebten die Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft, soreduziert sich die im Rahmen der Zugewinngemeinschaft darge-stellte Erbquote des überlebenden Ehegatten grundsätzlich umein Viertel. Dies bedeutet, dass der überlebende Ehegatte nebenAbkömmlingen des Erblassers lediglich ein Viertel des Erbeserhält und neben Großeltern oder Eltern und deren Abkömmlin-gen den Nachlass nur zur Hälfte erbt.

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Zusammengefasst besteht der gesetzliche Erbteil eines Ehegattenin folgender Höhe:

Scheidung und Erbrecht des EhegattenScheidungs-antrag

Einem geschiedenen Ehegatten steht kein Erbrecht mehr zu. Dasgesetzliche Ehegattenerbrecht setzt eine bestehende Ehe voraus.Ist ein Ehegatte während eines gerichtlichen Scheidungsverfah-rens verstorben, so entfällt das Erbrecht des überlebenden Ehe-gatten ebenfalls, wenn die Voraussetzungen für eine Scheidungzum Todeszeitpunkt vorlagen und der verstorbene Ehegatte denScheidungsantrag gestellt oder einem solchen Antrag des über-lebenden Ehegatten zugestimmt hatte.

Das schlecht formulierte oder unvoll-ständige TestamentViele Menschen schreiben ihr Testament, ohne sich von einerJuristin oder einem Juristen beraten zu lassen. Ihre Texte enthal-ten häufig unklare Formulierungen, Widersprüchlichkeiten undrechtlich nicht mögliche Anordnungen. Der Streit unter denpotenziellen Erben beginnt dann mit dem Zweifel an der Wirk-samkeit des Testaments und endet mit gerichtlichen Auseinan-dersetzungen, die für alle Beteiligten – mal abgesehen vom zer-schlagenen Porzellan – sehr teuer sein können.

Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten

Güterstand: neben1 Kind

neben2 Kindern

bei mehrals 2 Kindern

Zugewinn-gemeinschaft

1/4 + 1/4 = 1/2

1/4 + 1/4 = 1/2

1/4 + 1/4 = 1/2

Gütertrennung 1/2 1/3 1/4

Gütergemeinschaft 1/4 1/4 1/4

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Der Fall

Das kinderlose Ehepaar Peter und Gudrun Weiland errichtetwenige Tage vor dem Antritt einer mehrwöchigen Weltreise fol-gendes Testament:

Die Weilands kommen gesund und munter von der Weltreisezurück. Sie vergessen ihr Testament, das während der folgendenJahre unverändert in den persönlichen Unterlagen bleibt. Erst16 Jahre nach der Reise verstirbt das Ehepaar zur gleichen Zeit –aufgrund eines Verkehrsunfalls keine 20 Kilometer vom Wohn-ort entfernt.

Das ProblemFragen undInterpreta-

tionen

Das Testament der Eheleute Weiland ist rein formal betrachtetwirksam erstellt. Fraglich ist jedoch bereits, ob es überhaupt fürden beiderseitigen Tod 16 Jahre nach der Erstellung Gültigkeitbesitzt. Vielmehr könnte das Testament ausschließlich für denFall des gemeinsamen Versterbens während der im Jahr 1992

IN DIESEM KAPITEL ERFAHREN SIE,

– wie wichtig eine unmissverständliche Bestimmung des Erben oder der Erben ist,– was in einem Testament alles geregelt werden kann und– wie ein Testament formuliert sein sollte.

Testament

Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Sollte uns beiden abergleichzeitig während unserer Weltreise in den nächsten Wochenetwas zustoßen, soll das mit uns befreundete und benachbarteEhepaar Werner unser Haus erhalten und an seine Kinder wei-tergeben. Unsere persönlichen Sachen sollen unsere Verwandtenerhalten und unser Geld ein gemeinnütziger Verein.Mülheim, den 1.6.1992Peter WeilandDies ist auch mein letzter Wille.Gudrun Weiland

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erfolgten Weltreise erstellt worden sein. Die Frage der Gültigkeitauch für das spätere Versterben kann möglicherweise nur nachumfangreichen Ermittlungen, der Prüfung von weiteren Doku-menten und der Einvernahme von Zeugen beantwortet werden.Die bloße Betrachtung des Testaments ermöglicht beide Inter-pretationen.

Erbschaft oder Vermächtnis

Lässt sich nachweisen, dass das Testament über die Weltreisehinaus für den gleichzeitigen Tod gelten soll, stellt sich die Frage,wer denn Erbe werden soll. Im Testament sind nämlich nur ein-zelne Gegenstände wie das Haus, die persönlichen Sachen unddas Geld aufgelistet. Wer erben soll, ist nicht ausdrücklich gere-gelt. Es ist also möglich, dass die gesetzliche Erbfolge gelten sollund nur die im Testament benannten Dinge von den Erben an dieBegünstigten herausgegeben werden sollen. Diese wären dannbloße Vermächtnisnehmer. Solche Vermächtnisnehmer sindnicht Erben im Sinne des Gesetzes und erhalten den ihnen zuge-wendeten Gegenstand nicht automatisch mit dem Tod des Erb-lassers. Vielmehr haben sie nur einen Anspruch auf Herausgabedes einzelnen Gegenstands.Der vorliegende Fall zeigt die Probleme auf, die ein nicht klar undeindeutig formuliertes Testament aufwirft. Im Nachhinein lässtsich auch durch umfangreiche Beweisaufnahmen und langwie-rige Ermittlungen bei Freunden und Verwandten selten heraus-finden, was der Erblasser wirklich wollte. Wenn es zum Erbfallkommt, kann der Mensch, der das Testament errichtet hat, nichtmehr befragt werden. Allein hieraus ergibt sich die zwingendeNotwendigkeit, Testamente klar und eindeutig zu formulieren.

Die Lösung

Ein Testament soll mit der Festlegung des Erben beginnen. DieEheleute Weiland könnten beispielsweise wie folgt testieren:

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Exkurs: Inhalt einer letztwilligen VerfügungOptimaleLösungen

Der Inhalt einer letztwilligen Verfügung beschränkt sich nichtdarauf, einen Erben zu bestimmen oder eine Person zu enterben.Vielmehr kann der Erblasser Vermächtnisse oder Auflagenanordnen und selbst auf die Erbauseinandersetzung einwirken.Letzteres ist zum Beispiel durch eine Testamentsvollstreckungoder eine Teilungsanordnung möglich. Auch kann der Erblasserüber die nach seinem Tod zunächst eintretende Erbfolge hinausweitere Regelungen für die Beerbung seines Erben treffen. Dasgeschieht durch die Anordnung einer „Vor- und Nacherbschaft“oder einer „Voll- und Schlusserbschaft“.

Erbeinsetzung und Enterbung

Erbfolge Die häufigste und meist wichtigste Regelung im Rahmen einerletztwilligen Verfügung ist die Anordnung einer von der gesetz-lichen Regelung abweichenden Erbfolge. So können beispiels-weise verheiratete Eheleute ohne Kinder die gesetzliche Erbfolge

Testament

Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein.

Erbe des Letztversterbenden von uns oder Erbe im Falle eines gleich-zeitigen Versterbens soll das Kinderhilfswerk UNICEF werden.

Unser Erbe hat jedoch folgende Vermächtnisse zu erfüllen:

Unser Wohnhaus sollen die mit uns befreundeten und benach-barten Eheleute Richard und Paula Werner zu gleichen Teilen alsVorausvermächtnisnehmer erhalten. Nachvermächtnisnehmerund Ersatzvermächtnisnehmer sind die gemeinsamen Kinder vonRichard und Paula Werner, ebenfalls zu gleichen Teilen.

Unsere persönlichen Sachen sollen unsere Verwandten erhalten,nämlich die persönlichen Sachen von Peter Weiland dessen Bru-der Friedrich Weiland, ersatzweise der Neffe Franz Weiland, unddie persönlichen Sachen von Gudrun Weiland deren Mutter,ersatzweise deren Nichte Laura Schmidt.

Mülheim, den 1.6.1992

Peter Weiland

Dies ist auch mein letzter Wille.

Gudrun Weiland

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(der überlebende Ehegatte wird neben den Eltern und/oderGeschwistern des Erblassers lediglich Miterbe) umgehen, indemsie sich gegenseitig als Erben einsetzen. Auch bei Familien mitKindern ist es sehr oft zur Erhaltung der Lebensgrundlage desüberlebenden Ehegatten erforderlich, dass die Eheleute sichgegenseitig als Erben einsetzen.

Vermächtnis

Ein Vermächtnis eröffnet einem Erblasser die Möglichkeit, nachseinem Tod einer Person bestimmte Vermögensgegenständezukommen zu lassen, ohne dass diese Person Erbe wird.

Teilungsanordnung

Sind mehrere Personen zur Erbfolge berufen, so entsteht eineErbengemeinschaft. Eine solche Gemeinschaft ist grundsätzlichdarauf angelegt, aufgelöst zu werden. Diese Auflösung geschiehtdurch Teilung des Nachlasses. Unteilbare Gegenstände sind,wenn sich die Erben nicht anderweitig einigen, zu versteigern.Der Erlös ist dann zu teilen. Ein Erblasser kann diese gesetzlichenRegelungen, wie eine Erbengemeinschaft mit dem Nachlassumzugehen hat, durch eine Teilungsanordnung vermeiden, diesehr genau darlegt, wie der Nachlass zu teilen ist.

TestamentsvollstreckungStreitver- meidung

Oft führen Erbauseinandersetzungen unter Miterben über die Artder Teilung, den Wertansatz der einzelnen Gegenstände und auchmöglicherweise die Verwaltung der Erbschaft zu erheblichenStreitigkeiten. Ein Erblasser kann per Testament solche Streitig-keiten ausschließen, indem er Testamentsvollstreckung anordnet.Dies bedeutet, dass einer Vertrauensperson die Verwaltung undTeilung des Nachlasses übertragen wird.Auch zur Verwaltung des Erbteils minderjähriger Kinder oder zurFortführung eines Unternehmens kann die Anordnung einer Tes-tamentsvollstreckung ein ausgesprochen sinnvolles Instrumentsein.

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AuflagenGrabpflege,

SpendenDer Erblasser kann einen Erben oder einen Vermächtnisnehmermit „Auflagen“ verpflichten, etwas Bestimmtes zu tun. Im Unter-schied zu Vermächtnissen gibt es bei Auflagen keinen Begüns-tigten, der den Anspruch gegen den Belasteten geltend machenkann. Die Erfüllung der Auflagen können lediglich der Erbe, Mit-erben sowie solche Personen verlangen, denen es zugutekommt,wenn der mit der Auflage Beschwerte als Erbe ausfällt. Zu denhäufigsten Auflagen zählen Verpflichtungen zur Grabpflege, dieSpende eines bestimmten Betrags für karitative Zwecke oderauch die Pflege von Haustieren.

Vor- und Nacherbschaft

Durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft kann derErblasser bestimmen, wer nach dem Tod des „ersten“ Erben denNachlass erhalten soll. Die Vor- und Nacherbschaft bewirkt, dassder Vorerbe nach dem Tod des Erblassers zunächst die Erbschafterhält, über sie jedoch nicht frei verfügen darf. Vielmehr darf ernur bestimmte Nutzungen ziehen und den Nachlass verwalten.Mit dem Nacherbfall fällt die Erbschaft dann dem endgültigenErben zu.

ErsatzbestimmungenUnbekannte

ZukunftDa der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwil-ligen Verfügung künftige Entwicklungen nicht vorhersehenkann, sind oft Ersatzregelungen zu treffen. So kann der Erblasserfür den Fall, dass der von ihm zunächst eingesetzte Erbe vor ihmselbst verstirbt oder aus anderen Gründen nicht Erbe wird, einensogenannten Ersatzerben bestimmen. Gleiches gilt für einen Tes-tamentsvollstrecker. Auch hier ist die Bestimmung eines Ersatz-testamentsvollstreckers möglich.

EXPERTENTIPP

– Ein Testament soll so kurz und verständlich wie möglich sein.– Der gewünschte Erbe muss klar benannt sein.– Ein Testament sollte Ersatzregelungen für den Fall enthalten, dass der Erbe ausfällt.

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Die Sache mit der FormHandschriftWährend Erbverträge immer vor einem Notar beurkundet werden

müssen, kann ein Testament auch handschriftlich errichtet wer-den. Ein solches Testament wird auch „privatschriftliches Testa-ment“ genannt. Von einem notariellen Testament ist die Rede,wenn ein Erblasser seinen letzten Willen vor einem Notar errich-tet.

Der Fall

Der Münchner Künstler Benjamin Bildermann ist geschieden undhat keine Kinder. Bei seinem Tod findet man in seiner Wohnungfolgende Dokumente:

ein notarielles Testament aus dem Jahre 1989, das die dama-lige Ehefrau zur Alleinerbin bestimmt,

– Einzelne Gegenstände dürfen nur dann benannt werden, wenn sie tatsächlichals Vermächtnis einzelnen Personen zugewendet werden sollen.

– Niemand sollte versuchen, den Erben zu einer Heirat oder einem bestimmtenLebenswandel zu verpflichten. Derartige Regelungen können zur Unwirksamkeitdes Testaments führen.

– Jeder Erblasser sollte vermeiden, dass Erben-Streitgemeinschaften entstehen. Istbereits bekannt, dass bestimmte Personen „nicht miteinander können“, sollte dasTestament wirksame Bestimmungen darüber enthalten, dass nur eine Person erbtund andere Personen Vermächtnisse erhalten – auch so lässt sich Gerechtigkeitdurchsetzen.

– Wer ein Testament errichtet, muss beachten, dass die Bindungswirkungen einesbereits früher unterzeichneten Ehegattentestaments zwingend zu beachten sind.

– Zu berücksichtigen ist das Pflichtteilsrecht – nach Enterbung haben einigeEnterbte immer noch Anspruch auf eine Pflichtteilszahlung. Diese entspricht wert-mäßig dem halben Erbteil.

– Schließlich ist das Steuerrecht zu beachten, denn durch kluge Gestaltung einesTestaments lassen sich unnötige Steuerlasten für die Erben vermeiden.

IN DIESEM KAPITEL ERFAHREN SIE,

– welche Arten der Testamentserrichtung das Gesetz vorsieht und

– was Sie bei der Errichtung eines privatschriftlichen Testaments beachten müssen.

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