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Deutscher Bundestag Drucksache 17/5672 17. Wahlperiode 27. 04. 2011 Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung (TA) TA-Projekt: Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort des Ausschusses 3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Verletzlichkeit moderner Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Stromausfall als Auslöser einer „nationalen Katastrophe“ . . . . . . . . 16 3. Beauftragung, Vorgehen, Aufbau des Berichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Das System des Krisenmanagements in Deutschland . . . . . . . . . . 20 1. Rechtsgrundlagen der Katastrophenbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Krisenmanagement in Deutschland: Akteure, Strukturen und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.1 Anmerkungen zu den Ursachen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.2 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Folgenanalysen ausgewählter Sektoren Kritischer Infrastrukturen . . 32 2.1 Informationstechnik und Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.2 Transport und Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.3 Wasserversorgung und Abwasserentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

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Deutscher Bundestag Drucksache 17/567217. Wahlperiode 27. 04. 2011

Berichtdes Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung

Technikfolgenabschätzung (TA)

TA-Projekt: Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften –am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung

Inhaltsverzeichnis

Seite

Vorwort des Ausschusses 3

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1. Verletzlichkeit moderner Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2. Stromausfall als Auslöser einer „nationalen Katastrophe“ . . . . . . . . 16

3. Beauftragung, Vorgehen, Aufbau des Berichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

II. Das System des Krisenmanagements in Deutschland . . . . . . . . . . 20

1. Rechtsgrundlagen der Katastrophenbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2. Krisenmanagement in Deutschland: Akteure, Strukturen und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

III. Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301.1 Anmerkungen zu den Ursachen eines langandauernden und

großräumigen Stromausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301.2 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

2. Folgenanalysen ausgewählter Sektoren Kritischer Infrastrukturen . . 322.1 Informationstechnik und Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332.2 Transport und Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452.3 Wasserversorgung und Abwasserentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

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Drucksache 17/5672 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Seite

2.4 Lebensmittelversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712.5 Das Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772.6 Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842.7 Öffentliche Einrichtungen – Fallbeispiel „Gefängnis“ . . . . . . . . . . . 94

3. Verhaltensbezogene Folgen eines Stromausfalls und ihre Bestimmungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

3.1 Psychologische Bestimmungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 983.2 Thesen zu den verhaltensbezogenen Folgen eines langan-

dauernden Stromausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1003.3 Informations- und Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

IV. Verletzbarkeit, Bewältigungsoptionen und Handlungsbedarf –Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

1. Informationstechnik und Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

2. Transport und Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

3. Wasser und Abwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

4. Versorgung mit Lebensmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

5. Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

6. Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

7. Fallbeispiel „Gefängnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

8. Bereichs- und organisationsübergreifendes Katastrophen-management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

9. Vernetzte Katastrophenbewältigung – ohne Netz . . . . . . . . . . . . . . . 114

10. Krisenkommunikation ohne Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

11. Versorgung mit Treibstoff, Sicherstellung einer robusten Notstromversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

12. Inselnetze als Option zur Steigerung der Resilienz der Strom-versorgung nach einem Stromausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

13. Information und Sensibilisierung der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . 119

14. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

V. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

1. In Auftrag gegebene Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

2. Weitere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

3. Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

VI. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

1. Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

2. Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

3. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5672

Vorwort des AusschussesAls Lebensadern hochtechnisierter Industrienationen gelten ihre Infrastrukturen wiesichere Energieversorgung, funktionierende Wasserver- und Abwasserentsorgung,leistungsfähige Verkehrsträger und Transportwege sowie eine jederzeit zugänglicheInformations- und Telekommunikationstechnik. Deshalb beauftragte der Ausschussfür Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zu untersuchen, wie sich ein lang-andauernder und großflächiger Stromausfall auf besonders kritische Infrastrukturenwie z. B. Trinkwasser, Abwasser, IuK-Systeme, Finanz- und Gesundheitsdienstleis-tungen auswirken könnte, insbesondere im Fall eines Kaskadeneffekts über Länder-und nationale Grenzen hinweg.

Die Abhängigkeit von solchen (kritischen) Infrastrukturen hat sich in Deutschland inder Folge von Naturkatastrophen und technischen Störungen in den letzten Jahrenbereits mehrfach gezeigt (Elbe- und Oderhochwasser 2002/2005, StromausfallMünsterland 2005, Sturm Kyrill 2007). Versorgungsengpässe, Störungen der öffent-lichen Sicherheit und Beeinträchtigungen im Straßen- und Schienenverkehr habeneinen Eindruck von der Verletzbarkeit moderner Gesellschaften gegeben sowiehöchste Anforderungen an das Gesundheits-, Notfall- und Rettungswesen gestellt.

Aufgrund der großen Abhängigkeit nahezu aller Kritischen Infrastrukturen von derStromversorgung, kommt dem Szenario eines großflächigen und längerfristigenStromausfalls mit der Folge massiver Versorgungsstörungen, wirtschaftlicher Schä-den sowie Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit eine zentrale Bedeutung zu. Dieim Jahr 2004 durchgeführte Bund-Länder-Krisenmanagementübung (LÜKEX) hatdie problematischen Folgen und Folgenketten sowie die enormen Schwierigkeiten,eine solche Krisen- und Gefahrenlage ohne Vorwarnung in den föderalen Strukturenzu bewältigen, deutlich gemacht.

Gleichwohl sind – soweit erkennbar – die möglichen Folgen eines solchen Ereignis-ses in der Literatur ebenso wie in offiziellen behördlichen Dokumenten noch nichtintensiv und systematisch durchdacht worden.

Die Analysen des TAB zeigen, dass die Folgen eines solchen Stromausfalls einer na-tionalen Katastrophe zumindest nahekommen könnten. Es bedürfte einer Mobilisie-rung aller internen und externen Kräfte des Bevölkerungsschutzes, um die Auswir-kungen zumindest zu mildern.

Der TAB-Bericht gibt Hinweise darauf, wie die Robustheit Kritischer Infrastrukturengestärkt und die Handlungsmöglichkeiten des nationalen Systems des Katastrophen-managements verbessert werden könnten. Der Bericht leistet damit einen wertvollenBeitrag, die Sensibilität in Wirtschaft und Gesellschaft für diese Thematik zu erhö-hen und bietet für die Fachausschüsse des Deutschen Bundestages eine gute Grund-lage für die weitere Befassung.

Berlin, den 7. April 2011

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ulla Burchardt, MdBAusschussvorsitzende

Dr. Thomas Feist, MdBBerichterstatter

René Röspel, MdBBerichterstatter

Prof. Dr. Martin Neumann, MdB Berichterstatter

Dr. Petra Sitte, MdBBerichterstatterin

Hans-Josef Fell, MdBBerichterstatter

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Drucksache 17/5672 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zusammenfassung

In modernen, arbeitsteiligen und hochtechnisierten Ge-sellschaften erfolgt die Versorgung der Bevölkerung mit(lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen durchein hochentwickeltes, eng verflochtenes Netzwerk „Kriti-scher Infrastrukturen“. Dazu zählen u. a. Informations-technik und Telekommunikation, Transport und Verkehr,Energieversorgung oder das Gesundheitswesen. Diesesind aufgrund ihrer internen Komplexität sowie der gro-ßen Abhängigkeit voneinander hochgradig verletzbar.Terroristische Anschläge, Naturkatastrophen oder beson-ders schwere Unglücksfälle haben nicht erst im zurücklie-genden Jahrzehnt offenkundig gemacht, welche weitrei-chenden Folgen die Beeinträchtigung oder der AusfallKritischer Infrastrukturen für das gesellschaftliche Sys-tem insgesamt haben können.

Aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung derLebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Gerä-ten würden sich die Folgen eines langandauernden undgroßflächigen Stromausfalls zu einer Schadenslage vonbesonderer Qualität summieren. Betroffen wären alle Kri-tischen Infrastrukturen, und ein Kollaps der gesamten Ge-sellschaft wäre kaum zu verhindern. Trotz dieses Gefah-ren- und Katastrophenpotenzials ist ein diesbezüglichesgesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzenvorhanden.

Mit einem Beschluss des Ausschusses für Bildung, For-schung und Technikfolgenabschätzung wurde das Bürofür Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundes-tag (TAB) beauftragt, die Folgen eines langandauerndenund großflächigen Stromausfalls systematisch zu analy-sieren. Zugleich sollten die Möglichkeiten und Grenzendes nationalen Systems des Katastrophenmanagementszur Bewältigung einer solchen Großschadenslage aufge-zeigt werden.

Katastrophenmanagement in Deutschland

Das hochentwickelte deutsche System des Katastrophen-managements ist durch eine im Grundgesetz verankerteAufgabenteilung zwischen Bund und Ländern geprägt.Als Folge einer Zweiteilung von Zivilschutz im Verteidi-gungsfall (Bund) und friedenszeitigem Katastrophen-schutz (Länder) ergibt sich ein Politikfeld mit mehrerenEbenen sowie einer Vielzahl von Behörden (Bund, Län-der, Kreise, Kommunen), Hilfsorganisationen und Unter-stützungskräften.

In zahlreichen Gesetzen und Verordnungen sind Zustän-digkeiten und Maßnahmen definiert. Eine wichtigeGrundlage für das operative Katastrophenmanagement istdas Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophen-hilfe des Bundes. Mit dessen Neufassung vom 29. Juli2009 wurde eine stärkere Verflechtung der Kapazitätendes Bundes und der Länder angestrebt. Der Bund ergänztdie Strukturen des Katastrophenschutzes der Länder inzahlreichen Bereichen. Zugleich sind die Einrichtungenund Kräfte der Länder auch zur Abwehr verteidigungsbe-

zogener Gefahren einsetzbar. Mehrere Sicherstellungs-und Vorsorgegesetze eröffnen umfangreiche Optionen zurSteuerung knapper Strukturen, Waren und Dienstleistun-gen, beispielsweise in den Bereichen Ernährung, Verkehr,Post und Telekommunikation. Von besonderer Bedeutungsind zudem die Hilfeleistungs- und Katastrophenschutz-gesetze der Bundesländer. Sie regeln insbesondere dieOrganisation und die Aufgaben der Katastrophenschutz-behörden und benennen die zu ergreifenden Maßnahmenbei der Katastrophenbekämpfung. Da nach Schätzungen80 Prozent der Kritischen Infrastrukturen in Privateigen-tum sind, wird eine Sicherheitspartnerschaft von Staatund Unternehmen angestrebt.

Für die Katastrophenbewältigung kann zusätzlich dieEinbindung Deutschlands in das 2002 etablierte Gemein-schaftsverfahren zur Förderung einer verstärkten Zusam-menarbeit bei Katastrophenschutzeinsätzen im Rahmender Europäischen Union (EU) relevant werden. Auch hatDeutschland eine Vielzahl bilateraler Abkommen zur Ka-tastrophenhilfe abgeschlossen.

Beim Eintritt eines Stromausfalls obliegt die Bewältigungder Folgen zunächst den örtlichen Behörden, Einrichtun-gen und Organisationen. Entsprechend der Lage (regionalübergreifend) und der Entwicklung (langandauernd miterheblichen Folgen) werden sukzessive die nächsthöhe-ren Ebenen bis hin zu den Bundesministerien tätig. Somitliegt die Zuständigkeit bei der oberen Katastrophen-schutzbehörde, die mit der (operativen) Durchführung dererforderlichen Maßnahmen die (lokalen) unteren Kata-strophenschutzbehörden beauftragt.

Zur Abstimmung dieser heterogenen Akteurskonstella-tion mit ihren unterschiedlichen Führungs- und Kommu-nikationsstrukturen müssen im Fall eines regional ausge-dehnten und langandauernden Stromausfalls auf allenEbenen (Kommune, Land, Bund) Krisenstäbe einberufenwerden. Eine länderübergreifende Koordination ist erfor-derlich, um die unterschiedlichen Aktivitäten der Hilfsor-ganisationen (z. B. Deutsches Rotes Kreuz, MalteserHilfsdienst, Feuerwehren) und Unterstützungskräfte(Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Bundespolizeiund Bundeswehr) zu koordinieren. Voraussichtlich wärenaber auch zumindest koordinierende Aktivitäten des Bun-des unabweisbar.

Dazu stehen unterstützend verschiedene Systeme undVerfahren der Informationsgewinnung, -verarbeitung und-verbreitung zur Verfügung – so etwa das internetbasiertedeutsche Notfallvorsorge-Informationssystem (deNIS),das der Information der Bevölkerung (deNIS I) wie auchdem direkten (Informations-)Management von Großkata-strophen (deNIS II plus) dient. Ergänzend ermöglicht das„Satellitengestützte Warnsystem“ (SatWaS) die bundes-weite Verbreitung von Warnmeldungen an alle Lagezent-ren, Zivilschutzverbindungsstellen, Rundfunkanstaltenund weitere Medien. Das gemeinsame Melde- und Lage-zentrum von Bund und Ländern (GMLZ) dient wesent-lich der Gewinnung eines einheitlichen Lagebilds.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5672

Folgen eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls

Als Ursachen für einen langandauernden und regionalübergreifenden Stromausfall kommen u. a. technischesund menschliches Versagen, kriminelle oder terroristischeAktionen, Epidemien, Pandemien oder Extremwetterer-eignisse infrage. Vielfach wird erwartet, dass künftig dieAusfallwahrscheinlichkeit größer wird, u. a. deshalb, weildie Gefahr terroristischer Angriffe und klimabedingteExtremwetterereignisse als Ursachen eines Netzzusam-menbruchs zunehmen werden. Aufgrund der Erfahrungenmit bisherigen nationalen und internationalen Stromaus-fällen sind erhebliche Schäden zu erwarten. BisherigeStromausfälle dauerten höchstens einige Tage, einige ver-ursachten jedoch geschätzte Kosten von mehreren Mrd.US-Dollar. Für den Fall eines mehrwöchigen Stromaus-falls sind die Schäden zu erwarten, die um Größenord-nungen höher liegen.

Die verschiedenen Sektoren Kritischer Infrastrukturensind umfassend von einer kontinuierlichen Stromversor-gung abhängig. Unterstellt man das Szenario eines min-destens zweiwöchigen und auf das Gebiet mehrerer Bun-desländer übergreifenden Stromausfalls, kämen dieFolgen einer Katastrophe nahe. Dies wird im Folgendendes Näheren beschrieben.

Informationstechnik und Telekommunikation

Die Folgen eines großräumigen, langfristigen Stromaus-falls für Informationstechnik und Telekommunikationmüssen als dramatisch eingeschätzt werden. Telekommu-nikations- und Datendienste fallen teils sofort, spätestensaber nach wenigen Tagen aus.

In der komplexen Topologie der Informations- und Tele-kommunikationsnetze gibt es unterschiedliche Grade derAbhängigkeit von einer externen Stromversorgung: Beider Festnetztelefonie fallen sofort das (digitale) Endgerätund der Teilnehmeranschluss aus, danach die Ortsver-mittlungsstellen. Bei den Mobilfunknetzen sind es weni-ger die Endgeräte, die im aufgeladenen Zustand und beimäßigem Gebrauch einige Tage funktionstüchtig seinkönnen, sondern die Basisstationen, die die Einwahl indie Netze ermöglichen. Diese sind zumeist, bedingt durchdas erhöhte Gesprächsaufkommen, binnen weniger Mi-nuten überlastet oder fallen wegen nur kurzfristig funktio-nierender Notstromversorgung ganz aus.

Massenmedien sind für die Krisenkommunikation mit derBevölkerung von besonderer Bedeutung. Zeitungsverlageund -druckereien verfügen teilweise über Notstromkapa-zitäten, sodass sie in gewissem Umfang zur Informationder Bevölkerung beitragen können. Besser sind die öf-fentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf einen Stromaus-fall vorbereitet und in der Lage zu senden. Jedoch könnendie Bürger ohne Strom mit ihren Fernsehgeräten keineSendungen empfangen. Dadurch wird der Hörfunk, derüber millionenfach in der Bevölkerung vorhandene akku-und batteriebetriebene Geräte empfangen werden kann,zu einem der wichtigsten Kanäle für die Information derBevölkerung im Krisenfall.

Im Bereich der Kommunikation von Behörden ist auf-grund des gegenwärtigen Informationsstandes keine füralle Akteure und Netze gleichermaßen zutreffende Ein-schätzung möglich. Beispielsweise können die Kommu-nikationsnetze des Bundes, etwa der Informationsver-bund Berlin-Bonn (IVBB) oder der Informationsverbundder Bundesverwaltung (IVBV), in der Regel zwei bis dreiTage mit NSA weiterbetrieben werden. Für eine funktio-nierende Kommunikation in der Breite ist dies allerdingsnicht ausreichend.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die durch Bundeswehr, Technisches Hilfswerk (THW)oder Telekommunikationsunternehmen im Ereignisfalleinsetzbaren mobilen notstromversorgten Funktechnikenund leitungsgebundenen Kommunikationsmittel sind ver-mutlich in erster Linie für die eigenen Erfordernisse vor-gesehen; für die Gewährleistung der Kommunikation vonBehörden, Bevölkerung und Unternehmen in einemGroßraum sind sie nicht ausgelegt.

Bereits in den ersten Tagen zeigt sich, dass das für einenKatastrophenfall vorgesehene und gesetzlich geforderteMindestangebot an Telekommunikationsleistungen beieinem langandauernden und großflächigen Stromausfalldurch die TK-Anbieter nicht erbracht werden kann. Diefür zentrale Kommunikationseinrichtungen vorgehalte-nen Reservekapazitäten wie „Unterbrechungsfreie Strom-versorgung“ (USV) und Notstromaggregate (NSA) sindnach wenigen Stunden oder Tagen erschöpft bzw. auf-grund ausgefallener Endgeräte wirkungslos.

Damit entfällt innerhalb sehr kurzer Zeit für die Bevölke-rung die Möglichkeit zur aktiven und dialogischen Kom-munikation mittels Telefonie und Internet. Die Vielzahlder strombetriebenen Netzwerkknoten, Vermittlungsstel-len und Funkantennen der Festnetz- und Mobiltelefoniesowie des Internets macht deren flächendeckende Wie-derinbetriebnahme praktisch unmöglich, da Tausende vonBatteriespeichern geladen und Treibstofftanks versorgtwerden müssten. Allenfalls an den Rändern des vomStromausfall betroffenen Gebiets ist eine teilweise Reak-tivierung einzelner Infrastrukturelemente denkbar. Da-rüber hinaus betrifft der Ausfall der Kommunikationsin-frastrukturen auch die Behörden und Einsatzkräfte, dieverbleibende bzw. punktuell wieder hergestellte Möglich-keiten zur Kommunikation prioritär in Anspruch nehmen.

Eine nachhaltige Absicherung der Kommunikationsnetze,die es ermöglicht, über Wochen ein umfassendes Angebotan Dienstleistungen für die Kunden stabil zu halten,dürfte zurzeit wirtschaftlich und technisch nicht zu reali-sieren sein. Konzepte, die im Fall eines länger andauern-den Stromausfalls zumindest ein definiertes minimalesVersorgungsniveau bieten, sind – soweit ersichtlich –noch nicht entwickelt.

Informations- und Handlungsbedarf

Die vorstehende Einschätzung der Verletzbarkeit sowieder Bewältigungskapazitäten des Sektors „Informations-technik und Telekommunikation“ im Fall eines langan-

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Drucksache 17/5672 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dauernden großflächigen Stromausfalls ist mit zahlrei-chen Unsicherheiten behaftet. Weiterer Informations- undForschungsbedarf ist deshalb offensichtlich.

– Grundsätzlich wäre eine Abschätzung des für denzugrundegelegten Fall minimalen Kommunikations-niveaus erforderlich, um darauf aufbauend dietechnischen Randbedingungen verschiedener Versor-gungsniveaus ermitteln zu können. EntsprechendeTeilfragen würden eine Abschätzung der üblicher-weise anfallenden Kommunikations- und Datenströmesowie die Erhebung von vorhandenen Redundanzenund betriebskritischen Netzabschnitten und -knotenumfassen.

– Ferner könnten vorhandene Konzepte zur Notversor-gung im Bereich von Informationstechnik und Tele-kommunikation überprüft und neue, verbesserte An-sätze entwickelt werden. Hierzu müsste ein Überblicküber die Notstromversorgung bei den verschiedenenKommunikationsnetzen und -diensten erarbeitet wer-den. Gleiches gilt für die Kapazitäten und Einsatzop-tionen mobil einsetzbarer und mit Notstrom zu versor-genden Netzersatzanlagen der Telekommunikation.Hierdurch wären die technischen Randbedingungenspezifizierbar, die beispielsweise für ein auf größereStädte und zentrale Knotenpunkte reduziertes Netz zurKrisenkommunikation erforderlich sind.

– Darüber hinaus wären mögliche Anpassungen der ge-setzlich vorgeschriebenen Vorsorgemaßnahmen zuprüfen. Ziel entsprechender rechtswissenschaftlicherAnalysen sollte die Identifikation von Ansätzen zurErhöhung der Resilienz des Sektors Informationstech-nik und Telekommunikation bei einem Ausfall derStromversorgung sein.

– Schließlich wären prospektive Analysen der Rahmen-bedingungen des Sektors zu erwägen. Thematisiertwerden sollten technologische Innovationen (Elektro-mobilität, „intelligente“ Netze), aber auch politische(Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung),ökonomische (Vielfalt der konkurrierenden Anbieter,schneller Produktwechsel) oder soziokulturelle Verän-derungen (wie veränderte Formen der Kommunikationund Mediennutzung in der Bevölkerung). Dabei wärezu untersuchen, ob Forschungs- und Entwicklungspro-zesse gefördert werden könnten, um vom Stromnetzweniger abhängige informationstechnische und tele-kommunikative Anwendungen zu realisieren.

Transport und Verkehr

Im Sektor „Transport und Verkehr“ fallen die elektrischbetriebenen Elemente der Verkehrsträger Straße, Schiene,Luft und Wasser sofort oder nach wenigen Stunden aus.Dies betrifft sowohl die Transportmittel als auch die In-frastrukturen sowie die Steuerung und Organisation desentsprechenden Verkehrsträgers. Zu Brennpunkten wer-den der abrupte Stillstand des Schienenverkehrs und dieBlockaden des motorisierten Individual- und öffentlichenPersonennahverkehrs in dichtbesiedelten Gebieten. Wäh-rend der Betrieb in Häfen weitestgehend zum Stillstand

kommt, erweisen sich die Flughäfen als relativ robust unddurchhaltefähig.

Der Straßenverkehr ist unmittelbar nach dem Stromaus-fall besonders in großen Städten chaotisch. Kreuzungenebenso wie zahlreiche Tunnel und Schrankenanlagen sindblockiert, es bilden sich lange Staus. Es ereignen sichzahlreiche Unfälle, auch mit Verletzten und Todesopfern.Rettungsdienste und Einsatzkräfte haben erheblicheSchwierigkeiten, ihren Aufgaben, wie Versorgung undTransport von Verletzten oder Bekämpfung von Bränden,gerecht zu werden. Durch den Ausfall der meisten Tank-stellen bleiben zunehmend Fahrzeuge liegen, der Motori-sierte Individualverkehr (MIV) nimmt nach den ersten24 Stunden stark ab. Der Öffentliche Personennahverkehr(ÖPNV) kann wegen knappen Treibstoffs allenfalls rudi-mentär aufrechterhalten werden. Der Verkehr auf Auto-bahnen ist über die gesamte Dauer des Stromausfalls we-niger betroffen.

Der Stromausfall bringt den stromversorgten Schienen-verkehr abrupt zum Stillstand. Viele Menschen sind inU-Bahnen und Zügen der Bahn eingeschlossen. Leit-stellen, Stellwerke und Sicherungstechnik sind in ihrenFunktionen drastisch eingeschränkt. Die Beeinträchti-gung des Schienenverkehrs bedeutet eine massive Be-hinderung der Mobilität der Bevölkerung.

Im Bereich des Luftverkehrs wird der Grundbetrieb vongrößeren Flughäfen durch Netzersatzanlagen und Treib-stoffvorräte über die gesamte Dauer des Stromausfalls si-chergestellt. Starts und Landungen können deshalb in be-grenztem Umfang noch abgewickelt werden.

Die weitreichenden Folgen des Stromausfalls für denSchiffsverkehr zeigen sich insbesondere in den Häfen.Dort unterbricht der Stromausfall das Be- und Entladender Schiffe, da z. B. Förderbänder oder die strombetriebe-nen Kräne nicht mehr funktionieren. Sämtliche Abläufestocken, der gesamte Hafenbetrieb kommt zum Stillstand,Güterstaus entstehen. Während der Ausfall der Binnenhä-fen sich vor allem regional auswirken wird, sind die Aus-fälle der Seehäfen als Umschlagplätze nationaler und in-ternationaler Güter deutschland- und sogar europaweit zuspüren.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die Folgen eines Stromausfalls treten abrupt auf und sindmassiv. Aus einer Vielzahl von Unfällen, liegengebliebe-nen Zügen und U-Bahnen, umzulenkenden Flügen sowieLkw- und Güterstaus in Häfen ergeben sich erheblicheEinschränkungen der Mobilität und des Gütertransports.Insbesondere in Metropolen und Ballungsräumen führenStaus und Unfälle im Straßenverkehr zu chaotischen Zu-ständen. Brandbekämpfung, Notrettung und Kranken-transporte, Einsätze zur Sicherstellung der Notstromver-sorgung sowie eine Vielzahl weiterer Maßnahmen zurallgemeinen Schadensbewältigung werden erheblich be-hindert. Da alle Tankstellen ausgefallen sind, wird derTreibstoff für die Einsatzfahrzeuge knapp. Darüber hi-naus drohen erhebliche Engpässe bei der Versorgung der

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5672

Bevölkerung, beispielsweise mit Lebensmitteln oder me-dizinischen Bedarfsgütern.

Dementsprechend sind die Behörden und Hilfsorganisa-tionen mit komplexen Herausforderungen konfrontiert.So muss vor Ort eine ausreichende Versorgung der Ein-satzkräfte sowie der NSA von besonders sensiblen Kom-ponenten der Kritischen Infrastrukturen (wie Einsatzleit-stellen, Wasserwerke, Krankenhäuser) mit Treibstoffsichergestellt werden. Auch müssen durch Räumungen,Sperrungen und Fahrverbote wichtige Trassen des Stra-ßen- und Schienenverkehrs für die Einsatzkräfte freige-macht und freigehalten werden. Schließlich gilt es,(überregionale) Transportachsen einzurichten sowieTransportkapazitäten bereitzustellen, um die Versorgungmit essenziellen Gütern, insbesondere über die Schiene,zu ermöglichen. Dazu müssen die zuständigen Behör-den im Verlauf des Stromausfalls zusammen mit Logis-tikunternehmen und den Bahnbetreibern entscheiden,welche Strecken offen gehalten werden sollen und wel-che Maßnahmen für einen Notbetrieb umgesetzt werdenmüssen.

Im Teilsektor „Luftverkehr“ können aufgrund einer auf-wendigen Notstromversorgung aktuelle An- und Abflügenoch teilweise realisiert werden. Die Deutsche Flugsiche-rung wird aber schon bald Flugbewegungen reduzierenoder untersagen, und die Fluglinien leiten Flüge in dasvom Stromausfall nichtbetroffene Gebiet um. In Flughä-fen müssen noch ein Grundbetrieb aufrechterhalten, dieSicherheit auf dem Gelände gewährleistet sowie die nochwartenden Fluggäste versorgt werden. Zudem wird ge-prüft, inwiefern Versorgungsflüge, ggf. als Sichtflug, fürdie betroffene Bevölkerung möglich sind.

Angesichts der schwerwiegenden Beeinträchtigungen derBinnen- und Seehäfen im Teilsektor „Wasser“ versuchendie jeweiligen Hafenbehörden den Hafenbetrieb zu redu-zieren, Staus aufzulösen, Schiffe sowie nichtbetroffeneHäfen in Deutschland und Europa zu kontaktieren undmit den verantwortlichen Behörden zu kommunizieren,um den Güterverkehr umzulenken und über Straße undSchiene abzuwickeln. Die Feuerwehr und das THW kom-men ggf. zum Einsatz, beispielsweise um eine temporäreStromversorgung mit mobilen Aggregaten aufzubauenoder wenn es zu Gefahrenlagen im Zusammenhang mitgefährlichen Gütern kommt. Aufgrund der Ausfälle imBereich der Informations- und Kommunikationstechnolo-gie wird es dabei zu erheblichen Schwierigkeiten kom-men.

Wasserversorgung und Abwasserentsorgung

Wasser ist als nichtsubstituierbares Lebensmittel undGarant für hygienische Mindeststandards eineunverzichtbare Ressource zur Deckung menschlicherGrundbedürfnisse. Wasser ist aber auch für Gewerbe,Handel, Industrie und öffentliche Einrichtungen vonsubstanzieller Bedeutung. Die Wasserinfrastruktursys-teme können ohne Strom bereits nach kürzester Zeit nichtmehr betrieben werden. Die Folgen ihres Ausfalls, insbe-sondere für die Versorgung der Bevölkerung mit Trink-wasser, wären katastrophal.

Im Bereich der Wasserversorgung wird elektrische Ener-gie in der Wasserförderung, -aufbereitung und -verteilungbenötigt. Besonders kritisch für die Gewährleistung derjeweiligen Funktion sind elektrisch betriebene Pumpen.Fallen diese aus, ist die Grundwasserförderung nichtmehr möglich, die Gewinnung von Wasser aus Oberflä-chengewässern zumindest stark beeinträchtigt. Zudemkönnen Aufbereitungsanlagen und das Verteilsystem nurnoch durch natürliche Gefälle gespeist werden, sodass er-heblich weniger Wasser bereitgestellt und höher gelegeneGebiete gar nicht mehr versorgt werden können.

Die reduzierte Wasserversorgung wirkt sich auch auf dieAbwasserentsorgung aus: So sinkt die anfallendeSchmutzwassermenge, und es ändert sich die Zusammen-setzung des Schmutzwassers. Deshalb besteht die Gefahr,dass sich durch das stark konzentrierte Abwasser in derKanalisation Ablagerungen bilden und zu Verstopfungenund Geruchsbildung führen. Da die Abwasserhebepum-pen oftmals nicht notstromgepuffert sind, kann anfallen-des Abwasser aus den Kanälen austreten. Kläranlagensind in der Regel mit Notstromerzeugungskapazitätenausgerüstet, die einen Volllastbetrieb erlauben. Sollte dieNotstromversorgung versagen, müssen die Abwasser-mengen vor dem Klärwerk abgeschlagen und in die Ober-flächengewässer geleitet werden. Damit sind unmittel-bare Umweltschäden verbunden.

Eine Unterbrechung der Wasserversorgung wirkt sichumfassend auf das häusliche Leben aus: Die gewohnteKörperpflege ist nicht durchführbar; für die Mehrzahl derHaushalte gibt es kein warmes Wasser. Das Zubereitenvon Speisen und Getränken ist nur reduziert möglich, unddie Toilettenspülung funktioniert nicht. Mit fortschreiten-der Dauer des Ausfalls ist mit einer Verschärfung der Pro-bleme zu rechnen. Saubere Kleidung gibt es bald nichtmehr, und die hygienischen Zustände werden prekär.Toiletten sind verstopft. Es wächst die Gefahr der Aus-breitung von Krankheiten. Eine weitere, mittelbare Folgedes Stromausfalls ist ein wachsendes Risiko von Bränden− im industriellen Bereich etwa durch den Ausfall vonKühlungen und Prozessleitsystemen oder durch Versuchein den Haushalten, ohne Strom zu kochen, zu heizen oderzu beleuchten. Da als Folge der reduzierten oder ausge-fallenen Wasserversorgung die Brandbekämpfung beein-trächtigt ist, besteht insbesondere in Städten wegen derhohen Besiedelungsdichte die Gefahr der Brandausbrei-tung auf Häuserblöcke und möglicherweise sogar aufganze Stadtteile.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die Auswirkungen eines Stromausfalls auf die Wasserin-frastruktursysteme sind in Deutschland örtlich sehr hete-rogen. Dennoch lässt sich sagen, dass ein Großteil der inden Netzen und auf Anlagen vorhandenen Trink- und Ab-wasserspeicher sowie Notstromkapazitäten allenfalls aufdie Überbrückung wenige Stunden dauernder Versor-gungsstörungen ausgelegt ist.

Zur Bewältigung der unmittelbaren und mittelbaren Fol-gen eines Stromausfalls sind Maßnahmen mit hohem per-sonellem, organisatorischem, zeitlichem und materiellem

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Drucksache 17/5672 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Aufwand erforderlich. Dazu gehören die Versorgung derBevölkerung durch Rückgriff auf Notbrunnen (5 200 inDeutschland) und der Einsatz mobiler Sanitärwagen.Weitere Maßnahmen betreffen die Aufrechterhaltung ei-nes Betriebszustands der Ver- und Entsorgungsnetze aufeinem niedrigen Leistungsniveau durch Überbrückungund funktionellen Ersatz einzelner stromabhängigerKomponenten und Anlagen. Dies erfordert insbesondereden mobilen Einsatz von NSA. Diese müssen an wech-selnden Positionen betrieben werden, wie z. B. an Hebe-anlagen in der Kanalisation oder bei den elektrischenPumpen der Wasserversorgung. Solange eine Notstrom-versorgung verfügbar ist, kann die Wasserversorgung mitbegrenzter Leistung, eingeschränkter Verfügbarkeit imLeitungsnetz und/oder reduzierter Trinkwasserqualitätbetrieben werden. Die Trinkbarkeit des Wassers lässt sichdann auf Abnehmerseite, z. B. durch Entkeimungsmittel,herstellen. Ob diese Maßnahmen zur Katastrophenbewäl-tigung – insbesondere angesichts der knappen Kapazitä-ten bei NSA – für einen längeren Zeitraum tragfähig sind,ist zweifelhaft.

Informations- und Handlungsbedarf

Angesichts der überragenden Bedeutung der Wasser-infrastruktursysteme für die Versorgung der Bevölkerungsollten Sicherheitskonzepte fortentwickelt werden. Zwarenthält das Regelwerk des Deutschen Verbands für dasGas- und Wasserfach bereits zahlreiche Elemente desTrinkwassersicherheitskonzepts der Weltgesundheitsor-ganisation (WHO). Da aber der Aspekt der Risiko-abschätzung in den Bereichen Wassergewinnung, -aufbe-reitung, -speicherung und -verteilung noch kaumimplementiert ist, besteht Bedarf an Analysen, um Priori-sierungen hinsichtlich zu entwickelnder Maßnahmen zuermöglichen. Bezüglich vorliegender Vulnerabilitätsana-lysen ist festzustellen, dass Auswirkungen eines langan-haltenden Stromausfalls auf die Wasserinfrastruktur bis-her nicht modellgestützt untersucht worden sind. Alsbesonders geeignet könnten sich Modelle erweisen, diedas Wasserinfrastruktursystem als einen Bestandteil einesGeflechts von interagierenden Infrastrukturen auffassen.Ergebnisse könnten beim Aufbau eines vorbeugendenKatastrophenmanagementsystems hilfreich sein.

Aspekte der Vulnerabilität und Resilienz sollten verstärkt inPlanungen für zukünftige Systeme integriert werden. ZumBeispiel wird im Bereich der Abwasserbehandlungsanlagenbereits verstärkt Forschung und Entwicklung mit dem Zieleiner Steigerung der Energieeffizienz und derEigenenergieproduktion durch Faulgasverstromung inBlockheizkraftwerken (BHKW) betrieben. Durch derenweiteren Ausbau wäre schon bei heutigem Stand derTechnik eine autarke Energieeigenversorgung denkbar.Eine Inselnetztauglichkeit der dezentralen Stromerzeugerkönnte einen Beitrag zu einer verbesserten Resilienz desSektors nach dem Stromausfall leisten. Ziel solcherSysteme sollte sein, die Kläranlagen sicher undunkompliziert in einen autarken Betriebszustand zuversetzen. Energieautarkie und Inselnetztauglichkeitwären auch für die Wasserwerke als zentrale Elemente derInfrastruktur anzustreben.

Kurzfristig besteht Bedarf, Verbesserungen an nichtsyste-mischen Sicherheitskonzepten vorzunehmen. So gibt esbei Kläranlagen noch erhebliche Defizite in der Ausstat-tung mit Systemen zur unterbrechungsfreien Stromver-sorgung, bei NSA und in der Ausstattung mit Betriebs-mitteln (z. B. Diesel) für einen längeren Zeitraum.

Im Bereich Brandschutz ergeben sich Möglichkeiten derVulnerabilitätssenkung beispielsweise durch die Entwick-lung und den Einsatz neuer Technologien, die durch ef-fektiveren Löschwassereinsatz zu einer Senkung desWasserbedarfs führen.

Lebensmittel

Der Sektor Lebensmittel umfasst die komplexe Versor-gungskette von der Rohstoffproduktion bis zur Abnahmevon Fertigerzeugnissen durch den Endverbraucher. AlsFolge des Stromausfalls ist die Versorgung mit Lebens-mitteln erheblich gestört; deren bedarfsgerechte Bereit-stellung und Verteilung unter der Bevölkerung werdenvorrangige Aufgaben der Behörden. Von ihrer erfolgrei-chen Bewältigung hängt nicht nur das Überleben zahlrei-cher Menschen ab, sondern auch die Aufrechterhaltungder öffentlichen Ordnung.

Aufgrund fehlender Klimatisierung und Durchlüftungkommt es innerhalb der ersten Tage zu Schäden in derUnterglasproduktion von Obst und Gemüse sowie an La-gergut. In der Tierhaltung werden die für Leben undGesundheit der Tiere wichtigen Funktionen in der Stall-technik zunächst durch (vorgeschriebene) NSA aufrecht-erhalten. Der Ausfall der weiteren Stall- und Melktechnikbeeinträchtigt jedoch das Wohlbefinden der Tiere undkann bei Milchvieh zu Euterentzündungen und in derFolge zum Tod führen. Sobald der Treibstoffvorrat für dieNSA erschöpft ist, was zumeist nach 24 Stunden der Fallist, leiden die Tiere unter der manuell nicht zu leistendenVersorgung mit Futter, Wasser und Frischluft. Am proble-matischsten ist die Versorgung von Schweinen und Geflü-gel in Beständen mit mehreren Tausend Tieren. Unter die-sen Bedingungen überleben die Tiere oft schon die erstenStunden nicht.

Die weiterverarbeitende Lebensmittelindustrie fällt zu-meist sofort aus, sodass die Belieferung der Lager desHandels unterbrochen wird. Diese halten zwar umfang-reiche Lebensmittelbestände vor, allerdings überwiegendin Form von (Tief-)Kühlprodukten. Nur wenige Lagerkönnen die erforderliche Notstromversorgung länger alszwei Tage aufrechterhalten. Dadurch werden auch derWarenumschlag und damit die Versorgung der Filialenmassiv beeinträchtigt. Dort leeren sich die Regale inner-halb weniger Tage.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Der Lebensmittelhandel erweist sich angesichts der er-höhten Nachfrage als das schwächste Glied der Lebens-mittelversorgung. Schon nach wenigen Tagen ist miternsthaften Engpässen bei der Lebensmittelversorgung zurechnen. Mit dem Ziel der Katastrophenbewältigung

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/5672

könnten die Behörden u. a. folgende Maßnahmen ergrei-fen:

– Auf Grundlage des Ernährungsvorsorgegesetzes wirddie rationierte Freigabe der Bestände der „Zivilen Not-fallreserve“ und der „Bundesreserve Getreide“ veran-lasst. Diese werden, wo möglich, weiterverarbeitetund über sogenannte Sammelverpflegungseinrichtun-gen ausgegeben.

– Auf der Basis des Verkehrsleistungsgesetzes (VerkLG)werden Transportkapazitäten bereitgestellt. Ergänzendwird eine intensivierte übergebietliche Belieferung derbetroffenen Region durch den Handel in Gang gesetzt.

– In ausgewählten Filialen des Lebensmittelhandelswerden Ausgabestellen für Lebensmittel eingerichtet.Diese werden mit NSA ausgestattet und bei der Treib-stoffzuteilung berücksichtigt. Die entsprechenden Un-ternehmen koordinieren in Abstimmung mit den Be-hörden die erforderliche Logistik.

– Da ein großer Teil der Bevölkerung über keine Mög-lichkeit zur Zubereitung warmer Mahlzeiten verfügt,werden, z. B. durch THW, Deutsches Rotes Kreuz(DRK) und Bundeswehr, Großküchen errichtet bzw.warme Mahlzeiten ausgegeben.

Trotz größter Anstrengungen kann aber mit hoher Wahr-scheinlichkeit die flächendeckende und bedarfsgerechteVerteilung der Lebensmittellieferungen nur ungenügendgewährleistet werden. Eine Kommunikation über Vorratund Bedarf zwischen Zentrale, Lager und Filiale ist we-gen des Ausfalls der Telekommunikationsverbindungenerheblich erschwert. Das behördliche Katastrophenma-nagement leidet erheblich unter dem Fehlen eines einheit-lichen Lagebilds, sodass auch eine länderübergreifendePlanung und Koordinierung von Maßnahmen drastischerschwert sind.

Informations- und Handlungssbedarf

Ansatzpunkte für eine vorsorgende Stärkung der Resi-lienz des Sektors wären vor allem die regionalen Zentral-lager des Handels sowie u. U. ausgewählte Filialen. Diesekönnten mit einer robusten Notstromversorgung ausge-stattet werden. Sind Stromeinspeisepunkte vorhanden,wäre der Einsatz mobiler Aggregate eine Option, diedann aber für längere Zeit sichergestellt werden müsste.Eine weitere Handlungsperspektive läge in einer auf rege-nerativen Energien basierten Eigenstromversorgung derZentrallager, die ein hohes Maß an Autarkie ermöglichenwürde.

Geprüft werden könnten öffentlich-private Sicherheits-partnerschaften zur Stärkung der Resilienz des Sektors.Ausgangspunkt könnte beispielsweise ein Konzept sein,bei dem im Rahmen einer Absprache mit dem Handel an-gestrebt würde, je 10 000 Einwohner eine katastrophen-taugliche Filiale und in jedem Bundesland ein Lebensmit-tellager vorzusehen, die mit umfassenden Beständen,Kommunikationsmitteln und NSA ausgestattet werden.An geeigneten Standorten kämen auch inselnetzfähigedezentrale Stromerzeuger, die regenerative Energiequel-

len nutzen, infrage. Diese würden in eine zentrale Daten-bank aufgenommen, mit deren Hilfe im KatastrophenfallBehörden und Unternehmen Lieferungen koordinieren.

Gesundheitswesen

Nahezu alle Einrichtungen der medizinischen und phar-mazeutischen Versorgung der Bevölkerung sind vonElektrizität unmittelbar abhängig. Das dezentral undhocharbeitsteilig organisierte Gesundheitswesen kannden Folgen eines Stromausfalls daher nur kurz widerste-hen. Innerhalb einer Woche verschärft sich die Situationderart, dass selbst bei einem intensiven Einsatz regionalerHilfskapazitäten vom weitgehenden Zusammenbrechender medizinischen und pharmazeutischen Versorgungauszugehen ist.

Bereits nach 24 Stunden ist die Funktionsfähigkeit desGesundheitswesens erheblich beeinträchtigt. Kranken-häuser können mithilfe von NSA noch einen einge-schränkten Betrieb aufrechterhalten, Dialysezentren so-wie Alten- und Pflegeheime aber müssen zumindestteilweise geräumt werden und Funktionsbereiche schlie-ßen. Die meisten Arztpraxen und Apotheken könnenohne Strom nicht mehr weiterarbeiten und werden ge-schlossen.

Arzneimittel werden im Verlauf der ersten Woche zuneh-mend knapper, da die Produktion und der Vertrieb phar-mazeutischer Produkte im vom Stromausfall betroffenenGebiet nicht mehr möglich sind und die Bestände derKrankenhäuser und noch geöffneten Apotheken zuneh-mend lückenhaft werden. Insbesondere verderbliche Arz-neimittel sind, wenn überhaupt, nur noch in Krankenhäu-sern zu beziehen. Dramatisch wirken sich Engpässe beiInsulin, Blutkonserven und Dialysierflüssigkeiten aus.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Der dezentral strukturierte Sektor ist schon nach wenigenTagen mit der eigenständigen Bewältigung der Folgendes Stromausfalls überfordert. Die Leistungsfähigkeit desGesundheitswesens wird nicht nur durch die zunehmendeErschöpfung der internen Kapazitäten, sondern auchdurch Ausfälle anderer Kritischer Infrastrukturen redu-ziert. Defizite bei der Versorgung, beispielsweise mitWasser, Lebensmitteln, Kommunikationsdienstleistun-gen und Transportdienstleistungen, verstärken die Ein-brüche bei Umfang und Qualität der medizinischen Ver-sorgung.

Die Rettungsdienste können nur noch begrenzt für Trans-port- und Evakuierungseinsätze eingesetzt werden. Siesind durch die Beeinträchtigungen der Kommunikations-infrastruktur von Notrufen der Bevölkerung weitgehendabgeschnitten. Auch ist die Koordination der Einsätze er-heblich erschwert. Probleme bereitet auch die schwin-dende Verfügbarkeit von Treibstoff. Die präklinische me-dizinische Versorgung ist deshalb massiv beeinträchtigt.

Der Zusammenbruch der in Krankenhäusern konzentrier-ten Versorgung droht. Einige Krankenhäuser können zu-nächst eine reduzierte Handlungsfähigkeit bewahren und

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Drucksache 17/5672 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sind dadurch zentrale Knotenpunkte der medizinischenVersorgung. Sie verfügen meistens noch über einen ge-wissen Bestand an Medikamenten sowie ausreichend Per-sonal und Treibstoff. Medizinisches Personal der ambu-lanten Versorgung unterstützt die Arbeit derKrankenhäuser. Jedoch führt diese verhältnismäßig guteAusstattung auch dazu, dass dann, wenn andere Einrich-tungen (wie Alten- und Pflegeheime, Dialysezentren) ge-räumt werden müssen, auf Krankenhäuser ausgewichenwird, sodass der Zusammenbruch der noch vorhandenenKapazitäten droht. Zwar ist in den Notfallplänen derKrankenhäuser die Entlassung möglichst vieler Patientenvorgesehen. Doch können wegen der katastrophalen Zu-stände außerhalb der Kliniken allenfalls Patienten entlas-sen werden, die sich selbstständig versorgen können.Auch erste Hilfeleistungen seitens der Bundeswehr imRahmen der „Zivil-Militärischen Zusammenarbeit“(ZMZ) sorgen allenfalls punktuell für Entlastung.

Spätestens am Ende der ersten Woche wäre eine Katastro-phe zu erwarten, d. h. die gesundheitliche Schädigungbzw. der Tod sehr vieler Menschen sowie eine mit lokalbzw. regional verfügbaren Mitteln und personellen Kapa-zitäten nicht mehr zu bewältigende Problemlage. Ohneweitere Zuführung von medizinischen Gütern, Infrastruk-turen und Fachpersonal von außen ist die medizinisch-pharmazeutische Versorgung nicht mehr möglich.

Informations- und Handlungsbedarf

Krankenhäuser spielen als Ankerpunkte der medizini-schen Versorgung der Bevölkerung eine zentrale Rolle.Zwar kann ihnen eine gewisse Robustheit zugebilligtwerden, diese wird aber nicht ausreichen, um die Ausfällealler weiteren Einrichtungen – insbesondere der dezentra-len ambulanten Versorgung – zu kompensieren. Für diezumeist vorhandenen NSA muss deshalb eine kontinuier-liche Nachführung von Treibstoff sichergestellt werden.Dazu kämen in begrenztem Umfang die Vorhaltung vonTreibstoff auf dem Gelände oder Vereinbarungen mit Lie-feranten (die Lieferungen angesichts der allgemeinen Fol-gen des Stromausfalls wahrscheinlich kaum realisierenkönnten) infrage. Einspeisepunkte für die Notstromver-sorgung wären grundsätzlich bereits bei der Planung vor-zusehen. Schließlich sollten Krankenhäuser als prioritärBerechtigte für die Zuteilung von Treibstoff durch dieKatastrophenschutzbehörde bestimmt werden. Ein weitergehender Ansatzpunkt ist die Gewinnung eines möglichsthohen Grades an Energieautarkie und Inselnetzfähigkeit,wie in Kliniken im Ansatz bereits vielfach im Rahmenvon Umweltschutzbemühungen und Maßnahmen zurSenkung des Energieverbrauchs realisiert. Zur Sicherstel-lung der Trinkwasserversorgung von Krankenhäusernsollten verstärkt Möglichkeiten zur Aufbereitung bzw.zum Transport des Wassers aus Notbrunnen zu den Kran-kenhäusern bzw. Behelfskrankenhäusern geprüft werden.

Eine verbesserte Bevorratung von Sanitätsmitteln könntezur Stärkung der Widerstandsfähigkeit erheblich beitra-gen. Es könnte auch erwogen werden, im Arzneimittel-gesetz weitere Ausnahmeregelungen für Notfälle undKatastrophen vorzusehen. Ziel müssten praxisnahe Rege-

lungen für den langandauernden Katastrophenfall und dieVersorgung der Bevölkerung sein. Schließlich erscheintes unabweisbar, Hersteller und Großhandel sowie Apo-theken in die Katastrophenbewältigung einzubeziehen.Voraussetzung wäre dabei, dass die genannten AkteureVorsorge für Herstellung und Verteilung bei einem länge-ren Stromausfall zu treffen hätten. Dazu müsste geprüftwerden, in welcher (rechtlichen) Form dies umsetzbarsein könnte.

Finanzdienstleistungen

Selbst bei einem großflächigen und langandauerndenStromausfall zeigt sich das Finanzdienstleistungssystemin einzelnen Teilsektoren als relativ robust. Nach Ein-schätzungen von Experten sind der Daten- und Zahlungs-verkehr zwischen den Banken, den Clearingorganisatio-nen und den Börsen, die Datenhaltung sowie weiterekritische Geschäftsprozesse über eine lange Zeit durchNotstromversorgung gewährleistet bzw. können in einnichtbetroffenes Gebiet ausgelagert werden. Auch imBörsensystem sind die für einen Katastrophenfall geplan-ten Maßnahmen in technischer, personeller und organisa-torischer Sicht ausreichend, um den Betrieb im Wesentli-chen über die gesamte Dauer des Stromausfallssicherzustellen.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Weniger robust sind die Kommunikationswege zwischenden Banken, Clearingorganisationen und Handelsplätzeneinerseits und den Personen und Unternehmen, die Fi-nanzdienstleistungen nachfragen, andererseits. Wegendes Ausfalls der Telefonnetze und des Internets bestehtim betroffenen Gebiet nach kurzer Zeit keine Möglichkeitmehr, Finanzdienstleistungen abzuwickeln. Viele Ban-ken, die nach dem Eintritt des Stromausfalls noch geöff-net bleiben, schließen nach einigen Tagen. Da auch dieGeldautomaten ausgefallen sind, droht die Bargeldversor-gung der Bevölkerung zu kollabieren. Es ist anzunehmen,dass es hierdurch und durch den Ausfall elektronischerZahlungsmöglichkeiten in Geschäften und Banken mitder Zeit zu Unmut und teils zu aggressiven Auseinander-setzungen kommt, da es für die Bevölkerung keine Be-zahlmöglichkeiten mehr gibt.

Als Achillesferse des Sektors erweisen sich die fehlendenelektronischen Bezahlmöglichkeiten sowie dieversiegende Bargeldversorgung der Bevölkerung. Ausdiesem Grund verstärkt sich die Unsicherheit in derBevölkerung: Die Menschen haben Angst, sich nichtmehr mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern destäglichen Bedarfs versorgen zu können. Die Informationder Kunden und eine angemessene Risikokommunikationin Abstimmung mit den Katastrophenschutzbehördenwerden deshalb immer wichtiger.

Informations- und Handlungsbedarf

Die Deutsche Bundesbank steht vor der Aufgabe, inZusammenarbeit mit anderen Organisationen und Ein-satzkräften des Bevölkerungsschutzes, zumindest eine

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/5672

rudimentäre Bargeldversorgung der Bevölkerung sicher-zustellen. Hierzu müssten die Banken einbezogen wer-den. Für Anlieferung und Ausgabe von Bargeld wäre einumfassendes Organisations- und Logistikkonzept erfor-derlich. Auch müsste ein erweitertes Sicherheitskonzeptentwickelt werden, da fraglich ist, ob die privaten Sicher-heitsdienstleister die intensive Auslieferung von Bargeldausreichend absichern könnten.

Fallbeispiel „Gefängnisse“

Durch NSA können Justizvollzugsanstalten (JVA) zu-nächst die Hauptfunktionen des Betriebs zunächst auf-rechterhalten. Dies sind primär die Sicherung der Gefan-genen und die Grundversorgung (Beleuchtung, Lüftung,Heizung). Die erste Phase des Stromausfalls ist am chao-tischsten. Besonders problematisch ist ein Stromausfallam Tag, da eine große Zahl von Gefangenen außerhalbder Zellen ist. Sämtliche nicht mit Notstrom versorgte Si-cherheitselemente, Anlagen der Gebäudetechnik sowieEDV-Anlagen und Kommunikationsmittel stehen nichtmehr zur Verfügung. Dies macht den Dauereinschluss derGefangenen erforderlich. Neben der daraus resultieren-den psychischen Belastung zeigen sich bei Gefangenendurch schlechter werdende hygienische Verhältnisse, un-genügende Nahrungsmittelversorgung sowie fehlendeHeizung gesundheitliche Probleme.

Auch das Personal der JVA ist zunehmend belastet undübermüdet. Zudem kommen Teile des Personals aufgrundder Verkehrsprobleme zu spät oder gar nicht zur Arbeit.Dadurch wächst insgesamt die Gefahr von Gehorsams-verweigerungen und Unruhen. Bedingt durch die Auswir-kungen des Stromausfalls auf andere Sektoren ist nichtvon einer Entlastung durch Polizeikräfte und andere Un-terstützungskräfte auszugehen. Die Sicherstellung derVersorgung der NSA hat nun die höchste Priorität. Nurdadurch sind ein (reduzierter) Betrieb und eine adäquateÜberwachung der Gefangenen möglich. Selbst wenn diesgelingt, entsteht zunehmend – insbesondere durch hygie-nische, medizinische und weitere Versorgungsprobleme –eine kaum zu bewältigende Lage. Die Situation verschärftsich, sollte die Zahl der Häftlinge aufgrund wachsenderKriminalität und Verhaftungen im betroffenen Gebietsteigen.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die Treibstoffreserven der JVA vor Ort reichen voraus-sichtlich nur für wenige Tage. Für die Sicherstellung derNotstromversorgung sind also die Verfügbarkeit mobilerNSA bzw. die Lieferung zusätzlicher Treibstoffmengenzwingend notwendig. Ist die Notstromversorgung gefähr-det, scheint eine Verlegung der Gefangenen in andereJVA, die sich außerhalb des betroffenen Gebiets befindenund deren Belegungskapazität nicht überschritten ist, na-hezu unumgänglich.

Selbst bei funktionierendem Notstrom wird die Durchhal-tefähigkeit einer JVA aufgrund von Sicherheits- und Ge-sundheitsproblemen nach wenigen Tagen infrage stehen.Deshalb, und weil die Gefahr von Ausbrüchen droht,

muss über eine Räumung der JVA entschieden und diesein die Wege geleitet werden. Dabei könnten massive Ko-ordinationsprobleme aufgrund ausgefallener Festnetz-und Mobilfunktelefonie auftreten. Es ist ferner fraglich,ob ausreichende und geeignete Transportkapazitäten ein-schließlich des hierfür erforderlichen Sicherungsperso-nals abrufbar sind.

Informations- und Handlungsbedarf

Explizite gesetzliche Regelungen zur Notstromversor-gung in JVA sind nicht erkennbar. Ob auf der Ebene derVerwaltungsvorschriften, als Folge der Katastrophen-schutz- und Hilfeleistungsgesetze der Bundesländer, ein-schlägige Maßgaben vorliegen, konnte nicht sicher ge-klärt werden. Unklar ist ferner, ob ein länger andauernderStromausfall Teil von Notfallplänen der JVA oder vonAlarm- und Einsatzplänen der unteren Katastrophen-schutzbehörde ist und ob entsprechende Übungen unterEinbezug externer Unterstützungskräfte stattfinden. Wei-terer Informations- sowie rechtlicher Klärungsbedarf er-gibt sich für möglicherweise notwendig werdende außer-gewöhnliche Maßnahmen, wie die Nichtaufnahme vonFreigängern oder die gezielte Entlassung („Hafturlaub“)bestimmter Gruppen von Gefangenen.

Die sektorbezogene Perspektive bei der Folgenanalysehat offenkundig gemacht, wie begrenzt die Kapazitätenzur Folgenbewältigung sind. Zudem werden durch die si-gnifikante gegenseitige Abhängigkeit der Sektoren dieDurchhaltefähigkeit weiter reduziert und die Möglichkei-ten für das Hilfeleistungssystem eingeschränkt. Im Fol-genden wird diese Einschätzung nochmals untermauert,und es werden einige sektorübergreifende Schlussfolge-rungen gezogen.

Verhalten

Bricht die Stromversorgung zusammen, sind alltäglicheHandlungen infrage gestellt und gewohnte Kommunikati-onswege größtenteils unbrauchbar. Die damit verbunde-nen Gefährdungen und Ungewissheiten verunsichern dieBürger und erschüttern ihre Überzeugung von der Kon-trollierbarkeit ihrer Lebensbedingungen. Dies wird da-durch verstärkt, dass der Stromausfall die Betroffenen un-vorbereitet und unter der Bedingung der zeitlichenUnbestimmtheit trifft. Stockt die Versorgung, fehlen In-formationen und beginnt die öffentliche Ordnung zusam-menzubrechen, entstehen Ohnmachtsgefühle und Stress.

Die aus Angst und Ungewissheit resultierenden Folgenfür das Verhalten der Menschen sind keinesfalls homo-gen. Vielmehr ist zu erwarten, dass ein breites Spektrumunterschiedlicher und teils widersprüchlicher Reaktionenauftreten wird. Manche Individuen und Gruppen fallenhinter die etablierten Normen des gesellschaftlichen Zu-sammenlebens zurück. Sie werden rücksichtsloser,aggressiver und gewaltbereiter. Die Bereitschaft zu helfenkann abnehmen. Andererseits werden auch Reaktions-und Verhaltensformen wie Kooperation, Empathie undHilfsbereitschaft zutage treten, wodurch die Betroffenen

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Drucksache 17/5672 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

das Gefühl der Bewältigbarkeit der Katastrophe gewin-nen.

Die Mitglieder der Hilfsorganisationen erleben die Fol-gen des Stromausfalls als extremen Stress sowie als hohekörperliche und psychische Belastung. Fehlende Ressour-cen und unzureichende Koordinierung vor Ort, aber auchunterschiedliche Organisationskulturen können fehlerhaf-tes Gefahrenverhalten verursachen, eine effiziente Kom-munikation und Zusammenarbeit der Einsatzkräfte er-schweren oder sich zu Konflikten zwischen den Helfernzuspitzen.

Das Verhalten von Gruppen und Individuen in einem Ka-tastrophenfall ist ein noch nicht ausreichend erschlosse-ner Untersuchungsgegenstand. So fehlen Analysen zumSchutz-, Flucht- und Unterstützungsverhalten der Bevöl-kerung sowie zur Belastungsakkumulation in langandau-ernden Bedrohungslagen. Zugleich existiert hierzu abereine Reihe von weitgehend fragwürdigen Annahmen– insbesondere zu erwartbarem, überwiegend unsozia-lem, apathischem oder panikartigem Verhalten der Bevöl-kerung. Deshalb wäre hier weitere Aufklärung – insbe-sondere zu den möglichen Hilfeleistungspotenzialen derBevölkerung in Katastrophensituationen – erforderlich.Durch differenzierte Forschungsbemühungen könnte amBeispiel Stromausfall ein Beitrag zur Analyse des in derKatastrophenforschung wenig thematisierten menschli-chen Bedrohungs- und Fehlverhaltens und seiner Ursa-chen geleistet werden. Dabei sollte auch das Verhaltenvon Helfern Untersuchungsgegenstand sein. Informa-tions- und Forschungsbedarf ist vor allem bei der interor-ganisatorischen Kommunikation und Kooperation zu se-hen. Welches fördernde und hemmende Faktoren derKommunikation sind, sollte durch verstärkte sozialwis-senschaftliche und interdisziplinäre Analysen weiter er-hellt werden.

Rechtliche Aspekte der Katastrophenbewältigung

Die durch den Stromausfall induzierten Folgen und Fol-geketten führen zu einer Situation, in der das Leben, diekörperliche Unversehrtheit und Sicherheit der Bevölke-rung hochgradig gefährdet sind sowie großer materiellerSchaden entsteht. Es entwickelt sich eine Gefahren- undSchadenslage, in der überregionale Ressourcen mobili-siert werden müssen, damit der Staat seiner Schutzpflichtgenügen kann. Auf rechtlicher und administrativer Ebenesind durch den Gesetz- und Verordnungsgeber entspre-chende Voraussetzungen geschaffen worden.

Beispielsweise könnten auf Basis verschiedener Vorsor-gegesetze, Bewältigungskapazitäten zur Unterstützungregionaler Kapazitäten aktiviert werden. Eröffnet würdendann beispielsweise folgende Optionen:

– Im Rahmen der „Zivil-Militärischen Zusammenar-beit“ werden Kräfte der Bundeswehr mobilisiert. Da-durch werden neben personeller Unterstützung, z. B.für Polizeien, Katastrophenschutzbehörden oder Ein-richtungen des Gesundheitswesens, auch materielleRessourcen verfügbar. So können etwa Krankenhäuserund Sammelstellen mit Feldbetten und Zelten ausge-

stattet, Großküchen eingerichtet oder Fahrzeuge derBundeswehr für Transport- und Evakuierungsmaßnah-men eingesetzt werden.

– Auf der Basis des Post- und Telekommunikations-sicherstellungsgesetzes (PTSG) und einer entspre-chenden Rechtsverordnung durch das Bundesministe-rium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) kannbestimmten, im Wesentlichen öffentlichen, Aufgaben-trägern ein bevorrechtigter Zugang zu Telekommuni-kations- und Postdienstleistungen gewährt werden.

– Zur Sicherstellung der Lebensmittelversorgung kanngemäß Ernährungsvorsorgegesetz und entsprechenderLandesverordnungen auf die „Zivile Notfallreserve“sowie die „Bundesreserve Getreide“ zurückgegriffenwerden.

– Das Krisengebiet könnte nach Feststellung der beson-deren Notlage durch die Bundesregierung auf Grund-lage des Verkehrsleistungsgesetz (VerkLG) mit Trans-portkapazitäten privater Unternehmen unterstütztwerden. Durch das Bundesamt für Güterverkehr wür-den den anfordernden Stellen diese Transportkapazitä-ten zur Verfügung gestellt.

Zur Sicherstellung der Kraftstoffversorgung kann dasBMWi auf Grundlage des Erdölbevorratungsgesetzeseine Verordnung zur Freigabe der Bestände erlassen.Kraftstoff könnte über das Schienennetz mittels dieselbe-triebener Fahrzeuge oder durch Tankkraftwagen verfüg-bar gemacht und verteilt werden.

Zusammen mit weiteren Landesgesetzen und -verordnun-gen sowie behördlichen Ausführungsbestimmungen sindumfassend und differenziert für spezifische wie sektoren-übergreifende Erfordernisse die notwendigen Vorausset-zungen für die Mobilisierung von Bewältigungskapazitä-ten, auch von außerhalb des betroffenen Gebiets,geschaffen worden.

Zugleich erscheint diese Vielfalt der Rechtsmaterienüberkomplex und wenig abgestimmt. Beispielsweise sinddie rechtlichen Grundlagen für das Katastrophenmanage-ment im Sektor „Gesundheitswesen“ in mindestens elfBundes- und Landesgesetzen sowie zehn Verordnungenbzw. Verwaltungsvorschriften zu finden. Diese Vielzahlvon Instrumenten muss von den zuständigen Akteurenauf den verschiedenen Ebenen sachlich angemessen, zumrichtigen Zeitpunkt und aufeinander abgestimmt einge-setzt werden. Dies kann nur gelingen, wenn in den Kri-senstäben kompetentes Fachpersonal agiert, ein gemein-sam geteiltes Verständnis der Regelungsmaterien herrschtsowie vorausschauend Vorkehrungen getroffen werden,dass die Gesetze und Verordnungen optimal angewendetwerden. Diese Voraussetzungen dürften noch nicht voll-ständig geschaffen sein.

Private Sicherheitspartner

Die Aufgabe eines gutkoordinierten Notfall- und Krisen-managements wird noch komplexer dadurch, dassrelevante nichtbehördliche Akteure einbezogen werdenmüssen. Dazu zählen neben den Energieversorgungsun-ternehmen zahlreiche weitere Unternehmen, beispiels-

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/5672

weise die Informations- und Kommunikationsunter-nehmen, die Lebensmittelwirtschaft oder dasSicherheitsgewerbe. Deren Vielzahl und Heterogenität er-schweren diese Aufgabe erheblich. So muss man sichvergegenwärtigen, dass es beispielsweise im Sektor„Wasser“ 5 200 Versorger und 5 900 Entsorger oder imSektor „Informationstechnik und Telekommunikation“3 000 Anbieter von Dienstleistungen gibt. Diese operie-ren teils lokal, teils überregional und weisen ganz unter-schiedliche Kompetenzen und Kapazitäten bezüglich desKrisenmanagements auf. Aufgrund der Vielzahl und He-terogenität der potenziellen Sicherheitspartner der Behör-den ist zu vermuten, dass hier noch weiterer Optimie-rungsbedarf bei der Gewinnung von privatenSicherheitspartnern auf Kreis- und Landesebene und de-ren Integration in die Krisenprävention und -bewältigungbesteht.

Vernetzte Katastrophenbewältigung – Kommunikation und Koordination

Zur Erstellung eines einheitlichen Lagebilds sowie zurKoordination der zahlreichen regionalen und überregio-nalen Krisenstäbe und Einsatzleitungen sind moderne In-formations- und Kommunikationstechnologien nahezuunentbehrlich. Infolge des Ausfalls der Stromversorgungkann aber kaum noch auf die öffentlichen Kommunika-tionsinfrastrukturen zugegriffen werden. Auch sind diezur Verfügung stehenden Bewältigungskapazitäten unddie behördeneigenen Kommunikationsnetze nicht für ei-nen langandauernden Stromausfall ausgelegt.

– Die Kommunikation der Behörden undOrganisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) erfolgtüber das nichtöffentliche Netz des BOS-Funks. Bis2012 soll flächendeckend ein digitales Funknetzeingeführt werden. Jedoch bedeutet die Modernisie-rung des BOS-Funks unter dem Gesichtspunkt derStromabhängigkeit eine Erhöhung der Vulnerabilitätbei einem Stromausfall. Während die analogen Relais-stationen noch über eine Notstromversorgung von vierbis acht Stunden verfügten, sind die Basisstationen imneuen System nur noch auf eine batteriebasierte Über-brückung von zwei Stunden ausgelegt.

– Die Bundeswehr operiert mit dem digitalen TETRA-POL-Funk, der mobile Sprach- und Datenkommuni-kation ermöglicht. Dieser ist nicht direkt mit dem digi-talen BOS-Funk kompatibel. Da ein Einsatz derBundeswehr erst nach einigen Tagen zu erwarten ist,funktioniert der BOS-Funk bereits nicht mehr.

– Die Krisenstäbe vor Ort hätten auch die Option, aufmobile, stromnetzunabhängige Funkstationen zurück-zugreifen. Die Telekommunikationsunternehmen so-wie THW und Bundeswehr verfügen über eine Netz-ersatzausstattung, mit der sie in der Lage sind, Sprach-und Datendienste zu etablieren und über NSA zu ver-sorgen. Die NSA-Kapazitäten z. B. des THW sindaber begrenzt. Gedacht sind sie in erster Linie für dieKommunikation der Krisenstäbe und Einsatzleitun-gen. Welche Kapazitäten bei den Telekommunikati-onsunternehmen vorhanden sind, ist nicht bekannt.

– Weitere Optionen bei einem Stromausfall sind dieErrichtung provisorischer Feldkabelnetze, die Unter-stützung durch Funkamateure gemäß § 2 Absatz 2Amateurfunkgesetz sowie der Rückgriff auf Satelli-tenkommunikation. Die Kommunikation mittels Feld-kabeln erfolgt mithilfe mobiler Stromerzeuger, dienach kurzer Zeit mit Treibstoff versorgt werdenmüssen. Dagegen sind die energietechnischen Anfor-derungen an Amateurfunkgeräte sehr gering.Satellitentelefonie und satellitengestützte Internetan-bindung bieten ausreichende Übertragungswege,sofern die benötigten terrestrischen Elemente (z. B.die Bodenstationen) mit Strom versorgt sind.

Damit verbleibt den Behörden noch die Möglichkeit derpunktuellen Wiederherstellung einzelner Infrastrukturen.Eine Option besteht in der zumindest stundenweisen Ver-sorgung von Basisstationen des Mobilfunks sowie der zu-gehörigen Fernvermittlungsstelle (Mobile-services Swit-ching Centre, MSC) mit Notstrom. Sofern eineVerbindungskette über weitere MSCs errichtet werdenkann, wären Verbindungen zwischen den Teilnehmern inReichweite sowie in das vom Stromausfall nichtbetrof-fene Gebiet möglich. Ob jedoch eine dauerhafte Versor-gung sowie die Vernetzung mit weiteren MSCs innerhalbund außerhalb des vom Stromausfall betroffenen Gebietszu leisten wäre, ist fraglich.

Aus den genannten Gründen ist davon auszugehen, dasstrotz intensiver Bemühungen zur Wiederherstellung derKommunikationsinfrastrukturen kein einheitliches Lage-bild gewonnen werden kann. Die noch realisierbarentechnischen Optionen sind eher von kurzer Reichweiteund Zeitdauer, die Versorgung ist problematisch und eineKoordinierung der Kräfte und Maßnahmen ist nur unzu-reichend zu leisten. Aus all diesen Gründen wird die be-hördliche Katastrophenbewältigung hochgradig defizitärbleiben.

Krisenkommunikation mit der Bevölkerung

Einer dialogischen Krisenkommunikation mit der Bevöl-kerung wird durch die Ausfälle im Sektor „Informations-technik und Telekommunikation weitgehend der Bodenentzogen. Da die rudimentär verbleibenden oder wiederaufgebauten Kommunikationsmöglichkeiten von den Be-hörden zur unmittelbaren Schadensbehebung und Kata-strophenbewältigung beansprucht werden, ist die Kom-munikation mit der Bevölkerung überwiegend auförtliche batteriegestützte Warnsysteme, Radiomeldungensowie Lautsprecherwagen angewiesen. Da Radiosendersich auch zur Ausstrahlung von Warndurchsagen und In-formationen über das satellitengestützte Warnsystem desBundes SatWaS eignen, versuchen die Behörden, ausge-wählte Sendestationen als Mittel der Krisenkommunika-tion mit Notstrom zu versorgen. Eingerichtete Anlaufstel-len, wie Bürgermeisterämter, Feuerwehrhäuser oderGemeindehallen, können sich – wie Erfahrungen zeigen –zu Knotenpunkten der Informationsverteilung entwi-ckeln. Lautsprecherdurchsagen durch Einsatzfahrzeugeoder Streifen der Einsatzkräfte sind weitere Möglichkei-

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Drucksache 17/5672 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ten, dem Bedürfnis der Bevölkerung nach InformationenRechnung zu tragen.

Es ist aber offensichtlich, dass eine solch fragmentierte(Einweg-)Kommunikation den Ansprüchen an eine konti-nuierliche und zielgruppenspezifische Krisenkommuni-kation nicht gerecht werden kann. Fällt die strombasierteKommunikation so weitgehend aus wie beschrieben, wirdes äußerst schwierig, Glaubwürdigkeit zu vermitteln undVertrauen zu schaffen. Wie eine solche Krisenkommuni-kation ohne Strom gestaltbar sein könnte, ist noch weitge-hend unklar. Deshalb besteht Bedarf an konzeptionellenund praxisfähigen Überlegungen.

Versorgung mit Treibstoff und Notstrom

Für das Katastrophenmanagement ist die Verfügbarkeitder Ressource Treibstoff von zentraler Bedeutung. Unab-dingbar ist die Versorgung beispielsweise von

– Einsatzfahrzeugen der Hilfsorganisationen und Unter-stützungskräfte;

– dieselbetriebenen Schienenfahrzeugen zur Räumungliegengebliebener Züge und für Transportzwecke so-wie Busse des ÖPNV zur Aufrechterhaltung minima-ler Transportdienstleistungen;

– NSA, die sensible Infrastrukturkomponenten (wieEinsatzleitstellen, Feuerwehrhäuser, mobile Funkstati-onen) funktionsfähig halten.

Grundsätzlich bieten trotz der ungünstigen Randbedin-gungen – wie insbesondere der Ausfall von Tankstellen –die existierenden Bewältigungskapazitäten in Form vonTreibstoffvorräten notwendige Voraussetzungen für dieerforderliche Mobilität der Akteure des Katastrophenma-nagements. Beispielsweise stehen durch die gesetzlichvorgeschriebene Erdölbevorratung erhebliche Treibstoff-reserven zur Verfügung, die den Bedarf auch während ei-nes langandauernden Stromausfalls decken könnten. DaBenzin und Diesel vor allem in oberirdischen Tanklagernvorgehalten werden, können dort die Tankwagen oder -zügenach dem Schwerkraftprinzip befüllt werden, falls Stromnicht zur Verfügung steht.

Trotz dieses Potenzials ist es fraglich, inwieweit dieseKapazitäten und Ressourcen bei einem Stromausfall akti-viert und genutzt werden können. So dürften angesichtsder Beeinträchtigungen der Verkehrsinfrastrukturen dieTransportfahrzeuge nicht schnell und umfassend genugeinsetzbar sein, um Treibstoffengpässe insbesondere inden urbanen Zentren zu verhindern. Schließlich ist dieKoordinierung und bedarfsgerechte Verteilung von Treib-stofflieferungen eine äußerst komplexe Aufgabe – selbstwenn es gelänge, ausreichend Tankfahrzeuge von Mine-ralölkonzernen und Logistikdienstleistern auf der Basisdes VerkLG einzubinden: Da ein großflächiges Gebiet be-troffen ist, sind Probleme bei der Abstimmung von Zu-ständigkeiten sowie logistische Herausforderungen zu er-warten. Problemverstärkend wirken die defizitärenKommunikationsmöglichkeiten, sodass es vielerorts zuSituationen der Fehl- oder Unterversorgung kommenwird.

Insgesamt wird deutlich, dass umfangreiche Vorkehrun-gen zur Gewährleistung von Transportdienstleistungenfür die Versorgung mit Treibstoff im Krisenfall bestehen.Jedoch wird unter den spezifischen Bedingungen einesStromausfalls die zeitnahe und gutkoordinierte Aktivie-rung und Verteilung der Treibstoffreserven ein kritischerFaktor für die Folgenbewältigung sein.

Ein Ansatzpunkt zur Erhöhung der Resilienz des Sektorsbestünde in einer Verbesserung der unmittelbar vor Ortverfügbaren Ressourcen. Beispielsweise könnte vorgese-hen werden, ausgewählte Tankstellen mit NSA auszustat-ten und kontinuierlich mit Treibstoff zu versorgen. Unterder Prämisse, dass diese prioritär für die Zwecke der Be-hörden und der Hilfsorganisationen zur Verfügung ste-hen, wären der Zeitdruck bei der Zuführung von Treib-stoffreserven gemindert und die Mobilität undHandlungsfähigkeit der Einsatzkräfte für eine gewisseZeit sichergestellt. Zugleich wäre es zum kontinuierli-chen Betrieb von NSA erforderlich, an ausgewählten re-levanten sicherheitskritischen Standorten zeitgerecht dennotwendigen Brennstoff nachzuführen.

Robuste Stromversorgung nach einem Stromausfall – Inselnetze als Option

Die Durchhaltefähigkeit zahlreicher Infrastrukturele-mente wird durch die geringen Batterie- und Brennstoff-kapazitäten unterbrechungsfreier Stromversorgungs- undnetzunabhängiger Eigenstromversorgungsanlagen be-grenzt. Selbst ein flächendeckender Ausbau stationärerund mobiler Notstromerzeugungskapazitäten würde aberangesichts des immensen Bedarfs sowie zunehmenderKonkurrenz um Treibstoff allenfalls punktuell und zeit-lich begrenzt eine verbesserte Durchhaltefähigkeit derKritischen Infrastrukturen bewirken.

Eine weiter führende Perspektive zur nachhaltigen Stei-gerung der Robustheit der (Not-)Stromversorgung bötendeshalb Konzepte zum Aufbau von Inselnetzen. UnterNutzung dezentraler vernetzter Stromerzeuger könntenregional begrenzte Inselnetze nach einem Stromausfallweiterhin Strom erzeugen. Bereits ein punktueller, auf öf-fentliche Einrichtungen mit hoher Bedeutung für die Ka-tastrophenbewältigung beschränkter Auf- und Ausbauvon Inselnetzen – insbesondere auf der Basis regenerati-ver Energien – könnte eine Stärkung der Resilienz derStromversorgung und damit der Kritischen Infrastruktu-ren bewirken. Daher wird die Überprüfung der techni-schen und ökonomischen Machbarkeit in einem Modell-projekt vorgeschlagen.

Information und Sensibilisierung der Bevölkerung

Hinsichtlich der Informiertheit und der Einstellung derBevölkerung ist ein erhebliches Defizit zu konstatieren.Die Stromversorgung als Kritische Infrastruktur ist fürdie Bevölkerung kein Thema, die Möglichkeit vonStromausfällen und die Folgen einer Unterbrechung derStromversorgung werden ausgeblendet. Erlebte Strom-ausfälle werden meist schnell vergessen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/5672

Katastrophen wie Stromausfälle werden meist mit Ex-tremwetterereignissen und Terrorismus assoziiert. Da Na-turereignisse als unvermeidbar wahrgenommen werdenund dem Terrorismus mit einer Art Fatalismus begegnetwird, meint man, als Privatperson diesen vermeintlich al-leinigen Ursachen nicht vorsorgend begegnen zu können.Dementsprechend gibt es keine nennenswerte Vorberei-tung der Bevölkerung auf einen Stromausfall, und die Fä-higkeiten zur Bewältigung seiner Folgen sind in dieserHinsicht ungenügend. Angesichts der geringen Sensibili-tät für das Risiko und die Gefahren eines Stromausfallssollte darüber nachgedacht werden, wie das Interesse derBevölkerung durch Informationen und Beratung zu we-cken und aufrechtzuerhalten wäre, um in Krisensituatio-nen die Bürger in geeigneter Weise ansprechen zu kön-nen. Dazu wäre zunächst eine wissenschaftlich fundierteStrategie für die Risikokommunikation mit der Bevölke-rung vor einem Stromausfall zu erarbeiten. Dabei solltendie Bürger nicht als passive Katastrophenopfer, sondernals kompetente und aktiv handelnde Akteure betrachtetwerden.

Fazit

Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach we-nigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckendeund bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (le-bens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nichtmehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist ge-fährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht fürLeib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehrgerecht werden. Die Wahrscheinlichkeit eines langandau-ernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffen-den Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber

ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationa-len Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mo-bilisierung aller internen und externen Kräfte und Res-sourcen nicht „beherrschbar“, allenfalls zu mildern.

Weitere Anstrengungen sind deshalb auf allen Ebenen er-forderlich, um die Resilienz der Sektoren Kritischer In-frastrukturen kurz- und mittelfristig zu erhöhen sowie dieKapazitäten des nationalen Systems des Katastrophenma-nagements weiter zu optimieren. Der Stromausfall als einParadebeispiel für „kaskadierende Schadenswirkungen“sollte deshalb auf der Agenda der Verantwortlichen inPolitik und Gesellschaft weiterhin hohe Priorität haben,auch um die Sensibilität für diese Thematik in Wirtschaftund Bevölkerung zu erhöhen. Der vorgelegte TAB-Be-richt soll hierzu einen Beitrag leisten.

I. Einleitung1. Verletzlichkeit moderner GesellschaftenAls Lebensadern der modernen, hochtechnisierten Ge-sellschaften gelten ihre Infrastrukturen wie sichere Ener-gietransportnetze, funktionierende Wasserversorgung,leistungsfähige Verkehrsträger und -wege sowie einejederzeit zugängliche und nutzbare Informations- und Te-lekommunikationstechnik. Sie bilden zusammen mit wei-teren Sektoren (wie Behörden und Verwaltung, Gesund-heitswesen) die „Kritischen Infrastrukturen“ modernerGesellschaften (Abb. 1). Diese stellen die kontinuierlicheVersorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigenGütern und Dienstleistungen sicher. Von elementarer Be-deutung sind sie zudem für die Standortqualität und Wett-bewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft im globalisiertenWeltmarkt.

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Überblick der Sektoren Kritischer Infrastrukturen

Quelle: BMI 2009; Lenz 2009, S. 19

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Drucksache 17/5672 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Alle Sektoren sind mehr oder weniger eng miteinanderverflochten und voneinander abhängig (Lenz 2009,S. 20). Aufgrund ihrer hohen internen Komplexität sowiewegen zahlreicher wechselseitiger Abhängigkeiten undInterdependenzen müssen die Kritische Infrastrukturenaufwendig und teilweise global informationell vernetztsowie auf verschiedenen Stufen kontrolliert und gesteuertwerden. Ihre komplexe Konfiguration ist fehlerunfreund-lich; schon kurze Unterbrechungen oder die Störungschon einer kleineren Komponente gefährden Systemin-teraktionen und Prozessabläufe. Dies bedeutet auch, dasssich „mit immer geringeren Mitteln immer komplexereund folgenschwerere Störungen“ herbeiführen lassen(Dombrowsky/Brauner 1996, S. 88). Aufgrund ihrer in-ternen Komplexität sowie ihrer (physischen oder logi-schen) Vernetzung mit weiteren Systemen können Funk-tionsausfälle als Teil von sogenannten Natur- odermenschengemachten Katastrophen das gesellschaftlicheSystem insgesamt kollabieren lassen: Die Informations-gesellschaft ist ihrer (technisch basierten) Möglichkeitenberaubt, Daten zu generieren, zu bearbeiten, zu speichernund zu kommunizieren, Wissen zu beschaffen und anzu-wenden. Die Kommunikation verstummt, Mobilität,Energiezufuhr, Produktion und Konsum fallen auf einquasi archaisches Niveau zurück.

Die terroristischen Anschläge in New York undWashington am 11. September 2001, in Madrid (2004)oder London (2005) haben die Verletzlichkeit (Vulnerabi-lität) offener Gesellschaften nachdrücklich gezeigt. IhreKritischen Infrastrukturen sind aber auch durch Naturka-tastrophen, besonders schwere Unglücksfälle, Betriebs-störungen oder Systemfehler gefährdet. Abhängigkeitund Verletzbarkeit sind auch in Deutschland in der Folgevon Naturkatastrophen und technischen Störungen in denletzten Jahren mehrfach offenkundig geworden (z. B.Elbe- und Oderhochwasser 2002/2005, StromausfallMünsterland 2005 und in Teilen Europas 2006, SturmKyrill 2007, Vulkanaktivitäten auf Island 2010). Die da-bei erkennbaren Versorgungsengpässe, Störungen der öf-fentlichen Sicherheit, chaotischen Zustände im Luft-,Straßen- und Schienenverkehr haben auch hier einen Ein-druck von den Gefährdungslagen moderner Gesellschaf-ten gegeben. Auch weitere Risiken und Gefahren wieEpidemien und Pandemien, Terroranschläge oder An-griffe mit chemischen, biologischen, radiologischen undnuklearen Agenzien zeigen, wie gefährdet hochentwi-ckelte und technisierte Nationen sind. Zu Recht stellt des-halb die Schutzkommission des Bundesministeriums desInnern (BMI) fest, dass „unsere Gesellschaft ein ernstzu-nehmendes Maß an Verletzlichkeit („Vulnerabilität“) be-sitzt“ (Schutzkommission 2006, S. 9).

Die Empirie von Großschadenslagen und das Potenzialvon Risiken wie die genannten haben zudem gezeigt, dassder Schutz Kritischer Infrastrukturen sowie ein leistungs-fähiges Krisen- und Notfallmanagement im Katastro-phenfall eine Herausforderung ersten Ranges darstellen.Grundsätzlich herrscht weiterhin Einverständnis darüber,wie wichtig für Sicherheit und (präventiven) Schutz derBevölkerung, die Identifikation und Analyse von Risikenund Gefahren sowie darauf aufbauende Konzepte einesintegrierten Schutz-, Risiko- und Krisenmanagementssind.

Es wird deshalb auch verstärkt die Frage diskutiert, ob dietradierten Grundlagen und Strukturen des Zivil- und Be-völkerungsschutzes angesichts der Neuartigkeit vielerBedrohungen sowie der Komplexität und Interdependenzvernetzter Systeme, Prozesse und sozialer Handlungenmöglicherweise unterkomplex sind (Dombrowsky/Brau-ner 1996, S. 9) und wenn ja, wie sie zu verbessern wären.Bedenken bestehen beispielsweise, weil bei den beteilig-ten und betroffenen Akteuren kein einheitliches Risiko-und Krisenmanagement vorliegt, abgestimmte Schutz-und Warnkonzepte fehlen und die Selbsthilfefähigkeit derBevölkerung nicht sehr weit entwickelt ist (Reichenbachet al. 2008, S. 27; Schutzkommission 2006; s. a. Kap. II).

2. Stromausfall als Auslöser einer„nationalen Katastrophe“

Einen wichtigen Beitrag zur Schärfung des Bewusstseinsfür die Risiken und Herausforderungen für die öffentlicheSicherheit in Deutschland haben die Autoren des „Grün-buchs“ des „Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit“ ge-leistet (Reichenbach et al. 2008). Sie haben anhand aus-gewählter Szenarien anschaulich gemacht, dass durchTerrorismus, organisierte Kriminalität oder auch durchSeuchen nicht nur erheblicher Schaden zu gewärtigen,sondern auch die öffentliche Sicherheit u. U. nicht mehrzu gewährleisten ist.

Nachdrücklich wurde auch aufgezeigt, dass aufgrund dernahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Ar-beitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten sowie elek-tronischen Steuer- und Regelsystemen und wegen dergroßen Abhängigkeit nahezu aller Kritischen Infrastruk-turen von einer störungsfreien Stromversorgung auch eingroßflächiger und längerfristiger Stromausfall massiveFunktions- und Versorgungsstörungen, wirtschaftlicheSchäden und eine erhebliche Gefährdung der öffentlichenSicherheit und Ordnung zur Folge haben kann.1 „Ein sol-cher Stromausfall wäre ein Paradebeispiel für kaskadie-rende Schadenswirkungen.“ (Unger 2008, S. 91) Sektor-spezifische und sektorübergreifende Folgen kämen einerKatastrophe gleich oder zumindest nahe. Für diese Per-spektive gibt es einen doppelten Grund: Ein Stromausfallstellt eine Verbundkatastrophe dar, weil die Versorgungmit Elektrizität Interdependenzen mit anderen lebens-wichtigen Infrastrukturen aufweist. Nahezu alle Sektorenund Lebensbereiche wären so tiefgreifend betroffen, dassSicherheit und Versorgung der Bevölkerung wahrschein-lich nicht mehr zu gewährleisten sind (Reichenbach et al.2008, S. 27). Eine „nationale Katastrophe“ wäre ein lan-gandauernder Stromausfall aber auch deshalb, weil wederdie Bevölkerung noch die Unternehmen, noch der Staathierauf vorbereitet sind – so das Diktum des „Grünbuchs“(Reichenbach et al. 2008, S. 84).

1 Schon 2004 hat die Bund-Länder-Krisenmanagementübung (LÜKEX)die problematischen Folgen und Folgenketten sowie die enormenSchwierigkeiten, eine solche Krisenlage ohne Vorwarnung mit denvorhandenen Kapazitäten zu bewältigen, deutlich gemacht. Das An-fang 2010 vorgelegte „Krisenhandbuch Stromausfall“ bestätigt dieseEinschätzung (Hiete et al. 2010). Es thematisiert – auf der Basis aus-gewählter Sektorenanalysen – Fragen des Krisenmanagements bei ei-ner großflächigen Unterbrechung der Stromversorgung am BeispielBaden-Württemberg.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/5672

Gerade weil in den meisten fortgeschrittenen Staaten dieStromversorgung relativ zuverlässig über lange Zeit-räume funktioniert und nahezu alle technischen Systemeund sozialen Handlungen auf dieser relativen Verlässlich-keit aufbauen,2 steigt die Verletzbarkeit. Dieses „Verletz-lichkeitsparadox“ bedeutet, dass, wenn Versorgungsleis-tungen zunehmend weniger störanfällig organisiertwerden, „sich jede Störung von Produktion, Vertrieb undKonsum der Versorgungsleistungen umso stärker (aus-wirkt)“ (Steetskamp/van Wijk 1994, S. 20; s. a. BMI2009, S. 11 ff.). Ein gesellschaftliches Bewusstsein diesesRisikopotenzials ist aber allenfalls in Ansätzen vorhan-den. Nach wie vor gilt, was bereits 1994 eine niederländi-sche Studie herausgearbeitet hat: Bürger, Unternehmenund öffentliche Instanzen begreifen einen Stromausfallnicht als ernsthaftes Risiko, obwohl sich ein solcherVorfall bereits innerhalb der ersten 24 Stunden „zu einerkatastrophenähnlichen Situation auswachsen kann“(Steetskamp/van Wijk 1994, S. 22).

2 Im deutschen Stromnetz treten auf verschiedenen Netzebenen immerwieder kleinere Stromausfälle auf. So betrug die durchschnittlicheNichtverfügbarkeit 2007 19,25 Minuten je Letztverbraucher, 200816,89 Minuten. Hingegen war die Notwendigkeit, einen Ausfall vonWochen oder sogar Monaten zu überbrücken, bisher nicht gegeben(www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetGas/Sonderthemen/SAIDIWertStrom2008/SAIDIWertStrom2008_node.html).Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass Ausfälle durch „hö-here Gewalt“ in der Statistik der Nichtverfügbarkeit nicht berück-sichtigt werden. Zahlen und Erläuterungen zu Stromausfällen in Eu-ropa liefern Silvast/Kaplinsky (2007).

Obwohl einige größere Stromausfälle im In- und Auslandhiervon zumindest ansatzweise eine Vorstellung vermit-telt haben (Abb. 2), sind auch in der Katastrophenfor-schung bis heute – soweit erkennbar – die möglichen Fol-gen eines solchen Ereignisses noch wenig intensiv undsystematisch durchdacht worden. Integrierte Folgenana-lysen zu einem Szenario „Stromausfall“ liegen noch nichtvor.3

3. Beauftragung, Vorgehen, Aufbau des Berichts

Beauftragung

Angesichts des Katastrophenpotenzials eines langandau-ernden und großflächigen Stromausfalls wurde das Bürofür Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundes-tag (TAB) mit der Durchführung einer systematischenFolgenanalyse beauftragt. Es sollte untersucht werden,wie sich ein langandauernder und großflächigerStromausfall auf die Gesellschaft und ihre Kritischen In-frastrukturen auswirken könnte. Auch sollten entspre-chende Analysen Anhaltspunkte für eine Einschätzungliefern, wie Deutschland auf eine solche Großschadens-lage vorbereitet ist.

3 Zwei Ausnahmen bestätigen diesen Befund: die zuvor erwähnte Stu-die von Steetskamp/van Wijk (1994) sowie das aktuelle „Krisen-handbuch Stromausfall“ (Hiete et al. 2010).

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Beispiele für große Stromausfälle

Quelle: eigene Darstellung

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Drucksache 17/5672 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das vom TAB hierzu vorgelegte und vom zuständigenAusschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-schätzung befürwortete Konzept setzte zunächst einenbreiten Rahmen: Es sollten im Schwerpunkt

– die Vulnerabilität exemplarischer Sektoren und Infra-struktureinrichtungen sowie die Bewältigungskapazi-täten in spezifischen gesellschaftlichen und behördli-chen Teilbereichen,

– die Grenzen und Möglichkeiten von Risikokommuni-kation, Aufklärung der Bevölkerung sowie Aktivie-rung ihrer Selbsthilfepotenziale und

– die Handlungsmöglichkeiten der Organisationen desBevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe

angesichts eines langandauernden und regionenübergrei-fenden Stromausfalls geprüft werden.

Vorgehen und Untersuchungsschwerpunkte

Aufgrund der komplexen Materie, der ausdifferenziertenKompetenz- und Akteursstrukturen beim Katastrophen-und Bevölkerungsschutz sowie insbesondere der lücken-haften Literatur-, Dokumenten- und Datenlage wurde zu-nächst in einer Vorphase eine vertiefende Explorationdurchgeführt. Deren Ziel war, erste Ergebnisse zu mögli-chen Folgen und Folgeketten eines Stromausfalls in aus-gewählten Sektoren sowie zu deren Bewältigungskapazi-täten zu erarbeiten sowie konzeptionelle und methodischeÜberlegungen zu einer darauf aufbauenden Hauptphasedes TAB-Projekts zu entwikkeln.

Folgende Schwerpunkte wurden danach in der Haupt-phase bearbeitet:

– Folgenanalysen zu ausgewählten Sektoren der Kriti-schen Infrastrukturen: Ziel dieser Analysen war es,plausible Folgen und Folgenketten, ausgelöst durch ei-nen Stromausfall, darzustellen und damit erste Hin-weise auf die Vulnerabilität bzw. Resilienz des Sektorszu geben.

– Überlegungen zu Einstellungen und Verhalten derBevölkerung: In diesem Themenschwerpunkt wurdedas Anliegen verfolgt, einige Hypothesen zu den Ein-stellungs- und Verhaltensmustern bezüglich einesStromausfalls zu entwickeln

– Akteure und Strukturen des deutschen Katastrophen-managementsystems: Dieser Untersuchungsgegen-stand sollte dahingehend betrachtet werden, welcheAkteure und Strukturen des nationalen Systems desKatastrophenschutzes in Friedenszeiten im Falle einerstromausfallinduzierten Großschadenslage von Rele-vanz sind.

Sektoren und Herausforderungen

Auf der Basis der in der ersten Phase gewonnenen Er-kenntnis wurden folgende Gefährdungslagen des Näherenanalysiert:

– Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln(Sektor „Landwirtschaft/ Lebensmittelhandel“)

– Sicherstellung einer medizinischen und pharmazeu-tischen Mindestversorgung (Sektor „Gesundheitswe-sen“)

– Aufrechterhaltung der (Trink-)Wasserversorgung undAbwasserentsorgung (Sektor „Wasser und Abwasser“)

– Gewährleistung angepasster Mobilität bzw. Transport-kapazitäten (Sektor „Transport und Verkehr“)

– Ermöglichung ausreichender Finanzdienstleistungen(Sektor „Finanzdienstleistungen“)

– Aufrechterhaltung bzw. Wiederaufbau ausreichenderKommunikationswege (Sektor „Informationstechnikund Telekommunikation“)

– Gewährleistung öffentlicher Sicherheit – Fallbeispiel„Gefängnisse“

Diese Auswahl lag in der Einsicht begründet, dassSchutz, Sicherheit und Leben der Bevölkerung sowie dieTragfähigkeit gesellschaftlicher Strukturen nur dann ge-währleistet werden können, wenn es gelingt, insbeson-dere in diesen Sektoren eine ausreichende Versorgung derBevölkerung mit den notwendigen Gütern und Dienstleis-tungen sicherzustellen, die öffentliche Sicherheit so weitwie möglich zu wahren sowie Gefährdungen von Leibund Leben der Bürgern abzuwenden.

Einstellungen und Verhalten

Grundsätzlich kann gelten, dass die „Reaktionen desMenschen“ die Katastrophe ausmachen, „nicht dieTrümmer, Zerstörungen oder Funktionsausfälle“(Dombrowsky/Brauner 1996, S. 119). Ein weiterer Unter-suchungsschwerpunkt war deshalb die Frage nach Verhal-ten und Verhaltensmustern, die als Folge und im Verlaufeines Stromausfalls auftreten könnten. Ein langandauern-der Stromausfall wird die Bevölkerung in Unsicherheitund Angst versetzen sowie Gefährdungen von Leib undLeben mit sich bringen. Die Forschung zum Verhaltenvon Individuen und Gruppen in Katastrophensituationenlegt die Erwartung nahe, dass auch bei einem Stromaus-fall sowohl unsoziale, illegale und aggressive Aktionenals auch Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, rationales undentschlossenes Handeln zutage treten werden. Das Wis-sen über die sozialen und sozialpsychologischen Dimen-sionen einer solchen Katastrophe ist aber ungenügend(z. B. BBK 2008a, S. 155; Schutzkommission 2006,S. 90).

Es dürfte insgesamt zutreffen, dass manche Annahmenüber das Verhalten und die „Lenkbarkeit der Bevölke-rung“ in extremen Lagen einer Prüfung bedürfen, wennman die Rolle der Bevölkerung sowie der professionellenund freiwilligen Helfer wirklichkeitsnah einschätzen undhieran bei der Katastrophenbewältigung anknüpfen will(Dombrowsky/Brauner 1996, S. 24). Deshalb erschien esangezeigt, auch die Dimension des Verhaltens in die Fol-genanalyse einzubeziehen. Hierzu wurde – in begrenztemUmfang – eine Literaturanalyse durchgeführt. Dabei wur-den – da es entsprechende wissenschaftliche Studien zumVerhalten von Individuen und Gruppen beim Katastro-phentypus „Stromausfall“ kaum gibt – Quellen zu ande-

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/5672

ren Katastrophentypen hinsichtlich der Übertragbarkeitauf die Situation eines Stromausfalls ausgewertet. Zielwar es nicht, eigene Forschungsfragen zu verfolgen oderselbst Daten zu erheben, sondern Forschungslücken undForschungsdesiderate zu identifizieren und zur Diskus-sion zu stellen.

Management und Bewältigung von Katastrophen

Das deutsche nationale System der Hilfeleistung im frie-denszeitigen Katastrophenfall war ein weiterer Untersu-chungsgegenstand. Hierzu wurden die wichtigsten rele-vanten Strukturen, Kräfte und Einrichtungen auf Landes-,Bundes- und kommunaler Ebene im Überblick erfasst.Der Fokus lag dabei auf deren Kapazitäten und Hand-lungsmöglichkeiten für den Fall eines langandauerndenund großräumigen Stromausfalls. Ergänzend wurden dieeinschlägigen Rechtsgrundlagen geprüft. Dabei wurdenweder Systematik und Vollständigkeit noch eine rechts-wissenschaftliche Analyse angestrebt. Im Licht der Re-sultate der Folgenanalyse erfolgte dann eine erste Ein-schätzung der Bewältigungskapazitäten des nationalenKrisenmanagementsystems.

Zusammenarbeit mit Gutachtern, Expertengespräche

Zur Erarbeitung dieses TAB-Berichts auf einer solidenwissenschaftlichen Grundlage wurden folgende Gutach-ten vergeben:

– Vierboom & Härlen Wirtschaftspsychologen GbR(2009): Kurzgutachten für den Themenbereich „Ri-siko- und kommunikationspsychologische Bestim-mungsfaktoren des Umgangs mit einem großräumigenAusfall der Stromversorgung in der Bevölkerung“.Köln

– Prognos AG (2009): Konzeptstudie „Gefährdung undVerletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispieleines großräumigen Ausfalls der Stromversorgung“.Basel

– Vierboom & Härlen Wirtschaftspsychologen GbR(2010): Kurzgutachten zu einer Literaturstudie überFaktoren und Maßnahmemöglichkeiten der Katastro-phenbewältigung auf der Verhaltensebene. Köln

– Ernst Basler + Partner AG (2010): Folgen einesStromausfalls für die Sektoren/kritischen StrukturenVerkehr, Finanzdienstleistungen, IuK-Technologiensowie Gefängnisse. Zollikon

Den Verfassern der Gutachten sei an dieser Stelle herzlichgedankt. Sie haben sich darauf eingelassen, eine solchschwierige und noch kaum untersuchte Thematik inner-halb sehr kurzer Zeit zu bearbeiten. Diese Herausforde-rung haben die Gutachter bestens bewältigt und somit fürdiesen Bericht eine tragfähige Grundlage bereitgestellt.Die Unzulänglichkeiten, die der Bericht aufweist, sindvon den Verfassern zu verantworten.

Als Basis des Berichts dienten auch eine Vielzahl vonschriftlichen und fernmündlichen Auskünften von Ein-richtungen, Organisationen und Unternehmen auf gezielteAnfragen des Projektteams, ferner ausführliche Gesprä-

che mit Experten aus den Sektoren Kritischer Infrastruk-turen. Hierbei handelte es sich um Fachleute aus Wirt-schaft, Behörden, Wissenschaft und Politik, die durch dievom TAB beauftragten Gutachter sowie durch die Pro-jektbearbeiter um ein Gespräch gebeten wurden. Es sollnicht unterschlagen werden, dass es auch manche Exper-ten gab, die auf eine Anfrage abschlägig oder gar nicht re-agierten. Da nicht alle Gesprächspartner wünschten odereinverstanden waren, im Bericht genannt zu werden, wirddavon abgesehen, die befragten Experten namentlich zunennen.

Wertvolle Unterstützung erhielt das Projektteam auch sei-tens des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Kata-strophenhilfe (BBK) sowie des Bundesamtes für die Si-cherheit (BSI) in der Informationstechnik. Für diegeleistete Hilfe sei den Kolleginnen und Kollegen ausBBK und BSI sehr gedankt.

Das Projekt und die Erstellung des Abschlussberichtswurden auch durch die Kollegen Dr. Harald Hiessl sowiePeter Zoche aus dem Fraunhofer-Institut für System- undInnovationsforschung, Karlsruhe, sowie Dr. ReinhardGrünwald vom TAB-Team in Berlin unterstützt. Bei ih-nen bedanken sich die Verfasser ebenso wie bei UlrikeGoelsdorf, Leiterin des TAB-Sekretariats, die sich inten-siv und erfolgreich mit der Durchsicht des Manuskriptsund um das äußere Erscheinungsbild, insbesondere Grafi-ken und Layout gekümmert hat.

Strukturen des Berichts

Der hiermit vorgelegte Bericht ist folgendermaßen aufge-baut: Im Anschluss an diese Einführung (Kap. I) werdenin Kapitel II die wesentlichen Strukturen, Akteure, Ver-fahren und Kapazitäten des deutschen Krisenmanage-mentsystems bezogen auf einen großen Stromausfall dar-gestellt. Kapitel III bildet den Kern des Berichts. Esumfasst Folgenanalysen zu ausgewählten Sektoren Kriti-scher Infrastrukturen (Kap. III.2.1 bis III.2.7). Diese wer-den ergänzt durch Überlegungen zu möglichen Einstel-lungs- und Verhaltensmustern der Bevölkerung, wie sieim Falle eines Stromausfalls zutage treten könnten(Kap. III.3).

In Kapitel IV wird ein Fazit gezogen. Es werden – vordem Hintergrund der Vulnerabilitätsanalysen in Kapi-tel III – die wesentlichen Schwachstellen der Sektoren so-wie die sektorübergreifenden Verletzbarkeiten resümiert.Zudem werden eine Einschätzung der Bewältigungskapa-zitäten des deutschen Krisenmanagementsystems gegebensowie Ansatzpunkte zur Stärkung der Resilienz KritischerInfrastrukturen für den Katastrophentyp „Stromausfall“benannt und zur Diskussion gestellt. Schließlich werdenInformations-, Forschungs- und Handlungsperspektivenaufgezeigt.

Abschließend soll nochmals betont werden, dass der Un-tersuchungsgegenstand des TAB-Projekts auftragsgemäßdie „Folgen“ eines Stromausfalls waren und ausdrücklichnicht seine Ursache(n). Berechtigung und Sinn dieser Fo-kussierung ergeben sich zum Ersten daraus, dass bislangdie Ausfallursachen sowie Empfehlungen für Sicherheits-und Abwehrkonzepte häufig und intensiv bearbeitet wor-

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Drucksache 17/5672 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

den sind.4 Dagegen ist – zum Zweiten – bei der Antizipa-tion der Konsequenzen in Form sorgfältiger sektoralerFolgenanalysen nahezu Fehlanzeige zu vermelden. Indiesem Sinn wird auch in BMI/BBK (2007, S. 188 ff.)unterstrichen, dass anders als im gutuntersuchten Fall derVulnerabilität des Sektors „Energie-/Stromerzeugung“ –weitgehend unklar ist, wie genau sich die Verwundbarkeitanderer Kritischer Infrastrukturen infolge einesStromausfalls bzw. die Kritikalität zwischen den Kriti-schen Infrastrukturen darstellen und ob in „wirksamerverbraucherseitiger Schutz überhaupt möglich ist“ (BMI/BBK 2007, S. 190). Hier – bei den Folgen einesStromausfalls – besteht also Untersuchungsbedarf.5

Dieser TAB-Bericht betritt damit aber auch weitgehendNeuland. Literaturlage und Forschungsstand zum Unter-suchungsgegenstand bieten nur wenig Halt. Daten zu denAkteuren und Ressourcen des Katastrophenschutzes so-wie einschlägige Statistiken (z. B. über Schäden) odersystematische Auswertungen von Katastropheneinsätzenauch für diesen Katastrophenfall sind, falls überhauptvorhanden, lückenhaft, schwer zu verifizieren und des-halb auch kaum zu bewerten (Dombrowsky/Brauner1996, S. 23; Schutzkommission 2006, S. 9). Deshalbkann dieser Bericht nur eine Vorstudie zu dieser Thematiksein.

II. Das System des Krisenmanagementsin Deutschland

In Deutschland hat sich im Rahmen einer historisch ge-wachsenen „Sicherheitsarchitektur“ auch ein „Hilfeleis-tungssystem“ (Weinheimer 2008) für den Katastrophen-schutz in Friedenszeiten entwickelt. Von diesem wirderwartet, dass es vielfältigen Bedrohungen (Kap. I) ge-wachsen ist (BBK 2008a, S. 9). Die durch die Länder ge-tragene Katastrophenschutzvorsorge und -bekämpfungsoll auch national bedeutsame Gefahren- und Schadensla-gen (wie schwere radiologische und biologische Störfälle,Störungen Kritischer Infrastrukturen, Terrorismus, aberauch Naturkatastrophen oder Seuchen) bewältigen. DieLänder werden hierbei vom Bund unterstützt. In einem„gesamtgesellschaftlichen Netzwerk“ (BBK 2008a,S. 76) bilden die Kräfte und Einrichtungen auf Bundes-,Landes- und kommunaler Ebene unter Einbeziehung derFeuerwehren, der Hilfsorganisationen und der Bundesan-stalt Technisches Hilfswerk ein auch im internationalenVergleich „einmalige(s) Kräftedispositiv“, das „allerdingszu mehr als 80 Prozent aus ehrenamtlichen Mitgliedern“besteht (Weinheimer 2008, S. 165).6

4 Untersuchungen zu Stromausfällen (Münsterland, Emsland) fokus-sieren auf die Genese des Ausfalls sowie auf Prävention im Sinnevon Ausfallvermeidung – nicht aber auf die Minderung von Scha-densfolgen.

5 In der Konsequenz bedeutet diese Festlegung auch, dass identifizier-te Problemlösungsstrategien nicht der Vorbeugung in dem Sinne die-nen, das Eintreten an sich zu verhindern. Vielmehr geht es bei den zufindenden technischen und politischen Optionen um die Vorbeugungbzw. die Reduktion problematischer Folgen und die Limitierung derSchäden (Kap. IV).

6 Nach Weinheimer (2008, S. 165) beläuft sich das Personal der ge-nannten Organisationen auf insgesamt 1,8 Millionen Bürger; dieZahl der operativ tatsächlich einsetzbaren Personen liege aber „deut-lich“ darunter.

Im Blick auf die hochgradige Verletzbarkeit Kritischer In-frastrukturen und die mit ihrer Beeinträchtigung oder ih-rem Ausfall verbundenen großflächigen und möglicher-weise langandauernden Katastrophenlagen scheint „dasdeutsche System des Krisenmanagements“ (BMI 2008)manchen Beobachtern noch nicht ausreichend vorberei-tet. Kritisch hinterfragt werden u. a. die Zweiteilung vonZivil- und Katastrophenschutz sowie die damit einherge-hende Vielfalt der Behörden, Hilfsorganisationen undOrganisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Darausergeben sich weitere Zuständigkeits- und Kompetenzpro-bleme, wie bei der polizeilichen, nichtpolizeilichen undmilitärischen Aufgabenwahrnehmung oder bei derTrennung bzw. Abstimmung von Zivilschutz und Kata-strophenschutz. Sollen die entsprechenden Akteure er-folgreich zusammenarbeiten, muss die Vielzahl unter-schiedlicher Führungs- und Kommunikationsstrukturenauf Bundes- und Landesebene bestmöglich abgestimmtsein. Ob dies in übergreifenden und extrem instabilen La-gen gelingen kann, wenn der Bevölkerungsschutz nicht„in einer Hand“ liegt, wird teilweise bezweifelt.

Schätzungen zufolge sollen etwa 80 Prozent der Kriti-schen Infrastrukturen in Privateigentum sein. Deshalbwird zur Erreichung der Ziele des Katastrophenschutzesin Friedenszeiten eine „Sicherheitspartnerschaft“ vonStaat und privaten Unternehmen als erforderlich erachtet(BBK 2008a, S. 89 ff.; BMI 2009), um den Schutz derBürger gewährleisten zu können.7 Gleichwohl bleibenBund und Länder hinsichtlich dieser Kernaufgabe staatli-cher Sicherheitsvorsorge in einer besonderen Verantwor-tung. Durch eine Reihe von Aktivitäten in konzeptionel-ler, planerischer, gesetzgeberischer und organisatorischerHinsicht haben die verantwortlichen staatlichen Akteureauf Bundes- und auf Landesebene, vielfach in Zusam-menarbeit mit Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft,in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen, dieser Ver-antwortung noch besser gerecht zu werden. Dazu gehört– als eine Folge der Verabschiedung der „Neuen Strate-gie“8 – die Gründung des BBK im Jahr 2004. Als Bun-desoberbehörde im Geschäftsbereich des BMI arbeitet sieinsbesondere an Analyse- und Schutzkonzepten für Kriti-sche Infrastrukturen. Zu den Aufgaben in diesem Bereichzählen auch, „über die Bedeutung von KRITIS für Staatund Gesellschaft zu informieren, Behörden, Unternehmen

7 Ausgehend vom 2005 beschlossenen „Nationalen Plan zum Schutzder Informationsstrukturen“ (NPSI) (BMI 2005b) haben das BMIund das BSI beispielsweise den „Umsetzungsplan KRITIS“ erarbei-tet – gemeinsam mit etwa 30 großen deutschen Infrastrukturunter-nehmen und deren Interessenverbänden (BMI 2007).

8 Bund und Länder haben sich auf der Innenministerkonferenz AnfangJuni 2002 auf eine neue Rahmenkonzeption für den Bevölkerungs-schutz verständigt: die „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerungin Deutschland“. Grundsatz ist die gemeinsame Verantwortung vonBund und Ländern für außergewöhnliche, großflächige oder nationalbedeutsame Gefahren- und Schadenslagen. Ziele der neuen Rahmen-konzeption waren u. a. die bessere Verzahnung der Hilfspotenzialedes Bundes (insbesondere des THW) und der Länder (Feuerwehrenund Hilfsorganisationen) sowie die Schaffung neuer Koordinierungs-instrumente für ein effizienteres Zusammenwirken. Punktuell wirddie Frage aufgeworfen, ob die „Neue Strategie“ unter heutigen undzukünftig absehbaren Bedingungen noch adäquat ist.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/5672

und Öffentlichkeit zu sensibilisieren, Aufgaben, Funk-tionsweisen und Verknüpfungen (Interdependenzen) vonKritischen Infrastrukturen darzustellen, Kooperationenzwischen Behörden und Unternehmen aufzubauen und zuintensivieren, ... kurz-, mittel- und langfristige Maßnah-men zum Schutz Kritischer Infrastrukturen vorzuschla-gen“ (BBK o. J.).

Als wichtige gesetzgeberische Aktivität ist die Novellie-rung des Zivilschutzgesetzes zu nennen. Durch das Zivil-schutzneuordnungsgesetz (ZSNeuOG) vom 29. Juli 2009wurde die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländernbeim Katastrophenschutz neu definiert. Ziel ist es, das ge-meinsame Hilfeleistungssystem effizienter und flexiblerzu gestalten. Das vormalige Nebeneinander der Struktu-ren des Katastrophenschutzes der Länder und der vomBund vorgegebenen Strukturen für die Erweiterung desKatastrophenschutzes wurde so umgestaltet, dass die Er-gänzung des Katastrophenschutzes auf den Strukturen derLänder aufbaut. Dadurch können Bundesmittel auch beiSchadensereignissen im Frieden eingesetzt werden, unddie Strukturen des Katastrophenschutzes der Länder sindauch zur Abwehr von verteidigungsbezogenen Katastro-phen einsetzbar.

Bezüglich der Verbesserung der Informationsgrundlagensowie der Warnmöglichkeiten sei an die Einführung desNotfallvorsorge-Informationssystems (deNIS I unddeNIS II plus), das SatWaS sowie das GMLZ erinnert(Kap. II.2).

Seit 2004 werden das deutsche Krisenmanagementsystemund die Kooperation zwischen Bund und Ländern mittelsressort- und länderübergreifenden Krisenmanagement-übungen beübt. Das Ziel dieser sogenannten LÜKEX-Übungen sind die kritische Analyse und entsprechendeMaßnahmen zur Fortentwicklung von Konzepten undStrukturen der Krisenbewältigung. Diese Übungen sindbewusst auch als gemeinsame Aktivität von Staat undWirtschaft konzipiert. Die Bemühungen um Fortentwick-lung der Strukturen für eine Bewältigung außergewöhnli-cher Gefahrenlagen haben sich u. a. auch in Plänen undSchutzkonzepten niedergeschlagen (beispielsweise „Ba-sisschutzkonzept“, „Nationaler Plan zum Schutz der In-formationsinfrastrukturen“, „Nationale Strategie zumSchutz Kritischer Infrastrukturen“ und „Schutz kritischerInfrastrukturen – Risiko- und Krisenmanagement“).

Schließlich leistet mittlerweile auch die öffentlich geför-derte Forschung vermehrt Beiträge nicht nur zu einembesseren und praxisrelevanten Verständnis der Risikenund Gefährdungen moderner Industrie- und Wissensge-sellschaften. Vielmehr rücken auch technologische undgesellschaftliche Optionen zur Stärkung der ResilienzKritischer Infrastrukturen in den Fokus. Hier ist vor allemdas Sicherheitsforschungsprogramm der Bundesregie-rung zu nennen, das Forschung mit dem Ziel fördert, pra-xisbezogene Lösungen zu entwickeln, die die Sicherheitder Bürger erhöhen sollen.

Im Folgenden werden ausgewählte rechtliche Grundlagendes Katastrophenschutzes in Friedenszeiten skizziert(Kap. II.1). Danach erfolgt ein Überblick der Strukturen,

Akteure und Verfahren, die im Falle eines länger andau-ernden Stromausfalls zum Einsatz kämen (Kap. II.2).

1. Rechtsgrundlagen der Katastrophen-bewältigung

Die rechtlichen Grundlagen zur Bewältigung der Folgeneines großflächigen Stromausfalls finden sich in einembreiten Spektrum von Regelwerken, sowohl auf interna-tionaler als auch auf nationaler Ebene. Im nationalenKontext spannen sich die Rechtsmaterien von der grund-rechtlichen Ebene bis hin zu Durchführungsbestimmun-gen für Behörden.

International

Auf internationale Ebene ist die Hilfeleistung im Kata-strophenfall im Rahmen der EU und der NATO sowiedurch bilaterale Verträge geregelt.

Die EU verfügt mit dem 2002 eingerichteten Gemein-schaftsverfahren für den Katastrophenschutz über ein In-strument, um Katastrophen durch gegenseitige Hilfeleis-tung zu begegnen.9 Die Grundlage hierfür bildet eineEntscheidung des Europäischen Rates vom 23. Oktober2001 (2001/792/EG, Euratom in der Neufassung 2007/779/EG, Euratom). Weiterhin sieht Artikel 18 des Ver-trags über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zu-sammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terro-rismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und derillegalen Migration vom 23. Juni 2008 (2008/615/JI) diegegenseitige Unterstützung der zuständigen Behörden derVertragsstaaten bei Katastrophen und schweren Un-glücksfällen vor. Operatives Organ des Gemeinschafts-verfahrens ist das Monitoring and Information Centre(MIC). Jeder Mitgliedstaat kann über das MIC Unterstüt-zung anfordern.10 Auf der Ebene des Generalsekretariatsdes Rates der EU wurde die „Lenkungsgruppe für Krisen-fälle der EU“ geschaffen. Diese ist zuständig für Krisenund Notfälle mit weitreichenden Auswirkungen und vonerheblicher politischer Bedeutung. Zum Zwecke desKommunikationsmanagement zwischen den deutschenVertretern und den zuständigen Akteuren in Deutschlandsind auf Ebene der Ministerien Absprachen getroffenworden (BMI 2010, S. 17).

Der „Vertrag über die Arbeitsweise der EuropäischenUnion“ thematisiert in Artikel 196 den Katastrophen-schutz. Dort werden als Ziele der Union genannt die Un-terstützung und Ergänzung der Maßnahmen der Mitglied-staaten beim Katastrophenschutz sowie bei Einsätzen imKatastrophenfall. Die hierzu erforderlichen Maßnahmensollen gemäß dem ordentlichen Gesetzverfahren erlassen

9 In einer Studie der Generaldirektion Umwelt wurde herausgearbeitet,dass der EU-Mechanismus augenblicklich zwar Unterstützung er-leichtern, aber nicht garantieren kann (ECORYS Research and Con-sulting 2009, S. 10).

10 Lüder (2009, S. 119 ff.) wirft hierzu die Frage auf, wie das Gemein-schaftsverfahren mit „der Verortung der nichtpolizeilichen Gefahren-abwehr in der Fläche der Mitgliedsstaaten und den dort vorgehalte-nen Einsatzformationen in Einklang zu bringen ist“.

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Drucksache 17/5672 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

werden – unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung derRechtsvorschriften der Mitgliedstaaten.

Die NATO-Katastrophenhilfe bietet nach einem Be-schluss des Nordatlantikrates vom 29. Mai 1998 die Mög-lichkeit, Unterstützungsleistungen von Mitgliedstaatenanzufordern und deren Bereitstellung zentral zu koordi-nieren (Geier et al. 2009, S. 100).

Daneben gibt es zahlreiche Abkommen über bilateraleHilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücks-fällen, so mit Belgien, Dänemark, Frankreich, Litauen,Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen, derRussischen Föderation, Schweiz, Tschechien und Un-garn. Ferner besteht zwischen Deutschland und Frank-reich ein Rahmenabkommen über die grenzüberschrei-tende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich, dasinsbesondere den grenzüberschreitenden Rettungsdienstermöglicht (Paul/Ufer 2009, S. 118). Das BBK hat mitverschiedenen Nachbarstaaten Kooperationsabkommengeschlossen (BBK 2008a, S. 93).

Bund

Das Grundgesetz (GG) regelt die Aufgabenteilung zwi-schen Bund und Bundesländern. Zivilschutz ist Aufgabeund Verantwortung des Bundes (Artikel 73 Nummer 1GG). Nach den Artikeln 30 und 70 Absatz 1 GG liegt dieZuständigkeit für den Katastrophenschutz11 im Friedenbei den Ländern. Ein Land kann aber gemäß Artikel 35Absatz 2 Satz 2 GG in den Fällen einer Naturkatastropheoder bei einem besonders schweren Unglücksfall zu sei-ner Unterstützung Polizeikräfte anderer Länder, Kräfteund Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie der Bun-despolizei und der Streitkräfte anfordern. Geht eine Ge-fährdung über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus,kann die Bundesregierung den Landesregierungen nachArtikel 35 Absatz 3 GG Weisung erteilen, Polizeikräftebereitzustellen. Auch kann die Bundesregierung Einhei-ten der Bundespolizei (vor 2005 des Bundesgrenzschut-zes) und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei-kräfte einsetzen (Paul/Ufer 2009, S. 118 u. 120).Unabhängig von diesen beiden Fällen eröffnet Artikel 35Absatz 1 die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstüt-zung der Behörden des Bundes und der Länder (Amts-hilfe).

Im Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfedes Bundes12 (ZSKG) ist neben den Aufgaben des Zivil-schutzes auch der Katastrophenschutz im Zivilschutz so-wie die Katastrophenhilfe des Bundes geregelt. Dabei istdie Nutzung von Einrichtungen des Bundes nach § 12von besonderer Bedeutung. Der Bund stellt danach seinefür den Verteidigungsfall vorgehaltenen Einrichtungenden Ländern für ihre Aufgaben im Bereich des Katastro-phenschutzes zur Verfügung. Umgekehrt nehmen die Ein-heiten und Einrichtungen der Länder für den Katastro-

11 Für den Begriff Katastrophenschutz gibt es keine bundesweit einheit-liche Legaldefinition (Weinheimer 2008, S. 143).

12 Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz vom 25. März 1997(BGBl. I, S. 726), durch Artikel 2 Nummer 1 des Gesetzes vom29. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2350) geändert.

phenschutz auch Aufgaben im Verteidigungsfall wahr(§ 11 Absatz 1). Der Bund ergänzt deren Ausstattung inden Bereichen Brandschutz, ABC-Schutz und Betreuung(§ 13 Absatz 2 ZSKG).

Mit dem Gesetz wurde die Möglichkeit für den Bund ge-schaffen, auf Ersuchen eines betroffenen Landes odermehrerer betroffener Länder die Hilfsmaßnahmen imEinvernehmen mit diesen zu koordinieren (§ 16 Ab-satz 2 ZSKG). Die Einrichtungen des BBK stehen bei Be-darf auch den Ländern zur Verfügung, insbesondere dieBereiche Lageerfassung und -bewertung sowie Nachweisund Vermittlung von Engpassressourcen (§ 16 Absatz 1ZSKG) unter Rückgriff auf das GMLZ sowie die Daten-bank deNIS (Kap. II.2). Die Leitung und Koordinierungaller Hilfsmaßnahmen obliegt aber den für Katastrophen-schutz zuständigen Landesbehörden. Sie sind zuständigfür das operative Krisenmanagement und beaufsichtigendie Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschut-zes bei der Durchführung ihrer Aufgaben.

Vorsorgegesetze

Mit mehreren Sicherstellungs- und Vorsorgegesetzen(Kasten) sowie zahlreichen zugehörigen Verordnungenhat sich der Bund ein breites Spektrum an Handlungs-möglichkeiten geschaffen. Knappe und kritische Ressour-cen können hierdurch mobilisiert werden. In den Vorsor-gegesetzen ist neben der vorsorglichen Bevorratung vonzentralen Gütern, wie Lebensmitteln oder Treibstoffen,ein Katalog von Maßnahmen niedergelegt, der eine um-fangreiche Steuerung knapper Waren und Dienstleistun-gen sowie der entsprechenden Infrastrukturen in den Be-reichen Energie, Ernährung, Verkehr, Post- undTelekommunikation ermöglicht.

Sicherheits- und Vorsorgegesetze

– ErdölbevorratungsgesetzErdölbevorratungsgesetz in der Fassung der Be-kanntmachung vom 6. April 1998 (BGBl. I, S. 679),das zuletzt durch Artikel 165 der Verordnung vom31. Oktober 2006 (BGBl. I, S. 2407) geändert wor-den ist.

– EnergiesicherungsgesetzEnergiesicherungsgesetz vom 20. Dezember 1974(BGBl. I, S. 3681), das zuletzt durch Artikel 164 derVerordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I,S. 2407) geändert worden ist.

– ErnährungsvorsorgegesetzErnährungsvorsorgegesetz vom 20. August 1990(BGBl. I, S. 1766), das zuletzt durch Artikel 186 derVerordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I,S. 2407) geändert worden ist.

– Post- und TelekommunikationssicherstellungsgesetzPost- und Telekommunikationssicherstellungsgesetzvom 14. September 1994 (BGBl. I, S. 2325, 2378),das zuletzt durch Artikel 2 Nummer 3 des Gesetzesvom 2. April 2009 (BGBl. I, S. 693) geändert wor-den ist.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/5672

Normen und Regelwerke

Weitere Vorkehrungen für einen Stromausfall liegen inForm von Standards, Normen und Regelwerken vor. Sodefiniert beispielsweise das DIN Deutsche Institut fürNormung e. V. vielfältige technische Anforderungen andie Sicherheit (z. B. von Geräten, Verfahren, Gebäu-den).13 Auch existieren zahlreiche verbandliche Regel-werke wie – für den Bereich Wasser/Abwasser – die derDeutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches(DVGW) und der Deutschen Vereinigung für Wasserwirt-schaft, Abwasser und Abfall (DWA) (Kap. III.2.3). Ent-sprechende Normen können bei der Gesetzgebung, in derVerwaltung und im Rechtsverkehr herangezogen werden.

Länder

Den Bundesländern obliegt die Gesetzgebung für den Ka-tastrophenschutz in Friedenszeiten, den Rettungsdienstund den Öffentlichen Gesundheitsdienst.14 Hinzu kommtunter Beachtung der konkurrierenden Gesetzgebungs-kompetenz des Bundes das Krankenhausrecht (Paul/Ufer2009, S. 126).

Von besonderer Bedeutung sind die Katastrophenschutz-gesetze der Bundesländer: Acht Bundesländer haben spe-zielle Katastrophenschutzgesetze, fünf Bundesländer ha-ben kombinierte Gesetze für den Brand- undKatastrophenschutz in Kraft gesetzt. In Bremen undSachsen ist der Katastrophenschutz in Hilfeleistungsge-setzen verankert, die zugleich den Brandschutz und denRettungsdienst regeln. In Nordrhein-Westfalen beispiels-weise umfasst das Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetzdie Bekämpfung von Notständen, die durch Naturereig-nisse, Explosionen oder ähnliche Vorkommnisse verur-sacht werden.15 In Verwaltungsvorschriften werden wich-tige Aspekte des Katastrophenmanagements (wieStabsarbeit oder Gefahrendurchsagen im Rundfunk) desNäheren geregelt (Paul/Ufer 2009, S. 129). In den Poli-zeigesetzen der Länder sind die Belange der polizeilichenGefahrenabwehr geregelt. In Polizeidienstvorschriftenwerden die Grundsätze der Polizeiarbeit sowie polizeili-che Maßnahmen in spezifischen Situationen festgelegt.

Darüber hinaus existieren Katastrophenschutzpläne, dievon den zuständigen Behörden erlassen werden. Diese

– VerkehrsleistungsgesetzVerkehrsleistungsgesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I,S. 1865), das durch Artikel 304 der Verordnung vom31. Oktober 2006 (BGBl. I, S. 2407) geändert wor-den ist.

13 Dazu gehören auch die DIN-EN-Normen zur Notstromversorgungund zur Notbeleuchtung in bestimmten Gebäuden oder zur techni-schen Ausstattung von Rettungsfahrzeugen.

14 Die Länder tragen auch die materiellen Ressourcen – gemeinsam mitden Gemeinden und den Hilfsorganisationen. Dazu tritt die Ausstat-tung des Bundes für den Zivilschutz, die er auch für Zwecke des Ka-tastrophenschutzes zur Verfügung stellt.

15 Der Begriff Katastrophe wird nicht verwendet, stattdessen der desGroßschadensereignisses.

sind nur zum Teil öffentlich zugänglich. In ihnen sindinsbesondere das Alarmierungsverfahren, die imKatastrophenfall zu treffenden Sofortmaßnahmen sowiedie Einsatzkräfte und -mittel auszuweisen.

Auf Grundlage dieser Gesetze und Pläne erfolgt aufEbene der unteren Katastrophenschutzbehörden die Orga-nisation des Katastrophenschutzes, der Katastrophenhilfedurch andere Behörden und nationale Hilfsorganisationensowie die Aufstellung von Einheiten des Katastrophen-schutzes.

2. Krisenmanagement in Deutschland: Akteure, Strukturen und Verfahren

Die zuvor skizzierte Regulierung von Katastrophenvor-sorge und Katastrophenschutz reflektiert das föderaleSystem der Bundesrepublik und die damit einhergehendeOrganisationshoheit der Länder bzw. Kommunen. EineFolge ist, dass Führung, Koordination und Zusammen-wirken einer Vielzahl von Akteuren auf mehreren Ebenennicht einheitlich erfolgen. Dieser Umstand ist vielfachkritisiert worden – beispielsweise als „schutzpolitischeZersplitterung“.

Insbesondere in den letzten fünf Jahren wurde das Systemdes Krisenmanagements unter Berücksichtigung der ver-änderten Bedrohungslage aber kontinuierlich fortentwi-ckelt (Unger 2008). Zugleich wurde auf europäischerEbene die Möglichkeit der Verzahnung der nationalenKrisenmanagementsysteme vorangetrieben. Dabei sindu. a. zahlreiche Maßnahmen mit dem Ziel ergriffen wor-den, eine gewisse Vereinheitlichung insbesondere auf derEbene der Führung voranzubringen. Zur Vereinheitli-chung der Führungsstrukturen auf den unterschiedlichenEbenen ihres Krisenmanagements haben die Länder sichdarauf verständigt, im Rahmen ihres Gesamtführungssys-tems auf vereinheitlichende Grundsatzempfehlungen zu-rückzugreifen. So sollen auf der operativ-taktischenEbene organisationsübergreifend die „Feuerwehr-Dienst-vorschrift 100“ (FwDV 100) und im administrativ-orga-nisatorischen Bereich die „Hinweise zur Bildung von Stä-ben der administrativ-organisatorischen Komponente“ alsGrundlage dienen. Darüber hinaus wurde ein Verfahrenzur länderübergreifenden Katastrophenhilfe vereinbart.

Im Folgenden soll das Krisenmanagementsystem inDeutschland – unter Berücksichtigung des Zusammen-wirkens seiner Akteure bei einem überregionalen und lan-gandauernden Katastrophenfall – dargestellt werden.

Krisenmanagement auf Bundes- und Länderebene

Beim Eintritt eines Stromausfalls läge die Bewältigungder Folgen zunächst bei den örtlichen Einrichtungen undOrganisationen sowie Behörden (Bürgermeisterämter). Jenach Lage und Lageentwicklung werden sukzessive dienächst höheren Ebenen (Regierungspräsidium, Landes-ministerien, Bundesministerien) tätig. Die oberste Kata-strophenschutzbehörde eines Landes ist in der Regel dasInnenministerium. Die unteren Katastrophenschutzbehör-den sind in den Flächenländern überwiegend die Land-kreise und kreisfreien Städte und in den Stadtstaaten die

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Drucksache 17/5672 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Behörden für Inneres (Paul/Ufer 2009, S. 131 ff.). Bei ei-nem großflächigen Stromausfall werden auf allen EbenenVerwaltungsstäbe zur Bewältigung der anfallenden Auf-gaben tätig (Hiete et al. 2010, D4).

Den zuständigen unteren Katastrophenschutzbehördenobliegt es, unmittelbar alle zur Abwehr oder Bekämpfungder Schadensereignisse notwendigen Maßnahmen einzu-leiten. Sie sind auch für Lagemeldungen „nach oben“ zu-ständig, um sicherzustellen, dass die notwendigen Lage-informationen und -berichte unverzüglich auch demInnenministerium übermittelt werden.

Bei einem regional übergreifenden Stromausfall läge dieZuständigkeit bei der oberen Katastrophenschutzbehörde,die mit der (operativen) Durchführung der erforderlichenMaßnahmen die (lokalen) unteren Katastrophenschutzbe-hörden beauftragt. Diese leitet die Katastrophenabwehrals „Örtliche Einsatzleitung Katastrophenschutz“ (ÖEL).Sie kann bei einer drohenden oder eingetretenen Kata-strophenlage den Einsatzkontingenten des Katastrophen-schutzes (bspw. Polizei, Feuerwehr, THW) sowie allenweiteren Katastrophenhilfeleistenden Weisungen erteilen.Die einzelnen Bundeskontingente entsenden Fachberater,Verbindungsbeamte oder Verbindungsoffiziere in die ört-lichen Stäbe. Gemäß dem „Konzept für eine landesüber-greifende Katastrophenhilfe“, auf das sich die Länder

2004 geeinigt haben, wird die oberste Innenbehörde andie Innenbehörden der benachbarten Bundesländer einHilfeersuchen richten und Hilfeleistungskräfte anfor-dern. Die entsandten Kräfte werden den Führungsstellendes anfordernden Landes unterstellt; über die Abläufe derländerübergreifenden Hilfe werden die zuständigen nach-geordneten Behörden der beteiligten Länder informiert.

Daneben würde aufgrund der bundesweiten Bedeutungdes Schadensfalls auch der Bund zumindest koordinie-rend tätig. Parallel zu den Länderstrukturen würde beimInnenministerium ein Krisenstab einberufen.16 Dort lau-fen die vorhandenen Informationen zusammen. Einge-bunden sind u. a. die zuständigen Fachabteilungen Kri-senmanagement und Bevölkerungsschutz, ÖffentlicheSicherheit und Informationstechnik sowie das BBK, dasBSI, das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundesan-stalt Technisches Hilfswerk. Andere Ressorts und Ge-schäftsbereichsbehörden können bei Bedarf hinzugezo-gen werden (BBK 2008a, S. 91). Die grundlegendenadministrativen Strukturen des ressortbezogenen Krisen-managements sind in Abbildung 3 dargestellt.

16 Dem BMI obliegt die Koordination bei Naturkatastrophen oder be-sonders schweren Unglücksfällen. Gemäß Verfassung bleibt die Ge-fahrenabwehr in der Hoheit der Bundesländer.

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System des Krisenmanagements von Bund und Ländern

Quelle: BMI 2010, S. 18

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/5672

Aufgrund des regional übergreifenden Charakters desStromausfalls würden Koordinierungsgruppen von Bundund Ländern gebildet. Die länderübergreifende Koordina-tion innerhalb Deutschlands erfolgt über die Lagezentrender Innenministerien sowie zwischen deren Fachrefera-ten.

Die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den Bundes-und Landesbehörden sowie mit den Bezirken, Kreisenund kreisfreien Städten ist in einer Weisung des BMVgebenengerecht geregelt (BMVg 2008).

Eine besondere Rolle käme dem GMLZ zu. Dieses be-treibt einen ständig erreichbaren Meldekopf für großflä-chige Gefahrenlagen von nationaler Bedeutung und hilftbei der Vermittlung von Ressourcen. Das Lagezentrumwird als „Herzstück des nationalen und polizeilichen In-formationsverbundes und des Ressourcenmanagementsim Katastrophen- und Krisenfall“ charakterisiert (BBK2008a, S. 80). So könnte der Bund im Verfahren einerländerübergreifenden Katastrophenhilfe zur Bewältigungder Folgen eines Stromausfalls mitwirken, indem er einnationales Lagebild erstellt.

Müsste eine Katastrophenhilfe nicht nur national koordi-niert werden, stehen im Rahmen des Nordatlantikpakts(NATO) mit dem Euro-Atlantischen Katastrophenan-sprech- und -koordinierungszentrum (Euro-Atlantic Di-saster Response Coordination Centre) sowie der EU mitdem Überwachungs- und Informationszentrum MIC spe-zifische Kapazitäten zur Verfügung. Hier können Infor-mationen unter den Mitgliedern ausgetauscht und derKräfteeinsatz koordiniert werden (NATO 2001, S. 21).

Zurückgegriffen würde auch auf das internetbasierteNotfallvorsorge-Informationssystem (deNIS). Diesesdient der Verknüpfung, Aufbereitung und Bereitstellungvon Informationen sowohl für die Bevölkerung

(deNIS I) als auch dem direkten (Informations-)Manage-ment von Großkatastrophen (deNIS II plus17). Dassatellitengestützte Warnsystem des Bundes SatWaSkönnte zur bundesweiten Verbreitung vonWarnmeldungen genutzt werden. Es ermöglicht dieÜbertragung von Meldungen mit hoher Priorität an alleZivilschutzverbindungsstellen, Rundfunkanstalten undweitere Medien, wie große Presseagenturen undInternetanbieter, sowie den Lagezentren des BMI undder Innenministerien der Länder. Eine an den Rundfunkübertragene Warndurchsage würde dann die Aufforde-rung enthalten, die laufende Sendung zu unterbrechenund einen bestimmten Text sofort über den Sender wei-terzugeben.

Von besonderer Bedeutung sind die Krisenstäbe auf Res-sortebene. Abbildung 4 zeigt die Krisenstäbe, die aufBundesebene eingerichtet worden sind und die Krisenbe-wältigung der Länder durch spezifische Ressortkompe-tenzen unterstützen sollen.

Bei einem langanhaltenden und großflächigen Stromaus-fall könnte der Interministeriellen Koordinierungsgruppedes Bundes und der Länder (IntMinKoGr) eine zentraleRolle zukommen. Diese kann – wenn das System des Zu-sammenwirkens der Krisenstäbe angesichts der Lagenicht ausreicht – u. a. vom BMI einberufen werden, umzu gemeinsamen Lagebeurteilungen und Handlungsemp-fehlungen sowie einer abgestimmten Bund-Länder-Kom-munikation zu kommen (BMI 2010, S. 16).

17 Erstmals stand deNIS II plus bei der Übung LÜKEX 2007 zur Verfü-gung. Es sollte den angeschlossenen Lagezentren ein aktuelles Lage-bild bieten (www.bbk.bund.de/nn_401590/DE/02__Themen/11__Zivilschutztechnik/04__Warnsyst/01__SatWas/SatWas__node.html__nnn=true; abgerufen am 10.5.2010).

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Krisenstäbe der Ressorts auf Bundesebene

Quelle: BMI 2010, S. 14 f.

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Drucksache 17/5672 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das ressortübergreifende Krisenmanagement soll fortlau-fend im Ressortkreis „Nationales Krisenmanagement“unter Federführung des BMI optimiert werden. Darüberhinaus wurden Vereinbarungen getroffen, um in ausge-wählten Lagen ressortübergreifende gemeinsame Krisen-stäbe im BMI aufrufen zu können.

Allgemeingültige Aussagen über die Strukturen der Kri-sen- oder Führungsstäbe auf Landesebene sind aufgrundder vielfältigen föderalen Ausprägungen nur bedingt zutreffen. In Abbildung 5 wird die Struktur des Führungs-stabes Katastrophenschutz (FüStab-KatS) nach demKatastrophenschutzplan Schleswig-Holsteins dargestellt.In übergreifenden Lagen sind von besonderer Bedeutungdie Verbindungsgruppe und die Ansprechgruppe. DieVerbindungsgruppe übernimmt Koordinations- und Kom-munikationsfunktionen im Blick auf andere Ressorts undnachgeordnete Behörden auf Landesebene. Die An-sprechgruppe setzt sich aus Verbindungspersonen weite-rer Katastrophenschutzakteure, wie bspw. Verbindungsof-fiziere der Bundeswehr oder Vertreter von THW,Feuerwehren oder DRK, zusammen. Ihre Aufgabe be-steht in der Aufrechterhaltung und Abstimmung des ope-rativen Einsatzes, ggf. unter Hinzuziehung weitererKräfte und Ressourcen.

Der Führungsstab wird lagebedingt vom Innenministe-rium einberufen. Zu seinen Aufgaben zählt in erster Liniedie Beobachtung der Lage. Im Rahmen der Fachaufsichtgreift er ggf. in die Maßnahmen der unteren Katastro-phenschutzbehörden ein, unterstützt diese, ohne aber dieeinheitliche Leitung zu übernehmen (IMSH 2010, S. 11).

Hilfsorganisationen und Unterstützungskräfte

Auf der operativen Ebene der Gefahrenabwehr und -be-wältigung werden im Katastrophenfall zahlreiche Ak-teure auf Bundes- und Landesebene tätig (Abb. 6). ImFolgenden wird auf die Polizeien, das THW, die Bundes-wehr sowie die Feuerwehren und ihre Bewältigungskapa-zitäten eingegangen.

Polizeien

Die Polizeien setzen sich aus unterschiedlichen Organisa-tionen zusammen. Zu den wichtigsten und quantitativgrößten Einheiten zählen neben den Bereitschaftspoli-zeien die (ehemaligen) Zweige der Schutz- und Kriminal-polizei. Der Katastrophenschutz zählt nicht zu den Kern-aufgaben der Polizeien auf Bundes- und Landesebene.Deshalb sind hierfür keine besonderen Organisationsein-heiten eingerichtet, und auch die technische Ausrüstungist qualitativ und quantitativ nicht auf die Anforderungendes Katastrophenschutzes ausgerichtet.18 Allerdingskommt ihr in Gefahren- und Großschadenslagen die Auf-gabe der Gefahrenabwehr und der Aufrechterhaltung vonSicherheit und Ordnung zu. Dabei wirken die polizeili-chen und nichtpolizeilichen Führungsstäbe zusammen.

Die Aufgaben der Bundespolizei (BPOL) umfassen u. a.den Grenzschutz, Aufgaben der Bahnpolizei, Schutz vorAngriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, polizeili-

18 In begrenztem Umfang sind z. B. Beleuchtungsanlagen, Transport-Lkw und Stromerzeuger vorhanden.

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Führungsstab Katastrophenschutz des Innenministeriums Schleswig-Holstein

Quelle: nach IMSH 2010, S. 11

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che Aufgaben im Spannungs- und Verteidigungsfall, Un-terstützung der Polizeien der Bundesländer insbesonderebei Großeinsätzen sowie Hilfeleistungen bei einem groß-flächigen und langandauernden Stromausfall einschließ-lich des Luftrettungsdienstes. Gegenwärtig hat die BPOLca. 40 000 Beschäftigte, davon sind etwa 30 000 Polizei-vollzugsbeamte.

Die Zusammenarbeit der BPOL mit den Bundesländernbei Katastrophen oder besonderen Unglücksfällen erfolgtgemäß Artikel 35 Absatz 2 GG in Verbindung mit § 11Bundespolizeigesetz (Hiete et al. 2010, D 20).

Bundesanstalt Technisches Hilfswerk

Das THW ist für die technische Hilfe im Zivil- und Kata-strophenschutz (Bevölkerungsschutz) zuständig. Sie leis-tet auf Anforderung der für die Gefahrenabwehr zuständi-gen Stellen Amtshilfe gemäß § 1 Absatz 2 Satz 2 Num-mer 3, in erster Linie in der örtlichen Gefahrenabwehr inStädten und Gemeinden. Neben den Feuerwehren werdenauch Rettungsdienste oder die Polizeien bei Massenanfäl-len von Verletzten unterstützt.19 Die THW-Einheiten wer-den der örtlichen Einsatzleitung unterstellt.

Zur Bewältigung eines Stromausfalls stehen u. a. fol-gende Einheiten und Stromerzeuger zur Verfügung:

– 89 Einheiten in der Fachgruppe Elektroversorgung

19 Dies war der Fall beim G8-Gipfel in Heiligendamm (2007), wo zuden THW-Aufgaben die Sicherstellung der Stromversorgung, dasAusleuchten von Kontrollflächen und der Betrieb von Bereitstel-lungsräumen für Sicherheitsbehörden und Rettungskräfte zählten.

– 83 Einheiten in der Fachgruppe Infrastruktur

– 140 Einheiten in der Fachgruppe Beleuchtung:

– 5 000 Stromerzeuger mit je 5 bis 9 kW

– 570 Stromerzeuger mit je 10 bis 99 kW

– 140 Stromerzeuger/Netzersatzanlagen mit je ca. 100bis 400 kW (Homepage THW a u. b)

Das THW hat mehr als 80 000 ehrenamtliche Helfer undetwa 850 hauptamtliche Mitarbeiter. Es setzt sich aus8 Landesverbänden und 668 Ortsverbänden zusammen.Die Landesverbände sind die Ansprechpartner der obers-ten Landesbehörden sowie der Landesverbände andererOrganisationen und Stellen. Jedem Ortsverband steht derOrtsbeauftragte als ehrenamtlicher Behördenleiter vor.Die Dienststellen des THW stehen auf den einzelnen Or-ganisationsebenen in Verbindung mit den Dienststellenvon Bundeswehr und Bundespolizei. Der überregionaleEinsatz der THW-Kontingente wird von einem Leitungs-und Koordinierungsstab in der THW-Leitung koordiniert.Der im operativen Einsatz notwendige Kontakt zu ande-ren eingesetzten Bundeskontingenten wird von dort ausgehalten (BBK 2008b, S. 101).

Bundeswehr

Das Grundgesetz sieht den Einsatz der Bundeswehr vor-rangig zur Außenverteidigung der BundesrepublikDeutschland vor. Artikel 35 Absatz 1 GG eröffnet aberdie Möglichkeit der (technischen) Amtshilfe, allerdingsnicht unter Nutzung der spezifischen (militärischen) Mit-tel der Streitkräfte. Nach Artikel 35 Absatz 2 GG ist fer-ner der Einsatz beispielsweise zur Hilfe bei Naturkata-

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Hilfsorganisationen und Unterstützungskräfte

ASB: Arbeiter-Samariter-Bund; BBK: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe; DLRG: Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft;DRK: Deutsches Rotes Kreuz; JUH: Johanniter-Unfall-Hilfe; MHD: Malteser Hilfsdienst; THW: Technisches HilfswerkQuelle: eigene Darstellung

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Drucksache 17/5672 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

strophen oder in einem besonders schweren Unglücksfallauf Anforderung eines Landes möglich. Es handelt sichdabei um ergänzende Hilfe und keine auf Dauer ausge-legte Zusammenarbeit. Betrifft eine Gefährdung mehr alsein Bundesland kann die Bundesregierung gemäßArtikel 35 Absatz 3 GG Einheiten der Streitkräfte zur Un-terstützung der Polizeikräfte einsetzen.

Die Bundeswehr umfasst derzeit etwa 188 000 Berufs-und Zeitsoldaten, 38 700 Grundwehrdienstleistende und26 500 freiwillig länger Wehrdienstleistende, darüber hi-naus stehen etwa 90 000 Reservisten zur Verfügung, diezu einem wesentlichen Teil im Rahmen der „Zivil-Militä-rischen Zusammenarbeit“ auch für Aufgaben im Kata-strophenschutz eingesetzt werden sollen. Vorbereitet wer-den soll der Einsatz im Katastrophenfall durchregelmäßige Zusammenarbeit bzw. Beziehungen zwi-schen den militärischen Kommandobehörden und den zi-vilen Behörden auf allen Ebenen des föderalen Systems.

Angesichts der im Falle eines Stromausfalls sich ergeben-den erheblichen Probleme könnte die Bundeswehr u. a. infolgenden Bereichen Unterstützungsleistungen20 für diezivilen Behörden erbringen (BMI 2005a, S. 6 ff.):

– Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten, vorallem mit ihren Lufttransportkapazitäten;

– Kommunikationsunterstützung für die helfenden Or-ganisationen und deren Führung;

– Pionier- und weitere Unterstützung, dabei auch Luft-transport von Personen und Material.

Leistungen wie diese bauen fast durchgehend auf soge-nannten „robusten Mitteln“ auf. Sie können autark betrie-ben werden und sollten auf längere Einsatzzeiträume aus-gerichtet sein.

Zur Kommunikationsunterstützung zählen die Bereitstel-lung von mobilen Arbeitsräumen, der Aufbau und Betriebvon netzunabhängigen Kommunikationsstrukturen (Sa-telliten- und Funkkommunikation) durch die Fernmelde-trupps sowie die Bereitstellung von Verbindungspersonalzu den Entscheidungsträgern und den unterstützenden Or-ganisationen. Im Katastrophenfall stünde dem BMI(2005a, S. 9) zufolge eine verlegbare, mehrstufige Füh-rungsorganisation (Personal und Material) mit netzunab-hängigen Kommunikationsverbindungen zur Steuerungdes militärischen Kräfteeinsatzes bei ihrer Unterstützungder zuständigen Katastrophenschutzbehörden auf lokalerEbene bereit.

Die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) im Inlandund die Katastrophenhilfe bilden wichtige Aufgaben derStreitkräftebasis (SKB). Die SKB ist keine Teilstreitkraftwie Heer, Marine und Luftwaffe, sie bildet aber einen ei-genständigen militärischen Organisationsbereich. Zur Er-füllung der nationalen territorialen Aufgaben hat die SKB

20 In welchem Umfang dies angesichts zunehmender Verpflichtungender Bundeswehr bei internationalen Missionen möglich ist, kann hiernicht beantwortet werden (hierzu beispielsweise Rechenbach 2005,S. 159).

eine territoriale Wehrorganisation mit vier Wehrberei-chen.

In einem durch einen Stromausfall induzierten Katastro-phenfall könnte das Streitkräfteunterstützungskommando(SKUKdo) das nationale einsatzführende Kommando fürdie auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein-gesetzten Bundeswehrkräfte sein. Das Landeskommando(LKdo), das die Landesregierungen in Fragen des Kata-strophenschutzes berät, arbeitet im Krisenstab des betrof-fenen Bundeslandes mit. Zusätzlich bestehen auf den un-teren Ebenen (Regierungsbezirke, Land- und Stadtkreise)Verbindungskommandos im Rahmen der ZMZ.21 Diesekommunizieren mit Behörden und Organisationen übermögliche Unterstützungsleistungen der Bundeswehr. Siewerden ausschließlich durch regional ansässige Reservis-ten besetzt, die im Einsatzfall unverzüglich einberufenwerden können. Der Leiter eines Verbindungskomman-dos fungiert auch außerhalb des Einsatzes als Ansprech-partner für die örtlichen Behörden in Fragen des Katastro-phenschutzes. Damit ist konzeptionell eine „räumlicheDeckungsgleichheit ziviler und militärischen Strukturenerreicht“ (Lüder 2009, S. 144).

Die Bundeswehr leistet Hilfe erst aufgrund eines Ersu-chens durch die zuständigen zivilen Behörden. Dabei ent-scheiden die höheren Kommandobehörden (SKUKdo,WBK) in Abstimmung mit den Führungskommandos derfür den Einsatz vorgesehenen Organisationsbereiche überArt und Umfang der Unterstützung. Am Einsatzort wer-den die Bundeswehrkontingente dem zuständigen Be-fehlshaber WBK zur Erfüllung der Aufgaben unterstellt.Der für den Einsatz vor Ort zuständige Offizier unterliegtden fachlichen Weisungen der zuständigen (zivilen) Kata-strophenschutzbehörde. Die Dauer des Bundeswehrein-satzes ist auf den Zeitraum beschränkt, in dem keinesonstigen adäquaten Einsatz- und Hilfskontingente zurVerfügung stehen (BMVg 2008).

Feuerwehren

Feuerwehren setzen sich zusammen aus Berufsfeuerweh-ren, Freiwilligen Feuerwehren sowie Betriebsfeuerweh-ren. Sie bilden die größte flächendeckende Gefahrenab-wehrorganisation. Allein die Freiwillige Feuerwehrumfasste 2007 etwa 1 039 000 aktive Mitglieder (Tab. 1).

Die Ausrüstung der Feuerwehren ist weitgehend auf dieAnforderungen des Katastrophenschutzes ausgerichtet.Sie verfügen über wesentliche materielle Ressourcen inForm von Fahrzeugen, Rettungsgerätschaften sowieKommunikationseinrichtungen, um ihre Einsatzfähigkeitvor Ort auch unter erschwerten Bedingungen sicherzu-stellen. Allerdings wird teils beklagt, dass die materielleAusstattung aufgrund ungenügender Investitionen von-seiten der Träger des Brandschutzes bei einigen Feuer-wehren nur noch unzureichend sei (Rechenbach 2005,S. 162). Aufgrund veralteter Gerätschaften und langer

21 Es sind 31 Bezirks- und 426 Kreisverbindungskommandos aufge-stellt worden, die mit etwa 5 500 Reservisten besetzt sind (BBK2008a, S. 33).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/5672

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Territoriales Netzwerk der Bundeswehr zum zivilen Katastrophenschutz

Quelle: Streitkräftebasis 2007

Ta b e l l e 1

Anzahl und Mitglieder der Feuerwehren in Deutschland (2007)

Quelle: Deutscher Feuerwehrverband 2009

Anzahl der ... Berufsfeuerwehr Freiwillige Feuerwehr Werkfeuerwehr

Feuerwehren 100 24.410 982

Mitglieder 27.816 1.039.737 32.752

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Reaktionszeiten sei eine wirkungsvolle Aufgabenwahr-nehmung mitunter erschwert.

Vom vorstehend beschriebenen System des Krisenma-nagements in Deutschland wird gesagt, es sei „bisher niean seine Grenzen gestoßen“ (Unger 2008, S. 100). Obdies auch bei einem langandauernden und großflächigenStromausfall der Fall wäre, soll in den beiden folgendenKapiteln III und IV so gut wie möglich ausgeleuchtetwerden.

III. Folgen eines langandauerndenund großräumigen Stromausfalls

1. Einleitung

Das zentrale Anliegen des TAB-Projekts war eine Ana-lyse der Verletzbarkeit Kritischer Infrastrukturen für denFall eines langandauernden und sich auf das Gebiet vonmehreren Bundesländern erstreckenden Stromausfalls.Diese wurde in Form von Folgenanalysen ausgewählterKritischer Infrastruktursektoren umgesetzt (zur Auswahlund Begründung Kap. I.3). Zu den möglichen Einstellun-gen und Verhaltensweisen der betroffenen Bevölkerungwerden einige Hypothesen entwickelt. Die Ergebnissesind in diesem Kapitel dokumentiert (Kap. III.2 u. III.3).Vorangestellt sind einige Anmerkungen zu Möglichkeitund Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und re-gional übergreifenden Stromausfalls sowie zu dessenKosten (Kap. III.1.1 u. III.1.2).

1.1 Anmerkungen zu den Ursachen eineslangandauernden und großräumigenStromausfalls

Der Untersuchungsgegenstand in diesem TAB-Projektwaren auftragsgemäß die „Folgen“ eines langandauern-den und großräumigen Stromausfalls – nicht seine Ursa-chen. Trotz dieser Eingrenzung wurden Möglichkeitenund Wahrscheinlichkeiten des Eintritts eines solchenAusfalls22 einer Betrachtung unterzogen, um abzuklären,ob ein so gravierender Stromausfall wie in der Aufgaben-stellung für das TAB unterstellt, tatsächlich eintretenkann.

Welches wären also mögliche und plausible Ursachen?Die Liste möglicher naturverursachter oder menschenge-machter Gefährdungen ist lang, aber nicht alle führen zueinem langandauernden Stromausfall. In Reichenbachet al. (2008, S. 20 ff.) werden als Ursache u. a. techni-sches und/oder menschliches Versagen, kriminelle oderterroristische Aktionen, eine Epidemie/Pandemie oderklimatisch bedingte Ereignisse wie Stürme, Schnee undEis oder Hochwasser genannt:

– Durch technisches/menschliches Versagen könntengravierende Beeinträchtigungen der Netzsteuerungs-und Netzkontrollprozesse eintreten.

22 BMI/BBK (2007) haben bis zu 300 mögliche Gefährdungen alspotenzielle Ursachen identifiziert.

– Durch eine Aktion der organisierten Kriminalität wer-den technische Infrastrukturen im Verteilernetz erheb-lich gestört.

– Ein schweres Naturereignis (Starkregen mit Hochwas-ser, Sturm, hohe Schneelast, Blitzeis) könnte einenStromausfall erheblichen Umfangs zur Folge haben.

– Eine Pandemie bedingt einen extrem hohen Kranken-stand; Mitarbeiter bleiben zuhause, um ihre Angehöri-gen zu pflegen. Auch hier ist in der Folge ein längerdauernder Stromausfall möglich.

Diese Risikoeinschätzung ist nicht nur mit Blick auf aktu-elle Rahmenbedingungen der Stromerzeugung und -ver-sorgung, sondern auch auf deren zukünftig mögliche Ver-änderungen durchaus plausibel. Dazu zählen u. a. diefolgenden Entwicklungen (BMI/BBK 2007, S. 92 f.):

– Durch Zunahme dezentraler und stochastischerStromeinspeisung in Verbindung mit der Ausweitungder Handelsaktivitäten steigt das Risiko des Netzver-sagens und höherer Ausfallraten.

– Deutschland könnte zunehmend Angriffsziel von ter-roristischen Gruppen werden, die einen gutvorbereite-ten Angriff auf Einrichtungen der Stromversorgungins Auge fassen.

– Der Klimawandel könnte zu mehr und stärkeren Ex-tremwetterereignissen führen.

Insgesamt ist mit guten Gründen davon auszugehen, dasskünftig die Ausfallwahrscheinlichkeit zunehmen wird(BMI/BBK 2007, S. 180).

Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen und Struk-turen der Elektrizitätsversorgung sowie der relativ hohenAusfallsicherheit des Gesamtsystems ist aber davon aus-zugehen, dass ein länger dauernder und regional übergrei-fender Stromausfall zur Voraussetzung haben müsste,dass nur schwer ersetzbare Schlüsselkomponenten inmehreren Kraftwerken (z. B. der Turbosatz) oder imTransportnetz (z. B. Transformatoren) physikalisch zer-stört werden (Prognos 2009, S. 7). Auch aus Sicht derElektrizitätsversorger müssen „mehrere, ganz bestimmteElemente ausfallen oder gestört werden“ damit es zu er-heblichen oder gar katastrophalen Schäden kommt (BMI/BBK 2007, S. 94 u. 178).

Ein fiktives, aber hinreichend plausibles Ursachenszena-rio sei zur Illustration angeführt: Durch gezielte undüberraschende Aktionen würde zeitgleich am Standortmehrerer Kraftwerke in Deutschland im Maschinentrans-formator23 ein Brand ausgelöst; zahlreiche Transformato-ren würden zerstört und funktionsuntüchtig.24 In großen

23 Maschinentransformatoren als Teil eines Kraftwerks transformierendie im elektrischen Generator erzeugte Spannung in Hochspannung,die dann über eine Fernleitung in das Verbundnetz eingespeist wird.Diese Transformatoren befinden sich in der Regel im Außenbereichder Kraftwerksanlage.

24 Der gemeinsame Bericht von BMI/BBK (2007, S. 78) nennt unterden „kritischen Elementen“, die eine maßgebliche Gefährdung derElektrizitätswirtschaft bewirken können, den Ausfall „mehre(rer)Großkraftwerke gleichzeitig“.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/5672

Teilen Deutschlands fiele in der Folge der Strom aus.Nach etwa 24 Stunden wäre den Verantwortlichen vorOrt und in den zentralen Krisenstäben der Versorgungs-unternehmen wie den Behörden25 bewusst, dass derStromausfall einige Wochen dauern könnte.26

Hinsichtlich der Detaillierung des Stromausfalls an sichwerden für die Folgeanalysen keine weiteren Rahmen-und Randbedingungen definiert. Es wird aber in den Sek-toranalysen fallweise dann auf spezifische Parameter desEreigniskontextes eingegangen, wenn diese für eine diffe-renzierte Einschätzung der Situation oder Abschätzungvon Geschehens- und Handlungsverläufen relevant sind.Dies gilt beispielsweise für Kontextfaktoren wie Tages-zeit (Tag oder Nacht als Zeitpunkt des Stromausfalls),Jahreszeit (Sommer, Winter) sowie regionale Besonder-heiten (ländliche Gebiete, dichtbesiedelte Gebiete, Topo-grafie).

1.2 Kosten

Vor dem Hintergrund der Erfahrung mit bisherigen natio-nalen wie internationalen Stromausfällen lässt sich sagen,dass ein langandauernder Stromausfall erhebliche Kostenverursachen wird: durch primäre Personen- undSachschäden sowie weitere betriebswirtschaftliche undvolkswirtschaftliche Folgeschäden aufgrund von Verzö-gerungen und Ausfällen bei Dienstleistungen und produ-zierendem Gewerbe. Diese werden weit über das eigentli-che Schadensereignis hinausreichen.

Die durch einen Stromausfall verursachten Schäden sindallerdings ökonomisch schwer zu bewerten. So bestimmteine Vielzahl von Faktoren die Höhe der entstehendenKosten eines Stromausfalls. Nach Böske (2007, S. 46 ff.)sind folgende Faktoren für die Höhe der Kosten einesStromausfalls maßgeblich:

– Art und Umfang betroffener Verbrauchergruppen,z. B. Haushalte oder Industrie,

– Häufigkeit und Vorhersehbarkeit von Stromausfällen,

– Dauer des Stromausfalls,

– Umfang des Leistungsausfalls,

– regionale Bedingungen, z. B. Klima, Industriestruktur,

– Zeitpunkt der Störung, z. B. Tag oder Nacht, Sommeroder Winter,

– Quelle des Ausfalls, z. B. ein Kraftwerk oder das Lei-tungsnetz.

25 In einer solchen Situation sind für die Bekämpfung der Gefahren in-folge der genannten Aktivitäten bis zur Feststellung der KatastrophePolizei und Feuerwehr, danach die Katastrophenschutzbehörden zu-ständig. Diese Akteure der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wer-den aber in Fällen wie diesem eng mit der Polizei zusammenarbeiten(Paul/Ufer 2009, S. 128 f.).

26 Im Rahmen von LÜKEX 2004 wurde der Übung ein Stromausfallauf dem Gebiet der Bundesländer Bayern und Baden-Württembergmit einer Dauer von mehreren Wochen zugrunde gelegt (Grambs etal. 2006).

Die gängigen Methoden erfassen allerdings nur einigedieser Parameter. Als monetäres Maß für die durch einenStromausfall verursachten Schäden wird häufig der Preisje nichtgelieferten Kilowattstunde verwendet (Bliem2005, S. 6; Böske 2007, S. 45). Die auf Erzeugerseite ent-stehenden Kosten ergeben sich direkt aus den Schäden antechnischen Anlagen und aus der Strommenge, die da-durch nicht abgesetzt werden kann. Demgegenüber sindaufseiten der Verbraucher anfallende Kosten erheblichschwieriger zu beziffern, denn sie ergeben sich nur zumTeil unmittelbar aus der nicht gelieferten Menge Strom.So entstehen in den Haushalten direkte Kosten durchSchäden an Anlagen und elektrischen Geräten sowiedurch den Verderb von Waren. Ferner entstehen nichtmo-netäre Folgen durch den entgangenen Nutzen der Freizeit.In den Unternehmen sind finanzielle Verluste Folge ausder Unterbrechung der Wertschöpfung (Bliem 2005, S. 7u. 8; Bothe/Riechmann 2008, S. 32 u. 34).

Zur Abschätzung der Kosten eines Stromausfalls werdenverschiedene Methoden verwendet:

– Blackoutstudien ermitteln die Kosten nach einemStromausfall durch die monetäre Bewertung aller ein-getretenen Effekte und deren Summierung. Die Fo-kussierung auf ein Fallbeispiel erschwert aber die Ver-allgemeinerbarkeit und Übertragung der Ergebnisse.

– Makroökonomische Ansätze verwenden stark verein-fachende Annahmen zu den Ausfallkosten entgange-ner Produktion und verminderten Freizeitwerts aufGrundlage statistischer Daten. Jedoch werden direkteSchäden, zum Beispiel an Anlagen, nicht erfasst.

– Erhebungen mittels Fragebogen oder Interview sollendie Zahlungsbereitschaft der Endverbraucher zur Ver-meidung eines Stromausfalls ermitteln (z. B. Carlssonet al. 2009). Alternativ wird nach der Kompensations-forderung der Endverbraucher für eine aufgetreteneStörung gefragt. Nachteile liegen u. a. in den Schwie-rigkeiten für Endverbraucher, mögliche Schäden zubeziffern, und dem Antwortverhalten der Befragten(Bliem 2005, S. 6; Böske 2007, S. 45; Bothe/Riech-mann 2008, S. 34).

Bisherige Studien zu realen oder angenommenenStromausfällen stützen sich in der Regel auf eine der obengenannten Methoden und kommen beispielsweise zu fol-genden Einschätzungen:

– Am 14. August 2003 ereignete sich in Nordamerikaein Stromausfall, der sich auf acht Bundesstaaten derUSA und Teile Kanadas erstreckte, über 50 MillionenPersonen betraf und bis zu drei Tage andauerte (PublicSafety Canada 2006). Die finanziellen Folgen ermit-telte eine Studie auf Grundlage einer Erhebung zurZahlungsbereitschaft der Endverbraucher für die Ver-meidung eines Stromausfalls. Die Zahlungsbereit-schaft wurde mit dem hundertfachen Preis einer Kilo-wattstunde Strom veranschlagt. Durch Multiplikationmit der Anzahl betroffener Personen und der durch-schnittlichen Ausfalldauer ergab sich ein Betrag zwi-schen 6,8 und 10,3 Mrd. US-Dollar (ICF Consulting2003, S. 2). Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt

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Drucksache 17/5672 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

eine Blackoutstudie, die die Kosten auf 4,5 bis8,2 Mrd. US-Dollar schätzt (Anderson/Geckil 2003,S. 3).27

– Zur Abschätzung der Kosten eines möglichenStromausfalls in Österreich wurde eine makroökono-mische Analyse durchgeführt. In dieser wurde derWert einer nichtgelieferten Kilowattstunde durch dieVerhältnisbildung von Stromverbrauch und Wert-schöpfung berechnet, wobei Arbeits- und Freizeit glei-chermaßen erfasst wurden. Hieraus errechnete sich einWert von 8,6 Euro je nichtgelieferten Kilowattstunde.Davon ausgehend ergaben sich für einen einstündigenStromausfall in Österreich, je nach Wochentag undUhrzeit, Kosten von 40,6 bis 60,1 Mio. Euro (Bliem2005, S. 2, 7 u. 17).

– Die wirtschaftlichen Folgen eines Stromausfalls inDeutschland wurden ferner mittels einer Metastudiekalkuliert. Diese leitete die Kosten eines Stromausfallsaus 25 internationalen Studien unter Berücksichtigungder Stromintensität der deutschen Wirtschaft ab. Dem-nach verursacht jede ausgefallene KilowattstundeKosten von 8 bis 16 Euro. Auf einen einstündigendeutschlandweiten Stromausfall an einem Werktag imWinter übertragen, entstünde ein wirtschaftlicherSchaden zwischen 0,6 und 1,3 Mrd. Euro (Bothe/Riechmann 2008, S. 33 u. 35).28

Angaben wie diese und die bisherigen Studien zu denKosten eines Stromausfalls geben Hinweise auf den er-heblichen monetären Schaden, der in der Folge einesStromausfalls (z. B. Silvast/Kaplinsky 2007, S. 32 f.) ent-stehen kann. Es darf vermutet werden, dass für ein mehr-wöchiges Stromausfallszenario mit einer Vielzahl vonNebenfolgen sowie Auswirkungen auf andere KritischeInfrastrukturen weitere unmittelbare Kosten zu erwartensind, wobei diese wahrscheinlich nach kurzer Zeit expo-nentiell ansteigen (Steetskamp/van Wijk 1994, S. 8).Ferner müssen die späteren Kosten für die Beseitigungvon Schäden und die sukzessive Wiederinbetriebnahmealler Abläufe in Wirtschaft und Gesellschaft in Rechnunggestellt werden. Auch sollten die immateriellen Schäden,wie der Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Ener-gieversorgungsunternehmen (EVU) oder die Behörden,nicht vernachlässigt werden.

Über die ökonomische Perspektive hinaus sollten aberauch die gesellschaftlichen Kosten eines in seinen Folgenkatastrophalen Stromausfalls bedacht werden. Diese lie-gen im Versagen des politisch-administrativen Systemssowie dem Kollaps gesellschaftlicher Organisation und

27 Die Herleitung dieser Werte ist jedoch nicht schlüssig und Teilwerteweichen von denen im Rechenweg ab. Trotz weiterer Kosten über-steigen allein die mit 4,2 Mrd. US-Dollar angegebenen Einkom-mensverluste und die auf mindestens 1 Mrd. US-Dollar geschätztenAnlagenschäden der Stromversorger die Mindestschätzung (Ander-son/Geckil 2003, S. 2 ff.).

28 Kostenangaben sind auch in zahlreichen weiteren Quellen zu finden:Der mehrtägige Stromausfall im Münsterland im Jahr 2005 soll laut„Grünbuch“ Schäden in Höhe von rund 130 Mio. Euro ausgelöst ha-ben. Hinweise darauf, wie dieser Betrag ermittelt wurde, fehlen aller-dings (Reichenbach et al. 2008, S. 19).

Solidarität − wenn die Bewältigung der Katastrophe als„krasse Form sozialen Wandels“ nicht gelingt (Clausen2008, S. 15).

2. Folgenanalysen ausgewählter SektorenKritischer Infrastrukturen

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Folgenana-lysen von sieben Sektoren Kritischer Infrastrukturen prä-sentiert und zur Diskussion gestellt. Dabei wurden mitden Sektoren „Informationstechnik und Telekommunika-tion“, „Transport und Verkehr“ sowie „Wasserversorgungund Abwasserentsorgung“ drei „technische Basisinfra-strukturen“ und mit „Lebensmittelversorgung“, „Gesund-heitswesen“, „Finanzdienstleistungen“ und Fallbeispiel„Gefängnisse“ vier „sozioökonomische Dienstleistungs-infrastrukturen“ (BMI 2009, S. 8) bearbeitet (Abb. 8).

Das Maß der Verletzbarkeit und der Grad der Resilienzder Kritischen Infrastrukturen werden sich in einer Kata-strophenlage wie der eines langandauernden und regionalübergreifenden Stromausfalls daran erweisen, ob die ele-mentaren Bedürfnisse der Menschen wie Essen und Trin-ken befriedigt werden können, ob notwendige medizini-sche Versorgung und ein hygienischer Mindeststandardzu sichern sind, aber auch daran, ob zumindest rudimen-täre Möglichkeiten zur Mobilität, zum Bezahlen von un-abweisbaren Einkäufen oder Dienstleistungen und – vonüberragender Bedeutung – zur Information und Kommu-nikation eröffnet werden können (Kap. III.2.1 bis III.2.6).Schließlich sind auch Einrichtungen und Gebäude der öf-fentlichen Hand und deren Funktionen im Gemeinwesengefährdet. Gelänge es beispielsweise nicht, die öffentli-che Sicherheit weitgehend zu gewährleisten, wäre dasVertrauen der Bevölkerung in den Staat und seine Organetiefgehend erschüttert. Hierzu wird das Fallbeispiel „Ge-fängnisse“ analysiert (Kap. III.2.7).

In Ergänzung dieser Analysen wird die Frage erörtert,wie sich Individuen und Gruppen im Fall eines (langan-dauernden) Stromausfalls verhalten würden. Da hierzukaum wissenschaftliche Literatur vorliegt, werden hierzu– teilweise unter Rückgriff auf Erkenntnisse zu Verhal-tensformen bei anderen Katastrophentypen – Hypothesenentwickelt und zur Diskussion gestellt (Kap. III.3).

Die sektoralen Einzelanalysen sind weitgehend gleichstrukturiert: Nach einer einführenden Charakterisierungdes Sektors in struktureller und rechtlicher Hinsicht wer-den die Folgen und Folgeketten dargestellt, die durch ei-nen Stromausfall ausgelöst werden könnten.

Diese Darstellung der Folgen erfolgt weitgehend entlangvon Zeitabschnitten (z. B. 0 bis 2, 2 bis 8, 8 bis 24 Stun-den). Sie erstreckt sich dabei zumeist auf einen Zeitraumvon längstens acht bis zehn Tagen und gibt teilweise ei-nen Ausblick bis in die zweite Woche nach Stromausfall.Sie bricht danach ab, weil die Akkumulation der internenProbleme in Verbindung mit den Folgen von Ausfällen ininterdependenten Sektoren bereits zu einem katastrophi-schen Zustand geführt hat.

In teilweise narrativer Form – wie beispielsweise für denVerkehrssektor sowie die Lebensmittel- und Gesundheits-versorgung – werden exemplarisch mögliche Folgen und

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/5672

Nebenfolgen erschlossen und beschrieben. Andere Kon-stellationen und Effekte sind gleichermaßen möglich undwären hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit und Plausibi-lität zu diskutieren. Der Gang der Darstellung führt fernerentlang eines Stranges und liefert deshalb nur einen Aus-schnitt des Untersuchungsobjekts, d. h., es werden wederSystematik noch Vollständigkeit angestrebt.

Auf diesem Wege sollen Einsichten zutage gefördert wer-den: Wie sind die Strukturen des jeweiligen Sektors? Wersind Beteiligte und Betroffene? Welche Abläufe sinddenkbar und möglich? Wo liegen die Verantwortlichkei-ten? Auf Grundlage welcher Gesetze, Verordnungen undPläne wird gehandelt? Welche Ressourcen zur Katastro-phenbewältigung stehen zur Verfügung (und welchenicht)? Wie ist es um die Resilienz der einzelnen Sekto-ren bestellt? Einsichten zu gewinnen, bedeutet auch, In-formationslücken und Nichtwissen zu entdecken und fest-zuhalten, sofern keine Abhilfe zu schaffen war. Dies wardurchaus häufig der Fall. Es soll deshalb an dieser Stellebetont werden, dass die Resultate der Sektoranalysen teil-weise mit großen Unsicherheiten behaftet sind.

2.1 Informationstechnik undTelekommunikation

Informationstechnik (IT) und Telekommunikation (TK)gehören – auch in vielen anderen Ländern (Schulze 2006,S. 114) – zu den Kritischen Infrastrukturen. Das BSI ver-

steht unter Kritischen Informationsinfrastrukturen sowohlden IT/TK-Sektor an sich (die großen IT- bzw. TK-Netzemit ihren Komponenten und Betreibern) als auch die IT/TK-basierten Infrastrukturen der anderen Sektoren: „In-formationstechnik und Telekommunikation bilden eineneigenen Infrastruktursektor, beschreiben aber auch eineQuerschnittsinfrastruktur, von der alle anderen Sektorenabhängig sind.“ (BSI o. J.) Die Strukturen, Netze undKomponenten des Sektors ermöglichen ortsunabhängigeKommunikation, schnelle Datenübertragung sowie Pro-zesssteuerung und -optimierung. Zu den wichtigsten Infor-mationsübertragungsmittel zählen Festnetztelefonie, Funk,Rundfunk, Mobilfunkdienste und Internet (BSI o. J.).

Im Folgenden werden zunächst einige Strukturmerkmaledes Sektors „Informationstechnik und Telekommunika-tion“ diskutiert. Danach folgen Ausführungen zu denrechtlichen Grundlagen und politischen Zuständigkeiten.Es wird dann der Frage nachgegangen, ob es sich bei In-formationstechnik und Telekommunikation um eine be-sondere Infrastruktur handelt. Schließlich wird der Wis-sensstand zu den Folgen eines großräumigen undlangfristigen Stromausfalls für Informationstechnik undTelekommunikation dargestellt. Ein Fazit beschließt dasKapitel. Alle Ausführungen gelten der Nutzung durchPrivate. Die für die Behörden sowie die Hilfs- und Unter-stützungskräfte relevanten Rahmenbedingungen undTechnologien werden in Kapitel IV.1 thematisiert.

A b b i l d u n g 8

Untersuchte Sektoren und Herausforderungen

Quelle: eigene Darstellung

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Drucksache 17/5672 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2.1.1 StrukturmerkmaleFür eine Strukturierung dieses Bereichs bieten sich unter-schiedliche Ansätze an, darunter Hard- und Software oderauch die Daten- und Medientypen.

Hard- und Software

Die IT-Infrastruktur (Patig 2009) besteht technisch be-trachtet aus Hard- und Software sowie den baulichen Ein-richtungen für deren Betrieb. Bei der Hardware sind zuunterscheiden die Rechen- und Speichertechnik, dieNetzwerktechnik, die Peripherie- oder Endgeräte sowiedie Geräte zum Betrieb der Hardware.

Der Bereich der (Telekommunikations-)Netzwerktechnikist in Bezug auf ihre Störanfälligkeit bzw. der Folgen vonStörungen weiter zu differenzieren. Ganz vereinfachtkann man die internationalen und nationalen Weitver-kehrsnetze (Backbonenetze) und die Zugangsnetze unter-scheiden. Oft sind es mehr als diese zwei Ebenen derNetzhierarchien – Zugangsnetz und Weitverkehrsnetz –,die zusammenwirken müssen, und zwischen denen je-weils Vermittlungsknoten vorhanden sind.

Zu berücksichtigen ist auch, dass für die Inanspruch-nahme der Kommunikationsdienstleistung Rechenzentrenbenötigt werden, die nicht nur zur Abwicklung des jewei-ligen Kommunikationsdienstes, sondern z. B. auch für dieZugangsauthentifizierung und Nutzungsprotokollierungfür Abrechnungszwecke benötigt werden.

Vermittlung und Übertragung erfolgen einerseits kabelge-bunden (z. B. bei der Festnetztelefonie) und andererseitskabellos (z. B. Mobiltelefonie, Richtfunk, Datenübertra-gung per Satellit). Beide Übertragungstechniken – diewiederum weiter zu differenzieren wären – sind nicht völ-lig getrennt voneinander, sondern treten gegebenenfalls jenach Zugangs- und Netzebene kombiniert auf.

Daten- und Medientypen

Eine weitere Strukturierung des Bereichs der informa-tionstechnischen und telekommunikativen Dienste be-zieht sich auf den Daten- oder Medientypus. Hier lässt

sich unterscheiden in Sprach- und Datendienste. Letzterewerden unterteilt in Texte, statische (Grafiken, Fotos) unddynamische (Musik, Ton, Film, Animation) Medien so-wie Daten und Software. Diese vormals sehr strikten Un-terscheidungen haben sich im Zuge der allgemeinen Digi-talisierung aufgeweicht. Im Prinzip sind alleinformationstechnischen und telekommunikativen Infra-strukturen (einschließlich des Internets) in der Lage, jedesmediale (digitalisierte) Format zu übertragen. Trotzdemist die Entwicklung nicht so weit fortgeschritten, dasskeine dominierenden Konturen mehr zu erkennen wären.

In der Abbildung 9, die die im weiteren Verlauf des Kapi-tels behandelten Teilbereiche des Sektors Informations-technik und Telekommunikation darstellt, wird zwar anherkömmlichen Unterscheidungen angesetzt, von denÜberschneidungen auf der Dienstebene („Konvergenz“)wird dabei aber weitgehend abstrahiert.

2.1.2 Rechtliche Grundlagen und politischeZuständigkeiten

2.1.2.1 Rechtliche Grundlagen

Das Grundgesetz verlangt in Artikel 87f (1), dass derBund im Bereich des Postwesens und der Telekommuni-kation flächendeckend angemessene und ausreichendeDienstleistungen gewährleistet. Darüber hinaus wird ar-gumentiert, dass bereits aus den Grundrechten ableitbarsei, dass der Staat dafür Sorge zu tragen habe, dass vonden Grundrechten Gebrauch gemacht werden könne. Dadies aber in einem starken Maße auch vom FunktionierenKritischer Infrastrukturen abhinge, werde daraus unmit-telbar eine staatliche Pflicht zum Schutz dieser Infrastruk-turen deutlich (BSI 2005, S. 7 f.).

Auf der einfachgesetzlichen Ebene ist zunächst das Tele-kommunikationsgesetz (TKG) einschlägig. Es behandeltin seinem siebten Teil insbesondere präventive Betreiber-pflichten, etwa zur Gewährleistung eines Telefonnotrufs(§ 108) oder zur Erbringung technischer Schutzmaßnah-men (§ 109, Absatz 2). Danach sind von den Anbietern,die Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffent-lichkeit erbringen, „angemessene technische Vorkehrun-

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Strukturen des Sektors „Informationstechnik und Telekommunikation“

Quelle: eigene Darstellung

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/5672

gen oder sonstige Maßnahmen zum Schutze gegen Stö-rungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen vonTelekommunikationsnetzen führen, und gegen äußereAngriffe und Einwirkungen von Katastrophen zu treffen“.

Weiterhin sind für die Bewältigung der Folgen einer er-heblichen Störung der Telekommunikation einschlägigdas PTSG, die Telekommunikations-Sicherstellungs-Ver-ordnung (TKSiV) und die Post- und Telekommunika-tions-Zivilschutzverordnung (PTZSV).

Zweck des PTSG ist nach § 1 „die Sicherstellung einerausreichenden Versorgung mit Post- und Telekommuni-kationsdienstleistungen bei einer Naturkatastrophe oderbei einem besonders schweren Unglücksfall, im Rahmender Notfallbewältigung aufgrund internationaler Verein-barungen, im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Ver-einten Nationen, im Rahmen von Bündnisverpflichtungensowie im Spannungs- und im Verteidigungsfall.“ Das Ge-setz29 gilt für die ehemaligen staatlichen Unternehmender Deutschen Post AG und Deutschen Telekom AG so-wie für die sonstigen Unternehmen dieser Branche (§ 2).Es sieht u. a. durch Rechtsverordnungen oder Anordnun-gen des BMWi einen privilegierten Zugang für bestimmteAufgabenträger (§ 3 Absatz 3), Auskunfts- und Informa-tionspflichten (§ 4), die Beteiligung an Vorsorgeplanun-gen (§ 5), die Mitarbeit in Arbeitsstäben und die Teil-nahme an Übungen (§ 6) vor.

Die beiden genannten Verordnungen konkretisieren diesegesetzlichen Regelungen. So benennt die TKSiV in § 2das Mindestangebot an Telekommunikationsdienstleis-tungen, das bei Auftreten einer Krise oder Katastrophe zugewährleisten ist. Es sind dies:

1. Wählverbindungen im Telefondienst einschließlichFunktelefondienst,

2. Wählverbindungen im Diensteintegrierenden Digita-len Telekommunikationsnetz (ISDN),

3. Einrichtung von Telefonanschlüssen einschließlichFunktelefonanschlüssen,

4. Einrichtung von Basisanschlüssen im ISDN,

5. Einrichtung von Festverbindungen (analog, 64 kbit/s,2 Mbit/s),

6. Einrichtung von Übertragungswegen zur Übermitt-lung von Ton- und Fernsehsignalen und

7. Entstörung der unter den Nummern 3 bis 6 genanntenTelekommunikationsdienstleistungen.

Zu den Aufgabenträgern, denen ein bevorrechtigter Zu-gang zu den Telekommunikationsdienstleistungen ge-währleistet werden muss, zählen die folgenden (§ 4):

29 Im Oktober 2010 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zurNeuregelung des Post- und Telekommunikationssicherstellungs-rechts und zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschrif-ten vorgelegt (Bundesregierung 2010). Ziel ist u. a. eine stärkereAusrichtung auf Fälle von erheblichen Störungen der Versorgung.

– Bundesbehörden,

– Landes-, Kreis- und Kommunalbehörden,

– Katastrophenschutz- und Zivilschutzorganisationen,

– Aufgabenträger im Gesundheitswesen,

– Hilfs- und Rettungsdienste,

– Dienststellen der Bundeswehr und der StationiertenStreitkräfte,

– Aufgabenträger in Presse und Rundfunk,

– Anbieter von öffentlichen Telefonstellen,

– Betreiber von Telekommunikationsanlagen, soweitdies für die Erfüllung der Verpflichtung nach den §§ 2und 3 erforderlich ist, und

– Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen,soweit dies für die Erfüllung der Verpflichtung nachden §§ 2 und 3 erforderlich ist.

Außerdem müssen Notrufnummern von öffentlichen Te-lefonstellen für alle uneingeschränkt zugänglich sein (§ 4Absatz 2).

Erwähnenswert ist des Weiteren noch das Gesetz überden Amateurfunk (AFuG), das in § 2 als Amateurfunk-dienst einen Funkdienst definiert, der u. a. zur Unterstüt-zung von Hilfsaktionen in Not- und Katastrophenfällenwahrgenommen werden kann. § 5 sieht für den Not- undKatastrophenfall ausdrücklich eine Ausnahme für dasVerbot der Übermittlung von Nachrichten an Dritte (nichtFunkamateure) vor. Eine staatliche Inanspruchnahme desAmateurfunks im Krisenfall lässt sich daraus nicht ablei-ten, eventuell könnte die allgemeinere Norm des § 323cStrafgesetzbuch (Unterlassene Hilfeleistung) in diesenFällen greifen und eine Pflicht des Funkamateurs zurkommunikativen Hilfe im Katastrophenfall begründen.

In BSI (2005, S. 33) wird kritisch angemerkt, dass zwarder Schutz vor konventionellen Gefahren im Bereich derTelekommunikation relativ ausführlich und differenziert,der Schutz vor IT-spezifischen Gefahren aber („Cyberan-griffe“) nur sehr allgemein geregelt sei. Außerdem wür-den im Bereich der Tele- und Multimediadienste entspre-chende gesetzliche Betreiberpflichten vollständig fehlen.Als besonders problematisch wird dies für einen der zen-tralen Vermittlungsdienste des Internets, das Domain-Name-System, angesehen, da dessen reibungsloses Funk-tionieren für das Internet ähnlich bedeutsam sei wie dieIntegrität der Telekommunikationsinfrastruktur.

Zu ergänzen wäre diese Kritik an den bestehenden recht-lichen Vorsorgemaßnahmen dahingehend, dass der Falleines langfristigen und weiträumigen Stromausfalls inden aktuellen Gesetzen und Verordnungen nur ungenü-gend berücksichtigt wird. Die rechtlichen Anforderungenfür die Krisenprävention sind so allgemein und unbe-stimmt, dass sich für diesen Notfall keine konkreten Auf-lagen ableiten lassen.

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Drucksache 17/5672 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2.1.2.2 Politische Maßnahmen und Zuständigkeiten

Auf Initiative des BMI wurde im Jahr 1997 die inter-ministerielle Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen (AGKRITIS) eingerichtet.30 Auch nach der Auflösung dieserArbeitsgruppe im Jahr 2000 blieb das BMI federführendfür den Schutz Kritischer Infrastrukturen.

Parallel zur Gründung der AG KRITIS wurde im BSI einReferat Kritische Infrastrukturen eingerichtet, das u. a.der AG KRITIS zuarbeitete und 2002 eine Reihe von Stu-dien zu einzelnen Sektoren Kritischer Infrastrukturen vor-legte, die für die Öffentlichkeit allerdings nicht zugäng-lich sind. Das Referat beschäftigt sich u.a mit der Analyseder Kritikalität der verschiedenen Infrastrukturbereiche –in erster Linie unter dem Aspekt der IT-Sicherheit. Einweiterer Schwerpunkt bildet die Zusammenarbeit mit derWirtschaft und die Kooperation mit der Wissenschaft.Nach einer Reorganisation des BSI im Jahr 2005 wurdeein eigener Fachbereich Sicherheit in Kritischen Infra-strukturen und im Internet eingerichtet, zu dem sowohleher technisch ausgerichtete Referate wie das ComputerEmergency Response Team der Bundesverwaltung(CERT-Bund) als auch das eher politisch-strategisch aus-gerichtete Referat Kritische Infrastrukturen gehören.

Nach terroristischen Anschlägen in den USA 2001 wurde2002 die Projektgruppe Kritische Infrastrukturen (PGKRITIS) gegründet, an der sowohl mehrere Referate desBMI als auch Vertreter aus dem BSI, des BBK bzw. sei-ner Vorläuferorganisationen, des BKA und des THW teil-nahmen. Die Projektgruppe sollte die Aktivitäten zumSchutz Kritischer Infrastrukturen koordinieren und einnationales Gesamtkonzept vorbereiten.

Im Jahr 2005 wurden zwei politische Dokumente, jeweilsunter Federführung des BMI, veröffentlicht, die die bis-herigen Aktivitäten bündelten und eine Grundlage für dieweitere Arbeit darstellten. Es handelt sich dabei um denNationalen Plan zum Schutz der Informationsinfrastruk-turen (NPSI) sowie das Basisschutzkonzept zum SchutzKritischer Infrastrukturen (BMI 2005b u. c). Während dasBasisschutzkonzept keinen besonderen IT-spezifischenSchwerpunkt aufweist und in erster Linie den privatwirt-schaftlichen Betreibern Kritischer Infrastrukturen ein In-strument an die Hand geben will, sich für dieses Themazu sensibilisieren und Maßnahmen zu ergreifen, stellt derNPSI die Sicherheit der Informationsinfrastruktur in denMittelpunkt. In dieser Zeit wurde im BMI auch die Pro-jektgruppe Kommunikation und Sicherheit (PK KS) ein-gerichtet (Helmbrecht 2006, Folie 6), die die PG KRITISablöste. Das Basisschutzkonzept wurde 2008 aktualisiertund erweitert (BMI 2008). Als Leitfaden richtet es sich andie Betreiber Kritischer Infrastrukturen, seien dies privat-

30 Die folgende Darstellung lehnt sich an Schulze (2006, S. 155 ff.,185 f., 205 ff.) an. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auchder vierte Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundes-tages „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutsch-lands Weg in die Informationsgesellschaft“ (Enquete-Kommission1998), der sich ebenfalls mit der IT-Sicherheit der Infrastrukturen be-schäftigte.

wirtschaftliche Unternehmen oder Behörden, und gibt ih-nen Hilfestellung beim Aufbau und der Weiterentwick-lung ihres jeweiligen Risiko- und Krisenmanagements.

Zum NPSI wurden 2007 zwei Umsetzungspläne vomBundeskabinett beschlossen. Zum einen eine interne IT-Sicherheitsrichtlinie für die Bundesverwaltung Umset-zungsplan für die Gewährleistung der IT-Sicherheit in derBundesverwaltung (UP Bund) und zum anderen der Um-setzungsplan für die Kritischen Infrastrukturen (UP-KRITIS) (BMI 2007), der unter Beteiligung der Wirt-schaft die Sicherheitsziele und die weiteren Schritte fest-legt. Unter anderem wurden vier Arbeitsgruppen zu denThemen Notfall- und Krisenübungen, Krisenreaktion und-bewältigung, Aufrechterhaltung Kritischer Infrastruktur-dienstleistungen sowie nationale und internationale Zu-sammenarbeit eingerichtet, die teilweise bereits Berichtevorgelegt haben.

Speziell für die Ausfallsicherheit der Telekommunika-tionsinfrastruktur nimmt die Bundesnetzagentur gemäßTKG und PTSG bestimmte Aufgaben im Rahmen derVerordnung über Notrufverbindungen (NotrufV) auf Ba-sis des TKG § 108 oder zur Registrierung von Bevorrech-tigten im Telekommunikations- und Postwesen auf Basisder TKSiV wahr (Bundesnetzagentur 2008 u. 2010a).Eine politisch-strategische Befassung der Bundesnetz-agentur mit dem Thema Kritischer Infrastrukturen istnicht zu erkennen.

2.1.3 Eine besondere Infrastruktur?Im Folgenden wird zunächst auf einer allgemeinen Ebenenach den besonderen Eigenschaften des Sektors „Infor-mationstechnik und Telekommunikation“ gefragt, bevordann in Kapitel III.2.1.4 den Folgen eines langfristigenund großräumigen Stromausfalls in deren einzelnen Teil-sektoren nachgegangen wird.

Der Sektor „IT/TK“ unterscheidet sich von anderen Infra-strukturen insbesondere durch die folgenden Aspekte:

– (fast) 100%ige Stromabhängigkeit,

– weitreichende Interdependenzen mit fast allen weite-ren Kritischen Infrastrukturen sowie

– hohe Kritikalität.

Bezüglich seiner Rahmenbedingungen sind zu nennen:

– Konvergenz,

– tiefgreifender Wandel der sozioökonomischen Rand-bedingungen sowie

– hohe Innovationsdynamik.

2.1.3.1 Stromabhängigkeit und Inter-dependenzen

Informationstechnik und Telekommunikation sind ohneStromversorgung nicht vorstellbar. Die anderen Infra-strukturbereiche, die im Rahmen des TAB-Projekts unter-sucht wurden, sind zwar auch auf eine Stromversorgungangewiesen, aber nicht in diesem hohen Maße. Der Arztmag beim Stromausfall in seiner Praxis die Krankenkas-

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/5672

senchipkarte nicht mehr einlesen, den Praxiscomputernicht mehr betätigen oder keine Röntgenbilder mehr auf-nehmen können, aber Patienten untersuchen, Diagnosenstellen und Therapien vorschlagen ist in vielen Fällenauch ohne Strom möglich. Auch die Wasserversorgungkann durch Notbrunnen ohne eine Stromversorgung in ei-nem begrenzten Umfang aufrechterhalten werden, (selbstwenn die elektrischen Pumpsysteme den benötigten Was-serdruck im Wasserversorgungsnetz nicht mehr herstellenkönnen). Im Verkehrssystem wird zwar der strombetrie-bene Schienenverkehr nicht mehr funktionieren, dagegenwerden der benzin- und dieselgetriebene Kraftverkehroder der Fahrradverkehr weiterhin für Mobilität zur Ver-fügung stehen.

Computergestützte Informationsverarbeitung und elektro-nische Kommunikation, etwa über Rundfunk, Fernsehen,Telefon, Internet, sind dagegen überhaupt nicht ohne eineStromversorgung möglich. Gewisse Alternativen in Formpersönlicher und direkter Gespräche, Melder oder schrift-licher Aushänge können zwar genutzt werden, es ist aberoffensichtlich, dass die synchrone und direkte Fernkom-munikation ebenso wie die zeitnahe Massenkommunika-tion durch solche Substitute nicht gewährleistet werdenkönnen.

Wie die Abhängigkeitsanalysen des Schweizer Bundes-amts für Bevölkerungsschutz (BABS 2009, S. 10) zeigen,führt ein Totalausfall des Teilsektors Stromversorgungvon drei Wochen in der ganzen Schweiz zu „sehr großen“– das ist die maximal mögliche Bewertung – Auswirkun-gen auf alle Teilsektoren des Sektors Informations- undKommunikationstechnologien (IKT), nämlich Telekom-munikation, Internet, Instrumentations-, Automations-und Überwachungssysteme sowie Rundfunk und Medien(Tab. 2).

Die Abhängigkeit des Sektors „Informationstechnik undTelekommunikation“ von der Stromversorgung ist aller-dings nicht einseitig, sondern wechselseitig. Das Systemder Stromversorgung (wie auch weitere Kritische Infra-strukturen) ist seinerseits auf funktionstüchtige Informa-tions- und Kommunikationssysteme angewiesen. Wie dieAnalysen des Schweizer BABS (2009, S. 10) zeigen, wei-sen die Teilsektoren Telekommunikation und Überwa-chungssysteme eine „große“ direkte Wirkung auf denTeilsektor Stromversorgung aus (Wert „2“ auf einer Skalavon 0 bis 3). Die Teilsektoren Telekommunikation sowieInformationssysteme und -netze haben mit einem Wertvon jeweils 45 Punkten (von maximal 93 möglichen)– nach dem Teilsektor Stromversorgung mit 68 Punkten –die größten direkten Wirkungen auf alle anderen Teilsek-toren der Schweizer Kritischen Infrastrukturen.31

2.1.3.2 Kritikalität

Die Kritikalität einer Kritischen Infrastruktur bezeichnetihre Bedeutsamkeit bezüglich der Konsequenzen, die Stö-rungen, Ausfälle von Funktionen oder Zerstörungen für

31 Einen interessanten Versuch, solche mehrseitigen, komplexen Ab-hängigkeiten zwischen Kritischen Infrastrukturen zu modellieren undempirisch zu fassen, haben Chang et al. (2007) vorgelegt. Sie unter-suchen am Beispiel des Eissturms in Kanada im Jahr 1998 und desdamit verbundenen, in bestimmten Regionen mehrwöchigenStromausfalls die Auswirkungen und Wechselwirkungen auf die un-terschiedlichen Infrastrukturbereiche. Das Ziel der empirischen Ana-lysen war, den Grad der sozialen Betroffenheit in den einzelnen Be-reichen festzustellen. Die Störungen im Telekommunikationsbereichweisen bezüglich des „impact“ (Dauer und Intensität der Folgen)eher niedrige bis mittlere Indexwerte auf, während bezüglich des„extent“ (Größe der betroffenen Region und Umfang der betroffenenBevölkerung) sehr hohe Indexwerte vorkommen (Chang et al. 2007,S. 356).

Ta b e l l e 2

Dependenzen der Teilsektoren

Bewertet wurden auf einer vierstufigen Skala von 0 (keine Auswirkungen) bis 3 (sehr große Auswirkungen) – unter der Annahme eines Totalausfallswährend dreier Wochen in der ganzen Schweiz – die Dependenzen der 31 Teilsektoren voneinander. Quelle: BABS 2009, S. 10, Ausschnitt aus der dortigen Abbildung 4

Ausfall des Teilsektors Stromversorgung Telekommu-

nikation

Informations-systeme und

-netzeAuswirkung auf Teilsektor

Stromversorgung – 2 1

Telekommunikation 3 – 3

Informationssysteme und -netze 3 2 –

Internet 3 3 3

Instrumentations-, Automations- und Überwachungssysteme

3 3 3

Rundfunk und Medien 3 2 3

auf alle 31 Teilsektoren 68 45 45

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Drucksache 17/5672 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die (Versorgungs-)Sicherheit der Gesellschaft mit wichti-gen Gütern und Dienstleistungen haben. Durch dasBABS (2009, S. 8 f.) wurde die (relative) Kritikalität indrei Dimensionen bewertet: Auswirkungen auf andereTeilsektoren (Dependenzen), auf die Bevölkerung sowieauf die Wirtschaft. Sie schließt damit die in Kapi-tel III.2.1.3.1 dargestellten Dependenzen mit ein, gehtaber über diese hinaus. Die Bewertung erfolgte erneut aufeiner vierstufigen Skala von 0 (keine Auswirkungen)bis 4 (große Auswirkungen).

Auch hier erhielten drei von fünf Teilsektoren die höchs-ten Kritikalitätswerte: Telekommunikation den maximalmöglichen Wert 9, Informationssysteme und -netze sowiedas Internet jeweils den Wert 7. Nur drei weitere Sektoren(von insgesamt 31) erhielten ähnliche hohe Kritikalitäts-bewertungen, nämlich die Stromversorgung (9), der Stra-ßenverkehr (8) und die Banken (7).

2.1.3.3 Konvergenz

Die technische Entwicklung der letzten 50 Jahre, die oftals Konvergenz beschrieben wird, hat dazu geführt, dassheute zwischen den vormals weitgehend getrennten Kom-munikationssystemen, insbesondere der Telefonie, derDatenkommunikation und des Rundfunks, vielfältigeÜbergänge bestehen. Eine feste Zuordnung von einerNetzinfrastruktur zu einem spezifischen Dienst ist nichtmehr möglich.

Über einen Breitbandkabelanschluss, der über viele Jahrenur für die Verbreitung von Fernsehen und Radio genutztwerden konnte, sind heute auch Telefonie und Datenkom-munikation per Internet möglich. Oder, um ein zweitesBeispiel zu nennen, moderne Übertragungstechniken er-lauben heute über das vormals schmalbandige Telefonka-bel breitbandige Internet- und sogar Fernsehübertragun-gen. Diese weitgehende Vermaschung der Systeme führteinerseits zu einer größeren Komplexität mit mehr betei-ligten Betreibern und damit zu einer höheren Störungsan-fälligkeit. Andererseits ist eine größere Variabilität derNutzung entstanden, die gleichzeitig zu einer größerenDienstezuverlässigkeit in dem Sinne führt, dass prinzipi-ell mehr alternative technische Varianten für die Nutzungeines Dienstes zur Verfügung stehen. Beim Ausfall desFestnetztelefonanschlusses wäre denkbar, dass alternativdas Mobiltelefon oder die Telefonie über das Internet(z. B. Voice over IP, VoIP) in Anspruch genommen wer-den könnten. Wo die „Konvergenz“ dann wieder zu einerZusammenführung der getrennten Systeme führt und da-mit zu neuen „Engpässen“ und „Angriffspunkten“ müsstegenauer untersucht werden.

2.1.3.4 Privatisierung, Deregulierung, Liberalisierung

Parallel zur Entwicklung der Konvergenz auf Basis einerumfassenden Digitalisierung haben sich politisch-ökono-mische Veränderungen dieses Bereichs ergeben, die mitden Stichworten Privatisierung, Deregulierung und Libe-ralisierung umschrieben werden können.

Im Zuge der zweiten Postreform wurde der Telekommu-nikationszweig der Deutschen Bundespost 1994 privati-siert, 1996 an die Börse gebracht und mit dem TKG von1996 das Monopol für Telekommunikationsdienste, ins-besondere bei der Festnetztelefonie, abgeschafft. Heutegibt es fast 3 000 Telekommunikationsdiensteanbieter(Stand: 19. Mai 2010, Bundesnetzagentur 2010b), wäh-rend es vor 20 Jahren nur einen staatlichen Monopolistengab. Im Bereich des Rundfunks gab es bis in die 1980erJahre nur die öffentlichen Rundfunkanstalten der ARD,des ZDF und des Deutschlandfunks. Das Kabelpilotpro-jekt in Ludwigshafen 1984 wurde dann zum Ausgangs-punkt der Zulassung privater Fernsehsender in Deutsch-land, seit 1986 auch privater Radiosender. DieArbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM)geht heute von etwa 450 ausgestrahlten privaten wie öf-fentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen (Stand: Novem-ber 2009; ALM 2009) und 223 private Hörfunkangebotenaus (Stand: 2006; ALM o.J.).

Die Folgen dieser einschneidenden Veränderungen sindunter dem Aspekt Kritischer Infrastrukturen eher proble-matisch, da die Privatisierung ehemals staatlicher Sekto-ren bzw. die Ausweitung eines privaten Sektors direktestaatliche Vorgaben für Vorsorgemaßnamen für den Kri-senfall erschwert. Selbst bei freiwilligen Kooperationenzwischen Staat und Wirtschaft, eine wichtige Kompo-nente der staatlichen Politik zum Schutz Kritischer Infra-strukturen (BMI 2005b, S. 8; BMI 2009, S. 3), macht eseinen Unterschied, ob solche Vorsorgemaßnahmen mitnur wenigen oder einigen Hundert Unternehmen abzu-stimmen und umzusetzen sind.32

2.1.3.5 Technische Dynamik

Informations- und Telekommunikationstechnik sind voneiner hohen technischen Innovationsdynamik geprägt.Dies wirkt sich auch auf den Grad der Stromabhängigkeitdieses Sektors aus. Man denke etwa daran, in welchemAusmaß in den letzten Jahren Mobiltelefone und Laptopsdurch leistungsfähigere Akkus unabhängiger von einernetzgebunden Stromversorgung geworden sind. In die-sem Zusammenhang gehören auch die Diskussionen übereine verstärkte Nachfrage nach Strom durch den Einsatzvon Informationstechnik (Baer et al. 2002), zu einer ener-gieeffizienten Informationstechnik („Green IT“) und überdie Möglichkeiten einer dezentralen, netzunabhängigenautonomen Energieversorgung von Informationstechnikund Telekommunikation – etwa durch dezentral erzeug-ten Solarstrom oder Brennstoffzellen.

– Die fortschreitende Digitalisierung hat aber zunächstdie Abhängigkeit von der Stromversorgung erhöht:Während über den analogen Teilnehmeranschluss desTelefonfestnetzes ein analoger Telefonapparat noch

32 Andererseits bietet die Vielzahl der Unternehmen im Wettbewerbähnliche Dienstleistungen an, sodass gegebenenfalls der Nutzer den-jenigen Anbieter wählen könnte, von dem er weiß, dass er sich aufden Stromausfall durch Notfallmaßnahmen besonders gut vorbereitethat. Dies würde aber voraussetzen, dass die Anbieter ihre Vorsorge-maßnahmen öffentlich machen, was bisher nicht geschieht.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/5672

genutzt werden konnte, auch wenn im Haus dieStromversorgung ausgefallen war, trifft dies auf digi-tale ISDN-Anschlüsse und Endgeräte nur noch be-grenzt zu. Die sich stark ausbreitenden Telefonan-schlüsse über VoIP-Modems oder DSL-Router könnennur bei einer funktionierenden Stromversorgung be-trieben werden (Kap. III.2.1.4.2).

– Problematisch ist auch die Zunahme von Übergabe-punkten – eine neu eingezogene Ebene in der Netzhie-rarchie zwischen Ortsverteiler und Hausanschluss –im Zuge des DSL-Netzausbaus, da diese Stellen aufeine Stromversorgung angewiesen sind. Bei einemStromausfall, und falls sie über keine Notstromversor-gung verfügen, würden die angeschlossenen Kundenden Telefon- wie Internetanschluss sofort verlieren.33

Die ohnehin immer bestehende Abhängigkeit von derStrom- und Notstromversorgung der Ortsvermitt-lungsstelle bleibt davon unberührt.

– Kritisch wird auch die weitere Entwicklung der Tele-kommunikationssysteme zum sogenannten Next Ge-neration Network (NGN) eingeschätzt. Hier würdeverstärkt „vermittlungstechnische Intelligenz in End-geräte am Netzrand“ verlagert, die stromabhängigsind. Auch der Teilnehmeranschluss am Lichtwellen-leiter (Glasfaser) bedarf einer externen Stromzufüh-rung (Fickert/Malleck 2008, S. 276).

2.1.4 Folgen

Soweit erkennbar gibt es keine aktuelle, systematischeund wissenschaftlich solide Datenerhebung zu den mögli-chen Folgen eines Stromausfalls für den Sektor „Informa-tionstechnik und Telekommunikation“. Im Rahmen derverfügbaren Budgets waren nur begrenzt originäre Re-cherchen und Erhebungen bei Informationstechnikdienst-leistern, Telekommunikationsanbietern sowie andereneinschlägigen Experten möglich. Im Wesentlichen wirdim Folgenden, gestützt auf die Gutachten für das TABund weitere Quellen, das verfügbare Wissen zusammen-getragen, systematisiert und bewertet.

Zu den genutzten Quellen gehören auch Einzelfallanaly-sen von Stromausfällen in der Vergangenheit. Für denweiträumigen und mehrtägigen Stromausfall 2003 an derOstküste Nordamerikas liegen solche Analysen vor,34 diezum Auftakt dieses Kapitels referiert werden(Kap. III.2.1.4.1), bevor im Weiteren die möglichen Fol-

33 Nach Fickert/Malleck (2008, S. 276) wird ein Teil dieser Übergabe-punkte über das öffentliche Stromnetz versorgt – und würde beimStromausfall entsprechend seinen Betrieb einstellen – während beianderen Übergabepunkten zur Stromversorgung nicht mehr benötigteKupferdoppeladern vom nächstliegenden Ortsverteiler genutzt wer-den, und so von dessen Notstromversorgung profitieren können. Wieverbreitet diese Variante der Stromversorgung ist, ist allerdings nichtbekannt.

34 Entsprechende Analysen für Deutschland sind nicht bekannt. DieSammlung von persönlichen Berichten aus der Bevölkerung über de-ren Erleben des „Schneechaos im Münsterland“ liefert allerdings,wenn auch unsystematisch, einige Hinweise auf die Nutzung oderNichtnutzung von Telefon, Internet und Massenmedien (Cantauw/Loy 2009).

gen eines umfassenden Stromausfalls in den Teilsektorendes Sektors „IT/TK“ dargestellt werden.

Aufgrund der nahezu 100prozentigen Abhängigkeit desSektors von einer Stromversorgung weicht die Darstel-lung der Folgen von der in anderen Sektoren ab: Solangedie Stromversorgung gewährleistet ist, funktionieren In-formationsverarbeitung und Telekommunikation, wennauch (bei einer Notstromversorgung) nur unter einge-schränkten Bedingungen. Wenn die (Not-)Stromversor-gung aber nicht mehr aufrechterhalten werden kann,kommt es zum Totalausfall von Informationstechnik undTelekommunikation. Die Darstellung der Konsequenzeneines Stromausfalls mit differenzierten zeitlichen Abstu-fungen – wie in anderen Sektoranalysen – kann deshalbfür diesen Sektor so nicht vorgenommen werden.

2.1.4.1 Stromausfall in Nordamerika (2003)Der größte Stromausfall in der Geschichte Nordamerikasbegann am 14. August 2003 und betraf große Teile derStaaten Ontario (Kanada), New York, Ohio, Pennsylva-nia, New Jersey, Vermont, Michigan, Connecticut undMassachusetts (USA) (Bialek 2010; Stefanini/Masera2008). Nach einer Woche, am 22. August 2003, wurdeder Notstand in Ontario wieder aufgehoben, ab dem23. August 2003 war die Stromversorgung in den betrof-fenen Regionen wieder vollständig gewährleistet (PublicSafety Canada 2006, S. 14). Insgesamt waren 62 GWelektrische Leistung (Yamashita et al. 2008, S. 856) so-wie 50 Millionen Personen betroffen. Es wird geschätzt,dass die Wirtschaft Ontarios einen Verlust von 1 bis2 Mrd. Kanadische Dollar erlitt. Der Einzelhandel erlebtein den ersten vier Tagen einen Rückgang des Umsatzesum 40 Prozent, während an den Tankstellen der Umsatzum 30 Prozent anstieg (Public Safety Canada 2006, S. 4).

Die folgende Darstellung orientiert sich im Wesentlichenan der Situation in Ontario, Kanada. Es ist zu vermuten,dass man dort wegen des vorangegangenen großenStromausfalls 1998 (Eissturm) hinsichtlich der Ausstat-tung mit Notstromgeneratoren und der Notfallplanung be-sonders gut vorbereitet war (Public Safety Canada 2006,S. 22 f.).

In Bezug auf das Telefonfestnetz konnte zwar durch Akti-vierung von Notfallprogrammen der Betrieb weitgehendaufrechterhalten werden. Allerdings war der Nachschubfür den Treibstoff der Notstromgeneratoren für die allge-meinen Verteilerstationen wie auch die Notrufsysteme(911) ein Problem. Die Bevölkerung wurde aufgerufen,das Telefon (Festnetz- wie Mobiltelefon) nur in Notfällenzu nutzen (Public Safety Canada 2006, S. 21 f.).

Die Mobiltelefonsysteme waren stark überlastet.35 In Be-zug auf die Energieversorgung der batteriegepuffertenBasisstationen gelang es wohl einigen Mobilfunkunter-nehmen durch den zusätzlichen Einsatz mobiler Genera-toren, die außerhalb von Ontario kurzfristig beschafftwerden konnten, deren Batterien wieder aufzuladen. Am

35 Diese Erfahrung führte dann 2004 zu einer von der Regierung Kana-das initiierten Einführung eines „Wireless Priority Services“ (WPS).

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Drucksache 17/5672 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vierten Tag nach dem Ausbruch der Stromkrise arbeitetenalle Mobilfunkdienste wieder normal (Public SafetyCanada 2006, S. 22). Townsend/Moss (2005, S. 10) ge-hen allerdings davon aus, dass im Nordosten der Verei-nigten Staaten die mobilen Telefondienste ernstlich ge-stört waren, da die örtlichen Antennen undVermittlungsstellen nur mit Notfallbatterien ausgestattetwaren, die eine Kapazität von höchstens vier bis sechsStunden aufwiesen.

Die Verbindungen zum weltweiten Internet waren aller-dings deutlich gestört. Nach den Analysen von RenesysCorporation (Cowie et al. 2004) wurden zwar die großenÜbertragungsstrecken („backbones“) durch denStromausfall kaum negativ tangiert, aber von 9 700 in denbetroffenen Gebieten identifizierten Netzwerken tratenbei 3 175 Verbindungsausfälle auf. Diese waren bei 2 000dieser Netzwerke länger als vier Stunden, bei 1 400 län-ger als 12 Stunden, bei einigen sogar länger als zweiTage. Nach Cowie et al. (2004. S. 1 f.) war das Internetnoch keineswegs darauf vorbereitet, die Zuverlässigkeitdes Telefonsystems zu erreichen. In den größeren Re-chenzentren von Unternehmen konnte in der Regel derBetrieb fortgeführt werden (Public Safety Canada 2006,S. 23 f.).

Die Presseunternehmen bemühten sich, die Öffentlichkeitmit Informationen zu versorgen, und konnten dazu ihreTechnik in den meisten Fällen durch Notstromgenerato-ren weiter betreiben. So war der Toronto Star am erstenTag nach Ausbruch der Krise in der Lage, eine 16-seitigeNotausgabe zu produzieren, während der Ottawa Citizenmit gerade neubeschafften NSA eine normale Produktionrealisieren konnte.36 Die Zentrale von Associated Press(AP)O2 in New York wurde wegen des Stromausfallskurzfristig nach Washington und Dallas verlegt.

Die großen Fernsehstationen konnten zwar ihre Pro-gramme fortsetzen, die allerdings in den betroffenen Ge-bieten in der Regel nicht empfangen werden konnten. Dieaktuellste und vielleicht wichtigste Informationsquelle(vom Beginn der Krise am Nachmittag des 14. August2003 bis zum Morgen des 15. August 2003) war derRundfunk, der kontinuierlich senden konnte und mit bat-teriebetriebenen Geräten zu empfangen war. Bei den Ra-diosendern, Zeitungsverlagen und Fernsehunternehmenkamen in der Regel Notfallpläne zum Einsatz, und mankonnte auf ausreichende NSA zurückgreifen.

2.1.4.2 Festnetztelefonie

Das Telefonfestnetz, das in erster Linie für Sprachtelefo-nie, Fax und als Zugangsnetz zum Internet – auch breit-bandig – zur Verfügung steht, weist insbesondere aufsei-ten der Endgeräte und der ersten Hierarchieebene imNetz, den Ortsvermittlungsstellen, eine starke Abhängig-keit von der netzgespeisten Stromversorgung auf.

36 Deverell (2003) betont die wichtige Rolle der Printmedien währenddes Stromausfalls in Stockholm im Jahr 2001.

Endgeräte und Teilnehmeranschlüsse

Während die kaum mehr im Einsatz befindlichen analo-gen Telefonapparate nicht auf eine externe Stromversor-gung angewiesen sind, sondern von der nächsten Ortsver-mittlungsstelle über das Telefonkabel mit der benötigten,geringen Energie versorgt werden,37 sind die Basisstatio-nen für die weitverbreiteten Schnurlostelefone (nach demDECT-Standard) auf eine externe Stromversorgung ange-wiesen. Das durch einen Akku weiterhin betriebsbereiteSchnurlostelefon nützt nichts, da keine Verbindung zurBasisstation aufgebaut werden kann.

ISDN-Telefone, soweit sie notstromfähig sind, könnenwie analoge Telefone über die Ortsvermittlungsstelle mitStrom versorgt werden. Dies gilt allerdings nur für einISDN-Endgerät pro ISDN-Anschluss, an den üblicher-weise mehrere Endgeräte angeschlossen sind.

Der Trend im Bereich der Festnetztelefonie geht aller-dings zum Telefonieren mittels VoIP über DSL-Routeroder Kabelmodem. Zwar beträgt der Anteil der Telefona-naloganschlüsse an den insgesamt 39 Millionen Telefon-festnetzanschlüssen noch ca. 50 Prozent, verliert abermassiv an Bedeutung zugunsten von VoIP-Anschlüssenüber DSL oder die aufgerüsteten Rundfunkkabelnetze.Auch der Anteil der ISDN-Basisanschlüsse stagniert.Über die insgesamt 26 Millionen Analog- oder ISDN-Te-lefonanschlüsse bei der Telekom AG werden11 Millionen DSL-Breitbandzugänge abgewickelt, diewiederum für VoIP-Telefonie prinzipiell ausgelegt sind(Bundesnetzagentur 2009, S. 19 ff. – alle Zahlen mitStand Mitte 2009). Die sich ebenfalls ausbreitende Inter-nettelefonie über Dienste wie Skype ist dabei nicht be-rücksichtigt.

DSL-Router und Kabelmodems weisen nach den vorlie-genden Informationen keine Batteriepufferung auf, sindalso alle von einer externen Stromversorgung abhängigund fielen beim Ausfall der Stromversorgung sofort aus.Festnetztelefonie wie Internetzugang wäre in diesem Fallsofort unterbrochen.

Zugangs- und Verbindungsnetze

Das eigentliche Telefonnetz ist durch hierarchisch geglie-derte, computerbasierte Vermittlungsstellen strukturiert.Man kann dabei grob die Ortsvermittlungsstellen und dieFernvermittlungsstellen unterscheiden. Beide sind von ei-ner kontinuierlichen Stromversorgung abhängig. DieZugangsleitung der Endkunden führt direkt zu einer Orts-vermittlungsstelle, von denen es nach vorliegendenSchätzungen zwischen 5 000 und 8 000 geben soll unddurch die typischerweise 10 000 bis 100 000 Kunden ver-sorgt werden. Die Ortsvermittlungsstellen sind, nach denEndgeräten beim Endkunden, der zweite wesentlicheEngpass beim Stromausfall im Zugang zum Festnetz. Sieverfügen zwar über Anlagen zur USV, diese sind aber aufeinen kontinuierlichen Weiterbetrieb bei einem kurzfristi-

37 In den Erfahrungsberichten zum Stromausfall in Münster 2005 wirdwiederholt die Wiederinbetriebnahme analoger Telefonapparate er-wähnt (Cantauw/Loy 2009).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/5672

gen Stromnetzausfall ausgelegt. Ihr Energiepuffer kannbereits nach 15 Minuten oder auch, je nach Standort undBetreiber, erst nach acht Stunden (Reinermann 2009,Folie 15) erschöpft sein. Danach fällt der Zugang zumFestnetz für alle angeschlossenen Kunden aus.

Beim Ausfall der Fernvermittlungen wäre ein noch vielgrößerer Kundenkreis betroffen. Diese sind deshalb mitNSA besser abgesichert und könnten acht bis 48 Stunden(Reinermann 2009, Folie 15) oder sogar drei bis vier Tage(Hiete et al. 2010, F29) ihren Betrieb ohne externe Strom-versorgung aufrechterhalten. Im Falle eines großflächigenStromausfalls spielt die bessere Notstromversorgung derFernvermittlungsstellen aber keine wesentliche Rolle, daim betroffenen Gebiet alle Ortsvermittlungsstellen ausfal-len und die Fernvermittlungsstellen gar nicht mehr zumZuge kommen. Die bessere Absicherung der Fernvermitt-lungsstellen kommt nur im – viel häufigeren – Szenarioeines kleinräumigen Stromausfalls (etwa eines Stadtteils)zum Tragen. Liegt die Fernvermittlungsstelle im Ausfall-gebiet, die Ortsvermittlungsstelle aber außerhalb, kannder Telefonverkehr durch die NSA einige Tage aufrecht-erhalten werden.

Die Notstromkapazitäten in den Vermittlungsstellen desFestnetzes können auch nach eher ländlichen oder eherstädtischen Region unterschieden werden. Im ländlichenBereich reichen diese gegebenenfalls nur zwei Stunden,im kleinstädtischen Bereich bis zu sechs Stunden und imgroßstädtischen Bereich bis zu 48 Stunden (Unger 2009,Folie 16), nach Hiete et al. (2010, F29) sogar mehrereTage. Auch hier sind Netzknoten mit mehr Teilnehmernbesser abgesichert als solche mit weniger.

Alle Telefonkunden, die im Gebiet des Stromausfalls an-sässig sind und nicht über ein analoges Telefon oder not-stromfähiges ISDN-Telefon verfügen, können unmittel-bar nicht mehr telefonieren. Solche mit analogen odernotstromfähigen ISDN-Telefonen können dies nur solange, bis die USV der zugehörigen Ortsvermittlungs-stelle ausfällt, was nach wenigen Minuten bis Stunden derFall sein wird.

Die in § 109 des TKG festgelegte Pflicht zur Erbringung„angemessener“ technischer Schutzmaßnahmen gegenStörungen, „die zu erheblichen Beeinträchtigungen vonTelekommunikationsnetzen führen“, greift offensichtlichin einem großräumigen, langfristigen Stromausfall kaum.„Angemessen“ erscheint gegenwärtig nur die Vorkehrunggegen einen kurzfristigen und kleinräumigen Stromaus-fall. Die geringe Zuverlässigkeit des Festnetzes beimStromausfall zeigte sich auch beim „Schneechaos“ inMünster 2005. 88 Prozent der befragten 591 Einwohner(in einer Studie zu den Folgen im Ernährungssektor)konnten das Festnetz nicht nutzen (Gardemann/Menski2008, S. 46).

Notruf, Notrufsäulen, öffentliche Telefonzellen

Die europaeinheitliche Notrufnummer 112 kann von je-dem funktionsfähigen Telefon (im Festnetz oder Mobil-funk) kostenlos angewählt werden. Dies gilt auch für Mo-

2.1.4.3 Mobilfunk

Das Mobiltelefon ist bei einem Stromausfall nur bedingtein Ersatz für das Festnetz. Hier sind zwar – im Gegen-satz zum Festnetz – alle Endgeräte mit einer internenStromversorgung versehen. Allerdings muss man mit re-lativ schnellen Ausfällen der Basisstationen (in etwa ver-gleichbar mit den Ortvermittlungsstellen im Festnetz)rechnen, sodass die Teilnehmer, die sich im Einzugsbe-reich dieser Basisstationen befinden, keinen Anschlussfinden. Diese Basisstationen verfügen über eine USV undkönnen – ähnlich wie die Ortsvermittlungsstellen im Fest-netz – bereits nach 15 Minuten ausfallen, aber auch, jenach Betreiber und örtlichen Gegebenheiten, bis zu achtStunden überbrücken.38

biltelefone ohne verfügbare Gesprächsguthaben oderlaufenden Vertrag. Auch aus Telefonzellen kann derNotruf immer ohne Münzen oder Telefonkarte getätigtwerden. Notrufe werden im Telefonvermittlungssystemprivilegiert behandelt, sodass sie in der Situation einerÜberlastung der Telefonsysteme weitervermittelt werden.Allerdings funktioniert der Notruf nur dann, wenn dasEndgerät eine Verbindung zum Telefonnetz (über dienächste Ortsvermittlungsstelle oder Basisstation imFunknetz) aufbauen kann. Dies wird im Falle einesgroßräumigen Stromausfalls nur wenige Minuten bisStunden der Fall sein.Notrufsäulen, wie man sie z. B. an Bundesautobahnen,in Tunneln oder an Bahnhöfen findet – allerdings wegender weiten Verbreitung von Mobiltelefonen mit abneh-mender Tendenz – werden teilweise unabhängig vomStromnetz mit Solarstrom versorgt. Ihre Einsatzfähig-keit wäre damit gewährleistet.Auch für die öffentlichen Telefonzellen trifft zu, dass siein der Regel auf eine externe Stromversorgung und einefunktionierende Ortsvermittlungsstelle angewiesen sind.Für den Krisenfall stellen sie so ebenfalls nur sehr be-dingt eine Ausweichmöglichkeit dar.

38 Die Einschätzungen bezüglich der Notstromversorgung der Sendean-lagen und Basisstationen sind relativ uneinheitlich. Prognos (2009,S. 81) geht davon aus, dass „wenige“ Sendeeinrichtungen mit einerkurzfristigen Notstromversorgung ausgestattet seien. Auch nachHiete et al. (2010, F29 f.) sind „viele der Basisstationen nicht gegenVersorgungsunterbrechungen gesichert, einige verfügen über USV (ca.2 Stunden), andere sind über stationäre NSA mehrere Stunden mitNotstrom versorgt“. Weiter gehen Hiete et al. (2010, F29) davon aus,dass beim Neubau von Sendeanlagen heute meist keine USV undNSA mehr vorgesehen“ seien. Nach Mansmann (2008, S. 89) ist da-gegen das Mobilfunknetz von Vodafone durchgängig notstromver-sorgt. Notstromdiesel sorgten bei zentralen Netzkomponenten für dieÜberbrückung eines längeren Stromausfalls. Einzelne, kleine Basis-stationen, die in Großstädten für zusätzliche Kapazitäten sorgten,könnten allerdings sofort ausfallen. Bei den Telekommunikationsun-ternehmen O2 und E-Plus seien die Basisstationen akkugepuffert undliefen damit rund zwei Stunden weiter. Neue Basisstationen rüste O2mit Brennstoffzellen aus. Die nächst höhere Ebene des Base StationController (BSC) sei auf einen netzunabhängiger Betrieb von vier bissechs Stunden ausgelegt, die zentralen Vermittlungsstellen (auch zuden anderen Netzen über die MSC) seien mit Notstromdiesel fürmehrere Tage eingerichtet. Droht der Ausfall einer strategisch wichti-gen Basisstation, wolle man diese mit mobilen Generatoren versorgen.

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Drucksache 17/5672 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Es wird damit gerechnet, dass die zentralen Vermittlungs-stellen in den Mobilfunknetzen mit vorhandenen NSA 8bis 48 Stunden ihren Betrieb aufrechterhalten können(Reinermann 2009, Folie 16; s.a. Mansmann 2008). Hieteet al. (2010, F29) gehen sogar von einem Ausfall dieserMobile-services Switching Centres (MSC) erst nach etwavier Tagen aus.

Die Logik der Notstromversorgung der Sende- und Ver-mittlungsstellen im Mobilfunk folgt derjenigen im Fest-netz. Je höher die Vermittlungsstelle in der Netzhierarchieangesiedelt ist, desto besser ist ihre Absicherung gegenden Stromausfall. Dies zielt auf die Minimierung desNetzausfalls bei räumlich begrenzten Stromausfällen,hilft aber wenig bei einem großräumigen und langfristi-gen Stromausfall, wie schon beim Festnetz festgestelltwurde.

Es gibt allerdings einen Unterschied: Der Mobilfunkteil-nehmer ist im Gegensatz zum Festnetzanschluss mobil.Er oder sie könnte sich an einen Ort im Krisengebiet be-geben, wo eine für die Einwahl notwendige Basisstationund eine MSC (also eine „Fernvermittlungsstelle“) mit ei-nem Notstromgenerator versorgt werden. Nimmt man an,dass in den großen Städten des Krisengebiets solche„Hotspots“ aufrechterhalten würden, dann könnte manzwischen Mobilfunkteilnehmern, die sich innerhalb die-ser Zonen befinden sowie zu Mobilfunk- und Festnetz-teilnehmern außerhalb des Krisengebiets telefonieren undgegebenenfalls auch das Internet nutzen. Die genauentechnischen Randbedingungen eines solchen Szenariosmüssten allerdings im Einzelnen überprüft werden. Be-wegt man sich nahe genug an den „Rändern“ desStromausfallgebiets und kommt in den Sendebereich vonAnlagen, die außerhalb dieses Gebiets liegen, dann ließesich auch dort telefonieren.

Neben der prekären Stromversorgung kommt als weitererGefährdungsfaktor hinzu, dass im Katastrophenfall dieMobilfunknetze wegen der Schwierigkeiten im Festnetzund des erhöhten Kommunikationsbedarfs überlastet wer-den und viele Telefonate nicht vermittelt werden können.In gleicher Weise sind SMS- oder andere mobile Daten-dienste betroffen.39

Notrufe müssen allerdings im Krisenfall privilegiert ver-mittelt werden. Das PTSG (§ 3 Absatz 3) sieht außerdemeinen privilegierten Zugang für bestimmte (behördliche)Aufgabenträger vor. Man hofft damit, in einer Situation,in der das Mobilnetz zwar funktioniert, aber durch über-durchschnittlich viele Anrufe überlastet ist, für bestimmtebevorrechtigte Teilnehmer die Herstellung von Verbin-dungen weiterhin zu ermöglichen.

39 Die bereits erwähnte Studie zum Stromausfall im Münsterland zeigt,dass dort Mobiltelefone, selbst bei einem „nur“ tageweise und nichtlangfristigen Stromausfall, sehr unzuverlässig waren. Für 73 Prozentder Befragten war die „Handy-Nutzung“ nicht mehr möglich (Garde-mann/Menski 2008, S. 46).

2.1.4.4 Internet

Bei der Nutzung des Internets ist zwischen stromabhängi-gen Endgeräten (Desktopcomputer, Server) und solchenmit einer internen Energieversorgung (Laptop, Webcom-puter, Smartphone etc.) zu unterscheiden. Während dieerste Kategorie sofort ausfällt – in Privathaushalten wieKleinunternehmen ist nicht mit einer Notstromversor-gung zu rechnen, bei mittleren und großen Unternehmenschon eher –, können die akkubetriebenen Geräte je nachLadezustand und Nutzungsweise noch einige Stunden bisTage genutzt werden. Ob diese Geräte aber einen Zugangzum Internet eröffnen, hängt von der Art des Zugangsund von den Verhältnissen im Zugangs- und Fernübertra-gungsnetz ab.

Hier gilt dann im Wesentlichen das Gleiche, was schonzum Bereich des Festnetzes, des Rundfunkkabelnetzesund des Mobilfunks – alles mögliche Zugangsnetze zumInternet – gesagt wurde: Alle DSL- und Kabelmodemzu-gänge zum Internet fallen in der Regel, da sie keine Batte-riepufferung aufweisen, sofort aus. In Laptops integrierteModems oder Mobilfunkzugänge (für das Internet) könn-ten so lange funktionieren, wie sie durch den Akku desLaptops mit Strom versorgt werden. Dies trifft in gleicherWeise auf Smartphones und ähnliche akkubetriebene,mobile Geräte zu, die für einen Internetzugang geeignetsind.

Allerdings bleibt dann auch hier die Frage, ob das Mo-dem eine funktionierende Orts- bzw. DSL-Vermittlungs-stelle (DSLAM) oder Basisstation im Funknetz erreicht.Diese weisen in der Regel eine USV auf, die nach Minu-ten bis wenigen Stunden ausfällt. Danach wäre das Inter-net – selbst bei noch funktionierenden, weil gut notstrom-versorgten zentralen Fernübertragungsnetzen („Back-bonenetze“) – nicht mehr erreichbar.

Satellitenfunk

Satellitentelefone, z. B. über das Inmarsatsystem, dieheute auch als mobile Handgeräte angeboten werdenund mehrere Tage Stand-by-Betrieb und mehrere Stun-den Gesprächszeit bieten, sind ein möglicher Ersatz fürSprach- und Datendienste im hier zugrundegelegten Ka-tastrophenfall. Sie ermöglichen eine Kommunikationzwischen Satellitentelefonen, aber auch zu – erreichba-ren – Festnetz- und Mobilfunkteilnehmern.

Die Verbindung wird allerdings ebenfalls über eine Bo-denstation vermittelt, die stromversorgt sein muss.Sollte die deutsche Bodenstation nicht mehr mit Stromversorgt werden können, könnte deren Funktion eineandere Bodenstation im Ausland übernehmen. Eine ge-wisse technische Einschränkung besteht darin, dass dasTelefon freie „Sicht“ zum Satelliten haben muss. Diesist z. B. in engen Hochgebirgstälern nicht immer gege-ben (Jost 2005, S. 29). Aufgrund der hohen Kosten fürdie Beschaffung und den Betrieb eines Satellitentele-fons stellt diese Kommunikationsmöglichkeit keine Al-ternative für einen breiten Einsatz im Krisenfall dar.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/5672

2.1.4.5 Rechenzentren

Als gut vorbereitet für einen Stromausfall gelten die Re-chenzentren in großen Unternehmen, Dienstleitungsre-chenzentren oder die Serverfarmen, Webhoster etc. fürdas Internet. Entsprechend ist davon auszugehen, dass dieDatenleitungen zwischen diesen Rechenzentren an ihrenEndpunkten und Verstärken ähnlich gut abgesichert sind.Große Rechenzentrumsbetreiber verfügen in der Regelauch über verschiedene Standorte, sodass gegebenenfallsder Betrieb eines gefährdeten Rechenzentrums mit seinengeschäftskritischen Prozessen auf ein anderes übertragenwerden kann. Die Notfallversorgung ist auf jeden Fall da-rauf ausgelegt, laufende Prozesse kontrolliert zu beenden,Daten zu sichern und einen Notbetrieb einzurichten. Diesheißt nun nicht, dass im Ernstfall auch alle Vorsorgemaß-nahmen greifen.

2.1.4.6 Behördenfunk und Behördennetze

Der BOS-Funk steht in Deutschland vor einem Wechselvon dem alten analogen System zu einem neuen, digitalenSystem nach dem TETRA-Standard. In absehbarer Zeitsoll TETRA für 500 000 Teilnehmer etwa bei der Polizei,den Feuerwehren, Rettungsdiensten, THW und Zoll flä-chendeckend eingeführt werden. Insgesamt müssen dazurund 4 300 Antennenstandorte und 62 Vermittlungsstelleninstalliert werden (Hiete et al. 2010, F28).

Unter dem Aspekt der Stromabhängigkeit scheint dieUmstellung auf TETRA eine Verschlechterung zu brin-gen. Während die alten Relaisstationen im analogenBOS-Funk noch über eine USV von vier bis acht Stundenverfügten, sind die Basisstationen bei TETRA nur nochauf eine batterieversorgte Überbrückung von zwei Stun-den ausgelegt (Hiete et al. 2010, F30). Für den Fall einesgroßflächigen und langfristigen Stromausfalls wäre derBehördenfunk denkbar schlecht vorbereitet. Mobile,stromnetzunabhängig Funkstationen könnten zwar zumEinsatz kommen, es ist aber nicht bekannt, über wie vielesolcher Ersatzstationen die TETRA-Betreiber verfügen.

Die „normale“ Regierungskommunikation sowie dieKommunikation der Bundesverwaltung erfolgt über ge-sondert abgesicherte Netze, insbesondere den IVBB, denIVBV und das Bundesverwaltungsnetz (BVN). Diese sol-len in einer gemeinsamen, leistungsfähigeren und siche-ren Netzinfrastruktur unter dem Titel „Netze des Bundes“(NdB) (Federführung BMI) zusammengefasst werden.Auch hier handelt es sich wie beim BOS-Funk um einnichtöffentliches, besonders gegen äußeren Zugriff abge-sichertes Daten- und Telekommunikationsnetz. Die zen-tralen Netze und Netzressourcen von IVBB und IVBVsind mit NSA mit einer Kapazität für in der Regel zweibis drei Tage ausgestattet. Für die Netzinfrastruktur derNdB werden 72 Stunden Überbrückungskapazität ange-strebt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es in gleicherWeise auf die Notstromvorsorge der einzelnen ange-schlossenen Behörde ankommt, ob die NdB in Anspruchgenommen werden können. Für die größeren Behördenund Institutionen im Raum Berlin und Bonn wird davonausgegangen, dass diese überwiegend über NSA verfü-

gen, die eine vergleichbare Kapazität wie die Netzinfra-struktur haben.

2.1.4.7 Rundfunk

Bei den Endgeräten sind insbesondere Fernsehempfängerin den Privathaushalten überwiegend von einer externenStromversorgung abhängig. Da hier auch nicht mit einerNotstromversorgung gerechnet werden kann, fällt dieMöglichkeit des Fernsehempfangs in der Regel sofortaus.

Radiogeräte gibt es in einer viel größeren Zahl und mitdeutlich mehr Varianten, vom Autoradio über den Radio-wecker bis zum Mobiltelefon mit Radioempfang. Vieledieser Geräte verfügen über Batterien oder Akkus, die ei-nen Radioempfang in den ersten, oft besonders kritischenStunden nach Ausbruch der Krise gewährleisten würden.Dies entspricht auch den Erfahrungen des Stromausfallsin Kanada 2003, wo das Radio in den ersten zwölfStunden die wichtigste Informationsquelle darstellte(Kap. III.4.1; Public Safety Canada 2006, S. 23).40

Die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten müssen ei-nen gesetzlichen Versorgungsauftrag für Notfallkommu-nikation und -information erfüllen. Entsprechend verfü-gen die Rundfunkanstalten über Notfallstudios, mit denenein reduzierter Produktionsbetrieb über mehrere Tageaufrechterhalten werden kann. In gleicher Weise ist die(terrestrische) Sendetechnik abgesichert (Prognos 2009,S. 82). Da die Recherchemöglichkeiten für die Redaktio-nen von Kommunikationsmitteln wie Telefon und Inter-net abhängen, kann es diesbezüglich zu Einschränkungenkommen, wenn z. B. Berichterstatter vor Ort ihre Infor-mationen in die Sendestudios übermitteln wollen oderwenn die Redaktion sich mit Personen vor Ort (Amtsträ-ger, Einsatzkräfte, Bürger) in Verbindung setzen will.

2.1.4.8 Presse

Presse- und Druckunternehmen gehören zu den Großver-brauchern von Energie. Allein für die Zeitungsrotations-druckmaschinen werden Strommengen in der Größenord-nung einiger Hundert bis Tausend Haushalte benötigt. Dader Druck zwischen Redaktionsschluss und Vertrieb innur wenigen Stunden als enorm zeitkritischer Prozess er-folgen muss, verfügen Zeitungsdruckereien üblicher-weise über NSA, mit denen zumindest ein Notbetrieb auf-rechterhalten werden kann. Von ähnlichen Vorkehrungenkann für die Redaktionssysteme ausgegangen werden, dieviele Ähnlichkeiten mit großen Rechenzentren aufwei-sen. Die Erfahrungen aus dem großen kanadischenStromausfall 2003 bestätigen diese Einschätzung(Kap. III.4.1).

40 Die eher anekdotischen Berichte von Bewohnern des Münsterlandesüber den Stromausfall 2005 bestätigen die Bedeutung des Radios(Cantauw/Loy 2009), während Prognos (2009, S. 38) – allerdings oh-ne weitere Quellenangabe – davon ausgeht, dass es in der Bevölke-rung kaum noch stromnetzunabhängige Radiogeräte gegeben habe.In einer empirischen Studie zu den Folgen des Stromausfalls imMünsterland im Herbst 2005 für den Ernährungssektor wurde zwarnach der Nutzung von Kommunikationsmitteln gefragt, nicht abersystematisch nach der Nutzung von Radiogeräten (Gardemann/Menski 2008, S. 46 und Fragebogen S. 2 im Anhang).

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Drucksache 17/5672 – 44 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Inwieweit die Zeitungsverlage und Großdruckereien übermehrere Tage und Wochen einen Notbetrieb aufrechter-halten könnten, hängt davon ab, wie gut der Nachschubvon Diesel für die Notstromgeneratoren gewährleistetwerden kann.

2.1.5 FazitDie Folgen eines großräumigen, langfristigen Stromaus-falls für Informationstechnik und Telekommunikationmüssen als dramatisch eingeschätzt werden. Insbesonderedie Telekommunikations- und Datendienste würden nachwenigen Tagen, teilweise bereits nach wenigen Stundenoder auch sofort ausfallen.

Sprach- und Datenkommunikationsinfrastruktur

Die hundertprozentige Elektrizitätsabhängigkeit allerKomponenten und die starke Vernetzung führen insbe-sondere im Bereich der von der Bevölkerung genutztenöffentlichen Sprach- und Datendienste zu einem schnel-len, d. h. sofortigen oder höchstens Minuten bis Stundenverzögerten Ausfall. Somit ist deutlich, dass die Vorsorgefür den Stromausfall auf kurzfristige und kleinräumige,nicht aber auf überregionale Stromausfälle über mehrereTage und Wochen ausgerichtet ist.

Es gibt unterschiedliche Grade der Abhängigkeit von ei-ner externen Stromversorgung in der komplexen Topolo-gie der Informations- und Telekommunikationsnetze mitvielen Endgeräten, Vermittlungsstellen, Netzkomponen-ten und Netzhierarchien (Tab. 3): Bei der Festnetztele-fonie fallen zuerst das (digitale) Endgerät und der

Teilnehmeranschluss aus, danach die erste Vermittlungs-hierarchie, die Ortsvermittlungsstellen. Bei den Mobil-funknetzen sind es weniger die Endgeräte, die im aufgela-denen Zustand und bei mäßigem Gebrauch einige Tagefunktionstüchtig sein können, sondern die Basisstationen,die die Einwahl in die Netze ermöglichen. Die Vielfaltder Geräte, Netze, Konfigurationen und Architekturenmacht eine genaue Abschätzung schwierig, zu welchemZeitpunkt bei der jeweiligen Komponente ein Ausfalldroht. Letztlich ist das aber auch nicht entscheidend, da ineinem Kommunikationsnetz die schwächste oder ersteausgefallene Komponente den gesamten Dienst zum Er-liegen bringt.

Was für die Sprach- und Datenkommunikation der priva-ten Haushalte festgestellt wurde, trifft nicht in gleicherWeise auf den Bereich der Unternehmen und Behördenzu. Hierzu lässt sich aber auf dem gegenwärtigen Infor-mationsstand nur sagen, dass die Notstromversorgungvon Informationstechnik und Telekommunikation in denWirtschafts- und öffentlichen Bereichen von Fall zu Fallbetrachtet werden müsste. Eine für alle Geräte und Netzegleichermaßen gültige Aussage, welche Anteile gut undwelche eher schlecht oder gar nicht gegen einenStromausfall gewappnet sind, ist nicht möglich.

Von den öffentlichen Netzen zu unterscheiden sind pri-vate, spezialisierte und nichtöffentliche Datennetze. Mandenke etwa an die Zahlungsverkehrsnetze der Banken miteiner guten Vorsorge gegen den Stromausfall(Kap. III.2.6) oder das Deutsche Forschungsnetz (DFN),dessen Funktionsfähigkeit für wenige Stunden oder Mi-nuten gesichert ist und damit die gleiche Vorsorge trifft

Ta b e l l e 3

Zeitlich gestufte Ausfälle im Sektor „Informationstechnik und Telekommunikation“

* sofort; ** binnen Stunden; *** binnen Tagen; **** binnen WochenLesehinweis: Hinsichtlich des Anfalls der jeweiligen Ebene ist zu beachten, dass jeweils das schwächste Glied über die Funktionsdauer entscheidet.Dieses ist unterlegt.Quelle: eigene Darstellung

Endgeräte Vermittlungstechnik Backbonenetze

Festnetz (mit analogem Endgerät) ** ** ****

Festnetz(DSL-Anschluss, VoIP) * ** ****

Mobiltelefon *** ** ****

Satellitenfunk *** **** ****

BOS *** ** **

Internet * ** ****

Behördennetze *** *** ***

Fernsehen * *** ***

Hörfunk (batteriebetriebenes Radio, Autoradio) **** **** ****

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/5672

wie seine „Kunden“, die Rechenzentren der Universitätenund wissenschaftlichen Institute. Bei solchen privatenNetzen können die Auftraggeber (etwa der Bankenver-band oder das Deutsche Forschungsnetz) den Dienstleis-tern (Telekom oder alternative TK-Anbieter) das Niveauder Notstromversorgung vorschreiben. Die Kommunika-tionsnetze des Bundes, etwa der IVBB oder der IVBV,sind ebenfalls nichtöffentlich. Diese Netze können in derRegel mindestens 48 Stunden mit NSA betrieben werden.

Das sich in der Einführung befindliche digitale BOS-Netzfür Polizei, Rettungsdienste, Feuerwehren und THW da-gegen verfügt an seinen Antennenstandorten nur übereine netzunabhängige Stromversorgung mit einer Kapazi-tät von zwei Stunden. Es verbleiben im Wesentlichenzwei (elektronische) Kommunikationsmittel – Amateur-und Satellitenfunk –, die wegen des geringen Stromver-brauchs bzw. dem Ausweichen auf Sendestandorte außer-halb des betroffenen Gebiets auch bei einem großräumi-gen und länger andauernden Stromausfall einsatzfähigbleiben. Es ist unmittelbar einsichtig, dass diese beidenFunktechniken nur für einen minimalen Ersatz der übli-chen Kommunikationsströme sorgen können.

Massenmedien

Der von den Sprach- und Datenkommunikationsdienstenabzugrenzende Bereich der gedruckten (Zeitungen) undelektronischen Massenmedien (Fernsehen, Hörfunk) istfür die „Krisenkommunikation“ der Bevölkerung von be-sonderer Bedeutung. Die öffentlich-rechtlichen Sendean-stalten sind auf einen Stromausfall recht gut vorbereitet.Dies trifft auf die Empfängerseite in den Haushalten nichtzu. Die Rundfunkanstalten können zwar senden, der Bür-ger kann aber ohne Strom kein Fernsehprogramm emp-fangen. Dadurch wird der Hörfunk, der über millionen-fach in der Bevölkerung vorhandene akku- undbatteriebetriebene Geräte empfangen werden kann, zu ei-nem der wichtigsten Kanäle für die Information der Be-völkerung im Krisenfall. Zeitungsverlage und -drucke-reien mögen eine gewisse Notstromfähigkeit besitzen undzur Information der Bevölkerung beitragen. Die diesbe-züglichen Einschätzungen sind aber schwankend und be-dürften weiterer Recherchen.

2.2 Transport und Verkehr

Die Analyse des Sektors „Verkehr“ erfolgt nach den vierzentralen Verkehrsträgern: Straße, Schiene, Luft, Wasser.

Alle Teilsektoren sind stark von der Stromversorgung ab-hängig. Dies betrifft sowohl die Transportmittel als auchdie Infrastrukturen sowie die Organisation und Steuerungdes entsprechenden Verkehrsträgers. Ein zentraler Grundfür die in den letzten Jahrzehnten gewachsene Abhängig-keit von der Stromversorgung ist der stark gestiegeneEinsatz moderner Informations- und Kommunika-tionstechnologien insbesondere in Fahrzeugen und beider Verkehrsleitung, aber auch beim Betrieb verschiede-ner Baulichkeiten wie Tiefgaragen, Tunnel oder Brücken.

2.2.1 Struktur

Strasse

Deutschland hat ein Straßennetz mit einer Gesamtlängevon rund 231 000 km. Dieses umfasst die Bundesauto-bahnen (ca. 12 600 km), die Bundesstraßen (ca.40 700 km), die Landesstraßen (ca. 86 600 km) sowie dieKreisstraßen (ca. 91 500 km). Es gibt mehr als330 Straßentunnel mit einer Gesamtlänge von über250 km.

Auf der Straße werden der gesamte MIV sowie ein großerTeil des Güter- und des ÖPNV abgewickelt. Täglich be-nutzen über 28 Millionen Menschen Busse und Bahnenund legen dabei jährlich über 90 Mrd. Personenkilometerin Deutschland zurück (Homepage VDV). Die Teile desÖPNV, die auf vom Straßenverkehr getrennten Schienen-netzen verkehren (z. B. Züge der DB AG, U-Bahnen),sind Gegenstand von Kapitel III.2.2.3.2.

Der Teilsektor Straße (Abb. 10) erfüllt eine Vielzahl anFunktionen in Bereichen wie Freizeit, Geschäftsverkehr,Pendlerverkehr, Versorgung mit Gütern sowie Notfall/Rettung.

Schiene

In Deutschland hat das Schienennetz der Deutschen BahnAG (DB AG) eine Länge von rund 38 000 km, auf denenZüge im Personenverkehr41 und rund 5 400 Güterzügevon DB Schenker Rail (Logistikunternehmen derDB AG) täglich bewegt werden können. Zudem nutzendeutschlandweit über 300 weitere (private) Bahnen, dienicht zur DB gehören, deren Schienennetz. Diese verfü-gen über eigene elektrische und dieselbetriebene Wagen.Zu den größten Privatbahnen für den Personenverkehrzählt die Connex-Gruppe. Ein wichtiger Akteur im Güter-verkehr ist Rail4Chem Eisenbahnverkehrsgesellschaft.Zum Netz der DB gehören auch weitere Infrastrukturen(Tab. 4).

Im Bereich Personenverkehr verfügt die DB AG im Re-gional- und Stadtverkehr über insgesamt 415 Dieselloko-motiven und 3 969 Dieseltriebwagen, die Connex-Gruppe über ca. 118 Diesellokomotiven. Insgesamt ste-hen also allein bei den beiden großen Unternehmen min-destens 4 500 Diesellokomotiven bzw. Triebwagen zurVerfügung, die bei einem Stromausfall eingesetzt werdenkönnten. Im Bereich Güterverkehr setzt die DB TochterRail Deutschland über 1 143 Diesellokomotiven ein. DieVersorgung mit Bahnstrom für den Bahnverkehr erfolgtdurch 55 Kraft-, Umformer- und Umrichterwerke. Durchdiese wird das bahneigene 110-kV-Netz gespeist. Die DBbetreibt kaum eigene Kraftwerke, sondern bezieht denBahnstrom überwiegend von Dritten.

Die Versorgung von Weichen, Signalanlagen, Siche-rungssystemen, Instandhaltungswerken, aber auch vonHandel und Gewerbe in und um die Bahnhöfe und von

41 Nach eigenen Angaben befördert die Deutsche Bahn AG täglich etwa5 Millionen Passagiere (BBK 2008a, S. 121).

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Drucksache 17/5672 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verwaltungsgebäuden erfolgt nicht über das Bahnstrom-netz, sondern dezentral über ca. 100 verschiedene 50-Hz-Licht-/Kraftstromnetze. Der 50-Hz-Licht-/Kraftstrom wirdüberwiegend dem dezentralen öffentlichen Netz entnom-men und nur zu einem geringen Teil von der DB AG selbstproduziert. Fällt das öffentliche Netz aus, sind oben ge-nannte Anlagen und Infrastrukturen umgehend betroffen.

Als Schwachstelle könnte sich die zentrale Steuerung des110-kV-/16,7-Hz-Hochspannungsnetzes erweisen. Hierfindet die Energieeinsatzplanung und die Netzbetriebs-führung für das Hochspannungsnetz der DB Energie statt

und Bedarfsschwankungen von bis zu 300 MW werdeninnerhalb weniger Sekunden ausgeglichen. Störungen inder Zentrale können sich insoweit auf die Planung unddie Koordinierung der Stromverteilung und damit auf denoptimalen Betrieb des Bahnstromnetzes auswirken (BBK2005a).

DB Energie verfügt in Deutschland über 188 Tankstellen,mit denen Dieselschienenfahrzeuge betrieben werdenkönnen. An einigen Tankstellen können zudem Busse undLkw betankt werden.

A b b i l d u n g 1 0

Strukturen des Verkehrsträgers Straße

Quelle: EBP 2010, S. 89

Ta b e l l e 4

Infrastrukturen des DB-Netzes

* Ein Stellwerk ist eine Bahnanlage, von der aus Einrichtungen im und am Schienenfahrweg, wie Weichen und Signale, zur Durchführung von Zug-fahrten und beim Rangieren zentral gestellt werden.

Quelle: EBP 2010, S. 105

Infrastruktur Anzahl

Personenbahnhöfe 5.718

Tunnelbauwerke 770

Brücken 27.107

Stellwerke* 4.479

Weichen/Kreuzungen 69.311

Bahnübergänge 18.051

Tankstellen (für Dieselloks und Busse) 188

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 47 – Drucksache 17/5672

U-Bahnen sind im Gegensatz zu den oberirdischen Bah-nen in der Regel Schienenverkehrssysteme, die als eigen-ständige Systeme kreuzungsfrei und unabhängig von an-deren städtischen Verkehrssystemen konzipiert sind.42 Siebilden geschlossene Systeme, die von einem Stromausfallumgehend betroffen sind. Täglich werden in Deutschlandmehrere Millionen Menschen mit der U-Bahn befördert.

Der Teilsektor Schiene (Abb. 11) erfüllt primär Funktio-nen in den Bereichen Pendlerverkehr, Geschäftsverkehr,Freizeit sowie Versorgung.

Luft

Der Teilsektor Luft lässt sich in Flugplätze43, Luftfahr-zeuge und Flugsicherung unterteilen (Abb. 12).

42 Viele deutsche Städte und Ballungsräume haben U-Bahn-ähnlicheSysteme, deren Strecken auch außerhalb der Tunnel zum Teil auf un-abhängigen Bahnkörpern verlaufen.

43 Flugplatz ist der Oberbegriff für alle Gelände, deren Zweck dieDurchführung sicherer Starts und Landungen von Flugzeugen ist.Nach dem Luftfahrtverkehrsgesetz (LuftVG) unterscheidet man in-nerhalb der Flugplätze zwischen einem Flughafen, einem Landeplatzund einem Segelflugplatz (EBP 2010, S. 121).

Die Funktionen des Teilsektors Luft liegen primär in denBereichen Reise-/Geschäftsverkehr44 und Versorgung.

Es gibt in Deutschland zurzeit 38 Flughäfen, davon 32 in-ternationale Verkehrsflughäfen. Die Flughäfen werden alsprivatrechtliche Unternehmen geführt, an denen zum Teildie öffentliche Hand (Bund, Länder und Gemeinden) fi-nanziell beteiligt ist. Die folgende Abbildung 13 zeigt dieStrukturen eines Flughafens.

Die nichtmilitärischen Flughäfen in Deutschland müssenVorgaben der International Civil Aviation Organization(ICAO) zur Notstromversorgung erfüllen (EBP 2010,S. 121). Um einen Grundbetrieb45 sicherstellen zu kön-nen, haben die großen Flughäfen leistungsfähige Netzer-satzanlagen sowie Treibstofflager. Abhängig von derenGröße des Treibstofflagers und der benötigen Energiesind Flughäfen somit in der Lage, zumindest den Grund-betrieb einige Wochen aufrechtzuerhalten (EBP 2010,S. 122).

44 Das jährliche Passagieraufkommen im Frankfurter Flughafen beträgtetwa 56 Millionen Passagiere.

45 Grundbetrieb umfasst hier die Sicherstellung der Möglichkeit vonStarts und Landungen sowie die Gewährleistung der Abfertigung vonPassagieren und Gepäck.

A b b i l d u n g 11

Strukturen des Verkehrsträgers Schiene

Quelle: EBP 2010, S. 108

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Drucksache 17/5672 – 48 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

A b b i l d u n g 1 2

Strukturen des Sektors Flugverkehr

Quelle: EBP 2010, S. 123

A b b i l d u n g 1 3

Strukturen eines Flughafens

Quelle: EBP 2010, S. 124

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/5672

Diese Aufrechterhaltung des Grundbetriebs an Flughäfenermöglicht jedoch keinen geregelten Flugverkehr wäh-rend des Stromausfalls.

Wasser

Das Netz der Bundeswasserstraßen umfasst ca. 7.350 kmBinnenwasserstraßen, davon entfallen ca. 75 Prozent aufFlüsse und 25 Prozent auf Kanäle. Dazu zählen auch ca.23 000 km2 Seeschifffahrtsstraßen. Zu den Anlagen anden Bundeswasserstraßen gehören u. a. 450 Schleusen-kammern und 290 Wehre, vier Schiffshebewerke, 15 Ka-nalbrücken sowie zwei Talsperren. Zum Hauptnetz mitca. 5 100 km zählen die Magistralen Rhein (mit Neben-flüssen), Donau, Weser und Elbe sowie die verbindendenKanalsysteme bis zur Oder und zur Donau (BMVBS2010). Die deutschen Bundeswasserstraßen sind ein we-sentlicher Bestandteil des „nassen“ TranseuropäischenVerkehrsnetzes (TEN).

Jährlich werden Gütermengen von bis zu 240 Mio. ttransportiert, mit einer Transportleistung von 65 Mrd.Tonnen-km. Dies entspricht fast 75 Prozent der Güterver-kehrsleistung der Eisenbahnen bzw. rund 14 MillionenLkw-Fahrten. Im Binnenschiffsverkehr werden etwa1,5 Millionen Container (TEU)46 befördert. Von Binnen-schifffahrt und Häfen sind ca. 400 000 Arbeitsplätze ab-hängig. Ferner haben die „Weißen Flotten“47 und die

Notstromversorgung im Flughafen Frankfurt am Main

Eine besondere Bedeutung kommt auf einem Flughafenden Einrichtungen der Flugsicherung und der Befeue-rung der Start- und Landebahnen zu. Über Schnellbe-reitschaftsanlagen für höchste Verfügbarkeit wird dieBahnbefeuerung gewährleistet. USV-Anlagen sicherndie Einrichtungen der Flugsicherung. Spezielle Batte-rien speichern hier den Strom für den Notfall.

Rund 50 Notstromdieselanlagen sind über die gesamteFläche des Frankfurter Flughafens verteilt und mitspeziellen Starterbatterien versehen. Sie sichern dieVerbraucherversorgung in den verschiedenen Anwen-dungen und Anlagen. Insgesamt stellen diese Notstrom-generatoren eine elektrische Leistung von 53 MW zurVerfügung. Separate 24-V-Steuerbatterien sichern dieAnlagensteuerung, Überwachung und Meldung, mit400-V-USV-Batterien wird die Versorgung von Rech-nersystemen gewährleistet.

Weitere Batterien halten die notwendige Reserveenergiefür die zentrale Leitwarte und deren Rechnersysteme inBereitschaft. Von hier wird neben der internen Strom-versorgung auch die Klimatechnik des Flughafens über-wacht und gesteuert.Quelle:www.batterieportal.com; geändert

46 TEU = Twenty Foot Equivalent Unit; Container mit der Länge von20 Fuß

Flusskreuzfahrtschiffe eine zunehmende wirtschaftlicheBedeutung (BMVBS 2010).

Es gibt mehr als 100 moderne öffentliche See- und Bin-nenhäfen. 56 von 74 Großstadtregionen in Deutschlandhaben einen Wasserstraßenanschluss (BMVBS 2010). Alsdie wichtigsten deutschen Seehäfen gelten Hamburg,Bremen/Bremerhaven, Wilhelmshaven, Lübeck und Ro-stock, als die wichtigsten deutschen Binnenhäfen Duis-burg, Köln, Hamburg, Mannheim, Ludwigshafen. DerDuisburger Hafen ist der größte Binnenhafen Europas(EBP 2010, S. 135).

In den deutschen Nord- und Ostseehäfen wurden im Jahr2007 ca. 312 Mio. t Güter umgeschlagen. Davon entfielüber ein Drittel auf den Containertransport, mit einerStückzahl von 15,2 Mio. TEU.48 Im Personenseeverkehrkommen und verlassen über 30 Millionen Fahrgäste jähr-lich deutsche Seehäfen.

Der Verkehrsträger Wasser (Abb. 14) erfüllt primär Ver-sorgungsfunktionen. Die Bedeutung für die BereicheFreizeit und Geschäftsverkehr (z. B. Fähren oder Kreuz-fahrtschiffe) ist geringer (EBP 2010, S. 136).

2.2.2 Rechtliche Grundlagen

Im Katastrophenfall spielen Transportmittel eine zentraleRolle für die Bewältigung der Folgen und Schäden. Des-halb kommt dem VerkLG besondere Bedeutung zu.

Das Gesetz soll ausreichende Verkehrsleistungen49 – bei-spielsweise bei einer Naturkatastrophe oder einem beson-ders schweren Unglücksfall – u. a. im Rahmen der Amts-hilfe des Bundes sicherstellen. Dazu gehören die

47 Weiße Flotte bezeichnet die Fahrgastschiffe mehrerer deutscher Per-sonenschifffahrtsgesellschaften (auf Binnen- und Küstengewässern).

Der Hamburger Hafen

Der Hamburger Hafen ist der größte Seehafen Deutsch-lands und der drittgrößte Europas (nach Rotterdam undAntwerpen).

Er bietet 320 Liegeplätze für Seeschiffe an 35 km Kai-mauer, davon 38 Großschiffsliegeplätze für Container-und Massengutschiffe, 97 Liegeplätze an Dalben und60 Landeanleger einschließlich Fähranleger derHADAG Seetouristik und Fährdienst AG.

Durch die Landflächen führen 137 km öffentliche Stra-ßen, 156 km Uferstrecken und 314 km Hafenbahngleise.Es gibt drei Straßen- und Fußgängertunnel und 147 Brü-cken, davon 53 feste Eisenbahnbrücken, 52 feste Stra-ßenbrücken, fünf Fußgängerbrücken, neun sonstige undelf bewegliche Brücken.

48 Rund 10 Millionen davon werden im Hamburger Hafen umgeschla-gen.

49 Auf der Grundlage des VerkLG sind beispielsweise der DeutschenBahn AG Aufgaben für den Krisen- und Verteidigungsfall übertragenworden, die durch den Bereich zivile Notfallvorsorge umgesetzt wer-den (BBK 2008a, S. 123).

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Drucksache 17/5672 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beförderung von Personen und Gütern, das Überlassenvon Verkehrsmitteln und -anlagen sowie die Nutzung derVerkehrsinfrastruktur einschließlich der Kommunika-tions- und Informationssysteme. Zu Leistungen verpflich-tet werden können Verkehrs- und Verkehrsinfrastruktur-unternehmen (außer Bergbahnen), Reeder, die unterdeutscher Flagge fahren, sowie sonstige Eigentümer undBesitzer von Verkehrsmitteln oder von Verkehrsinfra-strukturen, wenn diese zum Betrieb eines Unternehmensgehören. Verkehrsleistungen im Sinne dieses Gesetzesdürfen nur auf bestimmte Zeit, längstens für die Dauervon drei Monaten, angefordert werden. Anforderungsbe-rechtigte Bundesbehörden sind u. a. das BBK, die Bun-desanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) unddas THW. Das VerkLG kann seine Wirkung aber erstdurch einen Beschluss der Bundesregierung über dessenAnwendung entfalten.

Straße

Im gesamten Bereich Straßenverkehr finden sich – mitAusnahme des Sicherstellungsrechts – praktisch keine ge-setzlichen Regeln für die Absicherung kritischer Infra-strukturen. Lediglich im Personenbeförderungsrecht gibtes Anknüpfungspunkte wie im Personenbeförderungsge-setz (PBefG) mit der „Sicherheit und Leistungsfähigkeitdes Betriebes“ sowie mit der „fachliche(n) Eignung“ alsGenehmigungsvoraussetzung (§ 13) Darüber hinaus mussder Unternehmer den Betrieb dem „Stand der Technik“(§ 21 Absatz 1) entsprechend führen. Es ist davon auszu-gehen, dass darunter auch Maßnahmen bei Stromausfäl-len fallen (EBP 2010, S. 85).

Schiene

Nach Artikel 73 Nummer 6a GG steht dem Bund die aus-schließliche Gesetzgebungskompetenz für den Verkehr

von Eisenbahnen und für Eisenbahninfrastrukturen zu,die ganz oder teilweise im Eigentum des Bundes stehen(Eisenbahnen des Bundes). Im Allgemeinen Eisenbahn-gesetz (AEG) sind in § 4 Sicherheitspflichten bezüglichdes Betriebs genannt, die Steuerungs- und Sicherheitssys-teme ebenso wie die Versorgung mit Fahrstrom betreffen(BBK 2008a, S. 123). Die Aufgaben der Eisenbahnver-kehrsverwaltung des Bundes (BEVVG) werden vomBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (BMVBS) wahrgenommen (§ 1 Absatz 1 BEVVG).Zur Erfüllung dieser Aufgaben ist das Eisenbahn-Bundes-amt errichtet worden. Es ist Sicherheitsbehörde für dieEisenbahnen in Deutschland.

Die nichtbundeseigenen Eisenbahnen mit Sitz in der Bun-desrepublik werden von dem Land beaufsichtigt, in demsie ihren Sitz haben. Die jeweilige Landesregierung kanndie Eisenbahnaufsicht ganz oder teilweise dem Eisen-bahn-Bundesamt übertragen (§ 21 Absatz 1 AEG). Hier-von haben die meisten Bundesländer Gebrauch gemacht.

Schließlich besteht eine Vielzahl von sicherheitsbezoge-nen Normen, sodass hier über die Aufsichtsfunktionenstaatliche Einflussnahmemöglichkeiten bestehen (BSI2005, S. 117).

Luft

Nach Artikel 73 Nummer 6 GG hat der Bund die aus-schließliche Gesetzgebungskompetenz für den Luftver-kehr. Die Luftverkehrsverwaltung wird nach Artikel 87dAbsatz 1 GG in bundeseigener Verwaltung geführt. NachArtikel 87d Absatz 2 GG können Aufgaben der Luftver-kehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltungdurch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesratesübertragen werden. Die Länder regeln dann selbst dieVerwaltungsorganisation. Allerdings unterstehen sie derBundesaufsicht sowohl im Hinblick auf die Recht- als

A b b i l d u n g 1 4

Strukturen des Verkehrsträgers Wasser

Quelle: EBP 2010, S. 137

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/5672

auch auf die Zweckmäßigkeit der Ausführung (BSI 2005,S. 108).

Flugplätze dürfen nur mit Genehmigung der Luftfahrtbe-hörden der Länder angelegt oder betrieben werden. Hier-bei sind unter anderem Aspekte der öffentlichen Sicher-heit und Ordnung zu berücksichtigen (§ 6 Absatz 2Luftfahrtverkehrsgesetz). Als oberste Luftfahrtbehördestellt das BMVBS fest, ob die Genehmigungen für Flug-häfen, die dem allgemeinen Verkehr dienen, die öffentli-chen Interessen des Bundes berühren. Dabei wurden dietechnischen Ausrüstungen sowie die Betriebsabläufe aufihre Übereinstimmung mit den geltenden nationalen wieinternationalen Vorschriften geprüft. Jeder Flugplatzmuss einen Luftsicherheitsplan erstellen und ihn demLuftfahrt-Bundesamt vorlegen (§ 16 Absatz 3 LuftSiG).Darin sind Maßnahmen zur Sicherung des Flugplatzesfestgehalten. Entsprechende Vorkehrungen sind zu tref-fen. Flughafenunternehmer haben Vorkommnisse, die denBetrieb des Flughafens wesentlich beeinträchtigen, un-verzüglich der Genehmigungsbehörde zu melden.

Die Gefahrenabwehr im Luftverkehr wird von den Luft-fahrt- und den Luftsicherheitsbehörden wahrgenommen.Erfasst werden auch betriebsbedingte Gefahren, zu denenein Stromausfall zu rechnen ist (EBP 2010, S. 86).

Wasser

Für die Schifffahrt finden sich keine expliziten auf dieAbsicherung der Infrastruktur bezogenen gesetzlichenVorschriften (BSI 2005, S. 87). Für den Umgang mit ge-fährlichen Gütern sind aber in den Bundesländern aufVerordnungsebene besondere Sicherungsmaßnahmenvorgesehen.50 Demnach müssten auch entsprechende Vor-kehrungen gegen einen Stromausfall getroffen werden.

2.2.3 Folgen

2.2.3.1 Straße

0 bis 2 Stunden

MIV

Aufgrund ausgefallener Ampelanlagen, Verkehrsleitsys-teme und Straßenbeleuchtungen kommt es unmittelbar zustarken Behinderungen vor allem in städtischen Gebieten.Es ist eine deutliche Zunahme an Verkehrsunfällen zu be-obachten – mit Verletzten und vereinzelten Todesopfern.Aufgrund zunehmend verstopfter Straßen (durch Unfälle,aber auch aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens)wird es für Polizei und Rettungsdienste schwierig, zu denUnfallstellen zu gelangen. Hinzu kommt, dass aufgrundder Ausfälle in den Telefonnetzen die Alarmierung derRettungskräfte deutlich erschwert wird (Kap. III.2.1).Wegen ausgefallener Pumpen kann an den Tankstellennicht mehr getankt werden (Beck/Vannier 2008).

50 Beispielsweise Landeshafenverordnung Brandenburg §§ 31 ff., Ha-fengefahrgutverordnung Mecklenburg-Vorpommern §§ 13 f., Allge-meine Hafenverordnung Nordrhein-Westfalen §§ 30 ff.

Zu umgehenden Behinderungen kommt es in Tiefgara-gen: Schranken blockieren die Ausfahrt; Belüftung, Be-leuchtung und Aufzüge fallen aus. Allerdings sind bei ei-nigen moderneren Gebäuden Komponenten derTiefgaragen an eine USV und eine Netzersatzanlage an-geschlossen, sodass es hier zunächst noch zu keinen Be-hinderungen kommt. In Garagen ohne Notstromversor-gung werden nach Protesten der Kunden die Schrankengeöffnet.

Der Fernverkehr auf den Autobahnen ist vom Stromaus-fall zunächst kaum betroffen. Verkehrsleitsysteme fallenzwar aus, die Funktion der Autobahnen ist aber nichtgrundsätzlich eingeschränkt. Probleme entstehen jedochbei Autobahntunneln. Diese werden z. T. geschlossen,weil Licht und Belüftung ausfallen.51 Die Folge sind ersteStaus sowie Engpässe im untergeordneten Straßennetzaufgrund von Ableitungen. Auswirkungen hat derStromausfall auch auf Autofahrer, die innerhalb des vomStromausfall betroffenen Gebiets tanken müssen und anTankstellen von der Autobahn abfahren. Da die Treib-stoffpumpen an den Tankstellen ausfallen, bleiben Fahr-zeuge auf der Weiterfahrt liegen. Teilweise entschließensich Personen, die Weiterfahrt zu unterbrechen und zuwarten, bis der Strom wieder da ist (EBP 2010, S. 90).

ÖPNV

Im Öffentlichen Personennahverkehr bleiben Elektro-busse, die Kontakt mit einer Oberleitung haben, und Stra-ßenbahnen umgehend stehen. Elektrobusse, die mit einemdieselbetriebenen Hilfsmotor ausgerüstet sind, fahrenweiter, um den Verkehrsfluss nicht weiter zu behindern.Die Fahrer von stehengebliebenen Fahrzeugen nehmenmit ihren Zentralen Kontakt auf, um den Grund für denAusfall zu erfahren. Sobald klar ist, dass zur Dauer desStromausfalls keine Aussagen gemacht werden können,öffnen die Fahrzeugführer die Türen, um den Passagierendas Aussteigen zu ermöglichen. Abhängig vom Ort desStillstands besteht eine erhöhte Unfallgefahr (EBP 2010,S. 90). Dieselbetriebene Busse können weiterhin fahren.Ihre Tanks ermöglichen einen Einsatz von bis zu 24 Stun-den. Das Einhalten der Fahrpläne ist aufgrund der zuneh-menden Behinderungen auf den Straßen allerdings kaumnoch möglich.

In den Zentralen der ÖPNV-Betriebe herrscht große An-spannung. Abhängig von den noch zur Verfügung stehen-den Kommunikationsmitteln wird versucht, von den zu-ständigen Stellen Informationen über die Dauer desStromausfalls zu bekommen.

51 Kleine Tunnel (unter 400 m) sind im Hinblick auf Lüftung und Be-leuchtung weniger kritisch. Hier gibt es auch keine spezifischen Vor-gaben für die Stromversorgung. Tunnel mit einer Länge über 400 mmüssen gemäß der „Richtlinien für die Ausstattung und den Betriebvon Straßentunneln“ (RABT) ausgestattet sein und verfügen über ei-ne USV, die für die Dauer von mindestens 15 Minuten ausgelegt seinmuss. Bei einem Stromausfall werden die Tunnel gesperrt. Dies giltbei Neubauten für Tunnel schon ab einer Länge von 80 m (EBP2010, S. 91).

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Drucksache 17/5672 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Güterverkehr

Im Güterverkehr auf Straßen in städtischen Gebietenkommt es zu vergleichbaren Behinderungen wie beimMIV. Der Güterfernverkehr ist vom Stromausfall zu-nächst nicht direkt betroffen. Aufgrund der größerenTankvolumina ist ein Transit durch das betroffene Gebietund eine Betankung außerhalb in der überwiegenden Zahlder Fälle möglich. Behinderungen gibt es, wenn Tunnelgesperrt sein sollten. Bei Lieferungen in das vomStromausfall betroffenen Gebiet kommt es zu Problemenbeim Be- und Entladen (z. B. fallen Laderampen aus,Tore schließen oder öffnen nicht, Scanner fallen aus).

2 bis 8 Stunden

MIV

Beim Motorisierten Individualverkehr lösen sich dieVerkehrsprobleme vor allem in den städtischen Ballungs-zentren gegen Ende dieses Zeitfensters nur allmählich auf –abhängig von der Tageszeit unterschiedlich schnell. DieFahrer versuchen, mit den ausgefallenen Ampeln undVerkehrsleitsystemen zurechtzukommen. Dennoch kommtes weiterhin zu Unfällen, insbesondere an neuralgischenPunkten. Von den Personen, deren Arbeitsstätten vomStromausfall betroffen sind und für die ein (Weiter-)Ar-beiten nicht möglich ist, kehrt ein Großteil nach Hausezurück. Eltern versuchen vermehrt, Kontakt zu ihren Kin-dern aufzunehmen, um diese mit dem Auto abzuholen.Dadurch bleibt das Verkehrsaufkommen nach wie vorhoch.

In einigen Tiefgaragen ohne Notstromversorgung demon-tieren oder öffnen Personen, die hinausfahren möchten,gewaltsam die Schranken, die vom Personal noch nichtgeöffnet wurden (EBP 2010, S. 93).

Der Fernverkehr auf den Autobahnen ist weiterhin kaumbetroffen. Geschlossene Tunnel bleiben jedoch noch ge-sperrt.52 Die Anzahl Personen, die an Autobahnraststättennicht weiterfahren, da ihre Tanks leer oder nahezu leersind, nimmt tendenziell zu. Mobilfunk- und Festnetz sindin dieser Phase immer weniger verfügbar. Sich von Ver-wandten oder Bekannten abholen zu lassen, ist damitkaum noch möglich (EBP 2010, S. 92).

ÖPNV

Der öffentliche Verkehr ist weiterhin stark beeinträchtigt.Die städtischen Verkehrsbetriebe versuchen, liegenge-bliebene Busse und Straßenbahnen mit zugkräftigem Ge-rät abzuschleppen. Bei Straßenbahnen ist der Aufwandhoch, da Weichen nicht mehr elektrisch, sondern manuellgestellt werden müssen. Dieselbetriebene Busse sind wei-terhin im Einsatz. In dieser Phase werden die Verkehrsbe-

52 Die Vorschriften für Tunnelsperranlagen (elektronisch gesteuerteVerkehrszeichen, Ampeln und Schranken) gemäß der „Richtlinienfür die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ (RABT)verlangen eine Betriebszeit von mindestens 60 Minuten (FGSV2006, S. 44).

triebe einen Notfahrplan ins Auge fassen, durch denBusse auf besonders wichtige Routen begrenzt werden.

Güterverkehr

Auch der Güterverkehr hat in den Städten mit Problemenzu kämpfen. Lkw müssen vermehrt zu ihrem Ausgangsortzurückkehren, da sie ihre Waren nicht abliefern können.Dies ist dann der Fall, wenn die für die Anlieferung not-wendige stromabhängige Infrastruktur am Zielort (z. B.Laderampen, Rolltore, Kühlräume) nicht über Notstrom-versorgung verfügt und deshalb ausfällt.

8 bis 24 Stunden

MIV

Der Motorisierte Individualverkehr in städtischen Gebie-ten nimmt tendenziell ab. Die Bevölkerung bleibt zuneh-mend zuhause, da auch die Arbeitsstätten vom Stromaus-fall betroffen sind. Auch versucht man, die deutlicherwerdenden Folgen des Stromausfalls im eigenen Haushaltin den Griff zu bekommen (z. B. Auftauen von Tiefkühl-truhen, Ausfall weiterer Küchengeräte, Störung der Was-serversorgung). Es kommt weiterhin zu Unfällen, da sichdie Bevölkerung noch nicht an einen Straßenverkehr ohneAmpeln und Beleuchtung gewöhnt hat. Viele Straßen undKreuzungen sind immer noch blockiert. Tankstellen blei-ben geschlossen. Die meisten Fahrzeughalter haben ihreAutos aus den Tiefgaragen geholt.

Der Fernverkehr auf den Autobahnen ist – abgesehen vonden immer noch geschlossenen Tunneln – weiterhinkaum betroffen. Die Lage der an Raststätten und Tank-stellen „gestrandeten“ (und nicht von Verwandten undBekannten abgeholten) Personen wird allerdings zuneh-mend prekärer, da sowohl die Kommunikationsverbin-dungen weitgehend unterbrochen sind als auch der Be-trieb der Raststätten nur noch teilweise aufrechterhaltenwerden kann (Heizung, sanitäre Anlagen, Küche u. Ä.).Einige versuchen, sich in Eigeninitiative zu organisierenoder Treibstoff zu beschaffen.

ÖPNV

Die Situation im Öffentlichen Personennahverkehr ist un-verändert. Weiterhin blokkieren liegengebliebene Busseund Straßenbahnen die Verkehrswege. Verstärkt wird ver-sucht, diese abzuschleppen. Aufgrund der Auswirkungendes Stromausfalls auf die Kommunikationsinfrastrukturwird dies jedoch zunehmend schwieriger. Dieselbetrie-bene Busse sind noch vereinzelt im Einsatz. Notfahrplänesind noch nicht in Kraft (EBP 2010, S. 93).

Güterverkehr

Der Güterverkehr in städtischem Gebiet geht ebenso wieder MIV kontinuierlich zurück. Der Transitverkehr vonLkw mit ausreichend gefüllten Tanks ist weiterhin nichtbetroffen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/5672

24 Stunden bis 1 Woche

MIV

Der Motorisierte Individualverkehr geht nun deutlich zu-rück. Zum einen aufgrund des Treibstoffmangels, da sogut wie alle Tankstellen in Deutschland über keine Not-stromversorgung verfügen. Zudem bleiben Arbeits- undBildungsstätten sowie der stationäre Handel weitgehendgeschlossen. Als Folge nimmt die Zahl der Unfälle deut-lich ab (EBP 2010, S. 94). Die Bevölkerung steigt ver-mehrt auf Fahrräder um. Zum Transport von Lasten kom-men zunehmend Fahrradanhänger zum Einsatz. DieNotstromversorgung auch moderner Tiefgaragen funktio-niert nicht mehr. Die Garagen werden deshalb geschlos-sen. Der Fernverkehr auf den Autobahnen bleibt weiter-hin kaum betroffen. Einzelne Straßentunnel werdenwieder freigegeben, um den Verkehrsfluss zu fördern(EBP 2010, S. 95).

ÖPNV

Liegengebliebene Straßenbahnen und Busse werden nachund nach geborgen. Ein Einsatz elektrisch betriebenerFahrzeuge ist weiterhin nicht möglich. Die Verkehrsbe-triebe realisieren einen Notfahrplan mit Dieselbussen.

Güterverkehr

Der Güterverkehr in städtischen Gebieten geht ebenfallsdeutlich zurück. Zunehmend werden Lkw mit ausreichendgroßen Tanks dazu verwendet, um Lieferungen mit exis-tenziellen Gütern in die betroffenen Gebiete zu bringen.53

Ein Blick in Woche 2

Die Straßen sind nur noch wenig befahren. Tiefgaragenbleiben geschlossen. Die Bevölkerung bleibt zumeist zu-hause oder begibt sich – wenn die Wohnungen nicht mehrgeheizt werden können – zum Teil in zentrale Sammelun-terkünfte oder Treffpunkte, die in Turnhallen oder Ge-meindezentren eingerichtet wurden (Prognos 2009,S. 39 ff.). Für die zurückzulegenden Strecken geht man zuFuß oder nutzt das Fahrrad. Andere Teile der Bevölkerungbegeben sich in Regionen, die nicht vom Stromausfall be-troffen sind und kommen bei Verwandten und Bekanntenunter. Der private Fernverkehr auf den Autobahnen gehtdeutlich zurück. Die Autobahnen werden zwar weiterhinauch für den Transit genutzt. Doch das Risiko, auf offenerStrecke liegenzubleiben, hält viele Personen aus dennichtbetroffenen Gebieten von der Fahrt ab. Bleiben Au-tobahntunnel geschlossen, werden Umleitungen signali-siert, und Umleitungsempfehlungen werden über Autora-dio gegeben. Ausgewählte wichtige Straßentunnel werdenfür den Verkehr freigegeben, auch wenn Belüftung undBeleuchtung weiterhin ausgefallen sind.54

53 Bei einem Stromausfall im Winter müssten zudem Versorgungsach-sen bestimmt werden, die bei Schneefall bevorzugt geräumt werden.

54 Dies ist insbesondere bei richtungsgetrennten Tunnel wahrscheinlich,da hier aufgrund des nur in eine Richtung fließenden Verkehrs jeTunnelröhre ein Luftstrom entsteht und elektrische Belüftung da-durch nicht unbedingt erforderlich ist. Zudem ist das Risiko von Un-fällen in den Tunneln aufgrund des gesunkenen Verkehrsaufkom-mens zurückgegangen (EBP 2010, S. 96).

Der öffentliche Verkehr beschränkt sich auf wenige Die-selbusse, die vorwiegend auf innerstädtischen Streckenverkehren. Dort, wo eine Notversorgung mit Diesel nichtsichergestellt werden kann, kommt der öffentliche Ver-kehr vollständig zum Erliegen.

Der Güterverkehr konzentriert sich auf die Belieferungvon zentralen Punkten mit lebensnotwendigen Güternund wird von den Behörden und Organisationen des Be-völkerungsschutzes organisiert.

Fazit

In den ersten Stunden kommt es im Straßenverkehr auf-grund ausgefallener Ampeln, Beleuchtung und Verkehrs-leitsysteme sowie des erhöhten Verkehrsaufkommens zuvielen Unfällen mit Verletzten und Todesopfern. Straßensind verstopft, zahlreiche Kreuzungen sind blockiert. Esgibt Lieferengpässe und Schwierigkeiten bei der Auslie-ferung von Gütern aller Art. Vereinzelt kann es zu pa-nikartigen Reaktionen kommen (z. B. bei Stau in einemTunnel, in dem das Licht ausgegangen ist). Generell istaber anzunehmen, dass die Bevölkerung zunächst gefasstreagiert, auch weil man mit einem baldigen Ende desStromausfalls rechnet (EBP 2010, S. 103). Danach passtsich die Bevölkerung aktiv an die neue Situation an. Manweicht auf alternative Verkehrsmittel aus, bildet Fahrge-meinschaften und lässt sich Güter, z. T. auch Treibstoff,aus nichtbetroffenen Gebieten bringen.

Mit der Fortdauer des Stromausfalls wird die Nutzungvon Verkehrsmitteln zunehmend eingeschränkt. Diemeisten Tankstellen fallen dauerhaft aus. MIV entsteht inder ersten Woche hauptsächlich noch dadurch, dass Per-sonen von außerhalb in das betroffene Gebiet fahren undVerwandte und Bekannte mit dem Nötigsten versorgenoder diese abholen. An den Rändern des betroffenen Ge-biets liegende Tankstellen mit Stromversorgung werdenverstärkt frequentiert. Durch den Ausfall von Bussen undStraßenbahnen, vor allem durch die Einschränkungen imMIV, ist die Grundmobilität zunehmend eingeschränkt.

Tiefgaragen werden nach einigen Tagen geschlossen.Tunnel, deren Sicherheit (vor allem Belüftung) nicht ge-währleistet ist, werden zunächst geschlossen. Wenn ab-sehbar ist, dass der Stromausfall länger andauert und dieTunnel nötig sind, um zentrale Verkehrs- und Versor-gungsachsen offen zu halten, werden sie geöffnet und ab-gesichert.

Aufgrund der teilweise chaotischen Phase in den erstenStunden gelangen auf der Straße transportierte Güter z. T.nur verzögert an ihr Ziel. Kommen diese doch an, gibt esProbleme mit Entladung und Lagerung, da Infrastruktu-ren wie Schleusen, Laderampen, Rolltore oder Kühlhäu-ser ausgefallen sind.

Solange nicht klar ist, dass es sich um einen langanhalten-den Stromausfall handelt, werden die für den Straßenver-kehr verantwortlichen Unternehmen, wie z. B. städtischeVerkehrsbetriebe, versuchen, die entstandenen Problemeeigenständig zu lösen. Lkw sowie Zugfahrzeuge kommenin den ersten Tagen zum Einsatz, um liegengebliebeneStraßenbahnen und Elektrobusse abzuschleppen. Für ei-

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Drucksache 17/5672 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nen rudimentären Notfahrplan beim ÖPNV stehen Die-selbusse zur Verfügung. Diese in Betrieb zu halten, ge-lingt nur, wenn auch die Versorgung mit dementsprechenden Treibstoff sichergestellt ist.

2.2.3.2 Schiene

0 bis 2 Stunden

Der Personen- und Güterverkehr auf dem Schienennetzwird sofort unterbrochen: Züge bleiben auf offener Stre-cke, auf Brücken oder in Tunneln stehen. Züge, die mitDieselloks bzw. -triebwagen gezogen werden, fahren ent-weder bis zur nächsten Haltestelle oder werden durch ei-nen liegengebliebenen elektrifizierten Zug blockiert. Dazunächst nicht klar ist, wie lange der Stromausfall anhält,ordnen die Verantwortlichen vorerst noch keine Evakuati-onen an. Allerdings wird gegen Ende der ersten beidenStunden – auch da nach und nach das öffentliche Mobil-funknetz ausfällt – in einigen Zügen Unruhe bei den Fahr-gästen aufkommen, vor allem dann, wenn der Zug an ei-nem ungünstigen Ort stehengeblieben sein sollte (z. B.Tunnel, Brücke oder offenes Feld).

In den Bahnhöfen im betroffenen Gebiet wird über USVund später Netzersatzanlagen ein reduzierter Betrieb si-chergestellt: Beleuchtung oder elektrische Türen undTore sind weiterhin funktionsfähig. Rolltreppen, Anzei-getafeln, Heizungen, Ticketschalter und -automaten so-wie EDV in den Büros funktionieren jedoch nicht mehr(EBP 2010, S. 109).

In den Rangierbahnhöfen können mit Dieselloks noch Ar-beiten verrichtet werden. Allerdings brauchen Stellwerkeund Weichen Strom. Hier wird – sofern systembedingtüberhaupt möglich – sehr bald auf manuelle Einstellun-gen zurückgegriffen. Die Kommunikation ist einge-schränkt. Ebenso fallen Lichtquellen aus. Containertermi-nals, in denen die Container von der Schiene auf dieStraße verladen werden, sind in vergleichbarer Form wieRangierbahnhöfe betroffen, da sie ebenfalls vom öffentli-chen Stromnetz abhängig sind: Kräne und das Ticketing55

fallen aus, sodass die Container nicht mehr ordnungsge-mäß umgeschlagen werden können (EBP 2010, S. 109).

Betriebszentralen, die für die Steuerung des Bahnver-kehrs verantwortlich sind, Stellwerke, über die Weichen-stellungen ausgeführt werden, und Außenanlagen wie Si-gnale oder Gleisfreimeldeanlagen sind trotz desStromausfalls größtenteils über USV und später Netzer-satzanlagen zunächst noch funktionsfähig. In den erstenStunden nach dem Stromausfall ist die Kommunikationdes Zugpersonals mit der Leitstelle über das Mobilnetzder Bahn (GSM-R) noch möglich. Das Schienennetz unddie Weichen sind zunächst vom Stromausfall nicht betrof-fen. In den Eisenbahntunneln hingegen fallen Lüftungenund Signale aus. Einige Tunnel werden daraufhin ge-sperrt.

55 Möglichkeit, die verschiedenen Güter über IT-Systeme zu erfassenund ihren Transport zu verfolgen.

U-Bahnen bleiben stehen. Durch USV und NSA werdenBelüftung und Beleuchtung in den U-Bahnstationen zu-nächst sichergestellt. Dennoch entstehen in der Folge Un-ruhen und erfolgen teilweise panikartige Reaktionen. Pas-sagiere verlassen die stehengebliebenen Bahnen undwerden über die notbeleuchteten U-Bahnschächte evaku-iert (EBP 2010, S. 110).

2 bis 8 Stunden

Die meisten liegengebliebenen Züge sind verlassen wor-den. Da es sich im betroffenen Gebiet um eine große Zahlan Zügen handelt und Polizei, Rettungskräfte und THWim gesamten betroffenen Gebiet im Einsatz sind, könnendie vielen aus den Zügen ausgestiegenen Fahrgäste nurunzureichend betreut werden56. Zudem verläuft nicht ne-ben jeder Bahntrasse auch eine Straße. Manche Fahrgästesind somit gezwungen, längere Wege zu Fuß in Kauf zunehmen und/oder sind auf die Hilfe in naheliegenden Ge-meinden angewiesen. Kontakt zu Familie und Bekanntenist durch die zunehmende Beeinträchtigung des Mobil-funknetzes deutlich eingeschränkt (Kap. III.2.1).

An der Situation bei den liegengebliebenen Güterzügenändert sich zunächst nichts. Wird verderbliche Waretransportiert, kann diese je nach Jahreszeit in Mitleiden-schaft gezogen werden. Steckengebliebene Gefahrgut-transporte stellen eine besondere Gefahrenquelle dar(EBP 2010, S. 111).

Die Situation in den Bahnhöfen entspannt sich gegenEnde dieses Zeitraums wieder. Die DB AG kann nochkeine Aussagen machen, wie lange der Stromausfall an-dauert. Eine größere Verunsicherung ist nicht zu bemer-ken. Menschen, die in den Bahnhöfen warten, versuchen,mit Fahrgästen in den liegengebliebenen Zügen Kontaktaufzunehmen.

An der Situation in den Rangierbahnhöfen und den Ter-minals ändert sich vorerst nichts, da nicht absehbar ist,wie lange der Stromausfall andauern wird. Die DB AGbeginnt, freie Dieselloks bereitzustellen, um liegengeblie-bene Züge zu bergen.

Betriebszentralen, Stellwerke und Außenanlagen sinddurch Netzersatzanlagen weiterhin funktionsfähig, dro-hen jedoch zunehmend auszufallen. Das Schienennetz istin diesem Zeitraum nur im Winter betroffen. Dann könn-ten Netzteile wie Weichen, die nicht mehr beheizt werdenkönnen, beginnen einzufrieren. Die Situation auf Brückenund in den Tunneln ist unverändert.

Die Kommunikation mit liegengebliebenen Zügen überdas Mobilfunknetz der Bahn oder das öffentliche Mobil-funknetz ist weitgehend nicht mehr möglich.57

56 Die DB AG verfügt zwar über eine Vielzahl an Bussen, ob diese je-doch aufgrund der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten(Koordination) sowie der entstandenen Verkehrsprobleme überhaupteingesetzt werden können, ist unklar.

57 Die Vorgaben für die Akkus der in Zügen eingebauten GSM-R-Gerä-te verlangen nur eine Funktionsdauer von einer Stunde (Stand-by),wobei das Gerät 15 Minuten genutzt werden kann (EBP 2010,S. 111).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 55 – Drucksache 17/5672

8 bis 24 Stunden

Einige der liegengebliebenen Züge sind evakuiert und diebetroffenen Passagiere erstversorgt oder mit Bussen wei-tertransportiert. Dieselloks konnten erste Züge abschlep-pen. Probleme gibt es aber beim Abstellen auf Nebenglei-sen. Da elektrische Weichen ausgefallen sind, müssensolche Arbeiten per Hand durchgeführt werden. Auf-grund ausgefallener Kommunikationsmittel ist die erfor-derliche Koordination jedoch massiv eingeschränkt (EBP2010, S. 112).

Die Passagierbahnhöfe sind nahezu leer. Die Personenvor Ort sind informiert, dass es sich um einen längerenStromausfall handeln könnte und warten nicht mehr aufFahrgäste. Die Läden in den Bahnhöfen sind geschlossen.Ein Großteil der Bahnhöfe wird ebenfalls geschlossen.

In den Rangierbahnhöfen und Terminals wird versucht,mit Dieselloks liegengebliebene Züge zu bergen. Entspre-chende Weichenstellungen werden manuell vorgenom-men. Betriebszentralen, Stellwerke und Außenanlagensind weitgehend ausgefallen. Einige Stellwerke könnenmanuell bedient werden.

Die betroffenen U-Bahnnetze bleiben funktionsunfähig.Die Zugänge zu den Stationen und Bahnhöfen werden ge-schlossen.

24 Stunden bis 1 Woche

Die liegengebliebenen Personenzüge werden nach undnach durch Dieselloks geborgen. Selbst ein ausgedünnterFahrplan kann aufgrund der Ausfälle in Leitstellen undStellwerken nicht aufgenommen werden, auch weil wei-terhin Züge manche Strecken blockieren. Es wird aber eineingeschränkter Güterverkehr angestrebt, um die Bevöl-kerung im betroffenen Gebiet mit den wichtigsten Güternzu versorgen (EBP 2010, S. 112). Nachdem die liegenge-bliebenen Güterzüge mit Dieselloks geborgen wordensind, werden Züge eingesetzt, um wichtige Güter in dievom Stromausfall betroffenen Gebiete zu transportieren.Teilweise findet der Güterverkehr mit Dieselloks auf fes-ten Routen statt, sodass es möglich ist, Weichen entspre-chend zu verschrauben.

Der Betrieb von Rangierbahnhöfen und Terminals istweitgehend eingestellt. Einige Stellwerke können nochper Hand bedient werden, es kann damit aber nur ein sehrgeringes Schienenverkehrsaufkommen bewältigt wer-den. Betriebszentralen und Außenanlagen fallen weiter-hin aus (EBP 2010, S. 113). Örtlich werden gesperrteTunnel wieder freigegeben, wenn absehbar ist, dass derStromausfall länger anhalten wird, um eine Weiterfahrtunter besonderen Vorsichtsmaßnahmen zu ermöglichen.Die wenigen Züge, die in der vom Stromausfall betroffe-nen Region noch fahren, müssen ohne moderne Kommu-nikationsmittel auskommen. Von einem großflächigenEinsatz von Satellitentelefonen ist nicht auszugehen.

Die Zugänge zu den Stationen und Bahnhöfen der U-Bah-nen bleiben geschlossen. Die Betreiber informieren dieBevölkerung mittels Aushängen an den Eingängen zu den

U-Bahnen, dass diese auf unbestimmte Zeit nicht mehrzur Verfügung stehen (EBP 2010, S. 113).

Ein Blick in Woche 2

Durch die DB AG werden in Zusammenarbeit mit denzuständigen Stellen der Länder Hauptversorgungsachsenfestgelegt, über die aus den nichtbetroffenen Gebietenwichtige Güter mit Dieselloks in die vom Stromausfallbetroffenen Regionen gebracht werden. Aufgrund derzahlreichen Restriktionen (Ausfall Leitstellen, Stell-werke, Sicherheitssignale, beschränkte BefahrbarkeitTunnel, verschraubte Weichen) findet der Güterverkehrnur sehr begrenzt statt. Wo möglich, wird ein sehr einge-schränkter Personenverkehr auf festen Strecken wiederaufgenommen. Einige Passagierbahnhöfe öffnen deshalbwieder. Shops bleiben aber geschlossen, Ticketautomatenfallen weiterhin aus.

In Rangierbahnhöfen und Terminals wird versucht, ange-lieferte Waren für die Versorgung der vom Stromausfallbetroffenen Bevölkerung auf Lkw umzuladen. Da Stell-werke und Weichen per Hand betätigt werden müssen, istdieser Arbeitsvorgang sehr zeitaufwendig (EBP 2010,S. 114). Stellwerke können ebenfalls per Hand bedientwerden, es kann damit aber nur ein minimales Schienen-verkehrsaufkommen bewältigt werden. Betriebszentralenund Außenanlagen fallen weiterhin aus, schränken aberden minimalen Bahnbetrieb für den Gütertransport nichtein.

Die Tunnel auf den Versorgungsstrecken sind in derMehrzahl wieder freigegeben. Entsprechende Fahrtenwerden über den schriftlichen Fahrbefehl geregelt.

Zugänge zu den Stationen und Bahnhöfen der U-Bahnenbleiben geschlossen.

Fazit

Der Schienenverkehr, Leitstellen, Stellwerke, Sicher-heitssignale und Weichen sind vom öffentlichen Strom-netz abhängig. Für den Bahnstrom (Strom zum Betriebvon Zügen) hat die DB Energie zwar langfristige Bezugs-verträge mit Kraftwerken, die direkt ins Bahnnetz ein-speisen. Bei einem großflächigen und langanhaltendenStromausfall werden jedoch die Kraftwerke in nichtbe-troffenen Gebieten den Ausfall nicht kompensieren kön-nen. Selbst wenn dies teilweise möglich wäre, würde eszu massiven Einschränkungen kommen, wenn USV undNetzersatzanlagen nicht mehr funktionieren (EBP 2010,S. 120).

Der stromversorgte Schienenverkehr kommt abrupt zumStehen. Dies bedeutet, dass Hunderte von Zügen und U-Bahnen liegenbleiben und Zehntausende von Menschenzunächst eingeschlossen sind. Teilweise gibt es Leicht-verletzte infolge von panikartigen Reaktionen und Unru-hen. Zudem sind Erschöpfungssymptome bei Passagierenzu verzeichnen, die aufgrund eines liegengebliebenenFernzugs einen längeren Fußmarsch auf sich genommenhaben. Herrschen tiefe Temperaturen, sind nach einigenStunden zahlreiche Passagiere unterkühlt (bedingt auch

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Drucksache 17/5672 – 56 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

durch Ausfall der Heizung in den Zügen). Die Benutzungvon Tunneln sowie die Funktionen von Leitstellen, Stell-werken und der Sicherungstechnik sind von Beginn anmassiv eingeschränkt. Einzelne Tunnel werden gesperrt,die Funktion von Stellwerken nach Möglichkeit manuellsichergestellt.

Die Nutzung der meisten Strecken für den Personenver-kehr bleibt eingeschränkt. Für Pendler, die mit Bahn oderU-Bahn zur Arbeit fahren, bedeutet der Stromausfall einemassive Beschränkung der Mobilität. Ein Ausweichenauf das Auto ist höchstens zu Beginn eine Alternative(Treibstoffmangel). Allerdings werden nach wenigen Ta-gen viele Menschen nicht mehr arbeiten können, sodassin dieser Hinsicht auch weniger Bedarf besteht.

Unmittelbar nach dem Stromausfall sind Bahnhöfe durchNotstromversorgung im Grundbetrieb noch funktionsfä-hig, müssen aber nach ca. einem Tag geschlossen werden,was bei oberirdischen Bahnhöfen aufgrund technischerund baulicher Gegebenheiten teilweise Probleme bereitet.In den ersten Stunden nach dem Stromausfall schließendie Bahnhofsgeschäfte. Verderbliche Ware wird nach ei-nigen Stunden unbrauchbar (ausfallende Kühlung).

Güter können nicht weitertransportiert und weiterbearbei-tet werden. Verkehre im betroffenen Gebiet können ingroßem Umfang nicht mehr abgewickelt werden. Dies hatwirtschaftliche Schäden in ganz Deutschland, aber auchin Teilen von Europa zur Folge.

2.2.3.3 Luft0 bis 2 Stunden

Solange die Flugsicherung noch keine Starts und Landun-gen von Passagierflugzeugen unterbindet, hat derStromausfall nur geringe Auswirkungen auf den Flugbe-trieb. Die Notstromversorgung stellt den Grundbetrieb si-cher. Bei der Abfertigung der Passagiere und bei der Ab-wicklung ankommender und abfliegender Maschinenkommt es zu Verzögerungen. Spürbar wird der Stromaus-fall im Einzelhandelsgeschäft. Hier stehen z. B. dieBeleuchtung oder die Kassensysteme nicht mehr im nor-malen Umfang zur Verfügung. Auch in der Flughafenver-waltung sind die Folgen des Stromausfalls schon in dieserfrühen Phase zu spüren: IT-Systeme können durch USVzwar noch geregelt heruntergefahren werden, sodass sichSystemabstürze und Datenverlust in Grenzen halten. Ad-ministrative Arbeiten werden aber schon jetzt einge-schränkt.

Der Stromausfall in Frachtflughäfen hat zunächst auchnur geringe Auswirkungen auf den Flugbetrieb. Eskommt zu Verzögerungen bei der Logistik. Die Grund-funktionen können jedoch aufrechterhalten werden. Be-reiche, die – wie zuvor beschrieben – nicht zum Grundbe-trieb gehören, erfahren erste Einschränkungen in derFunktionalität.

Die Kontrolltürme der Deutschen Flugsicherung (DFS)an den Flughäfen werden von den Netzersatzanlagen ver-sorgt. Der Betrieb kann somit zunächst noch sicherge-stellt werden.58 Die Flugsicherung versucht, Informatio-nen über die Größe, die Ursachen und die vermutliche

Dauer des Stromausfalls zu erhalten, um über möglicheEinschränkungen des Flugverkehrs befinden zu können(EBP 2010, S. 126).

Die Krisenstäbe der betroffenen Flughäfen treten zusam-men. Neben den Verantwortlichen der Flughäfen gehörendiesen Stäben auch Vertreter der verantwortlichen Behör-den aus den Bundesländern an, in denen die betroffenenFlughäfen liegen.

2 bis 8 Stunden

Der Flugbetrieb geht in dieser Phase deutlich zurück. Diebetroffenen Flughäfen sind zwar weiterhin in der Lage,den Flugbetrieb grundsätzlich sicherzustellen, es kommtaber schon nach wenigen Stunden kaum noch zu Flugbe-wegungen (EBP 2010, S. 126 f.).59 Zunehmend müssenFlüge gestrichen werden. Direkt vom Stromausfall be-troffen sind die Bereiche, die nicht zum Grundbetrieb ge-hören, wie in Passagierflughäfen der Bereich der Gastro-nomie, wo die Kühlung von Speisen und Getränkenzunehmend schwierig wird. Es kommt zu ersten Umsatz-einbußen (EBP 2010, S. 126 f.).

Die Krisenstäbe der Flughäfen koordinieren die erforder-lichen Maßnahmen. Es entsteht ein deutlich erhöhtes In-formationsbedürfnis bei Personal, Fluggästen und ande-ren Personen, die sich in den Flughäfen aufhalten.Panikartige Reaktionen bleiben aus. Die Fluggesellschaf-ten werden aktiv und leiten Flüge zunehmend auf nicht-betroffene Flughäfen um. Es ist nicht klar, ob und wie dieFluggäste anschließend ihre Zielorte erreichen, da derVerkehr auf den Schienen ebenfalls stark betroffen ist.

Die Flugsicherung hat entschieden, wie stark Flugbewe-gungen im betroffenen Gebiet eingeschränkt werden. Sieversucht weiterhin, verlässliche Informationen über denStromausfall zu bekommen. Aufgrund der zunehmendausfallenden IuK-Technologien ist es gerade für die Kon-trolltürme der DFS an den Flughäfen schwierig, in dieKrisenbewältigung mit eingebunden zu werden. Über-flüge im deutschen Luftraum sowie Starts und Landungenauf nicht vom Stromausfall betroffenen Flughäfen sindweiterhin möglich (EBP 2010, S. 127).

8 bis 24 Stunden

Ein reduzierter Betrieb ist sowohl bei Passagier- als auchbei Frachtflughäfen weiterhin möglich. Es finden deutlichweniger Starts und Landungen statt. In Passagierflughä-fen werden Shops und Restaurants geschlossen. Die Flug-hafenbetreiber versuchen, Personal und Fluggäste überden Stand der Entwicklungen zu informieren, da auch siekaum noch über funktionsfähige Kommunikationsverbin-dungen verfügen.

58 Für den Flugverkehr über Deutschland sind verschiedene Zentralender Deutschen Flugsicherung verantwortlich. Zudem betreibt dieDFS auf verschiedenen deutschen Flughäfen Kontrolltürme: Berlin-Schönefeld Berlin-Tegel, Bremen, Dresden, Düsseldorf, Erfurt,Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn, Leipzig/Halle, Mün-chen, Münster/Osnabrück, Nürnberg, Saarbrücken, Stuttgart.

59 Teilweise hat die DFS schon jegliche Starts und Landungen unter-sagt.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/5672

Die Flugsicherung versucht weiterhin, sich ein möglichstumfassendes Lagebild zu verschaffen. Da nicht absehbarist, wie lange der Stromausfall noch anhält, werden zu-nächst keine weiter gehenden Maßnahmen beschlossen.

24 Stunden bis 1 WocheIn Passagierflughäfen schließen nahezu alle Restaurantsund Shops, und es entstehen hohe Umsatzausfälle. DieAdministration der Flughäfen ist erheblich vomStromausfall betroffen, und bestimmte computerbasierteArbeitsprozesse sind nicht mehr möglich. Die Kommuni-kation nach außen ist nahezu zum Stillstand gekommen.Der Stromausfall wirkt sich auch auf die hygienischenZustände aus (fehlende Kühlung von Nahrungsmitteln,kein Strom in WCs, in den Wartebereichen und Verwal-tungsgebäuden, Wasserversorgung reduziert und Abwas-serentsorgung eingeschränkt).Aufgrund der gestrichenen Flüge halten sich deutlich we-niger Menschen in den Flughäfen auf. Es warten aberviele Fluggäste (vor allem ausländische) weiterhin auf dieMöglichkeit, über Ersatzflüge ihr Ziel zu erreichen. Fürdie Verantwortlichen der Flughäfen wird die Informationvon Personal und Fluggästen zu einer besonderen Heraus-forderung. Probleme treten beim Flughafenpersonal auf:Nach und nach kommen immer mehr Angestellte nichtmehr zur Arbeit (Schulen geschlossen, Schutz des eige-nen Haushalts, Transportprobleme). Trotzdem müssen ei-nige für den Betrieb unverzichtbare Mitarbeiter ständigam Flughafen (d. h. auch über Nacht) bleiben. Entspre-chende Infrastrukturen (Feldbetten etc.) sind grundsätz-lich vorhanden (EBP 2010, S. 128).In Absprache zwischen DFS und den verantwortlichenBehörden werden, nachdem absehbar ist, dass es sich umeinen langanhaltenden Stromausfall handelt, Flüge in dasbetroffene Gebiet organisiert, um einen Beitrag zur Ver-sorgung der Bevölkerung zu leisten (EBP 2010,S. 128 f.).

Ein Blick in Woche 2In den betroffenen Flughäfen hält sich nur noch das Per-sonal auf, das für den Grundbetrieb unbedingt erforder-lich ist. Angestellte der Läden, Mitarbeiter der Fluglinienbeim Check-in oder auch Sicherheitspersonal arbeitennicht mehr. Der Grundbetrieb ist sowohl bei Passagier-wie auch bei Frachtflughäfen so lange möglich, wie dieNetzersatzanlagen über ausreichend Treibstoff verfügenbzw. geliefert wird. Es finden nur noch Starts und Lan-dungen für Versorgungsflüge statt (EBP 2010, S. 129).Einige Flughäfen werden vollständig geschlossen. DieEntscheidung darüber trifft die DFS gemeinsam mit derzuständigen Stelle der Landesverwaltung und dem Flug-hafenbetreiber.

FazitÜber die gesamte Dauer des Stromausfalls wird durchNetzersatzanlagen der für den Grundbetrieb des Flugha-fens (insbesondere alle sicherheitsrelevanten Basisfunk-tionen) erforderliche Strom erzeugt (EBP 2010, S. 131).Dabei kann auf dem im Gelände verfügbaren Treibstoffzurückgegriffen werden. Im Verwaltungsbereich können

IuK-Technologien noch über die USV heruntergefahrenwerden, fallen dann aber nach und nach aus. Schrankenund Beleuchtung bei Parkhäusern werden nicht mehr be-trieben, sodass hier die Nutzung eingeschränkt ist. Teil-weise kommt es zu Schäden aufgrund unterlassener Un-terhaltsarbeiten, unzureichender Heizung und niedrigerTemperaturen (Frostschäden).

Der Grundbetrieb wird mit dem dafür vorgesehenen Per-sonal des Flughafens sichergestellt. Allerdings ist auf-grund schwieriger Verkehrsverhältnisse mit einer Beein-trächtigung der vorhandenen personellen Ressourcen desFlughafens zu rechnen; ggf. müssen Mitarbeiter längereZeit im Flughafen bleiben bzw. übernachten. Eintreffendeund wartende Reisende müssen längere Zeit versorgt wer-den. Es wird zudem nach Möglichkeiten des Weitertrans-ports gesucht; ggf. müssen Anreisende abgewiesen wer-den.

Krisenstäbe sind über die gesamte Dauer des Stromaus-falls bemüht, in enger Absprache mit der DFS sowie denBehörden, den Grundbetrieb der Flughäfen sicherzustel-len sowie die Flughäfen in die Ereignisbewältigung (Ver-sorgungsflüge) einzubinden.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen aufgrund von Beein-trächtigung des Einzelhandels in den Flughäfen nehmenmit der Dauer des Stromausfalls zu. Die betroffenen Flug-häfen erleiden große finanzielle Einbußen durch entgan-gene Lande- und Startgebühren. Erhebliche wirtschaftli-che Schäden entstehen auch den Airlines durch dieAusfälle im Personen- und Frachtverkehr. Spürbare Fol-gen hat der Stromausfall auch deshalb, weil vor allem dieFlughafenbetreiber und am Flughafen ansässige Dienst-leistungserbringer für die umliegenden Regionen als Ar-beitgeber große Bedeutung haben.60

2.2.2.4 Wasser0 bis 2 Stunden

Seehäfen beziehen ihren Strom aus dem 110-kV-Netz.Dementsprechend sind sie umgehend vom Stromausfallbetroffen: Das Be- und Entladen der Schiffe muss unter-brochen werden, da die dazu eingesetzten Portalkräne61

an den Terminals nicht ohne Strom betrieben werden kön-nen. Güterumschlag und Fährbetrieb kommen durch denStromausfall vollständig zum Erliegen. Gleiches gilt fürdas Pumpen flüssiger Güter (wie Ölprodukte) sowie fürFörderbänder für Schüttgüter (z. B. Kohle) (EBP 2010,S. 139; Prognos 2009, S. 66).

Auf dem Hafengelände können dieselbetriebene Hafen-bahnen62 zwar noch Güter verschieben, der Weitertrans-port auf dem Schienennetz der Bahn ist jedoch kaumnoch möglich, da das Bahnnetz vom Stromausfall eben-falls betroffen ist und somit alle von Oberleitungen ab-

60 Allein der Frankfurter Flughafen beschäftigt im Flughafen selbstüber 70 000 Personen. Hinzu kommt eine deutlich größere Anzahl anBeschäftigten, deren Arbeitsplätze mittelbar vom Flughafen abhän-gig sind. www.ausbau.fraport.de/cms/default/rubrik/5/5828.arbeitsplaetze.htm

61 Ein Portalkran ist ein ortsgebundener, aber beweglicher Kran.62 Die Hafenbahnen verbinden die Umschlagterminals und das Schie-

nennetz der Bahn.

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Drucksache 17/5672 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

hängigen Züge stillstehen. Lkw mit Gütern können dieHäfen noch erreichen und auch verlassen. Allerdingskommt es auch hier zu starken Verzögerungen. Zwarkann mit USV und Netzersatzanlagen der Verladeprozessnoch für gewisse Zeit kontrolliert werden, ein Regelbe-trieb ist aber nicht mehr möglich, insbesondere da dieKräne ausfallen. Die Abfertigung stockt, es kommt zumassiven Lkw-Staus.63 Deshalb stoppen die für den Ha-fen Verantwortlichen umgehend den Transport weitererGüter in den Hafen. Sie nehmen dazu mit den entspre-chenden Unternehmen Kontakt auf. Feuerwehr und Poli-zei werden vorsorglich informiert. Aufgrund der zuneh-menden Ausfälle im Bereich der Informations- undKommunikationstechnologien wird dies zunehmendschwierig (EBP 2010, S. 139 f.).

Auch die Binnenhäfen sind an das öffentliche Netz ange-schlossen und somit umgehend vom Stromausfall betrof-fen. Die Folgen sind mit denen der Seehäfen vergleichbar,auch wenn die Dimensionen bei der Größe der Anlagensowie der Menge der umgeschlagenen Güter deutlich ge-ringer sind.

Seeschiffe, die sich auf dem Weg zu den vom Strom-ausfall betroffenen Häfen befinden, werden von der Leit-zentrale des Hafens über die Situation informiert. DieKommunikation ist zunächst noch über Funk und Satelli-tentelefon möglich. Um zu vermeiden, dass es Staus beiden Abfertigungen gibt, gehen die Schiffe in der Nord-oder Ostsee auf Reede64 und warten dort auf das Ende desBlackouts. Die Stromversorgung der Schiffe selbst istdurch eigene Generatoren gewährleistet. Eine Ein- undAusfahrt in die Häfen ist grundsätzlich weiterhin mög-lich. In der Radarkette, die der Leitung/Steuerung derSchiffe dient, wird es aber Ausfälle geben, sodass in eini-gen Fällen eine Navigation auf Sicht erforderlich wird.Insgesamt wird sich der Schiffsverkehr in und vor denHäfen deutlich verlangsamen.

Da das Be- und Entladen der Schiffe umgehend unterbro-chen wird, können diese nicht wie geplant die Häfen wie-der verlassen. Da zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar ist,dass es sich um einen langanhaltenden Stromausfall han-delt, nehmen die Reedereien Verspätungen in Kauf undwarten ab. Zwar ist für die Güter selbst der Stromausfallzunächst noch unproblematisch (z. B. kühlen spezielleKühlcontainer noch bis zu 36 Stunden), die Verspätungenverursachen aber schon jetzt wirtschaftliche Schäden(EBP 2010, S. 140).

Auch die Binnenschiffe können nicht mehr be- und entla-den werden. Zudem kommt es zu Behinderungen bei Ein-und Ausfahrten der Häfen. Die betroffenen Schiffsführerwerden über die Probleme informiert, und diese versu-chen, die Geschwindigkeit zu reduzieren. In Binnenhäfenbestehen kaum Möglichkeiten, dass Schiffe vor Ankergehen und das Ende des Stromausfalls abwarten (EBP2010, S. 140).

63 Den Hamburger Hafen beispielsweise erreichen stündlich 150 Lkwmit Containern (EBP 2010, S. 139).

64 Eine Reede ist ein Ankerplatz beziehungsweise ein Liegeplatz vor ei-nem Hafen, innerhalb seiner Molen oder vor der Mündung einerWasserstraße.

2 bis 8 Stunden

In den Seehäfen sind der Umschlag von Gütern und auchder Fährbetrieb weiterhin nicht möglich. Die Verantwort-lichen der Hafenbehörden entscheiden gemeinsam mitden Zuständigen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung,welche Schiffe die Häfen noch ansteuern und welche inder Nord- oder Ostsee auf Reede gehen sollen. Die Ver-antwortlichen gehen weiterhin von einem zeitlich be-grenzten Stromausfall aus, sodass zunächst dessen Endeabgewartet wird. An den Schnittstellen (Be- und Entladestationen) zumTransport auf der Schiene und auf der Straße nehmen dieStauungen zu.Die Lage in den Binnenhäfen ist vergleichbar mit der inden Seehäfen. Von einigen Häfen erhalten Binnenschiffedie Order, Häfen anzulaufen, die außerhalb des vomStromausfall betroffenen Gebiets liegen, da die Warteka-pazitäten der Häfen erschöpft sind. Binnenschiffe, die ab-gefertigt waren, konnten die Häfen alle verlassen und invom Stromausfall unbetroffene Gebiet weiterfahren. Alleanderen Schiffe (solche, die zum Zeitpunkt des Stromaus-falls be- oder entladen wurden und solche, die auf Reedeliegen), warten weiterhin ab (EBP 2010, S. 141).

8 bis 24 Stunden

Die Situation in den Seehäfen hat sich kaum geändert.Der Güterumschlag ruht weiterhin. Die Stauungen beiden Be- und Entladestationen nehmen nicht mehr so starkzu, da Güterzüge den Hafen nicht mehr erreichen undviele Lkw – solange das Mobilfunknetz noch funktionsfä-hig war – von den Spediteuren den Auftrag erhalten ha-ben, die Häfen nicht mehr anzufahren.Auch in den Binnenhäfen warten die Schiffe weiter dasEnde des Stromausfalls ab (EBP 2010, S. 141).

24 Stunden bis 1 Woche

Nachdem zunehmend klar wird, dass es sich um einenlanganhaltenden Stromausfall handelt, wurden in den Hä-fen Maßnahmen umgesetzt, die für solche Fälle ausgear-beitet wurden. Kritisch ist vor allem der Umgang mit ver-derblichen Gütern, die nicht mehr ausreichend gekühltwerden können, oder mit Gefahrgütern. Zunehmendwichtig wird nun die Sicherung des jeweiligen Hafenge-ländes. Da stromabhängige Sicherungsmaßnahmen wiez. B. elektrische Tore und Zäune oder Überwachungska-meras nicht mehr funktionieren, besteht eine erhöhte Ge-fährdung durch Diebstahl.Den auf Reede liegenden Schiffen teilen die Hafenbehör-den und die zuständige Verwaltung mit, dass ein Waren-umschlag auf unbestimmte Zeit nicht mehr möglich ist.Europaweit beginnen Planungen, wie die Warenströmeumgeleitet werden können. Problematisch wird dies vorallem beim Containerumschlag.65 Zudem bedarf es einesextrem hohen logistischen Aufwands, um den Weiter-transport zu organisieren.

65 Beispielsweise könnten die Kapazitäten des Hamburger Hafens(10 Millionen Container pro Jahr) nicht kurzfristig von den andereneuropäischen Seehäfen übernommen werden.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/5672

Da jetzt die Dimension des Stromausfalls absehbar ist,fahren wartende Binnenschiffe weiter stromauf- oder -ab-wärts, damit die Güter nach Möglichkeit dort umgeschla-gen werden können (EBP 2010, S. 142).

Ein Blick in Woche 2Ein regulärer Betrieb der vom Stromausfall betroffenenSeehäfen ist nicht mehr möglich.66 Die auf dem Seewegtransportierten Güter werden nach Möglichkeit zu ande-ren Häfen in nichtbetroffene Regionen umgeleitet unddort umgeschlagen. Die Folgen des Stromausfalls sindsomit auch in den nichtbetroffenen Häfen an der Nord-und Ostsee zu spüren.Das Gelände der betroffenen Binnenhäfen, die nach wievor ihren Betrieb eingestellt haben, wird so gut wie mög-lich gesichert. Nahezu alle wartenden Schiffe haben dieHäfen verlassen und sind auf andere, vom Stromausfallnichtbetroffene Häfen ausgewichen (EBP 2010,S. 142 f.). Die Reedereien versuchen, ihre Schiffe in an-dere Häfen umzuleiten. Schiffe, die weiterhin auf Reedeliegen, da keine alternativen Häfen angesteuert werdenkönnen, haben Probleme sich mit (frischen) Nahrungs-mitteln und ggf. auch mit Frischwasser zu versorgen.

FazitDie Infrastrukturen in deutschen Häfen, die für den Um-schlag von Gütern und Containern sowie für die Perso-nenbeförderung und den Fährbetrieb erforderlich sind,fallen entweder umgehend (z. B. Kräne, Förderbänder)oder nach einigen Stunden (z. B. EDV und Kommunika-tionsmittel) aus. Bei einem Ausfall des Netzes, über dasdie Häfen gespeist werden, ist es nicht möglich, den füreinen Normalbetrieb erforderlichen Strom über Netz-ersatzanlagen zu erzeugen (EBP 2010, S. 139). Der da-raus folgende Stillstand der Häfen hat massive Auswir-kungen vor allem auf den Güterverkehr. In den Häfen selbst sind Schäden an Kaimauern, Kanälensowie Flurschäden an Flüssen zu verzeichnen, wenn sichdie Schiffe stauen, Manövrierfehler begehen und/oderlängere Zeit vor Ort ankern. Wasserverschmutzungensind möglich, wenn auf Reede liegende Schiffe ihre Ab-wässer direkt ins Meer bzw. Binnengewässer entsorgen.Treten aufgrund von nicht mehr sachgemäßer LagerungSchadstoffe aus, kann dies zu Umweltverschmutzung undGesundheitsgefahren führen (EBP 2010, S. 143).Seehäfen sind zentrale Knotenpunkte insbesondere desGüterverkehrs. Durch den Güterstau wird es mit zuneh-mender Dauer des Stromausfalls zu Engpässen bei be-stimmten Produkten kommen (EBP 2010, S. 148). Wäh-rend der Ausfall der Binnenhäfen sich vor allem regional

66 Im Fall des Hamburger Hafens könnte es Möglichkeiten geben,durch einen Notbetrieb eine Grundfunktion des Hafens (Kühlung vonContainern, Funktionalität von Sicherungsanlagen, Abfertigung we-niger Schiffe, sodass diese den Hafen verlassen können) zu erhalten.Hamburg verfügt über eigene Kraftwerke, die mit Kohle oder Gasbetrieben werden können. Wäre ein entsprechender Betrieb möglich,so könnte Hamburg einschließlich des Hafens temporär mit Stromversorgt werden (EBP 2010, S. 142). Durch die weiter bestehendenAusfälle auf Straße und Schiene wird es aber nicht möglich sein,Container planmäßig weiterzutransportieren.

auswirken wird, sind die Ausfälle der Seehäfen deutsch-land- und sogar europaweit zu spüren. So wird der Aus-fall des Hamburger Hafens – neben Rotterdam und Ant-werpen größter europäischer Containerhafen – weit-reichende Auswirkungen auf die volkswirtschaftlicheWertschöpfung, den überregionalen Güterfluss und dieLogistikketten haben.67 Die vollständige Wiederherstel-lung der normalen Abläufe und des reibungslosen Inein-andergreifens der Versorgungsketten sowie der davon ab-hängigen Produktion wird lange über das Ende desStromausfalls hinausgehen.

2.3 Wasserversorgung und Abwasser-entsorgung

Wasser ist als nichtsubstituierbares Lebensmittel und Ga-rant für hygienische Mindeststandards eine unverzicht-bare Ressource zur Deckung menschlicher Grundbedürf-nisse. Zugleich ist Wasser auch für Gewerbe, Handel,Industrie und öffentliche Einrichtungen von substanziel-ler Bedeutung. Es ist zum Beispiel als Kühl-, Lösch- undProzessmittel sowie als Rohstoff ein notwendiger Input-und Produktionsfaktor.

Wasserinfrastruktursysteme, also Systeme zur Wasserver-und Abwasserentsorgung, sind komplexe technische Sys-teme zur simultanen Erbringung verschiedener Dienst-leistungen. Sie dienen u. a. der Bereitstellung von Trink-und Löschwasser sowie der Ableitung von Schmutz- undRegenwasser aus privatem und öffentlichem Raum, derSiedlungshygiene und dem Gewässerschutz. Die im ver-gangenen Jahrhundert in Deutschland errichteten Wasse-rinfrastrukturen sind in der Regel Systeme von zentralemAufbau. Verteilung und Ableitung erfolgen über weitver-zweigte Leitungsnetze. Die Dimensionierung des Versor-gungsleitungsnetzes richtet sich am Bedarf aus, der durchVerbrauch an Trinkwasser und der vorzuhaltenden Lösch-wasserreserve gegeben ist.

2.3.1 Wasserver- und Abwasserentsorgungs-infrastruktur

In Deutschland standen im Jahr 2007 ca. 5 100 Mio. m3

Wasser (exklusive 52,3 Mio. m3 aus dem Ausland) für dieöffentliche Trinkwasserversorgung zur Verfügung. ImMittel werden 122 l Trinkwasser je Einwohner und Tagverbraucht, wobei der Verbrauch zwischen den Bundes-ländern stark variiert. Der Grad der Versorgung durch dieöffentliche Trinkwasserversorgung beträgt 99,2 Prozentder Bevölkerung (Statistisches Bundesamt 2009).

Die Gesamtmenge Wasser, die der Natur pro Jahr insge-samt entnommen wird, liegt weit höher als die in der öf-fentlichen Trinkwasserversorgung bereitgestellte Menge.Eine Übersicht über die Verwendung und Aufteilung gibtAbbildung 15.

67 Eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen ist direkt oder indirekt denwirtschaftlichen Abläufen in Häfen zuzuordnen. So sind allein imHamburger Hafen rund 100 000 Arbeitsplätze vom Containerverkehrabhängig (www.hafen-hamburg.de/de/content/hpa-investiert-langfristig-wettbewerbsf%C3 %A4higkeit-des-hamburger-hafens-westerweite-rung-eurogat). Bundesweit sollen 276 000 Arbeitsplätze mittelbarmit dem Hamburger Hafen verknüpft sein (EBP 2010, S. 148 ff.).

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Drucksache 17/5672 – 60 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind im Rah-men der Daseinsvorsorge Aufgabe der kommunalenSelbstverwaltung. Dazu ist eine Infrastruktur notwendig,die sowohl technische Einrichtungen wie Wasserwerkeund Verteilungsnetze als auch organisatorische Konzepte,Sicherheits- und Risikokonzepte, Personaleinsatz, Tarif-gestaltung und Serviceangebote umfasst. Die Kommunenhaben bei den institutionellen und organisatorischenStrukturen Gestaltungsfreiraum. Es besteht die Möglich-keit, private Unternehmen zu beteiligen. In den meistenFällen sind die Wasserversorgung und die Abwasserent-sorgung institutionell getrennt.

Im Folgenden werden sowohl unmittelbare Auswirkun-gen des Stromausfalls auf die Infrastruktur selbst(Kap. III.2.3.3 u. III.2.3.4) als auch exemplarische, vonihr ausgehende und damit mittelbare Auswirkungen desStromausfalls auf abhängige Systeme betrachtet. Zusätz-lich werden unmittelbare Konsequenzen für die Bevölke-rung dargestellt (Kap. III.2.3.5). Zuvor werden die Funk-tionen und die technischen Elemente der Wasserver- undAbwasserentsorgungsinfrastruktur unter besonderer Be-rücksichtigung ihrer Stromabhängigkeit dargestellt sowieein Überblick über die gesetzlichen Regelungen gegeben.

2.3.1.1 Wasserversorgung

Wasserversorger haben die Aufgabe, Privathaushalte, In-dustrie, Dienstleister und öffentliche Einrichtungen mitWasser hoher Qualität zu versorgen (Mutschmann/Stim-melmayr 2007). Dazu ist eine Infrastruktur notwendig,die technische Einrichtungen wie Wasserwerke und Ver-teilungsnetze umfasst (Abb. 16).

Wasserförderung

In Deutschland wird der überwiegende Teil des Trinkwas-sers (61,9 Prozent) aus Grundwasser gewonnen (Statisti-

sches Bundesamt 2009). Bei der Förderung des Wasserskommen in Wasserwerken elektrische Pumpen verschie-denen Typs zum Einsatz (BOKU 2008). Zur Sicherungeiner fortlaufenden Wasserförderung ist eine ständigeÜberwachung und Regelung z. B. des Drucks, der Dreh-zahl und des Durchflusses notwendig (Ebel 1995;Grombach et al. 2000; LfU Bayern 2010). Dies erfolgtüber Fernwirkanlagen oder über Mess-, Steuer- und Re-gelungstechnik (MSR-Technik) vor Ort (Mutschmann/Stimmelmayr 2007).

Stromabhängigkeit

Pumpen und MSR-Technik als integrale Bestandteile derFörderung beziehen ihren Strom aus dem öffentlichenNetz, wobei häufig Notstromanlagen zur Überbrückungvon Ausfällen zur Verfügung stehen.

Wasseraufbereitung

In der Wasseraufbereitung wird unter Berücksichtigungder Trinkwasserverordnung (TrinkwV) das Rohwasser zuTrinkwasser veredelt. Dazu gehören einerseits die Reini-gung, Enthärtung, Entsalzung, Enteisenung, Entmanga-nung und Entkeimung und andererseits die Justierung vonEigenschaften wie dem pH-Wert.

Welche Verfahren zum Einsatz kommen, hängt im Allge-meinen von der Güte und Qualität des Rohwassers ab.Die Aufbereitung beinhaltet physikalische, chemischeund biologische Verfahren, wie z. B. die Verwendung vonRechen und Sieben, Sedimentation, Oxidation und Neu-tralisation (Mutschmann/Stimmelmayr 2007).

Stromabhängigkeit

In der Wasseraufbereitung bilden elektrische Pumpen, diedas Wasser durch die einzelnen Verarbeitungsstufen füh-

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Wassereinsatz bei wirtschaftlichen Aktivitäten (2007)

Quelle: Statistisches Bundesamt 2009; die Angaben beziehen sich auf die der Natur entnommene Gesamtmenge von 40,5 Mrd. m3

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/5672

ren, einen integralen Bestandteil. Ebenso essenziell sinddie Überwachungs-, Kontroll- und Steuerungseinrichtun-gen. Zudem sind elektrische Komponenten in denAbsetz- und Sandfangbecken, den mechanischen Flo-ckungsanlagen, Mischern, Schlammräumern und Flota-tionsanlagen, Luftverdichtern und Schaumräumern imEinsatz. Ebenfalls benötigen Membranfilteranlagen so-wie die Elektrodialysefilter elektrische Energie (Grom-bach et al. 2000). Prozessstoffe zur Wasseraufbereitungwerden per Förderbänder, Pumpen und hydraulischenSystemen in Verbindung mit Dosieranlagen zum Einsatztransportiert (Ebel 1995). Wird Ozon zur Desinfektionverwendet, ist durch die notwendigen Ozongeneratorenein hoher Bedarf an elektrischer Energie vorhanden.

Wasserverteilung

Das Wasserverteilungssystem fungiert als Verbindungzwischen wasserbereitstellenden Wasserwerken und Was-serverbrauchern dar und umfasst die Verteilung, die Spei-cherung und die Aufrechterhaltung des Betriebsdruckes.

Die Verteilung als solche geschieht über ein festinstallier-tes Rohrleitungssystem, dessen Struktur zwischen denRegionen in Deutschland stark variiert (z. B. verästelte

oder vermaschte Netzstruktur). Das Rohrleitungsnetzwird mithilfe eines Drucks zwischen 4 und 6 bar betrie-ben, zu dessen Aufrechterhaltung entweder Hochbehälterund/oder Pumpen zum Einsatz kommen.

In der Verteilung spielt die Wasserspeicherung eine sehrgroße Rolle, da sie eine ständige Versorgung trotzSpitzenbelastungen oder temporärer Ausfälle sichert(Grombach et al. 2000; Sattler 1999). Die Speicherung er-folgt in Hochbehältern oder Wassertürmen, die so be-schaffen sein müssen, dass die Trinkwasserqualität nichtbeeinträchtigt wird. Im Regelfall sind Wasserspeicher fürden Tagesausgleich dimensioniert, sodass bei Stromaus-fällen die Dauer der Versorgung vom Füllstand im Mo-ment des Ausfalls abhängt (Finkbeiner 2009).

Stromabhängigkeit

Elektrische Pumpen bilden einen wesentlichen Bestand-teil des Verteilungsnetzes. Überwachungs-, Kontroll- undSteuerungseinrichtungen sind in einem ausgedehntenNetz von besonderer Bedeutung. So benötigen die Fern-wirkanlagen zur Datenspeicherung und MSR-Technikelektrische Energie (Sattler 1999). Insofern bestehen auchAbhängigkeiten von öffentlichen Telekommunikations-

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Übersicht der technischen Elemente in der Wasserversorgung und der Stromabhängigkeit

Quelle: eigene Darstellung

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Drucksache 17/5672 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

netzen, die bei einem Stromausfall nach gewisser Zeitnicht mehr zur Verfügung stehen (Kap. III.2.1).

Wasserverbraucher

Wasserverbraucher sind Wirtschaft, private Haushalteund öffentliche Einrichtungen. Die Zusammensetzungdes privaten Verbrauchs ist in Abbildung 17 dargestellt.

Zur Entnahme des Trinkwassers aus dem Verteilungsnetzwird ein Leitungsdruck benötigt, der eine Entnahme auchin höher gelegenen Gebäuden oder Stockwerken von Ge-bäuden erlaubt, wobei 1 bar einer Höhe von ca. 10 m ent-spricht.

Stromabhängigkeit

Bei Druckerhöhungsanlagen, z. T. eingesetzt in Hochhäu-sern, ist Strom für den Betrieb der Pumpen essenziell. Da-rüber hinaus ist Strom nur noch bei der Vorbereitung desWassers für weitere Nutzungen notwendig (z. B. Erwär-mung mit Durchlauferhitzern).

Sonstiges

Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit in Wasserwerkenbedarf es eines Feuchteschutzes. Es werden Trockenmit-tel und Feuchtekondensation und u. U. Ventilatoren ein-gesetzt. Ebenso bedarf es eines Korrosionsschutzes, des-sen Fremdstromkathoden elektrische Energie benötigen.Die zunehmende Automatisierung der Wasserwerke er-fordert den Einsatz von Fernwirk-, Informations- undKommunikationstechnik, damit die Primärprozesse auchräumlich entfernt überwacht und gesteuert werden kön-nen. Dies führt zu einer zunehmenden Stromabhängigkeit(Ebel 1995).

2.3.1.2 AbwasserentsorgungDie Abwasserentsorgung erfolgt über die Sammlung undAbleitung des Abwassers über die Kanalisation zu zentra-len Behandlungsanlagen und die Einleitung des gereinig-ten Abwassers in Oberflächengewässer. Das zu entsor-gende Wasser ist gleichzeitig Transportmedium, sodassdie Funktion des Fäkaltransports in der Kanalisation not-wendigerweise eine funktionsfähige Wasserversorgungs-infrastruktur voraussetzt (Kap. III.5.2). Eine Übersichtüber die technischen Elemente gibt Abbildung 18. InDeutschland gibt es ca. 10 000 Kläranlagen, in denen dieJahresabwassermenge von rund 10 Mrd. m³ fast aus-schließlich mithilfe biologischer Verfahren behandeltwird. Der Anschlussgrad der Haushalte beträgt ca.96 Prozent.

Abwassersammlung

In Deutschland betrug die Länge des öffentlichen Kanal-netzes im Jahr 2007 ca. 541 000 km. Mit 44 Prozent hattedie Mischwasserkanalisation den größten Anteil, gefolgtvon Trennkanalisation (35 Prozent) und Regenwasserka-nälen (21 Prozent) (Statistisches Bundesamt 2009). Darinenthalten sind auch Sonderentwässerungssysteme wieDruck- oder Vakuumentwässerung, die bei besonderenRandbedingungen, wie sehr flachem Gelände und/odergeringer Siedlungsdichte, zum Einsatz kommen. Die ver-schiedenen Entwässerungssysteme weisen Vor- undNachteile auf, die sie für jeweilige Randbedingungen prä-destinieren. Regenwasser kann im Fall der Mischwasser-kanalisation zur Spülung der Kanäle dienen und Ablage-rungen abtragen.

Stromabhängigkeit

Die relevanten, stromabhängigen Systeme in der Frei-gefällekanalisation sind Hebeanlagen und Messeinrich-

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Zusammensetzung des privaten Verbrauchs

Quelle: DVGW 2008b

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/5672

tungen (z. B. Durchflussmessung). In Druck- bzw. Unter-drucksystemen ist elektrische Energie zur Aufrechter-haltung des Abwassertransports essenziell.

Abwasserbehandlungsanlagen

Abwasserbehandlungsanlagen (auch Kläranlagen) habendie Aufgabe der Aufbereitung des Abwassers, mit demZiel der Rückführung in die natürlichen Fließgewässer. InDeutschland wird das Abwasser innerhalb von drei Stu-fen gereinigt, der mechanischen, der biologischen und ei-ner weiter führenden. Die prinzipielle Funktionsweise ei-ner Abwasserbehandlungsanlage wird anhand derAbbildung 19 und die dazugehörigen Funktionen werdenin Tabelle 5 dargestellt.

Eine Eigenversorgung mit Strom und Wärme ist auf Klär-anlagen durch die Produktion und Verstromung von Bio-gas möglich und wird bisher vorwiegend auf großen kom-munalen Anlagen durchgeführt. In Deutschland habenderzeit insgesamt etwa 1 200 Kläranlagen (ca. 12 Prozent

der Kläranlagen) die Möglichkeit zur Faulgaserzeugung.63 Prozent der Anlagen verfügen darüber hinaus überBHKW, in denen ca. 80 Prozent der produzierten Gas-menge verstromt wird.

Ein weiterer Beitrag zur Energieautarkie wird durch denEigenverbrauch des Faulgases für Heizanlagen in denKläranlagen geleistet. Bundesweit wird bereits 20 Pro-zent des Faulgases, jedoch in Teilen in rein thermischerUmwandlung, dafür verwendet (UBA 2008). Durch dengleichzeitigen Strom- und Wärmebedarf auf Kläranlagenwird der Einsatz von BHKW durch die vollständige ener-getische Nutzung des Faulgases besonders sinnvoll.

Eine netzunabhängige Stromversorgung durch Eigenen-ergieerzeugung bei Abwasserbehandlungsanlagen kannauch aus Gründen der Robustheit gegenüber Stromausfäl-len sinnvoll sein, wobei auf eine Möglichkeit zur stö-rungsfreien Umstellung auf Eigenenergie geachtet wer-den sollte (Kap. IV.6).

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Übersicht der technischen Elemente in der Abwasserentsorgung und der Stromabhängigkeit

Quelle: eigene Darstellung

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Drucksache 17/5672 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Schema einer Abwasserbehandlungsanlage

Quelle: Landesabteilung Umwelt, Bozen/Südtirol, www.provincia.bz.it/umweltagentur/wasser/1265.asp, abgerufen am 8. April 2010

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/5672

2.3.2 Gesetzliche Regelungen

Die Rahmenbedingungen der Wasserwirtschaft werden inDeutschland durch EU-, Bundes- und Landesgesetzge-bung und entsprechende Rechtsverordnungen bestimmt.Dazu gehören die Europäische Wasserrahmenrichtlinie,die bundesgesetzliche TrinkwV auf der Basis des Wasser-haushaltsgesetzes, das Abwasserabgabegesetz (AbwAG)und das Wassersicherstellungsgesetz (WasSiG) sowie dieLandeswasser- und Landesabwassergesetze. Im Rahmender Daseinsvorsorge wird dieses Recht in der Landes-und vor allem in der Kommunalgesetzgebung konkreti-siert. Nach § 4 Absatz 1 der TrinkwV müssen bei derWasserversorgung die allgemein anerkannten Regeln derTechnik eingehalten werden. Diese werden z. B. in denRegelwerken der DVGW ausgearbeitet und gelten damitals Maßgabe bei der Umsetzung gesetzlicher Vorschrif-ten. Im Bereich der Abwasserentsorgung hat das DWA-Regelwerk diese Funktion.

Die TrinkwV soll den Schutz der menschlichen Gesund-heit, die Gewährleistung der Genussfähigkeit und dieReinheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch ga-rantieren. Darüber hinaus verpflichtet die TrinkwV dieWasserversorger, Maßnahmenpläne für Fälle von akuterGesundheitsgefährdung, z. B. durch Grenzwertüber-schreitungen, in Abstimmung mit den Gesundheitsämternzu erarbeiten. Gemäß DVGW Arbeitsblatt W 300 haltenWasserspeicher in den Versorgungsgebieten eine Wasser-menge für eine Versorgung von mindestens 24 Stundenvor (DIN/DVGW 2005). Für Notfälle, z. B. ausgelöst

durch Sabotageakte oder Naturkatastrophen, galt bis zurVorlage der Hinweise W 1001 und W 1002 im Jahr 2008die Technische Mitteilung Hinweis W 1050 „Vorsorge-planung für Notstandsfälle in der öffentlichen Trink-wasserversorgung“ der DVGW. Im neuaufgelegten, nach-folgenden Hinweis W 1002 „Sicherheit in derTrinkwasserversorgung – Organisation und Managementim Krisenfall“ sind einige Konkretisierungen vorgenom-men worden. Allerdings unterscheiden sich beide Regel-werke bezüglich praxisrelevanter Gegenmaßnahmen we-nig.

Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für dieVersorgung mit Wasser (AVBWasserV) verpflichtet dieWasserversorgungsunternehmen, Wasser im vereinbartenUmfang jederzeit am Ende der Anschlussleitung zur Ver-fügung zu stellen. Ausnahmen sind im Wesentlichendurch Fälle höherer Gewalt und/oder Umstände, derenBeseitigung dem Unternehmen wirtschaftlich nicht zuzu-muten ist, gegeben. Spezifikationen zu Bereitstellung vonNotstromerzeugungskapazitäten sind – wie auch in derTrinkwV – nicht enthalten. Die Ausrüstung mit Not-stromanlagen wird im DVGW Arbeitsblatt W 610 „Pum-pensysteme in der Trinkwasserverordnung“ thematisiert(DVGW 2010). Danach sollen „Pumpensysteme mit ho-her geforderter Verfügbarkeit“ mit Notstromanlagen aus-gerüstet werden, deren Treibstoffbehälter „ausreichend“zu dimensionieren sind. Alternativ können nach dem Ar-beitsblatt Pumpsysteme auch mit einer Anschlussmög-lichkeit für mobile NSA versehen werden. Allerdingswird nicht weiter spezifiziert, welche Pumpen als kritisch

Ta b e l l e 5

Funktionen einer Abwasserbehandlungsanlage

Quelle: Landesabteilung Umwelt, Bozen/Südtirol, www.provincia.bz.it/umweltagentur/wasser/1265.asp, abgerufen am 8. April 2010.

Nr. Funktion Nr. Funktion

0 u. 1 gesammelte Abwässer werden in die Klär-anlage durch ein Hebewerk geleitet

11 Faulbehälter bei anaeroben Schlammstabilisie-rungen

2 erste mechanische Reinigungsstufe: Rechen und/oder Siebanlage

12 Nacheindicker (Abtrennen von Wasser)

3 im Sandfettfang werden Sedimente und Fette abgeschöpft

13 mechanische Entwässerung des Schlamms

4 im Vorklärbecken werden organische Stoffe abgeschieden, danach ist bereits ein Drittel der Schmutzfracht entfernt

14 Kompostierung

5 u. 6 Tropfkörper (5) oder Belebtschlammbecken (6): Abbau von organischen Stoffen

15 Substrat zur Mitverbrennung oder landwirtschaft-lichen Nutzung

7 Nachklärbecken: Abschöpfen von Schlamm 16 Weiterleitung des Gases

8 Ableitung in Fließgewässer 17 Speicherung des Gases

9 Rücklauf von einem Drittel Schlamm zu 5 bzw. 6

18 Verbrennung

10 Voreindicker: Schlamm wird eingedickt 19 Stromerzeugung

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Drucksache 17/5672 – 66 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

für das Funktionieren der Infrastruktur gelten, und eswird auch nicht ausgeführt, wie diese ermittelt werdenkönnen.

Das WasSiG mit zugehörigen Ausführungsverordnungen(AVWasSG) regelt die Sicherstellung der Versorgung derZivilbevölkerung und der Streitkräfte mit Trinkwasser,Betriebswasser und Löschwasser im Verteidigungsfall.Die in dessen Rahmen geschaffenen Anlagen dürfen auchin anderen Krisen- und Katastrophenfällen in Friedens-zeiten genutzt werden (BBK 2008c). Außerdem erfasstdas WasSiG auch die Ableitung und Behandlung des Ab-wassers zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren, wo-bei keine konkreten Vorgaben oder Empfehlungen exis-tieren. Die Bundesregierung ist auf der Basis des WasSiGmit Zustimmung des Bundesrates u. a. ermächtigt, Vor-schriften über die Ausstattung von Wasserver- und Ab-wasserentsorgungsanlagen zu erlassen. Explizit sinddabei Pumpen, NSA und Einrichtungen zur Wasservertei-lung und -aufbereitung genannt. Zum Zweck der Versor-gung in Katastrophenfällen wurde u. a. bundesweit einSystem von etwa 5 200 Notwasserbrunnen eingerichtet(Kap III.2.3.5).

Grundsätzlich gelten im Katastrophenfall im Bereich derWasserversorgung die gleichen rechtlichen Anforderun-gen wie auch im Normalbetrieb. Die Gesundheitsbehör-den der Länder können im Katastrophenfall Anordnungenzur Gefahrenabwehr auf Grundlage des Infektionsschutz-gesetzes und der TrinkwV treffen. Ferner haben Polizeiund Ordnungsbehörden auf Grundlage des Polizei- undOrdnungsrechts der Länder Befugnisse zum Eingriff imEilfall (DVGW 2008c).

2.3.3 Folgen für Wasserinfrastruktur und Notbetrieb

Es werden im Folgenden die unmittelbaren Auswirkun-gen eines Stromausfalls für die Ver- und Entsorgungsin-frastruktur anhand eines Zeitschemas dargestellt.68 EinGroßteil der in den Netzen und auf Anlagen vorhandenenSpeicher, sowohl für elektrische Energie als auch fürTrink- und Abwasser, sind auf die Überbrückung kurzer,d. h. im Subtagesbereich liegender, Versorgungsstörun-gen ausgelegt. Um die Vorgänge zeitlich zu erfassen, istdeshalb eine Aufteilung mit Konzentration auf die erstenStunden sinnvoll. Die Zeitfenster für die Darstellung sind0 bis 4 Stunden, 4 bis 8 Stunden, 8 bis 24 Stunden undmehr als 24 Stunden (s. dazu die folgenden Tab. 6 u. 7).

Die Auswirkungen eines Stromausfalls auf die Wasserin-frastruktursysteme und die Krisenbewältigungspotenzialeder Wasserver- und Abwasserentsorger sind in Deutsch-land örtlich sehr heterogen und lassen sich schwer proto-typisch erfassen und beschreiben. Dies liegt zum einen

68 Zur Bearbeitung des Themenfeldes wurden explorative, leitfadenge-stützte Interviews geführt. Die Interviewpartner stammen aus denBereichen Katastrophenschutz (Bundesamt für Bevölkerungsschutzund Katastrophenhilfe) und Unternehmen der Wasserver- und Ab-wasserentsorgung. Bei der Auswahl der Interviewpartner in den Be-trieben wurde versucht, unterschiedliche Versorgungsstrukturen undunterschiedliche Unternehmensgrößen abzudecken.

begründet in der Struktur der gesetzlichen Regelungen,die die Verantwortung für die Erarbeitung von Notfallplä-nen und Sicherstellung der Versorgung den Städten undKommunen zuweisen. Zum anderen hängt die Ausprä-gung der direkten Auswirkungen eines Stromausfalls aufdie Ver- und Entsorgung stark von örtlichen Gegebenhei-ten ab. So spielen z. B. die Ausstattung mit Notstromer-zeugungskapazitäten, die Vorbereitung von Notstromein-speisestellen, die Ausstattung mit netzunabhängigerKommunikationstechnik und auch topografische Parame-ter, wie Gefälle im Leitungssystem, bei der Reaktionsfä-higkeit eine Rolle. Eine Verallgemeinerung von stichpro-benartigen Interviewergebnissen mit Betreibern auf dieinsgesamt über 6 200 Versorger und 6 900 Entsorger inDeutschland (Statistisches Bundesamt 2009) ist aufgrundder Heterogenität daher nicht ohne Weiteres möglich.

2.3.3.1 Auswirkungen auf die Wasserversorgung

Der Betrieb der Wasserversorgung ist ohne elektrischeEnergie auf Dauer nicht möglich. Es kann lediglich einevergleichsweise kurze Zeitdauer von wenigen Stundenbis zu einem Tag durch Hochbehälter, sofern diese imNetz vorhanden sind, zur Druckerzeugung überbrücktwerden. Die Speichervolumina, die auf den Tagesver-brauch des Versorgungsgebiets und der Löschwasserre-serve ausgelegt sind, differieren von Versorger zu Versor-ger. Im Mittel können damit Versorgungsstörungen imSubtagesbereich abgefangen werden. Grundsätzlich kanneine Versorgung jedoch mithilfe von Notstromerzeugernermöglicht werden. An neuralgischen Punkten im Netz,wie den Wasserwerken (und den Abwasserbehandlungs-anlagen), sind dazu häufig Notstromeinspeisevorrichtun-gen vorgesehen und oftmals auch Notstromerzeugungs-kapazitäten installiert. Welches Leistungsniveau erreichtwerden kann, hängt einerseits von der zur Verfügung ste-henden Notstromerzeugungskapazität und andererseitsvon der Skalierbarkeit der Anlagen und Prozesse (d. h.der Möglichkeit, diese auf einem anderen, in diesem Fallniedrigeren, Leistungsniveau betreiben zu können) ab.Das Leistungsniveau und damit die Energieaufnahme vonWasserwerken ist nach Experteneinschätzung vergleichs-weise gut reduzierbar, auch wenn die technischen Ele-mente bei verringerter Leistung nicht unbedingt effizienz-optimal arbeiten. Ein Notbetrieb auf einem Niveau von30 bis 60 Prozent ist durchaus realisierbar. Dieser wirdvon den befragten Betreibern nach Möglichkeit ange-strebt, um z. B. der Entstehung größerer Hygienepro-bleme in Ballungszentren entgegenzuwirken.

Auch wenn nicht die volle Trinkwasserqualität garantiertwerden kann, steht das Wasser für eine Reihe von Ver-wendungsmöglichkeiten auf Abnehmerseite zur Verfü-gung. Die Trinkbarkeit lässt sich in vielen Fällen zusätz-lich auf Abnehmerseite durch Entkeimungsmittel oderdurch „Abkochen“ herstellen. Allerdings sind eine ent-sprechende Kommunikationsstrategie zur Information derBevölkerung und bei Rückkehr in den Normalbetriebu. U. aufwendige Reinigungsmaßnahmen des Rohrlei-tungssystems notwendig.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/5672

MSR-Systeme zu Fernwirkzwecken, sofern im Netz vor-handen, sind häufig elektrisch gepuffert, sodass deren Be-trieb über einige Stunden aufrechterhalten werden kann.Anschließend müssen notwendige Daten für den Betriebdes Netzes, wie Füllstand der Hochbehälter und Leitungs-druck manuell erhoben und in die Leitzentrale kommuni-ziert werden.

Ein Stromausfall wirkt sich unmittelbar auf alle elektrischbetriebenen Elemente der Infrastruktur aus. Gerätschaftenund Systeme, die keine Pufferung durch eine USV haben,versagen unmittelbar. Ist eine USV vorhanden, könnenSysteme geregelt heruntergefahren und möglicherweiseirreversible Schäden, z. B. durch Datenverlust bei IT-Sys-temen, vermieden werden.

In Abhängigkeit vom Anschlussgrad stromabhängigerKomponenten der Anlagen und der Erzeugungskapazitätdes Notstromnetzes kann die Infrastruktur in Teillast wei-ter betrieben werden. Pumpstationen zur Druckerhöhungim Verteilungsnetz, sofern vorhanden, beziehen ihreEnergie häufig aus dem öffentlichen Stromnetz. Auch istoftmals keine direkte Möglichkeit zur Notstromeinspei-sung vorgesehen; diese muss möglicherweise im Bedarfs-fall erst installiert werden. Bei Ausfall dieser Pumpen istgrundsätzlich ein Betrieb mit verringertem Druck mög-lich. Allerdings verringert sich dadurch möglicherweise

die Verfügbarkeit des Wassers im Verteilungsnetz (z. B.obere Stockwerke in Hochhäusern werden nicht mehr er-reicht). Bei zeitweisem Verlust des Netzdrucks ist die Ge-fahr von Lufteinschlüssen im Netz oder von Schädendurch Druckstöße gegeben.

2.3.3.2 Auswirkungen auf die Abwasser-entsorgung

In der Abwasserentsorgung und -behandlung zeigt sichdie Stromabhängigkeit hauptsächlich bei den Pump- undHebewerken in der Kanalisation und beim Betrieb derKläranlagen mit allen elektrischen Komponenten, wiePumpen, Rührwerke, Belüftungsanlagen sowie der ge-samten MSR-Technik. Hebepumpen im Abwasser sindoftmals nicht notstromgepuffert, sodass anfallendes Ab-wasser aus den Kanälen bei fehlender Pumpleistung aus-treten kann. Allerdings zeigte sich im Fall des Münster-länder Stromausfalls 2005, dass bei kleinerem undmittlerem Anfall von Abwasser auch unkonventionelleLösungen funktionieren können. Mit mobilen NSA undPumpen wurden die Abwasserbehälter an den Hebewer-ken entleert und der Inhalt mithilfe von Güllefässern zumnächstliegenden Kanaleinspeisepunkt transportiert. Vondort aus hat das Leitungsgefälle den Transport zum Klär-werk ermöglicht.

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Auswirkungen von Stromausfällen auf die Wasserversorgung

1 Vorrat reicht für etwa 5 Tage2 Verfügbarkeit ca. 10 StundenQuelle: eigene Darstellung

Wasserversorgung 0 bis 4 Stunden 4 bis 8 Stunden 8 bis 24 Stunden mehr als 24 Stunden

Pumpen Ausfall nichtnot-stromversorgter Pumpen

NSA-Treib-stoffmangel1

MSR-Anlagen imWasserwerk

Ausfall nichtnot-stromversorgter MSR-Anlagen

Ausfall batteriege-pufferter MSR-Anlagen2

Aufbereitungsanlagen Ausfall nichtnot-stromversorger Aufbereitungsanla-gen

Heizung/Licht/Lüftung/etc.

Ausfall, falls nicht notstromversorgt

Ausfall des inter-nen Funknetzes

Verteilung/Verbrauch/Speicherung

Ausfall nichtnot-stromversorgter Druckerhöhungs-anlagen

Abfall des Wasser-drucks, Ausfall der Wasserversorgung in den Außenberei-chen des Netzes

stehendes Trink-wasser verliert an Trinkwasserquali-tät, Wasserpuffer laufen leer

Speicheranlagen können nicht mehr gefüllt werden

Fernwirkanlagen imNetz

Ausfall nichtnot-stromversorgter Fernwirkanlagen

Ausfall batteriege-pufferter Betriebs-telefonanlagen2

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Drucksache 17/5672 – 68 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Es ist zu erwarten, dass die bei einem Stromausfall anfal-lende Schmutzwassermenge sinkt, da die Wasserversor-gung wahrscheinlich nicht auf dem Niveau des Normal-betriebs gehalten werden kann und der Bevölkerung zumgrößten Teil nur Kaltwasser zur Verfügung steht. Außer-dem wird sich die Zusammensetzung des Schmutzwas-sers vermutlich ändern. Da bei der Verwendung von Was-ser für die Körperpflege ein Rückgang zu erwarten ist,fehlt der Verdünnungseffekt durch das Duschwasser, waszu einem stark konzentrierten Abwasser führt. Damit be-steht die Gefahr der verstärkten Bildung von Ablagerun-gen in der Kanalisation und der damit einhergehendenProbleme durch Verstopfungen, Geruchsbildung undKrankheitsüberträgern, wie z. B. Ratten. In der Misch-wasserkanalisation wirkt ggf. Regenwasser als zusätzli-ches Verdünnungsmittel und Transportmedium.

Wegen der sinkenden Abwassermenge kann die Leistungder Abwasserbehandlungsanlage reduziert werden, wobeieine höhere Konzentration des Abwassers möglicher-weise zu einem gegenläufigen Trend führen kann. Einegeringere Leistungsaufnahme reduziert den Bedarf anNotstromkapazität und Treibstoff. Eine Skalierung derLeistung ist bei Anlagen mit Mehrstraßensystemen, d. h.die Abwassermenge wird auf parallel betriebene Prozess-straßen aufgeteilt, leicht möglich, da einzelne Straßen un-abhängig abgeschaltet werden können.

Kläranlagen sind in der Regel mit Notstromerzeugungs-kapazitäten ausgerüstet, die einen Volllastbetrieb erlau-ben. Sollte die Notstromversorgung versagen, ist der Be-trieb nicht aufrechtzuerhalten. Die elektrischen Pumpenals integrale Bestandteile machen einen stromlosen Be-trieb unmöglich. Abwassermengen sind zwar teilweise inMisch- und Ausgleichsbecken speicherbar, die zur Nivel-lierung der Tagesschwankungen und der gleichmäßigen

Beschickung der Anlage dienen, jedoch nicht in Größen-ordnungen, die weit über einen Tag hinausgehen. Im Falldes Stillstands werden die Abwassermengen, ohne dasKlärwerk zu passieren, direkt und in die Oberflächenge-wässer geleitet. Damit sind unmittelbare Umweltschädenverbunden.

2.3.4 Probleme und Strategien bei der Wiederaufnahme des Betriebs

Im Folgenden wird ein Überblick über die Strategien undvermutlich auftretende Probleme bei der Wiederauf-nahme des Betriebs der Wasserinfrastruktursysteme gege-ben. Das Wiederanfahren der Systeme kann aus techni-schen und organisatorischen Gründen eine lange Zeit inAnspruch nehmen. Ein schneller und effizienter Recover-yprozess ist besonders im Fall der Wasserinfrastruktur-systeme anzustreben, um mit einer funktionsfähigenWasserver- und Abwasserentsorgung andere Infrastruk-tursysteme und die Bevölkerung nach dem Ende desStromausfalls bei der Rückkehr zu einem geregelten Le-ben zu unterstützen.

Wasserversorgung

Bezüglich des Wasserverteilungssystems werden von Ex-perten im Normalfall keine irreversiblen Schäden anStruktur und Gerätschaften erwartet. Allerdings ist beimWiederanfahren der Versorgungsinfrastruktur wegenLufteinschlüssen und der Gefahr einer zwischenzeitlichauftretenden Verkeimung mit hoher Wahrscheinlichkeiteine umfangreiche, zeit- und personalaufwendige Desin-fektions- und Spülprozedur erforderlich (Wricke/Korth2007). Heutzutage werden zwar in den Netzen wenigerSpülungen vorgenommen, da mit Messsonden mittler-weile die Wasserqualität fortwährend an vielen Stellen im

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Auswirkungen von Stromausfällen auf die Abwasserentsorgung

1 Vorrat reicht für etwa 5 Tage2 Verfügbarkeit ca. 10 StundenQuelle: eigene Darstellung

Abwasserentsorgung und -klärung 0 bis 4 Stunden 4 bis 8 Stunden 8 bis 24 Stunden mehr als 24

Stunden

Kanalisation Ausfall nichtnot-stromversorgter Hebepumpen

NSA-Treib-stoffmangel1

MSR- und IuK-Technik im Klärwerk

Ausfall nicht ge-pufferter Technik

Ausfall batteriege-pufferter Technik2

NSA-Treib-stoffmangel1

Reinigungsstufen im Klärwerk Ausfall nichtnot-stromversorgter Geräte und Anla-gen wie mechani-sche Reinigung und Belüftungsan-lagen

Temperatur-unter-schreitung in der Nitrifikation

NSA-Treib-stoffmangel1

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/5672

Netz überprüft und damit prophylaktische Spülungen ver-mieden werden können. Trotzdem liegt nach Aussage al-ler Betreiber ausreichend Erfahrung vor.

Beim Wiederanfahren ist darauf zu achten, dass die Be-lastungen des Netzes nicht zu stark werden, da sonstRohrbrüche drohen.69 Hier müssen die Bevölkerung unddie Wasserverbraucher in eine Kommunikationsstrategieeinbezogen werden.

Abwasserentsorgung und -behandlung

In der Kanalisation ist mit verstärkten Ablagerungendurch Sand und Fäkalien zu rechnen, sodass Spülmaß-nahmen bei der Wiederaufnahme des Normalbetriebs not-wendig werden können. Entsprechende Erfahrungenliegen für solche Maßnahmen bei den Entsorgungsunter-nehmen vor. Spülmaßnahmen aufgrund rückgängigenWasserverbrauchs und demografischen Wandels sindschon jetzt immer häufiger Bestandteil von Betrieb undUnterhaltung.

Mit irreversiblen Schäden an Betonrohren durch z. B.entstehende Schwefelwasserstoffkorrosion ist in einemZeitraum von vier bis sechs Wochen nicht zu rechnen.

In Abwasserbehandlungsanlagen sind Stromausfälle inder Größenordnung sechs bis acht Stunden für den Reco-veryprozess unkritisch. Die Zeitdauer bis zur Wiederher-stellung der vollen Betriebsbereitschaft liegt dann in derGrößenordnung von einer Stunde. Robuste Kläranlagenkönnen auch nach vier bis fünf Tagen des Stillstands(ohne Strom und weiter zugeführtes Klärgut) ohne erheb-liche Schwierigkeiten wieder aktiviert werden, da die imEinsatz befindlichen Bakterienkulturen derartige Zeit-räume überstehen können. Übersteigt der Stillstand je-doch diese Zeitdauer, müssen die Bakterienkulturen neukultiviert und eingebracht werden. Es wird jedoch nichtmit irreversiblen Schädigungen der technischen Elementegerechnet, sodass der Betrieb grundsätzlich beim Einset-zen der Abwasserzuführung nach einem Stromausfall er-folgreich organisiert werden kann. Die Anlagen sind imAllgemeinen auf große Schwankungen in der Menge desKlärguts ausgelegt, sodass ein Wiederanfahren des Be-triebs im Fall einer intakten, wenn auch dezimierten Bak-terienpopulation als ein Extremfall solcher Schwankun-gen angesehen und erfolgreich überwunden werden kann.

2.3.5 Mittelbare Auswirkungen ausgehend von der Wasserver- und Abwasserentsorgung

Ein Ausfall der Stromversorgung hat neben den unmittel-baren Auswirkungen in der Wasserinfrastruktur selbstauch mittelbare Auswirkungen – ausgehend von denWasserinfrastruktursystemen – zur Folge. Eine Störungoder eine Unterbrechung wirkt sich in solchen Infrastruk-tur- und Gesellschaftsbereichen aus, die auf zuverlässigerbrachte Dienstleistungen der Wasserinfrastruktur ange-

69 Dies war im Juli 2007 nach Ausfall der Wasserversorgung in TeilenHamburgs infolge eines Störfalls im Kernkraftwerk Krümmel derFall (persönliche Mitteilung eines Mitarbeiters der BBK, 6. Juli2010)

wiesen sind. Am Beispiel drei wichtiger Funktionen derRessource Wasser werden im Folgenden mittelbare Aus-wirkungen dargestellt: Wasser als Lebensmittel, Wasserals Löschmittel und Wasser als Transportmittel in der Ka-nalisation.

Wasser als Lebensmittel

Bei einem längeren Stromausfall ist die Sicherstellungder Trinkwasserversorgung der Bevölkerung essenziell.In welchem Umfang und über welchen Zeitraum die lei-tungsgestützte Versorgung mit Trinkwasser aufrechterhal-ten werden kann, hängt von vielen Bedingungen ab, nichtzuletzt von der Versorgung mit Treibstoff für die Not-stromerzeugung.

Wird die leitungsgebundene Trinkwasserversorgung aufniedrigerem Leistungsniveau aufrechterhalten, kann eserstens bei einem Betrieb mit geringerem Leitungsdruckzu einer Reduktion der Anzahl der versorgten Haushaltekommen und zweitens – bei einer Reduktion der Quali-tätsansprüche bei der Rohwasseraufbereitung – zur Aus-lieferung von Wasser unterhalb des Trinkwasserstan-dards. Im ersten Fall sind alternative Wasserquellen zurVersorgung zu erschließen. Im zweiten Fall sind auf Ab-nehmerseite Maßnahmen zur Aufbereitung zu trinkbaremWasser möglich (Abkochen und die Zugabe von Chlorund/oder Silberionen).

Eine Unterbrechung der Wasserversorgung wirkt sichumfassend auf das häusliche Leben aus: Die Körper-pflege ist in gewohntem Umfang nicht durchführbar, dasZubereiten von Speisen und Getränken ist nur einge-schränkt möglich, das Spülen von Geschirr und andereRaumreinigungsarbeiten sind nicht oder nur einge-schränkt machbar, Waschmaschinen stehen still und dieToilettenspülung ist ohne Funktion. Pflanzen könnennicht mehr gegossen werden. Mit fortschreitender Dauerdes Ausfalls ist mit einer Verschärfung der Probleme zurechnen. Saubere Kleidung gibt es bald nicht mehr, Toi-letten sind möglicherweise verstopft und die Körperhygi-ene wird weiter abnehmen. Die Gefahr der Ausbreitungvon Krankheiten steigt z. B. durch die Vermehrung vonKrankheitsüberträgern, Parasiten und Schädlingen, diedeshalb auch häufiger in Wohnräume eindringen können.

Wasser bekommt unter solchen Umständen mit hoherWahrscheinlichkeit eine derart basale Bedeutung, dassdessen Bereitstellung zu den wichtigsten Aufgaben imKatastrophenfall gehört. Die Bedeutung alternativer Was-serquellen steigt stark an.

– In Deutschland existieren ca. 5 200 Brunnen zurTrinkwassernotversorgung der Bevölkerung in Krisenund Katastrophenfällen. Der Bund verwaltet die Not-brunnen und kommt für Investitionen auf. Für Betriebund Wartung sind die Länder zuständig und erfüllendiese Aufgabe auf der kommunalen Verwaltungse-bene. Die Brunnen sind von öffentlichen Netzen aut-ark und so angelegt, dass sie vor Zerstörung und Ver-schmutzung geschützt sind. Das Wasser kann anzugehörigen Zapfstellen zur Verfügung gestellt undvon der Bevölkerung mit Eimern oder Kanistern ab-

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Drucksache 17/5672 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

transportiert werden. Zur gleichzeitigen Deckung mi-nimaler hygienischer Bedürfnisse und zur Zubereitungvon Mahlzeiten werden in Deutschland bei der Ausle-gung von Notbrunnen ca. 15 l je Tag und Mensch ver-anschlagt, wobei die Betriebsdauer eines Notbrunnensauf 15 Stunden am Tag bei einer durchschnittlichenEntnahme von 6 m³ pro Stunde ausgelegt ist. Es sindjedoch auch zahlreiche Brunnen mit einer Förderleis-tung von 20 m3 pro Stunde und mehr vorhanden. BeiBrunnen mit ausreichendem Grundwasserstand undeiner Förderleistung von 3 m3 pro Stunde sind nachder 2. Wassersicherstellungsverordnung hauptsäch-lich Handpumpen vorzusehen. Sonst ist eine Pumpe-Motor-Kombination einzusetzen. Bei Elektromotorenist für Notstromeinspeisevorrichtungen zu sorgen. DieWasserqualität der Notbrunnen wird regelmäßig unter-sucht. Im Bedarfsfall erfolgt eine Desinfektion mitChlortabletten, die für alle Brunnen vorgehalten wer-den (BBK 2008c).

– Des Weiteren gibt es zur nichtleitungsgebundenenVersorgung der Bevölkerung, Möglichkeiten des Was-sertransports per Lkw in Form von „verpacktem“Wasser. Beispielsweise verfügen die Berliner Wasser-werke über eine Anlage zur Konfektionierung vonTrinkwasser in Schlauchbeuteln, in denen das Wasserlängere Zeit haltbar ist. Allerdings ist für den Betriebder Maschine elektrische Energie notwendig, sodassverpacktes Wasser für den Katastrophenfall immervorgehalten und nach Ablauf der Haltbarkeit ausge-tauscht werden müsste.

– Ähnlich diesem Konzept könnten Ressourcen von Ta-felwasserproduzenten und Getränkeabfüllbetriebengenutzt werden. In Zusammenarbeit mit Wasserwer-ken wäre die Möglichkeit gegeben, sofern der Betriebmit Strom versorgt werden könnte oder sich außerhalbdes Gebiets befindet, Wasser in Trinkflaschen abzufül-len und die Logistik des Produzenten bei der Ausliefe-rung zu nutzen.

Wasser als Löschmittel

Die Löschwasserversorgung ist in Deutschland Aufgabevon Städten und Gemeinden und umfasst Einrichtungenzur Bereitstellung von Löschwasser, die vorhandenen Re-geln sind im DVGW-Arbeitsblatt W 405 niedergelegt(DVGW 2008a).

Bei der Dimensionierung der Wasserversorgungskapazi-tät des Trinkwassernetzes eines Versorgungsgebiets wirddie Brandreserve einbezogen. Bei entsprechenden Be-rechnungen zeigt sich, dass eine Einwohnerzahl von ca.15 000 den Umschlagspunkt zwischen der Höhe des Was-serbedarfs der Haushalte und einer vorzuhaltendenBrandreserve markiert. Unterhalb wird im Bedarfsfallmehr Löschwasser als Verbrauchs- und Trinkwasser be-nötigt; oberhalb verhält es sich umgekehrt. Die im Trink-wasserverteilungssystem gespeicherte Wassermenge istfür einen zweistündigen Löscheinsatz mit mindestens24 m³ pro Stunde zu kalkulieren (Berufsfeuerwehr Braun-schweig 2009; DVGW 2008a). Dabei sollte an keiner

Entnahmestelle im Netz ein Druck von 1,5 bar unter-schritten werden (Freynik 2009).

Je nach Situation und Anforderung kommen im Brandfallverschiedene Löschmittel zum Einsatz. Dazu gehörenWasser, Schäume, Pulver und Inertgase. Als Löschwassergilt „Wasser“ oder „Wasser mit Zusätzen“, das zum Ab-kühlen oder Kühlen verwendet wird (DIN 14 011 Teil 2,Entwurf 1991, Pkt. 2.7). Gleichzeitig ist Wasser aufgrundseiner großen Kühlkapazität, der vergleichsweise gerin-gen Kosten und der hohen Verfügbarkeit das wichtigsteLöschmittel in der Brandbekämpfung.

Die Löschwasserversorgung wird in eine vom Rohrlei-tungssystem abhängige und eine unabhängige Versorgungunterschieden. Im Fall der abhängigen Versorgung wirddas Löschwasser über Hydranten aus dem Trinkwasser-verteilungssystem entnommen, die in Stadtgebieten re-gelmäßig und dicht verteilt sind. Bei der netzunabhängi-gen Versorgung greifen die Feuerwehren z. B. aufEntnahmestellen an Fließ- und Stillgewässern sowie aufEntnahmestellen an eigens angelegten Löschwassertei-chen und Zisternen zurück. Als Grundsatz gilt für dieFeuerwehren, dass natürlichen Wasserquellen der Vorzuggegenüber der Nutzung des Trinkwassers aus dem Vertei-lungsnetz zu geben ist. Allerdings müssen z. B. Bachläufeeine Mindesttiefe besitzen, damit die Saugstutzen derFörderpumpen das Wasser erfassen können. In der Praxissteht im städtischen Umfeld in einer Vielzahl der Fällenur das Trinkwasserversorgungsnetz als Löschwasser-quelle zur Verfügung.

Die Förderung von Löschwasser und sein Transport zurBrandstelle sind von der Ausrüstung der Entnahmestatio-nen und der Feuerwehrfahrzeuge abhängig. Im Normal-fall werden von den Feuerwehren Pumpen zur Entnahme-stelle mitgeführt, deren Energieversorgung zu sichern ist.Für Löschfahrzeuge gilt die Grundregel, dass eine Ener-giereserve für eine Distanz von etwa 400 km mitzuführenist. Das entspricht einer Zeitdauer von etwa vier Betriebs-stunden der Fahrzeuge im Löschbetrieb.

Ist an der Brandstelle kein oder nur eine unzureichendeMenge Löschwasser vorhanden, muss eine Versorgungüber ein Schlauch- und Leitungssystem oder Tankwagenim Pendelbetrieb aufgebaut werden. Die Einrichtung lan-ger Zuleitungen ist zeitaufwendig und erfordert, abhängigvon der Länge, eine Anzahl zwischengeschalteter Pum-pen. In Gebieten, in denen das Leitungssystem nicht aus-reichend ausgebaut ist, muss verstärkt auf alternativeWasservorkommen zurückgegriffen werden. Dies erfor-dert eine ausreichende Kartierung und Information überAnfahrtsmöglichkeiten und Kapazität.

Durch einen Ausfall der allgemeinen Stromversorgungwird wahrscheinlich einerseits die Zahl an Bränden zu-rückgehen, die durch Kurzschlüsse in elektrischen Gerä-ten im alltäglichen Gebrauch entstehen. Andererseits be-steht z. B. im industriellen Bereich die Gefahr vonzusätzlichen Bränden durch Ausfall von Kühlungen undProzessleitsystemen. Bei einem Stromausfall führen alter-native stromunabhängige Wege der Wärmeerzeugung zuHeiz- und Kochzwecken und zur Beleuchtung zu einer

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71 – Drucksache 17/5672

Erhöhung des Brandrisikos, da viele auf Nutzung von of-fenen Flammen basieren (Gas- und Spirituskocher, Öfenund Holzkohlegrills, Teelichter, Kerzen oder Öllampen).

Die Brandbekämpfung im ländlichen und städtischen Be-reich ist stark auf die Verwendung von Wasser als Kühl-und Löschmittel ohne besondere Verwendung von Hoch-druck- und Vernebelungstechnik ausgerichtet. Im ländli-chen Bereich ist die Löschwasserversorgung weniger aufdie Löschwasserbereitstellung durch das Trinkwasserver-teilungssystem als auf alternative Wasserquellen, wieWasserspeicher, Still- und Fließgewässer abgestellt. So-mit sind die Feuerwehren im ländlichen Bereich bei ei-nem Stromausfall weniger vom Funktionieren einer Ver-sorgung durch die Wasserinfrastruktur abhängig. Imstädtischen Umfeld ist die Verteilungsdichte alternativerLöschwasserquellen deutlich geringer, sodass die Abhän-gigkeit von intakter Trinkwasserversorgung vergleichs-weise hoch ist. Außerdem ist durch hohe Besiedelungs-dichte die Gefahr der Brandausbreitung auf Häuserblöckeund möglicherweise sogar auf Stadtteile gegeben. Lösch-wasser wird damit im städtischen Bereich zur kritischenRessource.

Wasser als Transportmittel

In der Schwemmkanalisation, die in der Abwasserentsor-gung hauptsächlich eingesetzt wird, wird Wasser alsTransportmittel benötigt. Die Kanalisation ist im Allge-meinen auf einen Trinkwasserverbrauch von 130 bis 150 lpro Person und Tag ausgerichtet. Ein durch einenStromausfall verbundener Rückgang des Wasserangebotsund damit des Wasserverbrauchs führt zu einem zurück-gehenden Trockenwetterabfluss.

Daraus können unterschiedliche betriebliche Veränderun-gen und Probleme resultieren (BMVBS/BBR 2006;Winkler 2006):

– Ablagerungen und Verstopfungen im Kanalnetz,

– Vorabbau organischer Substanz („angefaultes“ Ab-wasser),

– Bildung korrosiver Gase (H2S), Gefahr der Betonkor-rosion,

– Geruchsprobleme, Probleme durch Krankheitsüberträ-ger (z. B. Ratten).

Die Bildung von H2S findet in Kanalnetzen dort statt, wolängere Zeit anaerobe Zustände herrschen. Das ist in derPraxis häufig an Übergabestellen von Druckrohrleitungenin Freigefällekanäle der Fall.

Um Stauungen in den Kanalnetzen und die einhergehen-den Hygieneprobleme zu vermeiden bzw. zu verringern,wird seitens der Ver- und Entsorger die durchgängigeAufrechterhaltung der Versorgung angestrebt und zwarauch dann, wenn nicht die volle Trinkwasserqualität unterNormalbedingungen garantiert werden kann.

Für private Haushalte wird die Einschränkung der Entsor-gungsleistung von Fäkalien zu einem substanziellen Pro-blem. Die Toilettenspülung ist mangels nachlaufenden

Wassers im Spülkasten außer Funktion. Zwar lassen sichToiletten auch mit Wasser spülen, welches von außen hin-zugegeben wird, jedoch reicht die Flüssigkeitsmenge inder Kanalisation nicht aus, um die Transportfunktion zuerfüllen. In der Folge kommt es zu den angesprochenenStauungen in den Kanalnetzen. Abhilfe für die Bevölke-rung kann mit Alternativen geschaffen werden, z. B. mitTrockentoiletten und mobilen Toilettenwagen, wie sie aufFestivals eingesetzt werden, und die direkt an den Kläran-lagen entleerbar sind.

2.3.6 Fazit

Im Bereich der Wasserversorgung wird elektrische Ener-gie in der Wasserförderung, -aufbereitung und -verteilungbenötigt. Besonders kritisch für die Gewährleistung derjeweiligen Funktion sind elektrisch betriebene Pumpen.Fallen diese aus, kann das Wasser nicht durch die Verar-beitungsstufen und in das Verteilungssystem geführt wer-den. Nur in wenigen Fällen lässt sich in der Wasservertei-lung ein freies Gefälle ausnutzen (z. B. in derFernwasserleitung, die den Ostharz mit Leipzig verbin-det). In der Wasseraufbereitung gibt es energieintensiveProzesse, auf die zu Energiesparzwecken bei einemStromausfall möglicherweise verzichtet werden muss.Falls NSA nicht in der notwendigen Leistungsklasse zurVerfügung stehen, kann möglicherweise ein auf Kernpro-zesse konzentrierter Notbetrieb aufrechterhalten werden.

In der Abwasserentsorgung sind ebenfalls elektrisch be-triebene Pumpen, sowohl in Hebestationen in der Kanali-sation als auch in den Kläranlagen, für den Betrieb der In-frastruktur zwingend notwendig. In der Kläranlagebenötigen die Erwärmung des Klärschlammes und derBetrieb der Belüftungsbecken (ca. 50 Prozent des Strom-verbrauchs) große (elektrische) Energiemengen.

Die meisten Prozesse der Wasserver- und Abwasserent-sorgung sind verstärkt mit dem Einsatz von MSR-Tech-nik verbunden, die ebenfalls auf Strom angewiesen ist.

Ein länger andauernder Stromausfall würde die Wasserin-frastruktur aufgrund dieser signifikanten Stromabhängig-keit in ihren Funktionen drastisch einschränken.

2.4 Lebensmittelversorgung

Der Sektor „Lebensmittelversorgung“ umfasst die kom-plexe Kette von der Rohstoffproduktion bis zur Abnahmevon Fertigerzeugnissen durch den Endverbraucher (BLE2006, S. 3). Ein Stromausfall hat Folgen für den gesamtenSektor der Lebensmittelversorgung. Jedoch sind seineeinzelnen Teilsektoren – Landwirtschaft, Lebensmittelin-dustrie und Lebensmittelhandel – aufgrund ihres hetero-genen Charakters in unterschiedlichem Ausmaß betrof-fen. Die räumliche Differenzierung und Vernetzung vonProduktion, Verarbeitung, Verteilung und Konsum (BBK2005b, S. 23) sowie die Rationalisierung und Dezentrali-sierung der Lagerhaltung (Prognos 2009, S. 44) bedingenzudem eine erhebliche Abhängigkeit von anderen Sekto-ren, wie Transport und Verkehr (Kap. III.2.2) sowie Infor-mationstechnik und Telekommunikation (Kap. III.2.1).

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Drucksache 17/5672 – 72 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zunächst werden in diesem Kapitel die Strukturen desSektors (Kap. III.2.4.1) sowie die für die Katastrophenbe-wältigung (Kap. III.2.4.2) relevanten Rechtsgrundlagenvorgestellt. Daran anschließend werden die Folgen einesStromausfalls für die Lebensmittelversorgung in den Be-reichen Landwirtschaft und Lebensmittelhandel beleuch-tet. Dabei wird jeweils eine Betrachtung der Ereignisseinnerhalb des ersten Tages und der ersten Woche vorge-nommen. Bei der Analyse des Lebensmittelhandels wirddie Entwicklung weiter differenziert innerhalb der ersten2, 2 bis 8 und 8 bis 24 Stunden betrachtet (Kap. III.2.4.3).

2.4.1 StrukturenDie Landwirtschaft ist mit der Erzeugung von Nahrungs-mitteln und Rohstoffen zur Weiterverarbeitung in der In-dustrie das erste Glied der Lebensmittelversorgung. Da-bei besteht eine Verzahnung mit vor- und nachgelagertenBereichen, wie Agrartechnik-, Dünge- und Pflanzen-schutzmittel- oder Lebensmittelindustrie. Darüber hinausexistiert häufig eine direkte Abhängigkeit von anderenSektoren. So sind viele Betriebe auf eine zentrale Wasser-ver- und Abwasserentsorgung angewiesen. Die Leis-tungsfähigkeit der Landwirtschaft basiert in nahezu allenProduktionsprozessen auf Strom.

Die Lebensmittelindustrie verarbeitet in einem breitenSpektrum von Betriebsformen die landwirtschaftlichenRohstoffe zu Halb- und Fertigerzeugnissen sowie kon-sumfertigen Produkten weiter. Als direkte Folge desStromausfalls erliegt die Produktion der Lebensmittelin-dustrie weitgehend. Nur wenige Verarbeitungsbetriebesind mit NSA ausgerüstet (Prognos 2009, S. 49).70

Der Lebensmittelhandel gewährleistet die Versorgung derBevölkerung mit Nahrungsmitteln. Mit einem Umsatzan-

70 Jedoch beziehen z. B. viele Mühlen einen Teil ihres Strombedarfs ausörtlichen Wasserkraftanlagen, sodass zumindest ein Teilbetrieb mög-lich wäre.

teil von etwa 90 Prozent bestimmen Großhandelskettenden deutschen Lebensmittelmarkt (food-monitor 2008;Homepage LZ).

Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich exemp-larisch auf die Teilsektoren Landwirtschaft und Lebens-mittelhandel (Abb. 20).

2.4.1.1 LandwirtschaftDeutschland gehört zu den landwirtschaftlichen Großpro-duzenten. Innerhalb Deutschlands sind Niedersachsen,Bayern und Nordrhein-Westfalen wichtige landwirt-schaftliche Erzeuger. Wirtschaftliche Schwerpunkte derdeutschen Landwirtschaft sind die Erzeugung von Milchund Getreide. Der Gartenbau erbringt 10 Prozent derlandwirtschaftlichen Verkaufserlöse, obwohl die garten-bauliche Produktion weniger als 1 Prozent der landwirt-schaftlichen Nutzfläche ausmacht (BMELV 2008b,2008c; Homepage destatis a u. d; Homepage eurostat a, bu. c; Homepage Statistik-Portal).

Die landwirtschaftliche Erzeugung von Nahrungsmittelnkann in die Bereiche Pflanzen- und Tierproduktion unter-schieden werden.

Pflanzenproduktion

Die Erzeugung pflanzlicher Futter- und Nahrungsmittelerfolgt überwiegend durch Ackerbau, aber auch durchgartenbauliche Freiland- und Unterglasproduktion. DiePflanzenproduktion ist durch einen einmaligen Erntean-fall gekennzeichnet, woraus sich die hohe Bedeutung derLagerhaltung ableitet (BBK 2005b, S. 23; Prognos 2009,S. 46 f.).

Von einem Stromausfall sind insbesondere betroffen (Pro-gnos 2009, S. 46 f.):– Ernte und Lagerung– Sortierung und Verpackung– Klimatisierung und Bewässerung

A b b i l d u n g 2 0

Strukturen des Sektors „Lebensmittelversorgung“

Quelle: eigene Darstellung

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/5672

Tierproduktion

Die Tierproduktion kann in die Bereiche Milchviehhal-tung, Rinder-, Schweine- und Geflügelmast sowie Eier-produktion unterteilt werden. Diese zeichnen sich durcheinen kontinuierlichen Produktionsanfall aus (BBK2005b, S. 23; Prognos 2009, S. 45).

Die Haltung von Rindern ist im sogenannten Außenklim-abereich, im ungedämmten oder wärmegedämmten Stallmöglich. Zumeist wird die günstige Bauweise des Außen-klimastalls gewählt. Das Ausmaß der eingesetzten Hal-tungsformen variiert regional. Während Milchvieh in denneuen Bundesländern und Norddeutschland hauptsäch-lich in modernen Laufställen gehalten wird, werden z. B.in Bayern noch überwiegend Anbindeställe verwendet.Die Rindfleischproduktion erfolgt überwiegend mit denVerfahren Bullenmast und Mutterkuhhaltung. Im Jahr2009 wurden durchschnittlich 71 Rinder pro Betrieb ge-halten (Brömmer/Deblitz 2005, S. 51; Gesellschaft fürÖkologische Tierhaltung e. V. 2003, S. 2 f.; Homepagedestatis c u. d; KTBL 2009e; Prognos 2009, S. 46). Käl-ber werden in der ersten Lebenswoche einzeln, danachzumeist in Gruppen gehalten. Sie stellen keine besonde-ren Ansprüche an die Stallbeschaffenheit und werden wieausgewachsene Rinder untergebracht (Gesellschaft fürÖkologische Tierhaltung e. V. 2003, S. 10; KTBL 2009e).

Die Schweinehaltung erfolgt nahezu ausschließlich inwärmegedämmten und elektrisch belüfteten Stallanlagen.Die Produktionsformen variieren nach Gruppengröße, dievon Kleingruppen mit 10 bis 20 Tieren, über Großgrup-pen mit 20 bis 60 Tieren bis zur Großgruppenbucht mitbis zu 300 Tieren und mehr reicht. 2009 wurden durch-schnittlich 398 Schweine je Betrieb gehalten, wobei inNorddeutschland 1.000 Tiere und in Süddeutschland etwa200 Tiere üblich sind (destatis 2009; KTBL 2009b u.2009c). Die Ferkelproduktion erfolgt in Großgruppenhal-tung. Die Ferkel benötigen eine spezielle Zonenheizung,die zumeist mit Fußbodenheizungen und Wärmelampenrealisiert wird (Gesellschaft für Ökologische Tierhaltunge.V. 2003, S. 38; KTBL 2009f; Zentner 2006, S. 26).

In der Geflügelhaltung werden wärmegedämmte,zwangsbelüftete und zumeist mit gasbetriebenen Bren-nern oder Infrarotstrahlern beheizte Stallanlagen einge-setzt. Die Geflügelmast erfolgt überwiegend in Bodenhal-tung. Die angewendeten Mastverfahren unterscheidensich durch die Mastdauer, die von 32 bis 60 Tage reicht.Die Eierproduktion erfolgt vor allem in Käfighaltung vonKleingruppen und mit steigenden Anteilen in Boden- undFreilandhaltung. Im Jahr 2007 wurden pro Betrieb durch-schnittlich 15 200 Tiere gehalten (destatis 2008; Home-page destatis b; KTBL 2009g).

Von einem Stromausfall sind betroffen (Prognos 2009,S. 45):

– Milchgewinnung (Melkanlagen, Kühlung und Reini-gung)

– Gülletechnik/Stallreinigung

– Fütterung/Mahl- und Mischanlagen

– Beleuchtung

– Klimatisierung (Heizung, Kühlung und Lüftung)

– Sortieranlagen

Betriebe sind entsprechend der Tierschutz-Nutztierhal-tungsverordnung (TierSchNutzVO) dann mit Notstrom-kapazitäten auszustatten, wenn Leben und Gesundheit derTiere von technischen Einrichtungen abhängen. Eine Net-zersatzanlage stellt die ausreichende Versorgung mit Fut-ter, Licht, Luft, Wärme und Wasser sicher. Die dafür vor-gesehenen Aggregate können stationär oder als mobile,durch einen Traktor angetriebene Zapfwellenanlage aus-geführt sein. Darüber hinaus ist bei elektrisch belüftetenStallanlagen eine Alarmanlage zur Meldung von Ausfäl-len vorgeschrieben.

Neben den Fütterungsanlagen ist teilweise auch die Lage-rung von Futtermitteln stromabhängig. Beispielsweisemuss Heu getrocknet werden, und Kraftfutter bedarf einerkontinuierlichen Belüftung, da es nur bis zu einer Feuchtevon 14 Prozent lagerfähig ist. Ein Ausfall der Lüftungführt zur Bildung von Kondenswasser und dem Verklebendes Futters, was eine Entnahme erschwert (FEDARENE2008, S. 9; KTBL 2009b).

Schließlich gefährdet ein Stromausfall die Wasserversor-gung der Tiere. Ausgehend von Temperaturen um denGefrierpunkt benötigen pro Tag beispielsweise eine Kuhetwa 50 l Wasser, ein Kalb ab 8, ein Schwein etwa 20, tra-gende oder säugende Sauen bis 30, ein Ferkel ab 1 l Was-ser (BayerFarm o.J.; Ewy 2004, S. 49; Kirchhofer 2003;Meyer 2008; Schafzahl 1999).

2.4.1.2 Lebensmittelhandel

Der Lebensmittelhandel gewährleistet die Versorgung derBevölkerung mit Nahrungsmitteln. Die Verkaufsinfra-struktur umfasst Supermärkte, Kleineinzelhändler wieKioske und Tankstellen, Fachgeschäfte, z. B. Metzge-reien und Gemüsegeschäfte, sowie Wochenmärkte (Prog-nos 2009, S. 50). Nach einer Untersuchung71 verfügt etwadie Hälfte der Filialen des Lebensmittelhandels über eineunabhängige Notstromversorgung. Diese kann die Notbe-leuchtung, zumeist auch Kassen- und EDV-Systeme so-wie in einigen Fällen das Kühlsystem aufrechterhalten(BMELV 2005, S. 91 f.).

Dem Einzelhandel ist eine Vertriebsinfrastruktur vorgela-gert, die entweder über ein Zentrallager oder eine regio-nal verteilte Distributionsstruktur organisiert ist. Diesefungiert als Schnittstelle zwischen Lebensmittelindustrieund Lebensmittelhandel. Hier ist eine allgemeine Ent-wicklung zum Abbau von Beständen und/oder Logistik-knoten festzustellen, wodurch die im Katastrophenfall füreine Versorgung der Bevölkerung verfügbaren Vorrätesinken. Außerdem sind bei einer Unterbrechung der Elek-trizitätsversorgung die Steuerung und Kontrolle der Wa-

71 Die Untersuchung (BMELV 2005) basiert auf einer Befragung vonacht Unternehmen des Lebensmittelhandels, die etwa 50 Prozent desGesamtumsatzes im Lebensmittelhandel 2002 erwirtschafteten.

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Drucksache 17/5672 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

renströme aufgrund strombasierter Informationstechniknicht mehr möglich (BMELV 2005, S. 71 u. 98).

Die Lager des Lebensmittelhandels sind mit elektrischenFlurförderzeugen und Regalbediengeräten sowie elektro-nischer Informationsverarbeitungs- und Kommunikati-onstechnik ausgestattet. Bei einem Ausfall der Stromver-sorgung ist ein manueller Betrieb nur begrenzt möglich,da die Regale oftmals bis zu 30 m hoch sind. Die Lagerverfügen über USV, in der Regel über NSA und verein-zelt über eine Eigenstromversorgung. Jeweils etwa40 Prozent der Lager können den gesamten Betrieb inklu-sive (Tief-)Kühllager oder zumindest die EDV und eineneingeschränkten Lagerbetrieb aufrechterhalten. Bezüg-lich der Betriebsdauer der Lagernotstromversorgungliegen die Antworten der Befragten zwischen „zweiStunden“ und „Dauerbetrieb“; der Durchschnitt der Zah-lenangaben liegt bei 34 Stunden (BMELV 2005, S. 70 u.102).

Bei einer Gesamtbetrachtung der Lebensmittelversorgungin einem Katastrophenfall spielt auch der Bestand inHaushalten eine wichtige Rolle. Eine repräsentative Stu-die hat die Vorratshaltung von Haushalten, d. h. das Vor-halten von nicht für den täglichen bzw. sofortigen Ver-brauch bestimmten und regelmäßig zu ersetzendenLebensmitteln, untersucht. Demnach betreiben 71,6 Pro-zent der Haushalte Vorratshaltung, 15,7 Prozent gaben an,keine Lebensmittel vorrätig zu haben (Rasche et al. 2001,S. 38).

Bei einem Stromausfall wären die bevorrateten Lebens-mittel allerdings in Zusammenhang mit den (begrenzten)Möglichkeiten ihrer Zubereitung zu sehen.

Struktur und Reichweite bevorrateter Lebensmittel

Nach Rasche et al. (2001, S. 38) wurden in den befragtenHaushalten folgende Lebensmittel vorrätig gehalten:Nudeln 49,3 ProzentZucker 41,8 ProzentMehl 38,8 ProzentReis 38,1 ProzentKonserven/Eingemachtes 35,1 Prozent

Gemüse 28,4 ProzentObst 19,4 ProzentFertiggerichte 18,0 Prozent

Kartoffeln 23,9 ProzentTiefkühlwaren (v. a. Fleisch) 18,7 ProzentMineralwasser 18,0 ProzentH-Milch 15,7 ProzentSäfte 15,7 Prozent

Die Reichweite von bevorrateten Lebensmitteln72 hat einenichtrepräsentative Umfrage in fünf Orten des Münster-

72 Das BMELV empfiehlt einen Notvorrat für 14 Tage (BMELV2008a).

lands im Jahr 2006 erhoben (Gardemann/Menski 2008,S. 6 u. 10):

> 8 Tage 5,4 Prozent

6 bis 8 Tage 9,9 Prozent

3 bis 5 Tage 34,7 Prozent

> 2 Tage 15,6 Prozent

2 Tage 27,4 Prozent

1 Tag 6,1 ProzentQuelle: Gardemann/Menski 2008, S. 47 f.

2.4.2 Rechtsgrundlagen

Kritische Situationen im Ernährungsbereich werden aufBundesebene im Wesentlichen durch zwei Gesetze gere-gelt, die eine Sicherstellung der Lebensmittelversorgunggewährleisten sollen. Dabei ist zu unterscheidenzwischen auf den Spannungs- und Verteidigungsfall be-zogenen Regelungen, die im Ernährungssicherstellungs-gesetz73 (ESG) verfasst sind, und anderen Versorgungs-krisen, die durch das Ernährungsvorsorgegesetz74 (EVG)erfasst werden. Das EVG bestimmt in § 1 Absatz 2 alsVersorgungskrise eine Lage, in der die Deckung des Be-darfs an lebenswichtigen Erzeugnissen der Ernährungs-und Landwirtschaft in wesentlichen Teilen des Bundesge-biets ernsthaft gefährdet ist und dies nicht, nicht rechtzei-tig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu behebenist. Eine Versorgungskrise im Sinne des EVG wird durchdie Bundesregierung (durch Rechtsverordnung) festge-stellt. Im Rahmen von ESG und EVG können durchRechtsverordnung Vorschriften u. a. zur Herstellung, Ver-arbeitung, (Ab-)Lieferung, Zuteilung, zeitlichen undräumlichen Lenkung von Lebensmitteln sowie zur Fest-setzung ihrer Preise und dem Verbot ihrer gewerbsmäßi-gen Abgabe erlassen werden (BBK 2008a, S. 22; BLE2006, S. 3).75 Ergänzend ermöglicht das VerkLG76 die Be-anspruchung von Verkehrsleistungen oder Verkehrsmit-teln zur Beförderung von Gütern.

Die wichtigsten Bestimmungen zur Haltung von Nutztie-ren sind in der TierSchNutzVO77 niedergelegt. Diese um-fasst neben allgemeinen Anforderungen an die Haltungvon Tieren auch bauliche Bestimmungen, die eine stetsausreichende Versorgung der Tiere gewährleisten sollen.

73 Gesetz über die Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen derErnährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft(Ernährungssicherstellungsgesetz – ESG). In der Fassung der Be-kanntmachung vom 27. August 1990. Zuletzt geändert durchArtikel 182 Neunte ZuständigkeitsanpassungsVO vom 31. Oktober2006 (BGBl. I S. 2407)

74 Ernährungsvorsorgegesetz vom 20. August 1990 (BGBl. I S. 1766),zuletzt geändert durch Artikel 186 der Verordnung vom 31. Oktober2006 (BGBl. I S. 2407)

75 § 2 Absatz 1 EVG76 Verkehrsleistungsgesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1865), geän-

dert durch Artikel 304 der Verordnung vom 31. Oktober 2006(BGBl. I S. 2407)

77 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in der Fassung der Bekannt-machung vom 22. August 2006 (BGBl. I S. 2043), geändert durchdie Verordnung vom 1. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3223)

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/5672

Weiterhin ist für die Erzeugung tierischer Produkte dieTierschutz-Schlachtverordnung78 (TierSchlV) von Be-deutung, die das Betäuben und Töten von Tieren unterden Gesichtspunkten einer Vermeidung von Aufregung,Schmerzen, Leiden und Schäden regelt. Im Lebensmittel-recht liegt der Schwerpunkt auf der Sicherstellung derHygiene. Es gibt aber Generalklauseln, die auf die Be-triebspflichten zur Absicherung kritischer Produktionsbe-reiche zielen.

2.4.3 FolgenIm Folgenden werden die Auswirkungen eines Stromaus-falls während des Winters betrachtet, da die jahreszeitli-chen Wetterbedingungen ein maßgeblicher Faktor für dieBetroffenheit des Lebensmittelsektors sind.79

2.4.3.1 Landwirtschaft0 bis 24 Stunden

Innerhalb der ersten 24 Stunden entstehen kaum Beein-trächtigungen in der landwirtschaftlichen Produktion. ImAckerbau und in der Freilandproduktion herrscht überden Winter Ruhezeit, weswegen Feldschäden auszu-schließen sind. Dagegen fallen in der gartenbaulichenUnterglasproduktion Klimatisierungs- und Bewässe-rungsanlagen aus. Ebenso sind Durchlüftungsanlagen inLagerstätten betroffen, die das Lagergut kühlen, heizenund entfeuchten (Homepage Gut Derenburg; Prognos2009, S. 46 f.). Die Produktions- und Lagerstätten haltenjedoch äußere Einflüsse, wie starke Temperaturschwan-kungen, für eine gewisse Zeit ab, was größere Produkti-onsausfälle verhindert.

In der Tierproduktion sichern NSA alle für das Überlebenund die Gesundheit der Tiere notwendigen Versorgungs-anlagen. Jedoch können je nach Produktionsbereich undverfügbarer Notstromkapazität weitere Funktionsbereichebetroffen sein. Hierzu ist die Stallreinigung zu zählen, dietechnisch unterschiedlich realisiert wird. Während in derRinderhaltung zumeist elektrische Schieberanlagen ein-gesetzt werden, sind die in der Schweinehaltung verwen-deten Spaltenböden und die in der Geflügelhaltungvorwiegend verwendeten Kotgruben überwiegendstromunabhängig ausgeführt. In der Mastgeflügelhaltungsind Reinigung und Desinfizierung der Stallanlage nurzwischen zwei Mastzyklen erforderlich (Homepage IKLa u. b; Homepage KTBL; KTBL 2009d, 2009f u. 2009g;Pöllinger 2001, S. 35 u. 38 f.; Prognos 2009, S. 45).

Speziell in der Milchviehhaltung können in Abhängigkeitvon der Leistungsfähigkeit des NSA Melkanlage undMilchlagerung betroffen sein. Ein Ausfall oder eine Ver-

78 Tierschutz-Schlachtverordnung vom 3. März 1997 (BGBl. I S. 405),geändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 13. April 2006 (BGBl. IS. 855)

79 Hinsichtlich des entstehenden Schadens wäre es für eine umfassendeVulnerabilitätsanalyse relevant, welche Regionen vom Stromausfallbetroffen sind. So ergaben sich besonders schwere Schäden, wennder sogenannte Nordwestgürtel betroffen wäre, der von Schleswig-Holstein über Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen reicht unddie höchste Viehbestandsdichte aufweist.

schiebung der Melkzeit um wenige Stunden kann bei Kü-hen zu einer Euterentzündung und in der Folge zum Todführen. Ein Ausweichen auf Handmelken ist nicht mög-lich, da dies viel Übung und Kraft erfordert. Daher müs-sen die Tiere trocken gelegt werden (Schweizer Milch-produzenten o.J.; Prognos 2009, S. 45; Steetskamp/vonWijk 1994, S. 12).

Im Bereich der Schweine- und Geflügelmast sowie derEierproduktion entstehen aufgrund der Notstromversor-gung noch keine Beeinträchtigungen.

24 Stunden bis 1 Woche

Nach 24 Stunden ist der Treibstoffvorrat der NSA und derLandmaschinen vor Ort erschöpft. Nur dort, wo Kraft-stoffvorräte vorhanden sind oder organisiert werden kön-nen, kann der Betrieb aufrechterhalten werden.

Im Bereich der Unterglasproduktion bedingen einwir-kende Kälte und fehlende Bewässerung eine fortschrei-tende Qualitätsminderung bis hin zum Verlust der Pro-duktion. Ebenfalls wirkt sich die abfallende Temperaturauf eingelagerte Nahrungsmittel aus. So werden kälte-empfindliche Lagergüter, wie z. B. Kartoffeln, in ihrerQualität und Haltbarkeit beeinträchtigt. Ferner begünsti-gen ausgefallene Lüftungsanlagen und auskühlende Au-ßenwände die Bildung von Kondenswasser. Dadurchwerden auch kälteunempfindlichere Güter, z. B. Getreide,in ihrer Qualität und Haltbarkeit beeinträchtigt (Maiwald2005; Prognos 2009, S. 47). In der Tierhaltung fallen Be-leuchtung, Belüftung, Heizung und Fütterungsanlagenaus. Je nach Haltungsform reagieren die Tiere auf eineeingeschränkte Versorgung unterschiedlich. So könnensie unter Umständen durch ihre Körpereigenschaften odersoziales Verhalten auftretende Beeinträchtigungen kom-pensieren.

Beleuchtung, Belüftung und Heizung

Der Ausfall der Beleuchtungsanlagen erschwert zahlrei-che Arbeitsschritte, wie beispielsweise die Kontrolle desZustands der Tiere. Auch wirkt er sich negativ auf Wohl-befinden, Gesundheit und Leistung der Tiere aus (Prog-nos 2009, S. 45). Durch die unterbrochene Stromversor-gung fallen die Belüftungsanlagen aus, weshalbFrischluft durch automatisch oder von Hand geöffneteLüftungsklappen zugeführt wird. Als Folge des Einströ-mens unbeheizter Außenluft fällt die Temperatur in denStällen stark ab. Zudem führt die mangelnde Durchlüf-tung zu einer Überschreitung der zulässigen Schadstoff-konzentrationen80, was die Leistung der Tiere vermindertund Erkrankungen begünstigt (Homepage HBLFA b;SKOV 2008).

Der Ausfall der Heizung hat je nach Tierart und Stallsys-tem unterschiedliche Auswirkungen. Rinder haben einehohe Kältetoleranz (auch Hochleistungsrassen). Solangeeine wärmegedämmte Liegefläche vorhanden ist, ergeben

80 Die TierSchNutzVO bestimmt Grenzwerte für Ammoniak, Kohlen-dioxid und Schwefelwasserstoff.

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Drucksache 17/5672 – 76 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sich auch bei extrem niedrigen Temperaturen (bis -30 °C)keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Kramer2001, S. 29; KTBL 2009e; Zähner 2004). Kälber sindähnlich robust (KTBL 2009e). In ihren ersten Lebensta-gen sollten sie zwar keinen Temperaturen unter 10 (biszehn Tage nach Geburt) bzw. 5 °C ausgesetzt sein. Dochsind Witterungsschutz und Umstallung zu Kälbergruppenzunächst ausreichende Maßnahmen, um größere Verlustezu vermeiden.

Ebenso widerstehen Schweine den abgesunkenen Tempe-raturen (MLR o.J.). Demgegenüber sind Ferkel anfälligergegenüber Kälte. Zwar ist ihre Haltung im Außenklima-bereich möglich, diese erfordert aber spezielle baulicheMaßnahmen (KTBL 2009f). Da diese nicht Bestandteilder üblichen Haltungsformen sind, ist ein Tod vor allemder jüngsten Tiere unvermeidlich.

Auch Geflügel übersteht den Temperaturabfall. Jedochsind Wachstum und Legerate der Tiere deutlich reduziert.Hingegen benötigen Küken konstante Temperaturen zwi-schen 20 und 35 °C und verenden innerhalb wenigerMinuten. Ebenso entsteht nach einigen Minuten ein To-talverlust in Brütereien, da die hohen Temperaturanforde-rungen der Eier nicht mehr gewährleistet werden können.

Fütterung

Probleme ergeben sich auch bei der Futterversorgung derTiere durch teil- oder vollautomatisierte Misch- und För-deranlagen. Die Bereitstellung und Verteilung der benö-tigten Futtermengen kann manuell nicht geleistet werden.Die mit dem Ausfall der Notstromversorgung auftreten-den Einschränkungen können von ausgewachsenen Tie-ren (Rinder, Schweine und Geflügel) körperlich zumeistgut verkraftet werden. Jedoch stellt die Situation eine er-hebliche Stressbelastung für die Tiere dar: Verhaltenswei-sen wie Federpicken, gegenseitiges Beißen oder Kanniba-lismus treten verstärkt auf. Als mögliche Auslöser hierfürgelten u. a. mangelnde Lichtintensität und -qualität (z. B.Farbspektrum), erhöhte Schadgaskonzentrationen undZugluft oder kurzfristige Temperaturschwankungen(Homepage HBLFA a; KTBL 2009a). Da während einesStromausfalls alle diese Faktoren zusammenkommen,sind entsprechend stark ausgeprägte Verhaltensänderun-gen zu erwarten. Dadurch ergeben sich eine weitere Ge-fährdung des Tierbestands und hygienische Belastungen,z. B. durch verletzte und verendete Tiere.

Ein weiteres Problem ist die Versorgung der Tiere mitTrinkwasser, insbesondere aus den öffentlichen Leitungs-netzen. Dort, wo die Pumpen ausgefallen sind und nichtmehr in Betrieb genommen werden, versiegt die Zufuhr.Eine Umstellung auf manuelle Wasserversorgung im Stallist prinzipiell möglich, da die Tiere mit ihrer Körper-wärme ein Mikroklima schaffen und durch häufiges Trin-ken das Gefrieren von bereitgestelltem Wasser ver-hindern. Jedoch ist in großen Betrieben eineWasserversorgung aller Tiere im erforderlichen Umfangvoraussichtlich nicht möglich, auch wenn ein Brunnenvorhanden ist.

Mit zunehmender Dauer des Stromausfalls wird die Ver-sorgung der Herden problematisch und kann teilweisenicht mehr geleistet werden. Durch die Leitungen der öf-fentlichen Wasserversorgung wird fast überall kein Was-ser mehr geführt. Die Futtermittelbestände werden viel-fach durch Schimmelbildung unbrauchbar. AusbreitendeErkrankungen, z. B. der Atemwege, gefährden den Be-stand ganzer Betriebe.

Insgesamt ist − insbesondere in den Großbetrieben derSchweine- und Geflügelzucht − mit einem Massensterbendes Viehs zu rechnen (Reichenbach et al. 2008, S. 25)

2.4.3.2 Lebensmittelhandel

0 bis 24 Stunden

Innerhalb der ersten zwei Stunden werden Filialen ohneNSA neue Kunden abweisen, da Beleuchtung, Kassen-und Abrechnungssysteme (sowie die damit verbundeneWarenbewirtschaftung), Kühleinheiten, Sicherheitssys-teme und Türen ausfallen (Prognos 2009, S. 50). Filialenmit Notstromversorgung können ohne größere Einschrän-kungen weiterarbeiten, zumeist fallen aber die Kühlein-heiten aus. Die meisten Menschen versuchen, ihren Ein-kauf bis zur Wiederherstellung der Stromversorgungaufzuschieben. In den Verteilzentren, deren Notstromver-sorgung nicht alle Funktionen aufrechterhalten kann,sinkt die Leistung im Warenumschlag stark ab (BMELV2005, S. 70). Darüber hinaus entstehen aufgrund der Ver-kehrssituation Verzögerungen im Vertrieb.

Im Zeitraum von 2 bis 8 Stunden wird die Möglichkeit ei-nes mehrtägigen Stromausfalls in Betracht gezogen. Des-halb nehmen Filialen ohne NSA einen provisorischen Be-trieb auf. Dazu sind zunächst eine Umstellung aufHandkassen sowie später manuelle Bestandsführung undNachbestellung erforderlich (BMELV 2005, S. 70). Au-ßerdem wird aufgrund der ausgefallenen Beleuchtung derKassenbereich mit Taschenlampen oder Ähnlichem be-leuchtet und als Verkaufstheke benutzt, an der das Perso-nal Waren an die Kunden ausgibt. Zudem werden je nachder verbleibenden Ladenöffnungszeit Sonderangebote aufTiefkühlwaren erwogen, da diese über Nacht verkaufsun-fähig würden. Da in dieser Phase der Treibstoffvorrat dermeisten NSA aufgebraucht ist, nehmen die weiteren Fi-lialen vergleichbare Umstellungen vor.

Zwischen 8 und 24 Stunden verkürzen die Filialen desLebensmittelhandels ihre Öffnungszeiten in Abhängig-keit vom Tageslicht. In weiteren Lagern fällt die Not-stromversorgung aus. Die für eine derartige Situation vor-gesehenen Notfallpläne der Unternehmen sind nicht fürgroßflächige Krisen konzipiert. Sie sind zumeist auf denAusfall einiger Lager innerhalb einer Region oder auf denAusfall eines einzigen Lagers zugeschnitten. Die hierzuvorgesehenen Maßnahmen, wie Schichtarbeit im Zwei-oder Dreischichtbetrieb an verbleibenden Standorten oderGenehmigung für Sonntagsarbeit und -fahrten für Lkw,können aufgrund der ausgefallenen Kommunikation undder allgemeinen Beeinträchtigung in weiteren Sektorennur eingeschränkt realisiert werden (BMELV 2005, S. 70u. 95 f.).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/5672

24 Stunden bis 1 Woche

Im Verlauf der ersten Woche verändert sich das Kaufver-halten zunehmend, da der Stromausfall die normalenstrombasierten Kochgewohnheiten einschränkt. Eine Zu-bereitung von warmen Mahlzeiten ist nur noch mit Cam-pingkochern, Gasherden, Grills oder Kaminen möglich(Gardemann/Menski 2008, S. 50). Daher werden vor al-lem verzehrfertige Nahrungsmittel, wie Brot und Back-waren, Wurstwaren, Cerealien und Obst sowie Konserven(BMELV 2005, S. 71), Grundnahrungsmittel wie Milch,Öl, Zucker und Wasser, aber auch Artikel wie Decken,Taschenlampen, Batterien und Kerzen gekauft. Aufgrundder gesteigerten Nachfrage, die spätestens nach Bekannt-werden der Stromausfalldauer durch intensive Vorrats-käufe verstärkt wird, sind diese Produkte vielerorts aus-verkauft.

Die wenigsten Geschäfte des Lebensmittelhandels verfü-gen über nennenswerte Lagerkapazitäten. Eine Nachliefe-rung erfolgt nur vereinzelt, da der Umschlag in den La-gern eingeschränkt ist und der Treibstoff derLieferfahrzeuge knapp wird. Deshalb leeren sich die Re-gale innerhalb von 2 bis 5 Tagen (Prognos 2009, S. 50).Vereinzelt werden Lebensmittel trotz unterbrochenerKühlkette abgegeben oder gelangen durch Diebstähleoder später durch Freigabe in Umlauf. Hiermit sind er-höhte gesundheitliche Risiken verbunden (Prognos 2009,S. 50 f.). Ohne eine weitere Belieferung der Region istdavon auszugehen, dass am Ende der ersten Woche dieVorräte in den Geschäften und Haushalten aufgebrauchtsind.

Demgegenüber sind die Bestände in den Lagern deutlichumfangreicher und stehen zur Versorgung zur Verfügung,sofern eine Notstromversorgung der Tiefkühlung bestehtoder hergestellt werden kann. Denn ohne aktive Kühlungkönnen die erforderlichen Temperaturen nur etwa24 Stunden aufrechterhalten werden (BMELV 2005,S. 70).

Da die Notstromversorgung nicht flächendeckend auf-rechterhalten werden kann, fallen zumeist schon währendder ersten zwei Tage alle Lager im vom Stromausfall be-troffenen Gebiet aus.

Der Lebensmittelhandel erweist sich angesichts der er-höhten Nachfrage als das „schwächste Glied“ in der Ver-sorgungskette. Durch ausgefallene Datenleitungen undEDV ist eine Kommunikation über Vorrat und Nachfragezwischen Zentrale, Lager und Filiale nicht möglich. Auf-

Reichweite der Lagerbestände bei normalem Warenabfluss in Tagen

– Tiefkühlwaren 10–50, durchschnittlich 22

– Kühlwaren 1–10, durchschnittlich 5

– Frischwaren 0–10, durchschnittlich 4

– Sonstiges 7,5–30, durchschnittlich 18BMELV 2005, S. 95

grund der defizitären Versorgung der Bevölkerung, wirdvon den Behörden erwogen, Lagerbestände verfügbar zumachen und für Krisen vorgehaltene Reserven zu aktivie-ren (BMELV 2005, S. 119 f.). Allerdings rechnen dieVerantwortlichen dennoch mit drastischen Versorgungs-engpässen bei wichtigen Grundnahrungsmitteln, aberauch bei besonderen Produktgruppen wie Babynahrung.Eintreffende Meldungen über gehäufte Todesfälle in Pfle-geheimen und vereinzelt auftretende Auseinandersetzun-gen um Lebensmittel rücken die Möglichkeit einer Ge-fährdung der öffentlichen Ordnung durch ausgreifendeörtliche Unruhen in das Bewusstsein der Behörden.

2.4.4 FazitDie aufgezeigte Entwicklung offenbart die sich sukzes-sive aufbauenden Probleme in der Folge eines langandau-ernden Stromausfalls für den Sektor „Lebensmittelversor-gung“. Die erheblichen Schäden an Lagergut undTierbeständen in der Landwirtschaft, der weitgehendeAusfall der weiterverarbeitenden Industrie und die unzu-reichende Versorgung großer Teile der Bevölkerung mitLebensmitteln durch die Strukturen des Handels reduzie-ren die regionale Funktionsfähigkeit des gesamten Sek-tors auf ein Minimum. Aufgrund der generell geringenprivaten Bevorratung ergeben sich schon am Ende derersten Woche ernsthafte Engpässe in der Lebensmittel-versorgung.

Besonders weniger zentrale Regionen werden unvollstän-dig versorgt. Um Lebensmittellieferungen, ausgegebeneEssensrationen oder knappe Lebensmittel in den wenigennoch betriebenen Filialen entbrennen Streitigkeiten undheftige, oft körperliche Auseinandersetzungen, die nichtimmer von den Ordnungskräften geregelt werden können.Personen, wie Alte, Kranke oder Kleinkinder, derenHandlungsfähigkeit eingeschränkt ist oder die auf beson-dere Lebensmittel angewiesen sind, leiden besonders un-ter der Situation. Schließlich wird auch die Versorgungder lokalen, insbesondere aber der aus angrenzenden Re-gionen eingesetzten Kräfte zum Problem.

Eine Stabilisierung der Versorgung mit Lebensmittelnund die Gewährleistung ihrer gerechten Verteilung unterder Bevölkerung entwickeln sich zu vorrangigen Aufga-ben der Behörden. Von ihrer erfolgreichen Bewältigunghängen das Überleben zahlreicher Menschen und der Er-halt und die Sicherung der öffentlichen Ordnung ab.

2.5 Das GesundheitswesenDie wichtigste Funktion des Sektors „Gesundheitswe-sens“ ist die Bereitstellung einer medizinisch-pharmazeu-tischen Versorgung der Bevölkerung. Der Sektor ist sehrdezentral und hochgradig arbeitsteilig organisiert.

Einführend werden im Folgenden die Strukturen(Kap. III.2.5.1) des Sektors „Gesundheitswesen“ und diesektorspezifische Rechtsgrundlagen für die Katastrophen-bewältigung vorgestellt (Kap. III.2.5.2). Danach werdendie auftretenden Folgen eines Stromausfalls beschrieben,die in Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken, Dialyse-zentren, Pflegeheimen, bei Rettungsdiensten sowie bei

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Drucksache 17/5672 – 78 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Herstellern und Handel pharmazeutischer Produkte ent-stehen. Dabei wird in einem ersten Schritt (Kap. III.2.5.3)eine zeitliche Unterteilung in die ersten 2 Stunden, 2 bis 8und 8 bis 24 Stunden nach dem Stromausfall vorgenom-men. Im zweiten Schritt (Kap. III.2.5.4) werden möglicheFolgen im weiteren Zeitverlauf vom zweiten Tag bis zumEnde der ersten Woche diskutiert. Abschließend wird einFazit gezogen (Kap. III.2.5.5).

2.5.1 Strukturen

Zu den wichtigsten Akteuren (Abb. 21) zählen u. a. dieüber 2 000 Krankenhäuser mit etwa 21 000 Intensivbet-ten, 1 200 Dialysezentren, etwa 11 000 Pflegeheime,21 500 öffentliche Apotheken (sowie 470 Krankenhaus-apotheken) und zumindest der fachärztlich spezialisierteTeil der mehr als 100 000 Arztpraxen (BBK 2008b; Bun-desärztekammer 2006; Frei/Schober-Halstenberg 2008,S. 7; DKG 2009; Wieler et al. 2008, S. 1). Nahezu alleEinrichtungen, die die medizinische und pharmazeutischeVersorgung der Bevölkerung gewährleisten, sind vonElektrizität unmittelbar abhängig.

2.5.2 Rechtliche Grundlagen

Landesgesetze

Den Bundesländern obliegt die Gesetzgebung für den Ka-tastrophenschutz in Friedenszeiten, den Rettungsdienst,den öffentlichen Gesundheitsdienst sowie – unter Beach-tung der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes – dasKrankenhausrecht. In den (Brand- und) Katastrophen-schutzgesetzen der Bundesländer finden sich häufig Re-gelungen, die spezifisch auf Akteure des Gesundheitswe-sens Bezug nehmen.

Deren Zusammenarbeit und Mitwirkung im friedensmä-ßigen Katastrophenschutz wird auch in den Krankenhaus-gesetzen der Länder geregelt. Dort (wie auch in § 21Absatz 4 Nummer 1 ZSKG für den Verteidigungsfall) istin einigen Bundesländern die Verpflichtung der Kranken-hausträger zur Aufstellung von Alarm- und Einsatzplänensowie entsprechenden Übungen für die Sicherstellung dermedizinischen Versorgung niedergelegt (z. B. StMI 2006).Ein wichtiges Ziel ist auch die Ausweitung der Behand-lungs- und Aufnahmekapazitäten im Falle eines Groß-schadens oder einer Katastrophe (Paul/Ufer 2009,S. 148). Krankenhäuser sind zur Zusammenarbeit u. a.mit niedergelassenen Ärzten, Rettungsdienst und Kata-strophenschutzbehörden verpflichtet.81

In den Krankenhausbauverordnungen der Länder sindverschiedentlich Schutzanforderungen niedergelegt, z. B.für elektrische Anlagen oder die Notstromversorgung(BSI 2005, S. 133).

Die Landesrettungsdienstgesetze (bzw. Rettungsdienstge-setze) regeln die präklinische Versorgung medizinischerNotfälle unterhalb der Katastrophenschwelle (Paul/Ufer2009, S. 134) und damit auch die Bewältigung von Groß-schadensereignissen.82 Dabei kommt den Rettungsdiens-ten und den Krankenhäusern besondere Bedeutung zu.Träger des öffentlichen Rettungsdienstes sind überwie-

81 Regelungen zur Mitwirkung der Apotheken im Katastrophenschutzfinden sich nicht in allen Katastrophenschutzgesetzen der Länder undwenn, in sehr unterschiedlicher Weise. Das betrifft u. a. die Funktionund Pflichten im Zusammenhang mit Alarm- und Einsatzplänen(Paul/Ufer 2009, S. 176).

82 Ein Großschadensereignis im Rettungsdienst liegt nach offiziellerLesart vor, wenn die Versorgungserfordernisse oberhalb der regulä-ren Vorhaltungen liegen.

A b b i l d u n g 2 1

Ausgewählte Basisstrukturen und Komponenten im Gesundheitswesen

Quelle: eigene Darstellung

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/5672

gend Landkreise und freie Städte. Die Träger sind ver-pflichtet, den Rettungsdienst flächendeckend und be-darfsgerecht zu organisieren. Durchführende desRettungsdienstes sind entweder die kommunalen Trägermit ihren Feuerwehren oder von ihnen dazu Beauftragte(wie insbesondere die großen Hilfsorganisationen).

Schließlich sind die Gesetze zum Öffentlichen Gesund-heitsdienst zu erwähnen, die dessen Einbindung in denKatastrophenschutz – allerdings nicht einheitlich undeher unzureichend – thematisieren (Paul/Ufer 2009,S. 132).

Bundesgesetze

Durch das Zivilschutzänderungsgesetz vom 2. April 2009wurde in § 12 ZSKG übergreifend festgelegt, dass dieKapazitäten des Bundes für den Zivilschutz auch denLändern für ihre Aufgaben im Bereich des Katastrophen-schutzes zur Verfügung stehen. Der Bund ergänzt gemäߧ 13 Absatz 1 ZSKG die Katastrophenschutzkapazitätender Länder in zahlreichen Bereichen, darunter auch dasSanitätswesen und die Betreuung (Zivilschutz-Doppel-nutzen-Konzept). Dazu gehört beispielsweise nach § 23ZSKG die ergänzende Bereitstellung von Sanitätsmate-rial, das die Länder entsprechend einplanen können.

Hilfeleistungen im Rahmen der „Zivil-Militärischen Zu-sammenarbeit“ durch Rückgriff auf Sanitätsmaterial derBundeswehr sind als subsidiäre Aufgabe der Bundeswehrmöglich. Voraussetzung ist ein Amtshilfeersuchen der zu-ständigen Behörde.

Das Gesetz über das Apothekenwesen (ApoG) weist denApotheken die Verpflichtung zur im öffentlichen Inte-resse gebotenen Sicherstellung einer ordnungsgemäßenArzneimittelversorgung der Bevölkerung zu (§ 1 Ab-satz 1 ApoG). Im Weiteren sowie durch die Bestimmun-gen der Apothekenbetriebsordnung (Apo BetrO) werdendie hierfür notwendigen Anforderungen definiert. So re-gelt die ApoBetrO die Mindestbevorratung der öffentli-chen und Krankenhausapotheken sowie die Versorgungdes Rettungsdienstes mit Arzneimitteln (Paul/Ufer 2009,S. 168 ff.). In Krankenhausapotheken muss ein Arznei-mittelvorrat vorgehalten werden, der mindestens demdurchschnittlichen Bedarf von zwei Wochen entspricht.

Das Arzneimittelgesetz (AMG) regelt streng die Zulas-sung, Herstellung, Beschaffung und Abgabe von Arznei-mitteln im Interesse des Schutzes der Verbraucher. In be-sonderen Notfällen und Gefahrenlagen (z. B. Epidemie)sind hiervon abweichende Regelungen vorgesehen. § 47Absatz 1 Nummer 5 AMG bestimmt – als Ausnahmevom Apothekenmonopol – dass auch an sogenannte Zen-trale Beschaffungsstellen für Arzneimittel für den Eigen-bedarf von Behörden, Organisationen und UnternehmenArzneimittel abgegeben werden dürfen.

Das Betäubungsmittelgesetz (und die Betäubungsmit-telaußenhandelsverordnung) sowie das Medizinprodukte-recht (und insbesondere deren Ausnahmeregelungen in§ 44) seien abschließend erwähnt.

Leitfäden

Für das Gesundheitswesen wurde vom BBK (2007) einLeitfaden mit dem Ziel entwickelt, die Verwundbarkeitvon Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen zu re-duzieren. Dazu können Schutzmaßnahmen in relevantenBereichen mittels einer Checkliste überprüft werden. Un-ter den auf einen Stromausfall und einzelne Einrichtun-gen zugeschnittenen Leitfäden (z. B. BBK 2006) ist eineBBK-Veröffentlichung zum Risiko- und Krisenmanage-ment im Krankenhaus zu nennen (BBK 2008b).

2.5.3 Unmittelbare FolgenBereits unmittelbar nach dem Stromausfall kommt es zuunfallbedingten erhöhten Todes- und Verletztenzahlen,die durch eingeschränkte Rettungs- und Transportmög-lichkeiten noch gesteigert werden (Prognos 2009, S. 57,73 u. 75). Besonders in Krankenhäusern, Alten- und Pfle-geheimen befinden sich zahlreiche Personen im kriti-schen Zustand, die eine Verschlechterung der Behand-lungsbedingungen nicht verkraften.

2.5.3.1 KrankenhäuserKrankenhäuser verfügen über eine Notstromversorgunggemäß DIN-VDE-Richtlinie 0100-710, die für 24 Stun-den in Kernbereichen den Betrieb essenzieller Systemeaufrechterhält. Darüber hinaus sind im Krankenhausrechtder einzelnen Bundesländer, in besonderen Verordnungenoder baurechtlichen Einzelfallentscheidungen entspre-chende Anforderungen formuliert (Geier et al. 2009,S. 76). Die Treibstoffvorräte müssen für ein bis zwei Tageausgelegt sein, können aber bei entsprechend niedrigerBelastung etwas länger reichen. Die installierten NSA er-zeugen einer Studie von Prognos (2009, S. 72 f.) zufolge5 bis 10 Prozent des mittleren Leistungsbedarfs einesKrankenhauses (BBK 2008b, S. 77). Damit könnten ggf.folgende Einheiten betrieben werden: – Not-OP-Betrieb inklusive Lüftung– lebenserhaltende medizinische Systeme der Intensiv-

station (z. B. Beatmungsgeräte)– Kühlung von Blutkonserven und Organen– Heizungs- und Wasserpumpen– Notbeleuchtung– Aufzüge zum Patiententransport– Belüftung in sensiblen Bereichen– Sterilisation (Prognos 2009, S. 72)

Für die Behandlung Kranker und Verletzter nicht unmit-telbar benötigte Bereiche und Geräte würden dagegennicht mit Strom versorgt:– Verwaltung, Rechenzentrum– Physiotherapie und Ähnliches– Küche– allgemeine Warmwasserversorgung– große Diagnosegeräte, wie Kernspin- und Computer-

tomografen (Prognos 2009, S. 73)

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In den ersten 2 Stunden nach dem Stromausfall sind vorallem organisatorische Beeinträchtigungen spürbar. Ab-läufe werden durch den Ausfall von Informations- undKommunikationssystemen verzögert, die Computer derVerwaltung funktionieren nicht mehr, Patientenaktenkönnen nicht bearbeitet werden. Im medizinischen Be-reich sind Teile der Diagnostik betroffen, insbesondereapparategestützte Diagnosen können nicht mehr oder nureingeschränkt erstellt werden (Prognos 2009, S. 74).

Zudem wirken sich die Folgen des Stromausfalls in ande-ren gesellschaftlichen Sektoren auf den Krankenhausbe-trieb aus. So sind vermehrt für Verkehrsunfälle typischeVerletzungen zu erwarten, insbesondere wenn derStromausfall abends erfolgt. Auch können Verletzungendurch Chemikalien, die aus nicht mehr kontrollierbarenIndustrieprozessen entweichen, auftreten (Steetskamp/von Wijk 1994, S. 12).

In der Zeit 2 bis 8 Stunden nach dem Stromausfall ist mitweiteren Unfallopfern zu rechnen. Deshalb wird versucht,zusätzliches Personal zur Versorgung eintreffender Perso-nen und zur Betreuung verunsicherter oder hilfsbedürfti-ger Patienten zu aktivieren. Dies bereitet Probleme, daTelefonate nur noch eingeschränkt möglich sind. Mit zu-nehmender Dauer wird der Ausfall der Bürotätigkeitenfür den gesamten Arbeitsablauf zum Hindernis (Steets-kamp/von Wijk 1994, S. 59), da Patientendaten und Ähn-liches nicht eingesehen und weitergeführt werden kön-nen. Ein ernstes Problem sind die nun verstärkt von außeneingehenden Anrufe, die zur Überlastungen der Telefon-zentrale führen (Prezant et al. 2005). Die ordnungsge-mäße Lagerung von Arzneimitteln und Medizinproduktenist gefährdet, wenn eine ausreichende Kühlung nicht si-chergestellt werden kann. Aufgrund der nicht mehr funk-tionstüchtigen Küche oder durch die Verkehrssituationentstandener Lieferprobleme muss eine warme Mahlzeitzumindest teilweise durch kalte Speisen ersetzt werden.Trinkbares Wasser wird knapp.

Im Zeitraum von 8 bis 24 Stunden nach dem Stromausfallnimmt die Beeinträchtigung der medizinischen Versor-gung deutlich zu, und umfassende organisatorische Maß-nahmen müssen zur Folgeneindämmung ergriffen wer-den. Da das Schadensausmaß inzwischen grob erfasst unddie zu erwartende Stromausfalldauer öffentlich kommu-niziert wurden, werden Alarm- und Notfallpläne in Kraftgesetzt. Diese sehen zumeist die Entlassung möglichstvieler Patienten, z. B. Leichtverletzte und Genesende vor.Auch wird die Einrichtung von sogenannten „Behelfs-krankenhäusern“83 erwogen. Aufgrund der eingeschränk-ten Heiz- und Beleuchtungsmöglichkeiten werden ver-bleibende Patienten räumlich konzentriert und zusätzlicheDecken verteilt. Des Weiteren muss ein alternativerDienstplan in Kraft gesetzt werden und das Personal fallsnötig im Krankenhaus wohnen. Verwaltungstätigkeitenwie Patientendokumentationen müssen manuell erfolgen

83 2007 wurde das letzte Hilfskrankenhaus in der Bundesrepublik auf-gelöst, nachdem bereits in den 1990er Jahren die Hilfskrankenhäuserschrittweise aus der Verpflichtung genommen wurden (Peters 2009,S. 22).

(Göbel et al. 2008, S. 24; Prognos 2009, S. 9, 73 f.;Steetskamp/von Wijk 1994, S. 19 u. 59).

Infolge der sich allmählich entspannenden Verkehrssitua-tion treffen einerseits weniger Unfallopfer ein. Anderer-seits werden aus Fahrstühlen, Staus oder Zügen befreitePersonen mit Dehydrierungs-, Entkräftungs- und Unter-kühlungserscheinungen eingeliefert. Viele Personen, diezuhause medizinisch versorgt werden, werden von Ange-hörigen oder Pflegediensten zum Krankenhaus gebracht.Die Zahl der Selbsteinweiser steigt (Prognos 2009, S. 58;Steetskamp/von Wijk 1994, S. 12), auch weil Hausnotruf-systeme und medizinische Apparate zuhause nicht mehrfunktionieren (Stahlhut 2010, S. 19).

Die Versorgung der Patienten mit warmen Speisen kannnicht mehr gewährleistet werden. In einige wenige Kran-kenhäuser können noch vorbereitete Lebensmittel vonZulieferdiensten geliefert werden. Zu befürchten ist, dassdie gestörte Speiseversorgung den Gesundungsprozessbeeinträchtigen und die Verfügbarkeit von Spezialernäh-rung für Diabetiker, Dialysepatienten und andere zumProblem werden wird (Hye 2000, S. 24).

2.5.3.2 Arztpraxen

Arztpraxen verfügen in der Regel über keine, Ärztezent-ren nur in seltenen Fällen über Notstromkapazitäten. DerBetrieb in allgemeinmedizinischen Praxen kann ohneElektrizität nur rudimentär aufrechterhalten werden, daviele Diagnosen ohne stromabhängige Apparate möglichsind. Demgegenüber sind Facharztpraxen auf speziali-sierte Technik angewiesen und deshalb ohne Strom kaumarbeitsfähig (Prognos 2009, S. 74).

Während der ersten zwei Stunden nach dem Stromausfallkönnen Ärzte in leichten Fällen weiterhin behandeln. Pa-tienten, deren Diagnose und Behandlung apparategestützterfolgen oder sehr gute Lichtbedingungen erfordern,müssen abgewiesen oder ins Krankenhaus überstellt wer-den. Einige der einbestellten Patienten verschieben we-gen des Stromausfalls oder aufgrund der erheblichen Ver-kehrsprobleme ihren Besuch. In vielen Praxen werden dieÄrzte versuchen, ihre Patienten so gut wie möglich zu be-treuen, auch wenn sie auf bestimmte Diagnosegeräte undihre elektronischen Patienten- und Informationsdateienkeinen Zugriff mehr haben.

Im Zeitraum zwischen 8 und 24 Stunden nach demStromausfall müssen Arztpraxen im Winter aufgrund dereinwirkenden Kälte schließen. Die Mobilisierung der nie-dergelassenen Ärzte zur Unterstützung der Krankenhaus-versorgung, z. B. gemäß den jeweiligen Landeskatastro-phenschutzgesetzen84, wird deshalb ins Auge gefasst.Ärzte könnten etwa in eingerichteten Sammelstellen oderzur Unterstützung des Rettungsdienstes eingesetzt wer-den, um die dezentrale medizinische Versorgung auf-rechtzuerhalten (Steetskamp/von Wijk 1994, S. 20).

84 Beispielweise in Baden-Württemberg, § 5 Absatz 3 des Gesetzesüber den Katastrophenschutz vom 22. November 1999 (GBI. S. 625),zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 7. März 2006.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/5672

2.5.3.3 Apotheken

Öffentliche Apotheken sind meist nicht mit Notstromka-pazitäten ausgestattet (Prognos 2009, S. 74). Deshalbwird in den ersten zwei Stunden nach dem Stromausfallder Betrieb durch den Ausfall von Beleuchtung und Kas-sensystemen behindert. Verfügen Apotheken über auto-matisierte Lagersysteme, müssen angelieferte Arzneimit-tel und andere Produkte durch das Personal eingelagertund ausgegeben werden. Elektronische Bestellungssys-teme können nicht mehr genutzt werden.

Im Zeitraum bis zu acht Stunden nach dem Stromausfallkommen weniger Kunden. Zudem werden die Öffnungs-zeiten der Apotheken als Folge der fehlenden bzw. be-helfsmäßigen Beleuchtung in Abhängigkeit vom Tages-licht verkürzt.

Bis zu 24 Stunden nach dem Stromausfall werden küh-lungspflichtige Medikamente, die bei einer Temperaturzwischen 2 und 8 °C gelagert werden müssen, unbrauch-bar. Entsprechend müssen Kunden für die Abgabe dieserMedikamente an Krankenhäuser verwiesen werden(Steetskamp/von Wijk 1994, S. 59). Erste Apothekenkündigen an zu schließen.

2.5.3.4 Dialysezentren

Dialysezentren befinden sich mehrheitlich nicht in Kran-kenhäusern – unterliegen also nicht deren baulichen undsicherheitstechnischen Anforderungen. Hiete et al. (2010)gehen davon aus, dass die meisten Dialysezentren nichtüber Notstromkapazitäten verfügen.

In Deutschland sind etwa 60 000 bis 80 000 Personen aufeine Dialyse angewiesen. Es gibt im Wesentlichen zweiArten der Dialyse – Hämodialyse und Peritonealdialyse.Beide Verfahren benötigen große Mengen an Dialysier-flüssigkeit, die nicht gefrieren darf. Für die Hämodialyse(ca. 95 Prozent der Patienten) werden bis zu 27 l und fürdie Peritonealdialyse bis zu 87,5 l pro Woche und Patientbenötigt. Der überwiegende Anteil der Hämodialysepati-enten lässt die Behandlung aufgrund des Platzbedarfs undder nötigen pflegerischen Unterstützung in Dialysezent-ren durchführen. Des Weiteren leiten Dialysezentren Be-stellungen von Peritonealdialysepatienten, die ihre Dialy-sierflüssigkeit je nach Kapazität zuhause lagern, anLieferanten oder zentrale Lager weiter (Baxter 2009;Breuch 2003, S. 247; Toepfer o. J. a u. o. J. b; Homepageopen drug database; Homepage Roche; Wieler et al.2008, S. 2; LIGA.NRW 2005, S. 1).

In den ersten beiden Stunden nach dem Stromausfall istdie Behandlung der Hämodialysepatienten beeinträchtigt.Zwar sind moderne Dialysegeräte mit Akkumulatorenausgestattet, die wichtige Funktionen für eine gewisseZeit aufrechterhalten. Ältere Geräte hingegen könnendies nicht und die Behandlung muss abgebrochen werden(Breuch/Servos 2006, S. 209 f.). Im Zeitraum zwischenzwei und acht Stunden kommt mit dem Versagen auch derneueren Geräte die medizinische Versorgung im Dialyse-zentrum nach und nach zum Erliegen.

In der Phase bis zu 24 Stunden nach dem Stromausfallwerden deshalb Maßnahmen erforderlich, um die weitereBehandlung der Patienten sicherzustellen und Panik zuvermeiden. Dazu beginnt man, die Verlegung von Patien-ten, Apparaten und Dialysiermitteln in Krankenhäuseroder in Sammelstellen, sofern dort sterile Bedingungenherstellbar sind, zu organisieren.

2.5.3.5 Alten- und Pflegeheime

Ein Teil der Alten- und Pflegeheime verfügt (gemäß lan-desspezifischer krankenhausrechtlicher Vorschriften)über eine Notstromversorgung, die einige Stunden vor-hält.85 In der Zeit bis zu zwei Stunden nach demStromausfall versucht das Personal, auf den Ausfall elek-trischer Apparate zu reagieren. So werden, wo möglich,Sauerstoffkonzentratoren durch Druckgasflaschen ersetzt.Weitere Beeinträchtigungen entstehen durch den Ausfallvon Anlagen wie Aufzug, Türöffner und Notfallkommu-nikation sowie durch eventuelle Personalengpässe (Prog-nos 2009, S. 75).

In den nächsten 6 Stunden verändert sich die Situationwenig, sofern das NSA ausreichend mit Treibstoff ver-sorgt ist. Wenn das Aggregat keine ausreichende Leistungbereitstellt, um den Betrieb der Küche zu gewährleisten,entstehen Beeinträchtigungen der Speisenversorgung.Kann das NSA nicht mit Treibstoff versorgt werden odergibt es keine Eigenversorgung, fallen zudem die Notbe-leuchtung, die Warmwasserversorgung, die allgemeineKlimatisierung und die Kühlung des Leichenraumes aus.Im Winter wird die Temperatur in den Innenräumen ohneHeizung relativ schnell stark absinken. Je nach Situationmüssen medizinische Behandlungen abgebrochen werdenund zumindest ein Teil der Patienten wird verlegt (Steets-kamp/von Wijk 1994, S. 59; ZVEI o. J.).

2.5.3.6 Rettungsdienste

Die Rettungsdienste86 leisten gemäß den Landeskatastro-phenschutzgesetzen und den Rettungsdienstgesetzen87 dieErstversorgung und den Transport Erkrankter und Ver-letzter, die Rettung und Befreiung von Personen, die In-standsetzung oder den Ersatz ausgefallener Infrastrukturund die Räumung von Hindernissen. Die Leitstellen sinddurch NSA unterbrechungsfrei mit Elektrizität versorgt.Die im Einsatz benötigten Apparate werden über dasBordnetz der Fahrzeuge oder durch Batterien mit Energie

85 Für Baden-Württemberg wurde festgestellt, dass „nur ca. ein Drittelder Alten- und Pflegeheime über eine Notstromversorgung verfügt“(Hiete et al. 2010, F10).

86 Für die medizinische Versorgung insbesondere: Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG),Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. (JUH),Feuerwehr, Malteser Hilfsdienst (MHD). Der Einsatz dieser Hilfsor-ganisationen im Katastrophenschutz ist in den Katastrophenschutz-gesetzen der Länder geregelt; für das THW gilt das THW-Helfer-rechtsgesetz.

87 Beispielsweise in Nordrhein-Westfalen das Gesetz über den Ret-tungsdienst in der Fassung vom 16. Juli 1998 (GBI. 1998, S. 437),zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. November 2009 (GBI.S. 643).

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Drucksache 17/5672 – 82 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

versorgt (Homepage Freiwillige Feuerwehr Schwandorf;Homepage THW a, b).

In den ersten zwei Stunden nach dem Stromausfall ereig-nen sich vermehrt Unfälle (Kap. III.3). Gleichzeitig sinddie Notrufmöglichkeiten stark eingeschränkt, da Kommu-nikationsinfrastrukturen ausfallen oder überlastet sind.Nach einiger Zeit, wenn der Stromausfall länger anzuhal-ten scheint, setzt verstärkter Verkehr von den Arbeitsplät-zen ein. Dies führt zur Behinderung der Rettungswagen,die für Einsätze deutlich mehr Zeit benötigen (Prognos2009, S. 57 f. u. 81).

In der Zeit zwischen zwei bis acht Stunden entspannt sichdie Verkehrslage etwas. Not- und Rettungsdienste könnennun die Verkehrswege besser nutzen (Prognos 2009,S. 58). Schwerpunkt der Einsätze sind die Versorgungund Auflösung großer Staus sowie die Befreiung von Per-sonen aus Fahrstühlen und Zügen (Steetskamp/von Wijk1994, S. 12). Die Funkkommunikation wird zunehmendbeeinträchtigt, da der BOS-Funk sukzessive ausfällt(Kap. III.2). Die Batterien für die medizinischen Gerätein den Rettungswagen (für Elektrokardiogramme oderDefibrillation) müssen in den Zentralen aufgeladen wer-den − sofern dort die NSA funktionieren.

2.5.3.7 Hersteller und HandelDie Verfügbarkeit pharmazeutischer Produkte ist für diemedizinische Versorgung von zentraler Bedeutung. Benö-tigt werden

– die richtigen Arzneien,

– in der richtigen Menge,

– zur richtigen Zeit,

– am richtigen Ort,

– für den richtigen Empfänger (Ackermann et al. 2009b,S. 468).

Die pharmazeutische Industrie stellt Arzneimittel demBedarf entsprechend her. Der Medikamentenvertrieb er-folgt entweder direkt von den Herstellern an Krankenhäu-ser und Apotheken oder über den pharmazeutischenGroßhandel.88 Dem pharmazeutischen Großhandelkommt auch eine Lagerfunktion zu. Diese soll den Aus-gleich von Produktionsverzögerungen der Industrie er-möglichen und einen eventuell eintretenden Spitzenbe-darf an Medikamenten decken. Auch ist die Bevorratungder Apotheken mittlerweile so optimiert, dass – statt einerEinlagerung von Medikamenten – der Großhandel dieFunktion einer mehrmaligen täglichen Belieferung undeiner zunehmend dezentralisierten Lagerhaltung über-nommen hat (Homepage PHAGRO e. V. a, b u. c).

Die Produktion von Arzneimitteln ist vom Stromausfalldirekt betroffen und kann nicht im sonstigen Umfang auf-rechterhalten werden, auch wenn an vielen Standorten

88 Der Direktversand an Endverbraucher wäre durch den Ausfall derProduktion, der Kommunikation (z. B. Internet) und des Postwesensso betroffen, dass ein weiteres Funktionieren unwahrscheinlich ist.

Notstromkapazitäten installiert sein dürften, um Teile derProduktion und die Versorgung kritischer sowie produk-tionsnaher Prozesse sicherzustellen. Darüber hinaus dürf-ten die Treibstoffvorräte vor Ort aus betriebswirtschaftli-chen Gründen begrenzt sein. Der pharmazeutischeGroßhandel ist ebenfalls erheblich betroffen. Die Lager-haltung und damit verbundene Tätigkeiten wie Sortieren,Transportieren oder Verpacken sind zu großen Teilenstrombasiert. Darüber hinaus ist der bedarfsgerechte Wa-renfluss auf eine funktionierende Kommunikation zwi-schen Händler und Apotheke sowie eine intakte Ver-triebsinfrastruktur angewiesen.

Innerhalb der ersten zwei Stunden des Stromausfallskommt die pharmazeutische Produktion zum Erliegen.Ebenfalls wird der pharmazeutische Großhandel stark be-einträchtigt. So fallen maschinelle Kommissionierungs-anlagen aus, sodass pharmazeutische Produkte nur nachmanueller Kommissionierung bereitgestellt werden kön-nen. Dies ist jedoch durch den Ausfall der Beleuchtungund Datenverarbeitungssysteme erheblich erschwert. Da-durch entsteht ein erheblicher Mehraufwand beim Ein-und Ausgang von Waren. Daraus resultieren Verzögerun-gen im Vertrieb, die durch die Verkehrssituation weiterverstärkt werden.

In der Zeit bis zu acht Stunden nach dem Stromausfallkommt der Betrieb in der Produktion und den Lagernvollständig zum Stillstand. Teile der Beschäftigten verlas-sen in dieser Phase ihren Arbeitsplatz. Aufgrund der aus-gefallenen Kommunikationsanlagen können Bestellungennur noch über die Lieferanten aufgegeben werden.

Etwa 24 Stunden nach dem Stromausfall ist der zeitlich,lokal und bedarfsgerecht differenzierte Vertrieb pharma-zeutischer Produkte nicht mehr gewährleistet. Bestellun-gen können nicht mehr angenommen, Waren nicht ent-sprechend abgefertigt und aufgrund des sich zunehmenderschöpfenden Treibstoffvorrats der Fahrzeuge nicht aus-geliefert werden. Zudem verderben temperaturempfindli-che Produkte bei den Herstellern und in den Lagern.

2.5.4 Weitere Folgen – ein Blick in Woche 1

Bereits nach 24 Stunden zeigt sich, dass der Wegfall derStromversorgung die arbeitsteilig und dezentral aufge-baute medizinische Versorgung erheblich belastet. Pro-bleme bei einzelnen Einrichtungen verdichten sich zuneh-mend und beeinträchtigen in wachsendem Maße dieFunktion des Sektors, die Bevölkerung mit medizinischenund pharmazeutischen Dienstleistungen zu versorgen.

Zudem wirken sich zunehmend deutlicher die Folgen desStromausfalls in anderen Bereichen auf die medizinischeVersorgung aus:

– Bei der Lebensmittelversorgung gibt es Ausfälle in derProduktion, im Handel sowie beim Transport (Steets-kamp/von Wijk 1994, S. 58 ff.). Bei mehrtägigerDauer des Stromausfalls bricht die Versorgungsketteim betroffenen Gebiet nahezu vollständig zusammen.Eine Störung der Versorgung medizinischer Einrich-tungen mit Lebensmitteln und Spezialernährungen be-

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/5672

einträchtigt Behandlungsverläufe und bewirkt voraus-sichtlich die Häufung von Todesfällen.

– Probleme bei der Versorgung mit Trinkwasser sowieder Entsorgung von Abwasser und Müll gefährden dieGewährleistung der hygienischen Mindeststandards.

– Die Beeinträchtigung der Transport- und Verkehrsin-frastruktur erschwert nicht nur Einsätze von Rettungs-diensten, sondern auch Transport- und Verlegungsak-tionen sowie die Versorgung mit medizinischenGütern.

– Der Ausfall der Kommunikation beeinträchtigt wich-tige Schnittstellen der medizinischen Versorgung:zwischen Bevölkerung und Einrichtungen des Ge-sundheitswesens (z. B. Notrufe), zwischen den Ein-richtungen des Gesundheitswesens (z. B. Vorinformie-rung des Krankenhauses durch den Rettungsdienst)sowie innerhalb der Einrichtungen (z. B. zwischenStationen oder funktionalen Bereichen eines Kranken-hauses wie medizinische Versorgung, Pflege, techni-scher Dienst).

– Durch die Funktionsausfälle im Finanzdienstleistungs-sektor können Einkäufe nicht mehr getätigt und Rech-nungen nicht bezahlt werden. Hiervon sind vor allemder Zugang der Bevölkerung zu Apothekenleistungenund der pharmazeutische Handel betroffen.

In Anbetracht der sich abzeichnenden Folgen einerschweren Beeinträchtigung oder des Ausfalls der funktio-nalen Interdependenzen dieser Sektoren mit dem Gesund-heitswesen, erkennen die Behörden dringenden Hand-lungsbedarf.

Krankenhäuser

Die Krankenhäuser sind nach nur wenigen Tagen mitEngpässen bei der Versorgung mit Blutprodukten, Insulinund Spezialernährungen konfrontiert. Da die meistenKrankenhäuser nicht über eine eigene Krankenhausapo-theke verfügen, werden einzelne Medikamente knapp. Imweiteren Zeitverlauf führen auch nichtentsorgter (Sonder-)Müll und die fehlende Verfügbarkeit von Sterilgut undfrischer Wäsche zu hygienischen Problemen (Göbel et al2008, S. 22 f.; Steetskamp/von Wijk 1994, S. 68). Zuneh-mend verschärfen sich Probleme mit spezialisierten Ein-heiten wie Intensivstationen. Andere Bereiche, wo dieRaumluft besonders zu steuern oder geregelter Unter-druck erforderlich ist, müssen geschlossen werden. Auchdie Krankenhausapotheken, die Arzneimittel und Medi-zinprodukte für etwa 14 Tage vorrätig halten, können denBedarf nicht befriedigen. Einige Medikamente könnennur noch vereinzelt oder gar nicht mehr ausgegeben wer-den. Versuche, auf die Medikamentenvorräte von Apothe-ken, Handel und Herstellern zurückzugreifen, erweisensich bereits nach wenigen Tagen als ungenügend.

Die Trinkwasserversorgung ist nur noch in reduziertemUmfang möglich; teilweise muss auf in der Nähe befind-liche Trinkwassernotbrunnen zurückgegriffen werden(Kap. III.2.3).

Arztpraxen

Arztpraxen werden innerhalb der ersten Tage geschlos-sen. Eine vollwertige dezentrale Versorgung ist nichtmehr existent. Die Ärzte unterstützen die medizinischeVersorgung in Krankenhäusern und Sammelstellen. Ver-einzelt werden größere Arztpraxen – bei Vorliegen ent-sprechender Voraussetzungen – als Anlaufstation für Hil-fesuchende und zur Unterstützung von Krankenhäusernvorgesehen.

Apotheken

Einer kleinen Zahl von Apotheken kommt eine Verteiler-funktion für Medikamente zu, sofern sie mit NSA ausge-stattet sind und eine ausreichende Bevorratung bzw. einekontinuierliche Belieferung sichergestellt werden können.

Dialysezentren

Da zunächst keine dauerhafte Verlegung von Patienten,Apparaten und Dialysiermitteln in Krankenhäuser oderSammelstellen erfolgt, müssen Notstromkapazitäten inDialysezentren eingerichtet werden. Ist keine der beidenMöglichkeiten realisierbar, ist ein Überleben von Patien-ten mit vollständigem Nierenversagen ohne Dialysebe-handlung nur für Tage bis wenige Wochen möglich (ÄKVo. J.).89 Den Verantwortlichen ist klar, dass in diesem Falleine Verlegung der betroffenen Personen zu organisierenist.

Alten- und Pflegeheime

Wenn Patienten, die intensiv medizinisch betreut werdenmüssen, verlegt werden können und Notstrom vorhandenist, werden Alten- und Pflegeheime weiter betrieben. Al-lerdings werden dann der Ausfall der Toiletten, ausrei-chendes Frischwasser sowie die Versorgung mit medizi-nischen Gütern, Medikamenten oder sauberer Wäsche zukritischen Faktoren für die Qualität der Pflege (Steets-kamp/von Wijk 1994, S. 59). Da aber viele Einrichtungennicht weiterarbeiten oder nicht angemessen versorgt wer-den können, müssen die Patienten in Krankenhäuser oderSammelstellen verlegt werden, die allerdings selbst mitProblemen zu kämpfen haben.

Rettungsdienste

Die Arbeit der Rettungsdienste bleibt durch die reduzier-ten Notrufmöglichkeiten der Bevölkerung sowie auf-grund der begrenzten internen Kommunikationsmöglich-keiten erschwert. Das in den Rettungswagen vorhandenemedizinische Material nimmt rapide ab. Wären zudemOrte durch starke Schneefälle und/oder geringe Einsatzfä-higkeit der Straßenräumdienste abgeschnitten, müsstengeländegängige Fahrzeuge der Bundeswehr im Rahmender Amtshilfe eingesetzt werden.

89 Dauert der Stromausfall mehrere Wochen, ist mit fünfstelligen Opf-erzahlen zu rechnen (Reichenbach et al. 2008, S. 2).

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Drucksache 17/5672 – 84 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Hersteller und Handel

Im betroffenen Gebiet bleibt die Produktion medizini-scher und pharmazeutischer Produkte durch die Herstellereingestellt. Es erfolgen auch keine Lieferungen durch dendortigen Handel. Soweit wie möglich werden die gelager-ten Bestände an temperaturempfindlichen Produkten au-ßerhalb des betroffenen Gebiets gebracht. Für die länger-fristige Versorgung mit pharmazeutischen Produkten wirddie Organisation von Transporten aus nichtbetroffenenGebieten erwogen.

2.5.5 FazitDie dezentral und hocharbeitsteilig organisierte medizini-sche und pharmazeutische Versorgung kann den Folgeneines Stromausfalls nur kurz widerstehen. Bereits nach24 Stunden ist die Funktionsfähigkeit des Gesundheits-wesens erheblich beeinträchtigt. In den nächsten Tagenmüssen Dialysezentren sowie Alten- und Pflegeheime zu-mindest teilweise geräumt werden. Arztpraxen und Apo-theken sind zumeist geschlossen. Hausnotrufsysteme sindebenso nicht mehr einsatzfähig wie medizinische Appa-rate der häuslichen Pflege. Die Produktion und der Ver-trieb pharmazeutischer Produkte im Gebiet sind nichtmehr möglich. Die Bestände der noch geöffneten Apothe-ken sowie die Vorräte der Krankenhausapotheken werdenohne eine kontinuierliche Belieferung zunehmend lü-ckenhaft.

Negativ schlagen die ausgeprägten Interdependenzen mitanderen Infrastrukturen durch. Es zeigt sich die existen-zielle Abhängigkeit des Sektors beispielsweise von Le-bensmitteln, Treibstoff, Wasser und Kommunikationsmit-teln. Die nur notdürftig zu leistende Versorgung mitdiesen Gütern und die Erschöpfung der internen Bewälti-gungskapazitäten offenbaren die Grenzen der Resilienzdes Gesundheitssystems. Die wenigen zentralen Kran-kenhäuser, deren Eigenstromversorgung aufrechterhaltenwerden kann oder in denen Stromersatzanlagen unterbre-chungsfrei laufen, sind auf die Dauer überfordert, denkompletten Ausfall der ambulanten Versorgung und derhäuslichen Pflege zu kompensieren. Innerhalb einer Wo-che verschärft sich die Situation des Sektors derart, dasstrotz eines intensiven Einsatzes von regionalen Hilfskapa-zitäten vom völligen Zusammenbrechen der medizini-schen und pharmazeutischen Versorgung auszugehen ist.Die katastrophalen Zustände und die damit einherge-hende Häufung von Todesfällen machen die Zuführungexterner Unterstützung zwingend erforderlich.

2.6 FinanzdienstleistungenIn einer modernen Volkswirtschaft ist eine schnelle undsichere Abwicklung verschiedener Finanzdienstleistun-gen von zentraler Bedeutung. Dazu gehören:– Durchführung bargeldlosen Zahlungsverkehrs,90

– Annahme und Verwaltung von Publikumseinlagen,

– Gewährung von Krediten,

90 In Form von 6,9 Mrd. Lastschriften sowie 5,2 Mrd. Überweisungenwurden 2007 unbare Transaktionen über Girokonten realisiert (Deut-sche Bundesbank 2009a, S. 52).

– Verwaltung und Bewirtschaftung von Anlagen (z. B.Wertpapiere, Devisen) sowie

– Betrieb eines multilateralen Handelssystems (Börsen).

2.6.1 StrukturenDer „Finanzdienstleistungssektor“ ist in hohem Maße voneiner kontinuierlichen und stabilen Stromversorgung ab-hängig. Der Grund sind die für Kommunikation, Daten-haltung, Verfolgung und Regelung der Waren- und Geld-ströme sowie für den Zahlungs- und Datenverkehrgenutzten strombasierten Informations- und Kommunika-tionsinfrastrukturen. Diese bilden das „Nervensystem“des Sektors. Ein Ausfall dieser Infrastrukturen und diedamit einhergehende erschwerte oder verhinderte Erbrin-gung der wesentlichen Finanzdienstleistungen hätten gra-vierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft(EBP 2010, S. 34).

Die Finanzdienstleistungen werden von verschiedenenAkteuren erbracht, u. a.:

– Banken, Versicherungsgesellschaften, andere Finanz-gesellschaften und weitere bankähnliche Organisatio-nen (z. B. Postbank, Kreditkartenorganisationen)

– Zentralbanken (Europäische Zentralbank, DeutscheBundesbank)

– Clearingorganisationen (z. B. Clearstream, SIXGroup, weitere Gironetze/Girokreise91)

Im Folgenden werden drei Bereiche des Gesamtsystems„Finanzdienstleistungen“ näher betrachtet: Das Systemfür Publikumseinlagen und Kreditvergabe (Bankdienst-leistungssystem), das System des elektronischen Zah-lungsverkehrs und der damit verbundenen Elemente(Zahlungs- und Datenverkehrssystem) sowie das Systemzur Verwaltung und zum Handel von Anlagen aller Art(Börsensysteme).

Alle Teilsysteme basieren auf umfangreichen Informa-tions- und Kommunikationssystemen.

Bankdienstleistungssystem

Das System für Publikumseinlagen und Kreditvergabe(Abb. 22) umfasst im Wesentlichen die folgenden Ele-mente:– Arbeitgeber (Lohnzahlende)– Erwerbstätige (Lohnempfänger, Sparer)– Banken (Bank, Versicherungs- und Vorsorgeeinrich-

tung, andere bankähnliche Organisationen (z. B. Post)– Kreditnehmer (Unternehmen und Firmen, Einzelper-

sonen)

91 In Deutschland existieren für Überweisungen zwischen den Bankenfünf sogenannte Gironetze oder Girokreise, die ihrerseits ebenfallsvernetzt sind und auch Zahlungen mit dem Ausland abwickeln. Diessind das Netz der Deutschen Bundesbank, das Postgironetz der Deut-schen Postbank, das Netz für den Privatgiroverkehr der Groß-, Re-gional- und Privatbanken, das Spargironetz der Kommunalbankenund Sparkassen sowie das Netz für den Ringgiroverkehr der Genos-senschaftsbanken.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/5672

Zahlungs- und Datenverkehrssystem

Im Wesentlichen besteht ein Zahlungs- und Datenver-kehrssystem (Abb. 23) aus den folgenden Elementen:

– Zahlungsleistende

– Zahlungsempfänger

– Banken (eigentliche Zahlungsintermediäre: Banken,Postbank, Dritte)

– Clearingorganisationen (Gironetze/Girokreise)

– Zentralbanken (Europäische Zentralbank, DeutscheBundesbank)

Börsensysteme

Das Börsensystem (Abb. 24) besteht vor allem aus fol-genden Elementen:

– Auftraggeber für Kauf bzw. Verkauf

– ausführende Banken der jeweiligen Auftraggeber

– Handelsplattformen (plattformbetreibende Organisa-tion, z. B. Börse)

– Clearingorganisationen

– Zentralbanken

A b b i l d u n g 2 2

Bankdienstleistungssystem (vereinfachte Darstellung)

Quelle: EBP 2010, S. 36

Bank A- verw. Publikums- einlagen- Anlageverwaltung- Kreditvergabe

Unternehmen/Arbeitgeber

Erwerbstätige

Einzahlungen/Auszahlungen

LohnzahlungKredit-nehmer anlegen

investieren/finanzieren

Anstellungsverhältnis

A b b i l d u n g 2 3

Zahlungs- und Datenverkehrssystem (vereinfachte Darstellung)

Quelle: EBP 2010, S. 37

Zahlungs-leistende

(z.B. Konsument)

Zahlungs-empfänger

(z.B.Detailhändler)

Clearing-organisation

Zahlungs-intermediär

(Banken,Post,

Dritte)

Zahlungs-intermediär

(Banken,Post,

Dritte)

Zahlungs-anweisung/Bestätigung

Zahlungs-empfang/

Bestätigung

Geldversorgung Geldversorgung

Realtransaktion

Abwicklung/Zahlung

Abwicklung/Zahlung

Zentralbank

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Drucksache 17/5672 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2.6.2 Rechtliche GrundlagenDie relevanten rechtlichen Grundlagen dieses Sektorswerden analog der zuvor beschriebenen Unterteilung indie Teilsektoren Bankdienstleistungssystem, Zahlungs-und Datenverkehrssystem und Börsensysteme darge-stellt.92

Bankdienstleistungssystem

Für diesen Teilsektor liegt kein gesetzlich ausdifferen-ziertes Vorsorgeinstrumentarium vor, das z. B. explizitzwischen speziellen Vorsorgepflichten, Sicherheitskon-zepten, Sicherheitsbeauftragten und Ähnlichem unter-scheidet. Der Gesetzgeber statuiert hier vielmehr Gene-ralklauseln mit Organisations- und Sicherungspflichten,die durch Normenauslegung bzw. durch behördlicheKonkretisierung auszufüllen sind (BSI 2005, S. 73). EinBeispiel ist § 25a Absatz 1 Kreditwesengesetz (KWG),der besondere organisatorische Pflichten für Kredit- undFinanzdienstleistungsinstitute benennt. Diese Pflichtenbetreffen nicht nur strom- und/oder IT-bezogene Aspekte(z. B. Sicherheitsvorkehrungen für die EDV), sondernauch Aspekte der internen Revision, der Dokumentationder Geschäftstätigkeiten u. Ä. Explizite Aussagen zu IT-spezifischen Pflichten enthält § 25 in Absatz 1 Num-

92 Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich im Wesentlichen aufdas Gutachten zur rechtlichen Analyse des Regelungsumfangs zurIT-Sicherheit in kritischen Infrastrukturen, das im Jahr 2002 vom BSIerarbeitet und 2005 aktualisiert wurde (BSI 2005).

mer 3, wonach das Risikomanagement die Festlegung ei-nes angemessenen Notfallkonzepts, insbesondere für IT-Systeme, einschließen muss. Neben dem KWG enthältauch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) Generalklau-seln mit einem IT-spezifischen Sicherheitsbezug (bei-spielsweise § 33 Absatz 1 WpHG) (BSI 2005, S. 75).

Die gesetzlichen Vorgaben müssen so umgesetzt werden,dass sie alle EDV-spezifischen Risiken abdecken – undinsofern auch die Folgen eines Stromausfalls. Hierbeisind die Rundschreiben, Verlautbarungen und Richtliniender zuständigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-aufsicht (BaFin) einschlägig. Obwohl diese untergesetzli-chen Vorsorgeinstrumente keinen rechtlich bindendenCharakter haben, betrachten die Adressaten die jeweili-gen Vorgaben als verbindlich und setzen diese um (EBP2010, S. 9).

Zahlungs- und Datenverkehrssystem

Für die Ausgestaltung des unbaren (d. h. elektronischen)Zahlungsverkehrs bilden die Regelungen im Bundes-bankgesetz (BBankG) (insb. § 3 u. § 19 Absatz 1 Num-mer 2) die gesetzliche Grundlage. Demnach obliegen diebankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inlandund mit dem Ausland ebenso wie die Wahrung von Effi-zienz und Sicherheit im Zahlungsverkehr der Bundes-bank. Da aber das Bundesbankgesetz zur Wahrnehmungdieser Befugnisse keine hoheitlichen Eingriffsbefugnissestatuiert, setzt die Bundesbank auf Kooperation mit denanderen relevanten Teilnehmern im Zahlungsverkehrs-

A b b i l d u n g 2 4

Börsensystem (vereinfachte Darstellung)

Quelle: EBP 2010, S. 38

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/5672

system (BSI 2005, S. 83) – sowohl auf nationaler als auchauf internationaler Ebene.93 Die hierbei entstandenenRichtlinien der Spitzenverbände der Kreditwirtschaft flie-ßen als wesentliche Bestandteile in das Business Continu-ity Management (BCM)94 der verschiedenen Akteure einund zielen auf die Wahrung von Effizienz und Sicherheitim Zahlungsverkehr (Deutsche Bundesbank 2009a). Sowurden beispielsweise umfangreiche organisatorische,technische und personelle Maßnahmen getroffen, um dieAbwicklung des Großbetragszahlungsverkehrs, aber auchdie Bargeldversorgung, die Refinanzierung der Kredit-wirtschaft und das Management der Währungsreservenzu gewährleisten (BBK 2008a, S. 120).

Börsensystem

Maßgebend für die gesetzlichen Sicherungspflichten derBörsen sind das Börsengesetz (BörsG), z. B. § 1Absatz 3, der Vorkehrungen zum sicheren Börsenbetriebverlangt, und das WpHG) sowie vor allem die unterge-setzlichen Regelungen wie die vom jeweiligen Börsen-rat95 erlassene Börsenordnung. So enthält z. B. der fünfteAbschnitt der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapier-börse Bestimmungen zum elektronischen Handelssystem,die wiederum durch spezielle Durchführungsbestimmun-gen über technische Einrichtungen konkretisiert werden.Von der Frankfurter Wertpapierbörse erlassene spezielleDurchführungsbestimmungen umfassen Vorschriftenüber technische Anforderungen, (personelle) Erreichbar-keit und Informationspflichten der Handelsteilnehmer. Somüssen beispielsweise sämtliche vom Handelsteilnehmereingesetzten Hardwarekonfigurationen von der Frankfur-ter Wertpapierbörse zuvor genehmigt werden. Auch darfnur von ihr zur Verfügung gestellte Software benutzt wer-den. Zudem sind Handelsteilnehmer dazu verpflichtet,eine Notfallplanung zu erstellen und die dafür notwendi-gen infrastrukturellen und personellen Ressourcen bereit-zuhalten (BSI 2005, S. 88 ff.).

Obwohl die Normierung für IT-Schutzmaßnahmen imWesentlichen in untergesetzlichen Regelwerken erfolgt,gilt der Regelungsumfang im Börsenbereich als ausdiffe-renziert und gut auf typische IT-Bedrohungslagen ausge-richtet (BSI 2005, S. 96).

93 So wirkt die Bundesbank auf nationaler Ebene z. B. in den Gremiendes Zentralen Kreditausschusses (ZKA) mit und hat somit die Mög-lichkeit, die Gestaltung von Zahlungsverkehrsabkommen und damitden technisch-organisatorischen und rechtlichen Rahmen des deut-schen Zahlungsverkehrs zu beeinflussen. Auf europäischer bzw. in-ternationaler Ebene wirkt die Bundesbank als integraler Bestandteildes Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und als Mit-glied im Ausschuss für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme(Committee on Payment and Settlement Systems, CPSS) der Zentral-banken der G10-Länder aktiv an der Entwicklung entsprechenderLeitlinien und Prinzipien zu operationellen Risiken im Zahlungsver-kehr mit (EBP 2010, S. 40).

94 Das BCM umfasst die Maßnahmen, die ergriffen werden sollten, umin einem Krisen- oder Katastrophenfall den Betrieb möglichst auf-rechtzuerhalten.

95 Der Börsenrat ist ein Kontroll- und Aufsichtsorgan und hat verschie-dene Aufgaben, u. a. den Erlass der oben erwähnten Börsenordnung.

2.6.3 Folgen

2.6.3.1 Bankdienstleistungssystem

Größere Banken, Versicherungs- und Vorsorgeeinrichtun-gen und andere bankähnliche Organisationen haben sichauf Stromausfälle vorbereitet. Ihr BCM für den Fall einesStromausfalls variiert zwar, zeigt aber auch zahlreicheGemeinsamkeiten (EBP 2010, S. 42). In der Regel defi-nieren die einzelnen Geschäftsbereiche innerhalb einesUnternehmens (z. B. Zahlungsverkehr, Anlageverwal-tung), welches die kritischen Geschäftsprozesse sind undlegen fest, wie sie diese im Fall eines länger andauerndenStromausfalls fortführen wollen. Kritische Geschäftspro-zesse sind insbesondere Tätigkeiten rund um Zahlungs-und Datenverkehr, Datenhaltung und Kontenbewegun-gen, Handel und Wertpapierabwicklung sowie die Versor-gung mit liquiden Mitteln (u. a. Bargeldversorgung)(Bankenverband 2004, S. 20 ff.).

Eine grundlegende technische Option, dies sicherzustel-len, ist eine entsprechende Notstromversorgung für dieessenziellen Informations- und Kommunikationsinfra-strukturen (Server und Datenleitungen), aber auch für dieArbeitsplätze und wichtige Einrichtungen (z. B. Tresore).Zudem ist vielerorts vorgesehen, im Fall eines großflächi-gen und/oder langandauernden Ereignisses sowohl dieDaten als auch die Belegschaft an einen nichtbetroffenenStandort zu verlagern (z. B. in das Ausland, häufig Lon-don). Einige Kreditinstitute unterhalten zu diesem ZweckAusweichstandorte mit der entsprechenden Kommunika-tions- und Informationsinfrastruktur in geografisch z. T.weitentfernten Regionen. Zudem verfügen Banken in derRegel über eine gesicherte Notstromversorgung (diesel-betriebene Netzersatzanlage) für etwa eine Woche, wobeifür länger dauernde Stromausfälle entsprechende Liefer-verträge mit Zulieferern bestehen, die eine Versorgunggarantieren sollen. Innerhalb dieses Zeitraums könntendie kritischen Geschäftsprozesse in nichtbetroffene Re-gionen ausgelagert werden (EBP 2010, S. 12 ff.).

Bargeldversorgung in Deutschland

Bargeld hat in Deutschland eine hohe Bedeutung –65 Prozent der Zahlungen im Einzelhandel erfolgen bar(BBK 2008a, S. 119).

Die Deutsche Bundesbank bringt das Bargeld in denWirtschaftskreislauf. Dazu unterhält sie ein über ganzDeutschland verteiltes Filialnetz, in dem sie auch diezentralen strategischen Reserven vorhält (Vorratshal-tung von Bargeld). Die Bundesbank stellt durch geeig-nete Maßnahmen sicher, dass dieses Filialnetz auch imFall einer schweren Krise funktionsfähig bleibt, d. h.,dass die Auszahlung von Bargeld in der von den Bankenbenötigten Größenordnung jederzeit gewährleistet ist(BBK 2008a, S. 119). Die großflächige Verteilung derBanknoten (Transport des Bargelds von den Bundes-bankfilialen zu den Banken) ist Aufgabe der Kreditwirt-schaft, d. h. der Banken und der von ihnen beauftragtenprivaten Werttransportunternehmen (Fabritius 2009).

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Drucksache 17/5672 – 88 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

96

Die jederzeitige Verfügbarkeit von Bargeld ist eine derwichtigsten Finanzdienstleistungen. Eine Nichtverfügbar-keit in einer Krisensituation wird bei der betroffenen Be-völkerung die ohnehin schon vorhandene Unsicherheitweiter erhöhen. Die Nachfrage nach Bargeld dürfte in ei-ner Krisensituation schnell zunehmen, durchschnittlichsoll ein Bürger in Deutschland 118 Euro mit sich tragen(Deutsche Bundesbank 2009b, S. 40). Es ist damit zurechnen, dass bei einem länger andauernden Stromausfalldie Verteilung des Bargelds durch Banken und privateWertdienstleister nicht über die ganze Zeit gewährleistetist. Die Bundesbank gibt aber an, dass zur „Bewältigungeines Not- oder Katastrophenfalls … spezielle Vorkeh-rungen im Rahmen einer Krisenmanagementorganisa-tion“ getroffen worden sind (BBK 2008a, S. 120).

Folgen

0 bis 2 Stunden

Der plötzliche Stromausfall führt bei Banken dazu, dasssofort damit begonnen wird, die für das BCM vorgesehe-nen Maßnahmen umzusetzen. Größere Banken sind in derRegel so ausgerichtet, dass die essenziellen Finanzdienst-leistungen (kritische Geschäftsprozesse) dank einer ent-sprechenden Notstromversorgung der dafür notwendigenInformations- und Kommunikationssysteme weiter ga-rantiert werden können. Bei allen Kreditinstituten sinddie kritischen Server (mit Daten zu Zahlungsverkehr, An-lageverwaltung u. Ä.) gegen Stromausfall gesichert, so-dass essenzielle Daten nicht verloren gehen.

Größere Banken verfügen zudem über eine ausreichendeNotstromversorgung, um auch die Arbeitsplätze (Backof-fice, Schalter) der Angestellten zu versorgen. Diese kön-nen zunächst wie gewohnt weiterarbeiten. Bei kleinerenBanken, die nicht über entsprechende Vorkehrungen ver-fügen, kann hingegen ein Großteil der Angestellten nichtmehr weiterarbeiten. Da zunächst nicht bekannt ist, wielange der Stromausfall dauern wird, bleiben die Ange-stellten vorerst im Gebäude (EBP 2010, S. 45 ff.).

Die Schalter sind zunächst noch besetzt, und die Kund-schaft wird weiter bedient. Bargeld ist genügend vor-handen. Noch erreichen Bargeldtransporte, die zum Zeit-punkt des Stromausfalls unterwegs waren, ihrenBestimmungsort, wenn auch mit Verspätungen aufgrund

Das von den Bundesbankfilialen bereitgestellte Bargeldwird durch spezialisierte Transportfirmen zu den jewei-ligen Bankhäusern transportiert. Die Banken wiederumstellen ihren Kunden Bargeld über Geldautomaten96

oder über bediente Schalter zur Verfügung. Weil dieserProzess auch in Krisenzeiten funktionieren muss, beste-hen neben allgemeinen Notfallplänen auch technischeVorkehrungen zur Absicherung dieses Geschäftsprozes-ses, die eine gewisse Zeit des Stromausfalls überbrü-cken können (EBP 2010, S. 44).

96 2008 beliefen sich die Abhebungen auf 1,99 Mrd. Euro (DeutscheBundesbank 2009a).

aufkommender Verkehrsprobleme wie Staus und Sper-rungen (Kap. III.2.2). Bei einigen kleineren Banken sindkeine Vorkehrungen für den Weiterbetrieb der Schaltergetroffen, diese müssen ihre Schalter schließen.

Die reine Verwaltung von Publikumseinlagen und von(Finanz-)Anlagen ist zu Beginn des Stromausfalls nichttangiert, sofern die betreffende Bank die entsprechendenArbeitsplätze im Backoffice mit Notstrom versorgenkann. Die Daten sind gesichert, und Aufträge, die vordem Stromausfall an die entsprechende Handelsplattformabgeschickt wurden, können noch ausgeführt werden.Auch Kredite können nach Beginn des Stromausfallsnoch vergeben werden.

Die Bevölkerung hat in großen Teilen des betroffenenGebiets keine Möglichkeit mehr, Geld an Geldautomatenabzuheben oder einzuzahlen. Diese verfügen in der Regelweder über eine USV noch eine Netzersatzanlage undsind demnach gleich zu Beginn außer Betrieb. Dies giltnicht für Automaten, die direkt an Bankgebäuden ange-bracht und an die dortige interne Netzersatzanlage ange-schlossen sind. Die Zahl dieser Geldautomaten ist aller-dings sehr klein (EBP 2010, S. 46). In der Folge stehendie Kunden an den Schaltern ihrer Banken an, um Bar-geld abzuheben, da mittlerweile ersichtlich geworden ist,dass auch die elektronische Bezahlung über EC- oderKreditkarten in den Geschäften nicht mehr möglich ist.97

Lohnzahlungen, die ein Arbeitgeber schon in Auftrag ge-geben hat und für die bei der entsprechenden Bank De-ckung besteht, werden noch ausgeführt. Lohnzahlungenneu in Auftrag zu geben, ist teilweise schon schwierig:Bei vielen kleineren und mittleren Unternehmen sind dieInformations- und Kommunikationsinfrastrukturen aus-gefallen (EBP 2010, S. 47).

2 bis 8 Stunden

Der Betrieb in größeren Banken bleibt im Wesentlichenaufrechterhalten. Insbesondere die kritischen Geschäfts-prozesse sind sichergestellt. Allerdings macht sich in ei-nigen Bereichen nun bemerkbar, dass Kommunikations-anlagen, die auf dem öffentlichen Telefonnetz basieren,nach und nach ausfallen.

Die Schalter bleiben besetzt, und es wird, falls möglichund gemäß BCM vorgesehen, noch bedient. Es ist schondeutlich mehr Kundschaft an den Schaltern, die Geld vonihrem Konto abheben möchte, da die Geldautomatennicht mehr funktionieren. Bargeld ist genügend vorrätig;auch werden noch Bargeldtransporte durchgeführt. Beieinigen kleineren Banken sind die USV ausgefallen oderdie Schalter sind von vornherein geschlossen. Es kommtgelegentlich zu Unmutsäußerungen seitens der Kund-schaft. Einige Vorgänge werden angesichts der unklarenSituation zunächst schriftlich auf Papier festgehalten, umdiese später zu verbuchen (EBP 2010, S. 47).

97 2008 wurden Zahlungen in Höhe von 2,13 Mrd. Euro getätigt (Deut-sche Bundesbank 2009a).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89 – Drucksache 17/5672

Während die handlungsunfähigen Angestellten (insbe-sondere im Backoffice von kleineren Banken) nachhausegeschickt werden, müssen andere am Arbeitsplatz blei-ben. Sie werden vor allem an den Schaltern eingesetzt,um die allmählich zahlreicher werdende Kundschaft so-weit möglich zu bedienen. Insbesondere die Ausgabe vonBargeld ist vermehrt nachgefragt, aber auch besorgte Fra-gen nach Lohnzahlungen, Überweisungen und Ähnlichesmüssen beantwortet werden. In Banken, in denen das Per-sonal zu wenig vorbereitet ist und/oder die Ausgabe vonBargeld nicht richtig funktioniert, herrschen teils chaoti-sche Szenen. An einigen Orten ist der Einsatz von Poli-zeikräften notwendig – sofern diese verfügbar sind. DieseBanken entscheiden – in der Annahme, dass der Stromdann wieder da ist – früher zu schließen und am nächstenTag die (unerledigten) Geschäfte wieder aufzunehmen(EBP 2010, S. 47 f.).

Spätestens acht Stunden nach Beginn des Stromausfallswird das Tagesgeschäft soweit möglich abgeschlossen.Informationen über die absehbare Dauer des Stromaus-falls fehlen. Dennoch machen sich in einigen größerenBanken die Geschäftsleitung und die Verantwortlichendes BCM erste Gedanken über nächste Schritte im Falleines länger andauernden Stromausfalls. Es wird geprüft,ob kritische Geschäftsprozesse in nichtbetroffene Lan-desteile oder sogar in das Ausland verlegt werden sollen.Zudem müssen bei größeren Banken einige Angestellteüber Nacht im Gebäude bleiben, um sicherzustellen, dassdie kritischen Geschäftsprozesse auch am nächsten Tagweitergeführt werden können, wenn bis dahin Strom im-mer noch nicht verfügbar sein sollte (EBP 2010, S. 48).

Die Verwaltung der Publikumseinlagen und der Anlagenruht dort, wo die Banken ihren Angestellten keine not-stromversorgten Arbeitsplätze zur Verfügung stellen kön-nen. Dies ist insbesondere bei den kleineren Banken derFall. Größere Institute verwalten in ihren wichtigsten Fi-lialen wie gewohnt bis zum Ende des Arbeitstages undüberführen – sofern möglich – die Verwaltung der Publi-kumseinlagen und der Finanzanlagen über ihre gegenStromausfall gesicherten Datenleitungen98 in nichtbetrof-fene Filialen.

Die Kunden im betroffenen Gebiet haben zunehmendSchwierigkeiten, mit ihren Banken zu kommunizieren.Sowohl Anweisungen über Telefon (mobil und Festnetz)als auch über das Internet sind zum großen Teil nichtmehr möglich. In der Folge erleiden Investoren und Un-ternehmen wirtschaftliche Verluste infolge entgangenerGewinne (EBP 2010, S. 48). Kreditverhandlungen wer-den zunehmend weniger geführt, sofern sich die Beteilig-ten trotz des Verkehrschaos überhaupt treffen können.Überweisungen von Konto zu Konto innerhalb des Ban-kensektors funktionieren noch. Verhandlungen über Tele-fon sind bereits wenige Stunden nach Beginn desStromausfalls nicht mehr möglich.

98 Solche Datenleitungen basieren meistens auf Glasfaserkabeln, fürderen Betrieb der Notstrom in den jeweiligen angeschlossenen Re-chenzentren in der Regel ausreicht.

8 bis 24 Stunden

Auch am Tag nach dem Stromausfall bleibt der Betriebder kritischen Geschäftsprozesse in den größeren Bankenim Wesentlichen aufrechterhalten. Allerdings verschlech-tern sich die Arbeitsbedingungen, da in den meisten Ban-ken beispielsweise die Kantinen nicht mehr betriebenwerden können, Aufzüge nicht funktionieren und Heizun-gen ausgefallen sind. Beleuchtung und Arbeitsplätze sindnach wie vor verfügbar. Etwa zwei Drittel der Angestell-ten, die zum Erscheinen verpflichtet sind, erscheinen anihren Arbeitsplätzen (EBP 2010, S. 19). Zusammen mitden Teams, die über Nacht im Gebäude geblieben sind,müssen sie die kritischen Geschäftsprozesse aufrechter-halten und z. T. die Schalter besetzen. Kommuniziertwerden kann nun nur noch über die gesicherten Datenlei-tungen (Zahlungsverkehrssysteme, Verbindungen zuClearingorganisationen und Handelsplätzen, Verbindun-gen zu anderen größeren Banken) (EBP 2010, S. 49).

Die Schalter sind in größeren Banken besetzt, und Bar-geld kann weiterhin ausgegeben werden. Auch werdennoch Geldtransporte durchgeführt. Immer mehr Men-schen möchten Bargeld abheben, da nur noch mit Bargeldeingekauft werden kann.99 Auch Fragen zu Lohnzahlun-gen und Rechnungen müssen beantwortet werden. Klei-nere Banken öffnen erst gar nicht und betreiben nur nochdas Backoffice bzw. die kritischen Geschäftsprozesse(EBP 2010, S. 49).

Die Verwaltung der Publikumseinlagen und der Finanz-anlagen ruht nunmehr vor allem bei kleineren Banken,wo keine notstromversorgten Arbeitsplätze verfügbarsind. Größere Institute verwalten weiter, allerdings mit al-len resultierenden Einschränkungen (verschlechterte Ar-beitsbedingungen, kaum/keinen Kontakt zu Kunden/Investoren). Sie leiten aber erste Schritte ein, um dieseTätigkeiten in nichtbetroffene Gebiete auszulagern.

Investoren und Unternehmen im betroffenen Gebiet ha-ben nun fast keine Möglichkeiten mehr, mit ihren Bankenzu kommunizieren. Sowohl Anweisungen über Telefon(mobil und Festnetz) als auch über das Internet sind nichtmehr möglich, auch wenn die betreffenden Investoren/Unternehmen über funktionierende Endgeräte verfügensollten. In der Folge erleiden sie wirtschaftliche Verluste.Verhandlungen über Kreditvergaben werden nur noch inäußerst dringenden Fällen durchgeführt, sofern sich dieBeteiligten trotz der Verkehrsprobleme persönlich treffenkönnen.

Da nach wie vor davon ausgegangen wird, dass dieStromversorgung bald wiederhergestellt wird, und vieler-orts die Tragweite des Ereignisses noch nicht bekannt ist,werden von den Geschäftsleitungen und den Verantwort-lichen des BCM erst am Ende des Tages nach demStromausfall die ersten Schritte für den Fall eines längerdauernden Stromausfalls eingeleitet (kritische Geschäfts-

99 Zwar bestünde noch die Möglichkeit, mit Schecks zu bezahlen, diesesind heute aber weitgehend aus dem privaten Gebrauch verschwun-den. Zudem akzeptieren nur sehr wenige Geschäfte Schecks.

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Drucksache 17/5672 – 90 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

prozesse in nichtbetroffene Regionen verlegen) (EBP2010, S. 50).

24 Stunden bis 1 Woche

In der Woche nach dem Stromausfall bleibt in den größe-ren Bankhäusern weiterhin ein eingeschränkter Betrieb(d. h. Aufrechterhaltung der kritischen Geschäftsprozessesowie – eingeschränkt – Bedienung an den Schaltern)möglich. Gegen Ende der ersten Woche sind die kriti-schen Geschäftsprozesse in nichtbetroffene Regionenausgelagert. Dazu wurden die dafür notwendigen Arbeits-kräfte mit Bussen aus nichtbetroffenen Gebieten zu denfür solche Fälle vorgehaltenen Ausweichstandorten100

transportiert. Dort realisieren sie die kritischen Geschäfts-prozesse mittels der von einem vorausgeschickten Teamin Betrieb genommenen redundanten Informations- undKommunikationsinfrastrukturen. Allerdings müssen zu-sätzlich aus nichtbetroffenen Regionen weitere Arbeits-kräfte hinzugezogen werden, da nicht alle erforderlichenAngestellten bereit waren, ihre Familien und ihren Wohn-raum im betroffenen Gebiet zurückzulassen (EBP 2010,S. 51).

Auszahlungen von Bargeld an den Schaltern sind nach ei-nigen Tagen praktisch nicht mehr möglich, da insbeson-dere die Geldtransporte durch Private von den Bundes-bankfilialen zu ihren Bestimmungsorten nicht mehr in dernotwendigen Anzahl durchgeführt werden. Zwar werdendie für eine solche Situation vorgesehenen Maßnahmen(Verteilung der Geldnoten unabhängig von privat durch-geführten Geldtransporten) durch die Bundesbank in An-griff genommen, nachdem absehbar geworden ist, dassder Stromausfall längere Zeit dauert. Sie wird dabei vonweiteren staatlichen Stellen (wie der Polizei) unterstützt(BBK 2008a, S. 119). Doch angesichts der Größe des be-troffenen Gebiets bleibt Bargeld knapp. Verschärfendkommt hinzu, dass aufgrund von Transportproblemenund Hamsterkäufen die Preise für Grundnahrungsmittelund andere Güter steigen. Die Bevölkerung ist mittler-weile stark verunsichert, da zunehmend klarer wird, dassder Stromausfall weiter andauern wird (EBP 2010,S. 51 ff.).

Am Ende der ersten Woche haben nun auch die größerenBanken Probleme, ihre Notstromversorgung aufrechtzu-erhalten. Die Treibstoffvorräte für die Netzersatzanlagengehen zur Neige, und es gibt Probleme bei Nachschublie-ferungen. In der Folge werden die meisten Schalter ge-schlossen. Kritische Geschäftsprozesse sind davon nichttangiert, da diese in nichtbetroffene Regionen ausgelagertwurden.101 Kleinere Banken stellen ihre kritischen Ge-schäftsprozesse ein und versuchen, Datenverluste zu ver-meiden (EBP 2010, S. 52). Die Verwaltung der Publi-

100 Ein Ausweichstandort ist ein von dem jeweiligen Kreditinstitut un-terhaltenes Gebäude an einem anderen Ort, wohin sowohl die Datenals auch Teile der Belegschaft verlagert werden können. Solche Ge-bäude sind mit der entsprechenden redundanten Kommunikations-und Informationsinfrastruktur ausgestattet, um die kritischen Ge-schäftsprozesse übernehmen zu können.

kumseinlagen und der Finanzanlagen wurde entweder innichtbetroffene Regionen ausgelagert oder ruht.

Unternehmen, die ihre Tätigkeiten nicht in nichtbetrof-fene Regionen verlegt haben oder deren (kleinere) Ban-ken nicht über die Möglichkeit verfügen, mittels Aus-weichinfrastruktur die Verwaltung der Finanzanlagenweiterzuführen, haben nun keine Möglichkeit mehr, zuinvestieren und zu finanzieren. Sie erleiden deshalb grö-ßere wirtschaftliche Verluste. Verhandlungen über Kredit-vergaben sowie Kreditvergaben selbst sind – innerhalbdes betroffenen Gebiets – vollständig zum Erliegen ge-kommen.

Bei ersten Betrieben treten gegen Ende der Woche Liqui-ditätsengpässe auf, da einerseits keine Einnahmen mehrgetätigt werden können oder Rechnungen aufgrund desStromausfalls von den jeweiligen Kunden nicht bezahltwerden und andererseits zahlreiche Außenstände dennochbeglichen werden (automatisierte Zahlungen werden vonden Banken trotz Stromausfall dennoch ausgeführt) (EBP2010, S. 53).

Ein Blick in Woche 2

Die kritischen Geschäftsprozesse der größeren Bankenbleiben dank der Ausweichstandorte weiter gewährleistet.Nachdem zu Anfang ein Personalengpass für den Betriebder Ausweichstandorte bestand, ist dieser nun mittels Ar-beitskräften aus nichtbetroffenen Regionen behoben wor-den.

In den Hauptfilialen einiger Banken bestehen zwar Pla-nungen, zu bestimmten Zeiten zu öffnen und eine be-grenzte Zahl von Schaltern zu besetzen, allerdings habendie meisten Verantwortlichen in der zweiten Woche ent-schieden, die Schalter zu schließen. Gründe sind man-gelnde Sicherheit für das Personal (unzufriedene und z. T.aggressive Kundschaft), Mangel an Bargeld, gefährdeteVersorgung mit Notstrom sowie die Tatsache, dass sehrviele Angestellte ihren Arbeitsplätzen fernbleiben, umsich um ihre Familien und Wohnungen zu kümmern.Banken, die in Schließfächern Wertsachen einlagern, sindeinem erhöhten Einbruchsrisiko ausgesetzt und müssenggf. von privaten Sicherheitsfirmen oder von der Polizeibewacht werden.

Die Bargeldversorgung der Bevölkerung wird durch Maß-nahmen der Bundesbank nur mühsam aufrechterhalten.

Investoren und Unternehmen, die ihre Tätigkeiten nichtverlegen konnten oder nicht über die Möglichkeit einerAusweichinfrastruktur verfügen, haben nun keine Mög-lichkeit mehr, zu investieren und zu finanzieren und erlei-den wirtschaftliche Verluste. Bei einer Vielzahl an Unter-

101 Die gegenseitige Unterstützung von Instituten in solch einem Krisen-fall durch Übernahme kritischer Geschäftsprozesse eines Teils derBanken durch andere mit den entsprechenden Voraussetzungen wirdim schweizerischen Finanzsektor als eine Option angedacht (Steue-rungsgremium BCP Finanzplatz Schweiz [September 2009]):„Business Continuity Planning im schweizerischen Finanzsektor:Eine Bestandsaufnahme.“ (www.snb.ch/de/mmr/reference/bcp_2009/source).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/5672

nehmen, deren Verpflichtungen trotz des Stromausfallsweiterlaufen, treten nun Liquiditätsengpässe auf.

2.6.3.2 Zahlungs- und Datenverkehrssystem

Wie zuvor gezeigt ist das Zahlungs- und Datenverkehrs-system zwischen den Finanzintermediären (Banken undbankähnliche Organisationen), den Handelsplattformenund den Zentralbanken gegen einen großflächigen undlangandauernden Stromausfall weitgehend gesichert.

Nicht gesichert ist dagegen der (elektronische) Zahlungs-und Datenverkehr zwischen dem Zahlungsempfängerbzw. dem Zahlungsleistenden und deren jeweiligem Zah-lungsintermediär. Bei einem Stromausfall wird es in vie-len Geschäften umgehend nicht mehr möglich sein, miteiner EC- oder einer Kreditkarte zu zahlen, da die Endge-räte nicht mehr funktionieren. Dort, wo ein Geschäft übereine USV verfügt, dürften elektronische Zahlungen nochso lange erfolgen, wie die Leitungen des Festnetztelefonsfunktionieren (etwa bis zu acht Stunden).

Folgen

0 bis 2 Stunden

Nach dem Ausfall der Stromversorgung stellen sowohlbei Zahlungsintermediären als auch bei den entsprechen-den Clearingorganisationen zunächst die USV und späterdie Netzersatzanlagen die Funktion der Systeme sicher.Hierdurch wird der Verlust der Daten für den elektroni-schen Zahlungsverkehr verhindert. Auch die Kommuni-kationsinfrastrukturen (gesicherte Datenleitungen) funk-tionieren, sodass der (automatisierte) Austausch zwischenden Zahlungsintermediären, Clearingorganisationen undZentralbanken über die gesamte Dauer des Stromausfallsweiter stattfinden kann (EBP 2010, S. 62).

Auch die Tätigkeiten der Europäischen Zentralbank undder Deutschen Bundesbank sind nicht eingeschränkt, daauch diese gegen einen Stromausfall gesichert sind. Dasgesamteuropäische Zahlungsverkehrssystem ist vomStromausfall grundsätzlich nicht betroffen und funktio-niert über die gesamte Dauer des Stromausfalls.102

Probleme gibt es allerdings bei den Zahlungsleistendenund den Zahlungsempfängern: In vielen Geschäften ist esbereits unmittelbar nach dem Stromausfall nicht mehrmöglich, elektronische Zahlungen mit EC- und Kredit-karten durchzuführen, da die entsprechenden Terminals(Einlesegeräte) nicht mehr funktionieren. Dadurch kön-nen sowohl die Karten nicht mehr eingelesen als auchkeine entsprechenden Zahlungsanweisungen an die Zah-lungsintermediäre geschickt werden. Käufe können nurnoch mit Bargeld durchgeführt werden. Aber auch An-weisungen für Distanzzahlungen (von zuhause mit demInternet) sind nicht mehr möglich, da die Zahlungsleis-tenden in den meisten Fällen keine Möglichkeit mehr ha-

102 Dies könnte zurückzuführen sein auf die Maßnahmen, die in denletzten Jahren von der 2002 eingerichteten Arbeitsgruppe „Krisen-management Zahlungs- und Verrechnungssysteme“ definiert undumgesetzt wurden (EBP 2010, S. 62).

ben, ihre Computer zu benutzen und entsprechende An-weisungen zu geben. Größere Unternehmen, die sich aufeinen Stromausfall vorbereitet und für ihre Rechner eineUSV installiert haben, haben in dieser Phase noch dieMöglichkeit, Zahlungsanweisungen an Banken zu über-mitteln oder Bestätigungen zu empfangen.103

2 bis 8 Stunden

In den Geschäften sind nur noch Barzahlungen möglich.In den ersten Stunden, nachdem die Menschen denStromausfall zur Kenntnis genommen und akzeptiert ha-ben, stellt dieser Ausfall des elektronischen Zahlungsver-kehrs noch keine großen Probleme dar. Viele gehen da-von aus, dass der Strom in einigen Stunden wieder da seinwird und verschieben ihre Besorgungen. Andere hebenbei ihren Banken Geld ab, was noch weitgehend problem-los möglich ist. Privatpersonen verschieben ihre Zah-lungsanweisungen, die sie über das Internet machen woll-ten, auf später, ebenfalls in der Annahme, dass der Strombald wieder vorhanden sein wird. Größere Unternehmen,die sich auf einen Stromausfall vorbereitet haben, über-mitteln ihre Zahlungsanweisungen so lange, wie dieKommunikationsleitungen, auf denen das Internet basiert,noch funktionieren.

8 bis 24 Stunden

Einige Geschäfte haben trotz des Stromausfalls geöffnetund bieten z. T. reduzierte Sortimente gegen Barzahlungan. Viele Menschen gehen nach wie vor davon aus, dassder Strom in den nächsten Stunden wieder da sein wird.Aus diesem Grund werden Einkäufe auf später verscho-ben. Andere heben mangels funktionierender Geldauto-maten in den Banken ab. Kleinere Banken schließen al-lerdings. Nun können auch größere Unternehmen keineZahlungsanweisungen mehr durchführen. Zudem arbei-ten jetzt – wenn überhaupt – die meisten Betriebe nurnoch eingeschränkt, viele haben sogar ganz geschlossen.

24 Stunden bis 1 Woche

In den ersten Tagen ist die Bargeldversorgung der Bevöl-kerung an den geöffneten Schaltern der Banken nochmöglich; auch ist die Nachfrage nach Bargeld noch mo-derat, da die meisten Menschen von einem baldigen Endedes Stromausfalls ausgehen. Besorgungen werden aufspäter verschoben.

Sobald kommuniziert wird, dass ein Ende des Stromaus-falls nicht absehbar ist, steigt nicht zuletzt aufgrund man-gelnder Bezahlmöglichkeiten in der Bevölkerung dieSorge vor Versorgungsengpässen. In einigen Banken undEinzelhandelsgeschäften spielen sich teilweise chaotischeSzenen ab, da die Menschen versuchen, an Bargeld oderan Güter des täglichen Gebrauchs zu gelangen. Die Situa-tion verschärft sich, da einige Lieferanten die Geschäfte

103 Allerdings nur so lange, wie die Kommunikationsleitungen, auf de-nen das Internet basiert, noch funktionieren. Dies dürfte zumindest inden ersten beiden Stunden nach dem Stromausfall noch der Fall sein(EBP 2010, S. 63).

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Drucksache 17/5672 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht mehr beliefern (können) – teils aus Mangel anTransportmöglichkeiten, teils aus Furcht, dass die Liefe-rungen unbezahlt bleiben. Diebstähle und Plünderungentreten vereinzelt auf (EBP 2010, S. 64).

Ein Blick in Woche 2

Die von der Bundesbank ergriffenen Maßnahmen zurVersorgung der Bevölkerung mit Bargeld greifen nur be-dingt, da die Geschäfte leer geräumt sind und die Preisebesonders nachgefragter Güter in die Höhe schnellen. Zu-dem nimmt die Zahl der mobilen Händler zu, die Güterdes alltäglichen Bedarfs zu stark überhöhten Preisen ver-kaufen. Personen, die Bargeld vorrätig hatten oder überdie Maßnahmen der Bundesbank zu Bargeld gekommensind, nutzen dieses, um bei Bauern und anderen Nah-rungsmittellieferanten (z. T. Schwarzmarkthändler) ein-zukaufen. Der Tausch von Wertgegenständen gegen Ge-brauchsgüter und Lebensmittel bleibt eher die Ausnahme(EBP 2010, S. 65).

2.6.3.3 Börsensystem

Börsen und Handelsplattformen haben sich heute zu ei-nem Netz weltweiter, vernetzter Umschlagplätze entwi-ckelt. Da die gesamte Volkswirtschaft in hohem Maßevom Börsengeschehen abhängt, haben die Börsen undihre Betreiber hohe Anforderungen an die Ausfallsicher-heit ihrer Informations- und Kommunikationsinfrastruk-turen zu erfüllen. Börsensysteme sind gegen einenStromausfall weitgehend gesichert (EBP 2010, S. 70).

Folgen

0 bis 2 Stunden

Die wichtigste Börse in Deutschland, die FrankfurterWertpapierbörse, ist aufgrund ihrer umfangreichen Vor-kehrungen vom Stromausfall zunächst nicht betroffenund arbeitet wie gewohnt weiter. Ebenso sind die Regio-nalbörsen gegen einen Stromausfall gewappnet und kön-nen vorerst den Handel aufrechterhalten (EBP 2010,S. 71). Ausführende Banken und die Clearingorganisatio-nen halten ihren Betrieb aufrecht, da die Informations-und Kommunikationsinfrastrukturen, die die entspre-chenden kritischen Prozesse sicherstellen, über Netzer-satzanlagen mit Notstrom versorgt werden. Auch diedazu notwendigen Datenleitungen (Verbindungen zwi-schen Bank, Handelsplattform und Clearingorganisation)bleiben ebenso funktionsfähig wie die dazugehörigen Ar-beitsplätze.

Einige Minuten nach dem Stromausfall wird die Verbin-dung zwischen privaten Auftraggebern (natürliche Perso-nen) und den ausführenden Banken problematisch. Perso-nen, die von zuhause oder vom Arbeitsplatz ausBörsenaufträge aufgeben möchten, können dies nichtmehr tun, da ihre Kommunikationsinfrastrukturen auf-grund ihrer Endgeräte, die vom Strom abhängig sind, aus-fallen. Börsenaufträge können praktisch nur noch vor Ortin der Bank oder über ein analoges Telefon übermitteltwerden.

Unternehmen, die professionell mit Finanzanlagen han-deln und die Anlagen für eine Notstromversorgung instal-liert haben, können nach wie vor Aufträge an ihre Bankengeben.

2 bis 8 Stunden

Nachdem der Strom auch einige Stunden nach Stromaus-fall nicht wieder verfügbar ist und sich die Auswirkungenaußerhalb der Börsen bemerkbar machen (Verkehrschaos,früher schließende Betriebe) entscheiden die Geschäfts-leitungen der Hauptbörse und der betroffenen Regional-börsen, den Handelstag früher als üblich zu schließen, umdem Personal die Möglichkeit zu geben, trotz des sich ab-zuzeichnenden Verkehrschaos rechtzeitig nach Hause zukommen.104 Einzig die Verantwortlichen für das BCM so-wie kleine Teams bleiben über Nacht im Gebäude, um dieFortführung des Handelbetriebs am nächsten Tag sicher-zustellen.

Ausführende Banken und die Clearingorganisationenkönnen weiterhin ihren Betrieb aufrechterhalten und ste-hen wie gewohnt mit sämtlichen Handelsplätzen in Ver-bindung (auch mit den ausländischen).

Personen, die von zuhause aus oder vom Arbeitsplatz ausBörsenaufträge aufgeben möchten, haben nun Schwierig-keiten, dies zu tun, und müssen u. U. persönlich zu ihrerBank. Allerdings sind die Absichten, in den ersten Stun-den nach dem Stromausfall Börsenaufträge durchführenzu lassen, angesichts der übrigen Auswirkungen diesesStromausfalls eher verhalten.

Unternehmen und Firmen, die professionell mit Anlagenhandeln, können bis zum Schluss des Tages nach wie vorAufträge an ihre Banken aufgeben – sofern sie die dafürnotwendigen, gegen Stromausfall gesicherte Kommuni-kationsinfrastrukturen zu ihrem Handelsplatz (Börse) ha-ben. Die Unternehmen, bei denen dies nicht der Fall ist,erleiden finanzielle Einbußen. Auch wird in einigen Un-ternehmen ersichtlich, dass nicht daran gedacht wurde,dass mit dem Ausfall der öffentlichen Telefonleitungenauch die Verbindungen zu ihren Banken betroffen sind(EBP 2010, S. 71 f.).

8 bis 24 Stunden

Auch am Tag nach dem Stromausfall öffnet die Haupt-börse. Allerdings sind nicht mehr alle Angestellten zurArbeit erschienen (Verkehrschaos, Sorge um die eigeneFamilie/Wohnung). Der Betrieb der Börse ist deshalbaber vorerst nicht eingeschränkt.

Auch die Regionalbörsen eröffnen den Handel. Aller-dings geht bei einzelnen nach einigen Stunden die Not-stromversorgung basierend auf USV zur Neige, was zurFolge hat, dass die Händler wie früher mit Stift und Pa-pier auf das Parkett kommen und sich die Orders zurufenmüssen. Andere Regionalbörsen verfügen über eine Net-zersatzanlage und können weiterarbeiten. Da allerdings

104 Dies war die Reaktion einiger Börsen während des Blackouts 2003 inNordamerika (www.bis.org/publ/joint17.pdf, S. 19 ff.).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/5672

das Handelsvolumen besonders bei den Regionalbörsenimmer kleiner wird und auch nicht mehr alle Angestelltenzur Arbeit erschienen sind, beschließen die Börsenleitun-gen, den Handel wiederum früher auszusetzen und dieAngestellten nach Hause zu schicken.

Personen, die Börsenaufträge aufgeben möchten, habennun keine Möglichkeiten mehr, dies zu tun. Einige ent-schließen sich, persönlich am Schalter ihrer Bank vorbei-zugehen und so die Aufträge auszulösen. Unternehmenund Firmen, die professionell mit Anlagen handeln, ha-ben ebenfalls kaum noch die Möglichkeit, ihren Tätigkei-ten nachzugehen und erleiden teils empfindliche Einbu-ßen.

24 Stunden bis 1 Woche

Die Hauptbörse bleibt dank der umfangreichen Maßnah-men im Rahmen des BCM weiterhin in Betrieb, wennauch in einem etwas reduzierten Umfang. Der Grund da-für sind teils abwesende Angestellte sowie die Tatsache,dass nicht alle Arbeitsplätze weiterbetrieben werden kön-nen. Die Kernfunktionen (d. h. Betrieb Handelsplatz) sindaber – auch auf längere Sicht – gewährleistet. Problemetauchen gegen Ende der Woche dort auf, wo der Brenn-stoff für die Netzersatzanlagen nicht rechtzeitig eintrifft.Einige Regionalbörsen beschließen, ihre Handelsplattfor-men auf andere Börsenplätze (im Ausland) zu übertragen,die vom Stromausfall nicht betroffen sind. Auch eine zeit-weise Schließung wird erwogen.

Personen, die Börsenaufträge aufgeben möchten, müssennun persönlich bei ihren Banken vorsprechen. Dies istgrößtenteils nur noch bei größeren Banken möglich, aberauch diese müssen gegen Ende der Woche aufgrund ver-schiedener Begebenheiten ihre Filialen im betroffenenGebiet nach und nach schließen.

Ein Blick in Woche 2

Auch in der folgenden Woche bleibt die Hauptbörse wei-terhin in Betrieb, wenn auch in einem reduzierten Um-fang. Dennoch wird der Betrieb zusehends schwieriger:Angestellte setzen nun andere Prioritäten und bleiben zu-hause. Zudem sind viele Mitarbeiter zu Verwandten undBekannten gereist, um das Ende des Stromausfalls außer-halb des betroffenen Gebiets abzuwarten. Alle Regional-börsen haben spätestens ab der zweiten Woche nach demStromausfall geschlossen und ihre Handelsplattformenauf andere Börsen (im Ausland) übertragen, die vomStromausfall nicht betroffen sind. Ausführende Bankenund Clearingorganisationen halten ihren Betrieb aufrecht,zum größten Teil von Regionen aus, die nicht vomStromausfall betroffen sind.

Personen, die normalerweise Börsenaufträge aufgeben,haben andere Prioritäten, als sich um ihre persönlichenFinanzanlagen zu sorgen. Personen, die bei Verwandtenund Bekannten außerhalb des betroffenen Gebiets unter-gekommen sind, versuchen nun von da aus, auf ihre Fi-nanzanlagen zuzugreifen.

2.6.4 Fazit

2.6.4.1 Bankdienstleistungen

Sämtliche kritischen Geschäftsprozesse sind in diesemTeilsektor durch USV bzw. einer über längere Zeit hin-weg funktionierenden Netzersatzanlage gewährleistet.Diese hält in der Regel so lange vor, dass die kritischenGeschäftsprozesse in ein nichtbetroffenes Gebiet ausgela-gert werden können.

Gemäß BCM werden sofort nach dem Stromausfall dieentsprechenden Teams eingesetzt, um die Aufrechterhal-tung der kritischen Geschäftsprozesse zu gewährleisten.Teilweise müssen Angestellte deshalb über Nacht im Ge-bäude verbleiben. Spätestens wenn nach zwei Tagen dasAusmaß des Ausfalls deutlich wird, werden Maßnahmenzur Auslagerung bzw. zur längerfristigen Sicherstellungder kritischen Geschäftsprozesse umgesetzt. Der Daten-und Zahlungsverkehr, die Datenhaltung und weitere kriti-sche Geschäftsprozesse sind deshalb über die ganze Zeitdes Stromausfalls hinweg sichergestellt. Banken, die inSchließfächern Wertsachen eingelagert haben, müssenbesondere Maßnahmen zur Sicherung ergreifen. Auch fürdie (Not-)Bargeldversorgung werden Schritte unternom-men, wozu ebenfalls der Einsatz von Polizeikräften not-wendig ist.

Das Weiterarbeiten der Angestellten in begrenztem Um-fang ist bis zu einer Woche lang möglich, und die Schal-ter in größeren Banken können besetzt werden. DieAngestellten haben aber unter verschlechterten Arbeits-bedingungen zu leiden. Spätestens nach einer Wochemuss der Betrieb nach und nach überall eingestellt wer-den. Schäden an den Bankgebäuden sind keine zu erwar-ten, außer, wenn in einzelnen Filialen dringend erforderli-che Unterhaltsarbeiten nicht mehr vorgenommen werden(z. B. Frostschäden).

Nach und nach fallen die Kommunikationsverbindungenzwischen den Banken und den Kunden aus. Bereits nachwenigen Stunden, wenn sowohl Mobil- als auch Festnetz-telefonie nicht mehr nutzbar sind, können Kunden nurnoch physisch mit der Bank in Verbindung treten. DieBargeldausgabe über Automaten fällt sofort bei Beginndes Stromausfalls aus und wird über die ganze Dauernicht wieder hergestellt (auch elektronische Zahlungen inGeschäften sind nicht mehr möglich). Damit droht dieBargeldversorgung der Bevölkerung zusammenzubre-chen. Da beim Einkauf auch nicht mehr bargeldlos be-zahlt werden kann, wachsen Unsicherheit und Aggressionin der Bevölkerung.

Zahlungs- und Datenverkehr

Der Zahlungsverkehr zwischen Banken, Clearingorgani-sationen und Zentralbanken ist dank technischer Maßnah-men (Notstromversorgung) über die ganze Dauer desStromausfalls gewährleistet. Vorbereitete Notfallplänewerden umgesetzt. Ausgewähltes Bankpersonal in Ban-ken hält kritische Geschäftsprozesse aufrecht. Dies be-deutet für die eingesetzten personellen Ressourcen derBanken eine große Belastung.

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Drucksache 17/5672 – 94 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In Geschäften, die mit USV und/oder Netzersatzanlagenausgerüstet sind, ist die elektronische Bezahlung noch fürdie ersten Stunden möglich. Sobald aber die Festnetztele-fonverbindungen ausfallen, ist dies nicht mehr möglich.In anderen Geschäften bleibt nur die Bezahlung mit Bar-geld.

Börse

Die im Börsensektor vorbereiteten Maßnahmen in techni-scher, personeller und organisatorischer Sicht sind ausrei-chend, um den Betrieb einer Börse (und der Clearingor-ganisationen) im Wesentlichen über die gesamte Dauerdes Stromausfalls sicherzustellen: USV und Netzersatz-anlagen halten den Betrieb der Handelsplätze aufrecht.Das Personal stellt den Weiterbetrieb sicher. VorbereiteteNotfall- und Alarmpläne werden im Rahmen des BCMumgesetzt. Da die Verbindungen zwischen Privatperso-nen/Unternehmen einerseits und Banken (Auftragsaus-führende) andererseits aufgrund des Ausfalls der Fest-netz- und Mobiltelefonie größtenteils unterbrochen sind,können kaum mehr Börsenaufträge aufgegeben werden.Zusammen mit den übrigen Auswirkungen einesStromausfalls und da die Möglichkeiten, Börsenaufträgeaufzugeben, eingeschränkt sind, führt dies zu einem Ein-bruch beim Handelsvolumen und entsprechenden wirt-schaftlichen Schäden. Wenn sich die professionellen An-leger mit der neuen Situation arrangiert und ihreGeschäftstätigkeiten ggf. in nichtbetroffene Regionenausgelagert haben, wird sich der Handel nach und nachnormalisieren.

Ein großflächiger Stromausfall beeinträchtigt das Bank-dienstleistungssystem an sich also nur begrenzt. Insbe-sondere größere Banken können in der Regel die Publi-kumseinlagen über die gesamte Dauer des Stromausfallsbewirtschaften sowie ihre Verbindungen mit Clearingor-ganisationen, der Zentralbank und den Börsenplätzen auf-rechterhalten. Möglich ist dies dank Notstromversorgungund aufgrund der Auslagerung kritischer Geschäftspro-zesse in nichtbetroffene Regionen. Auch der elektroni-sche Zahlungs- und Datenverkehr zwischen den Banken,Clearingorganisationen und Handelsplätzen ist gegen ei-nen länger dauernden Stromausfall gesichert und kannweiterbetrieben werden. Ebenso ist der Betrieb der Han-delsplätze, namentlich der Hauptbörse in Frankfurt, auchbei einem länger dauernden Stromausfall gesichert unddie Handelstätigkeiten sind grundsätzlich nicht beein-trächtigt. Ausnahmen bilden allenfalls Regionalbörsen(EBP 2010, S. 78).

Als Achillesferse erweisen sich dagegen die unterbroche-nen Kommunikationswege zwischen den Banken, Clea-ringorganisationen und Handelsplätzen einerseits und denPersonen und Unternehmen, die Finanzdienstleistungennachfragen, andererseits. Deshalb können Finanzdienst-leistungen von den Nachfragern größtenteils nicht mehrwahrgenommen werden. Kunden im betroffenen Gebiethaben also nach einer gewissen Zeit keine Möglichkeitenmehr, Finanzdienstleistungen wie Bargeldauszahlungen,Lohnüberweisungen, Kreditaufnahme oder Ähnliches in

Anspruch zu nehmen. Zahlungen mit EC-Karten sindebenfalls nicht mehr möglich.

2.7 Öffentliche Einrichtungen – Fallbeispiel „Gefängnis“

2.7.1 Öffentliche Behörden und Einrichtungen –Vorbemerkung

Auch die Einrichtungen des Staates sind in ihrer Funk-tionsfähigkeit von einem Stromausfall betroffen. Die öf-fentliche Verwaltung, das Bildungswesen, Forschung,Kultur, aber auch die Hilfsorganisationen und die Organeder öffentlichen Sicherheit sehen sich z. T. extremen He-rausforderungen gegenüber, auf die viele Akteure nichtvorbereitet sind (zum Folgenden Prognos 2009, S. 70 ff.).

So wird die Nutzung von Gebäuden für behördliche undschulische Zwecke oder für Forschung und Lehre an Uni-versitäten zunehmend eingeschränkt und in der Regelbald nicht mehr möglich sein. Sanitäre Anlagen fallenaus, Wasser kommt nur noch spärlich an, Fahrstühle, Hei-zung, Klimaanlage, Lüftung und Kommunikation funk-tionieren überwiegend nicht. In den Hochhäusern undmehrstöckigen Gebäuden intensivieren sich diese Pro-bleme so, dass sie bald nicht mehr genutzt werden kön-nen. In Hochschulen werden Forschungsvorhaben unter-brochen oder gar unbrauchbar. Vorhaben können umJahre zurückgeworfen werden, da beispielsweise die Kli-matisierung und Anlagen zur Sicherstellung von Sonder-bedingungen wie Reinraumkonditionen oder sonstigergenau einzuhaltender Umgebungsbedingungen ausfallen.Materialien und Geräte können beschädigt werden, in Be-reichen hochspezialisierter Forschung könnten damitStandort- und Wettbewerbsnachteile verbunden sein.

In Museen und Archiven besteht die Gefahr, dass durchden Ausfall der erforderlichen UmgebungsbedingungenExponate und archivierte Objekte beschädigt oder un-brauchbar werden. Durch den Ausfall der elektrisch be-triebenen Sicherheitssysteme entsteht ein erheblichesDiebstahl- und Plünderungsrisiko bei wertvollen Kultur-und Wissenschaftsgütern.

Insbesondere aufgrund der starken Abhängigkeit vonIuK-Systemen kann die öffentliche Verwaltung (wieSchulbehörden, Meldedienste, Gesundheitsämter) ihreLeistungen vielfach nicht mehr erbringen. Während derZeit des Stromausfalls sind relevante Vorgänge nur er-schwert zu bearbeiten und nicht durchgehend zu doku-mentieren (z. B. Geburten, Todesfälle, schwere Krank-heitsfälle, Unfälle). Aufgrund der Ausstattung zumindestvon Serversystemen mit USV kann allerdings verhindertwerden, dass es durchgängig zu großen Verlusten von Da-tenbeständen kommt. Wesentliche negative Auswirkun-gen hat der Ausfall der IuK-Systeme auch auf die Auf-gabenwahrnehmung der Sicherheitsbehörden undHilfsorganisationen. Zentrale Funktionen der Einsatzleit-stellen können aufgrund von Überlastung durch einge-hende Telefonate nicht mehr erbracht werden(Kap. III.2.1). Obwohl durch die Notstromgeräte abgesi-chert, können manche Leitstellen ihre Funktionen nicht

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/5672

erfüllen, da das Aggregat nicht funktioniert oder keinTreibstoff bevorratet wurde.

Die Polizeien sehen sich punktuell mit Einbrüchen undVandalismus konfrontiert. Sie müssen dafür sorgen, dassangeordnete Sperrungen oder Fahrverbote eingehaltenwerden. Evakuierungen müssen u. U. gegen den Willender Betroffenen durchgeführt werden.

Die öffentliche Sicherheit wird beeinträchtigt durch denAusfall von Feuer- und Rauchmeldern, wodurch Brändelänger unentdeckt bleiben. Wegen der Überlastung derTelefonnetze oder des Ausfalls der Kommunikationssys-teme dauert es länger, bis die Feuerwehr alarmiert werdenkann. Ihr Eintreffen verzögert sich, und die Bekämpfungvon Bränden wird schwieriger. Fällt zudem das Lösch-wasser aus (aufgrund des Ausfalls der Wasserversor-gung), können sich solche Gefahrenherde auswachsen(Kap. III.2.3).

Die öffentliche Beleuchtung fällt großflächig aus, ebensoSensorsysteme wie beispielsweise Alarmanlagen undÜberwachungskameras. Kriminelle Aktivitäten nehmen,durch die Dunkelheit gefördert, zu. Es gibt Schwierigkei-ten, die Täter zu entdecken und in Gewahrsam zu neh-men. Erschwert wird aber nicht nur die Verhinderung vonVerbrechen und Festnahmen von Verdächtigen oder Tä-tern, sondern auch deren Verwahrung in den Gefängnis-sen. Im Folgenden soll das Fallbeispiel „Gefängnis“ ver-tieft behandelt werden.

2.7.2 Fallbeispiel „Gefängnis“In Deutschland gibt es laut Daten des Statistischen Bun-desamtes (Stand 31. März 2009) (nach Dünkel 2010)195 JVA, in denen 73 592 Gefangene inhaftiert sind. Esbefinden sich damit etwa 90 von 100 000 Personen inHaftanstalten. Insgesamt sind die Anstalten zu 93 Prozentbelegt. Lediglich in den Bundesländern Bayern undRheinland-Pfalz wird die Kapazität leicht überschritten.Der Frauenanteil liegt bei ca. 5 Prozent. Nach Möglich-keit werden die Gefangenen nach der Schwere der Tat,der Länge der Strafe oder der Anzahl der Verurteilungengetrennt. Der offene Vollzug, bei dem es den Gefangenenerlaubt ist, während des Tages die Haftanstalt zu verlas-sen, kommt in knapp 20 Prozent der Fälle zur Anwen-dung (EBP 2010, S. 153).

Die Art des Strafvollzugs unterteilt sich in Freiheitsstrafe(53 334 Personen), Jugendstrafe (6 180), Untersuchungs-haft (11 385) und Sicherheitsverwahrung (476), d. h. dieVerwahrung von gefährlichen Straftätern zum Schutzeder Allgemeinheit. Rund 2 000 Personen waren in Zivil-haft oder Abschiebungshaft. In der Mehrzahl der JVA ist– sofern man eine 85Prozentige Belegung als Standarddefiniert – eine Überbelegung zu konstatieren (Dünkel2010).

Eine häufige Form der Inhaftierung ist die temporäre In-haftierung von Personen, beispielsweise auf der Polizei-wache. Gefangenensammelstellen werden er- oder einge-richtet, wenn zu erwarten ist, dass die regulärenKapazitäten infolge des Umfangs von Gewahrsamnah-men bei einem besonderen Anlass (große Demonstration,

Sportveranstaltung) nicht ausreichen. Eine weitere Formist der Hausarrest.105

2.7.2.1 Rechtliche Grundlagen

Die wesentliche rechtliche Grundlage für den Strafvoll-zug bildet das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) vom16. März 1976. Es umfasst Regelungen zum allgemeinenVollzug der Freiheitsstrafe, zur Organisation und Zustän-digkeit sowie zu weiter gehenden besonderen Bestim-mungen freiheitsentziehender Maßnahmen.

Die Sicherungsverwahrung ist im 3. Abschnitt geregelt.Dort wird vorgegeben, dass die Sicherungsverwahrunggetrennt vom Vollzug der Freiheitsstrafe in eigenen An-stalten oder in getrennten Abteilungen zu erfolgen hat(§ 140 StVollzG). Für Gefangene mit psychischen Proble-men oder ausgeprägtem Suchtverhalten ist gemäß §§ 136bis 138 die Unterbringung in speziell dafür eingerichtetenAnstalten vorzunehmen. Das Ziel ist neben dem Vollzugder Haftstrafe die Heilung oder die weitestmögliche Ver-besserung des Zustands. Dazu wird die nötige Aufsicht,Betreuung und Pflege bereitgestellt. Der Vollzug erfolgtin geschlossenen Anstalten.

§§ 151 bis 153 StVollzG regeln die Aufsicht über dieJVA. Die Führung der Aufsicht liegt bei der Landesjustiz-verwaltung. Die Aufsichtsbefugnisse können auf Justiz-vollzugsämter übertragen werden. Die Landesjustizver-waltung regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeitder JVA in einem Vollstreckungsplan.

Eine explizite Rechtsgrundlage für Sicherheits- und Vor-sorgemaßnahmen für den Fall eines langandauerndenStromausfalls konnte nicht gefunden werden.

2.7.2.2 Folgen

Ein zentrales Ziel von JVA ist der Schutz der Allgemein-heit vor weiteren Straftaten. Aus diesem Grund ist dieWeiterführung des Freiheitsentzugs der Gefangenen auchin einem Katastrophenfall geboten. Gelänge dies nicht,wären die Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölke-rung in die Autorität des Staates erheblich (EBP 2010,S. 156).

Grundsätzlich eröffnen sich nach einem Stromausfallzwei Möglichkeiten: Die erste ist die Fortführung des Ge-fängnisbetriebs in reduzierter Form. Dies setzt eine funk-tionierende Notstromversorgung voraus. Damit sind zu-mindest noch die wichtigsten Sicherungsfunktionen (z. B.Schließsysteme, Bewegungsmelder, Überwachungskame-ras) gewährleistet. Weiter werden die Beleuchtung redu-ziert, nur kalte Mahlzeiten zubereitet und Fernseh-/Radio-geräte abgeschaltet. Die zweite Möglichkeit – sofern einedauerhafte Notstromversorgung nicht gesichert ist – be-steht, nach ersten Sicherungsmaßnahmen, in der Verle-

105 Eine Möglichkeit zur Überwachung böte zukünftig die elektronischeFußfessel, bei der die Position der betreffenden Person über das Mo-bilfunknetz laufend der zuständigen Behörde übermittelt wird – mitentsprechenden Problemen bei überlasteten Netzen.

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Drucksache 17/5672 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gung der Gefangenen in andere JVA mit intakter Strom-versorgung.

Bei einer funktionierenden Notstromversorgung spielt dieVerfügbarkeit des Treibstoffs (Diesel) für die NSA dieentscheidende Rolle. Deren Betriebsdauer ist vom einge-lagerten Treibstoffvorrat oder von der Möglichkeit exter-ner Lieferungen abhängig. Sind Einspeisepunkte am Ge-bäude vorhanden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit,eine ausreichende Versorgung mithilfe externer, mobilerGeneratoren der EVU oder des THW zu gewährleisten.

0 bis 2 Stunden

Unmittelbar nach dem Stromausfall beginnt die Netz-ersatzanlage zu arbeiten. Sie stellt sicher, dass die Sicher-heitselemente (Schließsysteme, Sensoren, Alarmierung)und die Grundversorgung (Beleuchtung, Lüftung) funk-tionieren. Voraussetzung sind regelmäßige Kontrollen derFunktionsbereitschaft der NSA sowie ausreichendeTreibstoffvorräte.

Die erste Zeit nach dem Stromausfall ist die chaotischsteund unkontrollierbarste Phase. Das Personal wie auch dieGefangenen müssen sich auf die neue Situation einstel-len. Im Mittelpunkt steht die Wahrung bzw. Wiederher-stellung der ordnungsgemäßen Abläufe. In dieser erstenPhase sind u. a. die Einstellung der nicht dringend erfor-derlichen Tätigkeiten, der Abbruch der Freizeitaktivitätensowie der Einschluss der Gefangenen prioritär. Besucherwerden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen.

Die Folgen eines Stromausfalls in dieser ersten Phasesind stark von der Tageszeit abhängig. Findet derStromausfall in der Nacht statt, sind die Gefangenen be-reits in den Zellen eingeschlossen. Aufgrund der Technikmoderner Schließsysteme bleibt auch bei einemStromausfall die Verriegelung gewährleistet. Problemati-scher ist ein Stromausfall während des Tages. So hält sicham Mittag und am Abend eine größere Anzahl Gefange-ner im Speisesaal auf. Am Nachmittag kommt es zu grö-

Gefängnisalltag

Ein Tag im Gefängnis beginnt mit dem Wecken der Ge-fangenen und dem Aufschluss um 6 Uhr morgens. EineStunde später beginnt in der Regel der erste Arbeits-block bis um 12 Uhr. Die Arbeiten können beispiels-weise in Wäscherei, Schreinerei, Bäckerei, Küche oderReinigung erfolgen. Von 12 bis 13 Uhr gibt es Mittages-sen, das häufig gemeinsam in größeren Räumen stattfin-det. Der zweite Arbeitsblock dauert in der Regel von13 bis 16 Uhr. Im Anschluss beginnt für die Gefangenendie Freizeit. Diese gestaltet sich als sportliche Betäti-gung, Hofgang oder Umschluss. Bei Letzterem kannsich ein Gefangener in die Zelle eines Mithäftlings ein-schließen lassen. Die sportliche Betätigung gestaltetsich häufig als Mannschaftsport. Dann befindet sich füreinen bestimmten Zeitraum eine größere Anzahl Gefan-gener auf engerem Raum. Nach dem Abendessen er-folgt spätestens um 21 Uhr der Einschluss.Quelle: EBP 2010, S. 153 f.

ßeren Gefangenenansammlungen bei sportlichen Betäti-gungen (insbesondere bei Mannschaftssportarten).Dadurch besteht für das Sicherungspersonal eine erhöhteGefahr, die Kontrolle über die Gefangenen zu verlieren.

Computerbasierte administrative und organisatorischeTätigkeiten sind zunehmend dort nicht mehr möglich, wodie Computer nicht mit Notstrom versorgt werden und in-folgedessen ausfallen. Dies macht beispielsweise den Zu-griff auf die Daten der Gefangenen nicht mehr möglich.Folgen sind Probleme bei der Zuordnung der Häftlinge zuden Zellen oder organisatorische Schwierigkeiten bezüg-lich der Aufnahme, Entlassung und Betreuung von Ge-fangenen. Auch sonstige administrative Tätigkeiten, diezum Betrieb einer JVA notwendig sind (z. B. Bestellungvon Nahrungsmitteln und anderen Gütern, Tätigkeiten imPersonalwesen usw.), können eingeschränkt sein (EBP2010, S. 155 f.). Die Kommunikation mittels Telefonie istnoch weitgehend möglich.

2 bis 8 Stunden

Der Einschluss der Gefangenen wird weitergeführt. DieSicherung der Zellen und der Bereiche nimmt längereZeit in Anspruch, da aufgrund der angespannten Situationund einer wachsenden Aufgabenfülle sowohl Personal-knappheit herrscht als auch Sicherungselemente nur redu-ziert oder verlangsamt (z. B. elektronische, nun aber me-chanisch zu bedienende Schließanlagen) funktionieren.

Die Sicherstellung des Betriebs der NSA hat nun diehöchste Priorität. Nur dadurch sind ein (reduzierter) Be-trieb und eine adäquate Überwachung der Gefangenenmöglich. Neben der Überprüfung der NSA gehören aucherste Abklärungen zu Lieferungen von zusätzlichenTreibstoffmengen zu den prioritären Aufgaben. SolcheBemühungen werden mit fortschreitender Zeit problema-tisch, da Festnetz- und Mobiltelefonie nur noch für be-grenzte Zeit möglich sind.

Sofern Gefangene in den Gemeinschaftsräumen über ei-nen längeren Zeitraum versammelt sind, kann diesproblematisch werden. Infolge von Gerüchten undFalschinformationen, veränderter Haftbedingungen undabgesagter Aktivitäten (Sport, Arbeit) kommen Unruheund Hektik auf.

Es stellt sich heraus, dass viele Gefangene im offenenStrafvollzug nach der Arbeit nicht zur JVA zurückgekehrtsind.

Dort, wo der Betrieb der JVA nicht oder nur mit erhebli-chen Schwierigkeiten aufrechterhalten werden kann,müssen erste Schritte für eine Verlegung der Gefangenenin Angriff genommen werden. Kommunikation und Ko-ordination sowie die Mobilisierung externer Unterstüt-zung sind aber als Folge ausfallender Kommunikations-netze (Mobil- und Festnetztelefonie, Internet) sehrschwierig.

8 bis 24 Stunden

Durch den langandauernden Wegschluss und die Ver-schlechterung der Haftbedingungen steigt die Unruhe der

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/5672

Gefangenen weiter. Das Personal steht unter großer nerv-licher Anspannung. Sportliche Aktivitäten der Gefange-nen und nicht dringend erforderliche Arbeiten werdennicht mehr durchgeführt. Größere Ansammlungen vonGefangenen werden weitgehend vermieden. Der Ein-schluss der Gefangenen in den eigenen Zellen zur Ge-währleistung der Sicherheit in der JVA stellt die beste Op-tion dar. In der Nacht steht nur eine reduzierteBeleuchtung zur Verfügung. Zusätzliches Sicherheitsper-sonal wird für den reduzierten Betrieb mit Notstromver-sorgung und für eine mögliche Verlegung der Gefangenenaufgeboten. Mit der Unterstützung der Polizei kann auf-grund der übrigen Auswirkungen des Stromausfalls nichtgerechnet werden.

Die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmittelnwird nun zu einem zusätzlichen, dringlichen Problem. Eswerden behelfsmäßig provisorisch kalte Mahlzeiten ausden vorhandenen Beständen zubereitet. Trinkwasser istdort vorhanden, wo die Wasserverteilung mittels der Lei-tungsnetze noch funktioniert (EBP 2010, S. 159)(Kap. III.2.3).

Es stellt sich die Frage nach der Sicherstellung von aus-reichendem Personal. Auch muss damit gerechnet wer-den, dass das Personal der nachfolgenden zweiten Schichtaufgrund von Behinderungen in ÖPNV und MIV verspä-tet oder nicht zur Arbeit erscheint. Die infolge der Aus-wirkungen des Stromausfalls bereits angespannte perso-nelle Situation verschärft sich dadurch zunehmend.

24 Stunden bis 1 Woche

Der Betrieb des Gefängnisses wird in nahezu allen Berei-chen von externer Unterstützung abhängig – so die Ver-sorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln, die Unter-stützung bei der Sicherung des Gefängnisses durchweitere Sicherheitskräfte sowie Treibstofflieferungen fürdie Notstromversorgung. Der Zusammenbruch der Tele-fonie erschwert Kommunikation mit externen Unterneh-men, Stellen und Behörden.

Die medizinische Versorgung wird bereits nach zwei bisdrei Tagen kritisch. Ebenso werden die hygienischen Be-dingungen – vor allem aufgrund defizitärer oder zusam-menbrechender Wasserver- und Abwasserentsorgung –problematisch. Die Anlieferung frischer Wäsche findetnicht mehr statt. Zusammen mit der sich stetig ver-schlechternden Lebensmittelversorgung führt dies zuständiger Unruhe unter den Gefangenen.

Die Gefahr von Befreiungsaktionen und Ausbrüchensteigt. Aus diesem Grund erhalten die Sicherung undÜberwachung der Gefangenen einen höheren Stellenwert.Da mit Befreiungsversuchen von außen gerechnet werdenmuss, wird die JVA vermehrt nach außen geschützt.106 Dadie Polizei zur Wahrung der öffentlichen Ordnung zahl-

106 Diese Aufgabe könnte von der Polizei oder – abhängig von entspre-chenden Entscheidungen der Katastrophenschutzbehörden – im Rah-men einer generellen Sicherung der besiedelten Gebiete von der Bun-deswehr vorgenommen werden. Dies ginge vermutlich über dietechnische Amtshilfe hinaus und basierte dann auf Artikel 35Absatz 2 und 3 GG. In diesem Fall hätte die Bundeswehr Zwangs-und Eingriffsbefugnisse.

reiche Verhaftungen (z. B. von Plünderern) vornimmt so-wie diese aus Kapazitätsgründen bald in die JVA über-führt, wachsen deren Probleme weiter an.107

Beim Personal ist mit zunehmendem Stress und Übermü-dung zu rechnen. Erschwerend kommt die Situation rundum die JVA hinzu: Personal der nächsten Schicht hat auf-grund von Verkehrsproblemen (Staus, Ausfall desÖPNV) Mühe, zum Arbeitsplatz zu kommen und bleibtdiesem teilweise fern. Aufgrund der übrigen Auswirkun-gen des Stromausfalls auf andere Sektoren ist nicht zu er-warten, dass Polizeikräfte und andere Dienste, die eben-falls unter einer sehr großen Belastung stehen, die JVAwirksam unterstützen können.

Die Lage in den einzelnen JVA hängt vor allem von derVersorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln undTrinkwasser, von der Hygiene und von der Sicherheit(Verfügbarkeit Personal) ab. Eine Verlegung der Gefan-genen wird aufgrund der schlechten Haftbedingungenvielerorts in Betracht gezogen, da die betroffenen JVAtrotz externer Hilfe ihre Situation nur unwesentlich ver-bessern können.

2.7.2.3 Fazit

Ist die Notstromversorgung funktionsfähig,108 können füreinen begrenzten Zeitraum die Basisfunktionen des Be-triebs aufrechterhalten werden. Dies sind vor allem dieSicherung der Gefangenen und die Grundversorgung(z. B. Beleuchtung, Lüftung, Heizung). Sämtliche nichtvom Notstrom versorgte Sicherheitselemente, Kompo-nenten der Gebäudetechnik sowie EDV-Anlagen undKommunikationsmittel stehen nicht mehr zur Verfügung.Funktioniert eine Notstromversorgung nicht oder versie-gen die in den Haftanstalten selbst gelagerten Treibstoff-reserven muss die JVA geräumt werden.

Selbst dort, wo eine funktionierende Notstromversorgungzu bewerkstelligen ist, steigt der Problemdruck rapide an:Aufgrund des notwendig gewordenen Dauereinschlussesder Gefangenen sind diese einer hohen psychischen Be-lastung ausgesetzt, da sie auf Freizeitaktivitäten, Arbeitenund Kommunikation mit anderen Gefangenen verzichtenmüssen. Zudem führen stetig sich verschlechternde Hy-gieneverhältnisse, ungenügende Nahrungsmittelversor-gung sowie ausfallende Heizungen zu Unruhen, gesund-heitlichen Problemen und Krankheiten. Diese Situation

107 Wie Beispiele aus der Vergangenheit gezeigt haben (z. B. Stromaus-fälle in den USA von 1977 und 2003 oder Stromausfall in Brasilienvon 1999) kann die Kriminalität während eines Stromausfalls unterbestimmten Randbedingungen zunehmen. Erste Inhaftierte kann diePolizei meist in den Zellen auf den Polizeiwachen unterbringen.Wenn die Belegungskapazität jedoch überschritten wird, muss dieÜberführung der Gefangenen in die JVA vorgenommen werden. Diedort entstandenen Probleme werden damit weiter verschärft (EBP2010, S. 160).

108 Es könnte für die Katastrophenbewältigung von erheblicher Bedeu-tung sein, ob die Notstrominfrastruktur weitgehend intern oder voneinem externen Dienstleister gewartet und bei extremer Belastungggf. ertüchtigt wird. Der Service, z. B. eines externen Liegenschafts-management, wäre bei einem umfassenden Stromausfall sicher über-fordert, u. a. weil er sich mit einer Fülle von Anfragen konfrontiertsähe.

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Drucksache 17/5672 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wird insofern verschärft, als die medizinische Versorgungmit dem Andauern des Stromausfalls immer kritischerwird. Insbesondere dann, wenn über die Zeit die Zahl derHäftlinge aufgrund der wachsenden Kriminalität im be-troffenen Gebiet (vermehrte Verhaftungen) zunimmt,steigt die Gefahr von Unruhe und Gehorsamsverweige-rung unter den Gefangenen. Deshalb muss gegen Endeder ersten Woche aufgrund sich dramatisch verschlech-ternder Haftbedingungen eine Verlegung der Gefangenenin Betracht gezogen werden (EBP 2010, S. 160).

3. Verhaltensbezogene Folgen eines Strom-ausfalls und ihre Bestimmungsfaktoren

Die sichere und störungsfreie Versorgung mit Strom ge-hört zu den nahezu selbstverständlichen und kaum reflek-tierten Voraussetzungen des Alltags. Moderne Haushaltebeispielsweise sind mit einer großen Zahl von stromba-sierten technischen Geräten durchsetzt: Werkzeuge, Ma-schinen, Apparate und Aggregate unterschiedlicher Funk-tionalitäten. Die Alltagstechnik, mit der wir interagieren,sind Geräte der Handwerks-, Haushalts- und Gartentech-nik, der Kommunikations- und Unterhaltungstechnik; essind Rechner und Computer, Heizungs-, Lüftungs- undKühlanlagen. Einige der Systeme sind miteinander ver-netzt, mit Kontroll- und Steuerungseinheiten versehenund an externe Netze der Versorgung (Energie, Informa-tion) angeschlossen.

Zahllose Alltagshandlungen wie Heizen, Lüften, Kühlen,Kochen und Waschen wurden durch gerätetechnischeOperationen gewährleistet, welche menschliche senso-motorische Handlungen weitgehend ersetzt haben, aberauch Funktionalitäten anbieten, die sonst nicht realisier-bar wären. Aber auch nahezu alle Handlungsvollzüge jen-seits des Privathaushalts, wie das Mobilitätsverhalten, dieErwerbsarbeit, die Freizeit sowie sämtliche damit verbun-dene Wirtschaftssektoren sind an Technik gebunden unddamit von Strom abhängig.

Bricht die umfassende Versorgung zusammen, sind all-tägliche Handlungsvollzüge infrage gestellt und von dentechnischen Systemen abgekoppelt. „Die damit verbun-denen Gefährdungen“, so schreiben Vierboom und Här-len (2009, S. 3) in einem Gutachten für das TAB, betref-fen nicht nur die materielle Daseinsvorsorge. „Auch diepsychische Daseinsvorsorge, i. S. einer umfassenden, me-dial und dinglich vermittelten Konstituierung des eigenenIch, ist betroffen.“ Ins Wanken gerät angesichts des in denvorangegangenen Kapiteln beschriebenen Kollapses tech-nischer Strukturen auch die Überzeugung des Bürgersvon der „Kontrollierbarkeit seiner Lebensbedingungen“(Dombrowsky et al. 2009, S. 256).

Über das Verhalten der Bevölkerung bei einem − kurzen −Stromausfall gibt es eine überschaubare Zahl von Berich-ten und Analysen (Hinweise dazu bei Lorenz 2010). Esgibt aber keine empirisch validen Erkenntnisse zum Ver-halten von Menschen angesichts der Folgen eines langan-dauernden Stromausfalls. Die weiteren Überlegungenzielen deshalb auf die Entwicklung von Thesen zu denpsychologischen Bestimmungsfaktoren sowie den ver-

haltensbezogenen Folgen eines länger andauerndenStromausfalls. Überlegungen und Thesen sollen zugleichGrundlage für Forschungsfragen sein, die durch vertie-fende Analysen aufgegriffen und beantwortet werdenkönnten. Dieses zurückhaltende Herangehen an den Ge-genstand ist auch dem unzureichenden Wissensstand zumVerhalten von Menschen während einer Gefahrenlage ge-schuldet: So stellen Ungerer/Morgenroth (2001, S. 15 ff.)fest, dass Forschungsergebnisse und insbesondere kon-krete, detaillierte Aussagen über das menschliche Verhal-ten in realen Gefahrensituationen – und solche wird einlangandauernder Stromausfall mit sich bringen – „kaum“vorliegen. Während der „menschliche Faktor“ bei der Be-schreibung und Analyse des Zustandekommens einer Ka-tastrophe häufig (oft als Ursache) thematisiert werde,werde weniger danach gefragt, „wie sich Menschen insolchen Krisensituationen fühlen“.

3.1 Psychologische Bestimmungsfaktoren

Jeder Bürger (ver)braucht Strom – jeden Tag, jede Nacht.Über Produktion und Bereitstellung, physikalische undtechnische Aspekte dessen, was „aus der Steckdosekommt“ ist ihm in der Regel wenig bekannt. Wie vieleGeräte und Prozesse davon abhängen und die dadurch be-dingte Abhängigkeit des Alltagshandelns, dies wird sel-ten reflektiert.109 Entsprechend sind Stromausfälle für dieBevölkerung „kein Thema“, wie beispielsweise eine(nicht repräsentative) Befragung von Bürgern in Zürichergeben hat: Kleinere Stromausfälle werden bald verges-sen, prägen sich nicht ein. Von den befragten Bürgernwerden Stromausfälle nicht als bedeutende Bedrohung,gerade auch für Leib und Leben, angesehen. Deshalb fin-den auch keine Vorbereitungen für einen Stromausfallstatt. (Stiftung Risiko-Dialog 2007, S. 14; s. a. Palm2009).110 Dass Bürger zudem wenig Neigung verspüren,mehr Geld für mehr Sicherheit zu bezahlen, ist deshalbauch nicht überraschend (Silvast/Kaplinsky 2007, S. 46;s.a. Brayley et al. 2005, S. 4; Palm 2009).

Eine weitere Facette des Bildes ist der Umstand, dassMenschen allgemein dazu neigen, sich als gut vorbereitetfür einen Katastrophenfall zu sehen. Ein Grund hierfürist, dass ganz allgemein das Gefährdungspotenzial vonRisiken und Gefahren unterschätzt wird. Dies kommtauch beim Stromausfall und seinen Konsequenzen zumTragen: Nach einer Umfrage des DRK glaubt die Mehr-heit der Deutschen in der Lage zu sein, sich auch bei ei-nem zweiwöchigen Stromausfall selbst zu versorgen(Emnid 2008).

109 „Das Wissen und Bewusstsein um die Stromversorgung ist sehr ge-ring. Es gibt die beiden ›Enden‹ Produktion und Verbrauch. Die da-zwischen liegenden Netzwerke bilden eine Leere in der Wahrneh-mung.“ (Stiftung Risiko-Dialog 2007, S. 22; s. a. Palm 2009)

110 In den persönlichen Berichten zum „Schneechaos“ im Münsterland2005 mit der Folge eines Stromausfalls von bis zu fünf Tagen kommtdieser Fatalismus ebenfalls zum Tragen: „Die nächste Katastrophewird uns wieder völlig überraschend und in ganzer Form treffen.“(Cantauw/Loy 2009, S 119 u. 184); allerdings auch gegenteilige Re-aktionen: „Wollen wir hoffen, dass so was nicht wieder passiert, aberdas Thema ›Notstromversorgung‹ wird noch zu diskutieren sein.“

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/5672

Eine solche Haltung setzt eine Erwartung an Versor-gungssicherheit voraus, die so verinnerlicht ist, dass jederGedanke an ihre Gefährdung „Gefühle von Ohnmacht“erzeugt und abgewehrt werden muss. Vierboom und Här-len (2009, S. 7) verwenden hier den Begriff der kollekti-ven Verdrängung: Diese hängt zum einen damit zusam-men, dass man sich die Abhängigkeit und Ohnmachtnicht eingestehen darf, zum anderen damit, dass Strom inseiner Reinform gefährlich ist und daher kultiviert wer-den muss. Die Verbraucher befinden sich zu ihren Ener-gieversorgern in einer fast schon kindlich zu nennendenAbhängigkeit, die sie sich nicht eingestehen wollen.111

Daneben ist für Stromversorgung und -nutzung charakte-ristisch, dass sie allenfalls selten direkt erfahrbar ist,„sondern nur mittels der Geräte, die Strom verbrauchen,wobei die Tatsache der Stromverwendung im Momentdes Gebrauchs unbewusst bleibt und erst im Moment ei-nes Stromausfalls bzw. Stromunfalls bewusst wird“.

In PC, Handy oder TV-Geräten manifestiert sich die Be-deutung von Strom als „konstituierende(r) Betriebsener-gie für Alltag und Alltagskultur“ (Vierboom/Härlen 2009,S. 8). Durch die über Strom betriebenen Geräte fühlt mansich nicht allein und ist gleichsam ständig vernetzt mitdem „Strom“ der Gesellschaft. Beispiele hierfür sind dieständige Erreichbarkeit via E-Mail, Telefon und Handy,das Chatten im Internet oder die bewegten Bilder aufgroßformatigen Bildschirmen. In einer Untersuchung derStiftung Risiko-Dialog hat sich ergeben, dass der Ausfallder Kommunikation „mit außen“ eine zentrale Vorstel-lung der befragten Bürger zu den Folgen des Stromaus-falls ist: „Für viele Personen stellen Strom und die damitbetriebenen Technologien (Fernseher, Radio, Telefonie,Internetkommunikation) eine Verbindung zur Außenweltdar. Wenn diese gekappt wird, fühlt man sich abgeschnit-ten und isoliert. Man ist weder informiert, was passiert istund was getan wird, noch könnte man bei Bedarf Hilfeholen. Dieses ›Nicht-Kommunizieren-Können‹ führt zuUngewissheit, die stark verunsichert.“ (Stiftung Risiko-Dialog 2007, S. 16) Fehlende Kommunikationsmöglich-keiten per Telefon, Handy, Internet und Rundfunk sindauch eines der dominanten Themen in den über 40 Erleb-nisberichten zum Stromausfall im Münsterland 2005, diedie Volkskundliche Kommission für Westfalen gesam-melt hat. Die dadurch ausgelöste Verunsicherung wirdvielfältig belegt (Cantauw/Loy 2009).

Vierboom und Härlen vertreten die These, dass die zu-nehmende Technik- und Medienprägung des Handelnsmit einer abnehmenden Ichstärke112 großer Teile unsererGesellschaft einhergehe. Somit komme ein Stromausfall,je nach Dauer und individueller Konstitution des Strom-verwenders, „einer Gefährdung der eigenen Identitätgleich“ (Vierboom/Härlen 2009, S. 8). Die Abhängigkeit

111 Im Rahmen einer Befragung der Bevölkerung zu ihren Erfahrungenund Einschätzungen bezüglich des Stromausfalls in London 2003 ga-ben 55 Prozent der Befragten an, über eine mögliche Wiederholungeines solchen Ereignisses nicht besorgt zu sein (Brayley et al. 2005,S. 3).

112 Ichstärke bedeutet hier vor allem eine (relativ) geringe Abhängigkeitvon Umweltbedingungen.

von etwas Fremden wird unvermittelt spürbar. „Das me-diale Korsett, das uns durch das Leben trägt und durchStrom gespeist wird, entfällt. Man ist ab dem nächstenMoment auf einfache, archaische und leibnahe Formendes Alltagsvollzuges angewiesen.“ (Vierboom/Härlen2009, S. 9) Wie die massenmediale Vermittlung das ei-gene Erleben – mitten in der Katastrophe – mit Bedeu-tung auflädt, auch im folgenden Zitat zum Ausdruck: „ImFernsehen wurde dann das ganze Ausmaß der Katastro-phe sichtbar.“ (Cantauw/Loy 2009)

Die sozialen Folgen eines Stromausfalls kommen einem„Kulturausfall“ gleich: Traditionell eingeübte Erlebens-und Verhaltensmuster sind infrage gestellt; bisherige Ord-nungsprinzipien strukturieren und orientieren nicht mehr.Wichtig dabei ist, in Rechnung zu stellen, das „Ordnung“als Prinzip nicht aufhört zu existieren, was aber ver-schwindet, sind „bisher bestehende samt ihrer eingeübtenBinde- und Durchsetzungskräfte“ (Dombrowsky et al.2009, S. 262). Im Unterschied zu anderen Katastrophen(wie einer Pandemie) hat der Stromausfall zudem eineeinzigartige Zeitstruktur: Er tritt plötzlich, ohne jede Vor-warnung ein, und seine Dauer ist vollständig ungewiss.Beides erschwert den Umgang mit dieser Situation.

Fällt der Strom nur kurzzeitig aus, sind eine Auseinander-setzung mit dem wiederkehrenden „Verdrängten“, eineBewusstwerdung von Abhängigkeiten, eine Aktivierungdes eigenen Selbst nicht erforderlich.113 Paradoxerweisewirkt die Kurzfristigkeit wie ein Beweis von letztlichdoch funktionierender Versorgungssicherheit.

Dagegen könnte bereits ein mehrstündiger oder ein biszwei Tage dauernder Stromausfall Abhängigkeiten undKonsequenzen eines Ausfalls bewusster machen (zumFolgenden Vierboom/Härlen 2009, S. 11):

– Die unhinterfragte Erwartungsstabilität bezüglich bis-her funktionierender Versorgung ist außer Kraft ge-setzt. Spätestens dann, wenn man das Radio oder dasFernsehgerät einschaltet oder im Festnetz telefonierenwill und feststellt, dass diese Geräte ohne Strom nichtfunktionieren, bekommt man eine Ahnung davon, dassnun weite Bereiche des gewohnten Alltagsbetriebsbrach liegen. Insbesondere vermisst man Informatio-nen (beispielsweise zur erwartbaren Dauer) (Palm2009).

– Das plötzliche Verstummen und Stummbleiben derMedien- und Kommunikationstechnik (Radio, TV,PC, Mobilfunksysteme), der Haushaltsgeräte (Kaffee-maschine, Herd, Spülmaschine, Kühlschrank undKühltruhe), der Geräte zur Körperpflege (Rasierer,Fön) und der Haustechnik (Heizanlage, Alarmanlage,Lichtversorgung, Türklingel, elektrisch betriebeneRollläden) verdeutlicht unmittelbar, dass die moderneLebenswelt in umfassendem Sinne medial vermittelt

113 In einer Befragung holländischer Bürger zu einem Stromausfall2007, gaben 40 Prozent an, ihren Alltag normal weitergeführt zu ha-ben, etwa ein Viertel versuchte, Informationen zu bekommen. Nie-mand gab an, in Panik geraten zu sein (Helsloot/Beerens 2009,S. 66).

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Drucksache 17/5672 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ist, dass der „Strom des Alltags“ auch einer der Geräu-sche ist. Es wird aber auch erfahrbar, dass nur nochwenige Alltagsverrichtungen wirklich manuell be-werkstelligt werden können.

– Die gewohnte Strukturierung des Alltags beizubehal-ten ist ohne Strom nur schwer möglich. Selbstver-ständlich genutzte Funktionen entfallen: Das Garagen-tor öffnet sich nicht mehr, Tauwasser läuft aus derKühltruhe, Überwachungskameras fallen aus, geräte-basiertes Heizen, Kochen und Kühlen entfallen.

– Manche halten die plötzliche Erfahrung von Abhän-gigkeit und den in seiner Dauer ungewissen Zwangzur umfassenden Neuorientierung nicht lange aus.Dies findet in mehr oder weniger aggressiven, körper-nahen Spielarten der „Entregelung“ durch Alkohol-konsum und Gewalttätigkeiten sowie archaische For-men der Gruppenbildung durch Zusammenrottungenseinen Ausdruck.

– Die Erfahrung des Auseinanderfallens der Alltagsor-ganisation führt aber auch zu Prozessen und Struktur-bildungen, in denen sozialer Zusammenhalt zwischenengeren Bezugspersonen oder familiäre Bindungen114

gesucht und gefunden wurde. Man versucht, die Fami-lie zusammenzubringen und zusammenzuhalten. Ist eserforderlich, die gewohnte Umgebung zu verlassen,tut man dies nur zusammen mit den Angehörigen.

– Die Erfahrungen eines zeitlich begrenzten Stromaus-falls sind auch ambivalent: Man ist nicht nur verunsi-chert und irritiert, sondern auch fasziniert (Vierboom/Härlen 2009, S. 12 u. 13).

Im Zuge eines viele Tage oder Wochen dauerndenStromausfalls ist einerseits damit zu rechnen, dass – ver-mittelt durch Stress, Emotionen, Affekte, kognitive Blo-ckaden – der Prozess der Zivilisierung „rückwärts läuft“(Dombrowsky et al. 2009, S. 257). Manche Individuenund Gruppen werden rücksichtsloser, aggressiver und ge-waltbereiter, fallen also in diesem Sinn hinter die etablier-ten Normen gesellschaftlicher Interaktion zurück.115 An-dererseits werden auch Reaktions- und Verhaltensformenzutage treten, die es Menschen ermöglichen, sich selbstvon extremen Lagen und Ereignissen so zu „distanzie-ren“, dass potenziell aggressive, panische oder apathischeReaktionen ausbleiben oder durch die Betroffenen über-wunden werden. Werden Selbstbeherrschung, Koopera-tion, Empathie und Hilfsbereitschaft manifest, „gewinnendie Betroffenen ihre Souveränität zurück und es entsteht

114 Die Rolle der Familie bzw. des sozialen Netzwerks, das sie repräsen-tiert, ist in der Katastrophenforschung zumeist positiv beschriebenworden, auch im Sinne eines positiven Beitrags zu „disaster prepa-redness“ (dazu Kirschenbaum 2006). Dies ist auch der Tenor der Er-lebnisberichte bei Cantauw/Loy (2009).

115 Ende der 1930er Jahre hat der Soziologe Norbert Elias seine Untersu-chungen zum „Prozess der Zivilisation“ vorgelegt (Elias 1989). Da-rin rekonstruiert er, wie sich seit dem Mittelalter zunehmend eine Zi-vilisierung menschlichen Verhaltens einstellt. Die Menschen lernen,ihre Affekte zu zügeln, sie bedenken die Folgen ihres Tuns, die Ge-waltbereitschaft sinkt (ohne je ganz zu verschwinden), Essen, Trin-ken und der Umgang miteinander werden nach und nach weniger un-gehemmt und roh.

ein Gefühl für die Bewältigbarkeit des Überwältigenden“(Dombrowsky et al. 2009, S. 263; s.a. Schutzkommission2006, S. 45).

Alle Maßnahmen der Behörden und Hilfsorganisationen,jedwede technische Unterstützung und Hilfeleistungebenso wie menschliche Zuwendung müssen letztlich da-rauf abzielen, durch Linderung materieller Mangellagenund psychischer Bedrängnis, den Menschen diese Über-zeugung zu ermöglichen. Damit wäre auch ein Beitraggeleistet, das „soziale Kapital“ in der Gesellschaft(Murphy 2007), d. h., das Hilfepotenzial nichtprofessio-neller Helfer zu aktivieren.

3.2 Thesen zu den verhaltensbezogenen Folgen eines langandauernden Stromausfalls

Im Folgenden werden mögliche Erlebnis- und Verhaltens-formen unter den Bedingungen eines länger andauerndenStromausfalls116 in thesenartiger und zugespitzter Formerörtert. Die Ausführungen folgen dabei weitgehend demGutachten von Vierboom/Härlen (2009, S. 15 ff.) undstellen dessen Thesen zur Diskussion.

Eine erste Dimension des langandauernden Stromausfallist die manifeste Gefährdung des gewohnten „Alltagsbe-triebs“. „Leibnahe“ Handlungen wie Kochen, Essen undKörperpflege geraten ebenso aus dem Tritt wie die Kul-turtechniken der Kommunikation. Unter den Bedingun-gen des Stromausfalls müssen solche Handlungen neu be-dacht und geübt werden. Face-to-Face-Kommunikationbeispielsweise wird zum Substitut technisch vermittelterKommunikation und erhält einen neuen Stellenwert. DieSuche nach und die Vermittlung von Neuigkeiten und In-formationen manifestiert sich in Gerüchten, die unter denobwaltenden Bedingungen als „intensivierte Informati-onssuche“ Geltung bekommen (Turner 1994). Weiterhinkönnen durch Zivilisation und Recht hervorgebrachte undgewährleistete Grenzen fragwürdig und gefährdet wer-den: „Entgrenzungen brechen sich Bahn; Beispiele dafürsind etwa Gewalttätigkeiten, Alkoholkonsum, Sexualisie-rungen, Raubzüge, Zusammenrottungen, Bandenbildung.Die Macht der Entdifferenzierung aber erstreckt sich auchin subtilere Bereiche hinein: Haus und Wohnung reduzie-ren sich ›abnehmend‹ auf einen Raum, Schulunterrichtfällt aus bzw. wird mit ›bordeigenen Mitteln‹ durchge-halten, körperliche Distanzen werden aufgehoben,Schamgrenzen fallen, Hygienestandards sind nicht mehraufrechtzuerhalten, besondere Könnensformen und beruf-liche Fähigkeiten sind nicht mehr gefragt, Geschmacks-vorlieben und Extravaganzen werden zurückgewiesenusw. Die erlebte Entgrenzung wird verstärkt durch dieTatsache, dass der Stromausfall die Betroffenen unvorbe-reitet und unter der Bedingung der zeitlichen Unbe-stimmtheit trifft. Somit gerät das Zeiterleben selbst ineine Entdifferenzierung.“ (Vierboom/Härlen 2009, S. 16)

116 Ungerer/Morgenroth (2001, S. 112) bezeichnen das Verhalten vonMenschen in einer Bedrohungssituation als „Offenbarungsdokumen-tation der emotional-affektiven, kognitiven und ethisch-moralischenDispositionen“ des Menschen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/5672

Ohnmachtsgefühle entstehen trotz Anstrengungen, Ord-nung aufrechtzuerhalten, trotz Hoffnung, der Stromaus-fall könne nicht ewig dauern. Es erfolgen „Erklärungsver-suche, Beruhigungsversuche, Durchhalteparolen,Einholen von Informationen, Kontaktaufnahme, Aufstel-len von Organisationsplänen und Rollenverteilungen fürBesorgung von Lebensmitteln, Kochen, Essen, Körper-pflege“. Es bleibt aber die Erkenntnis, dass man den Be-dingungen und Folgen eines länger dauernden Stromaus-falls nahezu ohnmächtig ausgesetzt ist (Vierboom/Härlen2009, S. 16 f.). Dennoch ist der Mensch als hilfloses Op-fer von Katastrophen eine irreführende Vorstellung – al-leine schon deshalb, weil die Erfahrungen mit Katastro-phen gezeigt haben, dass mehr Menschen durchnichtprofessionelle Helfer als durch Mitglieder derHilfsorganisationen gerettet werden.

Die daraus resultierenden Folgen für das Spannungserle-ben der Menschen und ihre Bewältigungsformen sind kei-nesfalls homogen: „Einerseits werden durch aufgelasseneOrdnungen und durch das Aussetzen gewohnter Funktio-nen und Verrichtungen Energien freigesetzt, die ungebun-den flottieren und in Ängste und psychotische Reaktionenumschlagen können. Andererseits treten an die Stelle dergewohnten Einheiten neue Einheitsbildungen und Aus-richtungen, z. B. in Form umständlicher und langwieri-ger, viele Energien bindender Prozesse der Nahrungs-beschaffung.“ Die auf einen funktionierenden Alltagzielende Neubildung von Ordnung ist eher anspruchslos –„man ist froh, wenn überhaupt etwas wieder zu funktio-nieren beginnt“ (Vierboom/Härlen 2009, S. 17).

Die angesprochenen Prozesse der Entgrenzung intensi-vieren sich im Zuge der Entfaltung der Katastrophe überdie Zeit: „Zu Beginn ist ein Stromausfall allenfalls lästig,unbequem, für manche vielleicht beunruhigend, für an-dere unterhaltsam und wohltuend irritierend. Dann aberbeginnt die öffentliche Ordnung zusammenzubrechen.“Trinkwassermangel, Nahrungsknappheit, aggressive Aus-einandersetzungen, gehäufte Todesfälle in Krankenhäu-sern und Altenheimen sind Zeichen der scheiternden Be-mühungen um Bewältigung und Hilfe. Die Potenzierungsolcher Umstände „wirkt wie ein Strudel, in den alles mit-gerissen wird. Im Zustand extremer Entdifferenzierungeröffnet sich ein großflächiges Konglomerat von Kata-strophen, die mit Todesgefahren drohen und die erhöhteSchutzaufwände und Aufrüstungsbemühungen provozie-ren.“ (Vierboom/Härlen 2009, S. 17)

Die bisherigen Überlegungen sollen abschließend zu hy-pothetisch beschriebenen Bewältigungsstrategien undVerhaltensweisen verdichtet werden, wie sie im Verlaufeines länger dauernden Stromausfalls auftreten könnten.Diese Typisierung dient der Aggregation einer großenVielfalt an Verhaltensformen,117 die auf interpersonelleund intrapersonelle Unterschiede hinweist. Strukturiertwird die Darstellung entlang der Dimensionen angepass-

117 In der Notfallpsychologie wird diese Tatsache auf ein Set unter-schiedlicher biologischer, sozialkultureller und psychologischer Fak-toren zurückgeführt (Lasogga/Gasch 2008). Seitens der (empirischgestützten) Katastrophenforschung wird dies bestätigt.

tes versus abweichendes Verhalten jeweils in Kombina-tion mit Ichstärke und Ichschwäche (nach Vierboom/Härlen 2009, S. 17 ff.).118

Ichstärke in Kombination mit angepasstem Verhalten

Dieser Typus des Verhaltens ist vom selbstgesetzten Zielgeprägt, die eingetretene Unordnung durch eine neuge-staltete, aber an tradierten Regeln orientierte Ordnung zuersetzen. Dabei ist ihnen der Schutz von Familienangehö-rigen oder Schutzempfohlenen wie Partner, Freunde,nahe Bekannte ein besonderes Anliegen und motiviertsie.

– Festhalten an Kultur bezeichnet den Typus, der auchin der Katastrophe Haltung bewahrt, Verantwortungübernimmt (Wallenius 2001, S. 158) sich nicht gehenlässt und seine Zielvorstellungen konsequent verfolgt.Hierunter fallen etwa Menschen, die durch Ichstärkeund lebensbejahende Haltung auch ausweglos schei-nende Situationen überlebt haben.

– Bewahrung der Ordnung und aktive Bewältigung derKatastrophe ist die Richtschnur für das Verhalten vonPersonen, die versuchen, Ruhe und Übersicht zu be-wahren sowie aktiv zu handeln. Ihnen ist ein großesMaß an Kontrollüberzeugung zu eigen. Dieses könntesich darin manifestieren, dass sie verantwortlich undüberlegt Führungsaufgaben übernehmen. Auch eineAusprägung als selbsternannter „Ordnungshüter“– eine eher problematische Rolle – wäre möglich(Vierboom/Härlen 2009, S. 19).

– Als rustikales Survival bezeichnen Vierboom und Här-len (2009, S. 20) eine ichstarke Sonderform. Hierunterfallen Individualisten, die eine Zeit lang ohne zivili-satorisches Umfeld zurechtkommen können, wiePersonen mit Pfadfinder- und Campingerfahrung, Ein-zelkämpferausbildung, Survivaltraining sowie vielfäl-tiger technischer Ausrüstungen und ihrer geübtenHandhabung.

Ichstärke in Kombination mit abweichendem Verhalten

Bewältigungsstrategien aus dem kriminell-devianten For-menkreis sind ebenfalls zielgerichtet, jedoch durchabweichendes Verhalten geprägt, das den Gefährdungszu-stand der öffentlichen Ordnung für aggressive Handlun-gen und kriminelle Aktivitäten ausnutzt:

– Subversion: Bei dieser Bewältigungsform ist die Ab-weichung von den gesellschaftlich anerkannten Nor-men am stärksten. Hierzu zählen Formen der Sabo-tage, organisierter und schwerer Landfriedensbruch,Terrorismus. Planvolles Vorgehen mit dem Ziel, die

118 Angepasstes Verhalten soll bedeuten, an den Regeln der Moral, desRechts und der öffentlichen Ordnung orientiertes Verhalten; abwei-chendes Verhalten verletzt diese Maßstäbe. Ichstärke bezeichnet einerelativ geringe Abhängigkeit von Umfeldbedingungen aufgrund kon-tinuierlicher Charakterentwicklung; Ichschwäche bezeichnet „Halt-und Strukturschwäche“ und relativ große Abhängigkeit von den Be-dingungen der Umgebung.

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Drucksache 17/5672 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

vorhandene Gesellschaftsordnung zu untergraben,macht diese Form gefährlich.

– Intelligente Formen der Kriminalität nutzen die Situa-tion des Stromausfalls aus, z. B. in Form gezielter Ein-brüche etwa in Banken oder Geschäfte.

– Gelegenheitskriminalität nutzt ebenfalls die Um-stände, jedoch weniger planvoll (Taschendiebstahl,Ausrauben von Kiosken).

Ichschwäche in Kombination mit angepasstem Verhalten

Hilflosigkeit kann ausgelöst werden durch den Eindruck,man habe keinen Einfluss auf die Geschehnisse. Hilflo-sigkeit, die Führung durch andere braucht, kann eine Be-wältigungsform sein.

– Überforderung und Passivität: Viele Menschen sindvon den Folgen eines umfassenden Stromausfallsüberfordert. Sie wissen sich nicht zu helfen, neigen zupanikartigen Reaktionen119 oder ziehen sich passiv zu-rück („freezing“). Bei ausgeprägtem Leidensbewusst-sein haben sie zugleich einen starken Führungsbedarf.Auch orientieren sie sich stark an anderen und verhal-ten sich so wie diese („passive following“) (Wallenius2001, S. 163).

– Apathie und Depression: Stress und Überforderungkönnen in mehr oder weniger starke Formen der Trau-matisierung münden. Die Traumatisierten habengleichsam „zu tief in den Abgrund geschaut“. Sie sindohne Antrieb und neigen zur Selbstaufgabe.120

Ichschwäche in Kombination mit abweichendem Verhalten

Umgangsformen, die durch destruktiv-aggressive Verhal-tensweisen gekennzeichnet sind und ins Psychotische hi-neinspielen, gehen meist mit Ichschwäche einher. Auchsie sind eine Form der Bewältigung einer Situation, in deres nur noch wenig Halt gibt.

– Plünderungen, Vandalismus: Gruppen wie Hooligansoder sogenannte Autonome lassen sich vom Chaostreiben und treiben das Chaos weiter (Vierboom/Härlen 2009, S. 21). Spontane Zusammenrottungen,Plünderungen und Unruhen sind Ausdruck und Folgeeiner ungeordneten und unsicheren Situation.

– Sexuell-aggressive Bemächtigung: Formen sexuell-aggressiver Verhaltensweisen, die vor allem dann auf-treten, wenn das „Korsett“ der Kultivierung nichtmehr hält, sind aus Extremsituationen wie Krieg undKatastrophen als „Kulturausfälle“ bekannt.

119 Insbesondere in der amerikanischen Literatur wird sehr stark betont,dass Panikreaktionen eher selten auftreten („Panikmythos“).

120 Ungerer/Morgenroth (2001, S. 121) sprechen von „mentalem Fremd-gehen“, wenn keine Auseinandersetzung mit der Gefahrensituationerfolgt.

– Auch psychotische Auflösungszustände dürften beilänger dauerndem Ausfall der Stromversorgung auf-treten. Sie spiegeln in gesteigerter Form einen allge-meinen Zustand der Unsicherheit großer Teile der Be-völkerung.

Abbildung 25 fasst die vorausgegangen Ausführungenzusammen.

Die vorangegangenen Ausführungen haben – thesenhaftzugespitzt – vier idealtypische Verhaltenscluster beschrie-ben. Als übergreifende These lässt sich formulieren, dassdie beschriebenen Formen abweichenden Verhaltenswahrscheinlich nur bei einem geringen Teil der Bevölke-rung zu finden sein werden. Die Formen angepasstenVerhaltens (ichschwache wie ichstarke Formen) werdendie Mehrzahl der Bewältigungsstrategien ausmachen(Vierboom/Härlen 2009, S. 21). Sogenannte soziale Res-sourcen, also die Möglichkeit der Unterstützung durcheine oder mehrere Personen in emotionaler Hinsicht,dürfte erheblich dazu beitragen, einzelne kritische Situa-tionen und den dauerhaften Stress zu bewältigen(Lasogga/Gasch 2008, S. 144). Diese Vermutung lässtsich durch Ergebnisse der Katastrophenforschung stützen.Diese lassen es plausibel erscheinen, dass weitverbreiteteAnnahmen zum Verhalten von Menschen in gefährlichenSituationen – häufig auch durch Medien vermittelt – nichtpauschal zutreffen (Dombrowsky/Schuh 2008). Bei-spielsweise meint Quarantelli (1985, S. 8 ff.), dass die Er-fahrungen zeigen, dass individuelles Verhalten und Han-deln in Katastrophen nicht vorwiegend als panisch,unsozial und passiv gekennzeichnet werden können. DieWirklichkeit zeige vielmehr ein anderes Bild: Relativkontrolliertes (was eine rationale Entscheidung zur Fluchteinschließt), uneigennütziges, helfendes und aktives Han-deln seien weitaus typischer und häufiger als panischesund asoziales Handeln (s.a. Wallenius 2001, S. 158; Nye2010). In vielen Fallstudien zu Gefahrenlagen wie Erdbe-ben, Bränden in U-Bahnen oder Schiffskatastrophen(z. B. Cornwell et al. 2001) wird betont, wie ausgeprägtdie Bereitschaft zu helfen selbst unter kritischen Randbe-dingungen gewesen sei. Einzelne vorliegende Berichtebelegen dies auch für Stromausfälle (z. B. Nye 2010 fürNew York; s.a. Murphy 2007, Yuill 2004).

Ein solches Verhalten muss aber nicht zwangsläufig inSelbstaufgabe und Vernachlässigung des eigenen Schut-zes und eigener Interessen führen. Eine Phase des Helfenskann deshalb mehr oder weniger abrupt in eine Phase aus-schließlich egoistischen Handelns übergehen, wenn dieUmstände und das Geschehen für die Helfer lebensbe-drohlich werden (Wallenius 2001, S. 182).

Die zuvor vorgestellten Überlegungen und Hypothesenmüssten ohne Zweifel überprüft und fortentwickelt wer-den, will man – besser fundiert – die Psychodynamik desUmgangs von Menschen mit einer sich schrittweise ent-faltenden Katastrophe angemessen verstehen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/5672

3.3 Informations- und ForschungsbedarfEinstellungen und Verhalten von Gruppen und Individuenin Katastrophen sind ein noch nicht ausreichend erschlos-sener Untersuchungsgegenstand. Zugleich existiert hierzuaber eine Reihe von Annahmen – insbesondere zu erwart-barem unsozialem, apathischem oder panikartigem Ver-halten der Bevölkerung („Panikmythos“) –, die einerÜberprüfung wahrscheinlich nicht standhalten dürften.Auch für den Katastrophentyp Stromausfall wäre deshalbweitere Aufklärung erforderlich, die auf den wenigenvorliegenden Berichten und Analysen zu Stromausfällenin Amerika und Europa aufbauen könnten (z. B. Nye2010).

Ein Ansatz könnten psychologische Vertiefungsstudiensein (Vierboom/Härlen 2009, S. 24 ff.). Hierzu könntenIntensivbefragungen auf der Basis der vorgestellten The-sen mit drei Gruppen durchgeführt werden:

– Betroffene, die bereits einen mehrtägigen Stromausfallerlebt haben (z. B. aus der Region Münsterland oderaus den Niederlanden),

– Bevölkerung ohne Erfahrung mit einem großräumigenAusfall der Stromversorgung sowie

– Personen aus dem Katastrophenmanagement (Lei-tungspersonen, Einsatzkräfte vor Ort) mit und ohneErfahrung eines (längeren) Stromausfalls.

Mit einem solchen Untersuchungsansatz – aber auch an-dere Methoden kämen infrage – könnte am BeispielStromausfall ein Beitrag zur Analyse des in der Katastro-phenforschung wenig thematisierten menschlichen Be-

drohungs- und Fehlverhaltens und seiner Ursachen(Ungerer/Morgenroth 2001, S. 272) geleistet werden. Eskönnte aber auch untersucht werden, ob und unter wel-chen Umständen der bei Katastrophen häufig erkennbareAltruismus, die Bereitschaft, anderen zu helfen, gestärktwerden könnten, auch um die Aktivitäten der professio-nellen Helfer zu unterstützen (Murphy 2007).

Die Mitglieder der verschiedenen Hilfsorganisationenund Unterstützungskräfte werden die Folgen desStromausfalls als ein Kontinuum extremen Stresses erle-ben. Die Widrigkeiten der Umstände, der Zwang, unterUngewissheit schnell entscheiden zu müssen, die Viel-zahl von Hilfeanforderungen, die Erfahrung von Hilflo-sigkeit, der Ausfall von Kommunikationsstrukturen be-wirken hohe körperliche und psychische Belastungen.Erfahrungen legen die Einsicht nahe, dass Probleme aberweniger bei Engagement und Loyalität der Hilfeleisten-den zu erwarten sind (z. B. Dynes 1990). Vielmehr ist zuvermuten, dass vor allem unterschiedliche Organisations-kulturen121 fehlerhaftes Gefahrenverhalten verursachensowie einer effizienten Kommunikation und Zusammen-arbeit in und zwischen den Einsatzkräften im Weg stehenkönnten (Drabek/McEntire 2002; s. a. Drabek 2010;Lasogga/Gasch 2008, S. 403 ff.). Bei größeren Notfällen,bei denen es zu einem Zusammentreffen und zur Zusam-menarbeit so unterschiedlicher Gruppen wie Polizei, Feu-erwehr, den Rettungsorganisationen, dem THW und denpsychosozialen Nothelfern kommt, können deshalb auch

121 Dazu gehören unterschiedliche Ziele, Konzepte, Sprachen, Hierar-chien und Führungsstile.

A b b i l d u n g 2 5

Vier idealtypische Verhaltensformen

Quelle: nach Vierboom/Härlen 2009, S. 19

Festhalten an Kulturaktive Bewältigung undBewahrung der Ordnung»Beschützerrolle«

Subversion

intelligente Kriminalität

Gelegenheitskriminalität

Plünderungen, Vandalismussexuell-aggressives Verhalten

psychotische Auflösungszustände

Überforderung und Passivität

Apathie und Depression

Ichschwäche

Ichstärke

angepasstesVerhalten

abweichendes Verhalten

rustikales Survival

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Drucksache 17/5672 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Konflikte zwischen den Helfern entstehen (Lasogga/Gasch 2008, S. 142).

Vorurteile und Kommunikationsbarrieren treten insbeson-dere dann zutage, wenn sich Einsatzkräfte nicht kennen.Umgekehrt sprechen viele Indizien dafür, dass Blockadenreduziert werden können, wenn die Beteiligten durch lo-kale Nähe, gemeinsame Übungen oder Einsatzerfahrun-gen ein besseres gegenseitiges Verständnis von den jewei-ligen Aufgaben und Rollen gewinnen. Auch hinsichtlichdieser Aspekte wären Bemühungen der Forschung ange-zeigt: Welches fördernde und hemmende Faktoren derKommunikation sind, sollte durch verstärkte sozialwis-senschaftliche und interdisziplinäre Analysen weiter er-hellt werden.

IV. Verletzbarkeit, Bewältigungsoptionen und Handlungsbedarf – Schlussfolgerungen

Im vorstehenden Kapitel II wurden das deutsche Systemdes Krisenmanagements sowie daran anschließend inKapitel III für sieben ausgewählte Sektoren die Folgen ei-nes Stromausfalls beschrieben (Kap. III.2.2). In diesemKapitel soll nun ein Fazit gezogen werden. Dazu werdendie Ausführungen zu den jeweiligen Sektorenanalysen zueiner Beurteilung ihrer Verletzbarkeit sowie der Möglich-keiten und Grenzen der Katastrophenbewältigung zusam-mengeführt (Kap. IV.1 bis IV.7). Im Anschluss an diesesektorspezifischen Betrachtungen gilt das weitere Faziteinigen sektorübergreifenden Schlussfolgerungen (Kap. IV.8bis IV.13). Zudem erfolgen jeweils Ausführungen zu In-formations- und Forschungsbedarf sowie möglichenHandlungsperspektiven.

1. Informationstechnik und Telekommunikation

Der Sektor „Informationstechnik und Telekommunika-tion“ (IT/TK) wird durch einen Stromausfall massiv be-einträchtigt. Bereits nach kurzer Zeit sind Festnetz- undMobiltelefonie, die Nutzung des Internets sowie zum Teilauch der Rundfunkempfang nicht mehr möglich. Auchsatellitengestützte Telefone können nur so lange betriebenwerden, wie der Energiespeicher der Endgeräte reicht.Lediglich an den Rändern des vom Stromausfall betroffe-nen Gebiets ist eine Einwahl in die Mobilfunknetze nochmöglich. Bereits in den ersten Tagen zeigt sich, dass dasfür einen Katastrophenfall vorgesehene und gesetzlichgeforderte Mindestangebot an Telekommunikationsleis-tungen durch die TK-Anbieter nicht erbracht werdenkann. Die für zentrale Kommunikationseinrichtungenvorgehaltenen Reservekapazitäten wie USV und NSAsind nach wenigen Stunden oder Tagen erschöpft bzw.aufgrund ausgefallener Endgeräte wirkungslos.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Zwar können in den verschiedenen Teilsektoren einzelneInfrastrukturelemente (z. B. Endgeräte, Netze, Vermitt-lungsstellen) eine gewisse Zeit überbrücken. Diese sindjedoch nicht aufeinander abgestimmt, sodass die Durch-haltefähigkeit einer Infrastruktur vom jeweils schwächs-ten Glied bestimmt wird:

– Im Bereich der Festnetztelefonie sind Fernvermitt-lungsstellen mit Notstromkapazitäten bis zu einigenTagen ausgestattet, die jedoch aufgrund des Ausfallsuntergeordneter Vermittlungsstellen und der Endge-räte wirkungslos bleiben.

– Demgegenüber könnten die Endgeräte des Mobilfunksdurch entsprechende Nutzung über mehrere Tage biszu einigen Wochen eingesetzt werden und auch diezentralen Vermittlungsstellen wären für einige Tagebetriebsfähig. Als Schwachpunkt dieser Infrastrukturerweisen sich die Basisstationen, die − bedingt durchdas erhöhte Gesprächsaufkommen − nur wenige Mi-nuten bis Stunden weiterarbeiten können.

– Deutlich robuster ist die Satellitentelefonie, die jenach Kapazität und Nutzung der Endgeräte eine Kom-munikation für Stunden bis Tage erlaubt. Allerdingsist die Verbreitung von Satellitentelefonen eher geringund damit für die Aufrechterhaltung der allgemeinenKommunikation von geringer Bedeutung.

– Das Internet wird über das gut abgesicherte Fernüber-tragungsnetz betrieben. Eine Einwahl ist aber auf-grund der strombasierten End- und Zugangsgeräte nurbedingt und höchstens für kurze Zeit möglich, wennmobile Computer oder Smartphones funktionierendeOrtsvermittlungsstellen bzw. Basisstationen anwählenkönnen.

– Die Sendeanstalten des Rundfunks haben aufgrund ih-res gesetzlichen Versorgungsauftrags für Notfallkom-munikation und -information vorgesorgt und könnenüber mehrere Tage weiterarbeiten. Jedoch fallen Fern-sehgeräte sofort aus, sodass das (batteriebetriebene)Radio als Empfangsgerät verbleibt. Diese sind millio-nenfach vorhanden und können prinzipiell Stunden bisWochen (z. B. Autoradio) empfangsbereit bleiben.

– Printmedien sind trotz vorhandener NSA in den Dru-ckereien aufgrund der logistischen Herausforderungenund der Einschränkungen der redaktionellen Arbeitnur sehr begrenzt für Informations- und Kommunika-tionszwecke einsetzbar.

Damit entfällt innerhalb sehr kurzer Zeit für die Bevölke-rung die Möglichkeit zur aktiven und dialogischen Kom-munikation. Die Netzwerkstruktur von vielen mit Strombetriebenen Netzwerkknoten, Vermittlungsstellen undFunkantennen der Festnetz- und Mobiltelefonie sowie desInternets macht ihre flächendeckende Wiederinbetrieb-nahme praktisch unmöglich, da Tausende von Batterie-speichern bzw. Treibstofftanks versorgt werden müssten.Allenfalls an den Rändern des vom Stromausfall betroffe-nen Gebiets ist eine teilweise Reaktivierung einzelner In-frastrukturelemente denkbar. Darüber hinaus betrifft derAusfall der Kommunikationsinfrastrukturen auch die Be-hörden und Einsatzkräfte, die verbleibende Möglichkei-ten zur Kommunikation prioritär in Anspruch nehmen.

Informationsbedarf und Handlungsperspektiven

Eine nachhaltige Absicherung der Kommunikationsnetze,die es ermöglicht, über Wochen ein umfassendes Angebot

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105 – Drucksache 17/5672

an Dienstleistungen für die Bevölkerung stabil zu halten,dürfte wirtschaftlich und technisch nicht zu realisierensein. Konzepte, die im Fall eines längeren andauerndenStromausfalls zumindest ein definiertes minimales Ver-sorgungsniveau bieten, sind soweit ersichtlich noch nichtentwickelt. Dazu wären auch umfassende und detaillierteInformationen über die vorhandenen Bewältigungskapa-zitäten bei Behörden und Privaten erforderlich. Für denSektor fehlen insgesamt relevante Daten und konkreteVerletzbarkeitsanalysen. Es werden in den KapitelnIV.4.10 und IV.4.11 einige Überlegungen zum weiterenForschungsbedarf zur Diskussion gestellt.

2. Transport und Verkehr

Im Sektor „Transport und Verkehr“ fallen die stromba-sierten Elemente der Verkehrsträger Straße, Schiene, Luftund Wasser sofort oder nach wenigen Stunden aus. Er-hebliche Einschränkungen der individuellen Mobilität so-wie des Gütertransports und damit der Versorgung derBevölkerung ergeben sich aus einer Vielzahl von Unfäl-len und Staus, liegengebliebenen Zügen und U-Bahnen,umzulenkenden Flügen sowie Lkw- und Güterstaus inHäfen. Ein Ausfall der Stromversorgung über einen lan-gen Zeitraum – und damit eine weitgehende Blockade derVerkehrsträger und Verkehrsflüsse – hätte für Deutsch-land als Transitland, als Produktionsstandort und Export-nation bedrohliche Konsequenzen (BBK 2008a, S. 18).

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Insbesondere in den ersten Stunden nach dem Stromaus-fall akkumulieren sich in den großen Städten sowie inBallungsräumen die Probleme für die Behörden undHilfsorganisationen. Brandbekämpfung, Notrettung, Ein-sätze zur Sicherstellung der Notstromversorgung sowieeine Vielzahl weiterer Aktivitäten der allgemeinen Scha-densbewältigung sind massiv beeinträchtigt. Nahezu alleTankstellen sind ausgefallen. Zudem wirken sich die zu-nehmenden Probleme im Bereich der Telefonie immerstärker aus. Darüber hinaus drohen erhebliche Engpässebei der Versorgung der Bevölkerung, beispielsweise mitLebensmitteln oder medizinischen Bedarfsgütern.

Dementsprechend sind die Behörden mit komplexen He-rausforderungen konfrontiert. So muss vor Ort eine aus-reichende Versorgung der Einsatzkräfte sowie der NSAvon besonders sensiblen Komponenten der Kritischen In-frastrukturen (wie Leitstellen, BOS, Krankenhäuser) mitTreibstoff sichergestellt werden. Auch müssen durchRäumungen, Sperrungen und Fahrverbote wichtige Tras-sen für die Einsatzkräfte freigemacht und freigehaltenwerden. Schließlich gilt es, (überregionale) Transportach-sen einzurichten sowie Transportkapazitäten bereitzustel-len, um die Versorgung mit essenziellen Gütern zu er-möglichen.

Die Systeme der verschiedenen Verkehrsträger müssenzumindest so weit wieder ertüchtigt werden, dass die in-frastrukturellen Voraussetzungen zur Erreichung der ge-nannten Ziele gegeben sind. Dabei zeigen sich durchausUnterschiede bei Resilienz und Bewältigungskapazitäten.

Im Teilsektor Straße müssen insbesondere in den großenStädten und dichtbesiedelten Gebieten Straßen und Schie-nenwege geräumt werden, damit die Einsatzkräfte mit ih-ren Fahrzeugen ihren Aufgaben nachkommen können.Mit Bussen wird versucht, einen rudimentären öffentli-chen Personenverkehr zu sichern. Autobahnen und Fern-straßen lassen sich als Transportachsen nutzen. Innerhalbund außerhalb des vom Stromausfall betroffenen Gebietskönnen Lkw und Busse auf Grundlage des VerkLG für Ver-sorgungs- und Evakuierungsmaßnahmen eingesetzt werden.

Im Teilsektor Schiene sind die verfügbaren Einsatzkräftesowie das Bahnpersonal in den ersten Stunden im Groß-einsatz, um U-Bahnen und liegengebliebene Personen-züge zu evakuieren sowie Bahnhöfe zur räumen und diebetroffenen Menschen zu versorgen. Hierzu werden dieKapazitäten der Feuerwehr, des THW und der Polizei be-nötigt. Wenige Stunden nach Beginn des Stromausfallskönnen erste Dieselloks zur Bergung liegengebliebenerZüge zum Einsatz gebracht werden. Beheizbare Weichen-teile sind im Winter nicht mehr eisfrei zu halten und wer-den festgeschraubt. Stellwerke und Weichen müssendurch das Bahnpersonal manuell bedient werden. Wiehier ist auch in den Rangierbahnhöfen mit erhöhtem Per-sonalbedarf zu rechnen.

Zeitdruck und widrige Umstände bedeuten eine große Be-lastung für die Helfer, aber auch für das Bahnpersonal inden Rangierbahnhöfen, Stellwerken und bei der Leit- undSicherungstechnik. Insbesondere ist nach einigen Tagenbzw. ab der ersten Woche mit Stress- und Erschöpfungs-symptomen zu rechnen. Die Koordination der Maßnah-men und der Einsatzkräfte ist aufgrund ausgefallenerKommunikationsstrukturen mit nahezu unlösbarenSchwierigkeiten konfrontiert.

Eine zentrale Bedeutung hat der Schienenverkehr für dieVersorgung der Bevölkerung. Zentrale Eisenbahntrassenkönnen nach Räumung der Gleise und dem Verschraubenvon Weichen befahrbar gemacht und mit Dieselfahrzeu-gen bedient werden, sodass Güter und Personen im grö-ßerem Umfang transportiert werden können. Die zustän-digen Behörden müssen im Verlauf des Stromausfallszusammen mit den Bahnbetreibern über Strecken undMaßnahmen für einen Notbetrieb entscheiden.122

Im Sektor Luft erweisen sich die Flughäfen als relativ ro-bust, da sie über eine aufwendige Notstromversorgungverfügen. Ein Teil der anstehenden Starts und Landungenkann noch abgewickelt werden; ein Teil der Flugbewe-gungen wird untersagt (EBP 2010, S. 22). Nachdem be-kannt wird, dass es sich um einen langanhaltendenStromausfall handelt, passen die Krisenstäbe ihre Pläneund Maßnahmen den neuen Rahmenbedingungen an.Flugsicherung und Fluggesellschaften lenken Flüge umund planen neu. Prioritär geht es dann darum, alle nochwartenden Fluggäste zu versorgen, den Grundbetrieb auf-rechtzuerhalten und die Sicherheit des Flughafens zu ge-währleisten. Zudem wird geprüft, inwiefern Versorgungs-flüge, ggf. als Sichtflug, möglich sind.

122 Die DB AG hat als „operatives Instrument und Organisationsmittelfür die Krisen- und Arbeitsstäbe“ das DB Lagezentrum eingerichtet(BBK 2008a, S. 122).

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Drucksache 17/5672 – 106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Beeinträchtigungen im Teilsektor Wasser kumulierenin den See- und Binnenhäfen, deren Betrieb nahezu voll-ständig zum Stillstand kommt. Die jeweiligen Hafenbe-hörden werden ihre Notfallpläne umsetzen und versu-chen, in eigener Verantwortung den Hafenbetrieb zureduzieren, Staus aufzulösen, Kontakt zu den Schiffenund den verantwortlichen Behörden aufzunehmen. Wäh-rend des Stromausfalls wird die Polizei keine Sicherungs-aufgaben für Hafenanlagen übernehmen können. DieFeuerwehr und das THW kommen ggf. zum Einsatz, bei-spielsweise um eine Stromversorgung mit mobilen Ag-gregaten aufzubauen, oder wenn es zu Gefahrenlagen imZusammenhang mit gefährlichen Gütern kommt.

Sobald klar ist, dass es sich um einen langandauerndenStromausfall handelt, versucht man, den noch ankom-menden oder geplanten Güterverkehr umzulenken undüber Straße und Schiene abzuwickeln. Dies erfordert Ab-sprachen zwischen den zuständigen Stellen und den Un-ternehmen, den nichtbetroffenen Häfen in Deutschlandund Europa. Aufgrund der Ausfälle in der Informations-und Kommunikationstechnologie kann es dabei zu erheb-lichen Schwierigkeiten kommen.

3. Wasser und AbwasserDie Wasserinfrastruktursysteme sind auf Dauer ohneelektrische Energie nicht zu betreiben. Wie bei der Was-serversorgung sind auch in der Abwasserentsorgung elek-trische Pumpen die neuralgischen Stellen im System. Ihrdauerhaftes Versagen hätte insbesondere für die Versor-gung der Bevölkerung mit Trinkwasser katastrophale Fol-gen. Auch ist bei einer längeren Dauer des Stromausfallszu befürchten, dass in Städten Löschwasser so knappwürde, dass Brände und Brandkaskaden nicht effektivverhindert werden könnten.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Wie die Analysen der unmittelbaren und mittelbaren Fol-gen eines Stromausfalls für die Wasserinfrastruktursys-teme gezeigt haben, wird man – bei den heute vorhande-nen Strukturen und Technologien in der Wasserver- undAbwasserentsorgung – fast nur auf Behelfslösungen mithohem personellem, organisatorischem, zeitlichem undmateriellem Aufwand zurückgreifen können. Dazu gehö-ren die Versorgung der Bevölkerung durch Nutzung vonNotbrunnen und der Einsatz von Tankwagen sowie mobi-ler Sanitärwagen. Eine Option ist ferner die Aufrechter-haltung eines Betriebszustands der Ver- und Entsorgungs-netze auf einem niedrigen Leistungsniveau durchÜberbrückung und funktionellen Ersatz von einzelnenstromabhängigen Komponenten und Anlagen. Dies erfor-dert vor allem den Einsatz von mobilen NSA. Diesemüssten, wahrscheinlich in zu geringer Zahl zur Verfü-gung stehend, an wechselnden Positionen betrieben wer-den, wie z. B. an Wasserwerken123 oder Hebeanlagen in

123 Wasserwerke verfügen zwar häufig direkt über eigene NSA oder ha-ben Zugriff auf Aggregate z. B. der Stadtwerke oder der Kommune.Allerdings ist fraglich, ob diese im Bedarfsfall tatsächlich zur Verfü-gung stehen und ob der Übergang in einen Notbetrieb, möglicherwei-se behindert durch Transportprobleme oder Konkurrenzsituation umNSA, reibungslos durchführbar ist.

der Kanalisation. Hinzu kommt die Initiierung von Spü-lungen der Kanalnetze, z. B. durch Wasser aus Tankwa-gen.

Informationsbedarf, Handlungsperspektiven

Da zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland hohe Investi-tionen in den Erhalt, Um- und Neubau der Wasserinfra-struktursysteme notwendig werden, eröffnet sich dieMöglichkeit, Aspekte der Vulnerabilität und Resilienz inPlanungen und Konzeptionen für zukünftige Systeme zuintegrieren und Synergien in Richtung systemischer Lö-sungen für Katastrophenfälle zu erschließen.

Zum Beispiel ergeben sich Synergien im Bereich der Ab-wasserbehandlungsanlagen. Es wird bereits verstärkt For-schung und Entwicklung mit dem Ziel einer Steigerungder Energieeffizienz und der Eigenenergieproduktiondurch Faulgasverstromung in BHKW – auch aus ökono-mischen Gründen – betrieben (MUFV Rh-Pf. 2007; UBA2008). Durch einen weiteren Ausbau der Faulgasverstro-mung mit BHKW und einer gleichzeitigen Steigerung derEnergieeffizienz wäre bei heutigem Stand der Technikeine autarke Energieeigenversorgung denkbar (UBA2008). Derzeit liegt der Eigenversorgungsgrad von gro-ßen Kläranlagen, die diese Technik nutzen, zwischen25 und 30 Prozent. Allerdings sind die Energieerzeu-gungsanlagen nicht ohne Weiteres im Inselbetrieb ein-setzbar.124 Inselnetztauglichkeit erfordert eine Leistungse-lektronik, die eine Versorgung eines abgegrenztenKleinstnetzwerks (einzelne Anlagen oder auch Häuser-gruppen) durch dezentrale Anlagen ermöglicht(Kap. IV.12).

Energieautarkie durch Eigenenergieproduktion sowie In-selnetztauglichkeit der dezentralen Stromerzeuger wür-den im Katastrophenfall einen Beitrag zur Versorgungnach einem Stromausfall leisten. Ziel solcher Systemekönnte sein, die Kläranlagen sicher und unkompliziert ineinen autarken Betriebszustand zu versetzen, ohne auf-wendige Improvisationsmaßnahmen durchzuführen oderPersonal und mobile Ressourcen zu binden. Dieses Zielwäre auch für die Wasserwerke als zentrale Elemente derInfrastruktur durch Integration in eine inselnetztauglicheVersorgungsstruktur anzustreben.

Eine weniger umfassende Option der Katastrophenbewäl-tigung könnte die Aufnahme eines stromsparenden Mini-malbetriebs der Wasserinfrastruktur sein. Die bei der Be-arbeitung des TAB-Projekts befragten Betreiber strebeneinen solchen Betriebsmodus an. Der Minimalbetriebmuss sich nach den zur Verfügung stehenden Ressourcenrichten und die vorhandenen Infrastrukturelemente in op-timaler Weise kombinieren und nutzen, wie z. B. durchAbschaltung paralleler Abwasserbehandlungsstraßen inder Kläranlage zur Energieeinsparung oder dem mobilenund flexiblen Einsatz von NSA an Hebeanlagen in derKanalisation.

124 In Baden-Württemberg können ca. 40 Prozent der Kläranlagen, diemit einem BHKW betrieben werden, auch netzunabhängig arbeiten(Keicher et al. 2008).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/5672

Für private Haushalte kann dies u. a. bedeuten:

– Versorgung mit vermindertem Druck, obere Stock-werke werden nicht erreicht;

– Versorgung fokussiert auf ausgewählte Teile des Ver-sorgungsnetzes;

– Versorgung mit Wasser verminderter Qualität, sodassder Fäkaltransport aus den Wohnungen und in der Ka-nalisation weiterhin gewährleistet bleibt, jedoch Le-bensmittelqualität nur durch weitere Aufbereitung aufAbnehmerseite erreicht wird (z. B. Desinfektion).

Es besteht schließlich noch erheblicher Bedarf, Verbesse-rungen an den einfachen, d. h. nichtsystemischen Sicher-heitskonzepten, z. B. der Kläranlagen, vorzunehmen.Keicher et al. (2008) identifizieren für Baden-Württem-berg bei Kläranlagen noch ein erhebliches Potenzial inder Ausstattung mit Systemen zur unterbrechungsfreienStromversorgung, bei der Bevorratung von Betriebsmit-teln (z. B. Diesel) für NSA (meist nur für ca. 24 Stundenvorhanden), aber auch in der Ausarbeitung von Notfall-plänen, die helfen, notwendige Prioritäten zu setzen.

Im Bereich Brandschutz ergeben sich Möglichkeiten derVulnerabilitätssenkung beispielsweise durch die Entwick-lung und den Einsatz neuer Technologien, die durch ef-fektiveren Löschwassereinsatz zu einer Senkung desWasserbedarfs führen. Dazu gehören mobile Hochdruck-löschsysteme an Bord der Feuerwehrfahrzeuge und sta-

tionäre Löschsysteme in Wohnhäusern, Bürogebäudenund Industrieanlagen, wie z. B. installierte Hochdruck-löschsysteme, die mit feinem Wassernebel gleichzeitigkühlen und ersticken. Sie können notstromgepuffert odermit Gas aus Druckflaschen betrieben werden und sehenWasserspeicher mit kleinen Volumina in den Gebäudenvor. Diese Systeme stellen bezüglich der Dimensionie-rung der Wasserinfrastruktur eine Effizienz- und Kosten-verbesserung dar und werden derzeit Gegenstand der For-schung.

Angesichts der überragenden Bedeutung, die das Systemder Wasserinfrastruktursysteme hat, sollten verstärktMaßnahmen zur Verbesserung seiner Robustheit in Erwä-gung gezogen werden. Die zuvor genannten systemischenund nichtsystemischen Ansätze könnten nützliche Bei-träge zur Stärkung der Resilienz der Wasserversorgungim Fall eines langandauernden Stromausfalls liefern.

Sicherheitskonzepte, Forschung zur Vulnerabilität

Die WHO veröffentlichte im Jahr 2004 neue Leitlinienzur Trinkwasserqualität und empfahl die Aufstellung ei-nes sogenannten Trinkwassersicherheitskonzeptes (Wa-ter Safety Plan, WSP) zur Sicherung der Trinkwasserqua-lität. Dieses beinhaltet umfassende Risikobewertungs-und Managementansätze, die alle Stufen von der Wasser-gewinnung bis zur Auslieferung einschließen sollen(WHO 2009).

A b b i l d u n g 2 6

Elemente eines Trinkwassersicherheitskonzepts in ausgewählten Teilen des DVGW-Regelwerks

Quelle: Bethmann et al. 2006

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Drucksache 17/5672 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bethmann et al. (2006) zeigen, dass wesentliche Ele-mente des WHO-Trinkwassersicherheitskonzeptes bereitsim DVGW-Regelwerk enthalten sind. Eine grafischeÜbersicht gibt Abbildung 26. Allerdings geht aus der gra-fischen Darstellung auch hervor, dass der Aspekt derRisikoabschätzung in den Bereichen Wassergewin-nung, -aufbereitung, -speicherung und -verteilung kaumimplementiert ist. Hier besteht Bedarf an umfangreichenErgänzungen, da erst auf Grundlage von Risikoabschät-zungen Priorisierungen bezüglich zu entwickelnder Maß-nahmen möglich werden.

Für Risiko- und Vulnerabilitätsanalysen von großtechni-schen Systemen wie den Wasserinfrastruktursystemenwerden u. a. Ansätze gestützt durch Simulationsmodelleverfolgt. Zu den dabei häufiger untersuchten Bedrohun-gen gehören die Kontamination des Trinkwassers undAusfälle einzelner Komponenten oder Systemteile (ent-weder durch intendierte Handlungen, Unfälle oder Natur-ereignisse hervorgerufen). Auswirkungen eines langan-haltenden Stromausfalls auf die Wasserinfrastruktur sindbisher nicht modellgestützt untersucht worden. Modell-bildung wird im Bereich Infrastruktursysteme auf ver-schiedenen Detailebenen mit ebenfalls unterschiedlichenZielrichtungen und Perspektiven durchgeführt, wie z. B.die Analyse von Eintrittswahrscheinlichkeiten und die Si-mulation von Schadensereignissen und deren Fortpflan-zung. Gegenstand der Modelle sind z. B. relevante physi-kalische Vorgänge, wie hydraulische Prozesse in denRohrleitungssystemen. Modelle dieser Art werden oft zurBeantwortung von sehr spezifischen technischen Frage-stellungen im Bereich der Betriebsoptimierung oder derPlanung verwendet. Zu technisch detaillierten Modellender Wasserversorgungsinfrastruktur zählt z. B. EPANET,eine Softwareentwicklung der Environmental ProtectionAgency (USA), mit dem Ziel, die Versorgung zu verbes-sern. EPANET wird in einer Reihe von Veröffentlichun-gen auch als Grundlage von Vulnerabilitätsanalysen unterunterschiedlichen Bedrohungslagen verwendet. Navarro-Roa et al. (2008) führen z. B. probabilistische Fehlerana-lysen durch Simulation von Ausfällen einzelner techni-scher Elemente durch. Tidwell et al. (2005) wie auchThompson et al. (2007) analysieren die Bedrohungen, dieaus einer Kontamination des Wassers resultieren können.

Genutzt werden aber auch abstrakte Modelle, die dasWasserinfrastruktursystem als einen Bestandteil einesGeflechts von interagierenden Infrastrukturen („system ofsystems“) auffassen. Dementsprechend werden Ansätzeverfolgt, die besonders auf die Vernetzung zwischen deneinzelnen Infrastruktursystemen und deren In- und Out-putfaktoren zielen. Die Bedeutung der System-of-Sys-tems-Perspektive wird z. B. von Kröger (2008) unterstri-chen, der auch den Bedarf neuer, für diesen Zweckgeeigneter Modellierungsmethoden ableitet. Der entste-hende Erkenntnisgewinn in Bezug auf die gegenseitigenAbhängigkeiten der Infrastrukturen könnte beim Aufbaueines vorbeugenden Katastrophenmanagementsystemshilfreich sein (Dombrowsky 2007).

4. Versorgung mit Lebensmitteln

Der Lebensmittelsektor zeichnet sich durch eine hoheVerletzlichkeit aus. Innerhalb einer Woche entstehen er-hebliche Schäden in der Pflanzen- und Tierproduktion. Esist insbesondere zu erwarten, dass schon während der ers-ten beiden Tage die Versorgungskette von den Lagern desLebensmittelhandels zu den Filialen und damit zum Ver-braucher stark gestört wird und bald danach zusammen-bricht. Da alle Datenleitungen ausgefallen sind, gibt eskeinen Informationsfluss mehr, um auf die jeweiligen lo-kalen Erfordernisse zu reagieren und Lieferungen dahin,wo sie benötigt werden, zu veranlassen.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln isteine der zentralen Funktionen des Systems Kritischer In-frastrukturen; mehr noch: Sie ist überlebenswichtig (BSI2005, S. 137). Im Katastrophenfall ist die Sicherstellungder Lebensmittelversorgung Teil der Schutzpflicht desStaates nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG.

Mit dem Ziel der Katastrophenbewältigung können dieBehörden – teilweise in Zusammenarbeit mit dem Handel –u. a. folgende Maßnahmen ergreifen:

– Auf Grundlage des Ernährungsvorsorgegesetzes wirddie rationierte Freigabe der Bestände der „Zivilen Not-fallreserve“ und der „Bundesreserve Getreide“ veran-lasst. In der „Bundesreserve Getreide“ lagern Ge-treide, wie Weizen und Hafer, sowie in der „ZivilenNotfallreserve“ Reis, Hülsenfrüchte, Vollmilchpulverund Kondensmilch. Diese werden, wo möglich, wei-terverarbeitet und über Sammelverpflegungseinrich-tungen ausgegeben (BLE 2006, S. 3 u. 7). Auf Basisdes VerkLG wird logistischen Problemen bei der Ver-teilung der Reservebestände durch Hinzuziehung wei-terer Transportkapazitäten entgegengewirkt. Ergän-zend wird durch den Handel eine intensivierteübergebietliche Belieferung der betroffenen Region inGang gesetzt (BMELV 2005, S. 71). Dort, wo Lebens-mittellieferungen erfolgen, wird teilweise vor den Fi-lialen direkt vom Lkw verkauft (BMELV 2005,S. 120).

– In ausgewählten Filialen des Lebensmittelhandelswerden Ausgabestellen für Lebensmittel eingerichtet.Diese werden mit NSA ausgestattet und – soweit mög-lich – bei der Treibstoffzuteilung berücksichtigt. Dieentsprechenden Unternehmen in nichtbetroffenen Tei-len Deutschlands oder dem Ausland koordinieren inAbstimmung mit den Behörden die erforderliche Lo-gistik.

– Da ein großer Teil der Bevölkerung über keine Mög-lichkeit zur Zubereitung warmer Mahlzeiten verfügt,werden, z. B. durch THW, DRK und Bundeswehr,Großküchen errichtet bzw. warme Mahlzeiten ausge-geben.

Gleichwohl könnten am Ende der ersten Woche im vomStromausfall betroffenen Gebiet die Lebensmittelbe-stände in Haushalten, Filialen und Lagern des Lebensmit-

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/5672

telhandels zur Neige gehen. Deshalb wird erwogen, auchauf die deutschen Bestände der EU-Interventionsreservezurückzugreifen. Diese umfasst Getreide, Reis, Olivenölund Tafeloliven, Milch und Milcherzeugnisse, Rind-,Schweine- sowie Schaf- und Ziegenfleisch. Infrage kämeauch, Bestände aus anderen EU-Staaten anzufordern. Daaber große Teile des Lagerguts nur bedingt für die Ernäh-rung verwendet werden können (z. B. Gerste) und die La-gerung normalerweise nicht in der Nähe von Erzeuger-standorten erfolgt, wird diese Option verworfen (Rascheet al. 2001, S. 63).

Trotz größter Anstrengungen kann aber mit großer Wahr-scheinlichkeit die flächendeckende und bedarfsgerechteVersorgung mit Lebensmitteln nur ungenügend gewähr-leistet werden. Hindernisse dürften vor allem die teil-weise schlecht vernetzten Akteure und die nicht vorhan-denen Kommunikationsmittel sein. Ein einheitlichesLagebild fehlt, sodass eine länderübergreifende Abstim-mung der Maßnahmen größten Schwierigkeiten begeg-net.

Informationsbedarf, Handlungsperspektiven

Teilt man die zuvor erfolgten Einschätzungen, wären An-satzpunkte für eine vorsorgende Steigerung der Resilienzdes Sektors vor allem die regionalen Zentrallager desHandels sowie u. U. ausgewählte Filialen. Diese könntenmit einer robusten Notstromversorgung ausgestattet wer-den. Hierzu käme es beispielsweise infrage, zur Versor-gung vorhandener NSA Absprachen zur Belieferung mitdem Mineralölhandel zu treffen. Sind Stromeinspeise-punkte vorhanden, wäre der Einsatz mobiler Aggregate(durch EVU, THW, ggf. Bundeswehr) eine Option, diedann aber für längere Zeit sichergestellt werden müsste.

Weiter gehende Konzepte im Rahmen einer öffentlich-privaten Sicherheitspartnerschaft könnten geprüft wer-den. Im Rahmen einer Absprache mit dem Handel könntebeispielsweise angestrebt werden, je 10 000 Einwohnereine katastrophentaugliche Filiale und in jedem Bundes-land ein Lebensmittellager vorzusehen, die mit vergrö-ßertem Lager, Kommunikationsmitteln und NSA ausge-stattet werden. Diese würden in eine zentrale Datenbankaufgenommen, mit deren Hilfe im Katastrophenfall Be-hörden und Unternehmen Lieferungen koordinieren.

Die spezifischen Bedingungen eines Stromausfalls gebenauch Anlass, darüber nachzudenken, ob die Art der staat-lich bevorrateten Lebensmittel sowie die vorgeseheneWeiterverarbeitung und Verteilung situationsangemessensind: So wäre vielfach die Herstellung von Mehl in Müh-len nicht realisierbar. Auch fehlen in den privaten Haus-halten Wärmequellen zur Zubereitung. Aspekte wie diesesollten deshalb in aktuelle Überlegungen zu einer verbes-serten Bevorratung einfließen.

Eine weitere Handlungsperspektive läge in einer auf rege-nerativen Energien basierenden Eigenstromversorgungder Zentrallager des Handels, mit der ein hohes Maß anAutarkie zu erreichen wäre. Da Zentrallager eine großeDachfläche haben und zumeist am Rande oder außerhalbder Städte liegen, können regenerative Energieträger wie

Solar und Wind unter Nutzung entsprechender Speicher-technologien und nach gründlicher Planung ebenso einge-setzt werden wie (KWK-)Dieselgeneratoren.

Da sich gezeigt hat, dass bei einem Stromausfall wahr-scheinlich eine große Zahl von Tieren nicht nur gesund-heitlich beeinträchtigt wird, sondern verendet, sollte ge-prüft werden, ob eine Notstromversorgung einschließlicheiner Bevorratungspflicht für Treibstoff zum Betrieb ei-nes Notstromaggregats rechtlich konkreter gefasst wer-den könnte (z. B. in der TierSchNutzVO).

5. Gesundheitswesen

Durch die hochgradige Arbeitsteilung des dezentral struk-turierten Sektors und dessen ungenügende Absicherungdurch Notstromversorgung ist dieser schon nach wenigenTagen mit der eigenständigen Bewältigung der Folgendes Stromausfalls überfordert. Die Leistungsfähigkeit desGesundheitswesens wird neben der zunehmenden Er-schöpfung der internen Kapazitäten auch durch die Be-einträchtigung der Funktionen anderer Kritischer Infra-strukturen reduziert. Insbesondere die Defizite bei derVersorgung mit Energie, Lebensmitteln, Kommunikation,Wasser und Transportdienstleistungen verstärken die Ein-brüche bei Umfang und Qualität der medizinischen Ver-sorgung. Spätestens am Ende der ersten Woche wären diegesundheitliche Schädigung oder Gefährdung bzw. derTod sehr vieler Menschen sowie eine mit lokal bzw. re-gional verfügbaren Mitteln und personellen Kapazitätennicht mehr zu bewältigende Problemlage zu erwarten.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die internen, insbesondere materiellen Kapazitäten desregionalen Gesundheitswesens sind bereits in der erstenWoche weitgehend erschöpft. Es besteht ein Mangel anInsulin, Blutkonserven, Blutprodukten, Sterilgut und fri-scher Wäsche. Maßnahmen, wie vereinzelte Blutspende-aktionen oder die Aufbereitung der Wäsche in Feldwä-schereien, können den Bedarf nur unzureichend decken.Auch die Versorgung mit Medikamenten ist zunehmendnicht mehr möglich, da die Vorräte der Krankenhausapo-theken aufgebraucht sind125 und eine bedarfsgerechte Be-lieferung durch Hersteller und Handel ausbleibt. Deshalbkann auch eine Versorgung bestimmter Patientengruppenmit erforderlichen Spezialerzeugnissen, wie Sondennah-rung oder für Dialysepatienten geeignete Produkte, nichtgewährleistet werden. Dies bedingt eine deutlich erhöhteSterblichkeit.

Einige Krankenhäuser können ein Mindestmaß an Hand-lungsfähigkeit bewahren und sind dadurch zentrale Kno-

125 Krankenhausapotheken müssen gemäß Apothekenbetriebsordnungden durchschnittlichen Bedarf an Arzneimitteln und Medizinproduk-ten für 14 Tage vorrätig halten. Zudem sollten sie grundsätzlich inder Lage sein, Arzneimittel selbst herzustellen. Aufgrund knapper Fi-nanzmittel oder fehlenden Lagerraums ist dies nicht durchgängig ge-währleistet. In einigen Bundesländern sind von den Landesgesund-heitsbehörden benannte Krankenhausapotheken für die Betreuungund Ausgabe von Basisarzneimitteln für Katastrophen zuständig(Paul/Ufer 2009, S. 165).

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Drucksache 17/5672 – 110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tenpunkte im Netzwerk der medizinischen Versorgung.Sie verfügen noch über einen gewissen, aber schwinden-den Bestand an Medikamenten sowie ausreichend Perso-nal und Treibstoff. Jedoch führt diese verhältnismäßiggute Ausstattung auch dazu, dass dann, wenn andere Ein-richtungen evakuiert werden müssen, auf diese Kranken-häuser ausgewichen wird. Dadurch sind sie mit sichgegenseitig verstärkenden Problemen konfrontiert: einer-seits schwindende Reserven und ein weitreichender Aus-fall spezialisierter Einheiten; andererseits eine durch stei-gende Belegung bedingte tendenzielle Überforderung dernoch vorhandenen Kapazitäten. Durch Entlassungen vonPatienten wäre kaum eine Entlastung erreichbar, da diesallenfalls bei Personen verantwortbar wäre, die sich selbstversorgen könnten. Die Trinkwasserversorgung wird zu-nehmend problematisch. Daher muss auf Notbrunnen zu-rückgegriffen werden.126 Allerdings ergeben sich hierProbleme, das Wasser in die Krankenhäuser und Pflege-heime zu transportieren (Geier et al. 2009, S. 76).

Vereinzelt können Alten- und Pflegeheime mit Unterstüt-zung von Hilfsorganisationen noch eine Grundversor-gung bereitstellen, beispielsweise eine ausreichende Ver-sorgung mit Speisen und aufbereiteter Wäsche. Einedarüber hinausreichende Betreuung medizinisch versor-gungsbedürftiger Patienten ist aber nicht möglich. Wei-tere Überforderungssymptome zeigen sich durch ver-mehrte Anfragen von Personen, die im häuslichenUmfeld gepflegt werden.

Die Rettungsdienste können zwar nach wie vor für zahl-reiche Transport- und Evakuierungseinsätze eingesetztwerden. Auch THW und Feuerwehr können an vielen Or-ten Infrastrukturen, wie Stromerzeuger oder Pumpen er-setzen bzw. bereitstellen. Jedoch sind die Rettungsdienstedurch die Beeinträchtigungen der Kommunikationsinfra-struktur von Notrufen der Bevölkerung weitgehend abge-schnitten bzw. erhalten diese mit erheblicher Verzöge-rung. Die präklinische medizinische Versorgung wirddadurch massiv beeinträchtigt.

Am Ende der ersten Woche hat der Stromausfall zur na-hezu völligen Einstellung der Leistungen der Basisinfra-strukturen des Sektors geführt. So sind die meisten Arzt-praxen und Apotheken nicht arbeitsfähig und könnendurch zur Neige gehende Vorräte auch der Funktion alsMedikamentenverteiler nicht mehr nachkommen. Dialyse-zentren sind geschlossen, Patienten und verbleibende Be-handlungskapazitäten wurden in Krankenhäuser über-stellt. Produktion und Vertrieb pharmazeutischer Pro-dukte sind im durch den Stromausfall betroffenen Gebietvollständig ausgefallen. Die Mitwirkung von Herstellernund Handel im Katastrophenschutz ist in den Landeskata-strophenschutzgesetzen nicht ausdrücklich vorgesehenund nur vereinzelt in Alarm- und Einsatzplänen vonKrankenhäusern verankert. Deshalb müssten mit Vertre-tern von Herstellern und Handel Absprachen über Pro-duktion und Logistik getroffen werden.

126 Diese wurden in den 1970er Jahren schwerpunktmäßig in der Nähevon Krankenhäusern und Pflegeheimen erstellt (Geier et al., 2009,S. 75; s.a. Kap. III.2.3.4).

Erste Hilfeleistungen seitens der Bundeswehr im Rahmender „Zivil-Militärischen Zusammenarbeit“ sorgen allen-falls punktuell für Entlastung (Ackermann et al. 2009a,S. 71; Wagner 2009a, S. 407 u. 2009b, S. XXXVI). DerZusammenbruch der in Krankenhäusern konzentriertenmedizinischen Versorgung droht.

Führt man gedanklich die spätestens am Ende der erstenWoche zutage getretenen Entwicklungen und Zuständefort, lässt sich erkennen, dass die zentrale Funktion desGesundheitssektors, die Menschen mit den erforderlichenmedizinischen Dienstleistungen zu versorgen, kaum nochgewährleistet werden könnte. Die Risiken für Leib undLeben würden exponentiell ansteigen, sodass der Staatinsgesamt seiner Schutzpflicht nicht mehr gerecht werdenkann. Ohne eine Zuführung von medizinischen Gütern,Infrastrukturen und Fachpersonal von außen ist die medi-zinisch-pharmazeutische Versorgung nicht mehr möglich.

Informationsbedarf, Handlungsperspektiven

Krankenhäuser spielen als Ankerpunkte der medizini-schen Versorgung der Bevölkerung eine zentrale Rolle.Zwar kann ihnen eine gewisse Robustheit zugebilligtwerden, diese wird aber nicht ausreichen, um die Ausfällealler weiteren Einrichtungen – insbesondere die dezent-rale ambulante Versorgung – zu kompensieren. Sind Die-selaggregate für die Notstromversorgung vorgesehen,muss eine kontinuierliche Nachführung von Treibstoff si-chergestellt werden. Dazu käme in begrenztem Umfangdie Vorhaltung von Treibstoff auf dem Gelände oder Ver-einbarungen mit Lieferanten (die Lieferungen angesichtsder allgemeinen Folgen des Stromausfalls wahrscheinlichkaum realisieren könnten) infrage.

Einspeisepunkte für Notstromversorgung waren grund-sätzlich bereits bei der Planung von Krankenhausbautenvorzusehen. Schließlich wären Krankenhäuser als priori-tär Berechtigte für die Zuteilung von Treibstoff durch dieKatastrophenschutzbehörde festzulegen. Ein weiter ge-hender Ansatzpunkt ist die Gewinnung eines möglichsthohen Grades an Energieautarkie und Inselnetzfähigkeit,wie in Kliniken im Ansatz bereits vielfach im Rahmenvon Umweltschutzbemühungen und Maßnahmen zur En-ergieverbrauchssenkung realisiert wurden. Zur Sicherstel-lung der Trinkwasserversorgung von Krankenhäusernsollten verstärkt Möglichkeiten zur Aufbereitung bzw.zum Transport des Wassers aus Notbrunnen zu den Kran-kenhäusern bzw. Behelfskrankenhäusern geprüft werden(Schutzkommission 2006, S. 83).

Die derzeitigen ökonomischen und politischen Rahmen-bedingungen sind für eine verbesserte Bevorratung inKrankenhäusern nicht gerade förderlich. Die Sektorena-nalyse hat aber gezeigt, dass dies zur Stärkung der Wider-standsfähigkeit erheblich beitragen könnte. Es könnteauch erwogen werden, im Arzneimittelgesetz für Notfälleund Katastrophen weiter gehende Ausnahmeregelungenvorzusehen. Ziel müssten praxisnahe Regelungen zurVersorgung der Bevölkerung für den langandauerndenKatastrophenfall sein (Paul/Ufer 2009, S. 157 ff.).

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111 – Drucksache 17/5672

Eine weitere Option könnte sein, Hersteller und Handelsowie Apotheken in die Katastrophenbewältigung einzu-beziehen. Anzustreben wäre dabei, dass die genanntenAkteure Vorsorge für Herstellung und Verteilung bei ei-nem längeren Stromausfall zu treffen hätten. Angesichtsallgemein reduzierter Vorratshaltung sowie einer ausge-feilten Just-in-time-Logistik müsste geprüft werden, wel-che wirtschaftlichen Folgen hier zu bedenken wären undin welcher (rechtlichen) Form dies umsetzbar seinkönnte.

6. Finanzdienstleistungen

Während der Zahlungs- und Datenverkehr den Bankenund die Handelsaktivitäten an der Börse trotz desStromausfalls relativ robust erscheinen, sind die Bank-dienstleistungen für die Kunden aufgrund der ausgefalle-nen Kommunikationswege bald vom Zusammenbruchbedroht.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die Kunden könnten keine Geschäfte mit der Bank viaTelefon oder Internet tätigen. Bargeldauszahlungen anAutomaten erfolgen nicht mehr; ebenso wenig kann derKunde in Geschäften bargeldlos bezahlen. Die Nachfragenach Bargeld dürfte deshalb schnell zunehmen, auch weilein Bürger in Deutschland durchschnittlich nur 118 Euromit sich tragen soll (Deutsche Bundesbank 2009b, S. 40).Der sofortige Ausfall der Bargeldversorgung über Geld-automaten und später auch an den Schaltern der Bankensowie der Zusammenbruch der bargeldlosen Bezahlungführen in Geschäften und Banken nach einer Phase derGelassenheit mit der Zeit zu Unmutsäußerungen und teilszu aggressiven Auseinandersetzungen. Sobald klar ist,dass der Stromausfall noch lange andauern wird, verstärktsich die Unsicherheit in der Bevölkerung. Die Menschenhaben Angst, sich nicht mehr mit Nahrungsmitteln undanderen Gütern des täglichen Bedarfs versorgen zu kön-nen, da sie über kein Bargeld und keine bargeldlosen Zah-lungsmöglichkeiten mehr verfügen. In der Folge kommtes zu z. T. gewaltsamen Auseinandersetzungen, Diebstahlund Einbruch. Zeitweise muss die Polizei eingreifen. Zu-dem wird mit zunehmender Dauer des Stromausfalls dieBewachung einzelner Geschäfte notwendig. Der Umsatzin den Geschäften bricht ein. Es ist auch nicht auszu-schließen, dass die Preise für Güter des alltäglichen Be-darfs bereits im Verlauf der ersten Woche steigen. DieInformation der Kunden und eine angemessene Risiko-kommunikation in Abstimmung mit den Katastrophen-schutzbehörden werden deshalb immer wichtiger.

In den Fokus rückt die Bargeldversorgung der Bevölke-rung. Der Deutschen Bundesbank zufolge sind zur „Be-wältigung eines Not- oder Katastrophenfalls … spezielleVorkehrungen im Rahmen einer Krisenmanagementorga-nisation“ getroffen worden (BBK 2008a, S. 120). Ob aberin einem großen Gebiet kontinuierlich und über längereZeit Bargeld bedarfsgerecht durch private Wertdienstleis-ter transportiert, verteilt und durch die Banken ausgege-ben werden kann, dies scheint doch zweifelhaft.

Die Wirtschaft nimmt aufgrund weitgehend fehlenderMöglichkeiten für die Bevölkerung und die Unterneh-men, bargeldlos einzukaufen, Kreditverhandlungendurchzuführen, Lohnzahlungen zu tätigen, Börsenauf-träge zu erteilen sowie wegen bald auftretender Liquidi-tätsengpässe Schaden.

Informationsbedarf, Handlungsperspektiven

Als besonderer Schwachpunkt hat sich in den Folgenana-lysen die Bargeldversorgung der Bevölkerung erwiesen.Deshalb steht insbesondere die Deutsche Bundesbank vorder Aufgabe, in Zusammenarbeit mit anderen Organisa-tionen und Einsatzkräften des Bevölkerungsschutzes so-wie den Banken, die Bargeldversorgung der Bevölkerungzumindest rudimentär sicherstellen (EBP 2010, S. 79).Um hierfür bessere Voraussetzungen zu schaffen, wäre zuprüfen, ob die Bundesbank in den Kreis der Bevorrechtig-ten für die Anforderung von Transportkapazitäten gemäßVerkLG aufgenommen werden sollte. Für den Katastro-phenfall müsste wahrscheinlich ein erweitertes Logistik-und Sicherheitskonzept zum Tragen kommen, da bei-spielsweise nicht zu erkennen ist, ob und wie die privatenDienstleister die intensivierte Auslieferung von Bargeldausreichend absichern könnten.

Geplant ist die Schließung von zahlreichen Filialen derDeutschen Bundesbank in den nächsten Jahren. Es wärezu reflektieren, ob und inwiefern diese Einschnitte in dieInfrastruktur Auswirkungen auf die Bargeldversorgungim Katastrophenfall hätten.

7. Fallbeispiel „Gefängnisse“Durch eine funktionierende Notstromversorgung kann inden Justizvollzugsanstalten (JVA) zunächst ein reduzier-ter Betrieb aufrechterhalten werden. Dadurch könnenu. a. der Einschluss der Gefangenen, ausreichende Be-leuchtung und Belüftung, Heizung und Überwachungs-systeme gewährleistet werden. Gleichwohl wird nach we-nigen Tagen eine erhebliche Problemüberlast zutagetreten: Hygiene sowie medizinische und Lebensmittelver-sorgung sind nicht überall und nicht ausreichend sicher-zustellen. Unruhe und Aggressivität unter den Gefange-nen steigen; das Personal steht unter kontinuierlichwachsendem Stress.

Verletzbarkeit und Bewältigungskapazitäten

Die Treibstoffreserven der JVA reichen voraussichtlichnur für wenige Tage. Für die weitere Sicherstellung derNotstromversorgung sind die Bereitstellung mobiler NSAbzw. die Lieferung zusätzlicher Treibstoffmengen zwin-gend notwendig.127 Ist die Notstromversorgung gefährdet,scheint eine Verlegung der Gefangenen in andere JVA,

127 Zwar kann dies im Vorfeld eines Stromausfalls vertraglich mit ent-sprechenden Lieferanten organisiert werden, es ist aber fraglich, obsolche Lieferverträge angesichts der übrigen Auswirkungen desStromausfalls (z. B. Verkehrschaos, Treibstoffknappheit, Ausfall vonFestnetz und Mobilfunk) auch eingehalten werden können. Insofernwäre die Zuweisung von Treibstoff durch die zuständigen Krisenstä-be bzw. Einsatzleitungen mit hoher Priorität erforderlich.

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Drucksache 17/5672 – 112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die sich außerhalb des betroffenen Gebiets befinden undderen Belegungskapazitäten nicht überschritten sind, na-hezu unumgänglich. Unter Umständen könnte dort – wonötig – die Belegungskapazität durch gemeinsame Unter-bringung anstelle der Einzelunterbringung temporär er-höht werden.

Es wäre auch die kurzfristige Unterbringung (eines Teils)der Gefangenen in geeigneten größeren Gebäuden (z. B.Kasernen) in Gebieten mit funktionierender Stromversor-gung in Betracht zu ziehen. Problematisch wären dabeijedoch die eingeschränkte Kontrolle der einzelnen Gefan-genen, die Sicherstellung der Hygiene und der Versor-gung mit Nahrungsmitteln sowie die Bereitstellung desfür die Bewachung und Versorgung notwendigen Perso-nals.

Aber auch bei Aufrechterhaltung der Notstromversor-gung wäre mit großer Wahrscheinlichkeit ein geordneterBetrieb nicht zu gewährleisten – zu groß wären die Pro-bleme bei der Versorgung und Sicherung der Gefangenen.Sollten Häftlinge aus den JVA fliehen oder gar befreitwerden, ist mit einer erheblichen Verunsicherung der Be-völkerung zu rechnen; auch würden die zuständigen Be-hörden und politisch Verantwortlichen unter Druck gera-ten (EBP 2010, S. 162). Die JVA-Leitung sowie dieVerantwortlichen der Krisenstäbe müssen je nach Situa-tion in den einzelnen JVA entscheiden, ob eine Verlegungder Häftlinge angebracht ist und wie diese durchzuführenwäre. Dabei könnten massive Koordinationsproblemeaufgrund ausgefallener Festnetz- und Mobilfunktelefonieauftreten (Kap. IV.1). Es ist ferner fraglich, ob ausrei-chend geeignete Transportkapazitäten einschließlich deshierfür erforderlichen Sicherungspersonals abrufbar sind.

Informationsbedarf, Handlungsperspektiven

Gefängnisse sind hinsichtlich ihrer Funktionen nicht kri-tisch im Sinne von „überlebenswichtig“. Gelänge es aberden Verantwortlichen nicht, den Betrieb aufrechtzuerhal-ten oder in geordneten Bahnen die Gebäude zu räumen,würde dies voraussichtlich das Vertrauen der Bevölke-rung in die Bewältigungsfähigkeit staatlicher Stellen er-heblich beeinträchtigen. Die Erwartung, dass die Behör-den in der Lage sind, die öffentliche Sicherheit zugewährleisten, sollte auf keinen Fall enttäuscht werden.Deshalb gehören JVA zu den Objekten, die durch entspre-chende vorsorgende Maßnahmen über eine robusteNotstromversorgung verfügen und bei der Zuteilung vonNetzersatzanlagen und/oder Treibstoff bevorzugt berück-sichtigt werden sollten.

Wie in anderen Sektoren konnte auch für das Fallbeispiel„Gefängnisse“ nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob, wieund für welche Zeiträume eine Notstromversorgung si-chergestellt ist. Unklar ist ferner, ob ein länger andauern-der Stromausfall Teil von Notfallplänen der JVA oder vonAlarm- und Einsatzplänen der unteren Katastrophen-schutzbehörde ist und ob entsprechende Übungen unterEinbezug externer Unterstützung stattfinden. Explizitegesetzliche Regelungen zur Notstromversorgung in JVAsind nicht erkennbar. Ob auf der Ebene der Verwaltungs-vorschriften, als Folge der Katastrophenschutz- und Hil-

feleistungsgesetze der Bundesländer, einschlägige Maß-gaben vorliegen, konnte nicht sicher geklärt werden. Wiehier ergibt sich weiterer Informations- sowie rechtlicherKlärungsbedarf für möglicherweise notwendig werdendeMaßnahmen, wie die Nichtaufnahme von Freigängernoder sogenannter „Hafturlaub“ für ausgewählte Gruppenvon Gefangenen.

8. Bereichs- und organisationsüber-greifendes Katastrophenmanagement

Wie die sektoralen Analysen verdeutlicht haben, führendie durch den Stromausfall induzierten Folgen und Folge-ketten zu einer Situation, in der das Leben, die körperli-che Unversehrtheit und Sicherheit der Bevölkerung hoch-gradig gefährdet sind sowie großer materieller Schadenentsteht. Die lokalen Behörden und Hilfsorganisationenund die dort verfügbaren Ressourcen reichen zur Kata-strophenbewältigung nicht aus. Angesichts dieser Gefah-ren- und Schadenslage müssen überregionale Ressourcenmobilisiert werden, damit der Staat seiner Schutzpflichtgenügen kann.

Rechtsgrundlagen

Auf rechtlicher und administrativer Ebene sind − wie inKapitel II dargelegt − durch den Gesetz- und Verord-nungsgeber entsprechende Voraussetzungen geschaffenworden. Auf der Grundlage von Artikel 35 GG (Amts-hilfe) oder auf Basis verschiedener Vorsorgegesetze kön-nen externe Bewältigungskapazitäten und ein überregio-naler Handlungsverbund zur Unterstützung regionalerKapazitäten aktiviert werden. Eröffnet würden dann bei-spielsweise folgende Optionen:

– Im Rahmen der „Zivil-militärischen Zusammenarbeit“lassen sich Kräfte der Bundeswehr mobilisieren. Da-durch würden neben personeller Unterstützung, z. B.für die Polizeien, Katastrophenschutzbehörden undHilfsorganisationen vor Ort, Einrichtungen desGesundheitswesens, auch materielle Ressourcen ver-fügbar. So können etwa Krankenhäuser und Sammel-stellen mit Feldbetten und Zelten ausgestattet, Groß-küchen errichtet oder Fahrzeuge der Bundeswehr fürTransport- und Evakuierungsmaßnahmen eingesetztwerden.

– Auf der Basis des PTSG und einer entsprechendenRechtsverordnung durch das BMWi kann bestimmten,im Wesentlichen öffentlichen, Aufgabenträgern einbevorrechtigter Zugang zu Telekommunikations- undPostdienstleistungen gewährt werden. Dadurch könnteergänzend zu Rundfunk- und Lautsprecherdurchsagenzumindest örtlich auch das Fest- und Mobilnetz ge-nutzt werden. Dies ermöglicht eine bessere Koordinie-rung der Behörden und unter bestimmten Umständeneine verbesserte Information der Bevölkerung.

– Zur Sicherstellung der Lebensmittelversorgung kanngemäß Ernährungsvorsorgegesetz und entsprechenderLandesverordnungen auf die „Zivile Notfallreserve“sowie die „Bundesreserve Getreide“ zurückgegriffen

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/5672

und ihre Verteilung organisiert werden (BMELV 2005,S. 95).

– Das Krisengebiet könnte nach Feststellung der beson-deren Notlage durch die Bundesregierung auf Grund-lage des VerkLG mit Transportkapazitäten privaterUnternehmen unterstützt werden. Durch das Bundes-amt für Güterverkehr werden Vorbereitungen getrof-fen, dass den anfordernden Stellen diese Transportka-pazitäten zur Verfügung gestellt werden. ZurEntlastung der Verkehrswege könnte durch die Kata-strophenschutzbehörden ergänzend ein allgemeinesFahrverbot verhängt werden. Darüber hinaus ließensich eine vorrangige Räumung von Korridoren undÜbergangsstellen zu Regionen mit intakter Stromver-sorgung sowie die Bereitstellung von Aufnahmekapa-zitäten vereinbaren.

– Zur Sicherstellung der Kraftstoffversorgung schließ-lich könnte das BMWi auf Grundlage des Erdölbevor-ratungsgesetzes eine Verordnung zur Freigabe der Be-stände erlassen. Größere Mengen Kraftstoff würdenregional über das Schienennetz oder mittels dieselbe-triebener Fahrzeuge verfügbar gemacht.

Zusammen mit weiteren Gesetzen und Verordnungen aufLandesebene sowie behördlichen Ausführungsbestim-mungen sind umfassend und differenziert für spezifischeund sektorenübergreifende Erfordernisse notwendige Vo-raussetzungen für die Mobilisierung von Bewältigungs-kapazitäten, insbesondere rückwärtiger Kräfte und Res-sourcen geschaffen.

Zugleich erscheinen diese Vielfalt der Rechtsmaterienund die darin angelegten Handlungsmöglichkeiten in ge-wisser Weise überkomplex und wenig abgestimmt. Bei-spielsweise sind die rechtlichen Grundlagen für das Kata-strophenmanagement im Sektor „Gesundheitswesen“ inmindestens elf Bundes- und Landesgesetzen sowie zehnVerordnungen bzw. Verwaltungsvorschriften zu finden.Hier wird, ebenso wie in weiteren Sektoren Kritischer In-frastrukturen deutlich, dass statt durch einen einheitlichenRechtsrahmen „die Rechtsverhältnisse von Personen undInstitutionen bei Katastrophen“ durch „unterschiedlichstrukturierte, kaum aufeinander abgestimmte Regelun-gen auf mehreren Verwaltungsebenen“ gesteuert werden(Stober 2008, S. 44). Deshalb ist man geneigt, Unger(2008, S. 101) zuzustimmen, der angesichts von überhol-ten Vorgaben und zersplitterten Kompetenzen kritischkonstatiert, dass „unsere tatsächlichen Vorbereitungen aufKatastrophen und die rechtlichen Grundlagen sich Stückfür Stück voneinander“ entfernen.

Für die Verantwortlichen des Katastrophenmanagementswird dadurch ihre ohnehin schon schwierige Aufgabenoch schwieriger: Die Vielzahl von Instrumenten mussvon den zuständigen Akteuren auf den verschiedenenEbenen sachlich angemessen, zum richtigen Zeitpunktund aufeinander abgestimmt eingesetzt werden. Die Be-wältigung einer solch anspruchsvollen Aufgabe durch einbereichs- und organisationsübergreifendes Krisenma-nagement ist hochgradig davon abhängig, dass in allenKrisenstäben kompetentes Fachpersonal agiert, ein ge-

meinsam geteiltes Verständnis der Regelungsmaterienherrscht sowie „vorausschauend beurteilt wird und dieentsprechenden Vorkehrungen getroffen werden, dass dieGesetze und Verordnungen zum optimalen Zeitpunkt an-gewendet werden können“ (Hiete et al. 2010, C 15).128

So zutreffend diese Herausforderung beschrieben ist, soschwierig dürfte ihre Bewältigung werden. Dass die Vo-raussetzungen noch deutlich verbessert werden müssten,hat sich bei LÜKEX 2004 gezeigt:

– eine professionell bedingte Fokussierung der unter-schiedlichen Organisationen auf eigene Aufgaben stattEinbeziehung der komplexen Situation,

– fehlende Kenntnisse der Rechtsmaterien,

– zögerlicher Einbezug der Akteure auf Bundesebeneseitens der Länder sowie

– mangelnde Berücksichtigung der psychologischenAuswirkungen des Stromausfalls.

Private Sicherheitspartner

Die Aufgabe eines gutkoordinierten Notfall- und Krisen-managements wird noch komplexer dadurch, dass rele-vante nichtbehördliche Akteure einbezogen werden müs-sen. Dazu zählen neben den EVU weitere Unternehmen,beispielsweise die Informations- und Kommunikations-unternehmen, die Lebensmittelwirtschaft oder das Sicher-heitsgewerbe. Bei der Entwicklung von praktikablenKonzepten ist die Vielzahl und Heterogenität der Betrei-ber Kritischer Infrastrukturen und weiterer Unternehmenund Einrichtungen zu beachten. So sind im Bereich derStromversorgung etwa 1 100 Anbieter, im Sektor „Was-serinfrastruktursysteme“ 6 200 Versorger und 6 900 Ent-sorger sowie im Sektor „IT/TK“ 3 000 Anbieter von Tele-kommunikationsleistungen zu verzeichnen. DieseUnternehmen sind äußerst heterogen. Sie operieren teilslokal, teils national oder international. Auch sind sie hin-sichtlich ihrer Kompetenzen und Kapazitäten bezüglichder Katastrophenbewältigung ganz unterschiedlich einzu-schätzen. Deshalb ist zu vermuten, dass noch weitererOptimierungsbedarf bei der Gewinnung von privaten Si-cherheitspartnern auf Kreis- und Landesebene besteht(Hiete et al. 2010, D 25), um die private und behördlicheKatastrophenprävention und -bewältigung besser zu ver-netzen. Hier ist auch an private Sicherheitsdienstleister zudenken, die sich mittlerweile als ein wesentliches Ele-ment der Sicherheitsarchitektur in Deutschland etablierthaben. Sie sind für die Sicherheit von Flughäfen undBahnhöfen ebenso zuständig wie für die von kerntechni-schen Anlagen und Einkaufszentren. Faktisch gibt es be-reits jetzt teilweise eine enge Zusammenarbeit zwischenprivaten Sicherheitsdiensten und der Polizei (Schönbohm2010, S. 51). Da damit zu rechnen ist, dass sich die Ein-satzfelder privater Dienstleister weiter ausdehnen, wäre

128 Alle Akteure im internationalen Hilfesystem sollten also „einheitli-che Führungsregeln beherrschen“ um „durch regelmäßige Übungenauf gemeinsame Einsätze vorbereitet zu sein“ (Schutzkommission2006, S. 44).

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Drucksache 17/5672 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zu klären, inwieweit es rechtlich,129 technisch und organi-satorisch möglich ist, für den Katastrophenfall Vorausset-zungen für eine funktionierende öffentlich-private Sicher-heitspartnerschaft zu schaffen.

9. Vernetzte Katastrophenbewältigung – ohne Netz

Die Behörden sind zur Gewinnung eines Lagebilds, beider Verbreitung von Informationen, zur Organisation vonRessourcen sowie zur Alarmierung und Koordination vonEinsatzkräften auf funktionierende Kommunikations-infrastrukturen angewiesen. Bereits nach kurzer Zeitkönnen aber die Krisenstäbe, die Einsatzleitungen, dieHilfsorganisationen und die Unterstützungskräfte kaumnoch auf die öffentlichen Kommunikationsinfrastrukturenzugreifen (Kap. IV.1). Alarmierung und Aufwuchskönnten nur noch schleppend erfolgen.130 Die zurVerfügung stehenden Bewältigungskapazitäten und diebehördeneigenen Kommunikationsnetze sind nicht füreinen langandauernden Stromausfall ausgelegt. Letzteresetzen sich zumeist aus historisch gewachsenen,unterschiedlichen leitungsgebundenen Netzen und Funk-netzen zusammen und können nur wenige Stunden oderTage ohne Strom überbrücken.

Schwachstellen und Optionen

– Die Kommunikationsnetze des Bundes, etwa derIVBB oder der IVBV, können in der Regel 48 Stundenmit NSA betrieben werden. Für funktionierende Kom-munikation reicht dies allerdings nicht. Es kommt zu-sätzlich darauf an, dass die Kommunikationstechnikder jeweils angeschlossenen Institutionen das gleicheSicherungsniveau aufweist. Dies, so eine erste Ein-schätzung, ist bei den Kerninstitutionen in Bonn undBerlin durchaus der Fall, nicht unbedingt aber bei al-len Bundesbehörden im gesamten Bundesgebiet.

– Die Kommunikation der BOS erfolgt über das nichtöf-fentliche Netz des BOS-Funks, das beispielsweise vonPolizeien, THW, Zollbehörden, Katastrophenschutzbe-hörden, Feuerwehren und Rettungsdiensten verwendetwird. Es basiert auf Relaisstationen (automatisch arbei-tende Funkstation meist an exponierten Standorten), dieeine Übertragung über größere Strecken ermöglichen.Aufgrund der veralteten Technik, Kanalknappheit undder fehlenden oder zu schwachen Verschlüsselungsmög-lichkeiten im Analogfunk wird derzeit und in den fol-genden Jahren (bis 2012) flächendeckend ein digitalesFunknetz im BOS-Funk eingeführt. Hierbei kommt der

129 „Aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Wahrung des Gesetzes-vorbehalts“ schlägt beispielsweise Stober (2008, S. 49) vor, die ein-schlägigen Fachgesetze zu ergänzen.

130 Nach Weinheimer (2008, S. 165) könnten innerhalb von fünf Minu-ten die ständig präsenten Kräfte der Feuerwehren von etwa beispiels-weise 8 000 Personen auf 400 000 aufwachsen; innerhalb von einerStunde könnten weitere 200 000 Feuerwehrleute einsatzbereit sein.Davon stünden innerhalb von acht Stunden 60 000 für überregionaleEinsätze zur Verfügung. Dass eine Mobilisierung bei Ausfall der Te-lekommunikationsstrukturen in dieser Weise gelingen könnte, mussbezweifelt werden.

TETRA-25-Standard zum Einsatz. Das digitale Fun-knetz in Deutschland soll sich im Wesentlichen aus ca.4 300 Basisstationen sowie einem Kernnetz mit62 Vermittlungsstationen zusammensetzen (Hiete et al.2010). Erste Netzabschnitte und Teilnetzabschnittesind bereits aufgebaut. Jedoch bedeutet die Moderni-sierung des BOS-Funks unter dem Gesichtspunkt derStromabhängigkeit eine Erhöhung der Vulnerabilitätbei einem Stromausfall. Während die analogen Relais-stationen noch über eine USV von vier bis acht Stun-den verfügten, sind die Basisstationen bei TETRA nurnoch auf eine batterieversorgte Überbrückung vonzwei Stunden ausgelegt (Hiete et al. 2010, F30).

– Vergleichbare Probleme treten bei einem Einsatz vonKräften der Bundeswehr auf. Diese operiert mit demdigitalen TETRAPOL-Funk, der zellular aufgebaut istund mobile Sprach- und Datenkommunikation ermög-licht. Dieser ist nicht direkt mit dem digitalen BOS-Funk kompatibel, sondern muss über Vermittlungs-stellen verbunden werden. Da ein Einsatz der Bundes-wehr erst nach einigen Tagen zu erwarten ist, funktio-niert der BOS-Funk bereits nicht mehr. Vermutlichtrifft dies auch auf die TETRAPOL-Anlagen zu. Über-dies ist fraglich, ob genügend Endgeräte für die Ein-bindung ziviler Einsatzkräfte vorhanden sind.

– Die Krisenstäbe vor Ort hätten auch die Option, aufmobile, stromnetzunabhängige Funkstationen zurück-zugreifen. Die Telekommunikationsunternehmen so-wie THW und Bundeswehr verfügen über eine Netz-ersatzausstattung, mit der sie in der Lage sind, imKrisenfall Sprach- und Datendienste zu etablieren so-wie mit NSA zu versorgen. Es handelt sich dabei z. B.um mobile Richtfunkantennen, die gegebenenfallsauch W-Lan- und ISDN-fähig sind. Die Kapazitätenz. B. des THW sind aber diesbezüglich begrenzt undnicht darauf ausgerichtet, in einer größeren Region füreinen breiten Nutzerkreis Sprach- und Datendiensteeinzurichten. Gedacht sind sie in erster Linie für dieKommunikation der Krisenstäbe und Einsatzleitun-gen. Welche Kapazitäten bei den Telekommunikati-onsunternehmen vorhanden sind, ist nicht bekannt.Zudem dürfte ihre Bereitstellung mit logistischen Pro-blemen verbunden sein. Selbst wenn es gelänge, früh-zeitig ein Ersatznetz zu errichten, müssten die Akkusder Endgeräte regelmäßig getauscht oder geladen wer-den.131

– Weitere Optionen bei einem Stromausfall sind dieErrichtung provisorischer Feldkabelnetze, die Unter-stützung durch Funkamateure gemäß § 2 Absatz 2Amateurfunkgesetz sowie der Rückgriff auf Satelli-tenkommunikation. Die Kommunikation mittels Feld-kabel erfolgt mithilfe mobiler Stromerzeuger, die nachkurzer Zeit mit Treibstoff versorgt werden müssen.Dagegen sind die energietechnischen Anforderungen

131 Legt man die Angaben verschiedener Hersteller zugrunde, ist beiStandard- bzw. Hochleistungsakkus – je nach Nutzungsintensität –eine Nutzungsdauer von zwischen 12 bis 16 bzw. 18 bis 26 Stundenzu erwarten.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/5672

an Amateurfunkgeräte sehr gering. Der Amateurfunkwird unabhängig von einer bestehenden – und mitStrom versorgten – Funkinfrastruktur ausgeübt. Übli-che Funkgeräte sind mit Batterien, Autobatterien oderSolarzellen auch über große Entfernungen zu betrei-ben. Auch Satellitentelefonie und satellitengestützteInternetanbindung bieten ausreichende Übertragungs-wege, sofern die benötigten terrestrischen Elemente(z. B. die Bodenstationen) mit Strom versorgt sind.Problematisch könnten jedoch Verbindungen zwi-schen den verschiedenen Satellitennetzen werden, dadiese Schnittstellen in der Regel auf terrestrische Ein-richtungen angewiesen sind.

Ein übergreifendes Problem ist jedoch das Laden undTauschen der Akkus von Funkgeräten und Satellitentele-fonen. Somit stellt sich die Frage, inwiefern dieseRückfalllösungen bei einem Stromausfall überhauptlängerfristig nutzbar sind.

Damit verbleibt den Behörden noch die Möglichkeit dergezielten Wiederherstellung einzelner Infrastrukturen.Eine Option besteht in der zumindest stundenweisenVersorgung einer Basisstation des Mobilfunks sowie derzugehörigen Fernvermittlungsstelle (MSC) mit Notstrombzw. Treibstoff. Sofern eine Verbindungskette über wei-tere MSCs errichtet werden kann, wären Verbindungenzwischen den Teilnehmern in Reichweite sowie in dasvom Stromausfall nichtbetroffene Gebiet möglich. Er-gänzt durch den Einsatz von Meldeträgern wäre dann zu-mindest eine rudimentäre lokale Koordinierung vonHilfsmaßnahmen möglich. Jedoch sind die Herausforde-rungen einer dauerhaften Versorgung dieser Infrastruktu-ren sowie die Vernetzung mit weiteren MSCs innerhalbund außerhalb des vom Stromausfall betroffenen Gebietsnicht zu unterschätzen.

Folgt man diesen Überlegungen, so fehlen auf techni-scher Ebene kurzfristig realisierbare Ansatzpunkte, umeine größere Robustheit dieses Sektors für die Zweckeder Katastrophenbewältigung zu erreichen. Die bestehen-den öffentlichen und behördlichen Kommunikations-infrastrukturen könnten nur mit erheblichem Aufwandauf einen langandauernden großflächigen Stromausfallvorbereitet werden. Durch die Netzwerkstruktur des Sy-stems ist es zumeist unmöglich, dieses durch punktuelleAufrüstung gegenüber einem Stromausfall widerstandsfä-hig zu machen, da insbesondere Kommunikation undKoordination in der Fläche von funktionierenden Endge-räten abhängig sind. Wiederum erweisen sich die Akkusbzw. Batterien der Empfangsgeräte als Problem, da sieinnerhalb des vom Stromausfall betroffenen Gebiets re-gelmäßig nachgeladen oder getauscht werden müssen.

Welche technische Lösung im Einzelfall zu realisieren ist,hängt maßgeblich von den örtlichen Gegebenheiten undverfügbaren Ressourcen ab, aber auch von der subjekti-ven Einschätzung der Verantwortlichen vor Ort. Dadurchund aufgrund des hohen Handlungsdrucks besteht die Ge-fahr, dass vielerorts zwar einzelne Infrastrukturelemente,wie Radiosender oder Mobilfunkstationen, wieder funk-tionstüchtig gemacht werden. Diese bleiben jedoch iso-

liert und wären nicht zu einer flächendeckenden Kommu-nikationsinfrastruktur vernetzt. Um dies zu erreichen,wäre ein gutgeplantes, abgestimmtes und koordiniertesVorgehen erforderlich. Es müssten prioritäre Einrichtun-gen und ggf. Kernbetriebszeiten benannt werden, umauch bei knappen Ressourcen die Errichtung eines Ver-bundes beispielsweise aus Mobilfunkstationen und damitKommunikation in das vom Stromausfall nichtbetroffeneGebiet zu ermöglichen. Festgelegt werden müsste auch,wann Ressourcen für eine Richtfunkverbindungaufgebracht werden sollten oder ob beispielsweiseMeldeträger vorzuziehen sind. Dadurch könnte ein er-richtetes Kernnetz entsprechend der vorhandenen Kapazi-täten zu einer zumindest regional funktionierenden Infra-struktur erweitert werden.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass trotz intensiver Be-mühungen zur Wiederherstellung der Kommunikations-infrastrukturen kein einheitliches Lagebild gewonnenwerden kann. Die noch realisierbaren technischen Optio-nen sind improvisiert, eher von kurzer Reichweite undZeitdauer, ihre Versorgung ist problematisch und eineKoordinierung der Kräfte und Maßnahmen wahrschein-lich nur unzureichend zu leisten. Eine besondere Heraus-forderung in einem Schadensfall wie einem überregiona-len Stromausfall besteht darin, dass ortsfremde Einheitenoft über große Entfernungen herangeführt werden müs-sen. Die Einrichtung fachlicher und räumlicher Einsatz-abschnitte sowie von Führungsstellen wird ohne ange-messene Kommunikationsmittel nicht möglich sein(Rechenbach 2005, S. 200). Aus all diesen Gründen wirddie behördliche Katastrophenbewältigung hochgradig de-fizitär bleiben.

Informations- und Handlungsperpektiven

Die in Kapitel IV.1 sowie vorstehend vorgenommeneEinschätzung der Verletzbarkeit sowie der Bewältigungs-kapazitäten des Sektors „Informationstechnik und Tele-kommunikation“ im Fall eines langandauernden großflä-chigen Stromausfalls ist mit zahlreichen Unsicherheitenbehaftet. Weiterer Informations- und Forschungsbedarfist deshalb offensichtlich.

– Grundsätzlich wäre eine Abschätzung des für denzugrundegelegten Fall minimalen Kommunikations-niveaus erforderlich, um darauf aufbauend die tech-nischen Randbedingungen verschiedener Versor-gungsniveaus ermitteln zu können. EntsprechendeTeilfragen würden eine Abschätzung der üblicher-weise anfallenden Kommunikations- und Datenströmesowie die Erhebung von vorhandenen Redundanzenund betriebskritischen Netzabschnitten und -knotenumfassen. Ziel dieser Bemühungen wäre die quantita-tive Abschätzung des Versorgungsgrads mit Kommu-nikationsdiensten bei einem Stromausfall nach weni-gen Stunden, Tagen und Wochen.

– Ferner könnten vorhandene Konzepte zur Notstrom-versorgung von IT- und TK-Infrastrukturen überprüftund verbesserte Ansätze entwickelt werden. Hierzumüsste ein Überblick über die Notstromversorgung

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Drucksache 17/5672 – 116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bei den verschiedenen Kommunikationsnetzen und-diensten sowie ihren Komponenten und Akteuren er-arbeitet werden. Gleiches gilt für die Kapazitäten undEinsatzoptionen mobil einsetzbarer und mit Notstromzu versorgender Netzersatzanlagen der Telekommuni-kation. Hierdurch wären die technischen Randbedin-gungen spezifizierbar, die beispielsweise für ein aufgrößere Städte und zentrale Knotenpunkte reduziertesNetz zur Krisenkommunikation erforderlich sind.

– Darüber hinaus wären mögliche Anpassungen der ge-setzlich vorgeschriebenen Vorsorgemaßnahmen zuprüfen. Ziel entsprechender rechtswissenschaftlicherAnalysen sollte die Identifikation von Ansätzen zurErhöhung der Resilienz des Sektors „Informations-technik und Telekommunikation“ bei einem Ausfallder Stromversorgung sein. Eine Bestandsaufnahmeund Bewertung der für den Fall eines länger andauern-den Stromausfalls relevanten Rechtsgrundlagen unddie Prüfung des Anpassungsbedarfs sollten auch denbisher kaum berücksichtigten Bereich des Internetsund der Tele- und Multimediadienste einschließen.Dadurch wäre eine Grundlage für die Konkretisierungdes Änderungsbedarfs bezüglich der Vorgaben für dieTelekommunikationsanbieter für eine „ausreichende“Vorsorge gegeben.

– Schließlich wären prospektive Analysen der Rahmen-bedingungen des Sektors zu erwägen. Einbezogenwerden sollten technologische Innovationen („intelli-gente“ Netze, Elektromobilität), aber auch politische(Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung),ökonomische (Vielfalt der konkurrierenden Anbieter,schneller Produktwechsel) oder soziokulturelle Verän-derungen (etwa veränderte Formen der Kommunika-tion und Mediennutzung in der Bevölkerung). Dabeiwäre zu untersuchen, welche technischen Entwicklun-gen eher zu einer Zunahme und welche eher zu einerAbnahme der (Netz-)Stromabhängigkeit führen undwelche Forschungs- und Entwicklungsprozesse geför-dert werden könnten, um vom Stromnetz weniger ab-hängige informationstechnische und telekommunika-tive Anwendungen zu realisieren.

10. Krisenkommunikation ohne Strom

Einer dialogischen Krisenkommunikation zwischen Be-hörden und Bevölkerung wird durch die Ausfälle im Sek-tor „Informationstechnik und Telekommunikation“ weit-gehend der Boden entzogen. Da die rudimentärverbleibenden oder wieder aufgebauten Kommunikati-onsmöglichkeiten von den Behörden zur unmittelbarenSchadensbehebung und Katastrophenbewältigung bean-sprucht werden, sind Information der und Kommunika-tion mit der Bevölkerung überwiegend auf örtliche batte-riegestützte Warnsysteme (z. B. Sirenen, dieSprachdurchsagen ermöglichen), Radiomeldungen, Ver-teilung von Flugblättern, persönliche Ansprache sowiedurch Lautsprecherwagen übermittelte Nachrichten be-schränkt. Radiosender verfügen über eine gewisseNotstromkapazität. Da sie sich auch zur Ausstrahlungvon Warndurchsagen und Informationen über das

satellitengestützte Warnsystem des Bundes SatWaSeignen,132 versuchen die Behörden, ausgewählteSendestationen als Mittel der Krisenkommunikation mitTreibstoff zu versorgen. Eingerichtete Anlaufstellen, wieBürgermeisterämter, Feuerwehrhäuser oder Gemeinde-hallen, können sich – wie Erfahrungen zeigen – zu Kno-tenpunkten der Informationsverteilung entwickeln (z. B.Deverell 2003; Scholtens et al. 2008). Hier ist zumeist einRadio vorhanden, können Aushänge gemacht werden undstehen Ansprechpartner für eine Vielzahl von Personen,die sich hier einfänden, bereit.

Es ist aber offensichtlich, dass eine solch fragmentierte(Einweg-)Kommunikation den üblicherweise in derLiteratur und in Leitfäden genannten Ansprüchen aneine „kontinuierlich koordinierte“ Krisenkommunikation(BBK 2008a, S. 147) nicht gerecht werden kann. Fälltdie strombasierte Kommunikation so weitgehend auswie beschrieben, wird es äußerst schwierig, ohne wieselbstverständlich funktionierende Kommunikations-kanäle, lokal, regional oder gar national Glaubwürdig-keit zu vermitteln und Vertrauen zu schaffen – alsowichtigen Grundbedingungen der Krisenkommunikationgerecht zu werden. Wie aber „Aushilfe für diesen Fall“(BBK 2008a, S. 147) vorbereitet und wie alternativestromlose Kommunikation zielgruppengerecht realisiertwerden können, wird selten thematisiert. Hier bestehtBedarf an konzeptionellen und praxisfähigen Überlegun-gen, wie eine nichtstrombasierte Krisenkommunikationgestaltbar sein könnte.

Bei der Frage der Warnung und fortlaufenden Informa-tion der Bevölkerung ist in den letzten Jahren ein gewach-senes Problembewusstsein zu konstatieren. Da Warnungund Entwarnung adäquate Infrastrukturen benötigen(Schutzkommission 2006, S. 48), sind technische Optio-nen geprüft und z. T. in die Wege geleitet worden, um diebestehenden „Warnlücken“ (Schutzkommission 2006,S. 50 ff.) zumindest teilweise zu schließen sowie dieMöglichkeiten der Information der und Kommunikationmit der Bevölkerung zu verbessern. Allerdings dürftenmanche technische Lösungen zur Warnung und Unter-richtung zwar elegant und anspruchsvoll, bei einemStromausfall allerdings suboptimal sein. Solche Warn-konzepte basieren häufig auf den Möglichkeiten des Mo-bilfunks, beispielsweise um Massen-SMS im Cell-Broad-cast-Verfahren zu versenden. Weiterhin wurdevorgeschlagen, Autos, Funkuhren oder Rauchmelder mitRundfunkempfängern auszustatten, um sie für die Alar-mierung der Bevölkerung einzusetzen. Angesichts vonBeispielen wie diesen wäre zu raten, gerade bei innovati-ven Lösungen immer auch die besonderen Gegebenheiteneines Stromausfalls, wie den nahezu umfassenden Ausfallder Kommunikationsinfrastrukturen und die begrenzteReichweite von Batterieladungen zu berücksichtigen. Ins-besondere sollte verhindert werden, dass die Verantwort-lichen „gut instruiert“ sind, die von der Katastrophe be-troffene Bevölkerung aber „weitgehend ahnungslos“ ist(Schutzkommission 2006, S. 50 f.).

132 SatWaS ist ebenso wie deNIS II plus stromabhängig.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/5672

11. Versorgung mit Treibstoff, Sicherstellungeiner robusten Notstromversorgung

Aus Sicht des Katastrophenmanagements ist die Verfüg-barkeit der Ressource Treibstoff von zentraler Bedeutung.Unabdingbar ist die Versorgung beispielsweise von

– Einsatzfahrzeugen der Hilfsorganisationen und Unter-stützungskräfte;

– dieselbetriebenen Schienenfahrzeugen zur Räumungliegengebliebener Züge und für Transportzwecke so-wie Busse des ÖPNV zur Aufrechterhaltung minima-ler Transportdienstleistungen;

– NSA, die sensible Infrastrukturkomponenten (wieEinsatzleitstellen, Feuerwehrhäuser, mobile Funksta-tionen) als Knotenpunkte der Information, Kommuni-kation und Koordination des Katastrophenmanage-ments funktionsfähig halten (Hoffmann 2009, S 24 ff.).

Trotz der ungünstigen Randbedingungen – wie insbeson-dere der Ausfall von Tankstellen – bieten die existieren-den Bewältigungskapazitäten in Form von Treibstoffvor-räten notwendige Voraussetzungen für die erforderlicheMobilität der Akteure des Katastrophenmanagements.Dazu kommt, dass Raffinerien über eigene Stromerzeu-gungskapazitäten verfügen, die bis 90 Prozent des Strom-bedarfs decken können, und dass vielfach das eigeneStromnetz im Inselbetrieb gefahren werden kann (Hiete etal. 2010, F20). Daher ist ein (reduzierter) Weiterbetriebzumindest eines Teils der Raffinerien wahrscheinlich.

Durch die gesetzlich vorgeschriebene Erdölbevorratungstehen erhebliche Treibstoffreserven zur Verfügung, dieden Bedarf auch während eines langandauerndenStromausfalls decken könnten. Da Benzin und Diesel vorallem in oberirdischen Tanklagern vorgehalten werden,können dort die Tankwagen oder -züge nach demSchwerkraftprinzip befüllt werden (Prognos 2009, S. 84),falls Strom für Pumpen nicht verfügbar ist. Die regionaleVerteilung der Standorte gewährleistet eine flächende-ckende Verfügbarkeit (Homepage EBV a, b, d; ÖGEW/DKGM 2007). Das VerkLG eröffnet die Option, dassTransportkapazitäten privater Unternehmen bereitgestelltwerden.

Trotz dieses Potenzials ist es fraglich, inwieweit dieseKapazitäten und Ressourcen bei einem Stromausfall akti-viert und bedarfsgerecht genutzt werden können.

Ein erster Hemmschuh dürfte sein, dass der Erlass der er-forderlichen Rechtsverordnung gemäß § 30 Erdölbevor-ratungsgesetz (ErdölBevG) einige Zeit in Anspruch neh-men dürfte. Vorgesehen ist dann, die bevorratetenBestände den Mineralölkonzernen durch den Erdölbevor-ratungsverband (EBV) zur Verfügung zu stellen133 (Ho-mepage EBV c). Auch kann die gezielte Freigabe für be-stimmte Abnehmer vorgesehen werden. Dafür müssten

133 Das Rechnernetzwerk des EBV ist nicht notstromversorgt. Bei einemlänger als acht Stunden andauernden Stromausfall würde der EBV inein gesichertes Rechenzentrum umziehen (Hiete et al. 2010, F21).

die freigegebenen Bestände per Binnenschiff, Eisenbahn-Kesselwagen134 oder Tankkraftwagen transportiert wer-den. Allerdings dürften angesichts der Beeinträchtigun-gen der Kommunikations- und Verkehrsinfrastrukturendie Transportfahrzeuge nicht so schnell und umfassendeinsetzbar sein, dass Treibstoffengpässe verhindert wer-den. Unsicher ist auch, ob beispielsweise die Mineralöl-firmen auf die Situation einer Freigabe vorbereitet wären(Hiete et al. 2010, F21). Möglicherweise müssten auchBestände von Unternehmen oder Privatpersonen vor Ortbeschlagnahmt werden, um den Bedarf von Behörden-und Einsatzfahrzeugen und relevanten NSA solange zudecken, bis Versorgungslieferungen realisiert werdenkönnen.

Zudem ist die Koordinierung und bedarfsgerechte Vertei-lung von Treibstofflieferungen vor Ort eine äußerst kom-plexe Aufgabe – selbst wenn es gelänge, ausreichendTankfahrzeuge von Mineralölkonzernen und Logistik-dienstleistern auf der Basis des VerkLG einzubinden. Daein großflächiges Gebiet betroffen ist, sind Probleme beider Abstimmung von Zuständigkeiten sowie logistischeHerausforderungen, beispielsweise bei Bezeichnung,Einrichtung und Betrieb zentraler Umschlags- und Ver-teilstellen, zu erwarten (EBP 2010, S. 104). Problemver-stärkend wirken die defizitären Kommunikationsmög-lichkeiten für die Behörden und Einsatzkräfte, sodass esvielerorts zu Situationen der Fehl-, Über- oder Unterver-sorgung kommen wird.

Insgesamt wird deutlich, dass zwar umfangreiche Vorkeh-rungen zur Gewährleistung von Transportdienstleistun-gen für die Versorgung mit Treibstoff im Krisenfall beste-hen. Jedoch wird unter den spezifischen Bedingungeneines Stromausfalls die zeitnahe und gutkoordinierte Ak-tivierung der Treibstoffreserven ein kritischer Faktor fürdie weitere Entwicklung der Situation sowie die Folgen-bewältigung sein.

Ein Ansatzpunkt zur Erhöhung der Resilienz des Sektorsbestünde in einer Verbesserung der unmittelbar vor Ortverfügbaren Ressourcen, beispielsweise indem ausge-wählte Tankstellen mit NSA ausgestattet und kontinuier-lich mit Treibstoff versorgt werden. Unter der Prämisse,dass diese prioritär Treibstoff für die Zwecke der BOSund der Hilfsorganisationen zur Verfügung stehen, wärendie zeitliche Kritikalität der Zuführung von Treibstoffre-serven gemindert und die lokale Mobilität und Hand-lungsfähigkeit der Einsatzkräfte sowie ggf. auch der Be-völkerung für eine gewisse Zeit sichergestellt.

Zugleich wäre es erforderlich, zum kontinuierlichen Be-trieb von NSA an ausgewählten relevanten Standortenzeitgerecht den notwendigen Brennstoff nachzuführen.Um die komplizierte Logistik kontinuierlich ablaufen las-sen zu können, ist eine informationstechnische Vernet-zung von Mineralöllagern, Tankstellen, den Infrastruktur-elementen, die mit NSA und Treibstoff versorgt werden

134 Kesselwagen könnten bei einem Stromausfall nicht ohne Weitereseingesetzt werden.

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Drucksache 17/5672 – 118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

müssen, Voraussetzung. Diese sind aber noch nicht ge-schaffen.135

12. Inselnetze als Option zur Steigerung der Resilienz der Stromversorgung nach einem Stromausfall

In einzelnen Sektoranalysen hat sich gezeigt, dass eineVielzahl von Infrastrukturelementen mit „Unterbre-chungsfreien Stromversorgungsanlagen“ (USV) sowiebestimmte Einrichtungen mit Notstromaggregaten (NSA)ausgestattet sind. Diese verfügen zumeist aber über be-grenzte Batteriekapazitäten bzw. Brennstoffreserven undhaben deshalb eine geringe Durchhaltefähigkeit. Wenndie unmittelbaren Vorsorgemaßnahmen für den Stromaus-fall erschöpft sind, zeichnet sich insbesondere ein Kon-kurrenzkampf um mobile NSA und die dafür nötige Die-selversorgung ab. Hierbei konkurriert in allen Sektoreneine erhebliche Anzahl von sensiblen Infrastrukturen(beispielsweise Melkanlagen, Operationssäle in Kranken-häusern und Mobilfunkmasten) um eine sehr begrenzteAnzahl mobiler Aggregate sowie Treibstoff. Zwar könn-ten erschöpfte Aggregate durch neue oder aufgeladene er-setzt werden, doch wären erneut nur wenige Stunden ge-wonnen. Letztlich müssten stationäre und mobile NSAnach Stunden oder wenigen Tagen mit Treibstoff beliefertwerden. In Anbetracht der allgemeinen Einschränkungenbei Logistik und Koordination sowie der Vielzahl undKonkurrenz der Nachfrager ist nicht davon auszugehen,dass es gelingt, diese ausreichend zu versorgen.

Zur Steigerung der Robustheit zentraler Infrastrukturele-mente wäre es daher lohnenswert, nachhaltigere Optionenzur Bewältigung eines langandauernden und großflächi-gen Stromausfalls zu entwickeln. Dies könnte beispiels-weise durch ein Konzept zur Notstromversorgung auf derBasis dezentraler Stromerzeuger mit Inselnetzfähigkeiterreicht werden,136 da nur wenige Einrichtungen eine aut-arke Eigenstromversorgung ermöglichen – beispielsweiseMüllverbrennungs- oder Kläranlagen, die über eine „na-türliche“ Brennstoffversorgung verfügen. Die Grundideebestünde darin, ausgewählte Elemente Kritischer Infra-strukturen, wie Krankenhäuser, (Einsatz-)Leitstellen, Ein-richtungen der BOS oder Lebensmittellager, mit KWK-und/oder Erneuerbare-Energien-Anlagen auszustattenbzw. zu vernetzen, damit sie vom Stromausfall nicht be-troffen sind.

Dieses Konzept könnte hinsichtlich technischer und öko-nomischer Machbarkeit in regional begrenzten Modell-projekten geprüft werden. Ansatzpunkte für eine autarke

135 Entsprechende technische Optionen erkundet zurzeit das vom Bun-desministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Ener-gie- und Kraftstoffversorgung von Tankstellen und NSA beiStromausfall“ (TankNotStrom) im Rahmen des Programms „For-schung für die zivile Sicherheit“.

136 Im durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geför-derten Forschungsvorhaben „Smart Emergency supply System(SES2)“ wird geprüft, wie unter Einbindung regenerativer und de-zentraler Stromquellen eine Minimalversorgung bei einem längerenStromausfall sichergestellt werden könnte (www.bmbf.de/pubRD/Projektinformationen_SES2.pdf).

Stromversorgung durch ein Inselnetz wären vor allemEinrichtungen mit bestehenden NSA oder KWK-Anla-gen, die sich in relativer Nähe zu Elementen KritischerInfrastrukturen befinden. Regenerativen Energieträgernkäme zunächst eine ergänzende Funktion zu. Infrastruktu-reinrichtungen und öffentliche Gebäude wären durchautonome Stromnetze untereinander oder in öffentlich-privaten Partnerschaften mit Industriebetrieben, Heiz-kraftwerken oder vereinzelt mit Wohngebieten vernetzt.Dadurch könnten während eines langandauernden groß-flächigen Stromausfalls Behörden und Einsatzkräfte, wiePolizei, Feuerwehr, und Rettungsdienste, nahezu ohneEinschränkungen weiterarbeiten. Die weiterhin funktio-nierende behördliche Kommunikation ermöglicht eineschnelle Einschätzung der Lage und ein koordiniertesVorgehen zur Bewältigung der Situation. Zudem stehenRathäuser, Schulen, Schwimmbäder und Gemeindehallender Bevölkerung für Aufenthalt, Versorgung und Körper-pflege zur Verfügung. Krankenhäuser können alle zentra-len Funktionen aufrechterhalten und weiterarbeiten. Zwarkann aufgrund des nur punktuellen Ausbaus eine weitergehende Versorgung aller Sektoren nicht erbracht werden.Auch müssen viele Inselnetze nach kurzer Zeit aufgrundvon Treibstoffmangel Verbraucher abschalten, um dieVersorgung von Behörden, Krankenhäusern und Anlauf-stellen für die Bevölkerung weiter gewährleisten zu kön-nen. Daher bleiben die meisten an das Inselnetz ange-schlossenen Einrichtungen, Betriebe und Haushalte ohneStrom. Allerdings ermöglicht die funktionierende behörd-liche Kommunikation eine lokale Koordinierung vonHilfslieferungen, sodass die öffentliche Ordnung und Si-cherheit gewahrt werden können.

Ziel eines entsprechenden Modellprojekts wäre ferner,die Potenziale technischer Innovationen, Marktmechanis-men und öffentlicher Förderprogramme zur Aktivierungvon Lernkurven und Degressionseffekten abzuschätzen.

Eine noch vorausschauendere Ausbaustrategie würde– unter Berücksichtigung der Spezifika der Standorte undder zu versorgenden Einrichtungen sowie der Ergebnissedes Modellprojekts – Eigenstrominsellösungen auf Basiserneuerbarer Energien in bestehende Lösungsmöglichkei-ten einbeziehen. Dabei übernähme im Katastrophenfallder Inselbetrieb die Versorgung der wichtigsten Systemeund Funktionen der Kritischen Infrastrukturen, ansonstenwürde der Netzeinspeisebetrieb gewählt. Bei Planung undKonzeption wäre allerdings zu bedenken, dass eine Reihezusätzlicher technischer Vorrichtungen zu installierenwäre, um Stromangebot und -nachfrage zu synchronisie-ren. Bei fluktuierendem Stromangebot sind Stromspei-cher einzubinden und Managementsysteme vorzusehen;bei bestimmten KWK-Anlagen ist ein Notkühler für denBetrieb außerhalb der Heizperiode erforderlich. Tech-nikseitig sind zwar keine unüberwindbaren Probleme zulösen, es dürfen allerdings die Zusatzkosten nicht außerAcht gelassen werden. Vor diesem Hintergrund wäre zuprüfen, ob durch politische Rahmensetzung und Anreizedie ökonomisch zurzeit noch bestehenden Restriktionenvermindert werden könnten.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/5672

Perspektivisch könnte eine intensivere AusbaustrategieKostensenkungen und Leistungssteigerungen ermögli-chen und zur Schaffung eines Leitmarktes für Elektro-und insbesondere Batterietechnik beitragen. Durch eineVerknüpfung mit Programmen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, erneuerbarer Energien und der Moder-nisierung der Stromnetzinfrastruktur könnten Synergieef-fekte, etwa bei der Speicherung fluktuierender Energiee-inspeisung, realisiert werden.

13. Information und Sensibilisierungder Bevölkerung

Mit den Überlegungen zum Verhalten der Bevölkerungwährend eines Stromausfalls sind auch weitere Fragen zuihrer Rolle bei der Katastrophenbewältigung angespro-chen. Diese betreffen beispielsweise den Informations-stand der Bevölkerung, ihre Vorbereitung und Selbsthilfe-fähigkeit sowie die Möglichkeiten und Grenzen einerAufklärung der Bürger sowie der Förderung ihrer Selbst-hilfefähigkeit.

Hinsichtlich der Informiertheit der Bevölkerung und ihrerWahrnehmung ist ein erhebliches Defizit zu konstatieren.Die Stromversorgung als Kritische Infrastruktur ist fürdie Bevölkerung kein Thema, die Möglichkeit vonStromausfällen und die Folgen einer Unterbrechung derStromversorgung werden ausgeblendet. Es herrscht dassichere Gefühl, dass (größere) Stromausfälle nur in Län-dern mit weniger zuverlässiger Stromversorgung aufträ-ten. Erlebte Stromausfälle werden meist schnell verges-sen (Kap. III.3, S. 2; Stiftung Risikodialog 2007, S. 14).Die mediale Berichterstattung thematisiert vor allemgroße, in Deutschland seltene Stromausfälle (Lorenz2010, S. 18 ff.).

Katastrophen wie Stromausfälle werden meist mit Ex-tremwetterereignissen und Terrorismus assoziiert. Da Na-turereignisse als unvermeidbar wahrgenommen werdenund dem Terrorismus mit einer Art Fatalismus begegnetwird, ist die Konsequenz die Einstellung, dass man alsPrivatperson diesen vermeintlich alleinigen Ursachennicht vorsorgend begegnen könne (Lorenz 2010, S. 22).Dementsprechend gibt es keine nennenswerte Vorberei-tung der Bevölkerung auf einen Stromausfall (z. B.Gardemann/Menski 2008), und die Fähigkeiten zur Be-wältigung seiner Folgen sind in dieser Hinsicht gering.

Angesichts der wachsenden Abhängigkeit der Gesell-schaft von Kritischen Infrastrukturen konstatiert Lorenz(2010, S. 28), dass dieser Prozess „nicht oder zumindestnicht ausreichend risikokommunikativ begleitet wurde“.Die daraus resultierende allgemein geringe Sensibilitätfür das Risiko und die Gefahren eines Stromausfalls be-grenzt die Möglichkeiten der Behörden, die Bevölkerung

– über Gefahren und Risiken zu informieren und Auf-merksamkeit zu wecken,

– bei der Vorbereitung und Bevorratung zu motivieren,

– im Katastrophenfall durch Warnmeldungen zu infor-mieren sowie

– die Fähigkeit zur Selbsthilfe und Hilfe für andere zuaktivieren.

Grundsätzlich gilt, dass Kommunikation über Risikenund mögliche Gefahren im Voraus Vertrauen schaffen so-wie das Interesse der Bevölkerung durch Informationenund Beratung aufrechterhalten sollte, um in Krisensitua-tionen die Bürger in geeigneter Weise ansprechen zu kön-nen (Geenen 2009, S. 91; Lorenz 2010, S. 26). Wie Risi-kokommunikation oder eine Sensibilisierungskampagnein Bezug auf das Risiko eines Stromausfalls zu gestaltenwären, ist unklar, auch weil es nur wenig wissenschaftli-che Literatur über die Meinungen und Einstellungen derBevölkerung zu diesem Thema gibt. Auch ist wenig überdie Wahrnehmung und Wirkung von Informationskampa-gnen bekannt. Daher wäre zunächst eine wissenschaftlichfundierte Strategie für die Risikokommunikation mit derBevölkerung vor einem Stromausfall zu erarbeiten. Indiesem Zusammenhang käme u. a. eine Bürger- oderKonsensuskonferenz zu Kritischen Infrastrukturen in-frage. In Betracht zu ziehen wäre ferner, Bürgergruppenin Notfallplanungen einzubeziehen. Partizipative Verfah-ren wie diese würden dazu beitragen, von der üblichenRollenzuweisung an die Bürger als passive Katastrophen-opfer wegzukommen und sie vielmehr als kompetenteund aktiv handelnde Akteure zu integrieren.

Überhaupt sollte Beachtung finden, dass das überwie-gende Desinteresse von Bürgern an der Thematik nichtschlicht auf Lernresistenz oder Unvernunft zurückgeführtwerden sollte. Dass sich die Bevölkerung so verhält, istAusdruck einer spezifischen Rationalität − angesichts ei-nes Risikos, dessen Folgen zwar erheblich, dessen Ein-trittswahrscheinlichkeit aber gering ist. Eine belehrendeAttitüde wäre deshalb nicht angebracht.

14. Fazit

Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach we-nigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckendeund bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (le-bens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nichtmehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist ge-fährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht fürLeib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehrgerecht werden. Damit verlöre er auch eine seiner wich-tigsten Ressourcen – das Vertrauen seiner Bürger.

Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und dasGebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromaus-falls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämendie dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Kata-strophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisie-rung aller internen und externen Kräfte und Ressourcennicht „beherrschbar“, allenfalls zu mildern. In histori-scher Perspektive mag zutreffen, dass sich das deutscheHilfeleistungssystem auf Katastrophen gut vorbereitethat, und es „nichts“ gab, was „nicht bewältigt wurde“(Unger 2008, S. 100). Ob dies auch für die „Verbundkata-strophe“ eines Stromausfalls zutreffen wird, muss be-zweifelt werden.

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Drucksache 17/5672 – 120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Weitere Anstrengungen sind deshalb auf allen Ebenenerforderlich, um die Resilienz der Sektoren KritischerInfrastrukturen kurz- und mittelfristig zu erhöhen sowiedie Kapazitäten des nationalen Systems des Katastro-phenmanagements zielorientiert weiter zu optimieren.Entsprechende Maßnahmen dürften allerdings nicht im-mer kostenneutral zu realisieren sein. Dass das Ziel da-bei keine absolute, sondern allenfalls relative Sicherheitsein kann, muss betont werden. Stets wären bei der Ent-wicklung und Implementierung von Konzepten Abwä-gungsprozesse und Prioritätensetzungen erforderlich:

Wie sicher ist sicher genug? Welche Kosten und welchePflichten sind wem zumutbar? Welches Restrisiko isthinzunehmen?

Der Stromausfall als ein Paradebeispiel für „kaskadie-rende Schadenswirkungen“ sollte auf der Agenda derVerantwortlichen in Politik und Gesellschaft weiterhinhohe Priorität haben, auch um die Sensibilität für dieseThematik in Wirtschaft und Bevölkerung zu erhöhen. Derhiermit vorgelegte TAB-Bericht soll hierzu einen Beitragleisten.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 121 – Drucksache 17/5672

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Drucksache 17/5672 – 128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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b NESO-Sekretariat. www.ebv-oil.org/cms/cms2.asp?sid=63&nid=&cof=63; abgerufen am 29.7.2009

c Freigabe. www.ebv-oil.org/cms/cms2.asp?sid=64&nid=&cof=64; abgerufen am 29.7.2009

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Eurostat

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c http://nui.epp.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do?dvsc=11; abgerufen am 7.12.2009

Freiwillige Feuerwehr Schwandorf

Leitstelle. www.ffschwandorf.de/cms/_rubric/index.php?rubric=Leitstelle; abgerufen am 19.4.2011

Gut Derenburg

Geitreidelager. www.gut-derenburg.de/html/getreidelager.html; abgerufen am 19.4.2011

HBLFA (Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein)

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LZ (Lebensmittelzeitung)

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129 – Drucksache 17/5672

b Rundgang: Der Besuch in der Apotheke. www.phagro.de/portal/alias__phagro/lang__de-DE/tabid__6595/default.aspx; abgerufen am 19.4.2011

c Entsorgung: Entsorgungsverträge. www.phagro.de/portal/alias__phagro/lang__de-DE/tabid__6628/default.aspx; abgerufen am 19.4.2011

Roche

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Drucksache 17/5672 – 130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

VI. Anhang

1. TabellenverzeichnisSeite

Tabelle 1 Anzahl und Mitglieder der Feuerwehrenin Deutschland (2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Tabelle 2 Dependenzen der Teilsektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Tabelle 3 Zeitlich gestufte Ausfälle im Sektor „Informationstechnikund Telekommunikation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Tabelle 4 Infrastrukturen des DB-Netzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Tabelle 5 Funktionen einer Abwasserbehandlungsanlage . . . . . . . . . . . 65

Tabelle 6 Auswirkungen von Stromausfällen auf die Wasserversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Tabelle 7 Auswirkungen von Stromausfällen aufdie Abwasserentsorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131 – Drucksache 17/5672

2. AbbildungsverzeichnisSeite

Abbildung 1 Überblick der Sektoren Kritischer Infrastrukturen . . . . . . . . 15

Abbildung 2 Beispiele für große Stromausfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Abbildung 3 System des Krisenmanagements von Bund und Ländern . . . 24

Abbildung 4 Krisenstäbe der Ressorts auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . 25

Abbildung 5 Führungsstab Katastrophenschutz desInnenministeriums Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Abbildung 6 Hilfsorganisationen und Unterstützungskräfte . . . . . . . . . . . . 27

Abbildung 7 Territoriales Netzwerk der Bundeswehr zumzivilen Katastrophenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Abbildung 8 Untersuchte Sektoren und Herausforderungen . . . . . . . . . . . 33

Abbildung 9 Strukturen des Sektors „Informationstechnikund Telekommunikation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Abbildung 10 Strukturen des Verkehrsträgers Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Abbildung 11 Strukturen des Verkehrsträgers Schiene . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Abbildung 12 Strukturen des Sektors Flugverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Abbildung 13 Strukturen eines Flughafens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Abbildung 14 Strukturen des Verkehrsträgers Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Abbildung 15 Wassereinsatz bei wirtschaftlichen Aktivitäten (2007) . . . . . 50

Abbildung 16 Übersicht der technischen Elemente in der Wasser-versorgung und der Stromabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Abbildung 17 Zusammensetzung des privaten Verbrauchs . . . . . . . . . . . . . 62

Abbildung 18 Übersicht der technischen Elemente in der Abwasser-entsorgung und der Stromabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Abbildung 19 Schema einer Abwasserbehandlungsanlage . . . . . . . . . . . . . . 64

Abbildung 20 Strukturen des Sektors „Lebensmittelversorgung“ . . . . . . . . 72

Abbildung 21 Ausgewählte Basisstrukturen und Komponentenim Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Abbildung 22 Bankdienstleistungssystem (vereinfachte Darstellung) . . . . . 85

Abbildung 23 Zahlungs- und Datenverkehrssystem(vereinfachte Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Abbildung 24 Börsensystem (vereinfachte Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . 86

Abbildung 25 Vier idealtypische Verhaltensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Abbildung 26 Elemente eines Trinkwassersicherheitskonzeptsin ausgewählten Teilen des DVGW-Regelwerks . . . . . . . . . . 107

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Drucksache 17/5672 – 132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Abkürzungsverzeichnis

AG KRITIS Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen

AMG Arzneimittelgesetz

ApoBetrO Apothekenbetriebsordnung

ApoG Apothekengesetz

BBK Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

BCM Business Continuity Management

BHKW Blockheizkraftwerk

BKA Bundeskriminalamt

BMI Bundesministerium des Innern

BOS Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

BPOL Bundespolizei

BSI Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik

DB Deutsche Bahn

deNIS deutsche Notfallvorsorge-Informationssystem

DFN Deutsches Forschungsnetz

DFS Deutsche Flugsicherung

DVGW Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches

DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall

EBV Erdölbevorratungsverband

ESG Ernährungssicherstellungsgesetz

EU Europäische Union

EVG Ernährungsvorsorgegesetz

EVU Energieversorgungsunternehmen

GG Grundgesetz

GMLZ Gemeinsames Melde- und Lagezentrum

GSM-R Global System for Mobile Communications-Rail

ISDN Integrated Services Digital Network

IT Informationstechnik

IuK Information und Kommunikation

IVBB Informationsverbund Berlin-Bonn

IVBV Informationsverbund der Bundesverwaltung

JVA Justizvollzugsanstalt

KRITIS Kritische Infrastruktur(en)

KWK Kraft-Wärme-Kopplung

LÜKEX Länder Übergreifende Krisenmanagement-Übung/EXercise

MIC Monitoring and Information Centre

MIV motorisierter Individualverkehr

MSC Mobile-services Switching Centre

MSR-Technik Mess-, Steuer- und Regelungstechnik

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 133 – Drucksache 17/5672

NATO North Atlantic Treaty Organization

NdB Netze des Bundes

NPSI Nationaler Plan zum Schutz der Informationsstrukturen

NSA Notstromaggregat

ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr

PTSG Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz

SatWaS Satellitengestütztes Warnsystem

StVollzG Strafvollzugsgesetz

THW Bundesanstalt Technisches Hilfswerk

TierSchNutzVO Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung

TK Telekommunikation

TKG Telekommunikationsgesetz

TrinkwV Trinkwasserverordnung

USV Unterbrechungsfreie Stromversorgung

VerkLG Verkehrsleistungsgesetz

VoIP Voice over IP

WasSiG Wassersicherstellungsgesetz

WHO Weltgesundheitsorganisation

WpHG Wertpapierhandelsgesetz

ZMZ Zivil-Militärische Zusammenarbeit

ZSKG Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz

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ISSN 0722-8333