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Sven Brademann 1 Die Bedeutung des Übergangs von der Grundschule in die weiterführenden Schulen – Schulpädagogische Kontrover- sen und Positionen Schulische Übergänge sind in den letzten Jahren verstärkt in das Bewusstsein von Bil- dungspolitik, Bildungspraxis und Wissenschaft gerückt. Seit den Ergebnissen der nationalen und internationalen Schulvergleichstudien (z. B. IGLU für die Grundschulen oder PISA für die Sekundarstufe I) wird dabei besonders heftig der Übertritt in die weiterführenden Schulen diskutiert. In erster Linie werden in diesem Zusammenhang ungleiche Bildungschancen und die soziale Vererbung des Bildungsstatus der Familie, also die Reproduktion sozialer Un- gleichheit durch das Bildungssystem analysiert und in der Öffentlichkeit debattiert. Für das Bildungssystem in Deutschland sind international betrachtet die frühe Selektion und die straf- fe Kopplung von Bildungserfolg und soziale Herkunft kennzeichnend. In kaum einem ande- ren Land werden die Schülerinnen und Schüler so früh in der Schullaufbahn separiert und in keinem anderen Land ist der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg so hoch wie in Deutschland. Neben dieser öffentlichen Wahrnehmung und Kontroverse stellt sich die Übergangsgestal- tung als Dauerthema in den Schulen jedes Jahr neu und müssen im Kontext der erwerbba- ren schulischen Abschlüsse – Hauptschulabschluss, Realschulabschluss und das Abitur – für jeden Schüler zum Übergang in die 5. Klassenstufe die weiterführende Schule ausge- wählt werden. Damit wird diese zentrale „Gelenkstelle“ im deutschen Schulsystem eine Auf- gabe für Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler, die gleichermaßen am Übergangs- prozess beteiligt sind und unterschiedliche Perspektiven und Meinungen vereinbaren müs- sen. Die herausragende Bedeutung des Übergangs an unterschiedliche Schulformen für die Lebenschancen der Kinder und die hohen Herausforderungen aller Beteiligten im Entschei- dungsprozess sind unstrittig. Trotz des Stellenwerts des Übergangs vor allem für die Zukunft der Kinder fühlen sich so- wohl Eltern als auch die Lehrer und die Kinder zu wenig zur Übergangsthematik aufgeklärt und treffen ihre Entscheidungen auf einer unsicheren Basis. Beispielsweise schätzen 19,5 % der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer und 38,1 % der Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer ein, dass sie keine ausreichenden Informationen zum Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen haben (vgl. Koch 2001, S. 179). In diesem Bei- trag möchte ich dieses Informationsbedürfnis von Lehrerinnen und Lehrern aber auch Eltern zum Übergang aufgreifen, indem ich auf Grundlage von wissenschaftlichen und theoreti- schen Erkenntnissen die Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung des Selektionsereignis- ses der Beteiligten darstelle. In den sechs zentralen Abschnitten sollen dabei schulpädago- gische Kontroversen aufgegriffen und diskutiert werden und es soll Ihnen die Möglichkeit

Die Bedeutung des Übergangs von der Grundschule in … · rhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern nach der Orientierungsstufe in Klasse 6). In ei-nigen Bundesländern wie Niedersachsen,

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Sven Brademann

1

Die Bedeutung des Übergangs von der Grundschule in die weiterführenden Schulen – Schulpädagogische Kontrov er-sen und Positionen

Schulische Übergänge sind in den letzten Jahren verstärkt in das Bewusstsein von Bil-

dungspolitik, Bildungspraxis und Wissenschaft gerückt. Seit den Ergebnissen der nationalen

und internationalen Schulvergleichstudien (z. B. IGLU für die Grundschulen oder PISA für die

Sekundarstufe I) wird dabei besonders heftig der Übertritt in die weiterführenden Schulen

diskutiert. In erster Linie werden in diesem Zusammenhang ungleiche Bildungschancen und

die soziale Vererbung des Bildungsstatus der Familie, also die Reproduktion sozialer Un-

gleichheit durch das Bildungssystem analysiert und in der Öffentlichkeit debattiert. Für das

Bildungssystem in Deutschland sind international betrachtet die frühe Selektion und die straf-

fe Kopplung von Bildungserfolg und soziale Herkunft kennzeichnend. In kaum einem ande-

ren Land werden die Schülerinnen und Schüler so früh in der Schullaufbahn separiert und in

keinem anderen Land ist der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg so

hoch wie in Deutschland.

Neben dieser öffentlichen Wahrnehmung und Kontroverse stellt sich die Übergangsgestal-

tung als Dauerthema in den Schulen jedes Jahr neu und müssen im Kontext der erwerbba-

ren schulischen Abschlüsse – Hauptschulabschluss, Realschulabschluss und das Abitur –

für jeden Schüler zum Übergang in die 5. Klassenstufe die weiterführende Schule ausge-

wählt werden. Damit wird diese zentrale „Gelenkstelle“ im deutschen Schulsystem eine Auf-

gabe für Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler, die gleichermaßen am Übergangs-

prozess beteiligt sind und unterschiedliche Perspektiven und Meinungen vereinbaren müs-

sen. Die herausragende Bedeutung des Übergangs an unterschiedliche Schulformen für die

Lebenschancen der Kinder und die hohen Herausforderungen aller Beteiligten im Entschei-

dungsprozess sind unstrittig.

Trotz des Stellenwerts des Übergangs vor allem für die Zukunft der Kinder fühlen sich so-

wohl Eltern als auch die Lehrer und die Kinder zu wenig zur Übergangsthematik aufgeklärt

und treffen ihre Entscheidungen auf einer unsicheren Basis. Beispielsweise schätzen 19,5 %

der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer und 38,1 % der Gymnasiallehrerinnen und

Gymnasiallehrer ein, dass sie keine ausreichenden Informationen zum Übergang von der

Grundschule in die weiterführenden Schulen haben (vgl. Koch 2001, S. 179). In diesem Bei-

trag möchte ich dieses Informationsbedürfnis von Lehrerinnen und Lehrern aber auch Eltern

zum Übergang aufgreifen, indem ich auf Grundlage von wissenschaftlichen und theoreti-

schen Erkenntnissen die Wahrnehmung, Deutung und Bearbeitung des Selektionsereignis-

ses der Beteiligten darstelle. In den sechs zentralen Abschnitten sollen dabei schulpädago-

gische Kontroversen aufgegriffen und diskutiert werden und es soll Ihnen die Möglichkeit

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gegeben werden, eine eigene Position zur Übergangsanforderung einzunehmen. Abschlie-

ßend werden einige Empfehlungen zur Gestaltbarkeit unterbreitet und die Chancen und Risi-

ken des Übergangs an eine weiterführende Schule zusammengefasst.

1 Wer soll über die weitere Schulkarriere von Kinde rn entscheiden? – Rechtliche Formen des Übergangs

Eine erste heftige Kontroverse bezieht sich auf die Rechte, wer am Ende der 4. Klasse über

die zukünftige Schul- und so auch Berufskarriere der Kinder entscheiden soll. Hier gilt zu-

nächst zu beachten, dass trotz der von den Bundesländern gemeinsam geteilten Grundzüge

des Aufbaus und der Abschlüsse des deutschen Schulsystems, sowie der Aufsicht des Staa-

tes über das gesamte Schulwesen (Art. 7 Abs. 1 GG), in den Ländern unterschiedliche Re-

gelungen zum Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen existieren. Da

im föderalistischen Staatsystem der Bundesrepublik Deutschland die Kulturhoheit den 16

Bundesländern obliegt (Art. 30 GG), regeln länderspezifische Schulgesetze die Strukturen,

Aufgaben und Inhalte der Schulen (vgl. Leschinsky 2003, S. 158). Für den Wechsel von der

Primär- in die weiterführenden Schulen werden insbesondere der Zeitpunkt, das Übergangs-

verfahren, und die zu wählenden Schulformen geklärt. Damit den Ländern trotz dessen eine

Orientierung zur Regelung des Übergangs gegeben wird, existiert in Deutschland ein Koor-

dinierungsorgan, die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK), in dem Ab-

sprachen und einschlägige Beschlüsse zwischen Ländern seit den 1960er getroffen werden

(vgl. Leschinsky/Cortina 2003, S. 24). So einigte man sich in einem Beschluss der Kultusmi-

nisterkonferenz vom 08./09.12.1960 (in der Fassung vom 23.03.1966) zu „Übergänge von

einer Schulart in die andere" auf folgende Vereinbarung:

„Der Übergang von einer Schulart in die andere ist für die Entwicklung des jungen Menschen

von so weittragender Bedeutung, dass er mit aller Behutsamkeit und Sorgfalt vorbereitet und

vollzogen werden muss. Die Entscheidung darüber, ob ein Kind eine andere Schulart besu-

chen soll, darf nicht ausschließlich durch das Ergebnis einer Prüfung von wenigen Stunden

oder Tagen bestimmt sein, sie kann auch nicht der abgebenden oder weiterführenden Schu-

le allein überlassen werden. Das Verfahren muss sich vielmehr über einen längeren Zeit-

raum erstrecken, der den Lehrern hinreichende Gelegenheit zur Beobachtung des Kindes

und zur Beratung der Eltern gibt. Das natürliche Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer

Kinder muss bei der Wahl des Bildungsweges beachtet werden“ (KMK 2006, S. 5).

Bereits in dieser Expertise ist offensichtlich, dass den Ländern Spielräume zur Verfügung

stehen, das Übergangsverfahren im Spannungsfeld von Lehrerbeobachtungen und -

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empfehlungen und Elternwille zu regeln. Darüber hinaus kommt in dieser Empfehlung an die

Länder die biographische Bedeutung der Bildungsgangwahl für die Schülerinnen und Schü-

ler zum Ausdruck.1

Ein Blick in die Schulgesetze der Länder zeigt, dass in Bezug auf den Übergangszeitpunkt in

den meisten Bundesländern nach wie vor Einigkeit darüber besteht, am Ende der vierten

Jahrgangsstufe den Wechsel zu vollziehen. Die Grundschule als erste Pflichtschule umfasst

damit die Jahrgangsstufen 1-4 (Altersgruppe 6-10 Jahre). Lediglich die Bundesländer Berlin

und Brandenburg stellen eine Ausnahme dar, da die Schülerinnen und Schüler in diesen

Bundesländern bis zur Jahrgangsstufe 6 (6-12 Jahre) gemeinsam in der Grundschule ler-

nen.2

In puncto Übergangsverfahren und Partizipationsrechte an der Übergangsentscheidung wei-

chen die Regelungen in den einzelnen Bundesländern stärker voneinander ab, wobei die in

den KMK-Beschlüssen gegebenen Spielarten zwischen Elternwille, Lehrerempfehlungen und

speziellen Bewährungs- und Beratungsformen ausgereizt werden. Seit Jahrzehnten streitet

man dabei in den einzelnen Bundesländern heftig darüber, wer die Übergangsentscheidun-

gen treffen soll: Ist die Wahl einer weiterführenden Schule primär eine Aufgabe der Familie

und sollten die Eltern darüber entscheiden? Sollte eine Gesellschaft der professionellen Leh-

rerempfehlung das Recht zusprechen, die weitere Schullaufbahn der Heranwachsenden vor-

zugeben? Oder sind schließlich valide Testverfahren Auswahlmittel, um über die weitere

Schulkarriere der Kinder zu bestimmen?

Welche Position nehmen Sie persönlich dazu ein?

Die Wahl des Bildungsweges soll dabei nach den schulrechtlichen Bestimmungen in nahezu

allen Ländern nach der Eignung, Befähigung und Leistung des Schülers erfolgen (vgl.

Mauthe/Rösner 1998, S. 87). Das staatliche Bestimmungsrecht, nach dem der Staat die Auf-

sicht über das gesamte Schulwesen hat (Art. 7 Abs. 1 GG), kollidiert mit dem Grundrecht der

Eltern, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvör-

derst ihnen obliegende Pflicht sind (Art. 6 Abs. 2 GG). Folglich existiert zwischen staatlicher

Schulaufsicht und elterlichem Erziehungsprimat eine „Kollisionszone“ (Leschinsky 1994, S.

973). In den meisten Bundesländern ist man mittlerweile deswegen bemüht, eine Einigung

zwischen Grundschule und den Aspirationen der Eltern herzustellen. In den Fällen einer Dis-

krepanz zwischen Elternwünschen und Grundschulempfehlung werden zusätzlich die Mög-

1 In weiteren KMK-Beschlüssen von 1970 und 1971 wurden zudem die Gestaltungsmöglichkeiten und Aufnahmeverfahren der Schulformen Grundschule und Gymnasium geregelt (KMK 2006).

2 Allerdings gibt es in diesen Bundesländern auch die Möglichkeit, bereits ab Klasse 5 ein Gymnasi-um mit besonderen Schwerpunkt und Eignungstests zu besuchen.

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lichkeiten von Beratungsgesprächen zwischen Lehrern und Eltern, von zusätzlichen Eig-

nungstests, von Probe- bzw. Prognoseunterricht und der Förder- bzw. Orientierungsstufe

eingeräumt (vgl. Cortina/Trommer 2003, S. 356). In Deutschland lassen sich somit fünf For-

men der Übergangsauslese differenzieren, die in den einzelnen Bundesländern unterschied-

liche Berücksichtigung finden und auch in Mischformen zur Anwendung kommen (vgl. Rolff

1997, S. 190f.). In den meisten Ländern (12 von 16 Bundesländern) liegt nach wie vor die

Wahl einer weiterführenden Schule letztendlich in der Hand der Eltern, wenngleich einige

institutionelle Regelungen den Elternwillen einschränken (vgl. Bellenberg 2005, S. 6; van

Ophuysen 2006, S. 53). Die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer geben dabei in der

Regel eine unverbindliche Empfehlung für eine geeignete Schulform. Gegen die Wahlfreiheit

der Eltern werden immer wieder die Argumente einer „willkürlichen“ Schulwahl und einer

anschließenden Überforderung der Kinder in den weiterführenden Schulen eingebracht (vgl.

Liegmann/Lumer 2004, S. 110). In Folge bildungspolitischer Kontroversen existiert der El-

ternwille in Reinform jedoch nur noch in wenigen Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Nord-

rhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern nach der Orientierungsstufe in Klasse 6). In ei-

nigen Bundesländern wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Bremen und Berlin

gilt der Elternwunsch zwar nach wie vor, in diesen Ländern sind Schule und Eltern nun aber

verpflichtet, Beratungsgespräche zum Übergang zu führen. In anderen Bundesländern

(Sachsen-Anhalt, Brandenburg) gibt es seit einiger Zeit die Notwendigkeit, bei Abweichun-

gen zwischen Elternwunsch und Laufbahnempfehlung eine Eignung zum Beispiel in Form

eines Eignungstests durchzuführen. „Konservativere Regelungen“ hingegen findet man kon-

tinuierlich in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Saarland, Thüringen und

Sachsen vor. In diesen Ländern wird die Grundschulempfehlung auf Basis des Notendurch-

schnittes und einer entsprechenden Aufnahmeprüfung gegeben (vgl. Cortina/Trommer 2003,

S. 356; Liegmann/Lumer 2004, S. 110f.; KMK 2006). In der Regel folgen Eltern – auch auf-

grund der geführten Informations- und Beratungsgespräche mit Lehrern im Vorfeld – den

Empfehlungen der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern. Folglich wird die Schul-

laufbahnempfehlung meist in Übereinstimmung mit den Eltern ausgesprochen (van Ophuy-

sen 2006, S. 53). Etwa drei Viertel der Eltern treffen eine der Empfehlung entsprechende

Entscheidung (vgl. Cortina/Trommer 2003, S. 257; Bellenberg 2005, S. 6). In der IGLU-

Studie wird deutlich, dass lediglich 17% der Eltern von der Laufbahnempfehlung der Lehrer

abweichen. Betrachtet man diese Gruppe genauer, dann sind es vor allem nicht empfohlene

Kinder, die auf eine Schulform mit einem höheren Leistungsanspruch wechseln und „nach

oben“ abweichen (Bos u. a. 2003, S. 132).

Hinsichtlich wählbarer Schulformen zeigt sich ein ähnliches, heterogenes Bild an unter-

schiedlichen Möglichkeiten. Das traditionelle, klar gegliederte Schulsystem der weiterführen-

den Schulen in Hauptschule, Realschule und Gymnasium hat in den letzten Jahren seinen

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Charakter verändert und verliert durch die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen

Bundesländern seine Übersichtlichkeit. In diesem Zusammenhang spricht man auch von

einer „strukturelle(n) Zerfassung und Vielfalt des Systems“ (Klemm 2004, S. 84). Im Bereich

der weiterführenden Schulen besitzen die Schulsysteme der Bundesländer zwischen zwei

und sechs Glieder.3 Beispielsweise verfügen die Bundesländer Sachsen und Thüringen über

zwei Schulformen, das Gymnasium und unterschiedlich bezeichnete nicht-gymnasiale Schul-

formen (Mittel- und Regelschule). Bayern und Baden-Württemberg weisen hingegen noch

die „klassische“ 3-Gliedrigkeit mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium auf. Demgegen-

über besteht zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen zusätzlich noch die Gesamtschule als vier-

te Schulform, während in Rheinland-Pfalz durch die Regionalschulen und die duale Ober-

schule sogar die fünfte und sechste Schulform in einem sehr fein gegliederten Schulsystem

hinzukommen (vgl. ebd.: 84). Die ambivalenten Bestimmungen des Grundgesetzes der Bun-

desrepublik Deutschland, die verschiedenen länderspezifischen Übergangsregelungen und

die je nach Bundesland variierenden Schulformmöglichkeiten machen deutlich, dass die Re-

gelung des Übergangsverfahren in einem bildungsrechtlichen Dilemma stecken und bil-

dungspolitische Uneinigkeit besteht, die zu einer heterogenen Schullandschaft in Deutsch-

land führt. Dies hat nun wieder zur Folge, dass die Übergänge für Kinder und Eltern mit Un-

gewissheiten und Unsicherheiten über die gesetzlichen Bestimmungen und späteren Wech-

selmöglichkeiten verbunden sind.

In Sachsen-Anhalt besteht für Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, nach dem 4. Schul-

jahrgang der Grundschule an eine Sekundarschule, eine Gesamtschule oder ein Gymnasium

zu wechseln. Dabei wählten die Erziehungsberechtigten bis zum Jahr 2005 allein und auch

ohne entsprechende Schulformempfehlung noch den weiteren Bildungsgang. Im § 34 Art. 1

des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt wird die Wahl und der Wechsel des Bil-

dungsweges erläutert: „Die Erziehungsberechtigten haben im Rahmen der Regelungen des

Bildungsweges die Wahl zwischen den Schulformen und Bildungsgängen, die zur Verfügung

stehen“ (Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt 2005). Mit der neuen Gesetzesgrundlage

vom 01.08.2005 veränderten sich die gesetzlichen Bedingungen in Sachsen-Anhalt, wo-

durch die Aufnahme an ein öffentliches Gymnasium oder in den Gymnasialzweig

einer öffentlichen kooperativen Gesamtschule ohne gymnasiale Schullaufbahnempfeh-

lung nun von einer erfolgreichen Eignungsfeststellung mit zentralen Aufgaben in Mathematik

und Deutsch abhängig ist. Die Landesregierung wollte mit dieser Gesetzesänderung den

Zugang an die Gymnasien in Sachsen-Anhalt erschweren, da 2005 44,1 % die 5. Klasse

3 Im Jahr 2000 besuchen aber immer noch 80 % der Neuntklässer eine Schulform des dreigliedrigen Schulsystems, da vor allem in den bevölkerungsreichsten Bundesländern wie zum Beispiel Bayern, Baden-Württemberg, das dreigliedrige Schulsystem fortbesteht (vgl. Baumert/Trautwein/Artelt 2003, S. 263; Liegmann 2008, S. 12).

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eines Gymnasium besuchten (Statistisches Landesamt 2008), und man den Schülerinnen

und Schülern „Schulversagen“ in höheren Klassen ersparen wollte. Des Weiteren eröffnet

das Schulgesetz in Sachsen-Anhalt für Schülerinnen und Schüler ab dem 5. Schuljahrgang

die Möglichkeit, Sekundarschulen und Gymnasien mit einem inhaltlichen Schwerpunkt zu

besuchen. Dafür sind in einer Eignungsprüfung besondere Aufnahmevoraussetzungen

nachzuweisen (KMK 2006, S. 29).

In den Analysen zu den Befragungen zum Thema wird deutlich, dass sich sowohl die betei-

ligten Lehrer als auch die Eltern für eine partnerschaftliche Entscheidungsfindung ausspre-

chen. Dieser Wunsch wird in den Umfragen von der Möglichkeit des Elternwunsches im An-

schluss an Beratungsgesprächen durch die Lehrer gefolgt. Ganz unten in den Ranglisten

finden sich dann Einstellungen, bei denen die Übergangsentscheidung allein in der Verant-

wortung einer Personengruppe liegt. Interessante Unterschiede existieren zwischen Grund-

schul- und Sekundarschullehrern. Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer befürworten

die Freigabe des Elternwillens eher, weil damit ihre Arbeit bezüglich der Schullaufbahnprog-

nose erleichtert wird. Im Kontrast dazu sprechen sich die Gymnasiallehrerinnen und Gymna-

siallehrer größtenteils gegen die Freigabe aus, da damit die Grundschulselektion aufge-

weicht wird und aus ihrer Sicht auch leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler die

Gymnasien besuchen (vgl. Koch 2001, S. 107ff.; Büchner/Koch 2001, S. 107ff.).

2 Wann soll eine Separierung der Kinder erfolgen? – Der „frühe“ Zeitpunkt des Übergangs

„…das ist das einzige blöde was ‚ich’ (mit Nachdruck) an der schule blöde

finde dass man ebend selbst wenn man eigentlich schon verstanden hat ...

die andern das noch mal lernen müssen , (schluckt) und deswegen fände

‚ichs’ (betont) gut wenn man gleich am anfang der grundschulzeit (holt Luft)

ähm so was wie ein kleinen test schreiben würde (holt Luft) damit man

dann ebend auch nach a . helle , intelligente mittel , b mittel und c , na ja

ebend , weil dann würde dieser ganze lernprozess ‚beschleunigt’ (betont)

werden , weil ebend die einen würden , ebend die guten würden=also , die

intelligenten würden all- hätten all- ihr=weil die hätten ja fast alle das glei-

che ‚tempo’ (betont) da würde die schule ja auch ‚interessanter’ (betont)

sein (holt kurz Luft) weil äh weil man muss ja da nicht so oft ‚warten’ (be-

tont) wegen schnell schreiben und so was , weil , die nich so guten werden

sich das wort lieber noch drei mal anschauen während die , die intelligen-

ten einfach schnrstracks durchschreiben werden …“

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Eine weitere, grundlegende Kontroverse bezieht sich auf den Zeitpunkt der Separierung im

deutschen Schulsystem. Wie der Interviewausschnitt oben verdeutlicht, gibt es durchaus

auch Kinder, die sich rückblickend auf ihre Grundschulzeit in Klasse 4 für eine noch frühere

Aufteilung nach Intelligenzabstufungen bereits zu Beginn der Grundschule aussprechen.

Andererseits sind auch Eltern hin und her gerissen, wann der Zeitpunkt der Aufteilung der

Schülerinnen und Schüler erfolgen sollte: „ … es hat alles vor und nachteile denke ich mir

teilweise is es gut wenn se bei zeiten gleich auf den richtigen weg gebracht werden aber von

der entscheidungssache sage ich mir die kinder sind noch nicht so weit //I: hm// die können

das in der sechsten klasse besser entscheiden,, und sehen schon was lernen bedeutet

durch die fünfte und sechste //I: ja// als in der vierten , in der grundschule //I: hm// ist das

doch noch nicht so…“.4

Und auch bei Lehrern führt dieser Aspekt immer wieder zu Diskussionen, da eine frühe Allo-

kation auch eine frühe Prognose für die weitere Schulkarriere der Kinder erfordert. Als Vor-

teile nennen folglich häufig Grundschulehrerinnen und Grundschullehrer, dass sich Schul-

laufbahnprognosen nach der 6. Klasse besser treffen lassen als nach der 4. Klasse. Zudem

wird konstatiert, dass Kinder im Alter von ca. 12 Jahren physisch und psychisch stabiler sind,

die Übergangsprozesse mit zu gestalten und zu bewältigen (vgl. Koch 2001, S. 109). Damit

verbunden stellen sich in der schulpädagogischen Diskussion immer wieder die Fragen, ob

dieses Selektionsereignis in Deutschland nach wie vor früh in der Schullaufbahn erfolgen

sollte, um den unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schülerinnen und Schüler nachzu-

kommen oder ob es dagegen sinnvoller wäre, Kinder möglichst lang in heterogenen Gruppen

lernen zu lassen?

Welchen Standpunkt vertreten Sie vor dem Hintergrun d ihrer Praxiserfahrun-

gen? Wie begründen Sie ihre Meinung?

Bevor wir zu den Argumenten für und gegen eine Separierung im Anschluss an Klasse 4

kommen, sollen zunächst Befunde zu den Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern, Eltern

und Kinder zum Zeitpunkt des Übergangs aus der Schulforschung Aufschluss darüber ge-

ben, was die Beteiligten zu diesem Thema denken. Bei den Lehrern gibt es auch hier inte-

ressanterweise zwischen Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern und Sekundarschul-

4 Die kursiv gesetzten Zitate ohne Quellenangabe der Kinder in diesem Beitrag sind Interviewaus-schnitte aus dem Forschungsprojekt „Erfolg und Versagen in der Schulkarriere – Eine qualitative Längsschnittstudie zur biographischen Verarbeitung schulischer Selektionsereignisse“, welches unter der Leitung von Prof. Werner Helsper und Dr. Rolf-Torsten Kramer am Zentrum für Schul- und Bildungsforschung der MLU Halle-Wittenberg läuft. Die Interviewpassagen der Eltern stammen aus eigenen Forschungsarbeiten.

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lehrerinnen und Sekundarschullehrern große Meinungsunterschiede bezüglich einer Verlän-

gerung der Grundschulzeit auf 6 Jahre. Fordern in einer hessischen Lehrerstudie 70,7% der

Grundschullehrkräfte eine Verlängerung sind es dagegen nur 41,6 % der am Gymnasium

unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer. Besonders für die Schullaufbahnempfehlung der

Lehrerkräfte und für Übergangsprobleme sehen die Grundschullehrerinnen und Grundschul-

lehrer den Zeitpunkt nach der 4. Klasse als zu früh an.

Abb. 1: Einschätzungen von Lehrern zum Zeitpunkt des Übergangs (Koch 2001, S. 110)

Gründe für diese Abweichungen werden darin gesehen, dass eine Verlängerung der Grund-

schulzeit eine Aufwertung der Grundschularbeit und neue Personal- und Sachmittel bringen

könnten (vgl. Koch 2001, S. 110f.). Zudem kann man die geringeren Prozentwerte der Lehre-

rinnen und Lehrer der Gymnasien und Gesamtschulen dahingehend interpretieren, dass die-

se Lehrergruppen keine Laufbahnprognosen abgeben müssen.

Bei den Eltern und Kindern kann man feststellen, dass sich ihre Meinungen im Verlauf der

ersten zwei Jahre in der weiterführende Schule ändern. Stimmen so 62,7 % der Eltern und

54,5% der Kinder eine Verlängerung der Grundschulzeit am Ende der 4. Klasse zu, so sind

es am Ende der 6. Klasse nur noch 39,5% der Eltern und lediglich 26% der Kinder. Dies

macht deutlich, dass insbesondere einige Kinder im Verlauf ihrer Schulkarriere auch positive

Erfahrungen an einer weiterführenden Schule machen, den Übergang erfolgreich bewältigen

und an einer Verlängerung der Grundschule nicht interessiert sind (vgl. auch Kapitel 5). Bei

den Eltern kann man die hohen Werte für eine Verlängerung der Grundschule vor dem

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Übergang vor allem auf eine Unsicherheit und Ungewissheit bezüglich der weiterführenden

Schulformen und Schulen zurückführen (vgl. Büchner/Koch 2001, S. 103ff.).

Die Pro-Argumente für eine Separierung nach der 4. Jahrgangsstufe speisen sich neben den

präsentierten empirischen Befunden auch aus der langen Tradition des 3-gliedrigen Schul-

systems. Seit 120 Jahren hat sich dieses System in Deutschland bewährt und haben sich

professionelle Routinen und Organisationsformen im Schulsystem etabliert. Die funktionale

Bedeutung des Übergangs zur Differenzierung und Förderung von leistungsstarken und -

schwachen Schülerinnen und Schülern und die Zuweisung auf verschiedene Schul- und Be-

rufskarrieren führte in Westdeutschland nach den Kriegsjahren zum „Wirtschaftswunder“ und

dokumentierte die Effektivität des Systems. Trotz der Debatte in der Wissenschaft wurde erst

durch den „PISA-Schock“ die Frage nach dem Zeitpunkt der Trennung der Kinder öffentlich

wieder diskutiert.

Die Erkenntnisse aus einer international vergleichenden Perspektive brachten hier neue Er-

kenntnisse. Es zeigte sich in den internationalen Vergleichsstudien (IGLU, TIMMS, PISA),

dass eine frühe Auslese nicht automatisch auch zu einer höheren Qualität – gemessen an

den Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler – führt. Besonders die IGLU-Autoren führen

die Verschlechterung im internationalen Ranking der Lesekompetenz von der Grundschule

zur weiterführenden Schule auf die frühe Selektion zurück. Die Ergebnisse verdeutlichten

weiterhin, dass zwischen den Schulformen relativ große Überschneidungsbereiche in den

Kompetenzbereichen bestehen, die eine Aufteilung in unterschiedliche Leistungsmilieus in

Frage stellen. Hier wurde offenkundig, dass die frühe Separierung, die bis auf Österreich und

2 Kantone in der Schweiz in keinem anderen Industrieland der Welt so früh vollzogen wird,

nicht den gewünschten Effekt in den Leistungen der Schülerinnen und Schüler bewirkt5. Die-

se Ergebnisse führten so, neben dem Aspekt der sozialen Ungleichheit, zu einer breiten Dis-

kussion des Zeitpunktes.

Dabei thematisierten bereits frühere Studien aus der Schulpädagogik diesen Aspekt unter

der Contra-Perspektive der damit einhergehenden Bewältigung einer Vielzahl von Brüchen

bzw. Anforderungen an die Kinder. Die Frage, die in diesem Zusammenhang stand und nach

wie vor steht, ist die, ob Kinder im Alter von ca. 10 Jahren über die persönlichen Ressourcen

verfügen, den Belastungen eines Übergangs gewachsen zu sein. Auslöser der Debatte war

im Anschluss an die Studie von Weißbach (1985) die These des „Sekundarstufenschocks“ in

Folge der Übergänge an weiterführende Schulen. Hier wurde ein Argument gegen die frühe

Aufteilung aufgrund des Ergebnisses formuliert, das auf die erfahrenen Veränderungen der

Lernumwelt (z. B. neue Leistungsbewertung und -differenzierung, neues Fachlehrerprinzip,

5 In Österreich muss man nach einer gemeinsamen 4-jährigen Volksschule zwischen einer Allge-meinbildenden Höheren Schule (AHS) Unterstufe oder einer Hauptschule wählen.

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längerer Schulweg, größeres Schulgebäude, Verlust der Freunde, veränderte Leistungsbe-

wertungen und -erwartungen) im subjektiven Empfinden hinweist, welche zum Anstieg der

Schulunlust beitragen kann. Neben diesen Anforderungen wird aus psychologischer Sicht

die Frage nach unterschiedlichen Entwicklungsständen geführt: Greift man mit der frühen

Aufteilung der kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung voraus? Erwachsen Spät-

entwicklern daraus Nachteile? Aus lern- und entwicklungspsychologischer Sicht wird so an-

gezweifelt, ob eine Übergangsentscheidung im Alter von ca. 10 Jahren angesichts der Un-

gewissheit über die individuelle Entwicklung der Kinder in dieser Entwicklungsphase, in der

sie die Stufe der konkreten und logischen Denkprozesse noch nicht vollständig erreicht ha-

ben und die Entwicklungspotentiale noch nicht abzuschätzen sind, adäquat zu treffen ist. Es

ist zu bedenken, dass dann ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler von „denjenigen

schulischen Entwicklungsreizen ausgeschlossen wird, die für sie besonders fruchtbar hätten

werden können“ (Arbeitsgruppe Bildungsbericht 1994, S. 340). Denn die empirischen Befun-

de machen deutlich, dass sich in den weiterführenden Schulformen differenzielle Lern- und

Entwicklungsmilieus herauskristallisieren, in denen Kinder unterschiedlich gefördert werden

und sich die Kompetenzen der Kinder in den Schulformen auseinander entwickeln (Bau-

mert/Schümer 2001; Prenzel u. a. 2004). Mit der Wahl einer bestimmten Schulform kommt

es zu einem neuen Anregungsmilieu der Fähigkeiten, da die Schülerinnen und Schüler sich

mit einer neuen Bezuggruppe messen. Diese neuen Leistungspositionierungen durch den

„Bezugsgruppen-Effekt“ üben dann auf individueller Ebene erhebliche Einflüsse auf die Fä-

higkeits- und Selbstkonzepte der Heranwachsenden aus (vgl. auch Kapitel 5). Der frühe Zeit-

punkt des Übergangs stellt damit eine Herausforderung in der Entwicklung der Kinder dar.

Die Kontroverse um den Zeitpunkt der Differenzierung in (scheinbar) leistungshomogene

Gruppen führte in den letzten Jahren auch immer wieder zu Strukturfragen, nicht zuletzt

durch die kürzlich erschienen neuen IGLU-Daten. Hier kann vor dem Hintergrund der empiri-

schen Ergebnisse und der Argumente keine abschließende Positionierung vorgenommen

werden. Fakt ist aber, dass die frühe Differenzierung „ein Relikt aus der preußischen Schul-

gesetzgebung [ist], das die Weimarer Zeit und den Nationalsozialismus bis hin in die jüngere

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland überdauert hat“. Bedeutsam in dieser Ausei-

nandersetzung erscheint damit, dass bei allen wichtigen Reformvorschlägen und -ansätzen

(z. B. die Einführung von Ganztagsschulen) die Tradition und Routinen in den Schulen und

Administrativen Berücksichtigung finden sollten, jedoch vor dem Hintergrund der individuel-

len Entwicklung der Kinder und dem besseren Abschneiden von Ländern mit einem integrier-

ten Schulsystem durchaus Strukturdebatten fruchtbar werden können.

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3 Wie zuverlässig sind die Laufbahnempfehlungen der Lehrer? – Der Prognosewert und die Berechtigung von (Lehrer-)Empfehlungen

„Und da beginnt dann eben auch eine andere Schwierigkeit, dass Kinder

aus der Grundschule bei uns sind, die weitgehend in der Grundschule Zwei

und Drei im Durchschnitt hatten. Schon in der ersten Arbeit machen Kinder

die Erfahrung, dass sie zwar eine Zwei in der Arbeit schreiben, aber doch

mehr dafür arbeiten müssen (vgl. Koch 2001, S. 74f.)“

Mit der frühen Aufteilung in verschiedene Leistungsmilieus vor den Hintergrund der ungewis-

sen Entwicklungspotentiale und -verläufe der Schülerinnen und Schüler ist eine weitere,

zentrale Übergangsfrage verbunden: Welchen Prognosewert hat eine Übergangsentschei-

dung zu einem solch frühen Zeitpunkt der Entwicklung?

Welche Erfahrungen haben Sie in der Praxis gemacht? Wie gehen Sie mit die-

ser Anforderung um?

Ein in der Schulpädagogik kontrovers diskutierter Aspekt betrifft so die Validität der Grund-

schulempfehlungen der Lehrerinnen und Lehrer (Bos u. a. 2004; Ditton 2004, van Ophuysen

2006). Der Anspruch sollte bei der Bedeutsamkeit der Empfehlung dabei die Qualität und die

Prognosegenauigkeit der Übergangsempfehlung sein. Die Qualität und die Validität der Emp-

fehlung empirisch zu erfassen und als richtig oder falsch zu bewerten, erwies sich bisher

jedoch als schwierig, da sich die Frage stellte, wie man eine angemessene Urteilsqualität der

Schule für zukünftige Bildungsbiographien von Schülerinnen und Schülern überprüfen kann?

Einige Studien konzentrieren sich darauf, inwiefern es Klassenwiederholungen, Schulform-

wechsel im Verlauf der Sekundarstufe I und II gab und wie viele Schülerinnen und Schüler

den angestrebten Abschluss auch tatsächlich erreichten (vgl. Jürgens 1989; Zelazny 1996;

für die Orientierungsstufe Schuchart 2006). Diese Studien machen deutlich, dass es eine

hohe Quote an Schülerinnen und Schüler der Nicht-Empfohlenen gibt (zwei Drittel der auf-

gestiegenen Realschülerinnen und Realschüler und die Hälfte der Gymnasiasten), die den

Abschluss an der höheren Schulform ablegen. Ein weiterer Ansatz der unterschiedlichen

Leistungsvergleichsuntersuchungen der letzten Jahre stellt die Testleistungen der Schülerin-

nen und Schüler am Ende der Grundschule (IGLU) oder im Verlauf der Sekundarstufe I (PI-

SA, LAU) in einem Zusammenhang mit den tatsächlich besuchten Schulformen und zieht so

Rückschlüsse auf mögliche „Fehlentscheidungen“ bei den Empfehlungen. So haben bei-

spielsweise im Leistungsvergleich der Schulformen 13% leistungsstarker Realschülerinnen

und Realschüler in Mathematik einen höheren Testwert als der gymnasiale Durchschnitt und

Sven Brademann

12

wurde eine fehlerhafte Entscheidung getroffen, da ihr Leistungspotential durchaus eine gym-

nasialen Besuch legitimiert hätte. Für die Grundschule konnte man in der Gegenüberstellung

der Lese- bzw. Mathematikleistungen zum Grundschulgutachten festhalten, dass zwar die

Lehrerinnen und Lehrer für ein Gros der Kinder im unterem Kompetenzbereich eine Sekun-

darschulempfehlung und für ein Gros der Kinder im oberen Kompetenzbereich eine Gymna-

sialempfehlung aussprechen, jedoch sowohl nach oben als auch nach unten die Empfehlun-

gen abweichen und es Überlappungen der Leistungskurven gibt, die deutlich machen, dass

die Leistungen nicht das alleinige Kriterium der Empfehlung sind und ein breiter mittlerer

Leistungsbereich existiert für den die Prognosen anhand der Leistungen in Lesen aber auch

in Mathematik nicht zutreffend gestellt werden können (vgl. Bos u. a. 2004, S. 194f.). Es

zeigt sich in den weiteren Auswertungen der IGLU-Daten, dass Noten die Unterschiede in

den Schullaufbahnempfehlungen besser erklären als die gemessenen Leistungen der Schü-

lerinnen und Schüler (vgl. Bos u. a. 2004, S. 223).

Abb. 2: Schullaufbahnempfehlungen von Lehrkräften für Deutschland differenziert nach Lesekompe-tenz (Bos u. a. 2004, S. 194)

Ein Pro-Argument für die Validität der Laufbahnempfehlung sind die höheren Erfolgschancen

von empfohlenen Schülerinnen und Schülern die Schulform und die Klassenstufe nicht

wechseln zu müssen im Vergleich zu nicht-empfohlenen. Die letztere Gruppe wird an der

höheren Schulform einer Überforderung ausgesetzt (vgl. Jürgens 1989, Zelazny 1996). An-

dererseits ist man auch zur Erkenntnis gekommen, dass es eine höhere Angemessenheit

Sven Brademann

13

der Schullaufbahnempfehlung durch die Lehrerinnen und Lehrer – durch die Orientierungen

an den Leistungen – als durch die Eltern gibt. Leistungsorientierte Prognosen haben somit

gute Erfolgschancen. Die Schwierigkeiten der Prognose und der Vorhersagbarkeit von

Schulerfolg arbeiten Sauer und Gamsjäger (1996) in einer an 650 Schülerinnen und Schüler

durchgeführten Längsschnittstudie differenzierter heraus. Sie weisen darauf hin, dass die

(Leistungs-) Prognose von „Schülertypen“ abhängig ist und „nur“ für einen gewissen Teil der

Schülerinnen und Schüler durchaus zuverlässig zu treffen ist.

Resümiert man die Studien zur Prognosegenauigkeit der Laufbahnempfehlung ist festzuhal-

ten, dass es Untersuchungen gibt, die eine prognostische Validität von Grundschulgutachten

hervorheben, hingegen andere Studien zu dem Schluss kommen, die Zuverlässigkeit der

Laufbahn- und Leistungsprognose anzuzweifeln (vgl. Liegmann 2007, S. 59). Schließlich

resümiert auch van Ophuysen (ebd., S. 76):

„Somit sind weder auf Schüler- noch auf Schulseite hinreichend stabile Bedingungen gege-

ben, um eine längerfristige Passung angemessen vorhersagen zu können. Insgesamt birgt

also jede Empfehlung oder Prognose ein nicht unerhebliches und letztlich nicht vermeidba-

res Fehlerrisiko, das selbst durch die anspruchsvollste Diagnostik nicht aufgehoben werden

könnte.“

4 Welchen Beitrag leistet der Übergang zur Reproduk ti-on sozialer Ungleichheit? – Die Bedeutung der sozia -len Herkunft

„ für fritz war der übergang , sind mer im prinzip beim thema , vom von der

grundschule offs gymnasium , warfür ihn eigentlich wie n sprung ins kalte

wasser //hm// also er wollte das damals , offs gymnasium als die frage an-

stand wo gehst du hin //mhm// gymnasium ich denke mal nich dass es ihm

bewusst war was von leistungen her und was ,gymnasium überhaupt wie

gesagt ich konnt es ihm auch nich großartig vermitteln weil ich keen gym-

nasium äh , nur aus ausm lesen oder aus büchern //hm// wie och immer

(holt Luft) ,“

Seit den 1960er Jahren werden die schichtspezifische Bildungsbeteiligung und die Benach-

teiligung von sozial schwächeren Familien im deutschen Schulsystem diskutiert und Versu-

che gestartet, soziale Ungleichheiten in der Schule durch Reformen (z. B. die Einführung von

Gesamtschulen) auszugleichen. Schon damals einigte man sich in der Kultusministerkonfe-

renz auf gleiche Bildungschancen unabhängig der sozialen Herkunft:

Sven Brademann

14

„Jedem Kind muss – ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen der Eltern – der Bildungsweg

offen stehen, der seiner Bildungsfähigkeit entspricht“ (KMK 1960 zit. n. KMK 2006).

Trotz der Reformvorschläge für die Schulpraxis und den rechtlichen Vorgaben blieb über

Jahre die Reproduktion sozialer Unterschiede durch die Schule bestehen. In den letzten

Jahrzehnten hat sich das Bild etwas verändert und konnte eine zunehmende Bildungsbeteili-

gung aller sozialen Schichten verzeichnet werden (vgl. Becker/Lauterbach 2004, S. 9). Bei-

spielsweise ist auch für Eltern aus mittleren und niedrigen Statusgruppen der Realschulab-

schluss zur Mindestnorm geworden. Trotz dieser Bildungsexpansion und den damit verbun-

denen Veränderungen der Bildungsbeteiligung werden jedoch soziale Ungleichheiten am

Übergang in die weiterführende Schule tendenziell weiterhin reproduziert. Waren es in den

1960er Jahren vor allem die sozialen Hintergründe Geschlecht, Konfession und Region, die

in der Kunstfígur des „katholischen Mädchen vom Lande“ gefasst und als Kriterien für

schlechtere Bildungschancen analysiert wurden, sind es heute der Migrationshintergrund

und das Aufwachsen in sozialen Brennpunkten („der Junge mit Migrationshintegrund aus der

Großstadt“), die als Variablen für den Bildungserfolg bzw. -misserfolg gesehen werden.

Gleich bleibt aber die Schlussfolgerung, dass Bildungsentscheidungen und Erfolg in der

Schulkarriere nach wie vor im hohen Maß von der sozialen Herkunft abhängig sind. Gerade

an den schulischen Übergängen, an denen formal alle Schülerinnen und Schüler im Sinne

des meritokratischen Versprechens die Chance haben sollten, auf Grundlage ihrer Leistun-

gen sich die bestmöglichste Schule auszuwählen, spielt die soziale Herkunft eine entschei-

dende Rolle bei den Fragen, welche Schulen überhaupt in den Blick geraten, welche Schu-

len letztlich ausgewählt werden und welche Laufbahnempfehlungen die Lehrerinnen und

Lehrer aussprechen. Kinder aus Elternhäusern mit hohem sozialen, kulturellen und ökono-

mischen Kapital schlagen im Vergleich zu Kindern aus sozial benachteiligten Schichten bei

gleichen Begabungen und Leistungen höhere Bildungslaufbahnen ein, wie die PISA-

Ergebnisse zeigen. So wechseln über 50% der Kinder aus oberen Dienstklassen in ein

Gymnasium und nur 10% in eine Hauptschule. Hingegen umgekehrt gut 40% der Schülerin-

nen und Schüler aus Familien von ungelernten Arbeitern eine Hauptschule und nur etwa

10% dieser Gruppe ein Gymnasium besuchen (vgl. Baumert/Schümer 2002, S. 164f.).

Wie wir in dem Eingangszitat einer Mutter sehen, verfügen Eltern aus unteren Schichten zu-

dem über keine Erfahrungen in den höheren Bildungssegmenten und können sie ihre Kinder

an den zentralen Stellen der Übergänge in der Schullaufbahn nur bedingt unterstützen. Fa-

milien aus sozial besser positionierten Schichten sind an den Übergängen sicher und wählen

selbstverständlich exklusive gymnasiale Bildungswege an. In diesen Familien geht es eher

darum, die „Schule der Besten“ auszusuchen, damit die Kinder die familiäre Tradition und

den exklusiven familiären Status an einer solchen Schule reproduzieren: „jaa ähm und we-

Sven Brademann

15

gen a.-schule noch mal zurückkommen //hmm// . also . es geht hauptsächlich darum weil

mein . also weil- mehrere dazu gestimmt haben auch halt auch europa gymnasium is (klopft

auf den tisch) da hat man mehr möglichkeiten jetzt mal //aha// äh und f.-schule wäre nur n

landesgymnasium is auch nich schlimm also an den beiden hab ich mich be- beworben .

aber die meisten leuten auch von meiner familie ham das dann abgestimmt also ich hab bei

beiden bestanden auch . //hmm// unter den top dreißig jetzt . oder top zwanzig äh und habt

da immer gut bestanden . jah und an der a.-schule (betont) ähm also ich find auch neue

freunde (...) also ich denke mal es is wichtiger auf d- wenn man auf die familie hört was die

sagt als auf den besten freund ich meine man findet neue freunde //hm hm// (...) äh ja das

wärs eigent- so weit zur a.-schule . deswegen gehe ich dahin hmm . äh weil viele aus meiner

familie drauf warn...“.

Hierin kommt zum Ausdruck, dass die Kinder im Alter von 10 Jahren bereits die familiären

Haltungen und Ansichten stark verinnerlicht und übernommen haben.

Die Institution Schule kann eine formale Chancengleichheit bieten. Die Befunde der interna-

tionalen Vergleichstudien und der Bildungsforschung verweisen immer wieder darauf, dass

es jedoch auch in der Schule verborgene Mechanismen gibt, die zu einer Reproduktion der

bestehenden sozialen Verhältnisse beitragen. Durch die Prozesse institutionalisierter Bildung

wird Erfolg und Versagen dabei als Ergebnis individueller Leistungen der Schülerinnen und

Schüler und nicht auf die soziale Herkunft zurückgeführt (vgl. Klemm/Böttcher 2008, S. 55).

Diese Unterschiede zwischen den Bildungserfolgen von Schülerinnen und Schülern aus ho-

hen und niedrigen sozialen Schichten werden in breiten Teilen der Gesellschaft als un-

gerecht empfunden und in regelmäßigen Abständen diskutiert man Fragen der Interventi-

onsmöglichkeiten der Bildungspolitik und der pädagogischen Förderungsmaßnahmen, wie

man für mehr Chancengleichheit sorgen kann. Auch die auf dem zuletzt mit hohen Erwar-

tungen durchgeführten Bildungsgipfel im Oktober 2008 in Dresden, der nach der „Bildungs-

reise“ von Kanzlerin Angela Merkel einen Auftakt zur „neuen Bildungsrepublik Deutschland“

darstellen sollte, beschlossene Qualifizierungsinitiative für Deutschland steht für den Leitsatz

„Aufstieg durch Bildung“ ein. Erneut wird hier auf die formale Chancengleichheit verwiesen:

„Aufstieg durch Bildung ist die Strategie, damit die Herkunft von Chancen nicht über ihre Zu-

kunft entscheidet. Ein gerechter Zugang zu Bildung und Durchlässigkeit der Bildungssyste-

me sind Leitprinzip verantwortlicher Bildungspolitik“ (vgl. Konferenz der Regierungschefs der

Länder 2008, S. 4). Dabei werden in der Politik aber auch in der Praxis und in der Wissen-

schaft immer wieder drei Begründungsbereiche diskutiert, die in den Augen der Experten

dazu führen, dass es Kinder aus sozial benachteiligten Familien schwerer haben Bildungser-

folge zu erzielen (vgl. auch Gill 2008, S. 51; Böttcher/Klemm 2008).

Das sind erstens Gründe, die in den Familien selbst liegen. Zu nennen sind hier zum Beispiel

fehlende materielle Ressourcen. In sozial benachteiligten Familien fehlt oft das Geld an-

Sven Brademann

16

spruchsvolle Spiel- und Lernmittel zur Verfügung zu stellen oder auch Nachhilfemöglichkei-

ten zu organisieren. Neben diesen werden weitere Sozialisationsbedingungen der Familien

(z. B. Erziehungsvorstellungen und -stile, Gesprächskultur, aber auch Besuche von kulturel-

len Einrichtungen wie ein Museum oder ein Theater) als primäre Herkunftseffekte für eine

ungleiche Bildungsbeteiligung der Familien zur Aufklärung herangezogen. Des Weiteren

werden Gründe für sozial ungleiche Bildungschancen in den schichtabhängigen Bildungsan-

sprüchen der Eltern gesehen. Aus den Untersuchungen kann man hier mittlerweile sicher

konstatieren, dass Eltern aus höheren sozialen Schichten sich im Vergleich zu Eltern aus

unteren sozialen Kreisen gegen den sozialen Abstieg beim Übergang an eine weiterführende

Schule ihrer Kinder wehren und bei ihren Bildungsentscheidungen höhere Risiken der

Schulwahl eingehen. Diese sekundären Herkunftseffekte bei den Bildungsentscheidungen

selbst belegt auch das folgende Zitat einer unsicheren Mutter, die ihren Sohn gern auf einem

Gymnasium hätte, die sich aber in Klasse 4 gegen das Risiko eines Gymnasiums entschied

und nun der verpassten Chance in Form einer massiven Kritik am Schulsystem nachtrauert:

„er könnte schulisch mäßig könnte er jetzt aufm gymnasium gehen //I: genau//aber nur weil-

ich weiß nicht warum (sehr schnell und erregt erzählt) ich=ich kanns einfach nicht (klatscht in

die Hände) ich krieg das einfach nich raus warum das nich so es ist eben nich so , ich finds

blödsinn (betont), was soll das (betont), //I: hm// kann man doch sechste klasse auch mit

machen das man jetzt in der sechsten klasse dazugehen kann , is doch schwachsinn (be-

tont) warum erst in der siebten (5) gerade so , ich denke mir so wie ich gedacht habe dass

man als eltern n bisschen vorsichtiger ist und sagt naja ich will erstmal abwarten gerade der

schritt von der vierten in de fünften //I: ja// ist schon groß //I: ja// ja und denn noch gymnasi-

um der is ja noch größer //I: hm// und da- wenn eltern noch nich ganz sicher sind , dann soll-

te man erstmal so n kleinen schritt machen und dann noch nen kleinen schritt dazu //I: hm// ,

tja (resignierend) soll nich sein und das ärgert ihn so n bisschen das er hier noch verbleiben

muss“.

In diesem Kontext ist ebenfalls entscheidend, welche Vorbildfunktion von den Eltern in der

Thematisierung von Sinn und Wert der Bildung ausgeht. Wird Bildung in den Familien als ein

hohes und unterstützungswürdiges Gut angesehen oder sieht man das Verhältnis zu gebil-

deten Tätigkeiten eher distanziert? Auch hier ergeben sich enorme Unterschiede zwischen

den sozialen Schichten und bringen Kinder diese ungleichen Voraussetzungen in die Schule

mit.

In Bezug auf die Schulen wird seit Jahren und insbesondere nach dem besseren Abschnei-

den von Ländern mit sozialdemokratischen und integrativen Bildungssystemen die Schul-

struktur als ein zweiter Ursachenkomplex diskutiert. Demnach wird die soziale Ungleichheit

in der frühen Separierung der Kinder gesehen, zu einem Zeitpunkt, zu dem die familiären

Herkunftseffekte noch zu stark wirken und Kinder bereits einem Schultyp zugeordnet wer-

Sven Brademann

17

den, in dem sie weniger intellektuellen Anregungen ausgesetzt sind und in dem sie kaum –

trotz der formal offenen Übergänge – Chancen besitzen auf eine höhere Schulform zu wech-

seln. Aufstiege im deutschen Schulsystem sind im deutschen Schulsystem eher der Sonder-

fall. Zudem wird oft kritisiert, dass Deutschland für Bildung relativ wenig Geld ausgibt und

wenn, dann eher für gehobene Bildung, was wiederum den Kinder aus sozial besser positio-

nierten Familien zukommt. Der bereits erwähnte Bildungsgipfel brachte hier zwar eine Mit-

telaufstockung für Bildung und Forschung bis zum Jahr 2015 auf zehn Prozent des Bruttoin-

landsproduktes (zurzeit: unter 9 Prozent, dann 7% für Bildung und 3% für Forschung), doch

zugleich hörte man von der Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) in einem Interview

mit dem "Hamburger Abendblatt" die Parole: „Ein Bildungsgipfel ist kein Finanzgipfel." Was

bei diesem so genannten Gipfel dabei deutlich wurde, sind die Auseinandersetzung zwi-

schen Bund und Ländern, welche Projekte mit durch den Bund zu finanzieren sind, und die

unterschiedlichen Positionen der Partei zur Schulstruktur. Dabei plädieren die SPD geführten

Länder mehrheitlich für ein längeres gemeinsames Lernen. Auch hat man in den letzten Jah-

ren Geld in Ganztagsschulprogramme angelegt, doch sollte noch mehr in die professionelle

Betreuung von stärker konzeptorientierten Ganztags- aber auch Vorschulen investiert wer-

den, da sich mittlerweile die Anzeichen mehren, dass sich familiäre Benachteiligungen durch

solche Ganztagsangebote ausgleichen lassen. Weiterhin ist teilweise belegt, dass die mate-

rielle Ausstattung (z. B. durch Computer) und Ressourcenentlastungen (z. B. Lernmittelfrei-

heit, öffentliche Zuschüsse bei der Mittagsversorgung) Ungleichheiten nivellieren können.

Ein dritter öffentlich diskutierter Ursachenbereich bezieht sich auf die Unterrichtsformen und

auf das Lehrerpersonal. Es wird darauf hingewiesen, dass der lehrerzentrierte Unterricht, der

auf einer leistungshomogenen Lerngruppe basiert, lernschwächere Schülerinnen und Schü-

ler nicht adäquat fördern kann. Das Festhalten an der Leistungshomogenität in der Schul-

struktur und in den Unterrichtsformen wird dabei durch Befunde angezweifelt, die belegen,

dass heterogene Schülerschaften für die Entwicklung und Schulleistungen von sozial be-

nachteiligten Schülerinnen und Schülern vorteilhaft sind, ohne dass die Leistungsfähigkeit

der besseren Schülerinnen und Schüler sinkt. In diesem Zusammenhang werden an die Leh-

rerinnen und Lehrer Forderungen formuliert, die Lebenswelten und Bildungsinhalte von bil-

dungsfernen Schülerinnen und Schülern stärker anzuerkennen, zu berücksichtigen und in

ihren Unterricht zu integrieren, ihre Lesemotivation und -kompetenz zu fördern und gezielter

Informations- und Beratungsgespräche mit Eltern aus sozial schlechter gestellten Milieus

gerade an den Nahtstellen des Systems zu führen. Und auch bei der Schullaufbahnprognose

sind die Grundschullehrerkräfte aufgefordert, ihre Empfehlungen auf die soziale Kontextab-

hängigkeit zu prüfen. Denn bezüglich der Laufbahnentscheidung werden immer wieder un-

bewusste Effekte konstatiert und lassen sich Erkenntnisse aus Studien ziehen, die verdeutli-

chen, dass Lehrerinnen und Lehrer ihre Entscheidungen auch vor dem Hintergrund sozialer

Sven Brademann

18

und kultureller Kontextfaktoren treffen und bspw. ein enger Zusammenhang zwischen der

Empfehlung und dem Bildungsabschluss des Vaters oder des Migrationshintergrundes be-

steht (Ditton 1992, 2004; Lehmann/Peek 1997; Koch 2001; Bos u. a. 2004: S. 211f.). Hierbei

relativieren die Untersuchungen aber die Befunde und halten auch eine höhere Angemes-

senheit der Schullaufbahnempfehlung durch die Lehrerinnen und Lehrer im Vergleich zu den

Elternaspirationen fest. Eltern weichen etwa zu einem Viertel – in der Regel nach oben – von

der Lehrerempfehlung ab (Liegmann 2007, S. 62). Die soziale Herkunft hat also einen höhe-

ren Einfluss auf die Bildungsaspirationen der Eltern als auf die Übertrittsempfehlungen der

Lehrerinnen und Lehrer (vgl. Merkens u. a. 2002: 273). Die Empfehlungen der Lehrerinnen

und Lehrer orientieren sich stärker an den erzielten Leistungen der Kinder (vgl. Ditton u. a.

2005, S. 297f.). Folglich sind es vor allem Ungleichheiten, die die Kinder aus ihren Familien

mitbringen, welche in der Schule reproduziert werden. Für das Bildungssystem bleibt

schließlich festzuhalten:

„Je früher Schülerinnen und Schüler auf verschiedene Bildungsgänge verteilt werden, desto

kürzer wird das Zeitfenster, das für schulische Interventionen zum Ausgleich herkunftsbe-

dingter Leistungsunterschiede zur Verfügung steht, und desto stärker schlagen die sozial-

schichtabhängigen Lebenspläne, die Eltern für ihre Kinder entwerfen, auf die Übergangs-

entscheidung durch. Auch spätere Übergangsentscheidungen fallen nicht unabhängig der

sozialen Herkunft, aber deren Einfluss ist deutlich niedriger. Mit frühen Differenzierungsent-

scheidungen nehmen, wenn man nichts zusätzlich unternimmt, die sozialen Disparitäten der

Bildungsbeteiligung zu. (…) Je stärker sich die Schulformen als Entwicklungsumwelten un-

terscheiden und je weniger die Förderung im unteren Leistungsbereich gelingt, desto größer

werden gleichzeitig die herkunftsbedingten Disparitäten des Kompetenzerwerbs“ (Bau-

mert/Trautwein/Artelt 2003, S. 290).

Sven Brademann

19

5 Welche Rolle spielen die Schülerinnen und Schüler ? – Die Bedeutung der Haltungen der Kinder und die Rele -vanz von Freundschaftsbeziehungen beim Schul-wechsel

„ja also ähm ich geh ja jetzt hier drüben auf das b.- gymnasium das ist hier

gleich hierneben //aha// und ähm erstens liegts daran dass ich keine weg-

änderung habe und ähm zweitens auch einfach das beste also is inner nä-

he ((die beste)) Gymnasium was es gab (…) hätt jetzt natürlich auch nach

d.-stadtteil fahren können da s f.-gymnasium (…) aber da hab ich eigentlich

nicht so ‚dolle’ (betont) lust drauf hab ich mich dann lieber für eine schule

entschieden die eben ‚alles’ (betont) fördert also also jetzt ich wollt jetzt

nicht auf die a.-schule oder so (…) das wär mir zu schwer gewesen und ich

wollt auch keine aufnahmeprüfung machen wenn ich dann da durchfalle

dann .. wär nich so schön gewesen“

Schülerinnen und Schüler sind keineswegs passive Akteure im Übergangsgeschehen. „Sie

sind (…) sehr wohl mit der Struktur des deutschen Schulsystems vertraut und wissen, wie

die verschiedenen Selektionsmechanismen einzuschätzen sind, wo sie selbst im hierarchi-

schen System stehen und wie ihre Position von anderen bewertet wird (Schümer 2004,

S. 75).

Wie bereits der kurze Ausschnitt verdeutlicht, nehmen sie die Schullandschaft differenziert

wahr und wägen vor dem Hintergrund ihrer schulbiographischen Orientierungen Vor- und

Nachteilte einzelner Schulen und Schulformen ab. Kinder bilden damit eigene Perspektiven

aus, der für die Übergangsverläufe relevant werden und nicht immer eine Fortführung der

elterlichen Aspirationen darstellen (vgl. Helsper u. a. 2007 S. 485). Damit rückt ins Bewusst-

sein, dass Übergangsentscheidungen durchaus zu Aushandlungsprozessen in den Familien

führen. Die Berücksichtigung der Sichtweise der Schülerinnen und Schüler wurde dabei lan-

ge Zeit vernachlässigt und in erster Linie diskutierte man den institutionellen Wechsel als

Entscheidung der Lehrerinnen und Lehrer und Eltern.

Sven Brademann

20

Wie sieht es bei Ihnen aus? Welche Rolle spielen di e Haltungen und Perspekti-

ven der Kinder im Schulalltag vor und nach dem Über gang, insbesondere bei

der Übergangsempfehlung in der 4. Klasse und bei de r Ankunftsgestaltung zu

Beginn der 5. Klasse aber auch bei Beratungsgespräc hen mit den Eltern?

Welche Erkenntnisse existieren dazu in der Forschung. Betrachtet man zunächst die Schul-

abschlusswünsche der Kinder, dann zeigt sich, dass bei den ca. 10-jährigen Schülerinnen

und Schülern 40 % ein Abitur anstreben, allerdings auch über 50 % noch nicht wissen, wel-

cher Schulabschluss für sie in Frage kommt und ihnen zum Zeitpunkt der Übergangsent-

scheidung noch eine Orientierung bezüglich der Abschlüsse fehlt (vgl. Büchner/Koch 2001,

S. 75). Des Weiteren wird bei der Schulwahl eine hohe Kongruenz der Wünsche zwischen

Kindern und Eltern konstatiert. Jedoch weichen immer hin auch 20 % der Kinder vom

Wunsch der Eltern ab, da die Kinder sich stärker an Freunden orientieren (Merkens/Wessels

2002, S. 89). So geben auch 60% der befragten Schülerinnen und Schüler in der Studie von

Büchner und Koch an, auf dieselbe Schule wie die Freunde wechseln zu wollen (vgl. ebd.

2001, S. 140). Damit scheinen den Freundschaftsbeziehungen eine zentrale Rolle für die

Übergangswünsche der Schülerinnen und Schüler zu zukommen und können Freunde Aus-

löser der Wahl bestimmter Schulformen sein, was schließlich interessanterweise auch dazu

führen kann, dass sie durchaus Einfluss haben, niedrigere Schulformen anzuwählen (vgl.

Krüger u. a. 2007, S. 518f.). Umgekehrt können Kinder aber auch höhere Schulformen an-

wählen, um bestimmte Verhaltens- und Lernweisen einzelner Mitschülerinnen und Mitschüler

zu vermeiden. Zum Beispiel freut sich ein Mädchen aus der Studie von Helsper u. a. (2009)

auf den Übergang an ein Gymnasium, um den Verhaltensweisen einiger Jungen aus ihrer

Klasse zu entkommen: „das is einfach’ (stockend) nervig wenn die dann ((immer)) so wie bei

uns hier reinrufen und immer ausrasten und das //hm// , weil ich bekomm dann immer angst

wenn die irgendwie ausrasten und sich prügeln (…) und ähm ja . aoh- ich freu mich auch

ähm dass ich dann endlich aus der klasse wegkomme weil wir ham da wirklich ein paar idio-

ten drinne und das nervt einfach ähm ich meine ich kann’s zwar ignorieren aber auf die dau-

er dann nervt das wirklich“. Diese Haltungen der Kinder sind damit zu erklären, dass Kinder

Schule nicht nur als ein Lern- sondern auch als ein Lebensort verstehen, in dem sie wichtige

und persönlichkeitsrelevante Erfahrungen mit Gleichaltrigen machen und sich bspw. in der

Planung bestimmter Freizeitaktivitäten oder im Pausenleben mit Gleichaltrigen vergemein-

schaften können. Die Gruppe der Gleichaltrigen gilt so auch als wichtige Sozialisations- und

Entscheidungsinstanz, die Übergänge maßgeblich beeinflusst (vgl. Brademann/Helsper

2009).

Dabei sehen die Kinder den Übergang einerseits unter einer Verlustperspektive von Freund-

schaftsbeziehungen. Als Risiko werden vor allem Desintegrationserfahrungen und kompli-

zierte Prozesse von Gruppenbildung, Rollenfindung und Statussuche an der ankommenden

Sven Brademann

21

Schule genannt. Andererseits gibt es auch Kinder, die sich auf neue Mitschülerinnen und

Mitschüler freuen und dies als Erweiterung ihrer bisherigen sozialen Netzwerke deuten. Die

Studie von Krüger u.a relativiert ebenfalls die These des „Sekundarstufenschocks“ und des

Bruchs der Freundschaftsbeziehungen durch den Übergang und stellt heraus, dass auch die

Beziehungen zu Peers in außerschulischen Bildungs- und Freizeitorten (z. B. Sportverein)

einen relevanten und wichtigen Kompensationsraum des Verlustes von Schulfreunden dar-

stellen. Des Weiteren verweist die Untersuchung auf die im Alter von etwa 11 Jahren, abge-

sehen von Freundschaften zu einem besten Freund bzw. einer besten Freundin, noch recht

losen und fluktuativen Peerbeziehungen als Chance, da es den meisten der untersuchten

Kinder gelingt, Freunde in der neuen Schulklasse zu finden (vgl. Krüger u. a. 2008: Buch).

Dabei muss man zwischen den Schulformen jedoch einige Differenzierungen vornehmen,

denn hier deuten sich Unterschiede in der Bedeutung von Peerbeziehungen für den Über-

gang an. So ist für Schülerinnen und Schüler der Haupt- und Sekundarschule die weiterfüh-

rende Schule dann passend, wenn sie möglichst wenig Schulisches repräsentiert, dafür aber

umfassende Peeraktivitäten und Peervergemeinschaftung ermöglicht (soziales Lernen). Bei

einigen Schülerinnen und Schülern der Gesamtschulen und der Gymnasien geht es dagegen

um eine Balance der Peer- und Leistungsorientierung. Und bei Gymnasiastinnen und Gym-

nasiasten, die gerade auch exklusive und traditionsreiche Gymnasien besuchen und aus

kapitalstarken Familien kommen, scheinen die Peerbezüge eine untergeordnete Rolle einzu-

nehmen und heben diese Schülerinnen und Schüler die Bildungs- und Leistungsqualität der

weiterführenden Schulen hervor (vgl. Helsper u. a. 2009).

Damit haben die Leistungsanforderungen bei der Anwahl einer weiterführenden Schule nur

bei einem kleinen Teil der Schülerinnen und Schülern einen Stellenwert. Dies verändert sich

mit der Ankunft an der neuen Schule. Die neuen Leistungsanforderungen und neuen Lern-

formen, aber vor allem die veränderte Leistungsumwelt zeigen deutliche Auswirkungen in

der Selbstwahrnehmung der Schülerinnen und Schüler. Im Übergang von der Grundschule

in die weiterführenden Schulen entsteht so ein paradox anmutender Effekt: So werden im-

mer wieder auch bei Schülerinnen und Schülern der Haupt- und Sekundarschulen „Erho-

lungseffekte“ des Fähigkeitsselbst nach dem Übergang gemessen, da sie sich in einer neuen

Leistungsumgebung in ihren schulischen Leistungen stabilisieren können und zu den besse-

ren Schülerinnen und Schülern gehören. Die erfolgreich auf das Gymnasium einmündenden

Grundschülerinnen und Grundschüler erleben dagegen Einbußen in ihren schulischen Fä-

higkeitskonzepten (z. B. in einzelnen Fächern), erfahren sie doch jetzt eine Verschlechterung

ihrer Leistungsplatzierung in der neuen Gymnasialklasse (vgl. Buff 1991, Helmke 1998, Fend

2000). Damit kommt es zu Vergleichen in einer neuen sozialen Gruppe: Wie gut sind die

anderen Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu mir? Das hat nun auch zur Folge, dass

sich die Lernenden in einer leistungshomogeneren und vor allem -stärkeren Gruppe wahr-

Sven Brademann

22

nehmen, sich in diesem Leistungsmilieu entwickeln und es zu den bereits angesprochenen

Bezugsgruppeneffekten kommt, so dass die Kompetenzen zwischen Gymnasiasten und Se-

kundarschülern im Verlauf der Sekundarstufe I weiter auseinander fallen. Neben diesen

neuen sozialen Vergleichen misst sich jede Schülerin und jeder Schüler auch immer mit den

Leistungen in der Grundschule: Wie gut bin ich im Vergleich zu früher? Auch diese individu-

ell-temporale Bezugsnorm zeigt sich ebenfalls in den Schülerinterviews nach dem Wechsel:

„und jetzt hat man sich also (schluckt) jetzt kann man halt- bei klassenarbeiten kann man halt

jetzt auch mal mit allen noten rechnen oder beim test das man- das geht von der eins bis

zur fünf und so was wenn man- auch wenn man gelernt hat muss man jetzt mit allem rech-

nen und deshalb ist das schon was anderes als in der grundschule //hmm// //hmm//“.

Überraschenderweise gibt es in diesem Kontext auch Schülerinnen und Schüler, die den

standardisierten Wechsel von der 4. zur 5. Klasse ohne Probleme meisterten, die aber einen

„unerwarteten“ und „individualisierten“ Übergang von der 6. zur 7. Klasse wahrnehmen, da

sie Probleme mit neuen Leistungsanforderungen (z. B. neue Fächer) und neuen Fachlehrern

haben, der dazu führt, dass sie nachträglich ihren Übergang an das Gymnasium nicht mehr

so positiv wahrnehmen und einen „nachgezogenen Sekundarstufenschock“ erfahren. Es

zeigt sich damit, dass der Wechsel in die Sekundarstufe I Verzögerungseffekte beinhalten

kann und Schülerinnen und Schüler erst viel später Schwierigkeiten mit den Leistungsanfor-

derungen bekommen können und Risiken des Scheiterns auch durch den „heimlichen“

Übergang von der 6. in die 7. Klasse bestehen (vgl. Kramer u. a. 2009). Befunde der Schul-

laufbahnforschung belegen dabei, dass fast die Hälfte der Kinder neben den institutionellen

Wechsel zusätzliche Rückstellungen, Wiederholungen und Schulformwechsel in ihrer Schul-

karriere zu verarbeiten haben.

Abb. 4: Selektionsereignisse im Überblick für Deutschland und aufgegliedert nach Ländern (Liegmann

2007, S. 25 nach: Schümer/Tillmann/ Weiß 2002, S. 206)

Sven Brademann

23

Die Grafik zeigt, dass mit 24 % den Klassenwiederholungen das größte Gewicht zukommt.

Einen Schulformwechsel haben 14,4 % vollzogen und eine Zurückstellung vor Beginn des

ersten Schuljahres mussten 10,6 % der in der PISA-Studie befragten 15-jährigen Schülerin-

nen und Schüler verkraften. Auch wenn das Ausmaß des Scheiterns in der Schulkarriere –

etwa das Sitzenbleiben in der Grundschule und die Selektionsrate im Gymnasium (vgl. Cor-

tina/Trommer 2003) – zurückgegangen ist, dominieren immer noch die Schulformabstiege

(vgl. Bellenberg 1999), so dass die „Durchlässigkeit“ des Schulsystems vor allem eine des

Abstiegs ist (vgl. Mauthe/Rösner 1998). Damit rückt ins Bewusstsein, dass Schülerinnen und

Schüler neben den standardisierten Wechseln mehrere Übergänge in ihrer Schullaufbahn

bewältigen müssen.

Neben den Peers, den Leistungen und den neuen Lernformen sind Kinder im Übergangsge-

schehen des Weiteren mit der Aufgabe konfrontiert, nicht nur neue Lehrpersonen kennen zu

lernen, sondern sich auch mit einem neuen Typus von Lehrerinnen und Lehrern auseinan-

derzusetzen und neue Lehrer-Schüler-Beziehungen aufzubauen. Gerade die Schülerinnen

und Schüler, die die Schule über ihre Lehrerinnen und Lehrer erfahren, haben im Übertritts-

prozess Probleme die zum Teil vertrauensvollen und intimen Beziehungen zu ihren Grund-

schulerinnen und Grundschullehrern zu den stärker distanzierten und fachorientierten Schü-

ler-Lehrer-Beziehungen in der Sekundarstufe I zu modifizieren. Diese Transformationen der

sozialen Interaktionen mit den neuen Lehrern stellt eine neue Situation dar. Immerhin 27 %

wünschen sich am Ende der 6. Klasse in der Studie von Büchner und Koch (2001), dass sie

ihre Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer am liebsten mitgenommen hätten, darun-

ter ist der Anteil der Mädchen mit 34 % besonders hoch. Dieser Befund lässt sich jedoch

relativieren, da die Kontinuität der Lehrerbeziehungen meist hinter der Freundschaftskontinu-

ität steht und zudem auch über 80 % eine Übergangserleichterung – gerade auch zum Fach-

unterricht – durch die Lehrerinnen und Lehrer an den Sekundarstufen nach eigenen Aussa-

gen erlebt haben.

Da die Wahl einer weiterführenden Schule in Deutschland so unmittelbare und auch langfris-

tige Konsequenzen für die Biographie der Schülerinnen und Schüler haben, müssen die

Übergänge auch gesamtbiographisch eingeordnet werden. So zeigt sich, dass es für erfolg-

reiche Übergänge wichtig ist, ob Kinder bereits vor dem Übergang in ihrer Familie oder auch

Freundesgruppe Bilder und Erfahrungsberichte über die weiterführende Schule und Schul-

form vermittelt bekommen (vgl. Nittel 1992, S 250ff.). So spielt beispielsweise die biographi-

sche Situation eines Kind im Zusammenhang mit den erlernten Arbeitstechniken in der

Grundschule im Übergang eine wichtige Rolle: „Sonja lebte allein mit ihrer fast erblindeten

Mutter zusammen. So war sie dazu gezwungen, bereits in der Grundschule viel Selbstver-

antwortung zu übernehmen und sich selbst zu organisieren. (…) Ihre familiäre Situation und

die nicht vorhandene Kontrolle und Kritik [ihrer Arbeitsweisen] durch die Lehrerinnen hatten

Sven Brademann

24

also ihre positiven Seiten. (…) Beim Übergang verlor dieser Aspekt seine Bedeutung. Sonja

wurde ihre schlampige und unsaubere Heftführung „zum Verhängnis“. Schlechtere Noten

wurden u. a. auch mit ihrer unsauberen Arbeitsweise begründet. (…) In den Fächern Eng-

lisch und Mathematik entschieden sich die beiden Lehrerinnen am Ende des Halbjahres auf-

grund der mangelhaften Heftführung für die schlechtere Note“ (Stefanie Rath, In: Beck 2002:

65ff.).

Das Gelingen des Übergangs hängt folglich von der Passung zwischen Kind, den Erfah-

rungsräumen der Familie, der Grundschule und der neuen Schule ab (Kramer 2002). In die-

sem Zusammenhang wurde auf die „geheimen“ Praktiken der „Vor- und Nachselektionen“

hingewiesen: Schon zu Beginn der vierten Klasse sind eine gewisse Gruppe von Schülerin-

nen und Schülern von den nicht nur offenen, sondern auch latenten Selektionspraktiken und

-aktivitäten (z. B. fallbezogene Lehrerkonferenzen oder Sonderprüfungen) betroffen. Es sind

Schülerinnen und Schüler deren Eltern sich unentschlossen bezüglich der schulischen Zu-

kunft ihrer Kinder zeigen, die im Mittelfeld des Leistungsspektrums liegen und über die noch

keine zuverlässigen Leistungsprognosen vorliegen. Die Schülerinnen und Schüler selbst sind

sich dem schulbiographischen Stellenwert dieses Übergangs zwar bewusst, die Entschei-

dungsgrundlagen sind jedoch nur vage verfügbar (vgl. ebd.: 251ff.). Der Start und die Be-

währung an der neuen Schule hängen dann vor allen davon ab, inwieweit die Bilder der wei-

terführenden Schule bestätigt werden und andererseits die Kinder den Vorstellungen der

Schulform entsprechen. Des Weiteren spielt das Wissen über die neue schulbiographische

Situation, ein akzeptabler Platz in der Klassengemeinschaft und die aus der Grundschule

erworbene Kompetenzen eine bedeutsame Rolle, ob der Übergang reibungslos verläuft (vgl.

ebd. S. 257ff.). Wir wissen auch, dass der Übergang an eine bestimmte Schulform langfristi-

ge Auswirkungen haben kann und junge Erwachsene, die einen Beruf erlernt haben, ihren

verpassten Chancen mit negativen Emotionen nach trauern. Insbesondere die erlebte Ge-

ringschätzung der unteren Schulabschlüsse auf dem Arbeitsmarkt führt nachträglich zu ei-

nem Bedauern der „falschen“ Schulwahl und der zu geringen Leistungsmotivation (vgl. Hur-

relmann/Wolf 1986).

Sven Brademann

25

6 Wie kann man den Übergang didaktisch und pädago-gisch g gestalten? – Die Gestaltbarkeit des Über-gangs

„Für die 5. Klasse wird doch mehr getan. Das war noch vor 10 Jahren

überhaupt kein Thema, dass man irgendwie versucht, auf die Kinder einzu-

gehen oder so eine Atmosphäre so wie in der Grundschule zu schaffen

oder wenigstens ein paar Sachen aus der Grundschule aufzugreifen. Das

ist also wirklich jetzt in den letzten Jahren viel besser geworden (vgl. Koch

2001, S. 133).“

Neben den Fragen zur rechtlichen Regelung, zum Zeitpunkt, zur Prognosegenauigkeit der

Laufbahnempfehlungen des Übergangs und der Beteiligung der Eltern und Kinder am Über-

gangsgeschehen bezieht sich eine weitere Diskussion auf den Punkt, wie man in der Praxis

den Übergang konkret gestalten kann. Es zeigt sich, nicht zuletzt in der Bearbeitung des

Themas im Projekt SINUS-Transfer Grundschule, dass der Übergang vermehrt von Lehre-

rinnen und Lehrern der Grundschulen und weiterführenden Schulen gleichermaßen Beach-

tung findet und viele vorzeigbare Kooperations- und Modellprojekte der Zusammenarbeit der

Schulen zur Verbesserung der Übergangsgestaltung entstanden. So gibt es bislang ganz

unterschiedliche Modelle der Kooperation, die auf Basis der regional- und stadtspezifischen

Bedingungen Übergangserleichterungen entwickelten. Dabei existieren jedoch „nur“ eine

Reihe von „kleineren“ Untersuchungen und Praxisberichten, welche die pädagogische und

didaktische Gestaltung des Übergangs untersucht und dokumentiert haben (Garlichs/Schmitt

1978; Portmann/Schneider 1988; Brinkoetter 1994; Kuhn/Schüßler 2004) und soll hier kurz

auf zwei Projekte eingegangen werden, bevor konkrete Vorschläge zur Übergangsgestaltung

unterbreitet werden. Die Einführung von Übergangshilfen in einer Gesamtschule evaluierte

beispielsweise Brinkoetter (1994). Diese Begleitstudie macht die positiven Effekte von über-

greifenden Gesprächen zu Freundschaften und individuellen Besonderheiten der Kinder zwi-

schen den Lehrerinnen und Lehrern der Grundschule und der aufnehmenden Schule, weni-

gen Bezugslehrern in der 5. Klasse und klassenübergreifenden pädagogischen Teams deut-

lich. Darüber hinaus werden die lernförderlichen Wirkungen des Einsatzes einiger differen-

zierter Methoden der Grundschule, wie Lernen in heterogenen Lerngruppen, Gruppenarbeit,

Wochenplanarbeit, projektorientiertes und fächerübergreifendes Lernen und der Verzicht auf

lehrerzentrierten Unterricht konstatiert (vgl. Brinkoetter 1994). Auch Kooperationen, wie ge-

genseitige Besuche vor dem Übergang und gemeinsame Fachkonferenzen, werden zur

Verwirklichung kontinuierlicher Schullaufbahnen positiv evaluiert (vgl. Kuhn/Schüßler 2004:

259ff.). Allerdings fehlen weitere empirisch begleitete Modellprojekte und es bleibt in der pä-

Sven Brademann

26

dagogischen Praxis und Wissenschaft offen, wie eine systematische und fachliche Koopera-

tion zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen aussehen kann.

7 Chancen und Risiken und Gestaltungsvorschläge des

Übergangs Die Ausführungen machten deutlich, dass für die zentralen Akteure des Übergangs diese

Schnittstelle im deutschen Schulsystem eine besondere Rolle spielt. Lehrerinnen und Lehrer,

Eltern und Kinder sehen sich am Ende der Grundschule und auch im Verlauf der Sekundar-

stufe I mit ganz unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert und erleben diesen frühen

Übergang als eine Herausforderung. In der Wahrnehmung und Deutung kommt es aber zu

unterschiedlichen Empfindungen der Beteiligten. So erleben nicht alle Lehrkräfte den Über-

gangsprozess als belastend und konnten beispielsweise unterschiedliche Einstellungen zwi-

schen Lehrerinnen und Lehrern der Grundschulen und weiterführenden Schulen belegt wer-

den. Auch bei den Kindern kommt es hier zu Unterschieden und es erfährt ein nicht geringer

Teil der Schülerinnen und Schüler den Übergang auch als Chance und kann ein „Sekundar-

stufenschock“ nicht verallgemeinert werden. Die empfundenen Ängste eines Kindes (z. B.

vor höheren Leistungsanforderungen) können für ein anderes Kind durchaus eine Heraus-

forderung darstellen. Und auch bei den Eltern wird der Übertritt in die weiterführenden Schu-

len vor dem Hintergrund der sozialen Lage unterschiedlich bewertet. Hier konnte gezeigt

werden, dass besonders sozial benachteiligte Familien den Wechsel in einer Bedrohungs-

perspektive wahrnehmen.

Im Sinne einer adäquaten Übergangsgestaltung lässt sich so aus den schulpädagogischen

Kontroversen zunächst eine allgemeine Forderung festhalten, dass an erster Stelle eine

Kommunikation und eine Kooperation der verschiedenen Akteursgruppen dazu beitragen

kann, die Sichtweise der jeweils Anderen in seine Entscheidungsfindung einfließen zu lassen

und transparente und nachvollziehbare Übergangsentscheidungen zu treffen. Basierend auf

den Forschungsbefunden lassen sich im Folgenden konkrete Angebote zur Gestaltbarkeit

ausdifferenzieren.

Insgesamt stellt erstens eine schul(-form)übergreifende Organisation der Kooperation zwi-

schen Grund- und Sekundarschule eine Herausforderung zur adäquaten Gestaltung des

Übergangs dar (vgl. Koch 2004, S. 561f.).

Denn „der Übergang müsste wie ein Brückenbau sein, bei dem die Schule den Kindern hilft,

indem sie Material, Begleitung und Erfahrung bereitstellt“ (Fauser 1992: 342).

Koch (2001, S. 151ff.) empfiehlt den Zusammenschluss von ausgewählten, abgebenden

Sekundarschulen und Gymnasien mit ihren zuliefernden Grundschulen zu Schulverbünden

Sven Brademann

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dort, wo eine „tragfähige Kooperation“ auch möglich ist. Sie sieht für diese Forderung gute

Umsetzungschancen, da die Lehrerinnen und Lehrer selbst eine solche Einstellung vertreten

und zudem eine hohe Bereitschaft für eine Zusammenarbeit und ein Interesse für gegensei-

tige Schulbesuche, Unterrichtshospitationen und Informationsgespräche an der anderen

Schulform besteht. Diese Arbeit und ein gemeinsames Kooperationsverständnis können für

Koch aber nur auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und Respekts entstehen. In die-

sem Modell „übergangsbezogener Schulentwicklung“ mit bestimmten festgelegten gemein-

samen Standards (z. B. die Diskussion, welche „alternativen“ Lernformen sinnvoll sind) ver-

steht sich die Übergangsgestaltung als keine Aufgabe der Einzelschule sondern als eine des

Schulverbundes. In dieser Kooperation könnten so zweitens Möglichkeiten der Überwindung

des Übergangs von eigenständigen und die Eigentätigkeit fördernden zu lehrerzentrierten

Methoden und so die Kontinuität der Lerngewohnheiten der Kinder diskutiert werden. Hier

gilt es, an den Reformprozessen der Grundschule zur Verbesserung der Übergangspraxis

und der Kontinuität schulischen Lernens anzusetzen und verstärkt die veränderten Sozialisa-

tionsbedingungen des Aufwachsens in Familie und Schule zu berücksichtigen, ohne die Lo-

giken der Schule und Schulformen außer Kraft zu setzen.

„Ein pädagogischer Übergang zur Sekundarstufe muss [dann] sowohl die institutionelle und

individuelle Vorgeschichte als auch die lebensgeschichtliche Realität der Kinder und ihre

altersbedingte Entwicklungslage berücksichtigen“ (Koch 2004, S. 552).

In diesem Kontext ist in den Verbünden eine gemeinsame Basis des Erziehungsverständnis-

ses zu finden. Weiterhin weisen die Ergebnisse aus der Schulforschung darauf hin, dass

Informations- und Beratungsgespräche inzwischen in einigen Bundesländern nicht nur recht-

lich vorgeschrieben sind, sondern es unter den Eltern aber auch Kindern es einen hohen

Bedarf gibt, über die unterschiedlichen Übergangsregelungen und -optionen sowie über ver-

schiede Schullaufbahnwege in der Sekundarstufe I aufgeklärt zu werden. Es sollte folglich

drittens in der Übergangsgestaltung an den Grundschulen und weiterführenden Schulen ein

Stellwert auf die Beratung und Information gerade von Familien aus sozial benachteiligten

Schichten gelegt werden, da diese die Risiken vermeiden, die mit einer höheren Bildungskar-

riere einhergehen. Neben diesen Reformvorschlägen zu Übergangsgestaltung an den Schu-

len sollte viertens bereits in der Lehramtsausbildung die Trennung der Ausbildungsgänge

überwunden und das Problem der Diskussion und Entwicklung einer pädagogischen Orien-

tierung (oder auch Leitbild) für die Nahtstellen im Bildungssystem ins Bewusstsein rücken.

Hier gibt es bereits Praktikumsprojekte, in denen Studierende im Rahmen ihrer Praktika ein

Kind von der Grundschule in die weiterführenden Schulen begleitet haben und ihre Beobach-

tungen übergreifend analysierten (vgl. Beck 2005: 55). Als weitere sechste Maßnahme stellt

Sven Brademann

28

sich im Zusammenhang des geringen Erkenntnisstandes die Forderung, mehr Modellprojek-

te auch wissenschaftlich zu begleiten, um die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedli-

chen Schulformen zu begleiten und über die Effekte der Übergangsgestaltung mehr zu er-

fahren. Schließlich sollten sechstens auch die Fortbildungsträger in den Bundesländern dar-

über nachdenken, entsprechende schulformübergreifende Fortbildungsprogramme zu entwi-

ckeln, die die schulform- und fachbezogenen Angebote ersetzen und auch nachfrageorien-

tierte und für Schulverbünde spezifische Angebote bspw. auch zum Übergang schaffen (vgl.

Koch 2001, S. 156).

Diese Vorschläge sind Angebote, um den Übergang für Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und

Kinder zu erleichtern und eine höhere Kontinuität in der Schulkarriere der Kinder zu gewähr-

leisten. Die Umsetzbarkeit hängt dabei von den lokalen Rahmenbedingungen und der Zu-

sammenarbeit von Bildungspraxis, -politik und -wissenschaft ab. Die konkreten Übergangs-

projekte in dieser Broschüre machen dabei deutlich, dass der thematische Fokus auf die

Übergänge viele innovative Gestaltungsideen vorbringen kann.

Sven Brademann

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