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Das Audi-Umweltmagazin 2012

Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

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Das Audi-Umweltmagazin ist im Mai 2012 in der Reihe Dialoge erschienen. Thematische Schwerpunkte sind u.a. das Ziel einer CO2-neutralen Mobilität, den bewussten Einsatz von Ressourcen und ökologische Verwantwortung.

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Page 1: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

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Das Audi-Umweltmagazin2012

Page 2: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

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Das Audi-Umweltmagazin2012

Page 3: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

2 3Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

2614

42

Naturfreunde: Audi-Mitarbeiter im persönlichen Einsatz für den Umweltschutz.

CO₂-Neutralität:In absehbarer Zeit wird der Audi-Standort Ingolstadt CO₂-neutral sein.

Nachhaltig Bauen und Produzieren:Der Architekt Thomas Rau und Frank Dreves, Audi Vorstand Produktion, im Gespräch.

Verlust wird zum Gewinn: Rekuperationstechnologie in der Audi-Produktion.

N 60: Die neue Halle für den Karosserie- bau des neuen Audi A3.

110

30

Wasser sparen: Audi verwendet Betriebswasser in einem Kreislaufsystem.

90

14 Mission possibleAudis Schritte auf dem Weg zum CO₂-neutralen Standort Ingolstadt.

22 Team-PlayMitarbeiter-Engagement ist der Garant für maximale Produktionseffizienz.

26 Passion! Mit Leidenschaft für die Umwelt

Audi-Mitarbeiter und ihr ganz persönlicher Einsatz für die Natur.

30 N 60Eine neue, hocheffiziente Halle für den neuen, hocheffizienten Audi A3.

42 Energie-ErhaltungRessourcenschonung in der Architektur und in der Automobilproduktion.

50 MagazinKreativität im Dienst der Umwelt – Nachhaltigkeits-News aus aller Welt.

54 RückenwindAudi nutzt die Windenergie als Basis für die CO₂-neutrale Mobilität der Zukunft.

74 Plan ADer ganzheitliche Ansatz bei der Planung des Werks in Győr.

82 2nd lifeDie Aufarbeitung gebrauchter Aggregate spart Ressourcen und Material.

90 Klarer FallDie Betriebswassernutzung im Kreislauf schont die kostbare Ressource Wasser.

94 Dicht besiedeltBakterien reinigen Wasser, Akkus leben länger – Umweltschutz im Werk Brüssel.

98 Grenz-ErfahrungWie der Einsatz innovativer Technik dem Menschen hilft, Grenzen zu überwinden.

102 Sauber ans MeerZug um Zug – Fahrzeuge für den Export reisen CO₂-neutral zum Hafen Emden.

104 Unter TageVorbeugend – am Standort Neckarsulm erkunden Geologen den Untergrund.

110 RekuperationVerlust wird zum Gewinn – die Nutzung der Rekuperation in Neckarsulm.

122 Captain FutureDas Jahr 2050 – ein visionärer Blick in die Zukunft der Automobilproduktion.

130 Green ITNachhaltig und effizient – das neue Rechenzentrum im Werk Ingolstadt.

132 GreenovationAudi entwickelt Umwelt-Technologien in enger Kooperation mit Hochschulen.

134 Think GreenTomaten und Gräser im Einsatz – Betrieb-licher Umweltschutz in Ingolstadt.

136 Clean GreenBlitzsaubere Ideen – Fußabtreter für Fahrzeuge und staubsaugende Roboter.

138 Clean ScreenStets im Bilde – ein Monitorsystem löst Bauscheine aus Papier in der Montage ab.

140 Audi Stiftung für UmweltBäume, Bienen, und Bioniere – Projekte der Audi Stiftung für Umwelt im Detail.

146 GlossarKurze Erläuterungen zu Begriffen aus den Themen im Heft.

148 Die Audi-UmweltpolitikPräambel und Grundsätze der Audi- Umweltpolitik.

166 Impressum

Inhalt

Page 4: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

„es ist die Zukunft, die unserem Heute die Regel gibt.“ Dieser Satz von Friedrich Nietzsche lässt sich auch auf unsere Ge-genwart übertragen: Rohstoffe sind endlich, die Energiepreise stei-gen. Und nicht zuletzt muss der Klimawandel gestoppt werden. Für uns als Unternehmen bedeutet das, dass wir heute festlegen müssen, wie wir nachhaltig bestehen wollen.

Wir bei Audi wollen für eine lebenswerte Zukunft un-serer Mitarbeiter und Kunden sowie künftiger Generationen sor-gen. Und wir glauben, dass sich Erfolg nicht alleine in finanziellen Kennzahlen messen lässt – für uns hat Erfolg viele Ausprägungen. Zu den wichtigsten zählt auch die ökologische Verantwortung. Diese leben wir bei Audi tagtäglich – nicht weil wir müssen, sondern aus innerer Überzeugung. Wir warten nicht auf Druck von außen. Die besten Ideen kommen bei Audi von innen. Wir sind stolz auf unseren Pioniergeist, der unser Unternehmen zu dem gemacht hat, was es heute ist – und der uns heute weiter antreibt. ‚Vorsprung durch Technik‘ steht deshalb auch hinter unserem Umwelt enga-gement.

Wir haben der Zukunft ein Versprechen gegeben: Mit dem bewussten Einsatz von Rohstoffen und Energie gehen wir Schritt für Schritt den Weg zur CO₂-neutralen Fabrik. Denn die Mo-bilität der Zukunft muss CO₂-neutral sein. Das heißt, nicht nur die Antriebe unserer Automobile, sondern auch deren Produktion.

Um Autos zu produzieren, wird es immer Energie brau-chen. Aber diese Energie werden wir auf ökologische Weise bezie-hen. Dazu gehen wir in vielen Bereichen unseres Unternehmens neue Wege, erforschen neue Technologien und blicken dabei immer wieder über unseren Tellerrand. An unserem Standort Ingolstadt waren wir bereits 1999 die ersten, die eine Kraft-Wärme-Kälte-Kop plungsanlage eingesetzt haben, Fernwärmenutzung und Wär-me rückgewinnungssysteme sind weitere Beispiele einer ‚sauberen‘ Produktion.

An all unseren Standorten arbeiten die Menschen Tag für Tag daran, unser Ziel der CO₂-neutralen Mobilität zu erreichen – denn ökologische Verantwortung ist nicht Sache eines Einzelnen. Wir alle müssen sie ernst nehmen – wir alle müssen Umweltschutz verstehen und leben. Ob wir in Brüssel Bakterien als Reiniger für Schmutzwasser verwenden, oder in unserer Fertigung Rekupe ra-tion einsetzen; ob wir unsere Autos mit dem ‚grünen Zug‘ zu ihrem Verladehafen bringen oder gebrauchten Aggregaten ein neues Leben einhauchen; oder ob unsere Mitarbeiter in ihrer Freizeit Flüsse renaturieren – wir gehen unseren Weg unbeirrt. Mit Ideen, die manchmal vielleicht ein bisschen ‚anders‘ sind – so wie wir bei Audi auch.

Lassen Sie sich von den vielfältigen Ideen überraschen. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre!

Wir haben der Zukunft ein Versprechen gegeben: Mit dem bewussten Einsatz von Rohstoffen und Energie gehen wir Schritt für Schritt den Weg zur CO₂-neutralen Fabrik. Frank Dreves

Frank Dreves, Mitglied des Vorstands der AUDI AG, Produktion.

Page 5: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Die effizienten Solarmodule vermeiden etwa 250 Tonnen Kohlendioxid emissionen und tragen zum CO₂-neutralen Standort Ingolstadt bei.

→ Seite 14

250

CO₂-neutral Die Erzeugung und Nutzung regenerativer Energie ist eine der Grundvoraussetzungen für einen CO₂-neutralen Standort. Die innovative Fotovoltaik- Anlage auf der Fertigungshalle des neuen A3-Karosseriebaus erzeugt jährlich rund 460.000 Kilowattstunden regenerativen Strom.

Page 6: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Stand-by Auch die effizienteste Produktionsanlage braucht mal eine Pause. Doch dann sollte sie nicht nur auf Stand-by stehen, sondern komplett ausgeschaltet sein. Dafür sorgt im Karosseriebau für den A3 ein intelligentes Abschaltkonzept, das den Energieverbrauch in Stillstandzeiten reduziert.

80Die intelligente Wochenendabschaltung reduziert den Stand-by-Strom-verbrauch der Anlagen im Gebäude N 60 um bis zu 80 Prozent.

→ Seite 30

Page 7: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

1.300Vom virtuellen Modell bis zum Produktionsstart gibt es viel zu tun – 1.300 Mitarbeiter sind bei Audi in der Produktions- und Werksplanung tätig.

→ Seite 74

Durchdacht Der Einsatz innovativer, ressourcenschonender Technologien wie das Warmumformen in der Audi-Produktion ist das Ergebnis durchdachter Planung. Die Produktions- und Werksplanung bei Audi verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Ergonomie, Effizienz und Ressourcenschonung stehen im Mittelpunkt.

Page 8: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

17.200Allein der Einsatz der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung reduziert im Werk Ingolstadt den CO₂-Ausstoß der Produktion jährlich um 17.200 Tonnen.

→ Seite 42

Zukunft bauen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung spielen bei Gebäuden eine ebenso große Rolle wie beim Autobau. Die effiziente Nutzung von Energie zeichnet CO₂-neutrale Gebäude und den CO₂-neutralen Standort aus.

Page 9: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Missionpossible

14 15Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

CO₂-neutraler Standort Nachhaltige Mobilität beginnt bei Audi bereits im Werk: Das Unternehmen wird in absehbarer Zeit Ingolstadt zum CO₂-neutralen Standort erklären.

Page 10: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

16 17Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

TextPatricia Piekenbrock

IllustrationenBüro Achter April

„Die Umweltbilanz eines Automobils muss schon vor dem ersten gefahrenen Kilometer

ausgeglichen sein“, ist Frank Dreves überzeugt. Als für die Produk-tion verantwortliches Mitglied des Vorstands der AUDI AG arbeitet er intensiv an der Verbesserung der CO₂-Bilanz, und das schon in der ‚Geburtsphase‘ eines neuen Fahrzeugs. Mit großem Erfolg: Audi ist auf dem Weg zu einem Kohlen dioxid-neutralen Standort in Ingolstadt. Das heißt, dass die elektrische und die thermische En ergie ausschließlich aus regenerativen Quel len stammen – von Biogasanlagen bis zu Wasserkraftwerken. „Autos und ihre Herstel-lung sollen die Umwelt so wenig wie möglich belasten“, betont Dreves. „Audi verknüpft zukünftig nachhaltige Mo bi li tät mit einem klimaneutralen Standort.“

Seit 25 Jahren arbeitet Peter Kössler bei Audi. „Das Wachstum des Unternehmens in dieser Zeit war enorm“, erklärt der Werkleiter des Standorts Ingolstadt. 1986 brachte Audi rund 350.000 Automobile auf die Straßen, im Rekordjahr 2011 waren es bereits über 1,3 Millionen. Insgesamt mehr als 580.000 davon wurden am Stammsitz Ingolstadt produziert, dazu kamen viele Teillieferungen an andere Standorte im weltweiten Produktions-netzwerk der AUDI AG. Trotz steigender Produktion und obwohl die Modelle der Gegenwart weitaus komplexer und aufgrund ihrer Ausstattung mit neuesten Technologien wesentlich aufwändiger herzustellen sind, hielt sich der Energiebedarf insgesamt auf einem stabilen Niveau.

Denn die Reduktion des Energieverbrauchs und der damit verbundenen Emissionen ist schon lange ein zentrales The-ma in der Weiterentwicklung der Standorte und Produktions an-lagen. So erhielt das schwere Heizöl als Energieträger bereits 1983 bei Audi Hausverbot. Dieses wird überwiegend aus Rückständen der Erdölverarbeitung hergestellt und noch heute in vielen Kraft-werken verwendet. Sein Nachfolger wurde das wesentlich umwelt-verträglichere, leichte Heizöl – ein sehr wichtiger Schritt für die damalige Zeit. Dies enthält weniger Verunreinigungen, einen deut-lich geringeren Schwefelanteil und muss vor der eigentlichen Ver-brennung nicht extra vorgewärmt werden. Durch die Umstellung konnten damals schon 5.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr vermie-den werden.

Schon 1992 schwenkte Audi dann auf den Brennstoff Erdgas um, was die CO₂-Bilanz um 36.000 Tonnen pro Jahr erleich-terte. Seit 1999 liefert in Ingolstadt eine effiziente Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung Wärme, Strom und Kälte zugleich – eine extrem effiziente Anlage und dazu eine technologische Pio nierleistung von Audi. Hier produziert das Werk einen guten Teil des benötigten Stroms, der Wärme und auch der Kälte. Der sehr hohe Gesamt-wirkungsgrad der KWKK-Anlage von fast 80 Prozent vermeidet gegenüber konventioneller Technologie 17.200 Tonnen Treib haus-gas pro Jahr.

Ein weiteres, klar zukunftsweisendes Projekt war 2004 der Fernwärmeanschluss an die städtische Müllverwertungsanlage. Bislang lieferte er jährlich über 60.000 umweltschonende Mega-wattstunden Wärme, dadurch entfielen pro Jahr weitere 12.000 Tonnen CO₂. Im vergangenen Jahr verdoppelte Audi sogar seine Fernwärmenutzung auf 120.000 MWh. Weitere Schritte in Rich tung 200.000 MWh Fernwärmenutzung sind geplant.

Autos und ihre Herstellung sollen die Umwelt so wenig wie möglich belasten. Audi verknüpft zukünftig nachhaltige Mobilität mit einem klimaneutralen Standort. Frank Dreves Audi Vorstand Produktion 5.000

x1983x

xUmstellung auf leichtes Heizölx

xReduzierung: 5.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

36.000x1992x

xUmstellung auf Erdgasx

xReduzierung: 36.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

17.200x1999x

xUmstellung auf KWKK-Anlagex

xReduzierung: 17.200 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

12.000x2004x

xUmstellung auf Fernwärmex

xReduzierung: 12.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

Page 11: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

18 19Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Auch die Ingolstädter Lackiererei wird nach dem Motto „Wärme rückgewinnen, statt neu erzeugen“ betrieben. Es werden hier konsequent Wärmeräder* eingesetzt. Sie haben einen enorm großen Nutzwert: 60 Prozent der in der Abluft enthaltenen Abwär-me kann über sie zurückgewonnen werden. Dies lohnt sich, denn in der Lackiererei am Standort wird alleine in den Lackierkabinen ein Volumen von rund 4,5 Millionen Kubikmeter Luft pro Stunde durch die Anlagen bewegt. Das entspricht dem Rauminhalt der Allianz-Arena. Im Jahr 2011 hat Audi die bereits vorhandenen 34 Wärmeräder durch neue, effizientere Wärmeräder ersetzt. Das ver-meidet allein am Standort Ingolstadt jedes Jahr mehr als 16.000 Tonnen CO₂ oder 80.000 MWh Energie – der jährliche Wär mebedarf von rund 7.400 Einfamilienhäusern.

Neben diesen großen Projekten lenkt Peter Kössler den Blick auf die kleineren, manchmal eher unscheinbaren Maßnahmen. „Wir nehmen das Thema rundum ernst – auch wenn Mehrkosten in Kauf genommen werden müssen.“ Alle Mitarbeiter, ob in der Pro-duktion, der Instandhaltung oder der Planung, seien angehalten, sich in ihrem persönlichen Arbeitsumfeld Gedanken zur Energie-effizienz zu machen. „Und viele Köpfe haben viele Ideen.“

So konnten die Ingenieure im Ingolstädter Presswerk durch die Umstellung von hydraulischen auf mechanische Pressen etwa 66 Prozent Energie einsparen. Zusammen mit einer kürzeren Nachlaufzeit der Antriebsmotoren für die Pressen vermeiden sie damit immerhin 50 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Die Anlagen-techniker im Karosseriebau für den neuen Audi A3 sparen dank innovativer elektromotorischer Schweißzangen das früher notwen-dige, energiefressende Druckluftnetz.

Peter Kösslers Parade der Effizienzbeispiele geht wei-ter: moderne Diodenlaser* und neueste Batterieladegeräte sparen Strom, effiziente Logistikwege vermeiden unnötige Fahrten in allen Gewerken. Und last but not least trägt das Verhalten jedes einzelnen Mitarbeiters sein Scherf lein bei – und wenn es nur das Ausschalten unnötiger Be leuchtung im Pausenraum ist.

Natürlich wurde vieles geprüft und manches auch wie-der verworfen. „Wir überlegen sehr genau, an welchen Stellen es Sinn macht, innovative und energiesparende Technologien einzu-setzen“, betont Kössler. Auch die Rahmenbedingungen für die Nut-zung von Fotovoltaik auf den Dächern von Parkhäusern und Pro-duk tionshallen wurden gründlich geprüft. So kommen auf den Audi-Dächern lediglich Solarmodule zum Einsatz, die auch optimal recycelbar sind. Vielmehr testet Audi in Kooperation mit externen Partnern mehrere neuartige Modularten im Hinblick auf Effizienz, Wartung und Haltbarkeit. Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung der Solarmodule. Eine innovative Foto-voltaik-Anlage mit besonders energieeffizienten Modulen befindet sich bereits auf der Fertigungshalle des neuen A3-Karosseriebaus. Sie erzeugen jährlich rund 460.000 Kilowattstunden regenerativen Strom und vermeiden dadurch circa 250 Tonnen Kohlendioxid-emissionen.

16.000x2011x

xUmstellung auf effizientere Wärmeräderx

xReduzierung: 16.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

50x2011x

xUmstellung von hydraulischen auf mechanische Pressenx

xReduzierung: 50 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

250x2011x

xUmstellung auf innovative Foto vol taik-Anlagenx

xReduzierung: 250 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

Wir überlegen sehr genau, an welchen Stellen es Sinn macht, innovative und energiesparende Technologien einzusetzen. Peter Kössler

* Siehe Glossar, S. 146 –147

Page 12: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

20 21Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Der jüngste Schritt in Richtung einer ausgeglichenen atmosphärischen Kohlendioxid-Bilanz ist der Bezug von Ökostrom am Standort: „Seit Januar 2012 bekommen wir regenerativ erzeug-ten Strom nach Ingolstadt. Damit vermeiden wir jedes Jahr mehr als 290.000 Tonnen CO₂“, freut sich Kössler. Der Strom wird aus deutschen und österreichischen Wasserkraftwerken geliefert – und zwar genau dann, wenn er benötigt wird. Die technischen Voraus-set zungen sind vom TÜV Süd geprüft.

„Unabhängig von der Stromlieferung aus den Alpen wollen wir aber auch unseren eigenen Beitrag leisten“, bekräftigt Kössler „So denken wir beispielsweise auch über Windräder in der Nähe unseres Standortes nach. Das heißt nicht, dass wir den Öko-strom aus Wasserkraft ersetzen wollen. Es geht um zusätzlichen Energie gewinn aus erneuerbaren Quellen.“

„Unsere jetzigen Erfolge beim Umweltschutz ermuti-gen uns, weitere klimarelevante Schritte zu gehen“, betont Kössler. Ein nächster Meilenstein in Sachen CO₂ am Standort könnte die Umstellung der Brennstoffversorgung vollständig auf Biogas sein. „Wir erwarten dadurch eine jährliche Reduktion der Treibhausgase um etwa 123.000 Tonnen“, erklärt Kössler. Audi kann das aus der Vergärung von Biomasse gewonnene Biogas als Brennstoff auch in der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage einsetzen, wo es sein doppeltes Plus in Sachen Umweltverträglichkeit entfaltet: Es ver-brennt klimaneutral, weil das freiwerdende Kohlendioxid zuvor von den Pflanzen gebunden wurde. Und gleichzeitig wird seine Energie mit höchstem Wirkungsgrad optimal genutzt.

„Wir denken auch schon über eine Biomasseanlage und ein so genanntes ORC-Kraftwerk (Organic Rankine Cycle) nach.“ Die Biomasse-Anlage könnte mit Holzhackschnitzeln als biogener Brenn-stoff betrieben werden. Hier legt der Werkleiter großen Wert da-rauf, dass dann lediglich Holzabfälle wie Randschnitt, Landschafts-pflegematerial oder Schwachholz aus dem Wald verbrannt würden.

Mindestens 4.000 Tonnen CO₂ könnte ein ORC-Kraft-werk – integriert in das bestehende KWKK – vermeiden. Dieses Kraft werk wird größtenteils aus der etwa 120 °C warmen Niedrig-tem peratur-Abwärme wertvolle Energie zurückgewinnen. Arbeits-mit tel sind (anstelle von Wasserdampf) organische Flüssig keiten mit einer besonders niedrigen Verdampfungstemperatur, die eine Turbine antreiben. Damit lässt sich auch ein geringes Tem pera-turgefälle sinnvoll nutzen – mit Wärme, die sonst verloren gehen würde.

Diese Überlegungen zeigen: Klimaneutralität ist für In-golstadt bereits greifbar. Und auch die anderen Audi-Standorte sollen folgen; für jeden existiert bereits eine individuelle Roadmap. „Bei der Neuplanung für unser ungarisches Werk in Győr konnten wir die Ergebnisse aus Ingolstadt sogar von Anfang an berücksich-tigen“, unterstreicht Kössler.

Audi trägt mit wegweisenden technischen Innovatio-nen schon jetzt zu großen Fortschritten im effizienten Umgang mit Ressourcen bei und führt das Markenzeichen der Europäischen Union für hervorragenden Umweltschutz. Im Jahr 2010 wurde der Standort Ingolstadt für sein Umweltmanagement und Engage-ment besonders ausgezeichnet: Als erstes Automobilunternehmen erhielt der Standort das Zertifikat der DEKRA für die Integration der neuesten europäischen Norm zum Energiemanagementsystem in die bestehenden Strukturen und Prozesse. Die Norm gibt hohe Anforderungen und Standards in Bezug auf eine stetige und syste-matische Reduktion des Energieverbrauchs vor – Audi wird ihr in vollem Umfang gerecht.

290.000x2012x

xUmstellung auf Ökostromx

xReduzierung: 290.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

123.000xNeue Zielex

xVollständige Brennstoffversorgung mit Biogasx

xEinsparung: 123.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

4.000xNeue Zielex

xInbetriebnahme ORC-Kraft werkx

xReduzierung: 4.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahrx

Seit Januar 2012 bekommen wir regenerativ erzeugten Strom nach Ingolstadt. Damit vermeiden wir jedes Jahr mehr als 290.000 Tonnen CO₂. Peter Kössler

Page 13: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

22 23Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Menschen in der Produktion Audi setzt auf Ressourcenschonung und Umweltschutz. Möglich ist das nur durch den engagierten Einsatz aller Mitarbeiter. Ein Beispiel: der Standort Ingolstadt.

Team-Play

Peter Kössler: Werkleiter Audi Standort Ingolstadt.

Page 14: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

24 25Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Erich Deinböck, LackierereiLackbad auf Sparflamme:

Bei der so genannten kathodischen Tauchlackierung* erhalten Fahrzeugkarosserien ihren Korrosionsschutz. Damit das Lackmaterial seine Qualität behält, wird das Bad einmal pro Stunde komplett umgewälzt. „Die Pumpen müssen dazu kontinuierlich laufen“, erklärt Erich Deinböck, Fertigungsleiter in der Lackiererei, „aber nicht am Wochenende.“ Während der produktionsfreien Zeit genügt eine geringere Umwälzrate des Lackbads. Deinböck: „Wir setzen jetzt Frequenzumformer ein, sie senken die Drehzahl der Pumpen ab. Damit sparen wir pro Jahr rund 24.000 Kilowattstunden Strom.“

Tobias Braunstein, PresswerkMagnetisierende Idee:

Tobias Braunstein, Werkzeugmechaniker im Presswerk, schont die Umwelt mit Hilfe starker Magneten. Während eines Tiefziehprozesses* erhalten Blechzuschnitte – Platine für Platine – ihre künftige Bauteilform. Um ein einzelnes Blech sicher vom Stapel zu lösen und automatisch in die Presse einzulegen, arbeiteten die Anlagen bislang mit Magneten und mit komprimierter Luft. „Die Pressluft brauchen wir jetzt nicht mehr“, erklärt Braunstein stolz. Ab sofort leisten neue, kraftvollere Magneten die Arbeit – ganz ohne Unterstützung. „Wir sparen rund 1,4 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr.“

TextPatricia Piekenbrock

FotosStefan Warter

„Unsere Leute gehen mit offenen Augen durch die Fabrik“, fasst Peter Kössler, Werk-

leiter des Standorts Ingolstadt, die Einstellung seiner Audi-Kolle-gen zusammen. „Unsere großen Fortschritte in Effizienz und Res-sourcenschonung verdanken wir dem persönlichen Einsatz jedes Einzelnen. Aufmerksamkeit ist dafür eine Voraussetzung, ebenso wie Verantwortung und Motivation.“

„Die Mitarbeiter müssen den Umweltschutz um seiner selbst wollen“, sagt Peter Kössler, der einen Bereich von 17.500 Mitarbeitern verantwortet. „Das braucht eine Motivation, die von innen heraus kommt.“ Für den Werkleiter bedeutet das: klare Ziel-orientierung, gemeinschaftliches Arbeiten in den unterschiedli-chen Gewerken, stringente Prozesse und Leistungswillen auf allen Ebenen. Der Erfolg bestätigt ihn: Ingolstadt wird in absehbarer Zeit ein CO₂-neutraler Standort mit Vorbildcharakter sein.

Hat ein Mitarbeiter in seinem eigenen Arbeitsumfeld eine Idee für eine energiesparende oder verbessernde Maßnahme, wird sie auf der ‚grünen Liste‘ vermerkt. Dasselbe gilt für Gedanken, die in den extra benannten Energie-Spar-Teams geboren werden. Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit, seine Effizienz-Vorschläge ebenenübergreifend dem Management zu präsentieren. In diesem Gremium werden sie offen diskutiert und erhalten die Unter stüt-zung für die konkrete Umsetzung in die Produktionspraxis.

Über alle Ebenen hinweg sollen sich Kösslers Leute zu-sammengehörig fühlen und mit Herzblut nicht nur das Ganze er-fassen, sondern auch Liebe fürs Detail entwickeln. Der bereits 2007 vom Werkleiter ins Leben gerufene Kulturprozess ‚Imagine‘ zielt genau darauf ab. Kössler eröffnet seinen Mitarbeitern neue Spiel-räume – mit manchmal ungewöhnlichen Aktionen.

Im vergangenen Jahr veranstaltete Kössler erstmalig eine Führungskräftekonferenz mit der kompletten ersten betrieb-lichen Führungsebene, den Meistern des Standorts Ingolstadt. Ziel war es, den Imagine-Gedanken und die Vision „Wir erzeugen die Begeisterung für Audi“ an diese Führungsebene zu kommunizieren. Schließlich dürfen gerade auch die Meister in der Produktion stolz sein auf das, was bei Audi geleistet wird. Dazu ließ Kössler einen technisch aufwändigen und imposanten Parcours aus Modellauto-Rennbahn und Dominosteinen aufbauen – die Meister aus der Pro-duktion konnten dort spielerisch die Bedeutung eines Hoch leis-tungssystems erleben. Die kleinen Autos mit Rückziehmotor wur-den in einer Kettenreaktion mit etwa 20.000 Dominosteinen und zahlreichen Effekten schließlich um eine Weltkugel geleitet – eine enorme Teamleistung der Beteiligten, die für große Begeis terung sorgte.

Bernhard Kerner und Reinhard Mayershofer, BremsscheibenfertigungGeschickt umgeleitet:

Bei der mechanischen Bearbeitung der Bremsscheiben, dem so genannten Drehprozess*, entstehen Staub und Wärme. „Die warme Luft pusten wir jetzt nicht mehr nach draußen“, betont Reinhard Mayershofer, Technischer Sachbearbeiter in der Bremsscheibenfertigung. „Aus Abluft machen wir Umluft und verwenden die Wärme aus dem Drehprozess zum Heizen der Halle“, ergänzt sein Kollege Bernhard Kerner. Durch den Umbau der Anlage auf Umluftbetrieb werden jedes Jahr etwa 582.000 Kilowattstunden wertvolle Energie eingespart.

— 1.400.000 kWh

— 24.000 kWh

— 582.000 kWh

* Siehe Glossar, S. 146 –147

Page 15: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Plätschernd schlängelt sich die Schefflenz entlang grü-ner Inseln, Wildenten ruhen sich in der Sonne aus. Im klaren Wasser tummeln sich Fischschwärme, am Ufer waten Graureiher durch das Schilf. Eine Idylle, für die Martin Förch hart gekämpft hat.

Vor zwei Jahren rückten die Bagger an, um den Bach bei Allfeld, nördlich von Neckarsulm, für ein Hochwasserschutzprojekt zu begradigen. Da die Umbau-ar beiten aber den natürlichen Lebensraum vieler Bach be- wohner zerstört hätten, setzte sich Audi-Mitarbeiter Förch für den Schutz und die Renaturierung des Baches ein. Kurz vor dem Baustart konnte er die Fische aus dem Ge wäs-ser bergen und sie in andere Bereiche des Baches umsie-deln, die nicht von den Baumaßnahmen betroffen waren.

Förchs Initiative ist es auch zu verdanken, dass der Umbau des Baches nachhaltiger gestaltet wurde als zuerst geplant. So wurden zum Beispiel Inseln in den Fluss integriert, die als Brutplatz für Enten und Vö gel die nen. Störsteine im Bach bieten Fischen Unter schlupf. Und im grobkörnigen Kies können Fische laichen. „Mein Ziel ist es, den Bach in seinen ursprüngli chen Zustand zurückzuführen und nachhaltig mit Leben zu füllen“, fasst Förch sein Anliegen zusammen.

Gemeinsam mit der Fischergemeinschaft Allfeld kümmert sich Förch auch um die Bewirtschaftung des Baches. Das bedeutet für den Hobby-Angler, die Ufer zu reinigen, Unrat zu beseitigen und die Baumbestände zu pflegen. Um die Fischpopulation in der Schefflenz auch nachhaltig zu sichern, plant Förch jetzt ein so genanntes Brutbox-Projekt. Dabei sollen befruchtete Forelleneier ausgesetzt und dann aufgezogen werden.

Renaturierung eines Baches

Martin Förch: Der Hobby-Angler engagiert sich bei der Renaturierung eines Baches.

Passion! Mit Leidenschaft für die Umwelt

Audi-Mitarbeiter engagieren sich auch privat für die Natur – oft mit hohem Einsatz. Als Tier- oder Gewässerpaten, als Aktive in Umweltorganisationen oder Vereinen beweisen sie ihr Engagement. Wir zeigen sieben Beispiele.

Mein Ziel ist es, den Bach in seinen ursprüngli chen Zustand zurückzuführen und nachhaltig mit Leben zu füllen. Martin Förch

TexteLuise Niemsch

FotosStefan Warter

26 Dialoge Umwelt

Page 16: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Passion! Mit Leidenschaft für die Umwelt

Für uns ist es jedes Mal wieder das schönste Erlebnis, den ersten Honig der eigenen Bienen zu probieren. Ein direkteres Feedback für das persönliche Engagement kann es kaum geben. Michael Wansner

In der Nähe des Audi-Werks Ingolstadt, gleich hinter der Technischen Entwicklung, herrscht buntes Treiben. Es surrt und brummt in der Luft. Beginnt die Ausflug-zeit, färbt sich der Himmel dunkel und die Luft bebt. Kein Wunder, dort lebt inzwischen eine halbe Million Honigbienen. Die Herren der Bienen sind Andreas Kopp und Michael Wansner. Für ein Gemeinschaftsprojekt mit der Audi Stiftung für Umwelt haben die beiden Frei-zeit-Imker acht Stöcke im Max-Emanuel-Park in Ingol-stadt angesiedelt und das Gelände in ein kleines Bie-nen paradies verwandelt.

In den vergangenen Jahren ist das Bienen-sterben zu einem immer größeren Problem geworden – gleichzeitig sank die Zahl der Imker, die sich darum kümmern könnten. Das war für Kopp und Wansner der Auslöser ihres Engagements. Die beiden traten vor drei Jahren ihren lokalen Imkervereinen bei und zogen ihre eigenen Bienenvölker auf. Mittlerweile haben die bei-

den, die als Energiemanager in der Technischen Ent-wick lung arbeiten, schon 20 Völker in ihrer Obhut. „Für uns ist es jedes Mal wieder das schönste Erlebnis, den ersten Honig der eigenen Bienen zu probieren. Ein di-rekteres Feedback für das persönliche Engagement kann es kaum geben“, sagt Michael Wansner. Vor allem aber leisten Wansner und Kopp mit ihrem Hobby einen wich-tigen Beitrag für die Umwelt, da Bienen durch ihre Blü-tenbestäubung die Pflanzenvielfalt erhalten.

„Langweilig wird die Arbeit mit den Bienen nie. Jedes Volk hat seinen eigenen Charakter, die Stim-mung ist wetterabhängig. Bei schlechter Witterung sind die Bienen zum Beispiel träge und stechwütig, bei gutem Wetter hingegen sammellustig. Es ist immer spannend und abwechslungsreich“, sagt Andreas Kopp. Den Standort haben die Ingenieure bienenfreundlich bepflanzt, zum Beispiel mit Lupinen, Bienenbäumen und Kräutern, wie Lavendel, Kornblume, Kamille und Minze. Zudem haben sie neben den acht Bienenstöcken eine kleine Materialhütte aufgebaut. Auch um etwas ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ für ihre Lieblingstiere kümmern sich Kopp und Wansner: Als nächstes Projekt planen sie, einen hohlen Baumstumpf als Bienenschaukasten zu präparieren – um Interessierten den Blick in ein Bie-nen volk zu ermöglichen.

Andreas Kopp und Michael Wansner:Die Audi-Imker präsentieren nicht ohne Stolz ihre fleißigen Mitarbeiterinnen.

Imker

29 Dialoge Umwelt

Page 17: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

30 Dialoge Umwelt 35 Dialoge Umwelt

Erleben Sie die hochmoderne Produktionshalle N 60 und die Fertigung des neuen Audi A3 im Video!www.dialoge.audi.de

Der Karosseriebau für den neuen Audi A3 Eine neue, hocheffiziente Fabrik für ein neues, hocheffizientes Automobil – die Karosserie des Audi A3 wird mit innovativen Technologien auf modernsten Anlagen gefertigt. Effizienz und Nachhaltigkeit standen bei der Planung der Produktionshalle N 60 im Mittelpunkt.

N 60: Hinter dem unspektakulären Kürzel verbirgt sich die hochmoderne Karosserie-Produktion für den A3.

Page 18: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

31 Dialoge Umwelt

Taghell: Über 2.000 Quadratmeter Glasfläche in der Nordfassade sorgen für ein angenehmes Arbeitsklima.

Rund 800 Menschen und ebenso viele Ro-boter arbeiten in dem hellen Gebäude am

nordöstlichen Rand des Werksgeländes in Ingolstadt – effizient und ressourcenschonend. Wie überall bei Audi ist auch hier höchste Qualität das oberste Prinzip. Rainer Weiß, Fachprojektleiter Karos-seriebau, und Roland Fürholzer, Leiter Energie-/Gebäudetechnik, schwärmen vom neuen A3 genauso wie von ‚ihrem‘ neuen Karos se-rie bau, der speziell für dieses Automobil errichtet wurde. In Sachen Hightech und Energieeffizienz ist sowohl das Gebäude als auch die Produktionsanlage schließlich ebenso gut wie das neue Auto. Auf beeindruckenden 219 mal 134 Metern bietet die Halle eine Ge-samt fläche von etwa 50.000 Quadratmetern für die An lagen tech-nik. Ihre Höhe von über 30 Metern gliedert sich in zwei Fertigungs-ebenen mit jeweils drei vertikalen Zonen: Acht Meter nach oben erstreckt sich in beiden Geschossen das Hoheits gebiet der Anlagen, gefolgt von knappen vier Metern für die Förder technik. Im obersten Bereich liegen die Versorgungsstege mit den Leitungen für Lüftung, Medien, Gase und Strom.

Im Norden des Gebäudes befindet sich der Logistik-Anbau. Er fungiert zugleich als Umschlagfläche und Schleuse. Auf einer Fläche von rund 4.300 Quadratmetern werden hier die für den Karosseriebau benötigten Teile angeliefert. Reine ‚Gebäude-fahrzeuge‘ übernehmen ihren Weitertransport in die Ferti gungs-halle – lokal emissionsfrei. „Wir haben die Fertigungsanlagen so angeordnet, dass die Einzelteile auf kürzestem Weg bereitgestellt werden können. So sparen wir Fahrten, Energie und Zeit“, erläutert Rainer Weiß.

Zwei mehrgeschossige Randbauten flankieren die Halle. Darin befinden sich unter anderem die Büros, Sozialräume für die Mit arbeiter und diverse Technikbereiche. Die Maxime der effizien-ten Logistik gilt auch hier: Vom Werkstor müssen sie nur wenige Schritte zu den Umkleideräumen gehen und gelangen zügig in die Fertigung. Die Halle wird nachts automatisch durchgelüftet, tags-über bleiben die Fenster aus energetischen Gründen geschlossen. Viel Tageslicht durchflutet die Halle, dank mehr als 2.000 Qua drat-meter Glasflächen in der Nordfassade. Dennoch sind etwa 3.000 Leuchten nötig. Ohne Strom funktionieren die natürlich nicht. Für-holzer setzt ihrem Verbrauch jedoch klare Grenzen. Effiziente Leucht stofflampen mit hoher Leuchtdichte sind ebenso selbstver-ständlich wie Helligkeitssensoren und eine automatische Licht-steue rung. Und damit niemand das Ausschalten vergisst, helfen Be we gungsmelder. Die Sicherheitsbeleuchtung und die Zufahrt zur Werkshalle sind mit LED-Leuchten bestückt.

Die Sonne leistet noch mehr: Auf dem Dach der neuen Fertigungshalle präsentieren Weiß und Fürholzer eine moderne Fotovoltaik-Anlage. Auf einer Fläche von 7.500 Quadratmetern wandeln Module das Sonnenlicht effizient in elektrische Energie um. „Wir gewinnen allein durch diese Maßnahme im Jahr rund 460.000 Kilowattstunden Strom, den wir praktisch verlustfrei in der Halle einsetzen“, erklärt Fürholzer. Das entspricht einer jähr-lichen Versorgung von rund 140 Einfamilienhäusern und spart 250 Tonnen Kohlendioxidemissionen. Die konsequente Suche nach Einsparpotentialen ist im Karosseriebau besonders lohnend, denn nach der Lackiererei ist er mit rund 14 Prozent der zweitgrößte Energieverbraucher in der Prozesskette. Dabei werden 38 Prozent für die Komponenten und Anlagen benötigt, 28 Prozent für Wärme, 27 Prozent für die Belüftung und schließlich sieben Prozent für die Beleuchtung. Um den Kilowattstunden und dem Kohlendioxid aus-stoß nachhaltig an den Kragen zu gehen, verfolgt der Konzern einen ganzheitlichen Ansatz. Jeder Mitarbeiter soll aus seinem individu-ellen Arbeitsumfeld Ideen liefern. So bietet das interne Bildungs-institut Audi Akademie das Qualifizierungsprogramm „Energie-produktivität in der Fertigung“ an, eine Schulung am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen Universität München. Gestärkt durch Fakten zu Verbrauchsanalyse oder Optimierungsmethodik werden die Mitarbeiter weitergebil-det, wie sie ihren persönlichen Beitrag zur Verminderung der Um-weltbelastung leisten können.

Rainer Weiß, Fachprojektleiter Karos seriebau, und Roland Fürholzer, Leiter Energie-/Gebäude-technik, kümmern sich um die Energie effizienz in der Produktion.

N 60

TextPatricia Piekenbrock

FotosStefan Warter

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37 Dialoge Umwelt

In der Fertigungshalle des neuen Audi A3 können die Mitarbeiter ihr Know-how hinsichtlich Energiereduktion bereits unmittelbar einbringen. Jede einzelne Fertigungszelle ist mit einer offenen und übersichtlichen Energieverbrauchsanzeige ausgestat-tet. Die Zähler zeigen den aktuellen Energie- und Druckluft ver-brauch einer Anlage. So kann jeder Mitarbeiter Veränderungen er-kennen und gegebenenfalls einem Energieverlust entgegenwirken.

„Bei der Auswahl der Anlagenkomponenten haben wir den zu erwartenden Energieverbrauch über die Laufzeit mit in Betracht gezogen. Außerdem haben wir eine umfangreiche Studie durchgeführt, um den Einfluss von Traglast, Größe, Gewicht und Geschwindigkeit auf den Stromverbrauch eines Roboters näher kennen zu lernen“, erklärt Rainer Weiß. Die Reduzierung der vom Roboter zu bewegenden Masse ist hier ein wichtiger Ansatz. So sind die Technologien des modernen Leichtbaus nicht nur für die effizi-enten Audi-Modelle reserviert, sondern finden sich auch in der neuen Halle wieder. Rainer Weiß zeigt auf den neuen Dach-Framer*, der zum Teil aus Carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK)* gefer-tigt ist: „Im Vergleich zur Stahlvariante sind wir hier um 70 Prozent leichter.“ Die Fixierung des Fahrzeugdachs erfolgt damit erheblich schneller und bei geringerem Strom ver brauch.

Ferti gungsanlagen eines Karosseriebaus dieser Größen- ordnung verbrauchen im Stand-by am Wochenende circa 1.300 MWh pro Jahr an elektrischer Energie. Aber auch die effizienteste Anlage braucht mal eine Pause. Und dann sollte sie nicht nur auf Stand-by stehen, sondern komplett ausgeschaltet sein. Durch ein intelligentes Abschaltkonzept bleiben nur noch die SPS-Steue-rungen und einige Bedienrechner unter Spannung – so kann am Wochenende der oben angegebene Stand-by-Wert bis zu 80 Pro-zent reduziert werden.

Das intelligente Abschaltkonzept haben die Techniker auf alle PCs, Bedienpulte, Monitore sowie das zentrale Anlagen-überwachungssystem ausgeweitet. Die Abschaltung dieser An-lagen am Wochenende spart weiteren Strom. Ein Spezialfall sind die Schaltschränke – diese unauffälligen Machtzentren können aus Sicherheitsgründen nicht komplett abgeschaltet werden. „Einzelne Steuerungskomponenten verlagern wir aus den Schaltschränken direkt in die Anlagen und führen mehrere Funktionen in modularen Einheiten zusammen.“

Schweißzangen sind das Kernwerkzeug für die Produk-tion einer soliden und präzisen Fahrzeugkarosserie. Bislang werden sie pneumatisch betrieben, was ein teures und energieintensives Druckluftnetz erfordert. Die neue Halle hat Rainer Weiß mit der mo dernsten Generation elektromotorischer Schweißzangen aus-gestattet: Sie sind schneller und weniger wartungsintensiv als ihre pneumatischen Vorgänger und verbessern außerdem die Arbeits-bedingungen, weil sie um die Hälfte leiser sind. Die innovativen Schweißanlagen sind eines von zahlreichen Beispielen, bei denen die Kollegen Weiß und Fürholzer ihr unterschiedliches Know-how zusammenführen. Gebäude- und Anlagentechnik ergänzen sich in effizienter Form. „Zur Kühlung der Schweißzangen leiten wir einen Teil des Betriebswassers* aus der städtischen Brauchwasserleitung direkt in unsere Halle“, sagt Roland Fürholzer. In einem Wärme-tauscher wird das Wasser von 12 auf 17 °C erwärmt und gelangt wie der zurück zur Hauptleitung und damit weiter zu anderen Ver-brauchern im Werk. „Diese Idee spart ein Viertel der benötigten Kühlleistung für die Anlagen und damit jedes Jahr 760 Tonnen Kohlendioxid. Mit einem Audi A4 2.0 TDI könnte ein Kunde damit über 5,6 Millionen Kilometer fahren!“

Laser lassen sich aus der modernen Karosserie produk-tion nicht mehr wegdenken, seit der Jahrtausendwende sind sie ein gängiges Werkzeug in der Materialbearbeitung. Exaktes Schwei-ßen, Löten, Schneiden oder Aushärten stellen für das energiereiche Licht kein Problem dar – der Preis ist ein relativ hoher Strom ver-brauch. Aus diesem Grund haben die Fachleute bei Audi statt der gängigen Festkörperlaser jetzt kompakte, leistungsstarke Schei-ben- beziehungsweise Diodenlaser* installiert, deren Wirkungs-grad beträchtlich höher ist.

Stand-by-Betrieb: Der Stillstand der Fertigungsanlagen im Karosseriebau am Wochenende verbraucht pro Jahr circa 1.300 MWh Energie. Mit intelligenter Abschalttechnik lässt sich der Verbrauch auf bis zu 80 Prozent reduzieren.

80 %

Präzisionsarbeit: Während produktions- bedingter Wartezeiten verharren Roboter und Anlagen ab sofort im sparsamen Stand-by-Modus.

36 Dialoge Umwelt

Schweißarbeit: Moderne Roboter fügen die Karosserieteile mit geringstem Energieeinsatz zusammen.

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Eine besonders leistungsfähige Verbindung von Lasern und Schweißen im neuen A3-Karos seriebau ist die Technologie des Laser-Remote-Schweißens. Zur Bearbeitung einer Fahrzeugtür wird der Laserstrahl mit Hilfe eines Roboter-Scanners mit schwenkbarer Spiegeloptik geführt. Er springt innerhalb kürzester Zeit von einer Steppnaht zur nächsten. Für 50 Nähte mit einer Länge von jeweils 25 Millimetern braucht er gerade mal 26 Sekunden. Das aufwändi-ge Drehen und Posi tionieren des jeweiligen Bauteils ist Ver gangen-heit. Auch schwer zugängliche Karosserieteile und unterschiedliche Materialien bearbeitet der Scheibenlaser mühelos. Die Schweiß-nähte selbst fallen zudem dünner und präziser aus – passend zum steten Qua litätsanspruch der Marke.

Zu angenehmen Arbeitsbedingungen für die Beleg-schaft gehört eine konstante Luftzufuhr. Allein in der Fertigungs-halle müssen deswegen 1,6 Millionen Kubikmeter Luft jede Stunde komplett ausgetauscht werden – ohne Zug- oder Kaltluftgefühl. „Auch hier sind wir effizient unterwegs“, unterstreicht Roland Für-holzer. „Die moderne Lüftungszentrale steuert alle Luftbe we gun-gen im Hinblick auf Ressourcenschonung. Wir holen uns sogar einen Teil der Energie zurück“, sagt Fürholzer. Rotations wärme tau scher, kurz Wärmeräder*, unterstützen hier energieeffizient die Be lüf-tung der Fabrikhalle. Warme Ab luft wird durch das Wärmerad ge-blasen. Bienenwabenähnliche Kanäle des vier Meter großen Rades speichern die abgegebene Ener gie auf halbem Raum. Durch die andere Hälfte strömt kalte Außen luft. Aufgrund seiner Rotation von zwei Umdrehungen pro Minute wird die Wärme von einem Luft-strom auf den anderen übertragen und erwärmt somit die kalte Außenluft. Die Wärmetauscher in den 16 Belüftungsanlagen ver-meiden damit 207 Tonnen Kohlen dioxid. Nach einem ähnlichen Prinzip wird die Abwärme des Gelierofens genutzt, um die Zuluft bei der Lüf tungsanlage der Lo gistikschleuse zu erwärmen und Warm was ser zu erzeugen. Es ist zudem geplant, die Energie ein spar- maß nahmen seitens der Energie-/Gebäudetechnik an einem Bild-schirm im Besucherraum ‚online‘ anzuzeigen, um dem Besucher dies auch transparent zu machen.

Energierückgewinnung geschieht sogar beim Transport der Karosserien. Die rekuperierte Energie aus den Bremsvorgängen der Regalförderfahrzeuge wird ressourcenschonend wieder für den Fahr- und Hubbetrieb eingesetzt beziehungsweise als Überschuss ins Stromnetz eingespeist. Knapp 46 Tonnen CO₂ werden vermie-den und insgesamt 86.000 Kilowattstunden Strom eingespart – die jährliche Strommenge für 25 Einfamilienhäuser.

Ob klein, ob groß – Rainer Weiß und Roland Fürholzer haben sich gemeinsam mit den Spezialisten der unterschiedlichen Fachbereiche über unzählige Maßnahmen Gedanken gemacht, wie die Umweltbelastung bei verbesserter Qualität erfolgreich vermin-dert werden kann. Der Rundgang durch die moderne Karosserie-produktion des neuen Audi A3 hinterlässt Eindruck. Sogar auf die Frage nach einer scheinbaren Selbstverständlichkeit des Produk-tions alltags, nämlich der Sauberkeit, haben sie eine Antwort: Ein neues System mit Kokosbürsten macht das Putzen ganz ohne Reinigungsmittel und Zusätze möglich. „Rund vier Kilometer Fahr-straßen und Wege müssen schließlich Tag für Tag in der Halle ge-reinigt werden. Wieviel CO₂ wir hier vermeiden, haben wir aller-dings noch nicht ausgerechnet!“

Rund 50.000 Quadratmeter Fläche hält die Fertigungshalle N 60 für Mitarbeiter, Roboter und unzählige Anlagen bereit. Als Zwischenlager und Schleuse fungiert der Logistikanbau mit etwa 4.300 Quadratmetern.

Umweltfreundliches Reinigungssystem: Kokosbürsten sparen Putzmittel und Chemie ein.

Komplexes Innenleben: In der neuen Produktionshalle N 60 beweisen die Experten die Vereinbarkeit von modernster Technologie, Effizienz und Nachhaltigkeit.

Luftig: Eine konstante Luftzufuhr sorgt für ein angenehmes Arbeitsklima. Wärmeräder und eine intelligente Lüftungssteuerung sorgen für die Energieeffizienz und reduzieren die CO₂-Emissionen jährlich um 207 Tonnen.

219 x 134 m

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Gebaute Nachhaltigkeit Thomas Rau ist Architekt in Amsterdam und wirbt für neue Formen eines nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen. Mit Audi-Produktionsvorstand Frank Dreves diskutiert er über intelligentes Bauen, über Autos als rollende Rohstoff- Bank und den Weg zum Nutzen statt Besitzen.

Energie-Erhaltung

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Herr Rau, Herr Dreves, Politik und Ge ­sellschaft sind auch in ökologischer

Hin sicht oft aktionistisch und folgen dem jeweiligen Zeitgeist. Sie dagegen müssen Entscheidungen treffen, die sehr lang ­fristige Konsequenzen haben. Spielt die Tagesaktualität beim Ringen um mehr Nachhaltigkeit überhaupt eine Rolle?

Frank Dreves: Natürlich definiert die Politik auch unse-re Rahmenbedingungen, und natürlich spiegeln sich aktuelle ge-sellschaftliche Veränderungen auch in den Ansprüchen unserer Kunden wider. Als Unternehmen dürfen wir solche Entwicklungen aber nicht abwarten, sondern wir müssen voraus gehen – schon weil die vergleichsweise langen Produkt- und Investitionszyklen in unserer Industrie dies erfordern. Wir haben bei Audi eine langfri-stige Strategie, nicht nur die Nachhaltigkeit unserer Produkte, son-dern ebenso die unserer Produktion konsequent zu verbessern. Nur ein paar Beispiele: Wir setzen seit 1999 die hocheffiziente Kraft-Wärme- Kälte-Kopplung (KWKK) ein. Seit 2004 wird das Werk In-golstadt mit der Abwärme einer Müllverwertungsanlage aus In-golstadt beliefert. Unsere Wärmerückgewinnungsanlagen in der Produktion sparen Energie und senken die Kohlendioxidemissionen. Allein mit der KWKK haben wir an unserem Standort Ingolstadt den CO₂-Ausstoß heute schon um 17.200 Tonnen CO₂ pro Jahr re-duziert, längerfristig wollen wir diesen Wert vervielfachen. Ähn-liches gilt für unseren Wasserverbrauch: Der Standort ist konse-quent auf die Nutzung von Brauchwasser ausgerichtet, das in einem ökologi schen Kreislauf recycelt und mehrfach verwendet wird. Solche Dinge entstehen bei uns nicht, weil wir von außen auf-gefordert werden, sondern weil wir uns verantwortlich fühlen. Dies ist unabhängig von der jeweiligen Politik.

Thomas Rau: Politik hat oft wenig mit den tatsäch-lichen Notwendigkeiten zu tun, sondern viel mehr damit, welche gesellschaftliche Lobby gerade die stärkste ist. Ich aber lasse mich in meinem Handeln von dem leiten, wovon ich glaube, dass es meine Aufgabe ist. Das heißt für mich, System-Innovation voranzu-treiben. Nehmen sie beispielsweise das Wort Passivhaus. Schon der Begriff gefällt mir nicht: Wer will schon passiv sein? Ich möch-te die Energiefrage nicht von der Sparseite her anpacken, sondern ein Aktiv-Haus schaffen, das sogar Energie erzeugt. Wir haben in den Niederlanden eine Schule gebaut, die mehr Energie erzeugt

als nötig – der Überschuss geht an die Sporthalle und ein Wohn-gebiet nebenan. Sogar die Körperwärme der Schüler wird für dieses ganzheitliche Konzept genutzt. Die Frage lautet für mich: Welches sind die Werte, die wir in einer neuen Art und Weise bedienen müs-sen? Die Wirtschaft ist da oft wesentlich weiter als die Politik.

Dreves: Mein Ziel ist es, unsere Unternehmensstandorte vollkommen CO₂-neutral zu gestalten. In Ingolstadt haben wir be-reits eine ganze Reihe von Schritten auf diesem Weg getan und auch bei unseren anderen Standorten werden wir ihn konsequent verfolgen. Das gelingt uns aber nur in einer Symbiose aus Ökonomie und Ökologie. Denn das Geld, das wir in die Erreichung unseres Ziels investieren, muss schließlich auch erwirtschaftet werden. Wasser-sparen kostet zunächst Geld, aber wenn man die richtige Technik einsetzt, macht sich die Investition in relativ kurzer Zeit bezahlt. Kurzfristige Vorteile sind also durchaus mit den langfristigen Zielen vereinbar.

Rau: Der Mensch hat kurzfristige und langfristige Be-dürfnisse. Wir müssen diese in einer Art erfüllen, die nicht auf Kosten anderer geht. Dafür brauchen wir neue Ansätze.

Und wie könnten die aussehen?Rau: Der Bedürfniszyklus eines Kunden ist oft ein ganz

anderer als der Lebenszyklus eines Produktes. Seine Bedürfnisse verändern sich heute manchmal schneller, als es der Lebensdauer eines von ihm erworbenen Gerätes entspricht. Fast jeder hat in seinem Keller oder auf dem Speicher alte Computer oder Stereo-anlagen herumstehen, die das belegen. Deshalb sollte der Kunde eine bestimmte Funktion oder Dienstleistung kaufen und nicht das Gerät als solches. Er kauft dann beispielsweise ‚zehn Jahre Musik‘ oder ‚30 Jahre Bodenbelag‘. Das schafft ganz neue Anreize für Ver-än derungen, das ist es auch, was ich mit System-Innovation meine.

Dreves: Ein Gebäude ist eine Art Generationenvertrag. Wenn Sie ein Parkhaus mit über 8.000 Stellplätzen bauen, dann reißen Sie das nicht morgen wieder ab, das steht bis in die nächste Generation. Bevor wir über die Zukunft reden, müssen wir uns das Heute anschauen. Schon beim Bau eines Einfamilienhauses müssen Sie sich mit vielen Fragen auseinandersetzen – gerade was das Thema Nachhaltigkeit betrifft. Welche Baustoffe wollen Sie ver-wenden? Welche Wärmedämmung? Wie ist was recycelbar? Sie können sich vorstellen, dass diese Fragestellungen beim Bau eines Bürogebäudes oder einer Produktionshalle noch viel komplexer sind. In dieser Situation muss ich viele Entscheidungen treffen und Lösungen sorgfältig gegeneinander abwägen. Denn wenn Sie als großes Ziel die CO₂-Neutralität anstreben, müssen Sie bereits die allerersten Schritte richtig machen.

TextDirk Maxeiner

FotosStefan Warter

Wir haben bei Audi eine langfristige Strategie, nicht nur die Nachhaltigkeit unserer Produkte, sondern ebenso die unserer Produktion konsequent zu verbessern – nicht, weil wir von außen aufgefordert werden, sondern weil wir uns verantwortlich fühlen. Frank Dreves

WWF NiederlandeCO₂-neutral: 2006 verwandelte Rau die niederländische Zentrale des World Wide Fund For Nature (WWF) in ein CO₂-neutrales Haus. Selbst Nistplätze für Vögel und Schlafplätze für Fledermäuse gibt es dort.

KWKK-AnlageFür optimale Energieeffizienz: Audi nutzt in Ingolstadt eine Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage. Sie erreicht den exzellenten Wirkungsgrad von 78 Prozent. Zusammen mit der Fernwärmenutzung ist das ein wichtiger Beitrag zum CO₂-neutralen Standort.

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Rau: Ein privater Bauherr weiß oft gar nicht, welche Frage er stellen muss, und wenn er fragt, dann kriegt er eine falsche Antwort. In unserem Büro sagen wir deshalb: Gebauter Raum ist Service. Ich unterhalte mich mit meinem Kunden über die Service-Qualität, die er wünscht. Wie ich diese dann technisch und baulich umsetze, das ist dem Fachmann überlassen. Wenn Sie mir einen Auftrag geben, dann definieren Sie ganz einfach die Leistung, die Sie wünschen: Ich will ein Haus von einer gewissen Größe, ich will eine positive Energiebilanz, ich will ein optimales Innenklima, ich will nur Baumaterialien, die nachweislich nicht gesundheitsschäd-lich sind, und so fort. Sie müssen als Bauherr nicht in Lösungen denken, in Materialien oder Produkten. Sie müssen stattdessen artikulieren, welche ‚Performance‘ Sie wünschen. Genau wie ein Automobilkunde, der sagt: Ich will ein schickes Auto für vier Per-sonen, das 400 Kilometer Reichweite hat und mit einem Energie-verbrauch auskommt, der drei Litern Benzin entspricht. Ob das mit einem Verbrennungsmotor, einem Hybrid oder einem Elektromotor am besten funktioniert, ist den Ingenieuren überlassen. Die For-derungen an den Architekten sollten eigentlich in dieser Art ge-stellt werden.

Dreves: Und wie viele solche Architekten gibt es? Rau: Nicht sehr viele. Aber auch Architekten müssen

realisieren, dass sie sich nicht auf Kosten der Bauherren irgendwel-che Denkmäler hinstellen können. Architektur ist eine Raum-Dienstleistung, eine Dienstleistung am Menschen. Ich muss für den Menschen Orte schaffen, in denen er sich verwirklichen kann. Und dann werden die Gebäude auch viel billiger. Unsere heutigen Gebäude sind viel zu teuer, weil wir Dinge bauen, die wir gar nicht mehr brauchen. Die Römer beispielsweise haben alle öffentlichen Gebäude gekühlt – und zwar ohne elektrische Klimaanlage. Heute kann man beispielsweise Büros kühlen, indem man die Wasser-leitungen zur Toilettenspülung intelligent verlegt – eigentlich eine ganz einfache Lösung

Dreves: Ich sehe es genau so: Um gute Dinge zu errei-chen, braucht es nicht immer nur die ganz großen Ideen – oftmals sind es kleine Schritte, die viel bewirken. So verwenden wir in un-seren neuen Werkshallen zum Beispiel keine Epoxidharz-Böden mehr, sondern haben einfach den Estrich eingefärbt. Das klingt zunächst banal, aber es vermeidet späteren Problemmüll.

Kommt das auch den Menschen zugute, die hier arbeiten?

Dreves: Ich versuche, bei allem was ich tue, den Men-schen in den Mittelpunkt zu stellen. Er ist hier bei Audi unser höchs-tes Gut – und unsere wichtigste Ressource. Und wenn wir es schaf-fen, einen Arbeitsschritt durch einen neuen Prozess oder ein neues Werkzeug zu erleichtern, ist dies zugleich auch immer gut für die Qualität des Produktes – und an der werden wir gemessen. In der Lackiererei steckten die Mitarbeiter früher in Schutzanzügen, um sich vor den Lackpartikeln zu schützen. Heute können wir den Luft-strom – und damit das Auftragen der Farbe – so exakt steuern, dass dies nicht mehr notwendig ist. Die Produktion ist effizienter, sau-berer und das Arbeitsumfeld des einzelnen Kollegen angenehmer. Dabei sind die Verbesserungen, die durch die Ideen der Mitarbeiter

entstehen, in der Regel auch die nachhaltigsten. Für mich ist es deshalb wichtig, dass meine Mitarbeiter ‚Sehen lernen‘. Dass sie selbst entdecken, was sie verbessern können. Wenn sie dann näm-lich merken, dass ihre Ideen auch übernommen werden, ist das hoch motivierend.

Rau: Wir sind geistige Wesen. Und eine bestimmte Kom-munikation findet nur statt, wenn man sich trifft. Dabei entsteht Inspiration. Das geht nicht über Facebook. Bevor wir mit einem Bau anfangen, lade ich deshalb alle Arbeiter zu einem Vortrag ein. Ich erzähle ihnen, wie es zur Gestalt dieses Gebäudes gekommen ist und woran sie eigentlich mitarbeiten. Das schafft eine ganz andere und motivierende Verbindung zu ihrer Tätigkeit. Menschen haben das Bedürfnis sich mit dem zu identifizieren, was sie machen. Und diese Verbindung muss man herstellen.

Bleiben wir beim Menschen. Der will stolz auf etwas sein, auch stolz auf seinen Besitz. Herr Rau, Sie wollen aber weg vom Besitz und hin zur Nutzung von Produkten.

Rau: Die Eigentumsfrage ist nach meiner Ansicht ent-scheidend. Ich glaube, dass wir uns viel zu stark über die Dinge definieren möchten, die wir besitzen – das Auto, das Haus oder die neueste Handy-Generation. Vor zwei Jahren habe ich für mein Büro beschlossen, möglichst viel Besitz abzuschaffen. Ich habe einen Leuchtmittelhersteller eingeladen und ihm gesagt: „Ich möchte gerne Licht haben. Ich kaufe bei euch 365 Tage im Jahr Licht in einer bestimmten Qualität.“ Und siehe da, das funktioniert.

Audi soll also keine Autos mehr verkaufen?Rau: Nach meinem Konzept bleiben das Auto und damit

alle Rohstoffe für den gesamten Lebenszyklus im Besitz des Her-stellers, als fahrende Rohstoffbank. Die Rohstoffe sind quasi vorü-bergehend in Form eines Autos konfiguriert. Und irgendwann kön-nen diese Rohstoffe dann wieder zu etwas anderem zusammenge-setzt werden. Das ist etwas anderes als partielles Recycling.

Nachhaltig heißt für mich, dass wir Ressourcen so behandeln, dass sie nicht verloren gehen. Jeder, der auf diese Erde kommt, soll Nutzen daraus ziehen können, auch in Zukunft. Thomas Rau

Christiaan Huygens CollegeCO₂-positiv: Das Christiaan Huygens College in Eindhoven ist die erste CO₂-neutrale und Energie-produzierende Schule in den Niederlanden. Hier werden die Schulräume beispielsweise durch Nutzung der Körperwärme temperiert. Das Plus an Energie, das nicht verbraucht wird, geht an ein nahes Wohngebiet.

Karosseriebau Audi A3Für den neuen Audi A3: Audi hat eine komplett neue Fertigungshalle mit modernster Energieeffizienz errichtet – als Beitrag zu einem CO₂-neutralen Standort.

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In der Konsequenz hieße das, dass Audi keine Autos mehr verkauft, sondern Mobilität. Das Auto wird dem Kunden le-diglich für einen bestimmten Zeitraum und eine bestimmte Leis-tung zur Verfügung gestellt. Und da das Unternehmen die Kon-sequenzen aus einer guten oder schlechten Konstruktion selbst tragen muss, werden die Autos wahrscheinlich anders aussehen. So bekommen wir Innovation. Wir müssen den Schritt vom Ver-brauchen zum Gebrauchen machen.

Dreves: Trotzdem dürfen wir nicht die Freude der Men-schen am Besitzen vergessen. Das Auto hat eine starke emotionale Dimension für die Menschen. Dadurch unterscheidet es sich doch sehr von einem Fernseher oder einer Waschmaschine. Wir werden unsere Autos ganz sicher auch weiterhin verkaufen. Das hindert uns aber nicht daran, daneben auch in ganz andere Rich tungen zu denken. Es wird sicherlich Veränderungen im Nutzer verhalten geben – wie schnell und in welchem Umfang ein solches Umdenken stattfindet, wird die Zeit zeigen.

Gibt es denn schon Erfahrungen mit solchen Konzepten?

Dreves: Wir testen momentan in verschiedenen Pro-jekten, was unsere Kunden wirklich von solchen Konzepten erwar-ten und was sie vor allem auch brauchen. Das alles tun wir natürlich auch unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit. Ein Beispiel ist der Audi urban concept, ein kompaktes Elektroauto für den städtischen Verkehr. Hier diskutieren wir über eine Kleinserie mit einem inno-vativen Leasing-Modell.

Nachhaltigkeit ist ja ein Modebegriff geworden, in den alles Mögliche hineininterpretiert werden kann. Was be ­deutet Nachhaltigkeit für Sie ganz persönlich?

Rau: Nachhaltigkeit hat für mich etwas mit Haltung zu tun, nicht mit Lösungen. Alle Ressourcen dieser Welt sind Gemein-gut, die hat die Menschheit zur Verfügung bekommen. Und die Frage lautet: Wie gehen wir damit um? Nachhaltig heißt für mich, dass wir diese Dinge so behandeln, dass sie nicht verloren gehen. Jeder, der auf diese Erde kommt, soll Nutzen daraus ziehen können, auch in Zukunft. Bisher ökonomisieren wir die Ökologie, stattdes-sen müssen wir die Ökonomie ökologisieren.

Dreves: Und Haltung hat für mich etwas mit Erhaltung zu tun. Ich bin so erzogen worden, dass man Dinge nicht verschwen-det, sondern sich für sie verantwortlich fühlt. Wenn wir langfristig und aktiv Verantwortung tragen, heißt das, im Sinne einer lebens-werten Zukunft für künftige Generationen von Mitarbeitern und Kunden zu handeln. Bei Audi leben wir die Verantwortung im Um-gang mit unseren Mitarbeitern, in unseren Produkten und vor allem auch in deren Produktion. Und unsere Verantwortung hört nicht auf, sobald unsere Autos vom Hof rollen. Wir schauen uns die ganze Prozesskette an – bis zum Recycling unserer Automobile. Wenn man konsequent jeden Schritt überprüft und immer wieder verbessert, dann muss man über Nachhaltigkeit nicht mehr groß diskutieren. Wir denken und handeln bei Audi schon seit sehr langer Zeit in dieser Art, ohne viel darüber zu reden. Auch das ist ‚Sehen lernen‘.

„Ich kann nicht anders als nachhaltig bauen. Unser Kör-per ist fantastisch organisiert. Er kann seinen Haushalt mit ganz einfachen Mitteln regulieren. Warum soll das nicht auch bei einem Gebäude funktionieren?“ Nach dieser Devise arbeitet Thomas Rau. Er ist seit 1992 Be-sitzer des Architektur-Büros RAU in Amsterdam. Er möchte seine Gebäude so konstruieren, dass diese ihre Energie aus der Umgebung schöpfen und damit CO₂-neutral werden. Auch den Menschen betrachtet Rau als Faktor, der nicht nur Energie verbraucht, sondern auch erzeugen kann.

Rau lebt und arbeitet in dem Bewusstsein, dass jede Handlung eine Auswirkung hat: ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Deshalb berücksichtigt der Architekt bei jedem Projekt die Geschichte des Ortes, die Bedürfnisse der Bewohner, das lokale Umfeld.

Egal, ob bei öffentlichen oder privaten Ge-bäuden, Rau ist auf seiner Suche nach intelligenten Alternativen zur Energieeinsparung noch lange nicht am Ende seines Weges angekommen. Schließlich steht für ihn fest: „Warum CO₂-neutral bauen, wenn man auch CO₂-positiv bauen könnte?“

Wenn man konsequent jeden Schritt überprüft und immer wieder verbessert, dann muss man über Nachhaltigkeit nicht mehr groß diskutieren. Wir denken und handeln bei Audi schon seit sehr langer Zeit in dieser Art. Frank Dreves

WärmeradEffektive Wärmerückgewinnung: Allein in der Lackiererei in Ingolstadt sorgen Wärmeräder für eine Emissions vermeidung von mehr als 23.000 Tonnen CO₂ pro Jahr.

Natuurcafé La PorteInnovative Drehtür: Wenn sie durch die Drehtür eintreten, erzeugen die Gäste eines Cafés in den Niederlanden durch eine Art Dynamo-Technik einen Teil jener Energie, die für die Zubereitung ihres Kaffees nötig ist.

Thomas Rau oneplanetarchitecture

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Edam

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PiezoPiezo

In der energiegeladenen Atmosphäre eines Dancefloors wird es spürbar: Der Mensch ist ein Kraft-werk und jede Körperbewegung produziert Energie – ein Atemzug ungefähr 1 Watt und jeder Schritt etwa 70 Watt. Der Chemiker Michael McAlpine von der ameri-kanischen Princeton University hatte die Idee, diese Bewegungsenergie sinnvoll zu nutzen. Er platziert dazu nanometerdünne Streifen piezoelektrischer Kristalle, so genanntes PZT (Blei-Zirkonat-Titanat), in einer gum-miartigen Silikon-Membran. Integriert in Kleidung oder Schuhwerk, wandelt dieses ‚Piezo-Gummi‘ die Bewe-gungs energie des Körpers durch die mechanische Ver-formung der Membran in Strom um. Mit dem lassen sich beispielsweise elektronische Kleingeräte wie etwa ein Smartphone oder ein Herzschrittmacher mit Strom versorgen. Auch das Verlegen dieses Piezo-Gummis in stark frequentierten Fußböden ist denkbar, wie etwa die Tanzflächen in Diskotheken, auf denen Tausende von Menschen Energie freisetzen, die es nur zu nutzen gilt.

Stromtänzer: Piezo-Gummi im Tanzboden wandelt Körperenergie in elektrischen Strom um.

Body power

Magazin Nur wer über den Tellerrand schaut, kann den eigenen Vorsprung bewerten und ausbauen. Nachhaltigkeits-News aus aller Welt.

Ebbe und Flut – das Meer ist ständig in Be-wegung. Die durch die Gravitation zwischen Erde, Mond und Sonne bedingten Gezeiten stellen eine unerschöpf-liche Quelle für die Energiegewinnung dar. Das schwe-dische Unternehmen Minesto hat ein vollkommen neu-es Prinzip zur Nutzung der Gezeitenenergie entwickelt. Das ‚Deep green‘-Projekt nutzt im Gegensatz zu her-kömmlichen stationären Gezeitenkraftwerken mobile und mit einem Flügel versehene Turbinen, die wie Bojen mit Trossen am Meeresboden vertäut sind. Ähnlich wie ein Kite-Segel im Wind folgt die Turbine der Gezeiten- und Meeresströmung.

Diese hydrodynamische Technologie glänzt durch eine verhältnismäßig hohe Energieausbeute bei vergleichsweise geringen Kosten. Sie eignet sich ideal für große Meerestiefen und geringe Strömungs ge schwin-digkeiten, also Orte, die sich für den Einsatz stationärer Anlagen wenig eignen. Erste Pilotprojekte vor der Küste Nordirlands sind in der Planung.

Eine simple Steckdose reicht nicht aus. Die Elektromobilität der Zukunft erfordert ein flächende-ckendes und intelligent organisiertes Netzwerk jeder-zeit verfügbarer Ladestationen. Das Unternehmen Coulomb Technologies betreibt in den USA bereits heute ein gut funktionierendes E-Tankstellennetz. Auf Firmenparkplätzen, in Einkaufszentren und an öffent-lichen Parkplätzen finden sich dort etwa 5.300 so ge-nannte ‚Charge Points‘ und das Versorgungsnetzwerk wird stetig größer. Energieversorger bieten ihren Kun-den die Möglichkeit, per Kundenkarte an diesen Lade-stationen zu ‚tanken‘. Abgerechnet wird hinterher, mit der monatlichen Stromrechnung. Alternativ ist auch die Bezahlung per Kreditkarte möglich. Das gesamte Abrechnungsmanagement durch den Strom anbieter erfolgt online-gestützt über Cloud-Server.

Auch dem Kunden wird der Service denkbar einfach gemacht. Ein Smartphone-App zeigt ihm alle Stationen in Standortnähe an und ob diese gerade frei beziehungsweise funktionstüchtig sind.

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Weitere Informationenunter www.minesto.com

E-Tanke: Die Akzeptanz der Elektromobilität hängt entscheidend von der Qualität des Versorgungsnetzwerkes ab.

Weitere Informationenunter www.coulombtech.com

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Weitere Informationen finden Sie unter www.princeton.edu

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Power

Die Puna, das Andenhochland im Nord wes-ten Argentiniens liegt auf fast 4.000 Meter Höhe und die Landschaft hat der dortigen Landbevölkerung wenig zu bieten. Die Vegetation ist karg und Holz, als traditi-oneller Brennstoff, kaum noch aufzutreiben. Landflucht ist die Folge und alle damit verbundenen sozialen Pro-bleme in den Städten. Die EcoAndina-Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, mithilfe der Solarenergie den Bewohnern der Puna eine andere Perspektive zu bieten, denn das Einzige, was es dort im Überfluss gibt, ist die Energie der Sonne. Heute kochen und backen die Bauern der Puna mit Solaröfen, die verblüffend einfach kon-struiert und vorort zu bauen sind. Ein mobiler Parabol-spiegel bündelt und fokussiert die Sonnenenergie auf einen Hotspot, der einen Topf mit Wasser in kürzester Zeit zum Kochen bringt oder einen großen Backofen auf mehrere Hundert Grad Celsius.

Weitere nachhaltige Entwicklungsprojekte der EcoAndina-Stiftung zur Nutzung solarer Energie be-inhalten Sonnenkollektoren zur Warmwasser berei tung und zur Beheizung der Häuser sowie die Solar strom-produktion. Solarmodule versorgen Pumpen zur Be-wässerung der Felder mit Strom sowie Satelliten-Tele-fone und andere Kommunikationsmittel und Medien.

Solar fire

Weitere Informationen unter www.ecoandina.org

Stille Verbraucher nennt man elektrische Geräte und Einrichtungen, die unsichtbar und meist ungewollt im Stand-by-Betrieb oder versehentlich be-trieben die Stromrechnung in die Höhe treiben. Die Viel-zahl elektrischer und elektronischer Geräte in moder-nen Haushalten erschwert den Überblick und der Strom-verbrauch wird nicht bewusst wahrgenommen. Das schwedische Interactive Institute für Forschung und Design schafft Abhilfe und will mit einer sehr einleucht-enden Idee den tatsächlichen Energieverbrauch sicht-bar machen. Das elektrische Anschlusskabel ‚Power Aware Cord‘ leuchtet abhängig vom Stromverbrauch in unterschiedlicher Helligkeit auf. Das Kabel transpor-tiert nicht nur den Strom, sondern zeigt dem Konsu-men ten an, dass dort gerade Strom fließt und ver-braucht wird. Diese optische Hilfestellung soll dazu beitragen, dass elektrische Energie in den Haushalten bewusster und effizienter genutzt wird, um vorhandene Energiesparpotentiale besser auszunutzen.

Power control

Weitere Informationenunter www.tii.se

Skydrop

Wasser fällt von allein vom Himmel – immer wenn es regnet. In Wüstengebieten passiert das eher selten und auch im Katastrophenfall bleibt oft keine Zeit, auf den Niederschlag als saubere Trinkwasser-quelle zu warten. Für diese Fälle verspricht der ‚Sky-drop‘ Abhilfe. Die Erfindung des brasilianischen De sig-ners Murilo Gomes aus São Paulo besteht aus einem Helium-gefüllten Luftschiffkörper, das mit lamellenar-tigen Rotorblättern ausgestattet ist. Der Rotor wird durch den Wind angetrieben und produziert Strom. Der Strom durchfließt so genannte Peltier-Elemente, die aus zwei Halbleitermaterialien mit unterschiedlichem Energieniveau bestehen. Bei Stromfluss kühlt das Pel-tier-Element ab und die Abkühlung führt zur Konden-sierung der in der Luft enthaltenen Feuchtigkeit an den Elementen. Das Kondenswasser wird aufgefangen und in einem Schlauch zu Boden geleitet. Laut Murilo Gomes produzierte der Skydrop bei einem Testlauf 50 Liter Wasser pro Tag. Bei Idealbedingungen seien sogar 200 Liter und selbst in trockenen Wüstenregionen mit sehr niedriger Luftfeuchtigkeit noch etwa 10 Liter pro Tag realistisch.

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Luft-Tropfen: Die Rotation des Skydrops produziert Strom, der die Abkühlung der Peltier-Elemente verursacht, was die Kondensierung von Wasser zur Folge hat.

Ein gesunder Mensch kann sich diese Situ-ation kaum vorstellen, doch es gibt zahlreiche Pati-enten, die aufgrund von Querschnittslähmungen oder neurodegenerativen Erkrankungen ans Bett gefesselt sind und ausschließlich über die Bewegung ihrer Augen mit der Umwelt kommunizieren können. Der an amyo-tropher Lateralsklerose (ALS) erkrankte Graffiti-Künst-ler Tony ‚Tempt‘ Quan aus Los Angeles ist einer dieser Patienten. Seine Freunde setzten alles daran ihm und anderen Menschen in ähnlicher Situation zu helfen und entwickelten den ‚Eye-Writer‘. Das ist ein handelsüb-liches Brillengestell, dem ein optisches System vorge-baut wurde, das jede Bewegung der Pupille verfolgt und diese Informationen mithilfe einer Software in Daten zur ihrer Darstellung umwandelt. Mit Eye-Writer ist Tony Quan allein durch die Bewegung seiner Augen wie-der dazu in der Lage, Graffitis zu zeichnen und ebenso Texte zu schreiben.

Die zum Bau eines Eye-Writers notwendige Anleitung und Software ist frei zugänglich, um mög-lichst vielen Betroffenen die kostengünstige Nutzung der Technologie zu ermöglichen.

Eye-Writer

Schreibhilfe: Mit einfachsten elektronischen Bauteilen wird aus einer Brille ein Schreibinstrument.

Weitere Informationenunter www.eyewriter.org

Interactive Institute

52 53Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Page 28: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Mit neuer Power Wind ist Energie. Wind ist Leben. Wind ist Mobilität. Audi nutzt den Wind, die saubere Kraft der Natur, um eine ganze Kette nachhaltiger Energieträger aufzubauen.

Sonne und Wind: Zwei Amateur-Segelflieger gleiten über das Werksgelände von Audi im Norden von Ingolstadt, lautlos und emissionsfrei.

Rückenwind

Page 29: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Die Kraft der Stille Ballonfahren bedeutet: Vertrauen auf den Wind. Im Ballon eroberte sich der Mensch einst den Himmel. Die große Stille, die dort herrscht, fasziniert heute noch mehr.

Auf großer Fahrt: Immer wieder lässt Audi Heißluftballons aufsteigen – für schöne Touren oder bei Veranstaltungen.

Page 30: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Hart am Wind Jahrtausende lang hat der Wind Schiffe bewegt und Menschen zueinander gebracht. Heute ist Segeln keine harte Arbeit mehr, sondern ein faszinierender Sport.

Engagement: Audi unterstützt den Segelsport auf verschiedenen Ebenen, etwa beim Sailing Team Germany oder bei der Kieler Woche.

Page 31: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Sauberer Strom Wind ist Antrieb. Strom aus Wind setzt die künftigen e-tron-Modelle in Gang, und auch das Audi e-gas project basiert auf der CO₂-freien Primärenergie.

Energiewende: Nachhaltig erzeugter Strom, vor allem aus Windkraft, hat in Deutschland schon 20 Prozent Anteil am Gesamtaufkommen.

Page 32: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

64 Dialoge Umwelt63 Dialoge Umwelt62 Dialoge Umwelt

Methanisierung: Der Wasserstoff (H₂) wird thermo- chemisch mit Kohlenstoffdioxid (CO₂) zu Methan (CH₄) verknüpft. Als Nebenprodukt entsteht Wasser.

Windstrom:Die künftigen Elektroautos von Audi wie der A1 e-tron tanken an den Ladesäulen Strom, der auf nachhaltige Weise erzeugt wird.

Elektrolyse: Das Wasser (H₂O) im Tank wird in seine Bestandteile Sauerstoff (O₂) und Wasserstoff (H₂) gespalten. Der Prozess läuft mit Ökostrom ab.

balanced mobility – das Audi e-gas project, ein Weg zur CO₂-neutralen Mobilität

Der Wind, die große, saubere Kraft der Na-tur, liefert auch für das Audi e-gas project

den Antrieb. Durch das Vorhaben übernimmt Audi Verant wor tung beim nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Res sourcen – ein Eckpfeiler auf dem Weg zur CO₂-neutralen Mobilität.

Der A3 Sportback 1.4 TCNG*, den Audi auf dem Genfer Automobilsalon 2012 als Technikmodell präsentierte, ist ein flottes Allround-Auto. Sein aufgeladener 1,4 Liter-Benziner leistet 81 kW (110 PS) und produziert 200 Nm Drehmoment – genug für einen Sprint von null auf 100 km/h in wenig mehr als 11 Sekunden und für über 190 km/h Spitze.

„Aber der große Fortschritt liegt natürlich im Ver brauch“, sagt Reiner Mangold, der Leiter des Audi e-gas projects. „Der 1.4 TCNG benötigt auf 100 Kilometer im Schnitt 3,6 Kilo gramm rege-nerativ erzeugtes Gas, und das ergibt am Auspuff eine CO₂-Emis-sion von 99 Gramm pro Kilometer. Wenn man jedoch die Well-to-wheel-Bilanz* betrachtet, also die gesamte Kette einschließlich der Kraftstoffherstellung, dann kommt man auf nur noch 27 Gramm pro Kilometer.“

Mit dem Audi e-gas project, das nach drei Jahren inten-siver Forschung nun in die Praxisphase übergeht, baut Audi als erster Automobilhersteller weltweit eine Kette von nachhaltigen Energieträgern auf. Mit Ökostrom aus Windenergie will Audi seine künftigen, elektrisch fahrenden e-tron-Modelle nicht nur produ-zieren, sondern die saubere Energie den Kunden auch für den Be-trieb der Autos anbieten.

Der Windstrom wird auch eine Anlage in Werlte (Ems-land) versorgen, die per Elektrolyse Wasser stoff herstellt. Dieser kann künftig als Antrieb für Brennstoffzellen-Fahrzeuge wie dem Audi Q5 HFC* dienen.

In der ersten Projektphase wird der Wasserstoff jedoch aufgrund der fehlenden Infrastruktur nicht direkt genutzt; viel-mehr gelangt er in einen Speichertank und weiter zur Methani sie-rungs anlage, die derzeit gebaut wird. Sie ist an eine Abfall-Biogas-anlage gekoppelt – von ihr bezieht sie zur Me thanisierung notwen-diges, konzentriertes CO₂, das sonst die Atmos phäre belasten würde. Pro Jahr wird die Anlage rund 1.000 Tonnen Methan produzieren und dabei 2.800 Tonnen CO₂ binden.

Das Methan heißt bei Audi e-gas; es ist chemisch mit fossilem Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas identisch, eignet sich also zum Antrieb von Verbrennungsmotoren. Audi wird 2013 seine ersten Modelle mit der Bezeichnung TCNG in Serie brin-gen, deren vom TFSI abgeleitete Motoren mit e-gas laufen und dabei eine exzellente Well-to-wheel-Bilanz erzielen.

Mit dem aus Windkraft und CO₂ erzeugten e-gas können 1.500 A3 TCNG jeweils 15.000 Kilometer pro Jahr fahren, dabei bleiben noch 150 Tonnen für das öffentliche Gasnetz übrig. Das Methan aus der Anlage wird bereits in der ersten Phase des e-gas projects für ins gesamt 2.500 Autos ausreichen. In den kommenden Jahren will Audi sein Angebot an regenerativ erzeugtem Kraftstoff weiter ausbauen.

Die Potentiale des Audi e-gas projects können der ge-samten deutschen Energiewirtschaft neue Impulse geben, wie Audi-Ingenieur Reinhard Otten erläutert. „Unser Vorhaben beant-wortet die heute noch offene Frage, wie man Ökostrom effizient und ortsunabhängig speichern kann. Wenn viel Meereswind weht, lassen sich Strom-Überkapazitäten in e-gas wandeln und im öffent-lichen Gasnetz einlagern. Aus ihm kann man die Energie, wenn ge-wünscht, jederzeit ins Stromnetz zurückführen. Das Gasnetz ist der größte verfügbare Energiespeicher, es besitzt eine Kapazität von 217 TWh. Das Stromnetz hingegen kann nur 0,04 TWh speichern, zudem ist seine Transportkapazität um ein Vielfaches niedriger.“

Die e-gas-Produktion ist somit eine praktikable Lösung für die Nutzung von Überkapazitäten grünen Stroms, die durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zwangsläufig auftre-ten werden. „Das Potential der Strom-Gas-Kopplung, Wind- oder auch Solarenergie in großen Mengen zu speichern, kann dem Aus-bau der erneuerbaren Energien starke Impulse verleihen“, sagt Michael Dick, im Audi-Vorstand für die Technische Entwicklung verantwortlich. „Wir ergreifen hier selbst die Initiative und ergän-zen die E-Mobilität durch ein ebenso klimafreundliches Konzept für die Langstrecke.“

TextJohannes Köbler

FotoStefan Warter

Daten

Hubraum 1.390 cm³

Leistung 81 kW (110 PS)

Drehmoment 200 Nm

0–100 km/h ca. 11 s

Höchstgeschwindigkeit ca. 190 km/h

Verbrauch ca. 3,6 kg e-gas pro 100 km

CO₂-Emission 99 / 27 Gramm pro km**

** am Auspuff / in der Well-to-wheel-Bilanz

Audi A3 Sportback 1.4 TCNG

Natürliche Power: Unterm Strich genügt eine Minute Wind für 300 Kilometer Strecke mit dem A1 e-tron.

Windenergie: Zum Beispiel Offshore-Windräder produzieren sauberen Strom.

Windenergie: Zum Beispiel Offshore-Windräder produzieren sauberen Strom.

Ziel: e-tron Modelle von Audi werden mit sauberem Ökostrom betrieben.

Stromnetz: Ein Teil des Windstroms fließt aus dem Netz in den Betrieb der e-gas-Anlage.

Stromnetz: Der Windstrom wird ins öffentliche Netz eingespeist und dort verteilt.

Wasserstoffherstellung: Im ersten Schritt wird Wasser (H₂O) per Elektrolyse in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) gespalten.

Ladestation: Eine intelligente Ladestrategie stabilisiert beim Aufladen des A1 e-tron das Stromnetz.

Nachhaltige Mobilität Audi bricht zu neuen Ufern auf. Das Unternehmen strebt eine Führungsrolle beim nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen an, mit dem großen Ziel der CO₂-neutralen Mobilität.

Wasserstoff- und e-gas-Herstellung Die e-gas-Anlage besteht aus zwei Hauptkomponenten. Der Elektrolyseur stellt Wasserstoff her, die nachgeschaltete Methanisierungs anlage produziert das e-gas.

e-gas-Herstellung:Im zweiten Schritt produziert die Anlage aus Wasserstoff und CO₂ Methan.

e-gas-Tankstelle: 1.500 Audi A3 TCNG können pro Jahr je 15.000 Kilometer mit e-gas fahren.

e-gas-Speicherung: Das Methan aus der Anlage wird ins öffentliche Erdgasnetz geleitet.

Audi A3 Sportback TCNG: Das CO₂, das der Audi A3 Sportback emittiert, ist vorher vollständig bei der e-gas-Herstellung gebunden worden.

Endprodukt Methan: Ein brennbares Gas mit hohem Energieinhalt.

Grüner Antrieb: Der Audi A3 Sportback mit e-gas-Antrieb fährt mit minimalen Gesamt-emissionen.

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* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Wenn Friedrich-Franz Nagel abtaucht, dann oft für einen guten Zweck. Der Hobbytaucher verbindet seinen Sport mit Umweltschutz: „Mir ist wichtig, dass die Natur sauber bleibt – mit den Seereinigungen leiste ich meinen kleinen Beitrag dazu.“

Als zweiter Vorsitzender des Ingolstädter Tauchclubs leitet der Audi-Mitarbeiter aus der Vor se-rien logistik die zahlreichen Umweltaktionen des Ver-eins. Dazu gehört hauptsächlich die Reinigung von Seen in der Region. Mit Neoprenanzug und Pressluft flaschen ausgestattet, tauchen die ‚Putztrupps‘ durch die Ge-wässer und sammeln Unrat auf. Nagel hat schon fast alles im Wasser gefunden: alte Fahrräder, Batte rien, Autoreifen und Bierkrüge … und sogar eine Pistole. Da-bei werden natürlich nicht nur die Gewässer, sondern auch die Ufer von den Tauchfreunden vom Müll befreit.

Zudem finden in regelmäßigen Abständen so genannte Seebestimmungen statt. Nagel und sein Team überprüfen dabei unter anderem die Wasser qua li tät so wie den Fisch- und Wasserpflanzenbestand des Sees.

Teichmuschelaktionen stehen ebenso im Aktionskalender der passionierten Taucher: Die heimi-sche, große Teichmuschel muss sich der aus dem kas-pischen Meer stammenden, kleinwüchsigen Dreikant-mu schel erwehren. Des halb entfernen die Taucher die Drei kant muschel n, um die hei mische Art vor dem Ver-hun gern zu bewahren. Immer mit von der Partie: Toch-ter und Audi-Auszubil dende Rebecca, die sich ebenfalls im Verein engagiert.

Stolz ist der Ingolstädter besonders darauf, dass der Tauchverein vor zwei Jahren die Patenschaft für die Einbogenlohe, einen ehemaligen Altarm der Donau in Süden Ingolstadts, übernommen hat und sich seither um deren Pflege kümmert. „Ich hoffe, dass unsere Ak-tionen auch Vorbild sind – und das Umwelt bewusst sein anderer wecken“, sagt Nagel.

Taucher

Friedrich-Franz und Rebecca Nagel: Die Tauchfreunde sind regelmäßig unter Wasser in Sachen Umweltschutz unterwegs.

Passion! Mit Leidenschaft für die Umwelt

Mir ist wichtig, dass die Natur sauber bleibt – mit den Seereinigungen leiste ich meinen kleinen Beitrag dazu. Friedrich-Franz Nagel

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Verirrter oder verletzter Vogel auf dem Werksgelände gesichtet! Jetzt ist der Einsatz des Vogel schutz beauf-tragten Gerhard Dörfler gefragt. Jederzeit bereit, rückt er sofort aus, wenn ein Vogel in Not gerät und die Sicher-heitszentrale des Werks Ingolstadt ihn alarmiert.

Am Ort des Geschehens kümmert sich der Mitarbeiter aus dem Technischen Service um den tie-rischen Notfall, leistet Erste Hilfe und nimmt im Ernst-fall den Patienten sogar mit nach Hause. In seiner eige-nen Pflegestation päppelt Dörfler die Vögel so lange auf, bis er sie wieder in ihre gewohnte Umgebung entfliegen lassen kann. „Das Schönste ist immer, ein gesundes Tier wieder in die Freiheit zu entlassen.“ Die Fähig keiten und das Wissen über die Pflege von Vögeln hat er sich vor 20 Jahren selbst angeeignet und angelesen.

Darüber hinaus betreut der in Böhmfeld nahe Ingolstadt wohnende Dörfler die mittlerweile 38 Nist-kästen auf dem Werksgelände. Er kontrolliert regelmä-ßig ihren Zustand, säubert sie und kümmert sich um das Wohlergehen ihrer gefiederten Bewohner. Zu seinen Schützlingen gehören unter anderem Mauersegler, Grau- reiher, Wander- und Turmfalken. Zu Dörflers Freude ist nicht nur die Zahl der Brutkästen in den letzten Jahren gestiegen, sondern auch die Vögel-Population bei Audi insgesamt. „Durch die Schaffung neuer Nistmög lich kei-ten können wir den Lebensraum der Vögel nicht nur auf-rechterhalten, sondern auch erweitern.“

Vögel

Das Schönste ist immer, ein gesundes Tier wieder in die Freiheit zu entlassen. Gerhard Dörfler

Gerhard Dörfler: Bei ihm sind die Vögel in den richtigen Händen.

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Vermüllte und verschmutze Grundstücke sind für Jürgen Kreß ein Graus. Deshalb ersteigert der Audi-Mitarbeiter aus Sinsheim auf Auktionen verwahrloste Landparzellen und verwandelt sie anschließend in grüne Oasen.

Bei einer dieser Auktionen entdeckte er vor Jahren ein brachliegendes Stück Land nahe seinem Hei-mat ort, das als Müllhalde missbraucht worden war. Kreß kaufte das Grundstück und befreite es von dem ange-sammelten Unrat. Jetzt konnte der Mann mit dem grü-nen Daumen der Natur freien Lauf lassen und ein kleines Biotop entstehen lassen. „Mein Ziel ist es, möglichst viel naturbelassene Flächen zu schaffen, um der zunehmen-den Landbebauung etwas entgegenzusetzen.“

Mittlerweile pflegt der im Werk Neckarsulm beschäftigte Werkzeuginstandhalter drei grüne Lungen. Auf einem seiner Grundstücke hat sich ein kleiner Natur-teich sogar zu einem ökologischen Sumpfgebiet entwi-ckelt. Lurche, Frösche, Kaulquappen, Libellen, Ringel-nattern und Blindschleichen finden hier Unterschlupf. Im Winter zieht der nahrhafte Boden der Naturgrund-stücke Großwild wie Rehe oder Schweine an, die ihn als Winterweide nutzen.

Ein neues Projekt hat der ambitionierte Na-turschützer schon vor Augen: Ein Wiesengrundstück an einem Hang bei Sinsheim soll Wildtieren einen Rück-zugsraum und Nahrung bieten.

Renaturierung

Jürgen Kreß: Der Umweltschützer gibt der Natur bereits verloren geglaubte Flächen wieder zurück.

Mein Ziel ist es, möglichst viel naturbelassene Flächen zu schaffen, um der zunehmenden Landbebauung etwas entgegenzusetzen. Jürgen Kreß

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Fabrik aus der virtuellen Welt Vom Werkstoffverhalten auf molekularer Ebene bis zu Bewegungs-abläufen in der Montage, von der Grundlagenforschung bis zur kompletten Fabrik – die Produktions- und Werksplanung bei Audi verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Ihr vernetztes Wissen nutzen die Spezialisten zur Gestaltung des neuen Werks in Győr. So entsteht ein effizientes, ergonomisches und ressourcenschonendes Werk.

Plan AArne Lakeit veranwortet die Produktions- und Werksplanung der AUDI AG – auch für die neue Fabrik im ungarischen Győr.

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Page 38: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

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„Bereits wenige Wochen nachdem die Kollegen vom Design ihre Idee für ein neues Fahrzeug vorgestellt haben, sind wir Planer mit an Bord“, sagt Lakeit. Sind dann die Details zur Produkt-strategie und zum Vertrieb des künftigen Modells festgelegt, über-neh men seine Leute die Verantwortung. Experten unterschiedlichs-ter Fachrichtungen und Altersklassen arbeiten in der Produk tions-pla nung zusammen. Etwa 60 Prozent des Teams sind Aka demiker, dazu gehören Ingenieure, Naturwissenschaftler, Informatiker, Be -triebswirte, aber auch Architekten und Fachleute für Logistik, Lan-deskultur oder Umweltschutz. Für sie läuft der gesamte Planungs-prozess weitgehend in der virtuellen Welt ab. Intelligente Software- Werkzeuge, digitale Modelle, Simulationen, 3D-Visualisierung und EDV-Systeme mit einem professionellen Datenmanagement bilden die Grundlage dafür.

„Wir haben nicht nur ein CAD-Modell des gesamten Győrer Werks, sondern ebenfalls Modelle aller einzelnen Anlagen und einzelnen Produktionsprozesse“, erklärt Lakeit. So kann das effiziente Zusammenwirken der Systeme bis ins kleinste Detail bereits vor dem ersten Spatenstich simuliert und abgebildet wer-den. Diese digitale Fabrik schließt nicht nur die Lücke zwischen Theorie und Praxis, sie ist auch einer der technologischen Schlüs-sel faktoren für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Die Planer müssen Umweltaspekte, ein weltweit verteiltes Stand ortnetzwerk und ein steigendes Produktportfolio unter einen Hut bringen. „Wir bewegen uns in einer Multiprojektlandschaft, deren Komplexität stetig steigt“, erläutert Lakeit.

Um diesen vielfältigen Anforderungen gerecht zu wer-den, hat Lakeit seine Organisationsstruktur wie ein neuronales Netzwerk aufgebaut: Die klassischen Bausteine, etwa die Lackier-, Elektrik- und Elektronik-Planung sowie die Fertigungsplanung ein-zelner Baureihen, werden je nach Fragestellung miteinander ver-knüpft. Sobald die Planungsprozesse abgeschlossen sind und das Werk in seinen Grundfesten steht, wandern die entsprechenden Mitarbeiter mit ihrem Know-how weiter und betreuen vor Ort den neuen Produktionsstandort. Aufwändige Übergaben von Person zu Person entfallen. Ähnlich sieht es in der Technologieentwicklung aus. Verlässt ein Projekt die Keimzelle der Forschung, begleiten es seine Experten bis in die Serie. „Die Menschen erleben so die Be-geisterung von der ersten Idee bis zur praktischen Umsetzung. Das motiviert ungemein“, betont Lakeit.

Ein neues Automobil wird gezeigt. Sein Ab-bild glänzt in der so genannten CAVE*, dem

dreidimensionalen Projektionsraum für Illusionen aus der virtu-ellen Welt. Per fekte Spiegelungen der umgebenden Landschaft auf dem Autolack und die hochwertige Anmutung des Interieurs lassen das neue Modell real wirken. Man glaubt, das Auto berühren zu können – und doch ist es einstweilen nur Schein. Und der Weg zum täglich produzierten Serienmodell noch weit. „Wir ermögli-chen den Übergang von der Idee zu einem realen Produkt für die Kunden“, erklärt Arne Lakeit, Leiter der Produktions- und Werks-planung bei Audi. Mit seinen rund 1.300 Mitarbeitern ist er für die Planung aller Werke und Produktionsprozesse von Audi weltweit verantwortlich. So auch für den Werksausbau in Ungarn.

Der Standort Győr zählt seit 1993 zum Produktions-netzwerk von Audi und des gesamten Volkswagen-Konzerns. 2010 wurden hier 1,65 Millionen Motoren gefertigt, dazu 38.500 Auto-mobile der Baureihen Audi TT und Audi A3. Künftig werden es noch deutlich mehr: Derzeit entsteht in Győr eine komplett neue, zusätz-liche Werksanlage. Ab 2013 wird hier ein weiteres Modell der A3-Familie seinen Produktionsort haben.

FotoStefan Warter

TextPatricia Piekenbrock

Virtueller Rundflug über den Produktions standort Győr

Das Werk von oben: Es wurden zahlreiche Layouts durchgespielt, um eine ideale Anordnung aller Bestandteile zu ermöglichen.

Presswerk: Der neue Standort be liefert sich selbst mit Pressteilen auf kurzen Wegen – mit Bahnan-schluss und direkt angeordnet an das Kundengewerk Karosseriebau.

Karosseriebau: Der neue Karos-seriebau wird flexibel sein bezüglich des Einsatzes von Stahl und Alumini um – bei Bedarf ist er für kommende Anforderungen erweiterbar.

Lackiererei: Durch Abluftreinigung und weitere Maßnahmen wird sie mit drastisch reduziertem Ausstoß zur ‚grünen‘ Lackiererei.

Energiezentrale: Modernste Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung ver-sorgen die neuen Fertigungsanlagen ressourcenschonend.

Montage: Die Montage wird sich durch optimale Montage- und Logistikprozesse, synchrone und standardisierte Arbeitsabläufe sowie ein angenehmes Arbeits-umfeld mit viel natürlichem Licht auszeichnen.

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Virtuelle Taktung in der MontageplanungAm Beispiel der Vormontage CockpitMittels eines 3D-Tools visualisiert die Montageplanung bereits in einer sehr frühen Phase des Planungsprozesses alle erforderlichen Arbeitsschritte inklusive der zugehörigen Produktdaten und Betriebsmittel. Diese virtuelle Taktung wird regelmäßig in einem Team aus Planern sowie Spezialisten der Fertigung und des Vorseriencenters durchgesprochen und weiterentwickelt. So wird die Prozessplanung immer detaillierter, bis die einzelnen Arbeits-schritte schließlich in einer sehr hohen Planungsqualität an die F ertigung übergeben werden können.

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Erleben Sie die faszinierende Arbeit der Produktions- und Werksplaner im Video!www.dialoge.audi.de

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Dank der außergewöhnlichen Netzwerkstruktur können die Planer zahlreiche Synergien nutzen. Sie transferieren beispiels-weise die Königsdisziplin der dreidimensionalen Visualisierung von der Fahrzeugentwicklung auf die Werksplanung in Győr. Das Zu-sammenspiel der unterschiedlichen Gewerke – vom Presswerk, Karosseriebau über die Lackiererei bis zur Montage – wird dank der 3D-Animationen plastisch vor Augen geführt. Eventuelle Problem-felder können frühzeitig behoben werden, und zwar bevor die er-sten Gebäudeteile aus Beton stehen. Auch bei bautechnischen Fra gestellungen liefern die Planer dem Management zeitsparende Entscheidungsgrundlagen. In lupenreiner 3D-Qualität können sie etwa Gestaltungsvarianten der Gebäudefassaden auf die große Leinwand projizieren.

„Für uns Planer ist der Neubau in Győr natürlich eine große Herausforderung – auch im Hinblick auf eine ressourcenscho-nende Logistik“, freut sich Lakeit. Die Werkstruktur ist so angelegt, dass die Bauteile überwiegend per Bahn eintreffen. Knapp 400.000 Lkw-Kilometer werden so vermieden. Von der Anlieferung über den Transport zwischen den Gewerken bis zur Fertigstellung gestalten die Planer alle internen Materialbewegungen, um spätere Eng pässe zu vermeiden. In dieser Frühphase kann ein eventuell benötigtes weiteres Werkstor eingeplant werden, ohne teure Umbau maß nah-men durchführen zu müssen.

In einer virtuellen Führung lässt sich das erst 2013 fer-tige Werk bereits heute erleben. Herz des Produktionsstandorts wird ein zentrales Gebäude zur Qualitätsbewertung sein – mehr als ein Symbol für die klare Qualitätsorientierung der Marke Audi. Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei und Montage sind in unmit-telbarer Nähe sternförmig zu diesem Zentrum angeordnet. Alle Fahrzeugteile gelangen auf kurzem Weg von einer Station zur nächsten. Energie wird in jedem Gewerk – wo immer es möglich ist – von vornherein eingespart oder zumindest zurückgewonnen. Systeme zur Wärmerückgewinnung aus der Hallenluft werden in den Produktionshallen genauso selbstverständlich sein wie ein Blockheizkraftwerk, Abgaswärmetauscher und Aufbereitungs an-lagen für Kühlmittel. Die Versorgungsleitungen für Strom, Gase, Wasser, Luft beziehungsweise Druckluft sind dank der Planung in der digitalen Fabrik so angeordnet, dass die Versorgung bei gering-sten Energie verlusten gewährleistet ist.

Nach der Grobplanung arbeiten sich die Planer Ebene für Ebene in den Mikrobereich vor und analysieren die Vorgänge innerhalb der einzelnen Gewerke. Ein Beispiel ist die Simulation des Tiefziehprozesses* einer Fahrzeugtür im Presswerk. Mit Hilfe ihrer Berechnungen ermitteln sie die optimale Materialausnutzung. Mehrfachfertigung heißt das Schlagwort. So werden in Győr künf-tig in ein und demselben Prozessschritt die Autotür und im Bereich des bislang ungenutzten Fensterausschnitts zwei Tankdeckel ge-formt. Das spart Zeit, Energie und viele hundert Tonnen Stahl, die sonst recycelt werden müssten. Die Materialausnutzung verbessert sich aufgrund des geringeren Verschnitts um ganze 13 Prozent. In der Gießerei tragen virtuelle Untersuchungen des Aluminium-Druckgussverfahrens zur Optimierung des späteren Prozesses bei: Sitzt der Hauptanguss beim Formfüllen bereits an der richtigen Stelle? Wie verhält sich das Temperaturfeld während der Erstar-rung des Bauteils? Verzieht sich das Material nach der Abkühlung? „Das alles sind essentielle Fragen, die meine Mitarbeiter weit vor Produktionsanlauf beantwortet haben“, erklärt Lakeit.

LackierereiTemperatursimulationHeißer als in der Sauna: Nach dem Auftragen der ersten Lackschicht durch-läuft die Karosserie einen Trockner. Die Simulation zeigt, wie sich die Karosserie hier von 20 °C (blau) auf über 190 °C (rot) erhitzt. Diese Temperatur ist erforderlich, damit die Lackschicht fertig aushärtet und optimaler Korrosionsschutz sowie gute Haftung auf dem Blech gewährleistet sind. Aber auch andere Materialien im Fahrzeug, wie zum Beispiel die Kleber, müssen ausreichend lange einer bestimmten Temperatur ausgesetzt werden, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen. Mit der Simulation wird dies frühzeitig abgesichert.

DruckgussErstarrungssimulation

Wir haben nicht nur ein CAD-Modell des gesamten Győrer Werks, sondern ebenfalls Modelle aller einzelnen Anlagen und einzelnen Produktionsprozesse. Diese digitale Fabrik schließt nicht nur die Lücke zwischen Theorie und Praxis, sie ist auch einer der technologischen Schlüsselfaktoren für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung.

Aus flüssig wird fest: Unmittelbar nach der Füllung der Druckgussform kühlt die Aluminiumschmelze im dargestellten Erstarrungsintervall von circa 600 °C (gelb) bis circa 550 °C (blau) ab und das Bauteil erstarrt. Die Simulation zeigt schrittweise den Prozess der Abkühlung. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse ist es möglich, die Bauteilqualität und die mechanischen Eigenschaften des Bauteils frühzeitig vorherzusagen und kritische Bereiche zu identifizieren.

Arne Lakeit Leiter der Produktions- und Werksplanung

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DruckgussStruktursimulationFrisch aus der Form gepellt: Nach der Entnahme aus der Druckgussform kühlt das Bauteil im dargestellten Temperaturbereich von circa 300 °C (gelb) bis circa 150 °C (blau) weiter ab. Mit Hilfe der Simulation kann nachvoll- zogen werden, wie sich die Temperaturen in dieser verzugsrelevanten Phase ver ändern. Dies ist die Grundlage für weitere Berechnungen, um die Eigen-spannungen und die Verformungen des Bauteils vorhersagen zu können und somit eine Bewertung der zu erwartenden Maßhaltigkeit des Bauteils zu gewährleisten.

Im Karosseriebau nehmen die Einzelteile und Halb-zeuge aus dem Presswerk die Gestalt des Autos an. Energie spa ren-de Laser und Roboter arbeiten hier mit modernsten Fügetechno-logien. Denn nach der Audi-Leichtbau-Philosophie – das richtige Material am richtigen Ort – müssen faserverstärkte Kunststoffe*, Stahlbleche oder Aluminium geschweißt, genietet oder geklebt werden. Eine technologische und energetische Herausforderung. Lakeit gibt einen Einblick: „Wir bekommen die Kon struk tionsdaten von unseren Kollegen aus der Entwicklung. Unsere Spe zialisten ermitteln mit Hilfe der digitalen Fabrik die passenden Füge me-thoden und die effizienteste Reihenfolge der einzelnen Prozess-schritte. Anhand dieser Ergebnisse können wir die Anlagen optimal zueinander positionieren.“

Schweißpunkte werden außerdem nur dort gesetzt, wo sie wirklich notwendig sind, und Klebstoff muss nicht durchgängig aufgetragen werden – bei garantierter Qualität. „Wir sparen durch die gesteppten Nähte ungefähr einen Joghurtbecher voll Klebstoff pro Fahrzeug“, verdeutlicht Lakeit. Ein weiteres Beispiel für Effi zi-enz sind die Diodenlaser*. Ihr Wirkungsgrad liegt gegenüber Fest-körperlasern um 30 bis 40 Prozent höher – das wird allein im neuen ungarischen Werk 3.000 Tonnen Kohlendioxid vermeiden.

Die fertiggestellten Karosserien bekommen in der La-ckie rerei die Wunschfarbe der Kunden. Aus ästhetischen Gründen so wie in Bezug auf Haltbarkeit, Farbbeständigkeit oder Kratz fes tig-keit ist die Oberflächenqualität des Lacks von besonderer Be deu-tung. Dafür tauchen die Planer in die Welt der kleinsten Teil chen, der Atome und Moleküle. In Kooperation mit Hochschulen be fas-sen sie sich mit der molekularen Beschaffenheit und der Schicht-bildung von Lacken. Auf dieser Basis können sie über das virtuelle CFD-Verfahren* der numerischen Strömungsmechanik (Compu ta-tional Fluid Dynamics) verbindliche Aussagen zum optimalen Lack-auftrag treffen. Unerwünschte Tröpfchenbildung am Zerstäuber eines Sprühroboters oder verschleppte Flüssigkeit im Tauchbad sind Vergangenheit. Die Lackierroboter werden schneller und prä-ziser auf ihre Aufgaben eingestellt, so dass sie weniger Lack ma te rial und Energie benötigen. Auch bei der anschließenden Lacktrocknung sparen die Produktionsplaner aufwändige Versuche. Die CFD-Mo-dellierung zeigt Luftströmungen, Temperatur vertei lungen und den Wärmetransport im Trockner an.

In der Montage legen die Mitarbeiter im wahrsten Sinne des Wortes Hand an. Die vielen aufeinander abzustimmenden Pro-zesse stehen jedoch im Spannungsfeld verschiedener Zielgrößen: Zeit, Auslastung, Materialbereitstellung, Sicherheit und Ergo no-mie. Dafür haben die Planer das Werkzeug der virtuellen Taktung entwickelt. Mit dieser ausgeklügelten Methode werden Infor ma-tionen zum Fertigungsprozess mit dreidimensionalen Produkt-daten und den benötigten Betriebsmitteln intelligent verknüpft. Auf dieser Basis kann jeder einzelne Arbeitsschritt virtuell darge-stellt werden.

„Wir brauchen qualifizierte, erfahrene und motivierte Mitarbeiter, die ihr Fachwissen einbringen und die Prozesse aktiv mitgestalten“, erklärt der Planungsleiter. „Wir sehen den Men-schen als unsere wertvollste Ressource.“ Um etwa die Gelenke der Mitarbeiter zu schonen, haben ergonomische Aspekte oberste Pri-orität bei den Werksplanern. In einer sehr frühen Projektphase identifizieren sie mittels virtueller Methoden belastende, anstren-gende oder ungünstige Einbaupositionen. In Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitarbeitern werden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung abgeleitet: Ein höhenverstellbarer Montagesitz oder ein Scherenhubtisch an der richtigen Stelle kann Entlastung für den Rücken, die Hüftgelenke oder die Knie schaffen. „In Spezial-fällen erhalten unsere Planer bei diesem Thema Unterstützung von Kollegen der Arbeitssicherheit, Physiotherapeuten und dem Werks-arzt“, betont Lakeit.

„Mit Hilfe der digitalen Fabrik schaffen wir eine gemein-same Verständnisbasis und erreichen sehr früh einen hohen Reife-grad. Trotzdem kennen wir die Grenzen der virtuellen Pla nung“, weiß Lakeit. Am Beispiel der Alterssimulation erläutert er die Pro-blematik: Ein speziell entwickelter Altersanzug verdeutlicht die Bedürfnisse älterer Mitarbeiter. Er macht das Älterwerden durch Bewegungseinschränkungen und vermindertes Sehen, Hören und Fühlen erlebbar. Vor dem Hintergrund des demografischen Wan-dels liefert der Simulationsanzug also wertvolle Hin weise für die Arbeitsplatzgestalter. „Allerdings altert der Mensch nicht plötz-lich, sondern lernt im Lauf seines Lebens mit Verände rungen umzu-gehen“, sagt der Planungschef. Die virtuelle Welt müsse immer durch Erfahrungswissen bestätigt werden. Auch bei sicherheitsre-levanten Themen wie Crashtests steht nach den virtuellen Ver su-chen immer noch der echte Test mit realen Fahrzeugen an.

Die Produktions- und Werksplaner bei Audi sind sich dieser Grenzen bewusst. „Wir sind Experten und Ko ordinatoren zugleich, durch unsere Steuerungsfunktion behalten wir den Über-blick und eine gesunde Erdung“, ist Lakeit überzeugt. „Daher stel-len wir auch unsere Zukunftsstrategie jedes Jahr auf den Prüf-stand.“ Denn technologische Entwicklungen sind dynamisch und die damit verbundenen Prozesse wandelbar. „Die Achtung der Res-source Mensch ist aber in jedem Fall die Voraus setzung für eine um weltgerechte Produktion mit modernsten Technologien.“

Sitzt der Hauptanguss beim Formfüllen bereits an der richtigen Stelle? Wie verhält sich das Temperaturfeld während der Erstarrung des Bauteils? Verzieht sich das Material nach der Abkühlung? Das alles sind essentielle Fragen, die meine Mitarbeiter weit vor Produktionsanlauf beantwortet haben. Arne Lakeit Leiter der Produktions- und Werksplanung

80 Dialoge Umwelt * Siehe Glossar, S. 146 –147

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82 83Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Aggregate-Aufbereitung Das zweite Leben für gebrauchte Lichtmaschinen und Anlasser spart jedes Jahr hunderte Tonnen Stahl, Kupfer und Aluminium. Aber auch Mitarbeiter mit Einschränkungen erleben hier einen Neuanfang.

Aus Alt mach Neu: Knapp 80.000 Generatoren und 70.000 Anlasser werden pro Jahr in den Werkstätten von Audi aufbereitet.

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84 85Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Ein ganzes Autoleben liegt schon hinter ih-nen. Die vielen Jahre, die sie tief im Motor-

raum verbaut waren, und die vielen Kilometer haben ihre Spuren hinterlassen: Orange-brau ner Rost überzieht die einst silbern glän-zende Hülle der Licht ma schinen, ein dicker Ölfilm bedeckt Schrau-ben und Buchsen der An lasser. Alle Geräte, die hier ankommen, sind grau geworden von Staub und Schmutz nach langen Fahrten auf Landstraße und Auto bahn.

Die Aggregate-Aufbereitung im Ingolstädter Audi-Werk gibt solchen alten, ausgedienten und kaputten Anlassern und Licht-maschinen ein neues, ein zweites Leben. Was man sonst als schlich-ten Abfall entsorgen müsste, wird hier aufbereitet und findet sei-nen Weg als Audi-Originalersatzteil zurück in den Wertstoff kreis-lauf. Jedes Jahr spart Audi dadurch rund 240 Tonnen Stahl, 100 Tonnen Kupfer und 80 Tonnen Aluminium. Zum Vergleich: Liegt der Materialverbrauch bei der Neuanfertigung eines Starters bei 3,5 Kilogramm, so beträgt er bei der Instandsetzung lediglich noch 0,4 Kilogramm.

Schließlich bestehen die wiederverwerteten Aggregate theoretisch aus den gleichen Teilen wie zuvor. Praktisch aber sind sie nagelneu: Alles wird komplett auseinandergenommen und auf Beschädigungen geprüft, anschließend gereinigt, neu gefettet und zuletzt wieder montiert. Neuteile werden nur zu fünf Prozent be-nötigt, typische Verschleißteile wie Kugellager, Lagerbuchsen oder Kohlebürsten werden grundsätzlich erneuert.

In etwa zehn Arbeitstagen verwandelt sich das defekte und verschmutzte Altteil in ein neuwertiges Aggregat – mit der gleichen zweijährigen Garantie wie ein Neuteil. Entscheidet sich der Kunde für solch ein aufbereitetes Ersatzteil, spart er bis zu 40 Prozent im Vergleich zum neuen Gerät.

Doch nicht nur für Aggregate stellt die kleine Abteilung in Halle N 02 am Standort Ingolstadt einen Neuanfang dar. Fast die Hälfte der 90 Kollegen arbeitet in der Aufbereitung trotz einer gesundheitlichen Einschrän kung oder Behinderung. Leistungs ge-wandelte Mitarbeiter nennt man sie bei Audi. Sie alle konnten aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit ihren alten Job, häufig in der Fahrzeugmontage, in den Taktzeiten nicht mehr ausführen und wechselten zum Team von Michael-Andreas Spreng, dem Leiter der Aggregate-Aufbereitung.

TextLena Kiening

FotosStefan Warter

Bei der Aufbereitung eines Anlassers liegt der Materialverbrauch bei gerade einmal 0,4 Kilogramm;

ein neues Gerät braucht achtmal so viel.

„Es geht darum, den richtigen Einsatzort für einen lei-stungsgewandelten Kollegen zu finden, an dem er seine Fäh ig-keiten optimal einsetzen kann“, erklärt Spreng sein Einstel lungs-prinzip. Alle seine Mitarbeiter hat er aus den Audi-Reihen rekru-tiert, viele arbeiten schon seit 30 Jahren für das Unternehmen.

Michael Eberl ist so ein Audi-Urgestein. Aufgrund einer schweren Krebs-Erkrankung kam er erst nach sieben Jahren wieder in die Firma zurück. „Meinen früheren Arbeitsplatz im Motorenbau gab es nicht mehr“, erzählt der 53-Jährige. Zurück bei Audi, pflegte er für die Haus- und Hofmeisterei ganze zwei Tage lang Blumen-beete und jätete Unkraut, dann wurde er für die Aggregate-Auf be-reitung angeworben. „Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können“, sagt der hagere Mann und lächelt.

Echte Handarbeit: Aus rund 50 Einzelteilen besteht ein Anlasser – Michael Eberl muss den Überblick behalten.

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86 87Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Ein Signalton ertönt in der Halle. Die Pause ist vorbei, die Maschinen starten wieder. Zügig fallen die vom Strahlen gereinig-ten und blitzend sauberen Generatorgehäuse in den Metallkorb. An den Wänden stapeln sich diese Körbe aus Eisengitter, mit ferti-gen und unfertigen Aggregaten, dazwischen Behälter mit Dich-tungen, Blättchen und Schrauben. Michael Eberl arbeitet mit siche-ren Handgriffen gleichzeitig an drei Anlassern, die vor ihm einge-spannt sind. Erst ein Pinselstrich mit Fett, Kohlenbürstenhalter aufgesteckt, anschließend die Abdeckung verschraubt und dann testen, ob sich der Anker auch dreht.

Bis zu 350 Anlasser bauen er und seine Kollegen jeden Tag auf diese Weise. Dazu kommen ebenso viele Lichtmaschinen. Sie gehören zu Modellen aus dem gesamten Volkswagen-Konzern, die Produktpalette reicht vom Käfer aus den 1970er-Jahren bis hin zum aktuellen Audi Q7.

Vollautomatisierte Vorgänge sind bei dieser Arbeit die Ausnahme – hier ist Handarbeit angesagt. Und das seit über 40 Jahren. Damit gehört dieser Bereich zu den ältesten Abteilungen des Ingolstädter Automobilherstellers. In der Zeit wurden hier bis heute insgesamt über 6,8 Millionen Aggregate für ein zweites Leben vorbereitet. Würde man all diese Teile aneinanderreihen, sie würden auf der Autobahn von Ingolstadt bis nach Rom reichen.

Das Geschäft mit der Aufbereitung von Altteilen lohnt sich. Die Abteilung ist wirtschaftlich erfolgreich und ebenso aus ökologischer Sicht. Neben der Einsparung an Material-Ressourcen wird auch der Energie- und CO₂-Ausstoß gegenüber der Produk tion von Neuteilen reduziert. Pro Anlasser ergibt das eine Reduktion von mehr als zwei Kilogramm CO₂.

Neben Ökologie und Ökonomie hat aber die soziale Kom-ponente in diesem Bereich einen besonderen Stellenwert. Seit 16 Jahren arbeitet Michael-Andreas Spreng hier, seit drei Jahren in leitender Position. „Ich kenne meine Kollegen gut und kann über jeden eine kleine Anekdote aus seinem Leben erzählen“, sagt er. In seinem Büro steht der Mittvierziger vor einer großen Magnettafel mit 98 Gesichtern und erzählt von seinen Mitarbeitern und seinen neun Azubis. „Leistungsgewandelt oder nicht – man sieht es den Kolleginnen und Kollegen nicht an“, attestiert Spreng.

Auch Franz Eichinger nicht. Gut, er trägt Brille. Tatsäch-lich aber ist er nahezu blind. „Selbst mit der speziellen Brille sehe ich nur zu ungefähr 30 Prozent“, gesteht Eichinger. Optische Fein-heiten wie Risse und defekte Gewinde in Schrauben und Kolben kann er nicht erkennen. Dafür verlässt er sich bei seiner Arbeit auf andere Sinnesorgane: Fühlen und Hören.

Nur 30 Prozent Sehstärke: Dank langjähriger Erfahrung kann sich Franz Eichinger bei der Arbeit auf sein Fingerspitzengefühl verlassen.

Seit Bestehen der Aggregate-Aufbereitung wurden über 6,8 Millionen Geräte aufbereitet – aneinandergelegt

ergäben sie eine Strecke von Ingolstadt bis nach Rom.

Erleben Sie im Video, wie Aggregate für ein zweites Leben aufbereitet werden!www.dialoge.audi.de

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88 89Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Audi produziert seine Fahrzeuge nicht nur in Deutschland, sondern in Fertigungs stätten

weltweit. Ob ins chinesische Changchun oder ins indische Auran-ga bad: Auf ihre lange Reise in die ausländischen Werke gehen die Mo delle A4, A6 und Q5 nur in Einzelteilen – pro Fahrzeug können das – je nach Anteil des vor Ort produzierten ‚local content‘ – bis zu 2.000 Teile sein.

Zuständig für eine optimale Verpackung ist der CKD-Verpackungsbetrieb innerhalb der Internationalen Logistik von Audi, die nach ihrer Arbeitsweise ‚Completely Knocked Down‘ (CKD) benannt ist. Vom fünf Millimeter kleinen Clip für Wurzelholz-Ver-blendungen, über Airbags, Schaltknüppel und Sitze, bis hin zur kom plett lackierten Karosserie – in der knapp 11.000 Quadrat-meter großen Halle wird alles perfekt verpackt. Pro Woche werden so rund 60 Schiffscontainer für ihren Transport vorbereitet.

Um Umwelt und Ressourcen zu schonen, muss der Platz in den Containern und Verpackungen optimal ausgenutzt werden. „Wir wollen so wenig überflüssige Luft wie möglich durch die Welt schicken“, erklärt Hartmut Bartsch, Leiter der operativen CKD-Lo gis-tik. Jeden Tag arbeiten daran knapp 160 Mitarbeiter in zwei Schichten.

Über 40 Prozent von ihnen sind leistungsgewandelte Mitarbeiter mit körperlichen Einschränkungen. Manche dürfen nicht mehr als fünf Kilogramm heben, andere nicht den ganzen Tag stehen. Sie alle schaffen nicht mehr den Schichtbetrieb am Band. In der CKD-Logistik finden diese Audi-Kollegen aber einen neuen Arbeitsplatz.

Einer von ihnen ist Alfred Kopold. Bis 2008 arbeitete er im Bereich der Türmontage. Nach einer Operation am Knie fiel ihm das lange Stehen am Band immer schwerer. „Ich habe mich gequält, bis es nicht mehr ging“, erzählt der 46-Jährige heute. Dann wech-selte er zum CKD-Verpackungsbetrieb; hier wiegt er Muttern und Schrauben für Steuer ge räte und verpackt sie in kleine Kartons. Wäh rend dieser Arbeit kann sich Kopold, wenn ihm das Stehen mal schwerfällt, auch setzen.

Unterstützung bei der effektiven Behälterauslastung bekommen die Logistiker von dem Softwareprogramm ‚PackAssis-tant‘, das 2007 in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut entwickelt wurde. Und die Mitarbeiter tüfteln weiter an der Opti-mierung des Verpackungskonzepts: Im Rahmen ihrer Verbesse-rungsideen konnte 2010 die Beladung von über 200 Containern eingespart werden.

Mit einem Klingeln fällt die Buchse in den Auffang be-hälter, die Maschine zischt – für Eichinger das Zeichen für das Ende der Taktzeit. Mit sicherem Griff ertastet er zwei Buchsen – halt! Da ist ein Fehler. Also wiederholt er den Takt. „Fingerspitzengefühl ist entscheidend“, bestätigt er. Zusätzlich helfen ihm Erfahrung und Routine bei jedem Schritt. Er kennt jeden Handgriff, jeden Winkel in der Halle, jeden Bestandteil seiner Vormontage. Zudem könne er sich stets auf seine Kollegen verlassen. „Wenn ich Unterstützung brauche, weil ich etwas nicht genau erkenne, wird mir immer ge-holfen“, erzählt der 51-Jährige.

Auch Spreng betont: „Unser Team zeichnet sich durch ein hohes Maß an Toleranz und Hilfsbereitschaft aus. Kollegen springen ein, wenn Not am Mann ist.“ Nur so könne die Arbeit mit leistungsgewandelten Kollegen funktionieren. Spreng ergänzt: „Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und motiviert alle.“

In tausend Teilen um die Welt

„Toleranz und Hilfsbereitschaft im Team“: Michael-Andreas Spreng leitet seit 2009 die Aggregate- Aufbereitung von Audi.

Das Gewicht muss stimmen: Alfred Kopold verpackt Schrauben von Steuergeräten für ihre lange Reise zu Audi-Produktionen weltweit.

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90 91Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Prüf-Kommando: Die Qualität des Betriebs-wassers im Kreislauf wird ständig kontrolliert.

Klarer Fall

Wasser im Kreislauf Eine Automobilproduktion benötigt Wasser. Um diese kostbare Ressource zu schonen, wird Audi in naher Zukunft fast ausschließlich Betriebs wasser im Kreislauf nutzen. Damit soll das Werk noch weniger Frisch-wasser verbrauchen und noch weniger Abwasser erzeugen.

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92 93Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Wasser ist der Ursprung allen Lebens. 70 Prozent der Erde sind damit bedeckt, doch

nur ein Prozent davon ist verfügbares Süßwasser. Nicht umsonst trägt Wasser den Beinamen ‚blaues Gold‘. Audi weiß um die Bedeu-tung dieser Ressource: Durch die Nutzung eines Membran bio re-aktors (MBR) werden die wassersparenden Prozesse am Standort Ingolstadt kontinuierlich optimiert.

In dem Reaktor auf dem Werksgelände wird das Ab-wasser künftig in zwei Stufen aufbereitet. Zunächst reinigen Bak-terien das Wasser: Sie bauen organische Schadstoffe wie Lack löse-mittel ab, während sie anorganische Schadstoffe wie Schwer me-talle – zum Beispiel Nickel und Zink – an ihrer Oberfläche binden und diese somit zurückgehalten werden. In einem zweiten Schritt verhindern Membranen, dass die Bakterien ins Abwasser kommen. „Diese so genannte Ultrafiltration fehlt bei konventionellen Klär-anlagen. Wir nutzen dabei Membranen mit einer Durch lässig keit unterhalb des Mikrometerbereichs. Die sind so fein, dass sie eine absolute Barriere für Bakterien und Viren darstellen“, erklärt Dr. Antje Arnold vom Betrieblichen Umweltschutz. „Das aufbereitete Abwasser hat dadurch eine sehr gute Qualität und kann als Be-triebswasser* wiederverwendet werden.“

Durch die MBR-Technik wird der jährliche Frisch wasser-be darf für die Produktion in Ingolstadt um bis zu 40 Prozent redu-ziert – 500 Millionen Liter werden so gespart. Der Abwasseranteil soll um bis zu 50 Prozent sinken, der Sonderabfall um bis zu 20 Pro zent. Ein klarer Wettbewerbsvorteil für Audi: „Weltweit nutzt noch kein anderer Automobilhersteller einen Membranbioreaktor, um Wasser im Kreislauf zu nutzen“, unterstreicht Arnold. Erste Tests mit einer kleinen Versuchsanlage verliefen bereits über mehre-re Monate hinweg erfolgreich. Derzeit wird die Großanlage geplant, ab Mitte 2014 soll die neue Technik offiziell eingesetzt werden.

Audi führt seinen energieeffizienten und schonenden Umgang mit der Ressource Wasser damit konsequent fort. Zur Zeit werden im Ingolstädter Werk zwei verschiedene Wasserqualitäten genutzt: Trinkwasser wird nur im unbedingt notwendigen Maße ver wendet, etwa für die Duschanlagen der Mitarbeiter. Für alle anderen Zwecke wird Betriebswasser eingesetzt. So schöpft Audi sein Wasser beispielsweise aus den Lepsinger Quellen und werks-eigenen Karstbrunnen. Doch die Förderung aus diesen Brunnen ist begrenzt. Da der Betriebswasser- und Kühlbedarf des Werkes in den kommenden Jahren durch neue Gebäude aber weiter steigen wird, sichert Audi mit der Einführung des Membranbioreaktors zu-künftig die ökologische Wasserversorgung.

Ein weiterer Teil des Betriebswassers kommt direkt aus dem Himmel: Das Regenwasser wird auf 450.000 Quadratmetern Dach- und Parkplatzfläche gesammelt und in fünf Rückhaltebecken und zwei Stauraumkanäle geleitet. Bei Bedarf kann das Wasser von dort jederzeit entnommen werden.

Damit ein Teil des Betriebswassers nach der Nutzung wiederverwendet werden kann, wird es in einer Aufbereitungs an-lage gereinigt. „Wir wollen dabei die bestmögliche Qualität errei-chen“, betont Gerhard Scharrer, der im Ingolstädter Werk für die Wasser- und Abwasseranalytik zuständig ist. Der Diplom-Ingenieur wacht über alle Prozesse des Wasserkreislaufs: Zuerst werden die Schmutzpartikel in mehreren Stufen aus dem verwendeten Be-triebswasser entfernt, danach wird der ph-Wert eingestellt. An-schließend gelangt das Wasser über eine Pumpstation im Wasser-werk wieder in die Produktion. „Dann beginnt der Kreislauf von vorne. Rund um die Uhr bereiten wir so unser Betriebswasser auf“, sagt Scharrer.

Bezieht man die Kühlkreislaufsysteme mit ihrem Jahres-umsatz von knapp 36 Millionen Kubikmeter in die Rechnung mit ein, bleiben 95,8 Prozent des in Ingolstadt genutzten Wassers im Kreislauf des Werkes. Mit dem neuen Membranbioreaktor soll die-ser Anteil auf über 97 Prozent erhöht werden. Aus Sicht von Antje Arnold eine sehr gute Perspektive: „Wir arbeiten schon jetzt sehr sparsam und nachhaltig mit unserem Wasser. Mit dem Membran-bioreaktor gehen wir den nächsten großen Schritt auf dem Weg zur abwasserfreien Produktion.“

TextThomas Tacke

FotosStefan Warter

Hoch-Technologie: Auch beim Wasserkreislauf beweist Audi Vorsprung durch Technik.

Der Wasser-Fußabdruck in DeutschlandMit dem Wasser-Fußabdruck wird die Wassermenge angegeben, die während der Herstellungs-prozesse aller genutzten Produkte und Dienstleistungen in einem Land verdunstet, verbraucht oder verschmutzt wird. Die deutsche Bevölkerung verbraucht jährlich 160 Milliarden Kubikmeter Wasser – das entspricht der dreifachen Menge des Bodensees. Jeder Einwohner verbraucht direkt und indirekt 5.288 Liter pro Tag. Rund 50 Prozent davon entfallen auf den Wasserbedarf, der für das Importieren von Lebensmitteln und Industrie gütern aus der ganzen Welt aufgewendet werden muss. (Quelle: WWF Deutschland)

Vorbehandlung Biologische Stufe Ultrafiltration Filtrat

Vorteile:— höheres Schlammalter, bessere Spezialisierung— Ultrafiltration: Barriere für Bakterien (zum Beispiel Legionellen) und Viren— deutlich verbesserte Abwasserqualität— Wiederverwendung des Abwassers möglich

Membranbioreaktor (MBR)Kombination zweier Systeme

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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94 95Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Dicht besiedelt

Wohngemeinschaft: In den kleinen, schwarzen Kunststoffwürfeln befinden sich unzählig viele, mikroskopisch winzige, aerobe Bakterien.

Umweltschutz im Werk Brüssel One world, one standard – bei Audi gilt das nicht nur für die Qualität der Automobile, sondern ebenso für die Ressour-censchonung an den weltweiten Produktionsstandorten. So säubern im Werk Brüssel Bakterien das Schmutzwasser und Akkus werden zu einem zweiten Leben erweckt.

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97 Dialoge Umwelt

So arbeitet beispielsweise die Lackiererei in Brüssel heute mit Flatstream-Düsen*. Statt einem Arbeitsdruck von 120 Bar benötigen sie nur noch 30 bis 40 Bar, um Abdichtmasse auf die Karosserien aufzutragen. Dadurch entstehen weniger Sprüh ver-luste, zudem kann die PVC-Masse noch dünner als zuvor aufgetragen werden. Mehr als zwei Kilogramm Material pro Fahrzeug werden gespart. Seit in der Lackiererei alle PVC-Anwendungen durch Ka-me ra vermessung gesteuert werden, kann noch schneller appliziert und sogar auf zusätzliche Plastikabdeckungen verzichtet werden, die vor Farbspritzern schützten und danach verbrannt wurden.

Neben den neuen Düsen tragen zusätzliche Recycling-maßnahmen zur Effizienz der Lackiererei in Brüssel bei. So werden alle anfallenden Materialreste gefiltert, zurück ins Silo gepumpt und anschließend wiederverwertet. Dieses Verfahren spart mehr als 2.000 Kilogramm PVC-Masse pro Monat.

Früher wurden rund 14 Kilogramm Abdichtmasse für ein Auto benötigt. Durch die Effizienzmaßnahmen und Verände-rungen im Fahrzeugdesign konnte dieser Wert halbiert werden. Für Chris Merckx, Koordinator Instandhaltung Lackiererei, ist das Einsparpotential damit allerdings noch nicht ausgeschöpft. „Ziel ist es, den Materialverbrauch pro Fahrzeug auf sechs Kilo zu redu-zieren“, sagt er. Kein unrealistisches Vorhaben, denn im Lager war-tet schon die nächste Generation Roboter. Diese bewegen sich drei-dimensional gegenüber den alten Schwellerautomaten und können damit Linien noch präziser auftragen als bislang.

Für die Einhaltung höchster Umweltschutz-Standards wurde das Werk 2010 erneut von der Region Brüssel als „ecodyna-misches Unternehmen“* ausgezeichnet und erzielte mit drei Ster-nen die Bestwertung des regionalen Umweltzertifikats. Seit 2002 wird das Werk in Brüssel zudem jährlich nach dem Öko-Audit* der Euro päischen Kommission EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) zertifiziert.

Didier Dobbelaere hat seinen persönlichen Teil dazu beigetragen. Der Leiter der Montageversorgung kam vor einigen Jahren auf die Idee, die Speicherfähigkeit von gebrauchten Akku-schraubern zu optimieren. Ihm war aufgefallen, dass viele ihrer Batterien aufgrund der hohen Beanspruchung in der Montage schon nach wenigen Monaten weggeworfen werden mussten. Die Lade kapazität war im Laufe der Zeit zu gering geworden. Nach zwei Jahren Forschung entstand ein Speicherschrank, in dem abge-nutzte Batterien drei Tage lang kontinuierlich auf- und entladen werden. Damit lässt sich die Speicherkapazität wieder erhöhen und die Lebensdauer der Akkus verlängert sich durch dieses Verfahren um bis zu mehrere Jahre.

Von den Akkus, die entsorgt werden müssen, behalten Dobbelaere und seine vier Kollegen, die sich neben ihrem Tages-geschäft in der Montage dem Akku-Recycling widmen, das Gehäuse und andere Kleinteile zurück. So haben sie sich ein Materiallager geschaffen, mit dem sie kaputte Batterien reparieren können. Mit Erfolg. „Mittlerweile sind wir hier so anerkannt, dass viele Kollegen vorbeikommen und sogar Handy-Akkus bei uns optimieren lassen wollen“, sagt Dobbelaere und lacht.

Das Geheimnis verbirgt sich in kleinen, schwarzen Kunststoffwürfeln: Darin ‚woh-

nen‘ unzählig viele, mikroskopisch winzige, aerobe Bakterien. Ihr Auftrag: Schmutz fressen. Und den erfüllen sie sehr effektiv, hier im Klärbecken der großen Fahrzeug-Waschanlage im Werk Brüssel. Täglich laufen rund 500 nagelneue Audi A1 durch diese Anlage am Ende der Montagestraße, und rund 300.000 Liter Wasser sind im ständigen Umlauf.

Das Schmutzwasser läuft in ein Auffangbecken, in dem ein Schlammfang die Verunreinigungen sammelt. Das gefilterte Wasser wird anschließend in das Becken mit den Bakterien ge-pumpt. Diese ‚sitzen‘ auf den Kunststoffwürfeln, wachsen prächtig, wenn ihnen genug Sauerstoff zugeführt wird, und ‚fressen‘ die verbliebenen Schmutzreste im Wasser. Statt wie früher 150 Liter Wasser pro Auto gehen dadurch heute nur noch 30 Liter verloren – größtenteils durch Verdampfung. Die neue Anlage hat aber auch noch einen wei teren Vorteil, den besonders die Mitarbeiter schät-zen. „Seit die Bakterien das Wasser reinigen, stinkt das Schmutz-was ser nicht mehr“, sagt Anlagenplaner François Cauwe. So ist Um weltschutz immer auch Mitarbeiterschutz.

Die schmutzfressenden Bakterien sind nur ein Beispiel für die ressourcenschonenden Aktivitäten im Werk Brüssel. In den letzten fünf Jahren hat sich in der ‚Geburtsstätte‘ des Audi A1 ei-niges getan: Insgesamt wurden über 100 Projekte und Maßnahmen initiiert, die das Werk zu einem effizienten Produktionsstandort in allen Bereichen machen.

FotosStefan Warter

TextChristine Maukel

Tierpflege: Die Bakterienstämme halten das Wasser der Fahrzeug-Waschanlage sauber.

Akkupflege: Didier Dobbelaere konstruierte einen Speicherschrank, mit dem sich die Lebensdauer von Akkus verlängern lässt.

Die bakterielle Abwasserreinigung* mit aero-ben Bakterien ist keine Neuerfindung, denn sie beruht auf dem Prinzip der Selbstreinigungskraft natürli cher Gewässer. Unzählige aerobe Bakterien unterschied lichs-ter Art bauen dabei selbsttätig organische und anorga-nische Schadstoffe wie etwa komplexe Kohlen stoff-, Stickstoff- oder Phosphorverbindungen ab. Das Einzige, was sie dazu benötigen, ist genügend Sauerstoff.

Interview mit einem Bakterium

Könnten Sie uns Ihren klassischen Arbeitstag beschreiben?Wissen Sie, als Arbeit würde ich die Wasser-

reinigung nicht bezeichnen. Es ist schließlich eine Win-win Situation. Für Bakterien wie mich sind Schadstoffe im Wasser Energiequelle und Nahrung zugleich. Dass auch der Mensch davon profitiert, ist doch ein wunder-bares Beispiel für Synergie.

Und wie sieht Ihre Nahrungs- aufnahme genau aus?Wenn das verunreinigte Wasser bei uns an-

kommt, ist das quasi ein Festmahl. Wir nehmen Schad-stoffe durch unsere Zellwand auf und verwerten sie mithilfe von Sauerstoff. Übrig bleibt hinterher haupt-sächlich harmloses Kohlendioxid und Wasser. Sollten die Augen mal wieder größer als der Magen gewesen sein, können wir Stoffe, die wir nicht sofort verarbeiten, auch bei uns lagern.

Wie leben Sie im Wasser?Meine Kollegen und ich bilden, dichtge-

drängt, einen so genannten Biofilm* und der ist an eine Feststoff-Oberfläche, die Schaumstoff-Würfel, gebun-den. Damit wir nicht mit dem Wasser davon getragen werden. Da muss man natürlich Glück haben, dass man sich mit seinen ‚Mitbewohnern‘ versteht. Allerdings ist die Fluktuation recht groß. Denn in so einem Biofilm entstehen ständig neue Mikro-Organismen. Bei uns ist eben immer etwas los.

Bakterien – Die Putzkolonne der Natur

96 Dialoge Umwelt * Siehe Glossar, S. 146 –147

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Grenz-Erfahrung

Das Bild vom blauen Planeten Die Krisen, in denen die Menschen an die Grenzen des Wachstums gestoßen sind, konnten immer nur durch Einsatz innovativer Technik gelöst werden, schreibt der Journalist Dirk Maxeiner in seinem Essay. Nicht ein Horizont niedriger Erwartung und ein Denken in Grenzen brachte den Fortschritt, sondern der Wille zum Aufbruch ins Unbekannte.

Das Pferdeauktionshaus Fiss, Doerr und Ca-roll an der East 24th Street in New York zog

Ende des 19. Jahrhunderts tausende von Käufern an. Der sieben-stöckige, einen ganzen Häuserblock lange Stall platzte aus allen Nähten. Pferde waren das wichtigste Arbeits- und Transportgerät – und es wurden immer mehr. Die schweren Tiere bescherten den Bürgern der Stadt einen Alptraum. Die Zug tiere starben oft mitten auf der Straße, Pferdeepidemien legten immer wieder das Ge-schäfts leben lahm. Und Feinstaub war ein viel größeres Problem als heute: Der getrocknete und zu Staub zerfallene Pferdedung trug zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten bei.

Auch um die Unfallsicherheit war es katastrophal be-stellt: Pferde gingen durch, traten und bissen die Menschen. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts verdoppelten sich in New York die Kutsch- und Fuhrwerkunfälle, jedes Jahr waren fast 1.000 Todesopfer zu beklagen. Ein Großteil der chirurgischen Eingriffe galt den Folgen von Pferdeunfällen. Allein in der Innenstadt pro-duzierten die Pferde täglich 1.100 Tonnen Mist und 270.000 Liter Urin. In den Ställen türmten sich monatelang tausende von Kubik-metern Pferdeäpfel. Stadtverwaltung, Bürger und Medien blickten besorgt in die Zukunft und Fachleute stellten alarmierende Hoch-rechnungen an: Im 20. Jahrhundert werde der Pferdemist die Fen-stersimse im ersten Stock erreichen und New York daran ersticken.

Was die New Yorker nicht ahnten: Ein lauter Knall in einer Werkstatt im fernen Deutschland sollte aus der düsteren Zukunftsprognose bald Makulatur machen. 1886 setzte sich dort das erste Automobil in Bewegung – es revolutionierte das Trans-portwesen und veränderte nicht nur die Infrastruktur unserer Städte, sondern auch die Gesellschaft. Vorhergesehen hat das vor 100 Jahren niemand. Genauso wenig wie die Kernspaltung, die Verhütungspille oder den Computer. Und auch heute fällt es uns schwer, das ungeheure Potential neuer Erfindungen richtig zu er-kennen. Ganz einfach, weil solche Revolutionen oft vollkommen un spektakulär anfangen.

Es gibt da beispielsweise ein neues, trendiges Restau-rant in Berlin Mitte. Beim Blick in die Speisekarte staunt so mancher Gast. Man wirbt dort damit, dass fast alles unecht ist, was auf den Teller kommt. Egal ob Gulasch, Roulade, Weißwurst oder Wiener Schnitzel: Die Klassiker der gutbürgerlichen deutschen Küche sind in diesem Etablissement nicht aus Fleisch, sondern durchweg pflanzliche Imitate. Selbst die Desserts und Kuchen kommen laut Eigenwerbung „ohne Ei, Butter und Sahne“ aus. Zum Frühstück kann man sich sogar ein Rührei-Imitat bestellen. Des Rätsels Lö sung: Dieses Restaurant richtet sich ganz gezielt an so genannte Veganer. Also Menschen, die aus ethischen Gründen keinerlei tierische Pro-dukte essen. Ausgekochte Lebensmittel-Technik macht dieses ex-quisite Food-Design möglich.

Man mag das als spezielle Randerscheinung sehen, doch es könnte bei näherer Betrachtung sehr viel mehr dahinter stecken: nämlich ein kleines Lehrstück darüber, wie moderne Tech-nologie Ressourcen schont und die Grenzen des Wachstums immer wieder neu definiert. Nutztierhaltung ist ja nicht nur ethisch um-stritten, sie zählt zu den größten Umweltproblemen des Planeten. Auf der Welt leben heute über 1,3 Milliarden Rinder, fast eine Mil-liarde Schweine und 13 Milliarden Hühner. Besonders die Rinder haben sich zum großen Konkurrenten frei lebender Tier- und Pflan-zen arten entwickelt, indem sie ihnen direkt oder indirekt den Le-bens raum streitig machen.

Nicht Industrie oder Infrastruktur, sondern die unge-bremste Landwirtschaft in einigen Ländern ist der größte Feind der natürlichen Artenvielfalt. Während die Siedlungsfläche nicht ein-mal 0,5 Prozent der Kontinente ausmacht, wird etwa 40 Prozent der eisfreien Fläche des Planeten landwirtschaftlich genutzt, davon zwei Drittel als Weideland. Außerdem werden 40 Prozent der glo-balen Getreideernte und 20 Prozent des Fischfanges nicht direkt zu Lebensmitteln, sondern zu Futtermitteln verarbeitet. Dahinter steckt eine gigantische Kalorien-, sprich Energie-Verschwendung: Wird Getreide verfüttert, so benötigt man für die Erzeugung von einem Kilo Rindfleisch bis zu neun Kilo Getreide.

Das Nutztier, das der Mensch großzieht, lebt von in Pflanzen gespeicherter Sonnenenergie. Ein großer Teil davon wird aber – wie bereits erwähnt – nicht in Fleisch, sondern in tierische Abwärme sowie in problematische Stoffe wie Methangas und Gülle verwandelt. Die miserable Effizienz dieses Prozesses würde jedem Produktionsexperten in einem beliebigen Betrieb die Haare zu Berge stehen lassen. Und der Umweltbeauftragte würde sich wahr-scheinlich sofort vom Fabrikdach stürzen: Emissionen entweichen ungefiltert in die Atmosphäre und Millionen Tonnen Exkremente werden in die Landschaft, sprich auf die für die Lebens mittel pro-duktion vorgesehenen Felder gekippt. Man stelle sich einmal vor, etwas in dieser Art würden sich eine Chemiefabrik oder ein Auto-hersteller leisten. Der Laden wäre am nächsten Tag dicht. Die heu-tige Form der Fleischproduktion erinnert an die frühen Manu fak-turen, die mit ihren Schornsteinen und Abwässern hemmungslos Wälder und Flüsse ruinierten. Sie ist ein letztes Relikt der Industrie des 19. Jahrhunderts.

TextDirk Maxeiner

IllustrationenBernd Schifferdecker

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Und sie wird möglicherweise genauso verschwinden wie der Pferdetransport, den das Auto ersetzt hat. „Theoretisch ist es nicht notwendig, Tiere zu halten, um Fleisch zu produzieren“, schreibt der amerikanische Umweltjournalist Gregg Easterbrook in seinem Buch „A Moment On The Earth“. Agronomen und Bio techniker ar-beiten längst an verschiedenen Verfahren, das Tier in unserer Nah-rungskette schlichtweg zu überspringen. In Holland, so berichtet der Informationsdienst des Europäischen Institutes für Lebens-mittel- und Ernährungswissenschaften, wurde bereits ein Welt-patent angemeldet, um Fleisch in Zellkulturen zu erzeugen. „Das Endprodukt wäre vollwertiges Fleisch“, schreibt Gregg Easterbrook über solche Vorhaben, „allerdings würden die Zellen keinen Umweg mehr über ein lebendes und leidendes Tier nehmen.“ Eine Ent wick-lung, die vor 10.000 Jahren mit der Domes ti zierung der Nutztiere begann, könnte in den nächsten Jahrzehn ten wieder eine mit Tier und Natur versöhnliche Richtung einschlagen. Solch eine Techno-logie wäre einer der größten anzu nehmenden Fort schritte für den Umweltschutz, der einer wachsenden Menschheit mit wachsendem Fleisch-Appetit neue Spielräume eröffnen würde.

Einmal mehr würde dadurch der schottische Geistliche Thomas Robert Malthus widerlegt, der als der Vater pessimisti-scher Zukunftsdeutungen gilt. Seine Gedanken formulierte er 1798 in seinem „Essay on the Principle Population“ (zu Deutsch: Das Be-völkerungsgesetz). Seine Kernthese lautete, dass Bevölkerungszahl und Nahrungsmittelproduktion sich naturgesetzlich auseinander bewegen. Während sich die Ernte allenfalls linear steigern lasse, ver größere sich die Bevölkerungszahl exponentiell. Deshalb müs-sten viele Menschen an Hunger sterben, wenn es nicht gelänge, die Geburtenrate signifikant zu senken. Die tatsächliche Entwicklung hätte Malthus vermutlich erleichtert, denn sie verlief in den ange-henden Industrieländern, die er damals im Sinn hatte, vollkommen anders. Zwischen 1800 und 1900 hatten Europa und Nordamerika die am schnellsten wachsenden Gesellschaften. Europa verdoppel-te seine Einwohnerzahl, Amerika verzwölffachte sie. Eine Wende für deren Versorgung brachte die industrielle Revolution, die auch den Lebensstandard der Unterschichten nachhaltig verbesserte.

Dennoch stehen auch heute noch viele in der Tradition des malthusschen Denkens. Nach der bekannten Studie „Die Gren-zen des Wachstums“ aus den siebziger Jahren sollten bis zum Jahr 2000 viele wichtige Rohstoffe, darunter auch das Erdöl, erschöpft sein. Doch Erfindungsreichtum und die Entdeckung neuer, unbe-kannter Rohstoff-Vorräte brachten ungeahnten Fortschritt. Statt, wie befürchtet, zum Schauplatz humanitärer Katastrophen zu wer-den, stieg jene Region, die in den siebziger Jahren besonders be-droht erschien, beinahe kometenhaft auf: Südostasien. Die Men-schen in China, Korea oder Malaysia verfielen nicht in Hunger und Depression, sondern wurden zu entscheidenden Mitspielern der industrialisierten Welt. Die Entwicklung des einst von Nahrungs-knappheit besonders bedrohten Indiens wirft ein Schlaglicht auf die gewaltigen Leistungen, die die Menschen mit Hilfe neuer Tech-no logien vielerorts vollbracht haben. Von 1968 bis zur Jahrtausend-wende hat sich die Bevölkerung Indiens verdoppelt, seine Weizen-pro duktion mehr als vervierfacht, sein Sozialprodukt verneunfacht.

Technischer Fortschritt und wachsendes Umwelt be-wus stsein haben die Verhältnisse in den alten Industriestaaten zum Besseren gewendet. Und es wird sichtbar, dass auch die Schwel len-länder den Höhepunkt der Umweltverschmutzung überschritten haben. Es zeigt sich, dass sie den Transformationsprozess hin zu einer effizienten Volkswirtschaft sehr viel schneller durchlaufen als die frühen Kandidaten aus dem vorigen und vorvorigen Jahr hun-dert. Je später ein Land in die Industrialisierung eintritt, desto schnel ler entkoppeln sich Wirtschaftswachstum und Ressourcen-ver brauch. Das statische Denken in Grenzen und Verboten wird durch die dynamischen Prozesse des richtigen Lebens widerlegt – und zwar immer dann, wenn ein Mensch auf der Welt eine gute Idee hat.

Dies lässt sich seit der neolithischen Revolution mit der Erfindung von Ackerbau und Viehzucht ziemlich nahtlos bis in die Neuzeit verfolgen. Mit menschlicher Neugier, natürlichem For scher-drang und unbedingtem Wissen-Wollen ging es immer wieder voran. Die Welt ist und bleibt voller Überraschungen. Die Erfindung der Dampfmaschine, und damit die Möglichkeit zur Förderung von Kohle aus großen Tiefen, hat in Mitteleuropa den Wald gerettet. Zuvor war Brennholz der einzige Energieträger. Das Erdöl hat Walöl überflüssig gemacht – und so die Wale gerettet. Kunstfasern er-setzen ökologisch problematische Baumwoll-Monokulturen. Na-tür licher Kautschuk wurde durch synthetische Alternativen ersetzt, Glasfaserkabel ersparen dicke Kupferstränge. Erneuerbare Ener-gien werden immer effizienter und auch die fossilen Vorräte erle-ben derzeit einen Aufschwung. Die nächsten, sicher häufig revolu-tionären Überraschungen werden mit der extremen Digitalisierung unseres Lebens verbunden sein.

Die Evolution bleibt niemals stehen, sie leitet allenfalls um. Das lässt sich in der Natur, aber auch in der Menschheits ge-schichte bestens verfolgen: Sobald Rohstoffe knapp oder zu teuer werden, sinnt der Mensch nach Alternativen. Die Krisen, in denen die Menschen an die Grenzen des Wachstums gestoßen sind, konn-ten immer nur durch Veränderung und neuartigen Einsatz von Tech-nik gelöst werden. Nicht ein Horizont niedriger Erwartung und ein Denken in Grenzen brachte den Fortschritt, sondern der Wille zum Aufbruch ins Unbekannte.

Ein besonders schönes Beispiel dafür liefert die Raum-fahrt. Das aus dem All aufgenommene Bild des blauen Planeten veränderte das Bewusstsein der Menschheit. Das Foto unserer leuchtenden, farbigen Insel im dunklen Raum hatte eine unge-heure psychologische Wirkung und setzte eine globale Erkenntnis durch: Wir sind eine Welt. Die ökologische Bewusstseins verän de-rung der Weltgesellschaft ist somit auch der unvorhergesehene Verdienst einer Hochtechnologie. Pikanterweise haben Umwelt- und Naturschützer den Aufbruch des Menschen fast immer skep-tisch begleitet, mit einigen Ausnahmen wie Jacques Cousteau. Das wirkungsvollste ökologische Dokument des 20. Jahrhunderts ver-dankt die Menschheit nicht dem Ruf nach Grenzen, sondern dem Gegenteil: der Sehnsucht, Grenzen zu überwinden.

Das aus dem All aufgenommene Bild des blauen Planeten veränderte das Bewusstsein der Menschheit. Das Foto unserer leuchtenden, farbigen Insel im dunklen Raum hatte eine ungeheure psychologische Wirkung und setzte eine globale Erkenntnis durch: Wir sind eine Welt. Dirk Maxeiner

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Sauber ans Meer

Der Erfolg von Audi beruht auch auf der star-ken Position der Marke auf den weltweiten

Exportmärkten: Gut 80 Prozent der 1,3 Millionen Autos, die das Unternehmen im Rekordjahr 2011 absetzte, fanden ihre Käufer im Ausland. Viele von ihnen legen einen Teil des Weges mit grüner En ergie zurück: Seit zwei Jahren fahren die drei Audi-Transportzüge vom Werk Ingolstadt zum Nordsee-Verladehafen Emden Tag für Tag mit Strom aus regenerativen Energiequellen.

Bei den etwa 150.000 Autos, die hier im Jahr bewegt werden, fallen für die 761 Kilometer lange Strecke insgesamt rund 5.250 Tonnen CO₂-Emissionen weniger an – eine Ersparnis von über 35 Kilogramm pro Auto. „Der CO₂-freie Bahntransport ist ein wich-tiger Schritt auf dem Weg zur CO₂-neutralen Mobilität“, erklärt Dr. Michael Hauf, Leiter Markenlogistik Audi.

Beim CO₂-neutralen Schienengüterverkehr mit der Bezeichnung ‚Eco Plus‘ handelt es sich um ein Angebot von DB Schenker, dem Logistik-Bereich der Deutschen Bahn. Bei Trans-porten im inländischen Streckennetz wird die benötigte Energie komplett durch regenerativ erzeugten Strom aus Deutschland er-setzt, den die Deutsche Bahn zusätzlich einkauft. Audi trägt die Mehr kosten im Vergleich zur Versorgung mit konventionellem Strom, DB Schenker investiert einen Teil der Erlöse gezielt in Pro-jekte im Bereich der erneuerbaren Energien.

Beim Einsatz von Ökostrom im Güterverkehr ist Audi Vorreiter in der Automobilbranche: Der Premiumhersteller war der Erste, der den CO₂-neutralen Transport genutzt hat, und arbeitet auch als Entwicklungspartner mit DB Schenker zusammen. „Mit dieser Umstellung unterstreichen wir als Erstanwender unseren progressiven Charakter und unser nachhaltiges Denken“, betont Hauf. „Und wir denken intensiv darüber nach, dieses Verfahren wei-ter auszubauen.“

Die Marke mit den Vier Ringen setzt schon seit vielen Jahren auf ressourcenschonende Logistik: Gut 70 Prozent der Audi-Modelle aus Ingolstadt erreichen heute ihre Zielorte mit der Bahn, 36 Prozent davon mit regenerativ erzeugtem Strom. Viele große Bauteile werden ebenfalls auf der Schiene transportiert.

Darüber hinaus nutzt Audi die Bahn für den umfang-reichen Verkehr zwischen den Standorten Ingolstadt und Győr. Aus Bayern reisen die lackierten Karosserien und Anbauteile des Audi TT in doppelstöckigen Waggons zur Montage ins nordwestliche Ungarn. Als fertige Automobile kehren sie auf der 610 Kilometer langen Schienenstrecke nach Ingolstadt zurück, begleitet von den Motoren, die in Győr für die gesamte Modellpalette entstehen.

In den vergangenen 14 Jahren haben die Züge auf der Strecke zwischen Győr und Ingolstadt rund zwölf Millionen Schie-nenkilometer zurückgelegt und damit etwa 390.000 Lkw-Fahrten ersetzt – eine jährliche Reduktion von 36.000 Tonnen CO₂. Bei die-ser Bilanz spielt der hohe Anteil von aus Wasserkraft erzeugtem Strom eine wichtige Rolle.

Grundsätzlich ist Audi bestrebt, so viele Transporte wie möglich auf die Schiene zu bringen. Weil dies jedoch nicht immer möglich und sinnvoll ist, existiert auch ein Straßen-Netzwerk, das vor allem dem Teilezufluss von den Lieferanten dient. Bei Lkw-Transporten bündelt Audi die Lieferungen im Konzernverbund in so genannten Konsolidierungszentren, um sie von dort mit voll ausgelasteten Lkw in die Werke zu transportieren.

CO₂-neutrale Autotransporte Der größte Teil der Audi-Fahrzeugproduktion geht in den Export. Pro Jahr reisen etwa 150.000 Fahrzeuge CO₂-neutral zum Nordsee-Verladehafen Emden – denn die Züge, die sie befördern, nutzen regenerativ erzeugten Strom für ihren Antrieb.

TextJohannes Köbler

FotoStefan Warter

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Bernd Martin ist zufrieden: „Mit dieser Aktion hat Audi ungewöhnlich gute Erkenntnisse über den Untergrund: Derart auf-wändige geologische Untersuchungen auf einem Betriebsgelände sind höchst selten. Wir wissen jetzt ganz genau, wie es unter un-serem Werk aussieht.“ Die Kenntnisse aus der Unter grund er kun-dung eröffnen Audi neue Möglichkeiten für einen vorbeugenden Umweltschutz: Bei künftigen Bauvorhaben können die Eingriffe in Untergrund und Grundwasser möglichst klein gehalten werden.

An einem konkreten Beispiel wird das deutlich: Am Standort eines geplanten Hallen-Neubaus, dessen Stützpfeiler bis zu zehn Meter tief in die Erde reichen werden, ist der Untergrund deutlich härter, stabiler und weniger von Grundwasser durchströmt als zuvor bekannt war. „Wir haben zum ersten Mal bis in den hier vor kommenden Muschelkalk gebohrt und dabei festgestellt, dass das Grundwasser durch unsere Bauarbeiten nicht gefährdet ist“, freut sich Bernd Martin über die guten Nachrichten aus der Tiefe.

Aus geologischer Sicht ist Neckarsulm ein besonderer Standort: Seit jeher prägt der Neckar die Landschaft, das Flüsschen Sulm mündet nahe des Audi-Werksgeländes darin. Die so genannte Heilbronner Mulde ist durch Jahrmillionen andauernde Aus lau-gungs prozesse im Untergrund entstanden. Sie weist unterschied-liche geo logische Schichten – Unterkeuper* im Süden und Muschel-kalk im Norden – sowie mächtige Salzlagerstätten in etwa 180 Metern Tiefe auf.

Dies weckte schon früh das Interesse der Geowissen-schaftler. Wer hier zu bohren beginnt, stößt nach sechs bis acht Metern mit Flussablagerungen – Steine, Kies, Sand und Auelehm – zunächst auf Keuper und dann auf Muschelkalk. Die zeitliche Dimension, die sich mit einer Bohrung erschließen lässt, reicht von einigen tausend Jahre altem Neckarkies bis zum Muschelkalk, des-sen Ausgangssedimente vor rund 235 Millionen Jahren abgelagert wurden. So wurde die Prüfung jedes Bohrkerns in Neckarsulm auch zur erdgeschichtlichen Unterrichtsstunde.

Unter Tage

Tiefe Erkenntnis Erforschung des Untergrunds als vorbeugender Umweltschutz: Bauvorhaben an den Audi-Standorten sollen so geringe Umweltaus- wirkungen wie möglich haben. Dafür werden in Neckarsulm die Tiefen unter dem Werk mit großem Aufwand geologisch erkundet.

Bernd Martin weiß jetzt ganz genau, was un ter dem Werksgelände Neckarsulm liegt.

Der Beauftragte für den Betrieblichen Um weltschutz am Standort hat viel über die unterschiedlichen geologischen Schichten und Formationen gelernt, er hat die Farben und die Struktur des Ge-steins selbst gesehen und auch die Fließrichtung des Grund wassers im Kalkstein ist ihm nun vertraut.

Quelle der Erkenntnis sind umfangreiche geologische Untersuchungen: An fünf verschiedenen Stellen drangen im ver-gangenen Jahr Bohrkronen mit Durchmessern zwischen 14,6 und 31,1 Zentimetern bis zu 38 Meter tief ins Erdreich ein. Dabei kamen die unterschiedlichen geologischen Schichten als Bohrkerne ans Tageslicht. Sie wurden präzise in Kisten gesichert und anschließend mit einer hochauflösenden Kamera dokumentiert. Zudem haben die beauftragten Geologen ihre Erkenntnisse aus den Bohrungen in einer zweidimensionalen Darstellung zusammengefasst. In zwi-schen sind die Erkundungsbohrungen auf dem knapp ein Quadrat-kilometer großen Werksgelände zu Messstellen ausgebaut wor-den, um das Grundwasser zu beobachten – für den zufälligen Be-trachter nahezu unsichtbar.

TextPaul-Janosch Ersing

Sauber sortiert: Die Bohrkerne, jede Box für einen Meter, zeigen die geologische Schichtung des Untergrunds präzise.

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Bereits das Hintergrundbild seines Mobiltelefons zeigt Franz-Xaver Schäfflers Lieblingstier: kleine schwarze Knopf augen, seidiges braun-schwarzes Fell, große Oh-ren und zwei scharfe Eckzähne. Fledermäuse faszinieren den Audi-Mit arbeiter aus dem Vorseriencenter schon seit fast 30 Jahren.

Doch sein Interesse endet nicht bei der Fas-zination. Schäffler kümmert sich um die Fledermäuse, die sich auf dem Werksgelände verirren, verletzen oder eine gefährdete Hangstelle aufgesucht haben. Als Mit-glied der Na turschutzwacht Ingolstadt betreut Schäffler zudem die Fledermausquartiere in der Stadt Ingolstadt und im Landkreis Eichstätt.

Verletzte Tiere nimmt er mit nach Hause, um sie zu untersuchen und aufzupäppeln. Die hung-rigen Fledermäuse füttert der ‚Ziehvater‘ mit Milch und Mehl würmern. „Es ist jedes Mal aufs Neue ein unbe-schreibliches Gefühl, wenn ich die genesenen Tiere wieder auswildern kann.“ Bis zu 400 Fledermäuse hat Schäffler bereits daheim gepflegt. „Ein wahrer Full-Time-Job. Der Schutz und die Pflege dieser Tiere ist zu meinem Alltag geworden.“

Auch beim Schaffen neuer Unterschlüpfe auf dem Werksgelände ist Schäffler aktiv. Denn wegen der Baumaßnahmen und der sich immer wieder verän-dernden Gebäudestrukturen auf dem Gelände brau-chen die Fledermäuse immer wieder neue Quartiere.

Fledermäuse

Franz-Xaver Schäffler: Fledermäuse, wie diese Breitflügel-Fledermaus, haben es ihm angetan. Er kümmert sich um ihre Schlafplätze und pflegt kranke Tiere gesund.

Die sympatischen Tiere näher an die Menschen bringen und ihre Schutzbedürftigkeit bewusst zu machen, habe ich mir zum Ziel gesetzt. Franz-Xaver Schäffler

Passion! Mit Leidenschaft für die Umwelt

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Hoteliers: Die Baumeister des Hotels warten gespannt auf ihre ersten Gäste.

Ein Hotel für Insekten? Mit diesem Umweltprojekt ha-ben die Audi-Azubis im Bereich Fertigungsmechanik et was Besonderes auf die Beine gestellt. Vor allem Wild-bienen und Wespen finden hier den Unterschlupf, der ihnen in ihrer natürlichen Umgebung zunehmend ver-loren geht. In den Hohlräumen des Hotels legen die In-sekten ihre Eier ab – dort können sich die Larven unge-stört entwickeln.

Andreas, Anil, David und Nico sind vier der Azubis, in deren Nistkästen auf vier Stockwerken tausen-de der kleinen Gäste logieren können. „Es hat nicht nur Spaß gemacht, das Insekten-Hotel aufzubauen, son-dern es ist vor allem cool, damit einen eigenen Beitrag für die Umwelt zu leisten“, sagt Nico Ziegler. Insgesamt etwa 100 Auszubildende arbeiteten im Walder lebnis-zentrum Schernfeld in der Nähe von Ingolstadt an den ersten Insekten-Unterkünften: Holz fällen, zurecht sägen und daraus das Grundgerüst konstruieren. Und anschließend mit ausgebohrten Holzrundstücken, Schilf und Holunderstengel die ‚Zimmer‘ dekorieren. Ein wei-te res Insekten-Hotel steht inzwischen vor dem Audi-Bildungszentrum. Hier können die Azubis immer wie-der nach ihren Schützlingen schauen. „Wir freuen uns, dass die Insekten auf dem Werksgelände ein neues Zu hause haben. Und dass wir das Resultat unserer Ar-beit direkt vor Augen haben“, sagt Andreas Schuster.

Doch mit den Insekten ist es nicht getan, die Azubis bekennen sich weiter zu ihrer ökologischen Ver-antwortung. Das nächste Projekt ist schon in Planung: eine Eichen-Pflanzaktion. Die Zöglinge dafür sind be-reits gezüchtet, die Spaten liegen bereit.

Insekten-Hotel

Es hat nicht nur Spaß gemacht, das Insekten-Hotel aufzubauen, sondern es ist vor allem cool, damit einen eigenen Beitrag für die Umwelt zu leisten. Nico Ziegler

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REKU PERATION

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Verlust wird zu Gewinn In vielen Bereichen der Entwicklung und Produktion gewinnt Audi mit intelligenter Technik Energie zurück. Vier Beispiele aus dem Werk Neckarsulm.

TextJohannes Köbler

FotosStefan Warter

Bandschneideanlage Stop and Go im Blech-Verkehr

Im Presswerk von Audi im Werk Neckarsulm walten enorme Kräfte – die größten Transfer-Pressen bringen Teile wie den Seitenwandrahmen des Audi A6 mit bis zu 8.000 Tonnen Presskraft in Form. Im Eingang der Presse schneidet eine Bandschneideanlage die be-nötigten Blechplatinen aus dem ‚coil‘, dem großen Stahl-band, heraus. Das ‚coil‘ bewegt sich im Stop-and-Go-Betrieb. Für jeden Schnitt werden die Elektro mo toren, die mit 200 kW Leistung für seinen Transport sorgen, für einige Sekunden angehalten.

Audi schlägt daraus Kapital: Der Energie-über schuss, der beim Abbremsen entsteht, wird in der Anlage, die einen eigenen Stromkreis bildet, aufgefan-gen und den Antriebsmotoren erneut zur Verfügung gestellt. Die Rekuperationstechnik* verringert den Strom verbrauch um rund 120 MWh im Jahr. Darüber hinaus speist die Bandschneidanlage jährlich weitere 12,5 MWh ins Stromnetz des Werkes ein.

Zurückgewonnene Energie: Über 120 MWh jährlich.

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Motorprüfzentrum Die E-Maschine hält dagegen

Das 2011 in Betrieb genommene Motor-prüfzentrum von Audi in Neckarsulm ist State of the Art. Auf seinen 54 Prüfständen finden pro Jahr etwa 1.600 Motorentests statt, bei denen die Aggregate in den verschiedensten Kriterien geprüft werden – von Leistung und Verbrauch über thermische Stabilität bis zur Dauerbelastbarkeit.   

Alle Motoren auf den Prüfständen sind  mit Katalysatoren ausgerüstet, die TDI-Motoren mit Par-tikel filtern. Die großen Asynchronmaschinen, die auf vielen Prüfständen als Belastungsmaschinen dienen, können die kinetische Energie der Verbrennungs mo-toren bis zu 86 Prozent zurückgewinnen. Im Jahr kom-men dadurch über 5.000 MWh Strom zusammen.

Zurückgewonnene Energie: Über 5.000 MWh jährlich.

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Gebäudetechnik Modernste Technologie für das Innenklima

Das Motorpüfzentrum Neckarsulm ist streng nach energetischen und Umwelt-Gesichtspunkten kon-zipiert. Die Außenhaut des Gebäudes fängt einen groß-en Teil der Lärmemissionen auf. In seinem Inneren sind hochmoderne raumlufttechnische Anlagen mit integ-rierter Wärmerückgewinnung installiert. Eine zentrale Leittechnik steuert sie bedarfsgerecht und ressourcen-schonend. Die Kühlanlage arbeitet in Abhängigkeit von der Außentemperatur, deshalb ist der Einsatz von Kälte-maschinen in weiten Bereichen nicht erforderlich.

Erleben Sie im Video, wie bei Audi Energie wiedergewonnen wird!www.dialoge.audi.de

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ABS-Prüfstand Bremsen bringt Energie zurück

Nach der Montage durchläuft jeder Audi im Werk Neckarsulm eine Reihe von Prüfstationen. Eine davon ist der so genannte ABS-Prüfstand. Hier geht es darum, die Bremsanlage zu checken und den Motor in einem festgelegten Fahrprofil für den anschließenden Leistungstest auf Temperatur zu bringen. Der Zyklus dauert etwa fünf Minuten.

Zwei Drehstrom-Asynchronmaschinen trei-ben die Rollen des Prüfstands an, beim Bremsen gewin-nen sie im generatorischen Betrieb Energie zurück. Die Rekuperationsmenge* beträgt bei voller Auslastung pro Tag im Schnitt 193 kWh, im Jahr kommen bis zu 47 MWh zusammen. Der zurückgewonnene Strom fließt in das Netz des Anlagenverbunds.

Zurückgewonnene Energie: Bis zu 47 MWh jährlich.

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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KLT-Lager 15 effiziente Aufzüge für 160.000 Stellplätze

Im Jahr 2010 hat Audi im Werk Neckarsulm ein neues Logistikcenter für seine so genannten Klein-ladungsträger (KLT) in Betrieb genommen. Hier werden in jeder Stunde durchschnittlich 1.300 Behälter für Tei-le wie Blenden, Türgriffe, Navigationsgeräte oder Steu-er geräte automatisiert umgeschlagen.

Das Hochregallager ist 19,5 Meter hoch und bietet etwa 160.000 Stellplätze. 15 vollautomatisier-te Regalbediengeräte, die wie kleine Lastenaufzüge konzipiert sind, fahren sie an. Die Energie, die sie wäh-rend der Fahrt aufnehmen, wird beim Bremsen in Strom umgewandelt, er kommt dem Antrieb der Geräte und dem Versorgungsnetz zugute. Dadurch ergibt sich eine Energieeinsparung von etwa 25 Prozent, im Jahr sind es 100 MWh Energie. In der Summe vermeiden alle res-sourcenschonenden Maßnahmen im neuen Logis tik-center – darunter auch eine Heizung, die die Abwärme aus Versorgungsgebäuden nutzt – im Jahr bis zu 500 Tonnen CO₂.

Zurückgewonnene Energie: 100 MWh jährlich.

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Audi A6 hybrid Autofahren ohne lokale Emissionen

Die Rekuperation* trägt auch beim neuen Serienmodell Audi A6 hybrid stark zur hohen Effizienz bei. Die Limousine vereint die Kraft eines V6 mit dem Verbrauch eines Vierzylinders. Mit 180 kW (245 PS) Sys-temleistung und 480 Nm Systemdrehmoment sprintet sie in 7,3 Sekunden von null auf 100 km/h, die Spitze liegt bei 238 km/h. Der Normverbrauch bleibt jedoch unter 6,2 Liter pro 100 Kilometer – eine CO₂-Emission von weniger als 145 Gramm pro Kilometer.

Der Audi A6 hybrid kann sich bis 100 km/h Tempo rein elektrisch bewegen; bei konstant 60 km/h beträgt seine Reichweite drei Kilometer. Er kann allein mit dem Verbrennungsmotor oder im Hybridmodus fahren; bei starker Beschleunigung aktiviert er beide Motoren gemeinsam. Und beim Verzögern gewinnt er in hohem Maße Energie zurück. Spezielle Anzeigen im Kombiinstrument und auf dem MMI-Monitor visualisie-ren die unterschiedlichen Fahrzustände.

Der Verbrennungsmotor, ein 2.0 TFSI mit 155 kW (211 PS) und 350 Nm Drehmoment, arbeitet mit einer E-Maschine zusammen, die 40 kW (54 PS) und 211 Nm Drehmoment abgibt. Der Elektromotor sitzt direkt hinter dem TFSI, er nimmt den Raum des Dreh-momentwandlers vor der modifizierten Achtstufen-tip-tronic ein. Das Hybridgetriebe schickt die Momente an die Vorderräder.

Die leichte und kompakte Lithium-Ionen-Batterie sitzt im Gepäckraum. Sie stellt 1,3 kWh No-minalenergie bereit und wird je nach Bedarf auf zwei Wegen mit Luft gekühlt – über ein Gebläse aus dem In nenraum und über einen eigenen Kältekreislauf. Diese Technologie hält den Akku über weite Bereiche im ge-eigneten Temperaturfenster, damit gewährleistet sie den großen elektrischen Fahranteil.

Daten

Systemleistung 180 kW (245 PS)

Kraftstoffverbrauch (innerorts) 6,2 (l/100 km)

Kraftstoffverbrauch (außerorts) 6,2 (l/100 km)

Kraftstoffverbrauch (kombiniert) 6,2 (l/100 km)

CO₂-Emission (kombiniert) 145 g/km

Audi A6 2.0 TFSI Hybrid

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Captain Future

Fabrik der Zukunft Autos aus nachwachsenden Rohstoffen, gebaut von Robotern, die sich selbst programmieren. Sieht so die Fabrik im Jahr 2050 aus? Und welche Rolle spielt dabei der Mensch? Ein visionärer Blick in die Zukunft der Automobilproduktion.

Michael Breme, der Leiter des Audi- Werkzeugbaus, und Arne Lakeit, der Leiter der Produktions- und Werksplanung bei Audi, diskutieren über Produktionstechnologien von morgen und übermorgen.

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„Niemals werden wir dabei auf die Ressource Mensch verzichten“, sagt Lakeit, „auch nicht im Jahr 2050.“ Aufgrund des vor anschreitenden demografischen Wandels wird sich die Alters-struktur jedoch deutlich in Richtung älterer Mitarbeiter verschie-ben. Mit ihrer Erfahrung und Fachkompetenz werden sie künftig den wesentlichen Bestandteil eines ‚wissenden Audi-Kollektivs‘ darstellen. Breme erklärt: „Auf ihre gesundheitlichen Bedürfnisse müssen wir allerdings besondere Rücksicht nehmen.“ Bereits heute werden die Mitarbeiter in der Produktion bei körperlich anstren-genden Tätigkeiten oder Arbeitshaltungen von Robotern ergono-misch unterstützt. In den kommenden Jahren wird sich der Um-gang zwischen Mensch und Maschine verändern. Die Schnittstelle wird fließender, so dass Arbeitsschritte wie selbstverständlich Hand in Hand gehen. Lakeit blickt voraus: „Es wird eine echte Kooperation sein – respektvoll, wertschätzend, sicher und damit frei von Ängsten.“

„Das Zusammenspiel der Maschinen untereinander ist ein weiteres Beispiel“, ergänzt Michael Breme. „Früher vergingen Monate vom Aufbau der Anlagen bis zum Start der Serien pro duk-ti on: Hardware aufstellen, verkabeln, erst dann programmieren.“ Dank der virtuellen Inbetriebnahme werden heute nur noch weni-ge Wochen dafür benötigt, Roboterbewegungen werden bereits vor Aufbau einer Produktionsanlage optimiert. Sobald alle Maschi-nen in einer neuen Werkshalle verkabelt sind, braucht das Pro-gramm nur noch aufgespielt werden. Dieses Plug-and-Play, also Anschließen und Loslegen, ermöglicht auch die nahtlose Inte gra-tion zusätzlicher Fahrzeugvarianten in die laufende Fertigung.

„Im Jahr 2050 aber werden sich die Maschinen ihre Steuerungsprogramme längst selbst schreiben“, ist Lakeit über-zeugt. „Wir werden einer Anlage lediglich sagen, was wir von ihr er warten. Sie vernetzt sich dann selbständig mit den kooperie-renden Robotern.“ Gemeinsam legen die Maschinen fest, wer welche Aufgaben erledigt. „Selbstverständlich wird es auch keine Kabel-stränge mehr geben“, fügt Breme hinzu. Denn die Kommunikation zwischen den Robotern und Produktionsanlagen wird verlustfrei über Funk erfolgen. Breme: „Kabel sind für den Informationsfluss leider ein Flaschenhals.“

Intelligente Werkzeuge gehören für Michael Breme bereits zur nahen Zukunft. Karosseriewerkzeuge, die heute rein me chanisch arbeiten, sollen mit Hilfe eingebauter Sensoren und Aktoren ‚schlau‘ werden. Die Sensoren messen Druck, Temperatur oder andere wichtige Prozessdaten und liefern Aussagen über die Bauteilqualität. Ändert sich zum Beispiel während eines Tief zieh-prozesses* die Blechdicke zu stark, kann der Vorgang gestoppt wer-den. „Unsere Vision ist es, in so einem Fall über Aktoren sofort ein-greifen zu können, damit Verzögerungen im Produktionsablauf gar nicht erst entstehen“, verdeutlicht Breme.

Der Mitarbeiter der Zukunft wird den Robo-ter der Zukunft ganz einfach an die Hand

neh men. Und zwar im wörtlichen Sinne: Durch einfaches Zeigen lehrt er die Maschine, was er von ihr erwartet. Danach wird der Ro-boter das gewünschte Bauteil holen und ihm vorsichtig übergeben – bei absolut gefahrloser Berührung. Der Mensch kann sich so voll auf den wertschöpfenden Teil der Arbeit konzentrieren. „Die Ar-beitsbedingungen und Abläufe in der Fabrik von morgen werden durch die perfekte Mensch-Maschine-Interaktion ideal aufeinan-der abgestimmt sein“, erwartet Michael Breme, der Leiter des Audi-Werkzeugbaus.

Die neue Form der Kooperation zwischen Mensch und Maschine ist noch eine der ‚einfacheren‘, für den Laien nachvoll-ziehbaren Visionen von Michael Breme und Arne Lakeit, dem Leiter der Produktions- und Werksplanung. Beide sind ‚Produktioner‘, beide befassen sich täglich mit Themen der Zukunft. Ihre Auf ga-ben gebiete ergänzen sich dabei: Während Lakeit die gesamte Pro-zesskette der Fahrzeugherstellung plant und umsetzt, stellt Breme die benötigten Betriebsmittel zur Verfügung. Beginnend mit dem Anlagenlayout bis zum Produktionsstart arbeiten ihre Bereiche eng zusammen. Ausgehend von heutigen Technologien und Arbeits-bedingungen entwerfen sie die Zukunft des Fahr zeug baus – durch-aus visionär, über Jahrzehnte hinweg.

Illustrationenstapelberg&fritz

TextPatricia Piekenbrock

Kommunikation Komplexe Fertigungsanlagen werden ihre Arbeitsabläufe selbst organisieren und sich kabellos austauschen.

Ergonomie Roboter werden die Menschen bei allen körperlich anstrengenden Arbeiten unterstützen.

Programmierung Menschen werden den Robotern sagen, was sie von ihnen erwarten, dann programmieren sich die Maschinen selbst.

Niemals werden wir dabei auf den Menschen verzichten, auch nicht im Jahr 2050. Aufgrund des voranschreitenden demografischen Wandels wird sich die Altersstruktur deutlich in Richtung älterer Mitarbeiter verschieben. Mit ihrer Erfahrung und Fachkompetenz werden sie künftig den wesentlichen Bestandteil eines ‚wissenden Audi-Kollektivs‘ darstellen. Arne Lakeit

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Aber wie erkennt man die Trends, die wichtigen Tech-nologien der Zukunft überhaupt? Arne Lakeit gibt die Antwort: „Die Menschen brauchen Freiräume zum Querdenken. Unsere Aufgabe ist es, eine kreative Atmosphäre zu schaffen.“ Audi hat dafür im Rahmen seiner Produktionsstrategie das Handlungsfeld Inno va-tions- und Kompetenzmanagement aufgebaut. „Querdenken be-deutet aber nicht, die Bodenhaftung zu verlieren“, warnt der Pla-nungschef. „Nicht jede neue Idee trifft ins Schwarze, aber vielleicht eröffnet sie neue Perspektiven.“

Natürlich nutzt Audi auch die Möglichkeiten der wissen-schaftlichen Szenariotechnik. Ausgehend von der Konzernstrategie überlegen sich die Kollegen aus Werkzeugbau und Fertigungs-planung zunächst die Rahmenbedingungen für die Produktion. Sie entwerfen Umfeldszenarien für unterschiedliche Zukunfts aus-sichten, dazu werden Ideen für neue Prozesse, Strukturen und Be-triebsmittel geboren. „In unserer Strategie-Fabrik bringen wir In no vation und Vision zusammen“, erklärt Lakeit. „Unser Werk Győr ist zum Beispiel die Antwort auf das Wachstumsszenario. Es prognostizierte hohe Stückzahlen, mehr Fahrzeugmodelle und Va-rianten. Der neue Produktionsstandort bringt all diese Anfor de-rungen sowie hohen Umweltschutz unter einen Hut.“

Auf absehbare Zeit wird es zu den Kernaufgaben der Automobilproduktion gehören, verschiedene Materialien sicher mit-einander zu verbinden. „Zur Ressourcenschonung wäre es natürlich ideal, wenn wir trotz Mischbauweise nur noch Klebstoffe oder alter-native Ansätze und keine anderen Fügetechnologien wie Schweißen mehr bräuchten“, sagt Lakeit. So arbeiten seine Mit arbeiter heute an der Molekularstruktur von Klebern: Werkstoffe mit unterschied-lichsten Eigenschaften (zum Beispiel Stahl, Alu minium, andere Leichtmetalle, faserverstärkte Kunststoffe) kön nten damit künftig problemlos, sicher und zuverlässig verbunden werden.

„Dass wir im Jahr 2050 nur recycelbares und nachwach-sendes Rohmaterial – wie zum Beispiel Biopolymere* – einsetzen, versteht sich ja von selbst“, setzt Lakeit seine Gedankenkette fort. „Aber die Frage ist auch, ob wir in ferner Zukunft für eine Karosserie überhaupt noch einen Mix an Materialien benötigen?“ Denkbar sei ein einziges Material, das je nach Molekülausrichtung die gewün-schten Eigenschaften oder Formen annehmen kann. Michael Breme blickt in die Zukunft des Werkzeugbaus: „Wir werden keine tonnen-schweren Pressformwerkzeuge mit Ober- und Unterteil mehr brau-chen, sondern nur noch eine einzige Matrize.“ Nach Aufbringen des hochflexiblen Werkstoffs genügt dann das Anlegen einer bestimm-ten Temperatur oder Spannung, so dass das Bauteil bei extrem geringem Energieverbrauch erstarrt.

„In der Lackiererei werden wir uns auf den Materialmix einstellen – Aluminium, Magnesium, Stahl, Kunststoffe verschie-denster Art. Dafür werden wir bei Audi die ‚kalte‘ Lackiererei umset-zen, da nicht alle Materialien hohe Temperaturen vertragen“, sagt Lakeit. „Wir erforschen gerade, wie wir künftig unsere Palette von 150 Farben durch vier bis sechs Grundfarben erzeugen, die erst in der Applikationstechnik der Lackiererei gemischt werden“, ergänzt er.

„Langfristiges Ziel ist aber, nur noch eine einzige Pig-mentzusammensetzung aufzutragen, deren Effekt der Kunde selbst variieren kann“, denkt Lakeit voraus. Ein Auto, das seine Farbe auf Knopfdruck ändert: Durch Anlegen einer Spannung könnten sich die Moleküle ausrichten und in unterschiedlichen Farben schim-mern. Und in Kombination mit Effekten aus der Nano technologie könnte es im Jahr 2050 den absolut ästhetischen und wartungs-freien Lack geben: Die Farben bekommen eine größere optische Tiefe, die Außenhaut der Automobile bleibt immer sauber. Und Kratzer heilen von alleine …

„In unserer Vision können Kunden außerdem die Kon-figuration ihres neuen Automobils selbst wenige Tage vor der Lief-erung noch ändern“, dreht Breme das Zukunftsspiel weiter. Möglich wird dies durch das so genannte Rapid Manufacturing. Mit diesem auch als dreidimensionales Drucken bezeichneten Fertigungs ver-fahren werden Autos künftig ohne Umwege nach dem vorliegenden CAD-Modell produziert. Das schafft neue Möglichkeiten, sie nach Kundenwunsch zu individualisieren. Breme erklärt: „Im Rahmen physikalischer Grenzen werden die Kunden ihr Wunschauto von A bis Z komplett zusammenstellen können.“ Hochflexible Produk-tions anlagen lassen dann mit Rapid Manufacturing ganze Karos-serien entstehen. „Damit werden fast alle Wünsche schnell und flexibel erfüllbar“, resümiert der Leiter des Werkzeugbaus.

Form Mit dreidimensionalen Druckern können ganze Karosserien gefertigt werden, hochindividualisiert bis zum Einzelstück.

Material Im Jahr 2050 können Autos komplett aus nachwachsendem und recycelbarem Rohmaterial wie etwa Biopolymeren hergestellt werden.

Farbe Das Auto kann seine Farbe auf Knopfdruck ändern, die Farbwirkung der Pigmente ändert sich durch elektrische Spannung.

Übermorgen werden Kunden ihr Traumauto in einem ungeahnten Maß individuell zusammenstellen können, bis hin zum Exterieurdesign. Dank hochflexibler Produktionsanlagen werden fast alle Wünsche schnell und flexibel erfüllbar sein. Michael Breme

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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128 Dialoge Umwelt

Auch das Feld der Bionik* birgt ungeahnte Möglichkeiten für die Zukunft. „Wir wenden im Werkzeugbau immer mehr Raffi-nessen aus der Biologie an“, schildert Breme. Mit bionischen Struk-turen specken Werkzeuge über das so genannte SKO-Verfahren* (Soft Kill Option) ein Viertel ihres Gewichts ab. Weniger Masse bedeutet geringeren Stromverbrauch. Auch die Form der Werk zeu-ge lässt sich mit den Gesetzen der Bionik weiterentwickeln. „Rechte Winkel sind in der Natur selten und verschwinden auch immer mehr aus dem Werkzeugbau“, erklärt Breme. Lakeit fügt hinzu: „Unsere Audi Space Frame-Technologie* im Karosseriebau zeigt viele Ana-logien zum Aufbau von Vogelknochen – die Bionik ist ein offenes Gebiet, das wir in verschiedensten Bereichen anwenden.“

Auch Erkenntnisse aus der Schwarmintelligenz von Tieren lassen sich auf das Kollektivverhalten der Verkehrs teil-nehmer übertragen, auf die Kommunikation von Auto zu Auto und zwischen Fahrzeug und Infrastruktur – zur besseren Verkehrslen-kung und für ein Plus an Sicherheit. Die Audi-Kollegen denken da-rüber hinaus auch an bionische Arbeitskleidung. Bei kraftrauben-den Tätigkeiten könnten Mitarbeiter durch eingenähte Zusatz-muskeln unterstützt werden – natürlich nur, wenn kein Roboter diese Arbeit übernehmen kann.

Der Mensch wird auch 2050 im Mittelpunkt der Pro-duktion stehen. „Zur Qualifikation oder für eine effektivere Zusam-menarbeit setzen wir auf Augmented Reality (AR), einen Mix aus Wirklichkeit und virtueller Welt“, erklärt der Planungschef. „Durch solche virtuellen Techniken wird auch der zunehmend global ver-netzten Arbeitswelt Rechnung getragen“, ergänzt er. AR funktio-niert so: Ein Mechaniker setzt eine Spezialbrille auf, in der Realität und Computergrafik verschmelzen. Über diese Visualisierung kann er von einem Spezialisten Schritt für Schritt durch einzelne Arbeits-abläufe geleitet werden. Anstatt einer AR-Brille ist auch die direkte Projektion der Grafiken auf die Netzhaut denkbar. Bereichern kann AR auch Schulungs- und Trainingsmaßnahmen. Sie eröffnet unge-wöhnliche Einblicke und erleichtert den Weg in die Praxis.

„Wissen und Energie, beides ist sehr wertvoll. Wir wol-len diese Ressourcen nicht nur bestmöglich nutzen, sondern auch bestmöglich bewahren“, sagt Lakeit. Für das Jahr 2050 erwartet er, dass Automobile von Audi keine separaten Energiespeicher wie Tanks oder Batterien mehr brauchen. Das Auto selbst speichert dann die benötigte Energie: Karosserieteile aus faserverstärktem Kunststoff könnten als Energie-Akkumulator für Sonnenlicht die-nen. Andere Fahrzeugkomponenten werden die Wärme der Außen-luft direkt speichern. Reibungswärme wird künftig thermoelek-trisch in Strom umgewandelt. „Natürlich kann es kein Perpetuum mobile geben“, relativiert Lakeit. „Aber wir werden nichts unver-sucht lassen, ihm so nahe wie möglich zu kommen und jede Art von Energie so effizient wie möglich zu nutzen.“

Mit diesen Visionen arbeiten Lakeit und Breme an der Straße nach Übermorgen. Sie denken an Autos, die miteinander und ihrem Umfeld kommunizieren. Autos, die auf Wunsch des Fah-rers autonom fahren können. Autos, die unfallfrei unterwegs sind. Und Autos, die individuellen Mobilitätsbedürfnissen und der Um-welt in vollem Umfang gerecht werden. Hergestellt werden sie in ressourcenschonenden Produktionsstätten rund um den Globus, in denen die Menschen äußerst flexibel mit modernsten Techno-logien und Hilfsmitteln arbeiten. Eine gute Vision.

Virtuelle Technologien werden die Kenntnisse und Fähigkeiten der Menschen in der vernetzten Welt erweitern. Wissen und Energie, beides ist sehr wertvoll. Wir wollen diese Ressourcen nicht nur bestmöglich nutzen, sondern auch bestmöglich bewahren. Arne Lakeit

Augmented Reality Die Verbindung aus Wirklichkeit und virtueller Welt wird die Arbeitsabläufe dramatisch verändern.

Information Projektion auf die Netzhaut wird Bildschirme und Instrumente ersetzen.

Pilotiertes Fahren Autos werden selbstständig mit ihrer Umwelt kommunizieren und einen Großteil der Strecken auch selbstständig fahren.

129 Dialoge Umwelt* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Green IT Rechenzentrum Das Gebäude steht, der Ausbau läuft – schon bald wird das neue Rechenzentrum im Werk Ingolstadt fertiggestellt. Das Herz der Audi-IT ist dann größer als je zuvor, zugleich schlägt es aber deutlich energieschonender.

Das Gebäude

Fast drei Jahre Bauzeit, 5.100 Lkw-La dun-gen Erde – noch vor wenigen Monaten war vom neuen Rechenzentrum nicht mehr als ein gewaltiges Loch zu sehen. Inzwischen ist der Rohbau fertig, ein guter Teil der Leitungen ist gelegt. Rund 9.000 Qua dratmeter Fläche misst das neue Rechenzentrum inklusive aller Versorgungsräume, mehr als ein Fußballfeld. Und na-türlich wird es deutlich ‚grüner‘ als die bisherigen Re-chenzentren im Werk Ingolstadt.

Diese sind nach 30 Jahren veraltet und mit ihrer Kapazität an der Grenze. „Mit dem neuen Haupt-rechenzentrum werden wir den Verbrauch um mindes-tens ein Drittel senken“, prognostiziert Projektleiter Hans Heiss. 2010 wurden hier immerhin 20 Millionen Kilowattstunden verbraucht, genug Energie für 5.700 Haushalte.

Jetzt fasst Audi die bisherigen sechs Re chen-zentren in Ingolstadt an zwei Standorten zusammen, verdoppelt ihre Leistungsfähigkeit von 3.000 auf 6.000 Server und setzt auf modernste Technik. „Gerade bei der Kühlung gibt es viel Potential“, erklärt Heiss. „Schon ein Grad Unterschied spart da richtig Geld.“

Heiße Luft wird man zwischen den 650 Rack- Stellplätzen für die Server- und Speicherkomponenten vergeblich suchen. Denn in den neuen Rechnerräumen kommt nur effiziente Technik und ein ausgeklügeltes Klimatisierungskonzept zum Tragen. Mit Hilfe der indi-rekten freien Kühlung wird bereits ab 12 °C Umge bungs-temperatur ausschließlich mit Außenluft gekühlt. „So kann in mehr als der Hälfte des Jahres auf die energiein-tensiven Kältekompressoren verzichtet werden“, er-klärt Heiss dieses Prinzip. Zusätzlich kommen im neuen Gebäude Geräte mit hohem Wirkungsgrad und damit geringen Verlusten zum Einsatz. Beispielsweise Um-luft-Kühlgeräte mit energiesparenden Motoren.

Insgesamt 650 Racks mit Servern und Komponenten finden Platz in den neuen Rechnerräumen.

Immer einen kühlen Kopf

Auch wenn im neuen Rechenzentrum ein-mal der Strom ausfällt, müssen die Server weiterlau-fen. Denn das erneute Hochfahren der Systeme würde mehrere Stunden dauern. Schon wenige Millisekunden ohne Strom reichen, damit alles stillsteht – auch das Netzwerk und damit die gesamte Fahrzeugproduktion. „Ohne die Daten aus dem Rechenzentrum läuft heute nichts mehr“, verdeutlicht Heiss die Bedeutung zuver-läs siger Technik. Bisher wurde die Zeit bis zum Ein set-zen der Notstrom-Aggregate mit Blei-Säure-Batterien überbrückt. Ganze Räume waren damit gefüllt. Doch es geht auch grüner. Im neuen Rechenzentrum setzt Audi auf einen kinetischen Energiespeicher. „Das kann man sich wie eine große, drei Tonnen schwere Schwung schei-be vorstellen“, erklärt der Projektleiter. Fällt der Strom aus, schwingt das Gewicht noch 50 bis 60 Sekunden weiter und liefert sofort Strom über einen angeschlos-senen Generator: Genug Zeit, um die Notstrom-Aggre-gate zu starten. „Das ist zwar etwas teurer, überzeugt dafür durch höhere Lebensdauer und Nachhaltigkeit. Eine Grundvoraussetzung für unser Green Data Center.“

Projektleiter Hans Heiss achtet auf deutlich reduzierten Energieverbrauch im neuen Rechenzentrum.

Kinetische Energie mit SchwungFotosStefan Warter

TextDaniel Schuster

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Greenovation Innovationsteam Wie sieht die Zukunft in der Automobilproduktion aus? Wo lassen sich Ressourcen schonen, welche Prozesse können noch mehr auf die Bedürfnisse der Umwelt abgestimmt werden? Audi setzt hier auch auf die enge Zusammenarbeit mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten.

Mit einer guten Idee und einem effizienten Konzept hat Michael Schacht den ersten Production Award gewonnen. Unter dem Thema „Produktion der Zukunft“ präsentierte er 2010, welch hohes Einspar-potential der Einsatz von Batterien für die Produktion bietet. Damit überzeugte der wissenschaftliche Mitar-beiter der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg die Experten-Jury von Audi.

Auch 2011 prämierte das Unternehmen mit dem Audi Production Award visionäre Ideen im Bereich der Automobilfertigung. Thema in diesem Jahr war die Ressourcen-Effizienz in der Produktion. Das Gewinn er-konzept „Optimierte Bahnkurven bei CNC-Maschinen“ des Gemeinschaftsteams der University of California (USA) und University of British Columbia (Kanada) ver-glich verschiedene Werkzeugpfade bei CNC-Maschinen hinsichtlich ihrer Energieeffizienz. Die Idee kann auf eine Vielzahl von Roboter- und Maschinenanwendungen adaptiert werden und eignet sich daher für einen brei-ten Einsatz in der Automobilproduktion. Zur praxis-nahen Erprobung des Modells stellt Audi den beiden Hochschulen nun beispielhafte CNC-Bahndaten zur Verfügung. Das daraus entwickelte Softwaresystem soll dann im Unternehmen zeitnah eingesetzt werden.

Insgesamt 68 Konzepte aus mehr als zehn Ländern waren 2011 im Award-Rennen vertreten. In zwei Vorrunden wählte eine Fachjury um das P-VIT die acht besten Projekte aus und lud die Teams zum Ex-perten-Workshop ins Audi-Werk nach Ingolstadt. Die Forscher präsentierten im direkten Vergleich ihre Ideen und Ansätze, diskutierten sie mit den Audi-Fachleuten und spannen die Ideen gemeinsam weiter.

Audi-Vorstand Frank Dreves überreichte Sushrut Pavanaskar (links) von der University of California die Auszeichnung.

Audi Production Award

Glühend innovative Ideen für die Weiterentwicklung effizienter Produktionstechnologien.

Powermanagement in der Produktion

Ressourcen-Effizienz ist eines der bedeu-tenden Stichwörter, wenn es um Umweltschutz in der Produktion geht. Denn überall, wo in kurzen Taktzeiten und hohen Stückzahlen gearbeitet wird, können schon kleine Verbesserungen am Ende eine große Entlastung für die Umwelt darstellen.

Deshalb schauen Cagatay Yüce (Werk ser-vice) und Ingrid Paulus (Ressourcenmanagement Pro-duktion) ganz genau hin, wenn es um Energie manage-ment in der Produktion geht. Seit Anfang 2011 arbei-ten sie mit dem Institut für Angewandte Forschung der Hochschule Ingolstadt gemeinsam an dem Projekt „Powermanagement“. Ihr Ziel klingt dabei ganz simpel: weniger Energieverbrauch.

Doch in der komplexen Infrastruktur einer Produktion lässt sich nicht einfach ein einzelner Schal-ter umlegen. Da gibt es neben Beleuchtung und Belüf-tung beispielsweise auch Pressen, Schweiß- und Füge-anlagen, Prüfstände und Transportsysteme. Von den diversen Produktionsanlagen ganz zu schweigen. Be-ginnend in der Montage werden die einzelnen Energie-verbräuche genau erfasst und visualisiert. Dabei wer-den gezielt andere Energieträger (Druckluft, Wärme) und Parameter (Temperatur, Leistung, Druck) in die Messungen mit einbezogen. Aus den bisherigen Er-kennt nissen wurden zum Beispiel Maßnahmen zur Re-duzierung von Druckluft oder zur Optimierung der Dich-tigkeitsprüfstände abgeleitet und umgesetzt. Am Ende soll ein Kennzahlensystem für alle Gewerke entstehen, das die vorausschauende Planung der Verbräuche er-möglicht, Energieverschwendungen identifiziert und geeignete Methoden zur Optimierung aufzeigt. Und wer weiß, vielleicht findet sich dabei ja doch noch ein Schalter, den man zur Reduzierung des Ressour cen ver-brauchs einfach umlegen kann.

VIT für die Zukunft

Mindestens einmal im Monat steigt Felix Schwabe mental in eine Zeitmaschine. Er reist dann 20 bis 30 Jahre in die Zukunft und ersinnt mit seinen Kolle-ginnen und Kollegen Herausforderungen und Trends, die heute noch keine Rolle spielen. Als Koordinator ist er Teil des Vorentwicklungs- und Innovationsteams der Produktion, kurz P-VIT. Hier treffen sich Vertreter aus allen Bereichen der Audi-Produktion und diskutieren über ein vorausschauendes Innovationsmanagement. Eine wichtige Aufgabe, denn „gerade in unserem Be-reich – der Produktion – gilt es, sich auf immer neue Werk stof fe, Technologien, Verfahren und Prozesse ein-zustellen“, erklärt Schwabe. Das Ziel liegt dabei auf der Hand: „Wir wollen die Produktionsprozesse verbessern und der Technischen Entwicklung Möglichkeiten an die Hand geben, den Vorsprung durch Technik in unseren Autos darzustellen.“

„Wir identifizieren produktionsübergrei-fend innovative Projekte und unterstützen diese aus unserem Innovationsbudget“, beschreibt er. „Dann gehen wir mit diesem Projekt auf eine Hochschule für eine Doktorarbeit oder ein Forschungsprojekt zu.“ So nutzt das P-VIT bestehende Synergien und holt gleich-zeitig wissenschaftliches Know-how zu Audi. Rund 50 bis 60 Promotionen werden derzeit vom Audi-Pro duk-ti onsbereich unterstützt. Hinzu kommen unzählige Hoch schulprojekte.

Neben dem reinen Wissensaustausch un-terstützt das P-VIT die jungen Ingenieure auch bei der Anmeldung ihrer Ideen zum Patent. Zudem bieten regel-mäßige Veranstaltungen den Doktoranden eine breite Plattform, um ihre Erkenntnisse und auch sich selbst Audi zu präsentieren.

Felix Schwabe koordiniert die Arbeit im Innovationsteam der Audi-Produktion.

Page 67: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

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Als historisch gewachsener Standort grenzt das Werk Ingolstadt eng an die Stadt und an die Wohn-be bauung. Dies bringt besondere Anforderungen an den Umgang mit Emissionen mit sich. Ebenso wie die Nähe zu den, nur wenige Kilometer entfernten, Donau auen, – ein Fauna-Flora-Habitat-Gebiet, das den strengen Richtlinien des europäischen Naturschutzes unterliegt.

Um die Umweltauswirkungen des Standorts systematisch zu analysieren, wurde bereits 2009 eine Umweltverträglichkeitsstudie durchgeführt. Besonders die Biodiversität, also die Erhaltung der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten sowie von Lebensräumen und Gen-pools, stand dabei im Fokus der Untersuchungen. „Bio-diversität ist die Grundlage allen Lebens“, erklärt Dr. Antje Arnold vom Betrieblichen Umweltschutz der AUDI AG. Bewertet wurden in der Studie deshalb neben den Emissionen (Lärm, Schadstoffe, CO₂, Licht) auch das Ver-kehrsaufkommen, der Grad der Boden versiege lung und der Wasserverbrauch.

Basierend auf Messwerten und Berech nu n-gen wurde ein umfassender Bericht erstellt. Das Er geb-nis: In den umliegenden Schutzgebieten des Werkes wurden alle Grenzwerte unterschritten. Dennoch wir-ken Luftschadstoffemissionen und die Versiegelung des Bodens auf die Biodiversität. Deshalb verlässt sich Audi beim Umweltschutz nicht nur auf technische Grenz-werte und Messungen. Seit 2010 setzt das Unter neh-men sogar Tomaten, Buschbohnen, Kapuzinerkresse und Gräser als Biomonitor ein.

Think Green Biomonitoring Rund 32.000 Beschäftigte arbeiten am Standort Ingolstadt auf einem 210 Hektar großen Gelände in der Fertigung, Forschung, Entwicklung, Logistik und Verwaltung. Mehr als eine halbe Million Autos wurden im vergangenen Jahr in Ingolstadt produziert. Die Auswirkungen auf die Umwelt werden vom Betrieblichen Umweltschutz genauestens überwacht – auch mit der Hilfe von Tomaten und Gräsern.

Biomonitoring mit Pflanzen

Umweltverträglichkeitsstudie

Unter Biomonitoring wird in der Ökologie das regelmäßige Beobachten, Messen und Überwachen von Pflanzen und Tieren bezeichnet. Ziel ist es, aus den je weiligen Zustands- und Bestandsveränderungen Rück- schlüsse auf die Umweltqualität zu ziehen. Dabei wer-den einzelne Organismen ausgewählt und deren Ver-änderung gegenüber dem Normalzustand bewertet. Das Spektrum reicht dabei von spontanen Ver hal tens-änderungen als Folge akuter Toxizität bis hin zu chro-nischen Schädigungen durch dauerhaft hohe Grund-belastungen.

Der Vorteil von Biomonitoring ist, dass die-ses im Gegensatz zu einem rein technischen Abgleich mit Grenzwerten „zur Zeit das einzige wissenschaftlich anerkannte Verfahren ist, um Umwelteinflüsse nicht nur zu messen, sondern auch sichtbar zu machen“, be-tont Chemikerin Dr. Arnold. Mit dem Projekt erfüllt Audi auch das Abkommen der „Business and Biodiversity Ini- tiative“, der sich der Volkswagen Konzern 2008 an ge-schlossen hat. Über 40 Unternehmen haben sich da rin verpflichtet, die Auswirkungen der Unter neh mens akti-vitäten auf die biologische Artenvielfalt zu analysie ren.

Mehr Infos dazu unter: www.businessandbiodiversity.de

Dr. Antje Arnold betreut das Biomonitoring auf den Dächern der Werksanlagen.

Gräserkulturen liefern einen zuverlässigen und präzisen Belastungsindex für Luftschadstoffe.

Nach der Umweltverträglichkeitsstudie von 2009 stand für Arnold und das Team vom Betrieblichen Umweltschutz fest: „Wir müssen die Auswirkungen mög licher Schadstoffe sichtbar machen.“ Dafür bedien-te sich das Team sozusagen im Gemüsebeet, denn eini-ge Gemüsesorten reagieren extrem empfindlich auf Lacklösemittel. Gräser wiederum nehmen besonders gut Schwermetalle auf. „Wir haben die Pflanzen sozu-sagen als Detektive eingestellt“, beschreibt Arnold das Projekt Biomonitoring.

Arnold und der Agrarbiologe Dr. Reinhard Kostka-Rick verteilten über 130 Pflanzen auf dem Werks- gelände. Regelmäßig wurden die Pflanzen untersucht und die spezifischen Schädigungen an den Blät tern beurteilt. Insgesamt 19.000 solcher, auch Boni turen* genannten, Untersuchungen hat Kostka-Rick auf dem Werksgelände vorgenommen und ausgewertet. Dabei sind viele Veränderungen an den Blättern nur mit ge-schultem Auge zu erkennen – etwa Entfärbungen oder eine schnellere Alterung der Blätter.

Die Ergebnisse des Feldversuchs bestäti-gen, was zuvor in der Umweltverträglichkeitsstudie be rechnet wurde. „Wir haben für die Lacklösemittel im Bereich der Lackiererei einen etwas höheren Einfluss auf die Blattstruktur im Vergleich zum Referenzpunkt nachgewiesen“, berichtet Arnold. „Gleichzeitig liegen sie jedoch auf dem Niveau, das für Straßen und Ver-kehrsstandorte typisch ist.“ Von den 16 untersuchten Schwermetallen, die hauptsächlich aus dem Karos-seriebau und der mechanischen Fertigung stammen, traten nur fünf in leicht erhöhtem Gehalt auf, bewegen sich aber dennoch innerhalb der Grenzwerte.

Ein Ergebnis, welches den großen Einsatz umweltfreundlicher Technologien widerspiegelt. So kommen bei Audi zum Beispiel Staubfilter zum Einsatz, welche die Abluft aus dem Karosseriebau reinigen. Eben so setzt Audi seit 1997 Lacke auf Wasserbasis ein. Diese enthalten nicht nur viel weniger Lösemittel, einen Teil dieser Schadstoffe macht zudem eine thermische Nachverbrennungsanlage unschädlich. Die freigesetz-ten Emissionswerte liegen so weit unter den gesetzlich festgelegten Grenzen.

Das Tomatometer

2011 haben Arnold und Kostka-Rick die Mes sungen noch einmal intensiviert, allerdings auf Schwermetalle und Dioxine begrenzt. „Wir haben 2010 festgestellt, dass der Metallgehalt zur Werksgrenze hin abnimmt“, beschreibt Arnold diesen Versuchsaufbau. Mit neuen Gräserkulturen erhofft sie sich nun eine Dif-ferenzierung zwischen typischen Werks- und Verkehrs-emissionen. Dafür wurde das System der Mess- und Referenzpunkte stark ausgeweitet. „Viele der Gras-kulturen stehen dieses Jahr auch auf Hallendächern und außerhalb des Werks“, beschreibt Arnold. „Außerdem haben wir in diesem Jahr mehr als doppelt so viele Stationen.“

Der Vorteil der Graskulturen offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Denn im Gegensatz zu Toma-ten und Bohnen zeigen sie wenig äußerliche Verän de-rungen. Dafür akkumulieren die Gräser viele Schwer-metalle. In einheitliches Bodensubstrat mit niedrigem Schadstoffgehalt gepflanzt und in festgelegten Inter-vallen zurückgeschnitten, dienen sie so als Speicher. Die Ergebnisse liefert dann die Spurenanalytik im Labor.

Die Auswertung erwartet Arnold bis Anfang nächsten Jahres. Fest steht jedoch schon jetzt, mit To-maten, Gräsern und Biomonitoring setzt Audi auf das wissenschaftliche ‚State of the Art‘. „Und wir werden unsere Aktivitäten noch verstärken“, verspricht Arnold. Denn gerade das Thema Biodiversität gewinnt deutlich an Gewicht: Die Vereinten Nationen haben, nach dem internationalen Jahr der Biodiversität 2010, die näch-sten zehn Jahre zur UN-Dekade der Biodiversität ausge-rufen.

Gräser als Belastungsindex

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Clean Green Putzroboter Schweißen, nieten, kleben – Roboter im hochtechnisierten Karosseriebau sind bekanntlich präzise, schnell und effizient. Inmitten dieser orange lackierten ‚Arbeiter‘ stehen zwei schneeweiße ‚Kollegen‘. Sie sind die Reinigungskräfte im Team.

Kokos-Sauger

Allein in der neuen Produktionshalle N 60 in Ingolstadt, dem Karosseriebau für die neue Generation des Audi A3, müssen jeden Tag rund vier Kilometer Fahr- straßen und Wege penibel gereinigt werden – schließlich ist Sauberkeit für die Arbeitspräzision absolute Pflicht. Und auch hier ist Umweltfreundlichkeit entscheidend: So besitzen die neuen Kehrmaschinen ein innovatives System aus Kokosbürsten, das auch ohne den Einsatz von Reinigungsmitteln und chemischen Zusätzen gründ-lich arbeitet.

An weiteren Ideen für eine energieeffiziente Sauberkeit fehlt es nicht: Derzeit werden erste Zug ma-schinen mit Magneten an der Unterseite erprobt, die me tallische Partikel und Teile automatisch einsammeln. Eine weitere Idee sind Roboter, die sich nach getaner Produktionsarbeit gegenseitig putzen …

Kehrmaschine mit innovativen Kokosbürsten: Reinigung ganz ohne Chemie.

„In jeder Woche sammeln diese beiden Ro-boter mehrere Kilogramm Staub“, erklärt Maximilian-Josef Wittmann aus dem Karosseriebau in Ingolstadt und Vater der Idee. Feinster Staub, der sich an den ‚Skids‘ genannten Schlitten ansammelt, die die Rohkaros se-rien tagtäglich durch die Anlagen fahren. „Bisher muss-ten die Monteure zusätzlich zu ihrer Arbeit die Skids am Wochenende säubern“, fährt Wittmann fort. Diese vor-beugende Wartung barg neben der körperlichen Mehr-belastung auch Gefahren: „Die Mitarbeiter haben wäh-rend der laufenden Produktion gereinigt. Unser Ziel war daher eine permanente, automatische Lösung – für eine Entlastung unserer Mitarbeiter und eine saubere Pro-duktion.“

Die passenden Maschinen fand Wittmann an ungewöhnlicher Stelle. Ende 2010 zauberten weiße Roboter in einer von Audi unterstützten Kunst aktion beim London Design Festival Lichtnachrichten in den Himmel. Nach dem Festival übernahm Wittmann zwei dieser Roboter und ließ sie an ihre neuen Arbeitsbe din-gun gen anpassen. Dort, wo andere Roboter ihre Werk-zeuge hal ten, sind die Putzroboter nun mit Bürsten und Staub sauger ausgestattet. Das fasziniert nicht nur die Be sucher bei der Werksführung, sondern hilft auch, die Staubbelastung in der Luft zu reduzieren.

Staub statt Kunst

Maximilian-Josef Wittmann brachte zweien seiner Roboter das Staubsaugen bei.

Sauberkeit im Produktionsbereich ist nicht nur für die Gesundheit der Mitarbeiter wichtig, son-dern absolut entscheidend für die Qualität der Pro duk-te. Schmutz entsteht aber nicht in den Hallen, er wird meist von außen hereingebracht. Mitarbeiter können ihre Schu he säubern, aber was macht man mit den Zug-ma schinen und ihren Teile-Anhängern, die von draußen in die Hallen einfahren?

Auch hier hatte Maximilian-Josef Wittmann eine Idee: metergroße Fußabstreifer für die Gummi rä-der. Reifenreinigungsfelder heißen sie korrekt. Sie be-ste hen aus bis zu sechs mal acht Meter großen Edel-stahl wannen, in denen sich Kunststoffborsten wie bei einer Zahnbürste bewegen. Energieverbrauch: null. Halt barkeit: viele Jahre. Inzwischen sind die Reifen rei-nigungsfelder an mehreren Stellen in Ingolstadt im Einsatz, weitere Standorte aus dem Konzern haben sich schon nach den Details erkundigt.

Füße abstreifen!

Fußabstreifer im Mega-Format reinigen Fahrzeugräder vom Schmutz.

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Clean Screen Echtzeit-Information In der Audi-Produktion wird Papier gespart: Der traditionelle Bauschein ist tot, jetzt informieren große Monitore jeden einzelnen Mitarbeiter.

Absolutes Neuland

Nach dreißig Jahren hat er sich für immer aus der A3-Fertigung verabschiedet – und keiner wird ihn vermissen: Das letzte mit einem Papier-Bauschein versehene Auto ist über die Montagelinie gelaufen. Die traditionellen Bauscheine mit allen Daten zum Fahr-zeug wie zum Beispiel Innenausstattung, Antriebsart oder Länderspezifika hingen während der vergangenen Monate ohnehin nur noch zur Absicherung an ihrem angestammten Platz: Bereits seit November sind alle Arbeitsplätze in der A3-Montage mit einem elektroni-schen Bauschein ausgestattet. „So erhalten die Mitar-beiter – übersichtlich aufbereitet – genau die In for-mationen, die sie für ihren Arbeitsschritt benötigen“, erklärt Philipp Heizmann, Projektleiter der Ferti gung. „Mit der Entwicklung dieses Systems haben wir abso-lutes Neuland betreten“, sagt Heizmann. Insge samt 440 Arbeitsplätze wurden seit Mai 2010 mit dieser modernen Technik ausgestattet.

Philipp Heizmann betreute das Projekt „elektronischer Bauschein“ in der Fertigung.

„Bei der Gestaltung der Bildschirminhalte für den elektronischen Bauschein war der Input der Mitarbeiter extrem wichtig“, erzählt Philipp Heizmann, Projektleiter in der Fertigung. Die vielen Modell- und Aus stattungsvarianten, die Audi seinen Kunden bietet, waren auf dem Papier-Bauschein kaum noch abzubil-den. Er war eng beschrieben und unübersichtlich: An vielen Arbeitsplätzen mussten die Mitarbeiter zwei oder drei Buchstaben-Zahlenkombinationen auf dem Bauschein finden, um sich daraus die konkrete Arbeits-anweisung selbst zu kombinieren. Dieser ‚Überset-zungs aufwand‘ entfällt ab sofort. Und das dient auch der Arbeits qua lität. Zudem können Änderungen im Prozess schneller umgesetzt werden: Soll ein Mit ar-beiter beispielsweise ein anderes Bauteil einbauen, er-scheint dies sofort auf seinem Bildschirm. „Die elektro-nische Wagenbegleit kar te vereinfacht den Arbeits-ablauf und kommt der Qualität unserer Produkte und Prozesse zugute“, betont Heizmann.

Individualität zählt

Auf Bildschirmen erhalten die Mitarbeiter in der Montage die Angaben zu jedem einzelnen Fahrzeug.

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Urbanisierte Baumforschung

Metropolenprojekt Wie reagieren städtische Bäume auf ihre Umwelt? Eignen sich Städte als Klimakammern, um Baumwachstum in Zeiten des Klima-wandels vorherzusehen? Das Metropolenprojekt der Audi Stiftung für Umwelt und der Technischen Universität München sucht nach Antworten.

FotoStefan Warter

TextChristian Günthner

Kleiner Pieks: Mit einem dünnen Bohrer holt Enno Uhl einen Bohrkern aus einem Alleebaum in Berlin.

Ultraschall trifft die Rinde einer Linde: Schall-wellen aus einem Messgerät, kaum größer als

ein Brillenetui, erfassen die Höhe des 80 Jahre alten Baums. Prof. Dr. Hans Pretzsch und Enno Uhl, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Wald-wachstumskunde der Technischen Universität München (TUM), sind bei der Messung in Berlin dabei. 10.000 Autos fahren täg lich an den Alleebäumen vorbei. Doch der Trubel stört die Wissen schaftler nicht – in diesem Fall passt das Verkehrsaufkommen ins Konzept.

„Zwischen Vegetation und Stadt gibt es viele Wech sel-wirkungen“, erläutert Professor Pretzsch. „Das urbane Klima und die chemische Luftzusammensetzung in Städten und im Um land sind wichtig für unser Metropolenprojekt.“ Dieses Projekt, ge för dert durch die Audi Stiftung für Umwelt, untersucht die Reaktions kinetik, sprich das Wachstumsverhalten von Stadt bäu men. Die Stadt wirkt hier als Klimakammer, denn das Klima wird vom Zentrum in Richtung Stadt-rand immer milder – das betrifft insbesondere Temperatur, Nieder-schlag, Strahlung, Wasser haus halt und CO₂-Konzentration. Im Schnitt liegt beispielsweise die mittlere Jahrestemperatur in großen Städten um ein bis drei Grad über der Temperatur der Stadtumgebung. Der Niederschlag ist bis zu zehn Prozent höher als im Umland, ein Großteil wird aber über die Kanalisation abgeführt und steht den Pflanzen nicht zur Verfügung.

Diese Unterschiede sind entscheidend bei der Analyse. So können die Wissenschaftler die direkten Auswirkungen des Stadt-klimas auf das Wachstum der Stadtbäume identifizieren. So wollen sie Aussagen über die Wachstumsreaktion von Bäumen unter Klima-wandel ableiten. Nicht nur in Berlin, auch in weiteren Metropolen welt-weit werden Bohrkerne gewonnen. So wird die Hoop Pine in Brisbane, die Stieleiche in Kapstadt oder der Spitz ahorn in New York nach dem gleichen Verfahren untersucht.

Die Auswahl der jeweils rund 100 Bäume erfolgt immer nach demselben Muster: Gesucht sind klimatypische Bäume im Alter von über 50 Jahren. So werden in unterschiedlichen Klima re gionen von kühl feucht bis warm trocken vergleichbare Daten generiert – ein weltweit einzigartiger Ansatz. Anhand dieser Daten können Aussagen über Auswirkungen und notwendige Anpassungs strategien an verän-derte Klimabedingungen für Waldökosysteme abgeleitet werden.

Die Probebäume werden nicht nur dendrometisch in ihren Zustandsgrößen Dicke, Höhe, Volumen und Kronenstruktur erfasst. Es werden zusätzlich Jahresringe und Kohlenstoffisotope im Stamm analysiert. „Mit diesen Daten können wir Rückschlüsse auf den Zu-wachs, mögliche Störeinflüsse und die Wasser nutzungs effizienz der Alleebäume in Städten ziehen“, ist sich Professor Pretzsch sicher. In die Untersuchung fließen auch Daten des sich verändernden Stadt-klimas der vergangenen 30 Jahre ein.

Das Projekt betritt wissenschaftliches Neuland, da die Reaktionskinetik von Bäumen unter veränderten Klima bedin gun gen bisher nicht annähernd verstanden ist. Die Prognosen fallen sehr un-terschiedlich aus: „Sie reichen von Extremszenarien wie dem flächigen Absterben der Bäume bis zu optimistischen An nahmen zu ihrer er-staunlichen Anpassungsfähigkeit“, erläutert Professor Pretzsch.

„Die Forschungsergebnisse sind im Hinblick auf die globa-len Anstrengungen, Anpassungsstrategien in der Waldbewirt schaf-tung an die vom Menschen verursachten Klimaänderungen zu entwi-ckeln, von herausragender Bedeutung“, erläutert Pro fessor Pretzsch. Die Ergebnisse bleiben nicht auf regionale Aus sage kraft beschränkt, sondern leisten einen Beitrag zum Verständ nis der Auswirkungen des globalen Klimawandels auf das Baum wachstum.

„Wir wollen bereits heute Lösungen für Probleme entwi-ckeln, die noch Jahrzehnte entfernt liegen. Das Ökosystem lässt sich nicht von heute auf morgen verändern. Mit dem Blick in die vergange-nen 30 Jahre erhalten wir hoffentlich Antworten auf Problem stel-lungen der kommende Jahre“, beschreibt Dr. Dagobert Achatz, Ge-schäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt, die Ziele dieses Projekts. „Die Erkenntnisse über Wechselwirkungen zwischen Stadtgrün und Stadtklima können auch Eingang in die langfristige Stadtplanung finden.“

Nachhaltiges Handeln und Verantwortung für Gesellschaft, Umwelt und Gesamtwirtschaft sind für die AUDI AG einige der Leitsätze ihrer Geschäfts tä-tigkeit. Das Unternehmen bekräftigte dies 2009 durch die Gründung der Audi Stiftung für Umwelt GmbH.

Die gemeinnützige Gesellschaft ist Teil des umweltpolitischen Engagements des Autobauers. Die Stiftung unterstützt Projekte zum Schutz der natür-lichen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen und fördert wissenschaftliche Arbeiten, die zu einem nachhaltigen Mensch-Umwelt-System beitra-gen. Die Stiftung möchte optimale Rahmenbedin gun-gen für die Entwicklung von umweltverträglichen Tech-nologien schaffen und die Bildungsarbeit zu Umwelt-themen fördern.

Freiwilliges Handeln im Bereich Ökologie – auch über die Grenzen der gesetzlichen Verpflichtungen hinaus – ist dabei die Kernanforderung an das Engage-ment der Audi Stiftung für Umwelt GmbH. Zu den ge-förderten Projekte zählen zum Beispiel der ‚SRM-Award‘ für Absolventen, die in ihrer Masterarbeit im Studien-gang Sustainable Resource Management (SRM) der Technischen Universität München hervorragende Leis-tungen erbracht haben oder das ‚Klassenzimmer Natur‘ im Umweltzentrum Breitengüßbach, einem ehemali-gen Militärgelände. In diesem circa 125 Hektar großen ‚grünen‘ Klassenzimmer können Besucher an 365 Tagen im Jahr heimische Natur und Artenvielfalt erleben.

Audi Stiftung für Umwelt

Projekt Zukunft: Rund 60.000 Bäume wurden bisher im Rahmen des Forschungs- projekts gepflanzt.

Eichenwald-Projekt Hundertjährige Forschung

Etwas ruhiger als in den Megacities des Me-tro polenprojekts ist es im Köschinger Forst, einem gro-ßen Waldstück nahe der Audi-Zentrale in Ingol stadt. Hier startete das Projekt Eichenwald im Jahr 2008 mit 36.000 frisch gesetzten Stieleichen. Ein Langzeit pro jekt, angelegt auf 100 Jahre, um die optimalen Bedin gun-gen für das Wachstum von Bäumen zu erforschen. „Hier möch ten wir herausfinden, wie Bäume gepflanzt werden müssen, um Kohlenstoff bestmöglich zu binden und welche Bedingungen für eine große biologi sche Vielfalt nötig sind“, beschreibt Dr. Dagobert Achatz, Ge schäfts-füh rer der Audi Umweltstiftung, das Enga gement.

Hauptprojektpartner der Audi Umwelt stift-ung ist hierfür der Lehrstuhl für Waldwachstumskunde an der TU München. Seit dem Start schuss für das Pro-jekt in Ingolstadt kamen Tau sen de weiterer Bäume hin-zu: Rund 29.000 davon wurden in Ungarn nahe dem Audi-Werk in Győr gepflanzt, 10.000 am Standort Ne-ckar sulm, und im Sommer 2011 kam in Italien der jüngste Eichenwald dazu – nahe Sant’Agata Bolognese, der Heimat der Audi-Tochter Lamborghini. Ein weiterer Eichenwald entsteht gerade in Belgien am Werks stand-ort Brüssel. Über 60.000 neue Bäume wurden bislang insgesamt im Rahmen des Forschungs pro jektes ge-pflanzt – und es sollen noch mehr werden.

Wie sieht die Forschung dabei konkret aus? Die Versuchsflächen werden nach einer speziellen An-ordnung bepflanzt. Die Eichen werden nach festge-legten GPS-Koordinaten in konzentrischen Kreisen, so genannten Nelder-Kreisen, gesetzt – somit können verschiedene Bestandsdichten flächensparend unter-sucht werden.

Wichtig dabei ist, zu berücksichtigen, dass die Erforschung des Waldwachstums ein generationen-übergreifender Prozess ist. Bäume wachsen langsam und werden erheblich älter als der Mensch. Ein nach-haltiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist daher Grundlage des Projekts. Zusammen tragen die Projektpartner die Verantwortung dafür, dass die Flä-chen für das auf 100 Jahre angelegte Forschungsproj-ekt auch langfristig zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen unter www.audi-stiftung-fuer-umwelt.de

Klares Bild: Die Analyse der Jahresringe erlaubt Rückschlüsse auf Zuwachs und Wachstums-bedingungen der vergangenen Jahrzehnte.

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Lernen durch Handeln Seit hier Bienenvölker betreut werden, kommen selbst die Jungs in den Schulgarten: Die Grundschule Volkach beteiligt sich seit 2011 am Bienenprojekt der Audi Stiftung für Umwelt.

TextChristian Günthner

TextAgnes Happich

Bienen stehen nicht nur für süßen Honig. Bienen sind entscheidend wichtig für unse-

re gesamte Pflanzenwelt: Ohne ihre sprichwörtlich fleißige Bestäu-bungsarbeit hätten wir beispielsweise kaum Obst, zahlreiche Pflan-zen würden sogar aussterben. „Die Biene gilt als drittwichtigstes Nutztier des Menschen. Angesichts des Bienensterbens spielt der Artenschutz dieses Insektes eine sehr große Rolle“, sagt Dr. Dago-bert Achatz, der Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt. Mit dem Ziel, Kindern nachhaltiges Handeln näher zu bringen, fördert die Stiftung die Bienenhaltung und Imkerei an 20 Schulen in Bayern und unterstützt damit ein Projekt des Fach zentrums Bienen an der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.

Aus den knapp 200 Bewerbungen wurden 20 Schulen für die-ses Projekt ausgewählt, unter anderem die Grundschule Volkach in Unterfranken. Christiane Rößner ist dort Lehrerin und verantwort-lich für das Bienenprojekt, bei dem die Haltung und Pflege mehre-rer Völker in den Schulgarten integriert ist.

Frau Rößner, über 100 Schüler sind zur Eröffnung des Projekts in den Schulgarten gekommen. War es schwierig, Schüler für die Arbeit mit Bienen zu finden?

Im Gegenteil! Seitdem wir an dem Bienenprojekt beteiligt sind, wollen besonders Jungs und Schüler aus der Mittelstufe mitma-chen. Das ist eigentlich eher untypisch. Insgesamt kümmern sich 55 Schüler um unseren Schulgarten.

Welche Lernziele verfolgen Sie mit diesem Projekt?‚Lernen durch Handeln‘ lautet bei der Bienenschule die Devise: Öko-logische Zusammenhänge werden durch den praktischen Un ter-richt besser erfasst. Wir wollen so die soziale Kompetenz der Schü-ler und deren Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Natur stärken.

Wie schützen sich die Kinder vor Stichen? Was beinhaltet die von der Stiftung zur Verfügung gestellte Ausrüstung?

Insgesamt haben wir zehn Schutzanzüge für den sicheren Umgang mit den Bienen für unsere Jung-Imker. Das Arbeitsset besteht da-rüber hinaus, neben drei Oberträger-Bienenkästen, aus Eimern, Raucher, Stockmeisel und Seihtüchern für die Honigernte sowie aus dem nötigen Werkzeug für die richtige Pflege der Völker.

Was begeistert die Kinder an diesem Projekt?Am meisten Spaß macht es ihnen, unter den unzähligen Tieren eines Volks die Königin zu suchen. Und für die Schleckermäuler ist auch was dabei: Ein bisschen Honig können sie während der Arbeit im Schulgarten einfach vom Finger ablecken. Ab September dürfen sie das aber nicht mehr – denn ab dann verteidigt die Königin ihre Brut.

Wie zeitaufwendig ist die Arbeit mit den Bienenvölkern?Ich bin in der glücklichen Situation, dass die gesamte Lehrerschaft hinter diesem Projekt steht. Wir investieren bis zu drei Stunden Schulzeit pro Woche und zusätzlich etwas Freizeit. Den Schülern, die sich für die Bienen AG beworben haben, ist diese Arbeit aber so wichtig, dass sie gerne etwas länger im Schulgarten sind. Die Nach-frage hier an der Schule ist auch so hoch, dass wir in Zukunft hof-fentlich noch weitere Völker bekommen.

Bioniere Von Autos und Hühnern

Intelligente Autos helfen Hühnern. Das fand eine Schulklasse aus Neubrandenburg heraus und gewann mit dieser Erkenntnis im Jahr 2011 den Bionik wett bewerb der Audi Stiftung für Umwelt. Bei dem Wett bewerb suchten Schulklassen nach Bei spie-len für den Zusam menhang zwischen Natur und Tech-nik in ihrem Alltag.

Der Traktor schlingert, steuert unkontrol-liert auf die Spielzeug-Hühner zu und kracht in den Plas-tikzaun, ein Huhn gerät unter die Räder. Dabei waren Opa am Steuer nur kurz die Augen zugefallen. Das Huhn wäre vielleicht heilgeblieben, hätte Opas Traktor intel-ligente Fahrerassistenzsysteme gehabt. Die funktio-nieren ganz ähnlich wie das neuronale Netz des men-schlichen Gehirns, können Schwächen der menschli-chen Synapsen ausgleichen und so Unfälle vermeiden.

Technik kann also von der Natur lernen und die Natur – in diesem Fall Opas Gehirn – sogar unter-stützen. Um diese Botschaft geht es den Gewinnern des Bionikwettbewerbs. Die Schüler der Klasse 6c des Al-bert-Einstein-Gymnasiums in Neubrandenburg wähl-ten ein besonders anspruchsvolles Medium, um ihr The-ma darzustellen – sie drehten einen Film.

Die Handlung ist einfach: Opas kognitive Fähigkeiten lassen langsam nach. Deshalb braucht er ein neues Auto, das seine Wahrnehmung unterstützt. Die Umsetzung ist weniger simpel: Animationen, Filme im Film und einfallsreiche Anmoderationen der Schüler überzeugten die Jury der Audi Stiftung für Umwelt. „Mir gefällt, dass die Schüler mit so viel Humor und dennoch mit solch großem technischen Verständnis an das The-ma herangegangen sind“, erklärt Dr. Dagobert Achatz, Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt. Die Teil-neh mer des Schülerwettbewerbs konnten frei wählen, wie und mit welchen Medien sie sich mit der Verbindung von Biologie und Technik (= Bionik*) auseinanderset-zen. Die Aufgabe: Technikbeispiele im Alltag zu finden, die von der Natur inspiriert sind.

Schüler aus ganz Deutschland haben an dem Wettbewerb teilgenommen und dafür Modelle, Zeich-nungen und Plakate nach Ingolstadt geschickt. „Die Natur ist der Technik ein spannendes Vorbild. Wir waren beeindruckt von der enormen Vielfalt und der hohen Qualität der Einsendungen“, betont Frank Dreves, Vor-sitzender des Kuratoriums der Audi Stiftung für Umwelt GmbH und Mitglied der Jury.

Die Gewinnerklasse aus Neubrandenburg lernte bei der Preisverleihung in Ingolstadt auch die Arbeit der Umweltstiftung näher kennen: Im Rahmen des Forschungsprojektes ‚Eichenwald‘ übernahm jeder Schüler eine Baumpatenschaft für einen Steckling und durfte das Bäumchen auch selbst einpflanzen. Doch nicht nur die Natur, auch die Technik spielte eine Rolle beim Besuch der Klasse 6c am Audi-Standort: Die Ju-gendlichen konnten sich bei einer Werksführung selbst davon überzeugen, wie das ‚neuronale Netz‘ der Auto-mobile, die Elektronik, verbaut wird. Von dieser intelli-genten Technik profitieren nicht nur Opas Hühner.

Nachwuchs-Imker: An der Grundschule Volkach werden Bienenvölker betreut. Die profes-sionelle Ausrüstung dazu übergab Dr. Dagobert Achatz, Geschäftsführer der Audi Stiftung für Umwelt.

Die Bienenschule

Den innovativen Beitrag eines jungen Wis-sen schaftlers zur Klimaforschung zeichnete die Audi Stiftung für Umwelt mit dem SRM-Award (Sustainable Resource Management Award) aus. Gewür digt wurde damit die hervorragende Abschlussarbeit des 27-jäh-rigen Astor Toraño Caicoya im Studiengang für Res-sourcenmanagement an der TU München. In Koope-ration mit dem Lehrstuhl für Waldwachstums kunde an der TU München und dem Institut für Hoch frequenz-technik und Radarsysteme am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelte der Preis träger eine Methode, um Waldbiomasse und den dort gespeicher-ten Kohlenstoff besser schätzen zu können.

Sein Verfahren erlaubt präzisere Aussagen über die Rolle der Wälder in der globalen Kohlen stoff-dynamik. Noch immer ist ungeklärt, wohin sich etwa ein Viertel des Kohlenstoffs absetzt, der durch mensch-liche Aktivität verursacht wird. Die Sieger-Arbeit leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Kli-mawandels. „Hier fördern wir junge Wissenschaftler, die zu einem nachhaltigen Mensch-Umwelt-System beitragen“, erklärte Dr. Dagobert Achatz, Geschäfts-führer der Audi Stiftung für Umwelt, der den Preis zu-sammen mit Prof. Dr. Alfons Gierl von der Technischen Uni versität München überreichte.

Wegweisende Forschung

Opas Traktor sicher unterwegs: Die Klasse 6c des Albert-Einstein-Gymnasiums in Neubrandenburg siegte

mit ‚Opas Treckerfahrt‘ beim Bionik-Wettbewerb.

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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Hier kommt die Maus

Mehr Lust auf Technik Was hat ein Vulkanausbruch mit der Erfindung des Laufrads zu tun? Welches Tier auf der Erde kann man aus dem Weltall beobachten? Die Audi Stiftung für Umwelt geht solchen Fragen auf den Grund – in dem Jugendbuch ‚Abenteuer – Leben Natur Technik‘. Das Buch zeigt Schulkindern den Zusammenhang zwischen Technik und Umwelt. Elisabeth Heueisen leitete das Jugendbuchprojekt.

TextAgnes Happich

Frau Heueisen, stellen Sie sich vor, ich wäre ein neunjähriges Kind. Bitte erklären Sie mir, wie ein Motor funktioniert.

Da muss ich leider passen. Mit Technik habe ich selbst nicht so viel zu tun, ich bin Ethnologin. Aber ich habe zum Glück kompetente Kollegen in den Fachredaktionen, die komplizierte Themen mit ein-fachen Worten und Bildern erklären können.

Technik ist tatsächlich oft kompliziert und abstrakt. Wie bringt man solche Themen Kindern näher?

Wichtig ist zunächst die Sprache. Sie muss zu den Kindern passen. Dabei dürfen sich die Autoren aber nie anbiedern. Die Themen müs-sen die Kinder interessieren und überraschen. Ein Beispiel: Wussten Sie, warum das Laufrad erfunden wurde? In Indonesien ist 1815 der Vulkan Tampora ausgebrochen und hat riesige Mengen Asche in die Atmosphäre geschleudert. Dadurch haben sich die Jahres-zeiten verschoben, auch in Europa. Plötzlich schneite es im Som mer, die Ernten fielen aus und es gab nicht mehr genug Futter für die Pferde. Viele mussten geschlachtet werden. Das Laufrad sollte die Pferde ersetzen.

Für welche Altersgruppe ist das Buch bestimmt?Für Kinder der vierten und fünften Klasse. In diesem Alter haben die Schüler einen sehr unterschiedlichen Wissensstand beim The-ma Technik: Die einen wissen gerade mal, dass man den Sicher-heitsgurt im Auto anlegen muss, die anderen haben schon verstan-den, wie ein Motor funktioniert. Die Herausforderung, ein Buch zu schreiben, mit dem alle Kinder in diesem Alter etwas anfangen können, war sehr groß.

Wie haben Sie das geschafft?Wir haben uns an den Schulbüchern und Lehrplänen für diese Al-tersgruppe orientiert. Wir haben also Themen aufgegriffen, die die Kinder aus der Schule oder aus ihrem Lebensalltag kennen. Ein klas-sisches Schulbuch wollten wir aber nicht machen.

In einem Satz: Worum geht es in dem Buch?Es geht um die Frage, in welcher Beziehung Technik und Umwelt zu einander stehen.Die Natur ist wichtig für die Technik, anderer-seits kann die Technik die Natur unterstützen.

Sie wollen also auch erziehen. Wie viel erhobener Zeigefinger darf denn sein?

Gar keiner, es ist nicht Ziel des Buches, zu moralisieren. Das ist ein bisschen wie bei der Sendung mit der Maus: Wir erklären den Kin-dern die Welt um sie herum, trauen ihnen aber zu, selbst ihre Schlüsse daraus zu ziehen.

Was inspiriert Sie zu Ihren Büchern?Zunächst ganz praktisch der Kundenwunsch. In Gesprächen mit unseren Kunden versuchen wir am Anfang eines Projektes heraus-zufinden, in welche Richtung das Buch gehen soll. Im Gespräch mit unseren Fachredaktionen konkretisieren wir dann die Ideen. Alle bringen ihr Wissen mit ein. Und dann geht der kreative Prozess in die Schreibstuben der Redakteure.

Der Auftrag für das Buch kam von der Audi Stiftung für Umwelt. Wie wehren Sie sich gegen den Vorwurf, die Kinder beeinflussen zu wollen?

Das Buch hat eine klare Botschaft: Natur und Technik müssen sich nicht widersprechen. Diese Botschaft hat mit dem Auftraggeber wenig zu tun und könnte so in jedem anderen Jugendbuch vorkom-men. Die Audi Stiftung für Umwelt hat sehr viel Wert darauf gelegt, im Hintergrund zu bleiben, aber sie taucht transparent als Heraus-geber auf.

Sie haben selbst zwei Kinder, vier und sieben Jahre alt. Haben Sie „Abenteuer – Leben Natur Technik“ zuhause einmal getestet?

Na klar. Die Große fand das Buch sehr spannend. Obwohl sie eigent-lich noch etwas zu klein dafür ist. In unseren Verlagsbüros sitzen übrigens sehr viele Familienväter und –mütter, die unsere Bücher mit ihren Kindern lesen und testen.

Elisabeth Heueisen koordinierte das Jugendbuchprojekt der Audi Stiftung für Umwelt seitens des Verlages.

Das Jugendbuch „Abenteuer – Leben Natur Technik“ ent-stand beim Wissenmedia Verlag, zu dem beispielsweise der Brock-haus Verlag gehört. Interessierte Nachwuchsforscher können es kostenfrei über die E-Mail Adresse „[email protected]“ mit dem Betreff „Bestellung Jugendbuch“ bekommen. Die Aktion gilt, solange der Vorrat reicht.

Information für Nachwuchsforscher

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Glossar

BionikDas Kunstwort Bionik setzt sich aus den Worten Bi-ologie und Technik zusammen. Die Bionik nutzt ‚Er-findungen‘, die durch die belebte Natur hervorge-bracht werden und überträgt deren Prinzipien auf andere Bereiche.

BiopolymereBiopolymere bezeichnen in der Technik Werkstoffe natürlichen, in der Regel pflanzlichen Ursprungs, die als nachwachsende Rohstoffe und biologisch abbau-bar Vorteile gegenüber synthetischen Polymeren, wie etwa Kunststoffe, bieten.

BoniturDie Bonitur oder auch Bonitierung ist ein visuelles Verfahren, bei der Daten über äußerlich sichtbare, veränderliche Merkmale von Pflanzen erhoben und dokumentiert werden.

CAVECAVE (Cave Automatic Virtual Environment) bezeich-net einen Raum, in dem ein dreidimensional proji-ziertes Bild eine virtuelle Realität erzeugt.

CFD-VerfahrenDas Computational-Fluid-Dynamics-Verfahren (CFD), auch numerische Strömungsmechanik genannt, ist eine auf Modellgleichungen basierende rechnerische Methode, mit der strömungsdynamische Probleme auch ohne aufwändige Versuche im Windkanal er-kannt werden.

Grün-Check: Die regelmäßige Bonitur der Audi Pflanzen gibt Auskunft über die Luftqualität.

3D-Welten: Dreidimensionale Bilder erzeugen eine täuschend echte virtuelle Umgebung.

Audi Space Frame Audi Space Frame (ASF) bezeichnet eine hochfeste Aluminium-Rahmenstruktur als Fahrzeugkarosse-rie. Der Einsatz von Aluminium bewirkt eine deut-liche Gewichtsreduktion, die den Verbrauch senkt und die Effizienz steigert.

bakterielle AbwasserreinigungDie bakterielle Abwasserreinigung ist Teil der biolo-gischen Klärstufen in Klärwerken, bei der sowohl ae-robe als auch anaerobe Bakterien im kontrollierten Rahmen zum Abbau organischer und anorganischer Abfallstoffe im Abwasser genutzt werden.

BetriebswasserBetriebswasser ist nicht für den menschlichen Ge-nuss als Trinkwasser geeignet, genügt aber den grund-legenden hygienischen Ansprüchen für den Einsatz in industriellen Prozessen oder etwa in der Landwirt-schaft.

BiofilmEin Biofilm bezeichnet eine dünne Schleimschicht, in der Mikroorganismen eingebettet sind. Er ent-steht in wässriger Umgebung, wenn Mikroorganis-men Grenzflächen besiedeln, wie etwa die Wasser-ober fläche selbst oder die Grenzfläche zu festen Kör pern, wie etwa ein Abwasserrohr.

Dicht besiedelt: Aerobe Bakterien bevölkern die Schwimmkörper im Klärbecken.

Kontrolle: Die Qualität des Betriebswassers wird bei Audi streng überwacht.

Fachbegriffe erklärt Kurze Erläuterungen zu Begriffen aus den Themen im Heft.

faserverstärkte KunststoffeFaserverstärkte Kunststoffe sind Werkstoffe wie etwa Carbon faserverstärkter Kunststoff (CFK), bei dem Fasern in mehreren Lagen zur Verstärkung in einen Kunststoff eingebettet werden.

Flatstream-DüsenDas Flatstream-Verfahren dient der gleichmäßigen und ununterbrochenen Aufbringung flacher Streifen pastösen Materials, insbesondere von Kleb- oder Dicht stoffen. Es ist als Niederdruckverfahren ener-gie effizienter als die zuvor in diesem Bereich übli-chen Hochdruckverfahren.

HFCDie drei Buchstaben HFC stehen für Hybrid Fuel Cell, die neueste Ausbaustufe eines Brennstoffzellen-Hy-bridantriebs, wie etwa präsentiert in der Technikstu-die Audi Q5 HFC.

kathodische TauchlackierungDie kathodische Tauchlackierung (KTL) und auch die anodische Tauchlackierung (ATL) sind elektroche-mische Beschichtungsverfahren zur gleichmäßigen Lackierung von Werkstücken mit komplizierter Ge-ometrie. Das Werkstück wird dazu als Elektrode in einen leitfähigen wässrigen Tauchlack eingetaucht. Eine Gegenelektrode erzeugt ein Gleichspannungs-feld, was zum Ausfällen der wasserlöslichen Binde-mittel des Lackes am Werkstück und somit zur gleich-mäßigen Beschichtung der Oberfläche führt.

Öko-AuditÖko-Audit bezeichnet als Kurzwort das so genannte EMAS-System (Eco-Management and Audit Scheme) der Europäischen Union. Das umweltpolitische In-strument beinhaltet das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung für Unternehmen, do-kumentiert in der so genannten Umwelterklärung.

RekuperationRekuperation bedeutet die Nutzung der Bewegungs-energie beim Verzögern. In Schub- und Bremsphasen wandelt der Generator die kinetische in elektrische Energie um, sie wird in der Batterie zwischengespei-chert. Die Rekuperation senkt den Verbrauch bei Ver-brennungsmotoren, ist ein wichtiger Baustein bei allen Hybrid- und Elektro-Antrieben und wird bei Audi auch für den energieeffizienten Betrieb einiger Produktionsanlagen genutzt.

SKO-VerfahrenDas Soft-Kill-Option-Verfahren (SKO) ist ein Verfah-ren der Bionik (siehe dort), das sich die Wachstums-regel zur Ausbildung statisch stabiler biologischer Strukturen zum Vorbild genommen hat. SKO simu-liert die biologische Wachstumsregel zur Optimie-rung der Topologie und Struktur von Bauteilen, um bei geringstem Materialeinsatz und Gewicht die not-wendige Steifigkeit und Stabilität zu erzielen.

TCNGTCNG ist das Kürzel für die künftige Generation Autos von Audi, die das regenerativ produzierte e-gas als Kraftstoff nutzen werden. Der Begriff lehnt sich an das Kürzel CNG (Compressed Natural Gas) an, mit dem fossiles Erdgas bezeichnet wird.

TiefziehprozessDas Tiefziehen bezeichnet ein Blechumformverfah-ren, bei dem aus einer so genannten Platine aus Blech durch Zugdruckumformung ein einseitig offener Hohl körper entsteht.

UnterkeuperDer Keuper, unterteilt in Ober-, Mittel und Unter-keuper, bezeichnet geologisch die oberste Gesteins-schicht der so genannten Germanischen Trias, die aus Keuper, Muschelkalk und Bundsandstein besteht. Die Unterkeuperschicht entstand vor etwa 235 Mil-lionen Jahren.

WärmeräderWärmeräder, auch Rotationswärmetauscher ge-nannt, dienen der energieeinsparenden Wärmerück-gewinnung. Die Abwärme eines Produktionsgebäu-des kann in den Rotoren der Wärmeräder beispiels-weise dazu dienen, die kalte Zuluft aufzuheizen.

Well-to-wheelWell-to-wheel, zu deutsch ‚von der Quelle bis zum Rad‘, bezeichnet die Untersuchung des gesamten Prozesses der Herstellung und Verwendung von Kraft stoffen, von der Ölquelle bis zur Kraftübertra-gung auf die Räder eines Fahrzeugs. Well-to-wheel-Analysen dienen der Bemessung des erforderlichen Gesamtenergieverbrauchs und der damit verbun-denen CO₂-Emissionen, etwa zur Erstellung der Um- weltbilanz eines Autos.

CFKCFK ist die Abkürzung für Carbonfaserverstärkter Kunststoff. Häufig wird auch die englische Abkür-zung CFRP für ‚Carbon-Fiber-Reinforced Plastic‘ für diesen Werkstoff verwendet.

Dach-Framer Der so genannte Dach-Framer ist eine große, brücken-förmige Spann- und Positionier-Station im Karosse-riebau, die das Dach in die Karosserie einsetzt.

DiodenlaserDiodenlaser sind Laser, die als Laserstrahlquelle Di-oden nutzen. Dieses Halbleiterverfahren benötigt, im Vergleich mit anderer Lasertechnologie, wesent-lich weniger elektrische Energie.

DrehprozessDas Drehen bezeichnet ein zerspanendes Fertigungs-verfahren, bei dem ein Werkstück rotiert und wäh-rend dessen durch ein spanendes Werkzeug bearbei-tet wird.

ecodynamisches UnternehmenDie Auszeichnung „Entreprise Ecodynamique“ wird in der Region der belgischen Hauptstadt Brüssel an um weltfreundlich produzierende Unternehmen ver-geben. Die Kriterien beinhalten eine geringe Umwelt-belastung durch Abfall und Emissionen, den gerin-gen Energieverbrauch und den verantwortungsbe-wussten Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen in der Produktion.

Effizienz: Wärmeräder nutzen Energiedifferenzen unterschiedlich temperierter Luft.

Leicht: CFK spielt neben Aluminium in Audis Leichtbaukonzept eine gewichtige Rolle.

Streifenweise: Kleb- und Dichtstoffe werden bei Audi mit Flatstream-Düsen aufgebracht.

Vorgemacht: Die Natur bietet eine Fülle von Lösungen, die in der Bionik Anwendung finden.

Brüssel: Das Audi Werk trägt die Auszeichnung „Entreprise Ecodynamique“ der belgischen Hauptstadt.

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Die Audi- Umweltpolitik Grundsätze der Umweltpolitik In den Audi-Unternehmensgrundsätzen sind Klima schutz und Ressourcenschonung fest ver ankert. Sie bilden die Leitlinien für alle unternehmerischen Entscheidungen. Das Audi-Umweltmanagement und dessen klare Einbin dung ist die Gewähr für verantwortliches Handeln.

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Umweltgrundsätze Produkt

Um unserer Verantwortung gegenüber Kunden, Gesellschaft und Umwelt gerecht zu werden, ist die stetige Verbesserung der Produkte hinsichtlich der Umweltverträg -lichkeit und der Ressourcenschonung Bestandteil der Unternehmenspolitik. Der um sichtige Umgang mit den ökologischen Herausforderungen bestimmt unser Handeln und unsere Prozesse.

Es leiten sich folgende Zielfelder ab:

1. Klimaschutz— Reduzieren der Treibhausgas-Emissionen— Reduzieren des Verbrauchs im Testzyklus und im realen Fahrbetrieb— Unterstützen kraftstoffsparender Fahrweisen

2. Ressourcenschonung— Verbessern der Ressourceneffizienz— Erreichen einer bestmöglichen Verwertbarkeit unter Berücksichtigung innovativer Verwertungstechnologien— Einsetzen nachwachsender Rohstoffe und Rezyklatmaterialien— Entwickeln und Bereitstellen alternativer Antriebstechnologien— Ermöglichen der Nutzung alternativer Kraftstoffe und anderer Energiespeichersysteme unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten

3. Gesundheitsschutz— Reduzieren limitierter und nichtlimitierter Emissionen— Vermeiden der Verwendung von Gefahr- und Schadstoffen – möglichst im Sinne der weltweit strengsten Materialgesetzgebungen— Minimieren der Innenraum-Emissionen inklusive Geruch— Reduzieren der Außen- und Innengeräuschwerte

Wir werden jedes Fahrzeugmodell so entwickeln, dass es ganzheitlich bessere Um -welteigenschaften aufweist als sein Vorgänger. Dabei achten wir darauf, dass über den gesamten Lebenszyklus Verbesserungen erreicht werden.

Das Unternehmen stellt sich dabei besonders den Veränderungen, die sich durch die zunehmende Urbanisierung für Mobilität und Umwelt ergeben.

Die Umweltzielfelder dienen uns als Differen zierungsmerkmale gegenüber unseren Wettbewerbern zum Nutzen unserer Kunden. Wir streben eine Positionierung ‚best in class‘ bezüglich der Umweltbelange an.

Übergeordnete Ziele: Fahrzeug und Standorte

Mit einer konsequenten Strategie arbeitet Audi an der weiteren Senkung von Verbrauch und Emissionen: Bis zum Jahr 2016 wird Audi die CO₂-Emissionen seiner Modelle auf Basis von 2008 um 25 Prozent reduzieren. Audi treibt außerdem die Elektromobilität entschieden voran und konzentriert sich darauf, die Effizienz aktueller Antriebe zu ver-bessern. Bis zum Jahr 2015 wird Audi mehr als 50 Modellvarianten anbieten, die 120 Gramm CO₂/km nicht überschreiten. Das bislang bestehende Ziel, die standort- und unternehmensbezogenen spezifischen CO₂-Emissionen unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Planungen hinsichtlich der Fahrzeugstückzahlen bis 2015 bei Audi auf der Basis von 1990 bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent zu senken, erfährt nun mit dem Bestreben der Etablierung künftig komplett CO₂-neutraler Standorte eine ganz neue Dimension. Die AUDI AG will damit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zum Umweltschutz leisten (siehe Seite 14).

1. Die Audi-Umweltpolitik – Präambel und Grundsätze

Autos und ihre Herstellung sollen die Umwelt möglichst wenig belasten – das ist der Hauptbestandteil der Umweltpolitik der AUDI AG. Das Unternehmen hat eine Umwelt-strategie entwickelt, die für einheitliche Standards an allen Standorten sorgt. Im Vordergrund steht die Integrierte Produktpolitik (IPP): Umweltschutz wird frühzeitig in der Entwicklung der Produkte berücksichtigt.

Präambel

Die AUDI AG entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Automobile. Sie trägt dabei Verantwortung für die kontinuierliche Verbesserung der Umweltverträglichkeit der Produkte und Produktionsstätten sowie für den umweltgerechten Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Hierfür werden Entwicklungsstände fortschrittlicher Technologien unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten berücksichtigt. Die AUDI AG macht diese Technologien weltweit verfügbar und ermöglicht ihre Anwendung über die gesamte Prozesskette. Sie ist an allen Standorten Partner für Gesellschaft und Politik und trägt so nachhaltig zu einer sozial und ökologisch positiven Entwicklung bei.

Grundsätze der Umweltpolitik

Die AUDI AG bietet hochwertige Automobile an, die den Ansprüchen ihrer Kunden an Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Qualität und Komfort gleichermaßen gerecht werden.

Forschung und Entwicklung sind Bestandteil der Audi-Umweltpolitik. Die AUDI AG entwickelt für ihre Produkte ökologisch effiziente Prozesse und Konzepte und steigert so die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Es ist das erklärte Ziel der AUDI AG, bei allen Aktivitäten schädliche Einwirkungen auf die Umwelt vorausschauend zu vermeiden. Insbesondere der schonende und effiziente Einsatz von Ressourcen und Energie steht dabei im Mittelpunkt. Dabei ist die Einhaltung der Umweltvorschriften selbstverständlich.

Das Umweltmanagement der AUDI AG stellt sicher, dass – gemeinsam mit Zulieferunternehmen, Dienstleistern, Handelspartnern und Verwertungs unter-nehmen – die Umweltverträglichkeit der Automobile und Fertigungsstandorte kontinuierlich verbessert wird.

Der Vorstand der AUDI AG ist verantwortlich für die Einhaltung der Umwelt politik sowie die Funktionsfähigkeit des Umweltmanagementsystems. Es erfolgt regelmäßig eine Überprüfung der Umweltpolitik hinsichtlich ihrer Eignung und Zweckmäßigkeit und – sofern notwendig – eine Aktualisierung.

Der offene und klare Dialog mit Kunden, Händlern und Öffentlichkeit ist für die AUDI AG selbstverständlich. Die Zusammenarbeit mit Politik und Behörden ist vertrauensvoll. Sie schließt die Notfallvorsorge und -nachsorge an den einzelnen Produktionsstandorten mit ein.

Alle Mitarbeiter der AUDI AG werden entsprechend ihrer Funktion im Umwelt-schutz informiert, qualifiziert und motiviert, sodass ihr Verantwortungs bewusst-sein für die Umwelt gefördert wird. Sie sind diesen Grundsätzen verpflichtet.

Diese Umweltpolitik ist für alle Standorte der AUDI AG verbindlich und wird durch die Formulierung von standortbezogenen Hauptaktionsfeldern ergänzt beziehungsweise konkretisiert.

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2. Die Umweltschutzorganisation innerhalb des Unternehmens

Auf zwei Ebenen wurden bei Audi Gremien eingerichtet, die für die Koordinierung des Umweltschutzes im Unternehmen sorgen. Der unter der Leitung des Vorstands mit-gliedes Produktion stehende Koordinierungskreis Umweltschutz setzt sich aus den je weiligen Umweltmanagementbeauftragten der Konzernunternehmen Audi Ingol-stadt, AUDI HUNGARIA MOTOR Kft., AUDI BRUSSELS S.A./N.V und Automobili Lamborghini Holding S.p.A. zusammen. Er beschäftigt sich mit strategischen Umwelt-schutzthemen und beauftragt die Umweltgremien, hierfür Vorschläge zu entwickeln.

Eine zentrale Rolle auf der Ebene der AUDI AG spielt der Steuerkreis Ökologie, der die Aufträge aus dem übergeordneten Koordinierungskreis Umweltschutz umsetzt und angemessene Umweltschutz-Strategien erarbeitet. Ihm obliegt die Aufgabe, das ökologische Bewusstsein der Mitarbeiter zu schärfen und bereichs- sowie stand ort-übergreifende Arbeitsgruppen zur Erarbeitung und Umsetzung von Umweltschutz the-men einzusetzen.

Dem Steuerkreis Ökologie sind bei Bedarf mehrere thematische Arbeitsgruppen zu Schwerpunkten wie etwa Nachhaltigkeit, Umweltbericht, Umweltmanagement und Integrierte Produktpolitik nachgeordnet. Sie erarbeiten Umweltschutzmaß nahmen-programme, erstellen ein Kommunikationskonzept, machen Vorschläge für strategische Umweltschutzthemen und legen sie dem Steuerkreis Ökologie vor.

Umweltschutz ist Chefsache

Die Gesamtverantwortung für den Umweltschutz liegt beim Vorstand, der das Mitglied des Geschäftsbereichs Produktion mit der Wahrnehmung der Umweltschutzaufgaben betraut hat. Der Produktionsvorstand ist damit verantwortlich für die Einhaltung der Umweltpolitik. Laut § 52a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist er unter anderem verpflichtet, über die Einhaltung der umweltrechtlichen Bestimmungen für genehmi-gungsbedürftige Anlagen zu wachen. Da er jedoch berechtigt ist, diese Aufgaben zu delegieren, gibt der Produktionsvorstand sie entsprechend an die Betreiber umweltrele-vanter Anlagen weiter. Für den unternehmens- und standortbezogenen Umweltschutz sind die jeweiligen Abteilungen Betrieblicher Umweltschutz zuständig.

Für jeden Standort hat der Vorstand den Leiter des Umweltschutzes zum Betriebs-beauftragten für Umweltschutz ernannt und ihm die Aufgabe zugewiesen, darüber zu wachen, dass jedes Werk die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Der Umweltschutz beauf-tragte in Ingolstadt hat dabei die Koordinationsfunktion für die Standorte der AUDI AG inne. Außerdem besitzen sämtliche Standorte je einen eigenen Umweltmanage ment-beauftragten, der für die erfolgreiche Umsetzung des Umweltmanagementsystems verantwortlich ist.

3. Umweltmanagementsysteme an den Standorten

Basis für eine fortlaufende Senkung der Umweltbelastung an allen Standorten bilden die organisatorischen Maßnahmen im Rahmen der Umweltmanagementsysteme sowie der Einsatz neuester Technologien. Die Ergebnisse dieser kontinuierlichen Anstren-gungen werden dabei durch regelmäßige interne Überprüfungen sowie durch externe Zertifizierungen aller Produktionsstätten dokumentiert. Als Anerkennung seiner Umweltaktivitäten führt das Unternehmen das Markenzeichen der Europäischen Union für hervorragenden Umweltschutz – so sind alle Standorte des Audi Konzerns nach dem weit über die Standardanforderungen hinausgehenden Umweltmanagementsystem der Europäischen Union EMAS (Eco Management and Audit Scheme) validiert. Bereits im Jahr 1995 bekam das Unternehmen als erster Automobilhersteller im Premium seg-ment das begehrte Zertifikat für den Standort Neckarsulm verliehen. In den Jahren 1997 und 1999 folgten die beiden Produktionsstandorte Ingolstadt und Győr (Ungarn). Das belgische Werk in Brüssel hält das EMAS-Zertifikat seit dem Jahr 2002, seit 2009 trägt auch der Lamborghini-Standort Sant’Agata Bolognese (Italien) das EMAS-Signet. Die Produktionsstätten Ingolstadt, Győr und Sant’Agata Bolognese sind zudem nach der welt weit gültigen Norm DIN EN ISO 14001 zertifiziert. Die Umweltmanage ment-systeme der Werke Ingolstadt, Neckarsulm, Győr und Sant’Agata Bolognese entsprechen darüber hinaus bereits heute der neuen europäischen Norm DIN EN 16001 bzw. der internationalen Norm DIN EN ISO 50001, welche besonders hohe Anforderungen stellt, um den Energieverbrauch stetig und systematisch zu reduzieren.

3.1. Bausteine der Umweltmanagementsysteme

Das Umweltmanagementsystem von Audi funktioniert nach dem klassischen Pyra mi-denprinzip: An der Spitze stehen die übergeordneten umweltpolitischen Hand lungs-grundsätze der AUDI AG, die in ein Rahmenkonzept und mehrere Richtlinien münden und schließlich von den Mitarbeitern auf breiter Basis umgesetzt werden.

Das Umwelthandbuch schreibt zunächst die Verfahren und Zuständigkeiten für den Audi-Umweltschutz vor und bildet damit den Ausgangspunkt für die Audi-Umweltschutzrichtlinien. Zusätzlich bestehen interne, bereichsübergreifend für alle Mitarbeiter bindende, Verfahrensanweisungen zum Thema Umweltschutz. Details regeln spezielle Arbeitsanweisungen, die ebenfalls verbindlich sind. Schließlich hat sich bei Audi jeder Mitarbeiter an die Umweltschutzrichtlinien zu halten und an seinem Arbeitsplatz dazu beizutragen, die Audi-Umweltpolitik täglich in die Praxis umzusetzen.

Audi Produktionssystem integriert Umweltschutz

Die Einbindung der Mitarbeiter spielt bei Audi eine tragende Rolle. Das Audi Produk-tionssystem (APS) als Basis des wertschöpfungsorientierten, synchronen Unter-nehmens ist ein wesentlicher Baustein der Audi-Produktionsstrategie. Dieses Konzept zur Arbeitsorganisation schafft Transparenz und Vernetzung in allen Bereichen des Unternehmens.

Der Methodenbaustein Umweltschutz ist ein wichtiger Bestandteil des Audi Pro-duktionssystems. Hier wird der aktive Umweltschutz durch die Sensibilisierung für jene Themen gefördert, auf die jeder Mitarbeiter vor Ort selbst Einfluss hat. So werden die Mitarbeiter darin beispielsweise für den schonenden Umgang mit der Ressource Wasser motiviert oder zur Senkung des Energieverbrauchs angeleitet – sei es durch die Minimierung von Druckluftleckagen, durch eine optimierte Anlagenfahrweise oder einfach nur durch das Ausschalten nicht benötigter Lichtquellen. Mit Hilfe des APS wer-den die Mitarbeiter angewiesen, bei Anlagen- und Prozessänderungen auf die Einhal-tung interner Umweltschutzvorgaben zu achten und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Abfalltrennung im Werk.

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154 155Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Multiplikatoren vermitteln Umweltwissen

Im Umweltmanagement beschreitet Audi besondere Wege. Eigens für den betrieblichen Umweltschutz qualifizierte Mitarbeiter vermitteln den Beschäftigten von Audi das jeweils für ihren Bereich notwendige Umweltwissen. Das Unternehmen hat zu diesem Zweck Betriebliche Verantwortliche für Umweltschutz (BVfU) ernannt. Ihre Aufgabe ist die Unterstützung des Umweltbeauftragten und der Vorgesetzten bei der Wahr neh-mung ihrer Verantwortung im Umweltschutz. Jeder dieser BVfU soll darüber hinaus generell mit offenen Augen durch das Werk gehen und den Anlagenbetreiber bei der Wahrnehmung seiner Betreiberpflichten unterstützen. Für alle BVfU gibt es mehrmals im Jahr regelmäßige Weiterbildungsveranstaltungen, die ihnen bei der Aufgabe helfen, den Umweltschutz in ihrem Verantwortungsbereich nachhaltig voranzutreiben, die Mit-arbeiter zu umweltgerechtem Verhalten anzuleiten und sie über die neuesten Ent-wicklungen zu informieren. Sie lernen dort, als Multiplikatoren ihr erworbenes Fach-wissen an die Kollegen weiterzugeben und ihnen sowie der Umweltschutzabteilung als Ansprechpartner zu dienen. Insgesamt gibt es bei Audi rund 100 BVfU, die die Um set-zung der Umweltmanagementsysteme als Umweltmultiplikatoren unterstützen, davon rund 60 in Ingolstadt, 20 in Neckarsulm und 20 in Győr.

Die Umweltschutzabteilung in Ingolstadt unterstützt die Schulungen für die Fertigungsgruppenleiter, in denen die erste betriebliche Führungsebene mit den Schwerpunkten des betrieblichen Umweltschutzes der AUDI AG vertraut gemacht wird. Zudem werden auch die Fachabteilungen regelmäßig über die neuesten umweltrele-vanten Gesetze informiert und geschult. Für die Auszubildenden gibt es bereits im Rahmen des Einführungsprogramms eine Veranstaltung zum Umweltschutz und auch im Stundenplan des Ausbildungszentrums ist der Umweltschutz regelmäßig Thema.

Einheitliche Standards an den Standorten

Weitere, über das Umweltmanagementsystem von Audi hinausgehende Normen und Regeln garantieren einheitliche internationale Umweltstandards im Audi-Konzern. Weltumspannend gelten für alle Audi-Standorte die Umweltnorm Fahrzeug, die „Vor-standsrichtlinie Umweltschutz-Richtlinien“ sowie das Lastenheft Umwelt- und Humanverträglichkeit.

Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen

Die Beschaffung trägt mit der Auswahl der Lieferanten maßgeblich zur Erreichung der Umweltschutz-Ziele der AUDI AG bei. Alle Geschäftspartner sind verpflichtet, entlang des Produktprozesses ihren Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung zu leisten und dies über die gesamte Wertschöpfungskette sicherzustellen, entsprechend der Vertrags-dauer der Serienbelieferung und darüber hinaus. Umweltrelevante Aspekte werden des-halb als Normen und Vorgaben früh in die Geschäftsbeziehungen eingebunden und sind ein zentraler Bestandteil des Vertragswerkes. Audi sieht in weltweit einheitlichen Umwelt- und Sozialstandards auch ein wesentliches Element in Bezug auf die zukünf-tige Wettbewerbsfähigkeit von Lieferanten. Denn ein umweltbewusster und sozial engagierter Lieferant ist der Erfahrung nach auch ein ökonomisch und in den Prozessen stabiler, progressiver und damit zuverlässiger Partner.

3.2. Integrierte Produktpolitik berücksichtigt Umweltschutz von Anfang an

Früher fand Umweltschutz oft erst am Ende des Produktionsprozesses statt. Heute aber reicht es nicht mehr, Schornsteine mit Filtern auszustatten, Kläranlagen für indus-trielle Abwässer zu errichten oder Abfälle in Müllverbrennungsanlagen zu beseitigen. Ein effizienter Umweltschutz muss den ganzen Lebensweg eines Produkts einbeziehen, denn Rohstoffeinsatz, Energieverbrauch und Emissionen hängen davon ab, wie ein Produkt entwickelt, produziert, genutzt und entsorgt wird.

Um die Umweltbelastungen weiter zu senken, verfolgt Audi deshalb eine Inte-grierte Produktpolitik. Dabei wird schon im Entwicklungsprozess eines Produkts unter-sucht, welche Auswirkungen später, das heißt in allen seinen Lebensphasen von der Werkstoffbeschaffung bis zur Entsorgung, entstehen.

Audi hat sich dieser Integrierten Produktpolitik, die alle Umweltschutzaspekte von Anfang an mit einbezieht, schon seit vielen Jahren verschrieben und dadurch deut-liche Umweltentlastungen erreicht. Die erneute Teilnahme am mittlerweile vierten Umweltpakt Bayern unterstreicht das Umweltengagement von Audi. Der Umweltpakt Bayern IV steht unter dem Motto „Nachhaltiges Wachstum mit Umwelt- und Klima-schutz“. Audi engagiert sich unter anderem in den installierten Arbeitsforen „Integrierte Produktpolitik und Ressourceneffizienz“ und „Managementsysteme“. Die Arbeitsforen zielen darauf ab, dass die gewonnenen Erfahrungen von Audi und anderen großen Unternehmen im Themenfeld der Integrierten Produktpolitik und im Bereich der Umwelt-managementsysteme kleineren und mittleren Unternehmen zugänglich ge macht werden. Nur so kann das Ziel erreicht werden, die Innovationskraft zu steigern sowie ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen.

3.3. Das Audi e-gas project

Audi strebt in der Automobilindustrie die Führungsrolle beim nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen an. Hier übernimmt die Marke unternehmerische, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung. Das große Ziel dieser Aktivitäten ist die ganzheitliche CO₂-neutrale Mobilität auf Kurz-, Mittel- und Langstrecken.

Ein zentrales Thema sind die Energieträger. Im Audi e-gas project baut die Marke aus eigener Kraft eine ganze Kette nachhaltiger Energieträger auf – Strom, Wasser - stoff und das Synthesegas Audi e-gas. Audi denkt auf dem Feld der alternativen Kraft-stoffe in verschiedene Richtungen. Schon heute führt die Marke den A4 2.0 TFSI flexible fuel im Angebot, der mit 85prozentigem Bioethanol (E 85) läuft. Er erzielt eine ausge-zeichnete Umweltbilanz, wenn man nicht nur die Emissionen am Auspuff sieht, sondern die Well-to-wheel-Betrachtung* anwendet, die vom Ursprung des Kraftstoffs bis zur Fortbewegungsenergie am Rad reicht.

Mit den Biokraftstoffen der zweiten Generation, die Audi erforscht und entwi-ckelt, können Verbrennungsmotoren in der Well-to-wheel-Bilanz noch einmal deutlich besser werden. Die neuen Kraftstoffe stehen nicht mehr in Konkurrenz zur Nahrungs-mittelkette, und sie lassen sich speziell auf die Ansprüche moderner Verbrennungs moto-ren zuschneiden.

Das Audi e-gas project geht nach drei Jahren intensiver Forschung nun in die Praxisphase über. Mit ihm baut Audi als erster Automobilhersteller weltweit eine Kette nachhaltiger Energieträger auf. Ihre Endprodukte sind sauberer Strom, Wasserstoff und das synthetische e-gas. Windkrafträder produzieren dabei regenerativen Strom, der die künftigen e-tron-Modelle antreibt. Der durch Elektrolyse gewonnene Wasserstoff eignet sich für den Einsatz in Brennstoffzellenfahrzeugen, und das durch Methani sie-rung erzeugte e-gas ermöglicht die klimafreundliche Langstreckenmobilität für Autos mit Verbrennungsmotoren.

Ein Ziel von Audi besteht darin, seine künftigen, elektrisch angetriebenen e-tron-Modelle mit Ökostrom zu produzieren und genügend Grünstrom-Äquivalente für ihren Betrieb bereit zu stellen.

Darüber hinaus wird Windstrom genutzt, um eine Anlage in Werlte (Emsland) zu versorgen, die per Elektrolyse Wasserstoff herstellt. Der Wasserstoff könnte künftig direkt als Treibstoff für Brennstoffzellen-Autos wie dem Technikträger Audi Q5 HFC dienen. In der ersten Projektphase wird er aufgrund der fehlenden Versorgungs-Infra-struktur jedoch nicht direkt genutzt; vielmehr gelangt er in einen Speichertank und weiter zur weltweit ersten Methanisierungsanlage im industriellen Maßstab. Sie ist an eine Abfall-Biogasanlage gekoppelt – von ihr bezieht sie das zur Methanisierung not-wendige konzentrierte CO₂, das sonst die Atmosphäre belasten würde.

Abgasprüfstand mit Audi Q5.

Audi e-etron Modelle.

Das Audi e-gas project.

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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156 157Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Als Endprodukt entsteht das Audi e-gas. Es ist ein energiereicher Kraftstoff, der chemisch mit fossilem Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, identisch ist und sich hervorragend zum Antrieb von Verbrennungsmotoren eignet. Von 2013 an wird die Anlage in Werlte jährlich etwa 1.000 Tonnen Methan produzieren und dabei 2.800 Tonnen CO₂ binden.

Mit dem regenerativ erzeugten e-gas können beispielsweise 1.500 A3 TCNG* jeweils 15.000 Kilometer pro Jahr CO₂-neutral fahren. Auch die deutsche Energiewirt-schaft könnte mittelfristig vom Konzept des Audi e-gas project profitieren, denn es beantwortet die offene Frage, wie sich Ökostrom effizient und ortsunabhängig spei-chern lässt.

Weht viel Meereswind, lassen sich Strom-Überkapazitäten in e-gas wandeln und im öffentlichen Gasnetz einlagern – mit seinen 217 Terrawattstunden Kapazität ist es der größte existierende Energiespeicher in Deutschland. Aus dem Gasnetz kann man die Energie, wenn gewünscht, jederzeit ins Stromnetz zurückführen.

Das Potential der Strom-Gas-Kopplung, Wind- oder auch Solarenergie in großen Mengen zu speichern, kann dem Ausbau der erneuerbaren Energien starke Impulse verleihen. Das Audi e-gas project lässt sich leicht auf alle Länder übertragen, in denen Erdgasnetze existieren.

4. Handlungsfelder der Standorte

4.1. Einsparung von Energie und CO₂-Reduktion

Ein besonderer Schwerpunkt der Umweltaktivitäten liegt in der Reduzierung des Ener-gieverbrauchs und damit verbundener Emissionen, wobei Energiesparpotentiale bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden. Insgesamt hatte sich die AUDI AG zum Ziel gesetzt, durch eine Vielzahl an kontinuierlichen Maßnahmen die standort- und unternehmensbezogenen spezifischen CO₂-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu senken.

Mit dem Bestreben der Etablierung künftig komplett CO₂-neutraler Standorte hat dieses Ziel mittlerweile eine ganz neue Dimension erreicht. Um der wachsenden Be -deutung des Themenkomplexes Energie gerecht zu werden, wurde bereits 2009 die Audi-Umweltpolitik um einen Passus zum „schonenden und effizienten Einsatz von Res-sou rcen“ ergänzt. Folgerichtig integrierte Audi die neue europäische Norm zur Energie -effizienz in die bestehenden Umweltmanag ement systeme. So sind die Audi-Stand- orte Ingolstadt, Neckarsulm und Győr sowie der Lamborghini-Standort in Sant’Agata Bolognese auch nach der neuen europäischen Norm DIN EN 16001 bzw. ISO 50001 zertifiziert.

Am Standort Ingolstadt war Audi sogar das erste Unternehmen, das als Auto-mobilwerk mit einem Zertifikat der DEKRA für die neue Managementnorm zur Energie-effizienz ausgezeichnet wurde. Die Norm stellt besonders hohe Anforderungen, um den Energieverbrauch stetig und systematisch zu reduzieren. Neben den Bereichen Infrastruktur und Logistik kommt im Zusammenhang nachhaltiger Effizienz steige rungen insbesondere den Produktions- und Versorgungsanlagen eine große Bedeutung zu. Der leichte Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs bzw. der CO₂-Emissionen lässt sich insbesondere auf die Produktionssteigerung zurückführen. Der Verlauf der letzten Jahre zeigt, dass der Gesamtenergieverbrauch dennoch auf einem nahezu stabilen Niveau gehalten werden konnte.

Auch in den weiteren Umweltkennzahlen, die der Audi-Konzern über den Energie-verbrauch hinaus beobachtet, spiegelt sich die Erhöhung des Produktionsvolumens wider. Dazu hat ein ganzes Paket gezielter Projekte beigetragen. Bereits in der Planungs-phase für Anlagen und Gebäude der Fertigung und für die Infrastruktur sowie die Be -lange der Logistik werden Energieeffizienzmaßnahmen berücksichtigt.

Turbinenhaus der KWKK-Anlage.

Wärmerad im Schnittmodell.

2.800

2.400

2.000

1.600

1.200

800

400

0

Produktion Fahrzeuge(in Tausend Stück)

Produktion Motoren(in Tausend Stück)

Gesamtenergieverbrauch(in GWh)

201120102009

1.2921.102902

1.8841.6481.384

2.5092.4912.189

Entwicklung Gesamtenergieverbrauch, Fahrzeug- und Motorenproduktion im Audi-Konzern**

** Standorte Ingolstadt, Neckarsulm, Brüssel (ohne Volkswagen Polo), Győr und Sant’Agata Bolognese; inkl. CKD-Umfänge.

Gesamtenergieverbrauch im Audi-Konzern

Fortschrittliche Technologien

Zur Optimierung der Energieeffizienz hat Audi in Ingolstadt eine Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage in Betrieb. Durch die sehr effektive Energieausnutzung des Brenn stoffes Gas wird ein Wirkungsgrad von bis zu 78 Prozent erreicht. Im Vergleich zu herkömm-licher Energiegewinnung können etwa 25 Prozent CO₂ vermieden werden. Das bedeutet eine Reduzierung von 17.200 Tonnen CO₂ gegenüber einer konventionellen Energie-erzeugung.

Neben der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage (KWKK-Anlage) bezieht Audi in Ingolstadt seinen Wärmebedarf aus zwei eigenen, weitestgehend mit Erdgas betrie-benen Heizwerken. Künftig soll jedoch der Verbrauch von Erdgas weiter sinken. Dazu wird das Werk seit Anfang 2004 mit Abwärme aus der Müllverwertungsanlage Ingol stadt beliefert. 2011 bezog Audi hier rund 68.000 MWh Fernwärme. Im September 2009 wurde ein Fern wärmeliefervertrag zwischen Audi und den Stadtwerken Ingolstadt unter zeichnet.

Mit diesem Vertrag wird eine Erhöhung der vertraglich zugesicherten Mindest-menge von 60.000 Megawattstunden pro Jahr auf 120.000 Megawattstunden pro Jahr Abwärme aus Produktionsprozessen festgelegt. Die erste Abwärme über die neuen Wärmetauscher mit dem Primärenergiefaktor 0 wurde Ende 2011 an Audi geliefert. Lang fristig verfolgt Audi das Ziel, die Fernwärmenutzung weiter auszubauen. In Neckar-sulm wird der Wärmebedarf bereits weitgehend durch Fernwärme gedeckt, und auch das Werk in Győr wird mit Fern wärme aus einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage beliefert.

Die Wärmerückgewinnung ist ein zentraler Bestandteil der Raumluft-technischen Anlagen. Auf dem Werksgelände in Ingolstadt sind mehrere hundert Wärmerück ge-winnungsanlagen in Betrieb. Ein besonders effektiver Typ von Wärmerückgewinnungs-anlage ist das Wärmerad, das beispielsweise in der Lackiererei eingesetzt wird. Dies lohnt sich, denn in der Lackiererei am Standort wird alleine in den Lackier kabinen ein Volu-men von rund 4,5 Millionen Kubikmeter Luft pro Stunde durch die Anlagen bewegt. Das entspricht dem Rauminhalt der Allianz-Arena. Im Jahr 2011 hat Audi die bereits vor -handenen 34 Wärmeräder* durch neue, effizientere Wärmeräder ersetzt. Das vermei-det allein am Standort Ingolstadt jedes Jahr mehr als 16.000 Tonnen CO₂ oder 80.000 MWh Energie – der jährliche Wärmebedarf von rund 7.400 Einfamilienhäusern.

Innovative und effiziente Fügeprozesse im Karosseriebau wie beispielsweise Punktschweißen, Laserschweißen und Klebetechniken werden bei Audi eingesetzt. Die jeweilige Schweißtechnik wird dabei auf die einzelnen Fügeprozesse abgestimmt, um die effizienteste Lösung für den jeweiligen Prozess zu wählen. In den vergangenen Jahren wurden verstärkt die pneumatischen Schweißzangen sukzessive durch elektromoto-rische Schweißzangen ersetzt. Die Verringerung des Energieverbrauchs und damit des CO₂-Ausstoßes beträgt rund 50 Prozent im Vergleich zu pneumatischen Schweiß zangen bei identischer Anwendung. Nach den bisher gewonnenen positiven Erfah rungen mit der fortschrittlichen Technologie wird diese im Audi-Konzern bei allen neuen Projekten berücksichtigt. Zahlreiche weitere Einzelmaßnahmen wie eine bedarfsgerechte Lüf-tungs- und Lichtsteuerung oder der optimierte Maschinenbetrieb sind Teil der perma-nenten und konsequenten Reduzierung des Energieeinsatzes (siehe Seite 30).

* Siehe Glossar, S. 146 –147

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158 159Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Warmumformen

Durch die innovative Technik des Warmumformens werden bei Temperaturen größer als 900 °C Blechteile hergestellt, welche sich durch eine dünnere Materialstärke und eine hohe Festigkeit auszeichnen. Hochfeste Stahlsorten ermöglichen somit eine Material-ein sparung (Ressourcenschonung) und eine moderne Leichtbauweise bei erhöhter Crash-sicherheit. Das dadurch erreichte geringere Gewicht der Fahrzeuge trägt in der Nut-zungsphase zu einer Einsparung von Treibstoff bei. Die Gesamtbilanz macht deutlich, dass trotz des höheren Energieeinsatzes zum Aufheizen der Blechteile insgesamt ein gesamtökologischer Vorteil besteht.

Modernste Prüfstände in Neckarsulm

Ein weiteres Beispiel ist das Neckarsulmer Motorprüfzentrum. Das Gebäude verfügt über eine moderne Raumluftanlage mit integrierter Wärmerückgewinnung. Die Prüfstände wurden schalltechnisch optimiert, was zu einer erheblichen Verringerung der Geräusch-immissionen führt.

Zum Einsatz kamen spezielle Schalldämpfer. Weiter ist die Außenhaut des innova-tiven Gebäudes speziell nach Gesichtspunkten des Schallschutzes konstruiert. Jeder Motor auf dem Prüfstand unterstützt zudem die Energierückgewinnung: So werden die Verbrennungsmotoren im Prüfbetrieb durch Asynchronmaschinen gebremst und der gewonnene Strom wird in das Gebäudenetz zurückgespeist.

Umweltschutzmaßnahmen im Fahrzeugwerk Győr

Bereits in der frühen Planungsphase der Fertigungseinrichtungen am Standort Győr waren Umweltschutzmaßnahmen ein Schwerpunktthema. Vor allem die Vermeidung von CO₂-Emissionen und die Schonung von Ressourcen standen dabei im Mittelpunkt.

Wie ein roter Faden ziehen sich die Themen Energieeinsparung und Prozess opti-mierung durch die einzelnen Fertigungsbereiche. In einem Automobilwerk stellt in der Regel der Lackierprozess der Karosserien die größte Umweltbelastung dar. Im Fahr zeug-werk in Győr werden deshalb bei der Kataphorese-Tauchgrundierung, dem Füller auf trag und dem Auftrag der farbgebenden Decklackschicht wassermischbare Lack systeme zum Einsatz gebracht. Um zu vermeiden, dass noch die letzten Rest lösungsmittel, die im Lackierprozess auftreten, in die Umwelt emittiert werden, wurden zusätzlich weit über gesetzliche Forderungen hinausgehende Abluftreinigungseinrichtungen installiert. Nicht nur die Abluft der Trockner für das Aushärten der Lacke, sondern auch die Abluft der Spritzkabinen wird gereinigt, bevor sie in die Umwelt abgegeben wird. Mit diesen Maß-nahmen ist die Lackiererei in Győr die sauberste Karosserielackierung der Welt. Durch die Trockenabscheidung von Overspray in den Lackierkabinen wird zusätzlich noch die Ab -fallmenge des Lackschlamms deutlich reduziert.

Eine sehr umweltverträgliche und höchst innovative Energieerzeugungs anlage im Fahrzeugwerk sorgt dafür, dass die Erzeugung von Wärme und eine Teilmenge Strom für die Fahrzeugfertigung äußerst effizient umgesetzt wird. Neben Gaskesseln kommen Gasmotoren zum Einsatz, deren CO₂-Ausstoß verglichen mit anderen Arten von Energie-gewinnung wesentlich geringer ist. Auch im Außenbereich des Fahrzeugwerks kommt innovative Technik zum Einsatz. So erfolgt die Außenbeleuchtung mittels neuartiger LED-Leuchten, die besonders wenig Energie benötigen. Gleichzeitig sind die Leuchten so ausgestaltet, dass zum Beispiel nachtaktive Falter und Insekten nicht durch das Licht irritiert werden.

Energieteams helfen sparen

Die Energieteams in Ingolstadt, Neckarsulm und Győr beschäftigen sich mit neuen Ener-gieversorgungskonzepten und innovativen Ideen, wie etwa dem Einsatz regenerati ver Energien oder dem Ausbau eines Fernwärmeverbundes innerhalb des Großraums Ingol-stadt. Die in den einzelnen Produktionsbereichen aktiven Energiebeauftragten er mit-teln gemeinsam mit den Mitarbeitern vor Ort, an welchen Stellen Energie effi zienter genutzt werden kann. Dabei werden Einsparpotentiale identifiziert, die vor allem durch organisatorische Maßnahmen realisiert werden können. Die Initiierung so genannter Leckage-Tage zur Erkennung von Druckluftverlusten in den Produktionshallen, Wochen-endabschaltungen von Anlagen sowie die bedarfsgerechte Beleuchtungs- und Lüf-tungssteuerung sind Themenfelder der Energiebeauftragten.

Solarstrom

Zur Erprobung innovativer Technologien im Bereich der Fotovoltaik hat das Unter neh men im Jahr 2009 am Stammsitz Ingolstadt eine Fläche von insgesamt 11.600 Quadrat-metern zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2010 wurden auf dem neuen Karosseriebau für den Audi A3 auf weiteren 7.500 Quadratmetern Fotovoltaik-Module installiert. Mit der Installation weiterer Module auf einer Fläche von 3.950 Quadratmetern auf einem neu gebauten Parkhaus wurde dies auch 2011 konsequent fortgesetzt, so dass nun mehr als 23.000 Quadratmeter für diese Technik zur Verfügung stehen. Mit der Erweiterung erhöht sich der Gesamtertrag aller Anlagen im Werk Ingolstadt auf circa 1.800 MWh pro Jahr, wobei mehr als 40 Prozent direkt vor Ort genutzt werden. Neben neuen Lade-stationen für Elektroautomobile werden auch verschiedene Produktionsanlagen den Ökostrom verwenden. Der Einsatz vor Ort verringert Übertragungsverluste und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur klimafreundlichen Energieerzeugung.

Am Standort Neckarsulm wird darüber hinaus seit Oktober 2010 durch eine Foto-voltaikanlage auf den Parkhausdächern mit 10.700 Modulen Strom aus Sonnenlicht erzeugt. Auch die Automobili Lamborghini S.p.A. hat im Jahr 2010 an ihrem Standort in Sant’Agata Bolognese ein 17.000 Quadratmeter großes Fotovoltaiksystem in Betrieb genommen, das 2011 um 3.800 Quadratmeter erweitert wurde. Im April 2010 ging die AUDI AG darüber hinaus eine Partnerschaft mit der Industrieinitiative Dii GmbH, München, ein, deren langfristiges Ziel die Umsetzung der Desertec-Vision ist. Diese Vision beschreibt die Perspektiven der Energieversorgung für Europa, den Nahen Osten und Nordafrika mit Sonnen- und Windenergie aus den Wüsten.

Emissionshandel an den Standorten

Gemäß dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz ist Audi zur Teilnahme am europa-weiten CO₂-Emissionshandelssystem verpflichtet. Am Standort Ingolstadt sind zwei Anlagen in den Emissionshandel eingebunden: das Heizwerk Ost/West und die Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage. Von der Deutschen Emissionshandelsstelle wurden dem Standort Ingolstadt für die erste Handelsperiode (2005 bis 2007) Emissions zerti-fikate für 128.946 Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr zugeteilt. Aufgrund umfangreicher Maßnahmen für einen effizienten Umgang mit der Energie konnte der reale CO₂-Aus-stoß der am Standort unter den Emissionshandel fallenden Anlagen in allen drei Jahren unter der zugeteilten Menge gehalten werden. Nach Abschluss der ersten Handels-periode startete im Jahr 2008 die zweite Periode (2008 bis 2012) des Handels mit CO₂-Emissionsrechten. Hieran nehmen die Produktionsstandorte Ingolstadt, Neckarsulm und Brüssel teil. Die Emissionszertifikate wurden fristgemäß beantragt und zugeteilt.

Der Standort Ingolstadt erhielt Berechtigungen in Höhe von 135.360 Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr. Der CO₂-Ausstoß der am Standort unter den Emissionshandel fal-lenden Anlagen belief sich 2011 auf 92.528 Tonnen. Am Standort Neckarsulm ist das Heizwerk vom Emissionshandel betroffen. Da das Heizwerk nur als Spitzenlastheizwerk und bei Ausfall der Fernwärmeversorgung eingesetzt wird, ist die Laufzeit sehr be -grenzt. Im Jahr 2011 ergaben sich dadurch nur geringe CO₂-Emissionen von insgesamt 231 Tonnen, zugeteilt wurden 706 Tonnen. Dank der frühzeitigen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sowie der gezielten Reduzierung von Emissionen sind auch in der zweiten Handelsperiode Belastungen aus dem Emissionshandel für den Audi-Konzern nach derzeitigem Stand nicht zu erwarten. Aktuell bereitet sich Audi auf die Erfordernisse der dritten Handelsperiode vor, die im Jahr 2013 beginnt.

Motorenkalttest in Győr.

Motorenprüfstand in Neckarsulm.

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160 161Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

Kurze Wege und öffentliche Verkehrsmittel

Wenn Audi-Mitarbeiter zu ihrer Arbeitsstätte fahren, entstehen zwangsläufig Emissio-nen. Um diese so gering wie möglich zu halten, setzt Audi auf Alternativen zum indivi - du ellen Pkw-Verkehr. In der Mitarbeiterzeitschrift und im mynet (Intranet) werden daher Fahrgemeinschaften für die Fahrten vom Wohnort zum Arbeitsplatz vermittelt. Diese Mög lichkeit findet – ebenso wie der Einsatz von Schichtbussen – regen Zuspruch bei den Mitarbeitern.

Transport der Audi-Fahrzeuge per Ökostrom

Der Audi-Konzern setzt bereits seit vielen Jahren auf eine ressourcenschonende Logistik. So erreichen bis zu 70 Prozent aller Fahrzeuge ihre Bestimmungsorte auf Güterzügen. Ausgefeilte Systeme helfen dabei, Verpackungen und Transportmittel optimal auszulas-ten. Als erstes Unternehmen in Deutschland nutzt der Audi-Konzern seit August 2010 für den Transport seiner Automobile vom Unternehmenssitz Ingolstadt zum Nordsee-Verladehafen in Emden Züge, die mit regenerativ erzeugtem Strom angetrieben werden. Als Erstanwender beim Einsatz von Ökostrom im Güterverkehr und Entwicklungspart- ner von DB Schenker, der Transport- und Logistiksparte der Deutschen Bahn, Berlin, ist der Audi-Konzern ein weiteres Mal Vorreiter in der Automobilbranche.

Effiziente Logistik

Zwischen Audi und seinen Zulieferern gilt das Prinzip ‚Logistik der kurzen Wege‘. Seit 1995 existiert in Ingolstadt das Güterverkehrszentrum (GVZ), in dem zahlreiche Zuliefe-rer angesiedelt sind. In neun Montagezentren fertigen Lieferanten ihre Baugruppen und liefern sie ‚just in sequence‘ in das Werk. Die meisten Güter, die in das GVZ gelangen, werden per Schiene transportiert. So lassen sich zahlreiche Lkw-Fahrten einsparen und unnötige Emissionen vermeiden. Eine ähnliche Bündelung von Materialströmen wird auch an den Standorten Győr und Neckarsulm praktiziert.

Das Güterverkehrszentrum am Standort Ingolstadt sichert die Lieferung auf kür-zesten Wegen: Über 100 Zulieferer haben ihren Sitz in der Region, mehr als 17 arbeiten im Güterverkehrszentrum. Diese enge Kooperation reduziert nicht nur die Logistik kos-ten, sondern aufgrund kurzer Transportwege auch die Umweltbelastung. Für die Ver bes-serung der Logistik hat Audi den PACKAssistant entwickelt (siehe Seite 88). Dieses EDV-System reduziert durch eine optimale Ausnutzung des Ladevolumens die Zahl der nötigen Lkw-Fahrten.

Shuttlebus und Bikesharing sparen Emissionen

Auf dem Werksgelände Ingolstadt wurden Shuttlebusse eingerichtet, um die Zahl der Parkplatzflächen abbauen zu können, die Verkehrssicherheit zu verbessern, Kosten einzusparen und die Schadstoffemissionen zu verringern. Die Busse transportieren täg-lich 2.000 bis 3.000 Personen. Dadurch werden schätzungsweise mehr als 650.000 innerbetriebliche Pkw-Fahrten pro Jahr vermieden. Ebenfalls zur Reduzierung des inner-betrieblichen Verkehrs wurde ein Bikesharing-System in einigen Bereichen einge-richtet. Mitarbeiter können ein benötigtes Fahrrad am PC reservieren.

4.2. Reduzierung der Schadstoff- und Lärmemissionen

Mit Ausnahme der Klarlackapplikationen werden in allen Lackierprozessen Wasser basis-lacke eingesetzt, die nur einen geringen Anteil an Lösungsmitteln enthalten. Die Frei-setzung organischer Lösemittel wurde dadurch stark reduziert. Alle verwendeten Lacke sind bleifrei. Um die Sprühverluste beim Lackieren möglichst gering zu halten, setzt Audi in den Spritzkabinen, sofern möglich, ein elektrostatisches Auftragsverfahren ein. Die Abluft aus den Lackiertrocknern wird einer thermischen Nachverbrennung zur Schad-stoffzerstörung zugeführt. Die dabei entstehende Wärme wird erneut zum Beheizen der Trockner genutzt. Geschlossene Wasserkreisläufe sorgen für einen deutlich geringe-ren Wasserverbrauch beim Lackierprozess.

Gebäude des Motorenprüfstands in Neckarsulm.

Der Basislack im Innenraum der Karosserie wird seit 2007 durch vollautomatische Roboter-Applikationsanlagen mit Hochrotationszerstäubern auf die Karosserie aufge-tragen. Hierbei wird die für den Lackauftrag für eine Karosserie benötigte Lackmenge in so genannten Kartuschen bereitgestellt und anschließend vollständig verbraucht. Durch den verbesserten Auftragswirkungsgrad beim Lackieren mit Robotern reduzierte sich der Materialverbrauch und somit die Menge der Emissionen an Lösungsmitteln und Lackpartikeln im Bereich des Basislacks in einer Größenordung von circa zehn Prozent pro Fahrzeug.

Bei Audi erfolgt der Korrosionsschutz der Hohlräume durch Versiegelung mit Wachs. Das hierzu verwendete Wachs ist lösemittelfrei. Die Karosserie wird dazu auf 60 °C aufgeheizt und mit dem circa 120 °C heißen Wachs vollständig geflutet. Über-schüssiges Wachs läuft sofort ab und wird über ein Kreislaufsystem wiederverwendet.

Die Umstellung des Transportschutzes für die Neufahrzeuge – hin zu Klebefolien oder Transportschutzhauben – vermeidet Lösemittelemissionen. Am Standort Ingol stadt wurde dadurch eine nachhaltige Reduktion organischer Lösemittel um circa 100 Ton - nen pro Jahr erreicht. Die Auswahl des Transportschutzes wurde durch umfangreiche Ökoeffizienzanalysen begleitet.

Bei den lärmbedingten Emissionen hat Audi ebenfalls gehandelt. Die Werke Ingolstadt und Neckarsulm grenzen teilweise unmittelbar an Wohngebiete. Diese Lage verpflichtet Audi, den Lärm aus Produktionsanlagen und Transporten mit Lkw und Bahn besonders niedrig zu halten. In Ingolstadt und Neckarsulm gibt es Lärmkataster, in denen alle Schallquellen mit ihren jeweiligen Emissionen verzeichnet sind.

Das so genannte Betriebliche Lärminformationssystem (BLIS) bildet die Grund-lage für sämtliche Lärmbetrachtungen am Standort Ingolstadt. Für alle auf dem Werksgelände durchgeführten Maßnahmen können mit Hilfe dieses schalltechnischen Modells des Standorts exakte Schallimmissionsprognosen erstellt werden. Dafür wur-den mittlerweile schon über 3.200 Punktschallquellen aufgenommen. Mit Hilfe dieser Datenbasis können frühzeitig Schallschutzmaßnahmen ergriffen werden. Die Daten können somit frühzeitig in der Planungsphase von Anlagen oder Bauvorhaben berücksich-tigt werden und helfen, Lärmauswirkungen zu vermeiden beziehungsweise zu mini-mieren. Regelmäßige Messungen stellen sicher, dass alle Vorgaben zum Lärmschutz ein-gehalten werden. Die Einhaltung der Lärmimmissionsrichtwerte in der Nach barschaft wird regelmäßig durch unabhängige Gutachter überwacht.

Audi TT-Verladung in Győr.

PACKAssistant für effizientes Verpacken.

Bikesharing auf dem Werksgelände.

Die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen sind entsprechend den gewach- senen Produktionsstückzahlen gestiegen.

Standorte Ingolstadt, Neckarsulm, Brüssel, Győr und Sant’Agata Bolognese.

Die VOC-Emissionen beinhalten Emissionen der Lackierereien, der Prüfstände sowie sonstiger Anlagen.

201120102009

2.3401.9131.440

VOC-Emissionen

tVOC-Emissionen

Page 81: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

162 163Dialoge Umwelt Dialoge Umwelt

4.3. Wasser- und Abwasserreinigung

Durch Kreislaufführung und wassersparende Prozesse (Trockenbearbeitung, Kaska den-spülung in der Lackiererei und ähnliches) wird der Verbrauch von Wasser und dadurch die anfallende Abwassermenge reduziert. So werden beispielsweise in der betriebsin-ternen Anlage zur Wasseraufbereitung in Ingolstadt leicht verschmutztes Abwasser aus der Produktion sowie gewonnenes Regenwasser aufbereitet, danach im Wasserwerk mit Frischwasser verschnitten, um anschließend wieder in der Produktion eingesetzt zu werden. In Ingolstadt führt die AUDI AG unter Berücksichtigung der Kühlwasser kreis-läufe mittlerweile über 96 Prozent des Gesamtwasserbedarfs im Kreislauf, so wird die Entstehung von Abwasser vermieden. Regenwasser wird in unterirdischen Zisternen gesammelt, aufgefangen auf einer Gesamtfläche von fast 450.000 Quadratmetern. Ins-gesamt können am Stammsitz des Unternehmens in zusammen fünf Rückhaltebecken über 14.000 Kubikmeter Wasser aufgefangen werden. Die genutzte Regenwasser menge belief sich im Jahr 2011 am Standort Ingolstadt auf 252.700 Kubikmeter.

Durch die Kreislaufführung, die Nutzung von Niederschlagswasser sowie eine Anlage zur Wasseraufbereitung konnte beispielsweise in Ingolstadt die Abwasser menge pro Fahrzeug von 4,9 Kubikmeter pro Fahrzeug im Jahr 1988 auf 1,7 Kubikmeter im Jahr 2011 reduziert werden.

Biologische Abwasserbehandlungsanlage

Ein nachhaltiger und verantwortlicher Umgang mit den eingesetzten Ressourcen zeigt sich bei Audi im Bestreben nach permanenter Verbesserung in allen Bereichen. So werden beispielsweise künftig durch die Nutzung eines Membranbioreaktors (MBR) die wassersparenden Prozesse am Standort Ingolstadt weiter optimiert. Nach erfolg-reich abgeschlossener Pilotphase steht dieses Projekt vor der baldigen Umsetzung (siehe Seite 90).

Abfallmanagement

An den Standorten des Audi-Konzerns fallen inzwischen fast keine Restabfälle mehr an: Rund 90 Prozent der Abfälle in den Werken Ingolstadt, Neckarsulm, Győr und Brüssel werden wiederverwertet. Einzelne Materialien wie Stahlschrott werden nahezu vollstän-dig im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft wiederverwertet.

So werden die Blechverschnitte aus dem Presswerk zu kompakten Würfeln ge -presst. Die dadurch erreichte Volumenreduktion erleichtert den Abtransport. Das Mate-rial wird zu 100 Prozent von den Stahlherstellern recycelt.

Im März 2006 wurde am Audi-Standort Ingolstadt eine hocheffiziente Emul-sionsverdampfungsanlage zur physikalischen Behandlung der am Standort anfallen den Emulsionen und Waschwässer errichtet. Auf diese Weise reduziert das Unter neh men unter anderem den Transportaufwand für die Entsorgung um rund 70 Prozent.

In der Komponentenfertigung in Ingolstadt werden Teile für Motor und Fahrwerk mechanisch bearbeitet und montiert. Durch das Konzept der Minimalmengen schmie-rung und eine Standzeitverlängerung der notwendigen Kühlschmierstoffe wird deren Verbrauch gesenkt. Wo möglich setzt Audi auf das Konzept der Trockenbearbeitung, ein Verfahren, das ganz ohne Kühlschmiermittel auskommt. Durch eine nachgeschaltete Zerkleinerung der Späne wird eine Volumenreduzierung erreicht; dadurch verringert sich auch der Logistikaufwand zum Abtransport der Späne.

Audi arbeitet konsequent an Systematik, Struktur und Ausbau seines Umwelt - in for mationssystems. Im Bereich der Abfallwirtschaft wurde gemäß der novellierten Nach weisverordnung ab dem 1.4.2010 das elektronische Nachweisverfahren für alle am Prozess der Entsorgung gefährlicher Abfälle Beteiligten die elektronische Nachweis-füh rung zur Pflicht. Dies gilt für alle Abfallerzeuger, Transporteure, Entsorger und die zuständigen Behörden. Kernpunkt ist die elektronische Signatur anstelle der bisherigen Unterschrift auf Papier. Es wurde sichergestellt, dass rechtzeitig zum 1.4.2010 das neue Nachweisverfahren bei allen am Entsorgungsprozess beteiligten Partnern (AUDI AG, Transporteure und Entsorgerbetriebe) angewendet werden kann. Ergebnis ist eine höhere Rechtssicherheit und eine Vereinfachung der Administration. Die Führung der papierhaften Nachweisbücher erfolgt nunmehr ausschließlich elektronisch und auto-matisiert.

4.4. Altlastensanierung

Altlasten sind prinzipielle Gefahrenpotentiale für Grundwasser und Mensch. Sie können sich über verschiedene Wege ausbreiten, vor allem über Grundwasser und Luft. Ursache für Altlasten ist oft die industrielle Nutzung der Flächen vor dem Erwerb durch Audi.

Die Mitarbeiter des Umweltschutzes sind deshalb in die Planungen von Neubauten und bei Erweiterungen des Werksgeländes zusammen mit Fachgutachtern eingebun-den. Bei Veränderungen an Altanlagen und Altgebäuden stehen Prüfungen der Bau sub-s tanz auf gesundheitsgefährdende Stoffe wie Asbest, PCB oder teerhaltige Werkstoffe im Vordergrund. Auf diese Weise können ein selektiver Rückbau und eine fachgerechte Entsorgung von umweltgefährdenden Baumaterialien sichergestellt werden.

Zur Abklärung von Boden- und Grundwasserverunreinigungen sind alleine in Neckar sulm in den vergangenen 20 Jahren über 1.000 Bohrungen zur Erkundung des Untergrunds durchgeführt und 115 Messstellen zur Grundwasserüberwachung ein-gerichtet worden. Wenn sich bei Untersuchungen Gefahrenpotentiale herausstellen, wer-den entsprechende Gegenmaßnahmen wie Bodenaushub oder Grundwasser sanie rung eingeleitet und durch die Umweltschutzabteilung überwacht.

Der weitaus größte Teil des Abfallaufkommens wird wiederverwertet, Stahlschrott wird vollständig recycelt.

Abfallaufkommen gesamt**

davon Abfall zur Verwertung

201120102009

70.48460.51350.224

58.37451.92241.710

Abfallzahlen

t

t

12.1108.5918.515

335.252323.497281.222

davon Abfall zur Beseitigung

Metallische Abfälle (Schrott)

t

t

Standorte Ingolstadt, Neckarsulm, Brüssel, Győr und Sant’Agata Bolognese.

** Aufgrund von Verfahrensänderungen (Neckarsulm), gesetzlichen Änderungen (Győr) und aperio-dischen Altlastensanierungen (Ingolstadt) kam es insgesamt zu einer Steigerung der Abfallmengen.

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

0

19

99

20

00

20

01

20

02

20

03

20

04

20

05

20

06

20

07

20

08

20

09

20

10

20

11

Regenwassernutzung in Ingolstadt

23

3.7

99

m3

21

1.4

95

m3

25

2.7

00

m3

26

4.5

53

m3

23

6.2

26

m3

Abwasseraufkommen

Frischwasserbezug

201120102009

2.159.8542.057.8631.660.710

3.323.9622.991.4982.578.015

m3

m3

Standorte Ingolstadt, Neckarsulm, Brüssel, Győr und Sant’Agata Bolognese.

Abwasser- und Frischwassermengen im Audi-Konzern

Metallverschnitte aus dem Presswerk.

Wasseraufbereitungsanlage im Werk Ingolstadt.

Die genutzte Regenwasser- menge belief sich im Jahr 2011 am Standort Ingolstadt auf 252.700 Kubikmeter.

Page 82: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

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4.5. Naturschutz

Der Naturschutz auf den Flächen auf dem und um das Werksgelände wird sehr ernst genommen. Die Ausgleichsflächen um die Produktionsanlagen locken sogar seltene Tier-arten an. So haben sich auf dem Werksgelände Ingolstadt beispielsweise Wanderfalken angesiedelt. Auch auf dem Gelände in Neckarsulm war diese Tierart schon zu Gast. Damit sie sich vermehren können, wurde ein Nistkasten an der Lackiererei montiert und auch angenommen. Zudem gibt es auf dem Werksgelände Ingolstadt 28 Nistkästen für Mauersegler und sechs für Turmfalken. Bei Baumaßnahmen im Bereich der Techni-schen Entwicklung wurden Übernachtungshilfen für Fledermäuse eingeplant.

Für die Erweiterung der Produktionsanlagen hat das Unternehmen zahlreiche Aus-gleichsflächen geschaffen. Im nördlichen Umfeld des Werks Ingolstadt errichtete Audi den Park Max Emanuel. Insgesamt wurden in Ingolstadt in den vergangenen zehn Jahren über 1.900 Bäume und Sträucher gepflanzt. Für das Projekt „Bienen – eine Säule unserer Zukunft“ wurde der Park zu einem idealen Ort (siehe Seite 28).

4.5.1 Internationales Forschungsprojekt Eichenwald

Das internationale Forschungsprojekt Eichenwald untersucht unter anderem die Wech-selwirkungen zwischen Bestandsdichte auf der einen Seite und CO₂-Bindungspotential sowie biologischer Vielfalt auf der anderen Seite.

Ziel ist es, herauszufinden, wie Bäume optimal gepflanzt werden müssen, um eine größtmögliche Bindung von Kohlenstoff und beste Bedingungen für eine große biolo-gische Vielfalt zu erreichen. Die Eiche gehört hier zu den besonders geeigneten Baum ar-ten, da sie im ausgewachsenen Zustand viel Kohlenstoff speichert und zusätzlich für biologische Vielfalt (Biodiversität) sorgt. Zudem sind Eichen besonders widerstandsfähig, was die veränderten Anforderungen des künftigen Klimas angeht.

Grundlage des Projektes ist die Einrichtung von Versuchsflächen nach einem spe-ziellen Design unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Hierbei kann auf ein Engagement des Audi-Konzerns zurückgegriffen werden, welches die Anlage solcher Waldflächen an internationalen Standorten vorsieht.

Die Bäume werden dabei nach festgelegten GPS-Koordinaten in konzentrischen Kreisen gepflanzt (Versuchsdesign nach Nelder).

Bereits 2008 wurde im Köschinger Forst in der Nähe von Ingolstadt mit der Pflan-zung von rund 36.000 Stieleichen die erste Versuchsfläche angelegt. Im Jahr 2009 folgte eine zweite Fläche in der Nähe des ungarischen Standortes in Győr, welche mit mehr als 13.000 Stieleichen bepflanzt wurde. Ende November 2010 wurden nahe des Audi-Standorts Neckarsulm zusätzliche 10.000 Bäume gepflanzt. Mit der Anpflanzung weiterer 10.000 Eichensetzlingen 2011 in der Nähe von Bologna bei Automobili Lam-borghini und 16.000 Eichensetzlingen auf einer weiteren Fläche in Ungarn (April 2011) existieren nunmehr bereits fünf Versuchsflächen im Rahmen des Gesamtprojektes. Weitere Flächen an internationalen Standorten des Audi-Konzerns befinden sich derzeit in Planung.

Unter dem Titel „Diversität und Produktivität von Wäldern. Vergleich zwischen Monokulturen und Mischwald in unterschiedlichen Klimazonen“ ist eine internationale Ausweitung des Projekts in Umsetzung: In unterschiedlich temperierten Waldzonen, von atlantisch über kontinental bis hin zu tropischen Klimaten soll analysiert werden, wie unterschiedliche Waldaufbauformen durch Kohlenstoffspeicherung zum Klima schutz beitragen können und wie Produktivität und Artendiversität bei nachhaltiger Wald be-wirtschaftung optimal in Einklang stehen.

Alle Versuchsflächen werden nach dem speziellen Nelderdesign konzipiert und erlauben somit flächensparsam die Untersuchung verschiedener Bestandsdichten.

4.5.2 Audi Stiftung für Umwelt GmbH

Ende 2009 untermauerte die AUDI AG ihr Engagement in Sachen Umweltschutz. So rief Audi mit einem Stammkapital von € 5 Mio. eine Stiftung ins Leben, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Bereich Ökologie verfolgt.

Audi bündelt damit seine weltweiten Aktivitäten und leistet mit diesen Projekten einen umfangreichen Beitrag zum einem nachhaltigen unternehmerischen Handeln. Die Audi Stiftung für Umwelt GmbH hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein nachhaltiges Mensch-Umwelt-System zu fördern.

Schwerpunkte liegen dabei insbesondere auf der Förderung des Natur- und Um weltschutzes, beispielsweise durch eigene Forschungsvorhaben, wissenschaftliche Projekte, Modellversuche und Konzeptentwicklungen oder durch Vergabe von For-schungs aufträgen oder Stipendien, sowie der Förderung von Wissenschaft und Forschung, beispielsweise durch eigene Forschungsvorhaben oder durch die Vergabe von For-schungsaufträgen oder Stipendien.

Um an die Herausforderungen der Zukunft konsequent heranzugehen, wurde bei der Festlegung der vier Förderbereiche ganz bewusst darauf geachtet, auch und gerade Grundlagenarbeiten zu fördern, um so grundlegend ‚in die nächste Generation‘ ein-zahlen zu können.

Aktuelle Förderbereiche (Tätigkeitsfelder) sind:

— der Schutz der natürlichen Lebensgrundlage von Menschen, Tieren und Pflanzen,— die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten, die zu einem nachhaltigen Mensch-Umwelt-System beitragen,— die Förderung der Entwicklung von umweltverträglichen Technologien— sowie die Unterstützung von Maßnahmen und Aktivitäten zur Umweltbildung.

Zu einem der ersten Förderprojekte der Stiftung zählt die langfristige wissenschaftliche Begleitung des Forschungsprojektes Eichenwald (s.o.), welche zusammen mit der modellgebenden Versuchsfläche im Köschinger Forst vereinbart wurde. Zu den Förder-projek ten aus 2011 zählen unter anderem die Herausgabe eines Jugendbu ches zum Thema Natur und Technik, ein bundesweiter Schulwettbewerb zum Thema Bionik oder ein Projekt zur Förderung der Bienenhaltung an Schulen. Weitere Informationen zu allen laufenden Projekten finden sich auf den Seiten 140 ff. und auf der Internetseite der Stiftung: www.audi-stiftung-für-umwelt.de

4.6. Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit

Die AUDI AG diskutiert die Grundsätze ihrer Umweltphilosophie rege mit Politikern, Verbänden, Behörden und Journalisten. Audi engagiert sich zudem stark in gemein-samen Projekten von Staat und Wirtschaft. Die mehrfache Teilnahme am Umweltpakt Bayern unterstreicht dieses Engagement von Audi für die Umwelt – weit über die gesetzlichen Forderungen hinaus.

Audi unterhält seit vielen Jahren intensive Kontakte zu Hochschulen und For-schungs einrichtungen. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Projekte bear-beitet und Informationsveranstaltungen für Studenten durchgeführt. Weiter ge hen de standort- und unternehmensbezogene Umweltschutz themen sowie ergänzende Daten und Fakten finden Sie in den jeweiligen Umwelt erklärungen der Standorte unter:

www.audi.de Unternehmen > Nachhaltigkeit

Breitflügelfledermaus in den Händen eines Audi-Tierpaten.

Probenentnahme an einem Allee-baum im Rahmen des durch die Audi Stiftung finanzierten Metropo-len-Projektes (siehe Seite 140).

Computeranimierte Darstellung des Wachstumsfortschritts auf der Versuchsfläche im Köschinger Forst nach 20 Jahren.

Page 83: Dialoge-Umweltmagazin, Mai 2012

Impressum

AUDI AG85045 Ingolstadt

Verantwortlich für den Inhalt:Toni Melfi,Leiter KommunikationI/GP

Redaktion:Anne Lenartz

Konzept und Realisation:reilmedia Hermann Reil

Grafikkonzept und Layout:stapelberg&fritz

Autoren:Susanne Brieu Paul-Janosch ErsingChristian GünthnerAgnes HappichLena KieningJohannes KöblerAnne LenartzChristine MaukelDirk MaxeinerLuise NiemschPatricia PiekenbrockHermann ReilDaniel SchusterSven SteinThomas Tacke Bernhard Ubbenhorst

Organisation:Lena Kiening

Fotografie:Stefan WarterAUDI AG

Illustrationen:Bernd SchifferdeckerBüro Achter April

Postproduction:Martin Tervoort

Druck:Pinsker Druck und Medien

Gedruckt auf: Circle silk Premium White, das mit dem EU-Umweltzeichen (Nr. FR/11/003) zertifiziert ist.