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Diagnostik von Hüftdysplasie und mechanisch bedingter Coxarthrose des jungen Erwachsenen D. Neumann, U. Dorn Landesklinik für Orthopädie, St. Johanns Spital Salzburg Paracelsus Private Medizinische Universität Salzburg Die biomechanischen Ursachen für vorzeitige Verschleißerscheinungen können sowohl auf einem zuwenig als auch auf einem zuviel an Überdachung bzw. Gelenksflächenkontakt beruhen. zuwenig= Minusvariante= „klassische“ Hüftdysplasie, Restdysplasie zuviel= Plusvariante= sog. femoroazetabuläres Impingement Die heute erreichten Möglichkeiten der bildgebenden Darstellung von pathomorphologisch nur diskret ausgeprägten Veränderungen oder „Baufehlern“ des Hüftgelenkes legt den Schluss nahe, dass viele früher als primär klassifizierte Arthrosen doch auch eine biomechanisch und heutzutage fassbare Ursache haben. Der normale Bereich zwischen einem zuviel und zuwenig an Überdachung am Hüftgelenk ist besonders schmal. (1) Stellt sich aufgrund der klinischen Symptomatik die Frage einer Abweichung der Torsion (Ante- und Retrotorsion) des Schenkelhalses und/oder Version (Ante- und Retroversion) des Acetabulums ist die Vermessung in der Transversalebene nur mit Schnittbildverfahren möglich. Die räumliche Konfiguration der Hüftpfanne und des proximalen Femurs im Raum und zueinander bestimmen den Bewegungsumfang des Hüftgelenkes (2): Die Pfanneneingangsebene öffnet sich nach lateral, nach unten und bezüglich der Transversalebene nach vorne (Anteversion) Die Achse des Schenkelhalses verläuft gegenüber der queren Kniegelenksachse nach vorne (Antetorsion) Der Hüftkopf sitzt dem Schenkelhals konzentrisch auf (symmetrisches Offset) Die Normwerte der klinischen Untersuchung des Hüftgelenkes (Neutral-Null- Methode) sind Tabelle 1 zu entnehmen. 1

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Diagnostik von Hüftdysplasie und mechanisch bedingter Coxarthrose des jungen Erwachsenen D. Neumann, U. Dorn Landesklinik für Orthopädie, St. Johanns Spital Salzburg Paracelsus Private Medizinische Universität Salzburg Die biomechanischen Ursachen für vorzeitige Verschleißerscheinungen können sowohl auf einem zuwenig als auch auf einem zuviel an Überdachung bzw. Gelenksflächenkontakt beruhen. zuwenig= Minusvariante= „klassische“ Hüftdysplasie, Restdysplasie zuviel= Plusvariante= sog. femoroazetabuläres Impingement Die heute erreichten Möglichkeiten der bildgebenden Darstellung von pathomorphologisch nur diskret ausgeprägten Veränderungen oder „Baufehlern“ des Hüftgelenkes legt den Schluss nahe, dass viele früher als primär klassifizierte Arthrosen doch auch eine biomechanisch und heutzutage fassbare Ursache haben. Der normale Bereich zwischen einem zuviel und zuwenig an Überdachung am Hüftgelenk ist besonders schmal. (1) Stellt sich aufgrund der klinischen Symptomatik die Frage einer Abweichung der Torsion (Ante- und Retrotorsion) des Schenkelhalses und/oder Version (Ante- und Retroversion) des Acetabulums ist die Vermessung in der Transversalebene nur mit Schnittbildverfahren möglich. Die räumliche Konfiguration der Hüftpfanne und des proximalen Femurs im Raum und zueinander bestimmen den Bewegungsumfang des Hüftgelenkes (2):

• Die Pfanneneingangsebene öffnet sich nach lateral, nach unten und bezüglich der Transversalebene nach vorne (Anteversion)

• Die Achse des Schenkelhalses verläuft gegenüber der queren Kniegelenksachse nach vorne (Antetorsion)

• Der Hüftkopf sitzt dem Schenkelhals konzentrisch auf (symmetrisches Offset)

Die Normwerte der klinischen Untersuchung des Hüftgelenkes (Neutral-Null-Methode) sind Tabelle 1 zu entnehmen.

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Ebene Grad Null Grad Frontal 30-50 0 20-30 Sagittal 10-12 0 130-140 Rotation (in 90° Flexion)

40-45 0 30-45

Tab. 1: Normwerte der Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode

Hinter dem klinischen Symptom der eingeschränkten oder veränderten Rotationsfähigkeit im Hüftgelenk können sich vielfältigste Pathomorphologien verbergen. Morphologische Veränderungen an der Hüftpfanne und/oder am coxalen Femurende können sich klinisch auf den Gesamtumfang und/oder die Mittellage der Rotationsfähigkeit auswirken. Diesbezügliche diagnostische Überlegungen finden wir in Tabelle 1. Vordere Strukturen: Schmerz bei und Einschränkung der Innenrotation

1. Stellung der Pfanne (verminderte AV, Retroversion)

2. Hindernisse: Ganglien, Labrumläsionen, Osteophyten am vorderen Pfannenrand

3. Schenkelhals (verminderte AT, Retrotorsion)

4. Hindernisse am SH: Entrundungen, Osteophyten, mit vermindertem vorderen Kopf-Hals Offset

Hintere Strukturen: Schmerz bei und Einschränkung der Außenrotation

1. Stellung der Pfanne (vermehrte AV) 2. Hindernisse: Ganglien,

Labrumläsionen, Osteophyten am hinteren Pfannenrand

3. Schenkelhals (vermehrte AT) 4. Hindernisse am SH: Entrundungen,

Osteophyten, mit vermindertem hinteren Kopf-Hals Offset.

Tab. 2: Pathomorphologische Ursachen eines klinischen Rotationsfehlers

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Ziel dieser einführenden Worte ist die Präsentation eines diagnostischen Algorithmus zur Abklärung symptomatischer Rotationsfehler. (Tabelle 3)

1. Schritt: Beckenübersichtsröntgen und Faux profil Projektion. Damit kann eine Pfannendysplasie ausgeschlossen oder nachgewiesen werden. Ist durch diese Bildgebung die Klinik nicht erkennbar, muß weiter abgeklärt werden.

2. Schritt: CT beider Hüftgelenke mit Bestimmung der Antetorsion und Anteversion

3. Schritt: MRT oder MR Arthrographie des Hüftgelenkes. In der Technik nach Czerny mit schräg sagittaler und coronarer Schnittführung. Ergänzend kann bei nicht eindeutigem Befund die Schnittführung nach Ito und Locher senkrecht auf die Schenkelhalslängsachse und radiär orthograd auf die Pfanneneingangsebene eine Kopf-Hals offset Problematik dargestellt werden.

4. Schritt: Testinfiltration zum Nachweis einer intraartikulären Schmerzursache.

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JA Pfannendysplasie Rö: BÜ und Faux profil

NEIN

JA Rotationsfehler (CT-MRT)

NEIN

JA Labrumläsion oder Offset Problem (MRArthro)

NEIN

intraartikuläres Problem?? TESTINFILTRATION

Tab. 3: Diagnostischer Algorithmus zur stufenweisen Abklärung schmerzhafter Hüftprobleme

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I. Grundsätzliche Diagnostik der Minusvariante =Hüftdysplasie

Klinische Untersuchung: • Kalchschmidt Test 1,2,3 positiv • Kapselmuster • messerscharf einschießende Schmerzen (Blockade, Giving Way) • Impingement Test (Kapandji): Forcierte Beugung-Adduktion-Innenrotation • „Apprehension“: forcierte passive Hyperextension-Außenrotation führt zur

passiven Subluxation des Femurkopfes

Konventionelle Radiologie:

• Beckenübersicht ap (+axial) • LWS im Stehen • Faux profil Projektion

Folgende 3 Winkel sind zur OP Planung ausreichend: LCE Winkel, ACE (VCA) Winkel, TF Winkel (Abb. 1), Abweichungsgrade dieser Winkel in Tab. 1.

Abb.1: LCE, VCA und TF Winkel

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A

Abb. 2 A+B: ap Röntgenbild präoperativ (A) mit einem LCE Winkel vopostoperatives ap Röntgenbild (B) bei Z.n. Triple Osteotomie mit VCA (Normalbefund)

B A

Abb. 3 A+B: Faux profil Projektion präoperativ (A) mit einemVCA Wpostoperativ (B) bei Z.n. Triple Osteotomie mit ventraler Überdachungmehr als 30°

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B

n 0° (Grad 4), Winkel von 30°

inkel von 0°, (VCA) von

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Anhand der Faux profil Projektion kann auch der Anterior Acetabular Head (AAH) Index gemessen werden (Abb.4). Dieser errechnet sich durch die Formel (A/B)x100, wobei die Strecke A vom posterioren Anteil des Femurkopfes bis zur anterioren Grenze des Acetabulums reicht, und der Kopfdurchmesser die Strecke B darstellt. (4)

Abb.4: AAHI (Anterior Acetabular Head Index). Errechnet sich (A/B)x100. Normwert 84,1 (+-6,2%)

Abweichungsgrad

1

2

3

4

LCE/VCA (<18 Jahre)

>25° 20-24° 5-19° <5°

LCE/VCA (>18 Jahre)

>30° 20-29° 5-19° <5°

TF 0° +/- 9° 10-15° 16-25° >25°

Interpretation Normal Mäßig pathologisch

Stark pathologisch

Extrem pathologisch

Tab.4: Abweichungsgrade der oben angeführten konventionell radiologischen Winkel

Wichtigste eventuell auffällige Veränderung im ap Röntgenbild ist das „Cross over“ Sign nach Reynolds (3) (Überkreuzung vorderer und hinterer Acetabulumrand) als Ausdruck einer Pfannenretroversion (Abb. 2 a und b). Abb. 5: „Cross over Sign”: Schema und Nativröntgen

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Eigene Verlaufs- und Einzelfallbeobachtungen führten uns zu einer Abstraktion der Winkelverhältnisse wie in Abbildung 6 A und B illustriert. Die vertikale Grundlinie (schwarz) nimmt ihren Ursprung an der äußersten Acetabulum-Ecke, die graue Linie entspricht der Tragflächenlinie des bekannten TF Winkels und die weiße Linie wird tangential ausgehend von der äußersten Acetabulum-Ecke an den Femurkopf herangeschwenkt: So ergibt sich eine blickdiagnostisch fassbare Winkelkonstellation, die ein dysplastisches Hüftgelenk sofort entlarvt.

A B

Abb. 6 A und B: Schwer dysplastisches Hüftgelenk (A) mit entsprechend spitzem Winkel zwischen vertikaler Grundlinie und Tragflächenlinie, normomorphologisches Hüftgelenk mit rechtem Winkel zwischen Vertikaler Grundlinie und Tragfläche.

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Computertomographie Erleichtert die räumliche Beurteilung der Kongruenz. Optimale Beurteilung von Antetorsion des Schenkelhalses und Anteversion der Pfanne. (Abb. 7 a,b,c). Exzellente Möglichkeiten der 3D Darstellung prä- und postoperativ.

Abb.7 a,b,c: Antetorsionswinkel des Schenkelhalses im normalen Streubereich, Acetabulum mit Retroversion rechts.

AV/AT Winkel AV+AT (McKibbin) Abweichung Definition

<10 <20 -3 stark verringert 10-14 20-30 -2 mäßig verringert 15-20 30-40 1 Normbereich 21-25 40-50 +2 Gering erhöht >25 >50 +3 stark erhöht

Tab. 5: Anteversion, Antetorsionswinkel und Abweichungsgrade.

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Abb. 8: Verminderte Pfannenanteversion in den cranialen Acetabulumsabschnitten links

B

A

C

Abb. 9 A,B,C: 3D Rekonstruktion bei Z.n. Triple Osteotomie nach Tönnis in der ap (A), in seitlicher (B) und in pa Ansicht

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Magnetresonanztomographie Ideal zur Darstellung der intra-artikulären Strukturen und der umgebenden Weichteile. Die Beurteilung einer Labrumläsion gelingt am besten durch eine MR Arthrographie. Gemäß Czerny et al (5) erfolgt die Klassifikation einer Labrumläsion des Typs B wie in Tabelle 3 beschrieben. Bei der Dysplasiehüfte sind alle Labra morphologisch alteriert, d.h. verdickt und verplumpt (Typ B), hierzu ein Schema in Abbildung 4. Posttraumatische Labrumläsionen (Typ A) haben im Rahmen der Beurteilung eines dysplastischen Hüftgelenkes keine Bedeutung.

Stadium

Form (Typ A oder B)

MR Signal Struktur (1-3)

Stadium 0 Normbefund normales Signal

Stadium 1-B verdickt-verplumpt (=Typ B)

Signalveränderung

Stadium 2-B verdickt-verplumpt (=Typ B)

Einriß

Stadium 3-B verdickt-verplumpt (=Typ B)

Abriß

Tab. 6: Klassifikation der dysplastischen Labrumläsion (Typ B) gemäß Czerny et al.

Abb. 10: Labrumläsionen vom dysplastischen Typ B

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Abb. 11: MR Arthrographie mit Nachweis einer Labrumläsion bei Hüftdysplasie Grad IIb

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II. Grundsätzliche Diagnostik der Plusvariante= sog. „Femoroacetabuläres Impingement“

Normomorphologisches (gesundes) Hüftgelenk Wie bereits eingangs erwähnt ist der normale Bereich zwischen einem zuviel und zuwenig an Überdachung am Hüftgelenk besonders schmal. Stellt sich aufgrund der klinischen Symptomatik die Frage einer Abweichung der Torsion (Ante- und Retrotorsion) des Schenkelhalses und/oder Version (Ante- und Retroversion) des Acetabulums ist die Vermessung in der Transversalebene nur mit Schnittbildverfahren möglich. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten haben sich zwei Arbeitsgruppen intensiv mit diesem Problem eines zuviel an Gelenksflächenkontakt beschäftigt.

• Das Konzept der Dortmunder Arbeitsgruppe (Tönnis) über die Torsions- und Versionsfehler von Schenkelhals respektive Acetabulum als präarthrotische Deformitäten

• Die Berner Arbeitsgruppe (Ganz) mit dem Konzept des femoroacetabulären Impingement.

Die Fortschritte dieser beiden Arbeitsgruppen basieren auf der Verfügbarkeit moderner Schnittbildverfahren, die auch eine 3D Analyse der in der Transversalebene stark ausgeprägten Pathomorphologien ermöglichen, und diese früher nicht registrierbaren Veränderungen sichtbar machen. Im klinisch, orthopädischen Alltag gibt es immer wieder Patienten, die über hüftgelenksspezifische Beschwerden klagen, obwohl ihr ap Beckenübersichtsröntgen scheinbar normal imponiert. Drei grundlegende Gelenksorientierungen bestimmen den Bewegungsumfang des Hüftgelenkes:

• Die Pfanneneingangsebene öffnet sich nach lateral, nach unten und bezüglich der Transversalebene nach vorne (Anteversion)

• Die Achse des Schenkelhalses verläuft gegenüber der queren Kniegelenksachse nach vorne (Anteversion)

• Der Hüftkopf sitzt dem Schenkelhals konzentrisch auf (symmetrisches Offset)

Abb. 12 a,b,c: Schemata von Anteversion, Antetorsion, normalem Offset

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AV/AT Winkel AV+AT (McKibbin) Abweichung Definition

<10 <20 -3 stark verringert 10-14 20-30 -2 mäßig verringert 15-20 30-40 1 Normbereich 21-25 40-50 +2 Gering erhöht >25 >50 +3 stark erhöht

Tab. 7: Anteversion, Antetorsionswinkel und Abweichungsgrade.

Pathomorphologische Veränderungen beim „femoroacetabulären Impingement“ Stellt sich aufgrund der klinischen Symptomatik die Frage der Abweichung von Anteversion oder Antetorsion, ist eine Vermessung in der Transversalebene nur in einem Schnittbildverfahren (CT oder MRT) ausreichend möglich. Die intraartikuläre Situation kann heute mit Hilfe der MRT (MR Arthro) aussagekräftig dokumentiert werden. Liegen anatomische Varianten oder pathoanatomische Veränderungen am proximalen Femurende oder Acetabulum vor, kommt es anfänglich zu einer schmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit und mit der Zeit auch zu bildgebend sichtbaren strukturellen Veränderungen an den Stellen des pathologischen Kontaktes der Gelenkkörper.

• Torsions- und Versionsfehler führen zu einem vorzeitigen Kontakt des Schenkelhalses am Pfannenrand und Labrum Acetabulare. Nachweis durch Cross-over Sign (Abb. 13B) im ap Röntgenbild oder CT oder MRT.

• Entrundungen des Femurkopfes („phalloide“ Form Abb. 13A) und ein Verstreichen der Taillierung zwischen Hüftkopf und Schenkelhals führen zu einer Verminderung des Kopf-Hals-Offset. Besonders auffällig bei Z.n. Epiphysiolysis capitis femoris (Beißzangeneffekt auf das Labrum, bzw. den Pfannenrand, Abb. 17) oder mit ventral situiertem „bump“-Osteophyten. (Abb. 14)

Das Erstsymptom eines zuviel an Überdachung (sog. Über-Überdachung, Super Containment, femoroacetabuläres Impingement) ist die Bewegungseinschränkung in Form eines so genannten „Rotationsfehlers“, grundsätzliche diagnostische Überlegungen finden wir eingangs in Tabelle 2. Prinzipiell bestehen hierfür 2 Hauptursachen:

• Vermindertes oder völlig aufgehobenes Offset am Kopf-Hals Übergang • vermehrte acetabuläre Überdachung

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Eine systematische Gliederung der vorhandenen pathomorphologischen Veränderungen bei Vorliegen eines femoroacetabulären Impingement (Über-Überdachung) führt uns zu folgender Gliederung:

• Größen- und Lagebeziehung zwischen Pfanne und Hüftkopf (Pfannenprotrusion) „zu groß, zu tief, mit Beißzange“

• Veränderungen der Pfannenöffnung (verminderte Anteversion, Retroversion)

• Veränderungen der Schenkelhalsachse (verminderte Antetorsion, Retrotorsion)

• Relationsveränderungen zwischen Hüftkopf und Schenkelhals (Offset) • Formveränderungen des Hüftkopfes, pathologische Appositionen

A B

Abb. 13A: Phalloide Form des Femurkopfes, auch „Pistol grip deformity“, Abb. 13B: Cross over Sign als Ausdruck einer verminderten Anteversion

Abb. 14: Lauesteinaufnahme des linken Hüftgelenkes mit typischem ventral gelegenen „bump“

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A

B

Abb. 15 A und B: Hochgradige acetabuläre DyspPerthes-bedingter Deformierung des FemurkopfeRekonstruktion (B)

Abbpathdeuteine

16

lasie vergesellschaftet mit s (A), 3-D CT

. 16: Pfannendysplasie mit hochgradig ologischem CE Winkel (0°) und lichem Cross-over Sign als Ausdruck r verminderten Pfannenanteversion

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Abb.17 „Beißzangeneffekt“ bei Z.n. E.c.f.

Eine in der MRT oder MR Arthro nachweisbare Labrumläsion stellt immer nur die Spitze des eigentlichen Eisberges dar. Auffällig scheint , daß bei Vorliegen eines femoroacetabulärem Impingement eine Läsion des Labrums eher ventromedial, bei Dysplasie eher ventrolateral zu finden ist. Die Klassifikation der Labrumläsionen wurde schon im Abschnitt der „Minusvariante“ erwähnt (Tab.6).

Therapeutische Optionen

• Bei Torsionsfehlern des Schenkelhalses: Intertrochantäre Rotationsosteotomie • Bei verminderter Antetorsion oder sogar Retroversion des Acetabulums ist

eine Dreifach Beckenschwenkosteotomie (Tönnis) (6) indiziert. • Einige Autoren empfehlen bei Protrusionspfannen oder geringgradig

ausgeprägten Retroversionspfannen eine zirkuläre oder ventrale Reduktion des Pfannenrandes

• Bei vermindertem Kopf-Hals Offset empfehlen einige Autoren eine Ausmuldung des ventrolateralen Kopf-Hals Überganges.

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Literatur:

1. „Mechanische Ursachen der Koxarthrose bei jungen Erwachsenen“ Tschauner, Hofmann, Fock, Raith, Graf: Der Orthopäde 2002 31: 1094-1111

2. „Rotationsfehler des Hüftgelenkes“ Tschauner, Fock, Hofmann, Raith: Der Radiologe 2002 42: 457-466

3. „Retroversion of the Acetabulum“ Reynolds, Lucas, Klaue: JBJS Br 1999 81: 281-288

4. “Anterior acetabular head index of the hip on false-profile views” Chosa, Tajima: JBJS Br 2003 85: 826-829

5. “Lesions of the acetabular Labrum” Czerny, Hofmann et al: Radiology 1996 200: 225-230

6. “A modified Technique for Triple Pelvic Osteotomy.” Tönnis, Behrens, Tscharani: J Pediatr Orthopedics 1981: 241-249

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