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Die Fakta leiten alle Eidetik. Zu Husserls Begriff desmaterialen Apriori
Vittorio De Palma
� Springer Science+Business Media Dordrecht 2014
Abstract The paper provides a reconstruction of the notion of material Apriori
while exhibiting the anti-Kantian inspiration and factual grounding thereof. The
attempt is made to show that a non-formal Apriori obtains because the sensuous has
a normative character; further, that the difference between material and formal
eidetic laws is rooted in the difference between sensuous contents, given in expe-
rience, and intellectual contents, originating in activities of judgement. The material
Apriori is not independent of all experience, since it is grounded on sensuous eidetic
contents and thus depends on the latter’s givenness and characteristics. It is thanks
precisely to this ,contingency‘ that it has an ontological significance.
Zusammenfassung Der Aufsatz bietet eine Rekonstruktion der Idee des materi-
alen Apriori sowie eine Darlegung der anti-kantianischen Inspiration und des fak-
tischen Grundes derselben. Es wird zu beweisen versucht, dass das Bestehen eines
nicht formalen Apriori darauf beruht, dass das Sinnliche maßgebend ist, sowie dass
der Unterschied zwischen materialen und formalen Wesensgesetzen im Unterschied
zwischen den in der Erfahrung gegebenen sinnlichen Inhalten und den aus Ur-
teilstatigkeiten stammenden Denkinhalten wurzelt. Das materiale Apriori ist nicht
von aller Erfahrung unabhangig, da es in den sinnlichen Wesensgehalten grundet
und damit von deren Gegebenheit und Beschaffenheit abhangt. Gerade dank sol-
cher,Kontingenz‘hat es eine ontologische Bedeutung.
1 Formales und materiales Apriori
Apriorische Gesetze sind Husserl zufolge relations of ideas, da sie rein im Wesen
betreffender Inhalte grunden und unabhangig von der Subjektivitat gelten (Hua VII,
V. De Palma (&)
Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, Via Monte di Dio 14, 80132 Naples, Italy
e-mail: [email protected]
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Husserl Stud
DOI 10.1007/s10743-014-9149-x
235, 350 ff., 358 ff., 402 ff; Hua XXIV, 235). Beim Apriori geht es namlich um
Relationen, die ,,mit den,Ideen‘notwendig gesetzt sind‘‘ (Hua VII, 359), denn ,,wo
die Ideen gegeben, da auch die Relation, in ewig unveranderlicher Weise‘‘ (Hua
XXIV, 341). Apriorische Erkenntnis besagt daher ,,apodiktische Einsicht in einen
Wesenszusammenhang‘‘ (Hua VII, 364).
Husserl unterscheidet zwischen zwei Arten apriorischer Gesetze und fuhrt
solchen Unterschied auf die ,,kardinale Scheidung zwischen der,formalen‘und,sach-
haltigen‘oder,materialen‘Wesenssphare‘‘ (Hua XIX, 256) bzw. zwischen kategor-
ialen und sinnlichen Begriffen zuruck (ebd. 713; Hua XXXV, 216 ff.). Es geht dabei
um die Scheidung zwischen formalen Kategorien (Gegenstand, Satz, Beziehung,
Einheit usw.), die vom Subjekt in seiner Denk- bzw. Urteilstatigkeit erzeugt werden,
und materialen Kategorien, die dem Subjekt in der sinnlichen Erfahrung gegeben
sind (Ding, Ton, Farbe, Raumgestalt usw.). Je nachdem ob die Kategorien, die sie
betreffen, formal oder material sind, sind die apriorischen Gesetze analytisch oder
synthetisch und ihre Negation ergibt einen formalen Widersinn (einen logischen
Widerspruch) oder einen materialen Widersinn (eine sachliche Unvertraglichkeit).
Die analytischen Gesetze (wie z. B.: Ein Ganzes kann nicht ohne Teile
existieren) drucken die formale Gesetzmaßigkeit des Denkens aus und grunden in
der logischen Form. Sie gelten fur jeden moglichen Gegenstand, sofern er durch
kategoriale Formen gedacht wird, und stammen aus der ,,Formalisierung‘‘ des
Satzes, d. h. aus der Ersetzung der sachhaltigen Materie durch unbestimmte
Variablen bzw. durch die leere Form ,,Etwas uberhaupt‘‘. Analytische Satze haben
also ,,eine von der sachlichen Eigenart ihrer […] Gegenstandlichkeiten […] vollig
unabhangige Wahrheit‘‘ (Hua XIX, 259) und bleiben in der freien Variation der
Termini gultig, weil in ihnen alles auf die Identitat der Termini ankommt und nichts
auf die Anschauung dessen, was den Termini entspricht (Ms. A I 40/31a). Sie sind
namlich ,,einsichtig derart, dass sie nur die voll ausgefuhrten rein grammatischen
Gedanken enthalten mussen‘‘ (Hua XL, 319) und ,,bedurfen zu ihrer Evidentma-
chung nicht einer Anschauung irgendeiner,Materie‘‘‘ (ebd. 318): Es genugt dazu die
bloße Bedeutung, insofern nur das, was fur die Folgerung relevant ist, wirklich
vollzogen werden muss (ebd. 320 Anm. 1).
Da die analytischen Gesetze von der Besonderheit der Stoffe, die schrankenlos
variieren konnen, unabhangig sind, konnen bei ihrer Erfassung die Stoffe auch
unbestimmt sein, es ist nur erforderlich, dass sie mit sich identisch erhalten bleiben
(Hua XIX, 718, 724). Bei ihnen geht es namlich um ,,Gesetze fur Gegenstande
uberhaupt, sofern sie als durch bloße Kategorien bestimmt gedacht sind‘‘ (ebd. 101),
weil sie nur das betreffen, ,,was fur Gegenstandliches uberhaupt vermoge der
reinen,Denkform‘gilt, d.i. was sich fur die objektive Geltung der Bedeutungen a
priori aller Materie der bedeuteten Gegenstandlichkeit auf Grund der reinen
Bedeutungsform, in der sie gedacht sind, aussagen lasst‘‘ (ebd. 344). Derartige
Gesetze sagen nichts uber das Reale aus, da sie ,,nichts weiter sind als triviale
Allgemeinheiten, gegen die eine Behauptung bloß darum nicht streiten darf, weil sie
sonst widersinnig ware, und […] umgekehrt die Harmonie des Denkens mit diesen
Normen auch nicht mehr verburgt, als dass es in sich formal einstimmig sei‘‘ (Hua
XVIII, 145 f.). Als Gesetze der Widerspruchslosigkeit von Urteilen sind also die
logischen Gesetze Gesetze der moglichen formalen Wahrheit, d. h. negative
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Bedingungen (conditiones sine qua non) der Wahrheit: Insofern jeder Widerspruch
a limine eine Falschheit ist (Hua XVII, 71), ist das, was in Widerstreit mit ihnen
steht, unmoglich und damit falsch, aber das, was nicht in Widerstreit mit ihnen
steht, ist noch nicht wahr.1
Die synthetischen Gesetze (wie z. B.: Es gibt keine Farbe ohne Ausdehnung,
keinen Ton ohne Hohe) drucken die sachliche Gesetzmaßigkeit der Erfahrung aus
und grunden im logischen Stoff. Insofern sie ,,inhaltlich bestimmt[]‘‘ sind (Hua XIX
254) und mit den Inhaltsarten wechseln, lassen derartige Gesetze keine ganze
Formalisierung salva veritate zu. Das Apriori ist nicht nur formal-analytisch,
sondern auch material-synthetisch, denn neben den in den apophantischen Formen
gegrundeten Wesensgesetzen gibt es Wesensgesetze, die ,,nicht bloß fur die
analytischen Denkzusammenhange, sondern auch fur die uns in der Wahrnehmung
und Erfahrung erscheinende Realitat‘‘ gelten (Hua XXIV, 333). Nicht nur das
Denken, sondern ,,[a]uch die Erfahrung steht unter apriorischen Gesetzen‘‘ (Hua
XXVIII, 243).
Der Gedanke eines materialen Apriori beruht auf der Unterscheidung zwischen
selbstandigen Inhalten, die ihrer Natur nach fur sich bestehen konnen, und
unselbstandigen Inhalten, die ihrer Natur nach nur als Teile umfassenderer Ganzen
von gewisser Art existieren bzw. deren Existenz die Existenz von Inhalten gewisser
zugehoriger Art voraussetzt. Es geht dabei um ,,eine objektive Unterscheidung‘‘, die
nicht in der Weise des Vorstellens des Subjektes, sondern im Wesen der Inhalte
grundet (Hua XIX, 240): Zwischen den (Arten von) Inhalten bestehen wesensge-
setzliche ,Fundierungsverhatlnisse‘, welche die einheitlichen Zusammenhange
bestimmen, in denen die Inhalte objektiv bestehen konnen, und welche darum
ontologische Gesetze darstellen.2 Husserls Ansatz liegt gerade eine ,,ontologische
Umwendung des Evidenzgedankens in den einer reinen Wesensgesetzlichkeit‘‘
zugrunde: Die Notwendigkeit der Gesetze a priori ist nicht die ,,subjektive
Unfahigkeit des Sich-nicht-anders-vorstellen-konnens, sondern die objektiv-ideale
Notwendigkeit des Nicht-anders-sein-konnens‘‘ (ebd. 242 f. und Anm.*; vgl. Hua
VII, 357 f.). Nun, wahrend dem faktischen Vereintsein der Inhalte deren
Vereinbarkeit zu entnehmen ist, kann ihrem faktischen Nichtvereintsein deren
Unvereinbarkeit nicht entnommen werden.3 Wenn wir namlich versuchen,
bestimmte Inhalte in einer Form von Einheit zu vereinen, beweist das faktische
Misslingen nicht das notwendige Misslingen. Aufgrund der ontologischen Umwen-
dung des Evidenzgedankens tritt doch an die Stelle des Nichtsehenkonnens das
Sehen des Nichtkonnens. Denn im Fall der Unvereinbarkeit besteht nicht eine bloße
Unfahigkeit zur Vereinigung, vielmehr werden die Inhalte in der Form der
Unvertraglichkeit vereint, so dass wir an ihnen den Widerstreit erfassen. Deshalb ist
die Unvereinbarkeit selbst eine Form von Einheit: Beim,runden Viereck‘fungiert
1 Vgl. Hua XIX, 344, 728; Hua VII, 23; Hua XXIV, 331; Hua XXXV, 452 f.; Hua XVII, 60, 144 f., 148 f.2 Zur ontologischen Bedeutung und historischen Herkunft des Gedankens der Unselbstandigkeit, den
Husserl Stumpf entlehnt und der schon bei Brentano und den englischen Empiristen vorliegt, vgl. Smith
1986.3 Vgl. Hua XIX, 635 ff.; Tugendhat 1967, 158 ff.
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die Unvertraglichkeit gerade ,,als Einheit zwischen dem Charakter des Widerstreits
und den Inhalten, die durch ihn,getrennt‘werden‘‘ (Hua XIX, 639).
Da die materialen Gesetze in der Wesensbesonderheit des jeweiligen sinnlichen
Inhalts grunden, kann jedes von ihnen nur erfasst werden, insofern das
entsprechende materiale Wesen durch seine Vereinzelungen in der Erfahrung
faktisch auftritt. Denn sachhaltige Wesen konnen erst phantasierend gebildet
werden, wenn ihre Einzelheiten in passiver Weise durch sinnliche Affektion
gegeben sind. So sind die Wesensgesetze der Farben bzw. der Tone nicht erkennbar,
es sei denn, dass eine individuelle Farbe bzw. ein individueller Ton sinnlich
erfahren wird: Ein Blinder bzw. ein Tauber kann sie nicht fassen (Hua XXXVI, 147
f.; Hua II, 38). Die Phantasie, die als Ursprungsstatte des Apriori gilt,4 ist namlich
von der faktischen Erfahrung abhangig, die ihr erst den Stoff liefert: Vorstellungen
ideal moglicher Welten konnen nur gewonnen werden ,,als Phantasieabwandlungen
der sachhaltigen Erfahrungsvorstellungen, die wir als Wahrnehmungen und
Erinnerungen von daseiender Welt haben‘‘ (Hua XXXII, 68; vgl. Hua XLI, 202).
Demnach kann jedermann ausschließlich die apriorischen Gesetze derjenigen
materialen Wesen fassen, deren Vereinzelungen in seiner sinnlichen Erfahrung
faktisch auftreten. Das materiale Apriori ist eben dadurch ,,kontingent‘‘ (Hua XVII,
32 ff., 379 ff.) oder ,,affektiv‘‘, dass ,,nur solche Subjekte es erwerben konnen, die
Exempel dafur haben, und diese stammen aus der Affektion. So sind auch ewige
Wahrheiten bloß affektiv kontingent, wenn ihre Begriffe es sind‘‘ (Hua XLI, 101).
Ideale Wesen sind erst durch ihre faktisch-empirischen Vereinzelungen erkennbar.
,,Die Fakta leiten alle Eidetik. Was ich exemplarisch nicht unterscheiden
kann, \ davon [ kann ich auch keine eidetische Unterscheidung und Wesensbil-
dung gewinnen. Das ist selbst wesensmaßig einsehbar‘‘ (Ms. B III 10/8b).
Dem Begriff des materialen Apriori liegt also das empiristische Prinzip
zugrunde, wonach jede idea ihren Ursprung in einer impression hat. Husserl
ubernimmt ausdrucklich dieses Prinzip (Hua XIII, 349; Hua XLI, 51). Wo z.
B. Erfahrung mir Dinge und Vorgange nicht gegeben hatte, konnten die Worte Ding
und Vorgang keinen Sinn fur mich haben (Hua XXXV, 474 f.). Dasselbe gilt fur die
Farbbegriffe, die erst durch Farberfahrung gebildet werden konnen (Hua XLI, 206).
Deswegen bezeichnet Husserl im Brief an Kaufmann vom 27.III.1923 die
Moglichkeit analytischer Urteile als ,,das schwierigere Problem‘‘, indem er von der
Tradition abweicht. Analytische Urteile scheinen ihm fraglich, weil sie fur
jedweden Inhalt gelten und keine Ausweisung in der exemplarischen Anschauung
brauchen (Hua XXXV, 445 f., 449, 452, 467). Im Gegensatz zu den sachhaltigen
Wesen, denen Individuen entsprechen, sind namlich die formalen Wesen
,,unanschaulich‘‘ bzw. ,,nicht anschaulich erfassbar‘‘: ,,Nicht jedes Wesen ist in
Wesensanschauung zu geben‘‘, sondern nur eine bestimmte ,,Klasse von Eide, die
eidetische Allgemeinheiten zu den individuellen Vorstellungsinhalten (Anschau-
barkeiten) darstellen‘‘ (Hua XLI, 160 und Anm. 2). Im engeren Sinn gibt es
Anschauung erst des Sachhaltigen.
Durch den Begriff der materialen Notwendigkeit verschmilzt Husserl das
rationalistische Motiv der Begrundung durch apriorische Gesetze und das
4 Vgl. Hua III, 148; Hua IX, 72; Hua XXXV, 230; Sowa 2007.
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empiristische Motiv der Begrundung durch faktische Erfahrung (Hua XXXV, 288
ff.). Er vollzieht jedoch eine Konvergenz von diesen zwei Motiven auf dem Boden
der Erfahrung: Die materiale Notwendigkeit ist der Erfahrung immanent, weil sie
den sinnlichen Inhalten entspringt. Was fur eine apriorische Struktur die Erfahrung
hat, hangt an den Sachgehalten, die faktisch gegeben sind. Erfahrung ist keine Folge
zusammenhangsloser Daten, sondern weist eine sachliche Wesensstruktur auf.
Wenn aber solche Struktur eben die Struktur der Erfahrung sein soll, muss sie in der
Erfahrung selbst gegeben sein, weshalb sie nicht aus logischen Urteils- bzw.
Verstandesformen, sondern aus sinnlichen Formen besteht. Erst die materialen
Kategorien konnen namlich der Erfahrung eine sachliche Struktur verleihen, welche
die Anwendung von formalen Kategorien bzw. Denkbestimmungen ermoglicht: Die
Gultigkeit des formalen Apriori ist zwar von der des sachhaltigen Apriori
unabhangig, aber seine Anwendbarkeit auf die Erfahrung ist an das Bestehen des
letzteren gebunden. Man kann der Erfahrungswelt nur insofern eine kategoriale
Denkform verleihen, als sie vor dem Denken eine apriorische Struktur besitzt, d. h.
,,Tendenzen zur Idealisierung‘‘ in sich hat (Hua XXXII, 102) und die Idealisierung
gewissermaßen nahe legt (ebd. 73 f.), obwohl letztere durch die Erfahrung
unterbestimmt ist (ebd. 181).5 Um die Konstruktion einer exakten Welt zu
ermoglichen, soll namlich die Erfahrungswelt an sich logisch-objektiv bestimmbar
sein: Lagen in der sinnlichen Erfahrung keine sachlichen Wesenszusammenhange
und bestunde keine feste Identitat der Dinge, waren die formalen Gesetze nicht auf
die Erfahrung anwendbar.6 Erfahrung lasst demgemaß nur insofern die Anwendung
der Logik und Mathematik zu, als in ihren Gegebenheiten schon ,,Rationalitat‘‘ (d.
h. apriorische Gesetzmaßigkeit) liegt (Hua Mat IX, 439).
Logische Gesetze gelten sicherlich absolut […]; aber warum mussen logische
Gesetze ein Feld der Anwendung haben? In einer faktischen Natur? […] Das
Wunder ist hier die Rationalitat, die sich im absoluten Bewusstsein dadurch
erweist, dass sich in ihm […] eine Natur konstituiert, die Korrelat einer
exakten Naturwissenschaft ist (Hua VII, 394).
Es kann nicht erst die Vernunfterkenntnis sein, die die objektive Wahrheit
herauszuarbeiten hat, denn der Vernunftige hat die seiende Welt nur aus Erfahrung
und alle vernunftigen Bewahrungen laufen auf die Einstimmigkeiten der Erfahrung
zuruck: Die Natur kann nicht dieselbe sein, wenn die Erfahrungen ganz anders
laufen, da alle Naturgesetze ihre faktische Gestalt aus dem faktischen Verlauf der
Erfahrung in Beobachtungen und Experimenten haben (Hua XXXIX, 654, Anm. 2).
Das sinnlich Gegebene hat eine sinnliche Wesensstruktur unabhangig von der
Denk- bzw. Urteilstatigkeit und erst dadurch kann es denkmaßig bzw. urteilsmaßig
bestimmt werden.
5 Zum Verhaltnis der Idealisierung zur wirklichen bzw. anschaulichen Welt vgl. Hua XXI, 298, 308; Hua
XLI, 96, 255.6 Vgl. Hua XXXII, 97 ff., 142, 223; Hua IX, 56; De Palma 2008, 141 ff.
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2 Die beiden Arten materialer Begriffe
Innerhalb der synthetischen apriorischen Gesetze unterscheidet Husserl zwischen
denjenigen, die ,,im Gattungsmaßigen der sinnlichen Stoffe‘‘ (Farbe, Ton usw.)
grunden und die Materie des Dinges betreffen, und denjenigen, die ,,in realen
Kategorien‘‘ (Substanz, Raumlichkeit, Zeitlichkeit) grunden und das formale Wesen
der Dinglichkeit bzw. die Form des Dinges betreffen (Hua XXIV, 333). Neben den
universalen logisch-formalen Begriffen, die fur die Gegenstande jeder Region
gelten, bestehen demgemaß zwei Arten von Wesensbegriffen: diejenige, die alle
Gegenstande einer Region bezeichnen (Ding, Seele), und diejenige, die materiale
Besonderungen der regionalen Begriffe darstellen (Farbe, Ton) (Hua V, 97 ff.).
Wie Husserl im § 7 der Ideen III erklart, konnen also synthetische Begriffe
entweder sachhaltig oder formal sein und nur letztere sind fur die Regionen
konstituierend, weil sie nicht gattungsmaßige Begriffe sind, sondern das Korrelat
einer Grundart von Erfahrung darstellen und eine notwendige Form den betreffen-
den Gegenstanden vorschreiben. Insofern die Idee des Dinges ,,einen kategorialen
(oder, wie wir besser sagen, regionalen) Rahmen fur jeden zu einer Erfahrung
solcher Grundart gehorigen und moglichen Sinn‘‘ bezeichnet, bestimmt sie ,,nicht
einen Inhalt, sondern eine Form fur alle moglichen Gegenstande moglicher
Erfahrung dieser Artung uberhaupt‘‘ (ebd. 33). Daraus ergibt sich der Unterschied
zwischen der Idee des Dinges und der Idee eines sonstigen Allgemeinen auf Grund
der Erfahrung: auch die Idee des Minerals oder der Pflanze schreibt dem Gang der
Erfahrung eine Regel vor, aber in einem ganz anderen Sinn als die Idee des Dinges,
die nicht bloß allgemeiner als jene ist.
Man darf nicht verwechseln das, was ein Allgemeinbegriff vorschreibt und was
das Wesen der allgemeinen Wahrnehmung als einer Grundart der Erfahrung
vorschreibt. Der Begriff, genauer: die begriffliche Auffassung als Mineral,
schreibt in der Weise des Denkens vor. […] Aber dem begrifflichen Denken
und seinen Forderungen geht die Erfahrung mit ihren Forderungen voraus. Ist
es uberhaupt Erfahrbares, so hat es seine Form, es ist ein Ding (ebd. 33 f.).
Innerhalb vom Begriff des synthetischen Apriori besteht daher ein ,,Unterschied
zwischen Prioritat und Posterioritat‘‘ (ebd. 35). Selbst ein apriorischer Begriff
wie,Ton‘ist namlich aposteriorisch gegenuber dem Begriff,Ding‘, der eine notwen-
dige und invariante Form moglicher Erfahrung ausdruckt, da er den Rahmen bildet,
in dem jede Moglichkeit von Veranderung des jeweiligen Wasgehalts vorgezeichnet
ist. Letzterer stellt also eine zufallige Besonderung des Dings dar: ,,Alles
Sachhaltige ist zufallig‘‘ (ebd.). Obwohl aber der durch die Idee des Dings
bezeichnete regionale Rahmen als Form fungiert in Bezug auf die zugehorigen
sachhaltigen Bestande, ist er nicht bloß formal, weil,Ding‘ein materialer Begriff ist.
Dabei geht es namlich zwar um die Form des Dings, aber gerade um die Form des
Dings als Erfahrungsdings, die keine Verstandesform ist und erst durch Dinger-
fahrung gefasst werden kann.
Daraus ergibt sich der Unterschied zwischen Kants und Husserls Auffassung der
moglichen Erfahrung. Bei Kant weist sie auf subjektive Formen zuruck, die in einen
formlosen Stoff gelegt werden und prinzipiell unerfahrbar sind. Bei Husserl weist
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sie hingegen auf sachliche Formen zuruck, die aus der Eigenart des jeweiligen
sinnlichen Stoffs stammen und in eins mit diesem gegeben sind, also selbst
erfahrbar sind. Darin liegt ein Umsturz von Kants Ansatz: Was wir von den Dingen
a priori erkennen, ist nach Kant das, ,,was wir selbst in sie legen‘‘,7 nach Husserl
hingegen das, was im Wesen bzw. in der Struktur der Dinge selbst liegt, weil die
Bedingungen der Moglichkeit der Erfahrung eidetisch sind (Hua XVI, 141 f.; Hua
XVII, 456; Hua VII, 385). Die realen Kategorien gehoren zum sinnlichen Ding,
nicht zum erfahrenden Subjekt: Raum und Zeit sind nicht Formen unserer
Sinnlichkeit, sondern Formen der individuellen Gegenstande (Hua XXIV, 273 f.;
Ms. B IV 1/33a-b). Die ,,apriorischen Bedingungen moglicher Erfahrung‘‘ sind also
diejenigen ,,ontisch-apriorische[n] Wesensstrukturen, ohne die eine Welt als Welt
moglicher Erfahrung undenkbar ware‘‘ und die durch die ,,Methode der Wesens-
variation der universalen Erfahrung und Erfahrungswelt‘‘ zu gewinnen sind (Hua
XXXII, 118). Da die sachlichen Zusammenhange zwischen den Erscheinungen
nicht den subjektiven Anschauungs- und Verstandesformen, sondern den sinnlich
gegebenen Wasgehalten entspringen, gehort das synthetische Apriori nur insofern
zur Erfahrung, als es zum jeweiligen Erfahrungsinhalt gehort. Eine notwendige
Struktur hat namlich nicht die Erfahrung uberhaupt, sondern die in ihr liegenden
Erfahrungsmoglichkeiten.8
3 Die Wesensstruktur der Welt und die Wesenserkenntnis
Das sachhaltige Eidos – das ,,vor allen Begriffen im Sinne von Wortbedeutungen‘‘
liegt (Hua I, 105) – ist einerseits immer schon vorgegeben und vorausgesetzt, da es
die Variation leitet und ermoglicht, andererseits aber ist es nur durch Variation
selbstgegeben und erfasst. Es ist namlich immer schon bekannt, aber nicht erkannt,
weshalb die Wesensanschauung in der aktiven Erfassung eines passiv vorkonsti-
tuierten Wesens besteht, also in der Explizierung einer vorgegebenen apriorischen
Struktur (EU, 414). Die Wesensstruktur der Welt ist daher vor dem Eingreifen des
Subjekts in eins mit den sinnlichen Gegenstanden gegeben, die sich nicht bloß in
ihrem Dasein darbieten, sondern auch immer in ihrem Sosein, d. h. mit
Bestimmungen, die ihnen nicht als individuellen Gegenstanden, sondern als
Gegenstanden eines gewissen Typus zukommen.
Vor jeder Verstandestatigkeit weist also die Welt eine ,,regionale Typik‘‘ (Hua
IX, 68) bzw. eine Gliederung in Regionen strukturell verschiedener Gegenstande
auf. Dass Gegenstande immer schon in einer Typik wahrgenommen werden,
bedeutet keineswegs, dass sie begrifflich als Glieder einer Klasse aufgefasst werden.
Denn alles Wahrgenommene ist dank seiner Ahnlichkeit mit anderem Wa-
hrgenommenen vor der begrifflichen Auffassung typisch apperzipiert (Hua XXXII,
200; Hua XLI, 388). Die Deckungssynthesis des Gleichen mit Gleichen findet in
passiver Weise statt, da sie in der Eigenart der gegebenen Inhalte grundet. Es geht
dabei um ,,diejenige sinnliche Gleichheit‘, die schon vorgegeben sein muss, damit
7 Kant 1781/87, B XVIII.8 Vgl. Tugendhat 1967, 181.
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Vergleichung ansetzen kann‘‘ (Hua XXXV, 437). Wesensmomente konnen sich
namlich ohne Vergleichung aufdrangen und die Auffassung als dieses oder jenes
bestimmen, ohne dass ein Allgemeinheitsbewusstsein, d. h. eine Abstraktion des
Gemeinsamen und Subsumtion unter ein Allgemeines im Spiel ist (Hua XLI, 121,
273). Bedingung der Moglichkeit der Vergleichung und Abhebung eines Allgemei-
nen ist gerade eine gegebene Ahnlichkeit (Hua XXXIX, 457). Obwohl also in der
vorbegrifflichen Erfahrung kein Allgemeinheitsbewusstsein liegt, beruht letzteres
darauf, dass zu jedem Erfahrenen ein Wesensgehalt gehort (Hua XXXII, 233 ff.).9
Die Regionen grunden in einer ,,sachhaltige[n] Materie‘‘ (Hua XXX, 279) und
ihrer Einteilung entspricht eine ,,Kategorienlehre‘‘, die auf der ,,Besonderheit der
Kerne‘‘ beruht, d. h. auf demjenigen inhaltlichen Bestand, von dem die Logik
abstrahiert, um das formale Apriori des Gegenstands uberhaupt herauszufassen
(ebd. 371). Die Verschiedenheit der Regionen ist demgemaß auf die Verschieden-
heit der Inhalts- und Affektionsarten zuruckzufuhren: Regionen unterscheiden sich
,,nach der Artung der Gehalte und des inneren Aufbaus‘‘ (Hua IX, 67), und ,,[j]eder
Region entspricht eine neuartige Affektion als das die konstitutive Dimension
bestimmende Objekt‘‘ (Hua Mat VIII, 336; vgl. Hua XXXIX, 71 f.). Jede Region hat
demnach ihre eigene Gegebenheits- bzw. Konstitutionsweise, die in der Besonder-
heit ihrer Gegenstande grundet und dem Bewusstsein vorgegeben ist: Jede
Gegenstandsart konstituiert sich bewusstseinsmaßig, aber die jeweilige Gegen-
standskategorie bestimmt die jeweilige Auffassungsart, indem sie den ,,Mannig-
faltigkeiten von Erscheinungen Regel‘‘ bzw. ,,eine bestimmte Organisation ihrer
Verlaufe‘‘ vorschreibt (Hua III, 350; vgl. 330, 346). Denn die Bewusstseinsweisen
eines Gegenstandes von einer bestimmten Kategorie ,,bleiben stets gebunden an
eine Strukturtypik, die unzerbrechlich dieselbe ist, solange eben die Ge-
genstandlichkeit gerade als diese und als so geartete bewusst bleibt und solange
sie im Wandel der Bewusstseinsweisen in der Evidenz der Identitat soll verharren
konnen‘‘ (Hua I, 88).
Die Wesensstruktur der Erfahrung wird von jeder Induktion vorausgesetzt und
kann nicht wieder durch Induktion gegeben sein. ,,Dass in der Welt Naturobjekte
sind, kann nicht die Erfahrung lehren‘‘ (Hua XXIX, 321), weil es die Bedingung
jeder Erfahrung bildet. Die Frage, was Erfahrung lehrt, setzt namlich die Welt als
Fragehorizont und darin Dinge voraus. Denn Realitaten sind an ontologisch-
apriorische Regionen notwendig gebunden (ebd.) und man kann Objekte nur
dadurch unmittelbar erfahren, dass man schon fruher den Rahmen der allgemeinen
9 Hegel 1830, § 455 A, bezeichnet die Abstraktion, welche die allgemeinen Vorstellungen erzeugt, als
,,ein Aufeinanderfallen vieler ahnlicher Bilder‘‘, das aber nur dann ,,nicht ganz der Zufall, das Begrifflose
sei‘‘, wenn ,,eine Attraktionskraft der ahnlichen Bilder‘‘ besteht, ,,welche zugleich die negative Macht
ware, das noch Ungleiche derselben aneinander abzureiben. Diese Kraft ist in der Tat die Intelligenz
selbst, das mit sich identische Ich, welches durch seine Erinnerung ihnen unmittelbar Allgemeinheit gibt
und die einzelne Anschauung unter das bereits innerlich gemachte Bild subsumiert‘‘. Nun, die
Attraktionskraft der ahnlichen Bilder, die ihr nicht zufalliges Aufeinanderfallen bestimmt, grundet nicht
in der Intelligenz oder im Ich, sondern in der Natur der Vorstellungsinhalte, die ihre Ahnlichkeit ergibt.
Insofern die Deckung des Gleichen und das,Abreiben‘des Ungleichen zunachst ohne Ichbeteiligung
stattfinden, hat die Abstraktion bzw. Konstitution des Allgemeinen eine passive Grundlage. Hegel
verkennt solche sachliche Grundlage, da er das Bestehen von Gesetzen der Ideenassoziation ablehnt und
letztere als bloß willkurlich und zufallig ansieht (ebd.).
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Bekanntheiten hat, in die alles Individuelle sich einzufugen hat (Hua XXXIX, 443).
Deshalb ist das Gegebene ,,wesensmaßig nie absolut Unbekanntes, sondern in
seinem formalen Typus, z.B. als Raumdingliches, vorgezeichnet‘‘ (Hua VII, 275;
vgl. Hua XLI, 361 f.).
Apriorische Begriffe schreiben demgemaß den zugehorigen empirischen Ein-
zelheiten, die faktisch existieren oder existieren konnen, Regeln vor. ,,Alle
Rationalitat des Faktums liegt […] im Apriori‘‘ (Hua I, 38, 181). Deshalb hangen
die Tatsachen vom entsprechenden Wesen ab – nicht hinsichtlich ihrer Existenz,
sondern hinsichtlich ihrer Struktur: Was den Wesenswahrheiten zu entnehmen ist,
ist nicht das Dasein, sondern das Sosein bzw. die Bedingungen der Moglichkeit von
Gegenstanden einer bestimmten Art, die, wenn sie faktisch existieren, solchen
Bedingungen notwendig unterstehen. Als Gesetze reiner Moglichkeiten sind also
Wesensgesetze mittelbar Gesetze fur Wirklichkeiten (Hua XLI, 194). Durch
Ubertragung von Wesensverhaltnissen auf empirische Einzelfalle gewinnt man
namlich apriorische Behauptungen uber das Faktische (Hua XVIII, 241; Hua VII,
385; EU, 426 f.).
Da die materialen Wesensgesetze einen aus reinen Moglichkeiten bestehenden
Umfang haben, sind sie fur die faktische Wirklichkeit nur insofern gultig, als
solchen Moglichkeiten empirische Tatsachen entsprechen, d. h. als Verwirklichun-
gen solcher Moglichkeiten bestehen. Deswegen ist die Gultigkeit von jedem
materialen Wesensgesetz fur das Wirkliche davon abhangig, dass die betreffenden
Wesensgehalte gegeben sind: Wenn Vereinzelungen eines bestimmten materialen
Wesens in der Wirklichkeit auftreten, dann gelten fur das Wirkliche mit
Notwendigkeit die in solchem Wesen gegrundeten Wesensgesetze; dass aber solche
Vereinzelungen in der Wirklichkeit auftreten, ist keine Notwendigkeit, sondern eine
empirische Tatsache. ,,Apriorisches ist demnach nur unter der Voraussetzung eines
vorgegebenen Faktums notwendig. Die Wesensanalyse stellt daher notwendig
Gultiges uber solches heraus, das selbst nicht notwendig ist‘‘.10 Diese Sachlage
sowie ihre Implikationen in Bezug auf den Gegensatz zwischen der phanomeno-
logischen und der transzendentalen Auffassung des Apriori hat Tugendhat in ganz
treffender Weise aufgestellt:
Nur weil die apriorischen Gesetze den ganzen Moglichkeitsspielraum einer
Spezies binden, binden sie notwendig auch jeden wirklichen Einzelfall dieser
Spezies […]. Dass es aber uberhaupt wirkliche Einzelfalle dieser Sach-
haltigkeit gibt, ist seinerseits nicht notwendig. […] Fur das Wirkliche gelten
also die apriorischen Gesetze […] nur hypothetisch und daher auch nicht
universal. Eine solche Universalitat, die nicht alle moglichen Gegenstande
eines bestimmten Typus, sondern alle moglichen Gegenstande unserer
Erfahrung betrifft, ist nur erreichbar, wenn man die apriorische Notwendigkeit
nicht in einer bestimmten Sachhaltigkeit, sondern, wie bei Kant und Fichte,
aus dem Wesen der Subjektivitat selbst begrundet: nur wenn man glaubt
zeigen zu konnen, dass aus dem Wesen des Ich als solchen folgt, dass es
Gegenstande nur in einer bestimmten und einzigen Form erfahren kann, gilt
10 Mertens 1996, 256.
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diese Form notwendig von allen moglichen Gegenstanden unserer Erfahrung.
[…] Kants Apriori ist zwar relativ auf das menschliche Ich, aber fur dieses gilt
es universal, wahrend Husserls Apriori an sich zwar absolut gilt, aber nur
relativ auf die jeweilige Sachhaltigkeit, die selbst nicht notwendig ist.11
Demnach hat die Wesenserkenntnis einen faktischen Grund: Jedermann kann nur
diejenige materialen Wesen fassen, deren Vereinzelungen in seiner sinnlichen
Erfahrung faktisch auftreten, und nur diejenige materialen Wesensgesetze erkennen,
die in jenen Wesen grunden. Obwohl also die materialen Wesensgesetze unabhan-
gig von jeder Faktizitat gelten, konnen sie nur erfasst werden, wenn die
betreffenden materialen Wesen durch die empirische Gegebenheit der unter sie
fallenden Individuen zuganglich sind. ,,Nicht nur verlangt jedes individuelle Faktum
ein ihm entsprechendes Wesen; vielmehr erfordert auch jedes Wesen die
Vorgegebenheit eines entsprechenden Individuellen. Denn ohne ein vorgegebenes
Individuelles […] sind Wesenseinsichten nicht zu gewinnen‘‘.12
Um einen bestimmten sinnlichen Wasgehalt fassen zu konnen, muss das Subjekt
mit bestimmten faktischen Beschaffenheiten ausgestattet sein, deren Besitz eine
empirische Tatsache ist. Ist aber einmal ein solcher Wasgehalt gegeben, dann sind
eo ipso bestimmte Wesenszusammenhange zwischen ihm und anderen sinnlichen
Inhalten gegeben. Da diese Wesenszusammenhange je nach der sachlichen
Wesenseigenart des Inhalts verschieden sind, grunden sie nicht im Subjekt, sondern
in solcher Wesenseigenart. Aus faktischen Grunden kann dem Subjekt keine Farbe
gegeben sein, aber wenn ihm eine Farbe gegeben ist, dann ist sie mit einer
Ausdehnung gegeben. Dies ist keine empirische Tatsache, die von den faktischen
Beschaffenheiten des erfahrenden Subjekts abhangt, sondern ein notwendiges
Gesetz, das in der Eigenart des Inhalts,Farbe‘grundet und damit sowohl fur alle
moglichen Farben als auch fur alle moglichen Subjekte absolut gilt.
Die Erforschung der nicht-formalen Erkenntnis a priori muss also nicht von den
Formen der Subjektivitat ausgehen, sondern von den invarianten Strukturen der
sinnlichen Inhalte. In Bezug auf sinnliche Wesensgesetze der Tone schreibt Husserl:
Tone, fur die das nicht galte, das waren eben keine Tone: die Gesetze sprechen
von Tonen als Tonen in dem intuitiv erschauten und festgehaltenen Sinn. […]
und halte ich den Sinn fest, so sehe ich als etwas unaufhebbar zum identischen
Sinn gehorig, dass dies Gesetz gilt. Ich bin es freilich, der das sieht und sagt.
Aber das Gesetz […] gehort nicht zu mir […], sondern […] zu Tonen als
solchen und zu nichts anderem. […] Sind Tone, existieren sie als Individuen,
wie immer, in welchem Zusammenhang auch immer, so konnen diese
individuell seienden Tone nicht von dem abirren, ohne was Tone eben nicht
mehr Tone waren. […] wo immer ein Lebewesen, ein psychisches Wesen sich
finden mag, ob auf Erden oder im Himmel, ob in der empirischen Wirklichkeit
oder in einer fingierten und moglichen Wirklichkeit, […] es konnen ihm nicht
Tone vorkommen, die das nicht aufweisen, ohne was Tone eben nicht Tone
waren (Hua XXIV, 234 f.).
11 Tugendhat 1967, 163–165.12 Mertens 1996, 253.
Husserl Stud
123
Die Unabhangigkeit der Wesensgesetze von der Subjektivitat ist eine Konse-
quenz ihrer Abhangigkeit vom Inhalt der zugehorigen Begriffe. In den Prolegomena
schreibt Husserl, dass ,,Farben, Tone, Dreiecke usw. die wesentlichen Be-
schaffenheiten, die ihnen als Farben, Tonen, Dreiecken usw. zukommen, allzeit
haben, ob jemand in aller Welt es jemals erkennen mag oder nicht‘‘ (Hua XVIII,
155), und erlautert, dass allgemeine Gesetze und Begriffe ideale Moglichkeiten
sind, deren tatsachliche Verwirklichung davon abhangt, dass es Subjekte gibt, die in
der Lage sind, sie zu erfassen (ebd. 135 f.). In den Texten zum transzendentalen
Idealismus heißt es: ,,Dass Wesensgesetze gelten, fordert kein faktisches Bewusst-
sein, obschon naturlich um sagen zu durfen, dass sie gelten, ein Bewusstsein notig
ist‘‘ (Hua XXXVI, 18).
Die Einsicht in den faktischen Grund der Wesenserkenntnis fuhrt Husserl zur
Problematisierung der Methode der Wesensvariation.13
Auf die ,,Schwierigkeit‘‘ der eidetischen Variation weist er schon in den 1920er
Jahren hin (Hua XLI, 244 ff.). Sie hangt am Horizont von Mitmeinung und
Antizipation, welcher der Wahrnehmung und damit selbst der aus ihrer Variation
erreichten Wesensanschauung anhaftet (Hua Mat VIII, 107 f.). Die Welt gewinnt
ihren moglichen Sinn aus der faktischen Erfahrung, die aber immer partiell und
unabschließbar, also von der weiteren Erfahrung korrigierbar und durchstreichbar
ist. Das in der Erfahrung ungewahrt und unbestimmt Bleibende ist selbst in der
eidetischen Betrachtung variabel und gibt dem Apriori ,,einen offenen Horizont fur
weitere zu gewinnende apriorische Einsichten‘‘ (Hua XXXIX 263 f.). Es ist also
fraglich, ob wir von der faktischen Erfahrung und von den aus ihr entstammenden
Exempeln ausgehend zu einem invarianten Wesen kommen.14
In den spaten Jahren betont Husserl außerdem die Anomalitat des Ich und der
Welt in ihrer Einzig(artig)keit gegenuber allen anderen Inhalten, indem er eine
Revision der Wesenslehre vollzieht. ,,Fur eine Wesenslehre […] bedarf ich einer
freien, von aller Faktizitat befreiten Variation, also einer sich von Tatsachen
freihaltenden Phantasie. Aber hier ist nicht eben die Frage, wie ich der
Tatsachlichkeit ledig werde?‘‘ (Hua XLI, 370). Denn meine Fahigkeit, frei
phantasierend mich umzudenken, ist ,,hochst beschrankt‘‘ (ebd. 369). Jede von
mir vollziehbare Variation ,,halt sich im Welthorizont‘‘ (ebd. 389) und fuhrt zu
Moglichkeiten bzw. Varianten in mir als wirklichem Ich, das zur wirklichen Welt
gehort (ebd. 373), weshalb alle erdenklichen Moglichkeiten Abwandlungen des
Faktums sind, dass ich bin und in die als seiend vorgegebene Welt hineinlebe (ebd.
338; Hua XXIX, 84 ff.). Jede Variation von mir und meiner Welt sowie jedes
dadurch gewonnene Eidos ist daher an das Faktum gebunden (Hua XLII, 123; Ms.
B I 32/17a). ,,Somit geht die Wirklichkeit den Moglichkeiten voraus und gibt den
Phantasiemoglichkeiten erst die Bedeutung von realen Moglichkeiten‘‘ (Hua XXIX,
85 f.). Im Falle des Ich und der Welt geht demzufolge die Existenz der Essenz voran:
Das wirkliche Ich geht dem Eidos,Ego‘sowie die wirkliche Welt dem Eidos,Welt‘vo-
ran (Hua XLII, 122 f.; Hua XV, 385 f.). ,,Hinsichtlich meiner und der Welt geht die
13 Zur Wesensschau, auf die ich hier nicht eingehen kann, vgl. Tugendhat 1967, 137 ff.; Kunne 1983,
149 ff.; Mertens 1996, 244 ff.; Lohmar 2005; Sowa 2007, 30 ff.14 Vgl. Mertens 1996, 246 f., 253 ff.
Husserl Stud
123
Wirklichkeit jeder Moglichkeit vorher!‘‘ (Hua XV, 519). Husserls Aufgabe des
Vorzugs der Moglichkeiten vor der Wirklichkeit ist dadurch motiviert, dass ideale
Moglichkeiten wesensmaßig eine faktische Wirklichkeit voraussetzen: Ohne Wir-
klichkeit kann es keine Moglichkeit geben, da eine Moglichkeit nur als Moglichkeit
einer Wirklichkeit bestehen kann. Die Wirklichkeit ist der letzte Grund von allem
und jedem, also auch von den Moglichkeiten.
Die Faktizitat, die sogar der Wertlehre anhaftet,15 stellt durch ihre ,Irrationalitat‘
bzw. Nicht-Ruckfuhrbarkeit auf apriorische Prinzipien die Grenze aller Eidetik
dar.16 Aber bei Husserl – anders als bei Merleau-Ponty –17 impliziert die Erkenntnis
einer solchen Grenze keineswegs die Aufgabe des eidetischen Ansatzes.
4 Husserls Antiplatonismus
Obwohl Husserl erklart, der einzige von ihm anerkannte Begriff von Apriori sei der
Begriff von Wesen im platonischen Sinne (Hua XVII, 255, Anm. 1) – worunter ,,das
im selbsteigenen Sein eines Individuum als sein Was Vorfindliche‘‘ zu verstehen ist
(Hua III, 13) – nimmt er Abstand von der platonischen Auffassung des Allgemeinen
(Hua IX, 73; Hua XXVII, 13; EU, 397).
Gegen die empiristischen Abstraktionstheorien – welche den allgemeinen Begriff
in seinen Umfang auflosen, indem sie ihn als eine reprasentierende Funktion ansehen,
die wir dem individuellen Einzelmoment nutzbringend geben – vertritt Husserl die
These, dass die Anschauung allgemeiner (idealer) Gegenstande zwar auf der
Anschauung individueller (realer) Gegenstande fundiert ist, dass aber letztere bloß
die Grundlage der Abstraktion bilden und nicht das von ihr Gemeinte. Das Allgemeine
ist nicht in seinen Umfang bzw. in das Individuelle aufzulosen, sonst kann man nicht
angeben, was dem Umfang Einheit gibt. Aber es existiert ausschließlich als Struktur
des Individuellen und seine Erkenntnis setzt die Gegebenheit des Individuellen
voraus, wovon es die Struktur bildet. Deshalb streitet Husserl nicht nur gegen die
psychologische Hypostasierung des Allgemeinen, d.h. gegen die Annahme einer
realen Existenz von Spezies im Denken, sondern auch gegen die metaphysische
Hypostasierung des Allgemeinen, d. h. gegen die Annahme einer realen Existenz von
Spezies außerhalb des Denkens (Hua XIX, 127). Insofern der allgemeine Begriff ein
15 Denn obwohl Werte sowie Wertabhangigkeiten und Wertbeinflussungen nicht in der Faktizitat des
Daseins, sondern im Wesen des Daseienden grunden, ,,bleibt die Faktizitat ubrig, dass eben gerade dies
und jenes da ist mit seinem Wesen und dass die zugehorigen Werte sich nun zu dem und nicht zu einem
anderen Wert durch Beeinflussung bestimmen, einem Wert, der eben de facto ein anderer ware, wenn die
wertgrundenden Sachen andere waren in dieser faktischen Welt‘‘ (Hua XXX, 297).16 Zur Spaltung von Eidetischem und Faktischem bei Husserl vgl. Kern 1975, 333 ff.17 Die Einsicht in das faktische Fundament der Wesenserkenntnis fuhrt Merleau-Ponty zur Infrages-
tellung der ,,Unterscheidung von Struktur und Inhalten, von psychologischem und transzendentalem
Ursprung‘‘ (Merleau-Ponty 1976, 190), d. h. von ,,einer Ebene apriorischer Wahrheiten und einer Ebene
faktischer Wahrheiten‘‘ (Merleau-Ponty 1974, 259): Jede vermeintliche Wahrheit a priori ,,ist nur mehr
formaler Ausdruck einer fundamentalen Kontingenz: des Faktums, dass wir zur Welt sind‘‘, d. h. ,,die
Auslegung eines Faktums: des Faktums der Sinneserfahrung als Ubernahme einer Weise des Existierens‘‘
(ebd.). Es gelte daher, die eidetische Psychologie in Daseinsanalyse umzuwandeln (Merleau-Ponty 1953,
56).
Husserl Stud
123
ideales Wesen ist, gehort weder die Immanenz eines reellen Inhalts noch die
Transzendenz eines realen Gegenstandes zu ihm.
Zwischen Sinnlichkeit und Verstand besteht nach Husserl ein derartiges
Fundierungsverhaltnis, dass die erste ohne den zweiten bestehen kann (was dadurch
bestatigt wird, dass Tiere sinnliche Inhalte sowie sinnliche Kausal- und
Ahnlichkeitsverhaltnisse fassen), wahrend der zweite ohne die erste nicht bestehen
kann, weshalb ein Verstand ohne Sinnlichkeit ein Widersinn ist (ebd. 712 f.; Hua
Mat III, 170 ff.).
In § 64 der Formalen und transzendentalen Logik, welcher ganz antiplatonisch
,,Der Seinsvorzug der realen vor den irrealen Gegenstanden‘‘ betitelt ist, lesen wir,
dass die Rede von idealen Gegenstanden keine Gleichstellung von ihnen mit den
realen Gegenstanden impliziert, da sie auf der Subsumtion der Ideen unter den
Begriff des formalen Gegenstandes oder Substrates moglicher Pradikationen (Etwas
uberhaupt) beruht und bloß in diesem außerlichen Sinn gilt. Ideale Wesen bestehen
nur als Strukturen einer faktischen Wirklichkeit. ,,Realitat hat einen Seinsvorzug vor
jedweder Irrealitat, sofern alle Irrealitaten wesensmaßig auf wirkliche oder
mogliche Realitat zuruckbezogen sind‘‘ (Hua XVII, 177). Im selben Werk heißt
es: ,,Jede Art Irrealitat […] hat Weisen moglicher Anteilhabe an der Realitat‘‘ (ebd.
163). Hierzu bemerkt Lohmar:
Das Verhaltnis der ,,Anteilhabe‘‘ ist also genau umgekehrt wie bei Platon
gedacht: Nicht die Realitat […] kann Anteil an der Idee haben, sondern die
irreale Idealitat kann und sie muss sogar Anteil an der Realitat haben […]. Die
Wesen bzw. wesenhaften Strukturen des Bewusstseins und der Realitat sind
daher nicht fur sich schon real. Sie sind auf eine sinnliche Realisierung in der
wirklichen Welt […] angewiesen. Unsere reale Welt ist fur Husserl die einzige
Realitat.18
In Husserls Thesen, dass die Ideen ihren Ursprung in den Impressionen haben
und dass das Reale und die Sinnlichkeit einen Vorrang gegenuber dem Idealen und
dem Verstand haben, liegt eine Umwalzung des Platonismus, die in folgender
Feststellung zu plastischem Ausdruck kommt: ,,Alle begriffliche Wahrheit setzt
Erfahrung, jeder Begriffsinhalt setzt erfahrbares Sein voraus, alles Sein setzt
individuelles Sein voraus‘‘ (Hua VIII, 408).
5 Husserls Kritik an Kants Auffassung des Apriori
Zur Veranschaulichung von Husserls Begriff des materialen Apriori ist seine Kritik
an Kants Auffassung des Apriori sehr aufschlussreich. Solche Kritik ist von einer
auffallenden Kontinuitat gekennzeichnet, da sie durch Husserls ganze Denkent-
wicklung hindurch identisch geblieben ist.
Husserl erklart, dass im Gebiet des Apriori seine ,,Grundauffassungen von den
Kantischen sehr erheblich abweichen‘‘ (Hua XXVIII, 244) und dass Kants
Bestimmungen von ,analytisch‘und,synthetisch‘,,keineswegs,,klassisch‘genannt zu
18 Lohmar 2005, 73 f.; vgl. 91.
Husserl Stud
123
werden verdienen‘‘ (Hua XIX, 260). Denn es fehlt Kant der echte Begriff des
Apriori als der Wesensnotwendigkeit bzw. Wesensallgemeinheit (ebd. 733; Hua
VII, 390, 402; Hua XXXVII, 221, 224, 226). Sein Begriff des Apriori ist geradezu
,,mythisch‘‘, wie Husserl in den Prolegomena sagt (Hua XVIII, 130) und noch 1924
wiederholt (Hua VII, 235). Insofern Kant an das rationalistische Vorurteil, dass das
wahrhafte Apriori nur das analytische ist, gebunden geblieben ist, hat er Humes
Begriff der relation of ideas missverstanden, der auch das synthetische Apriori
bezeichnet (ebd. 235, 350 ff., 359 ff., 369).19 ,,Demnach sieht er nicht, dass jedes
echte synthetische Apriori genau so wie jedes analytische in der Negation einen
Widersinn gibt und rein vermoge seines Sinnes absolut gilt‘‘ (ebd. 403).
Die historischen Wurzeln des Begriffs des materialen Apriori liegen gerade in
Humes Konzept der relation of ideas, nicht in Kants Begriff des synthetischen
Apriori, den Husserl fur eine subjektivistische Verfalschung des echten Begriffs des
Apriori halt. Wenn namlich die synthetischen Urteile a priori in den Formen unserer
Sinnlichkeit und unseres Verstandes grunden, die dem formlosen Stoff der
Erfahrung eine allgemeingultige Struktur verleihen, dann drucken sie eine bloß
psychologische Gesetzmaßigkeit aus, wie Husserl in den Prolegomena behauptet
(Hua XVIII, 130) und spater stets wiederholt (Hua VII, 357 f., 378 f., 381, 403 f.).
Kants synthetisches Apriori hat deshalb ,,nur die Bedeutung eines allgemeinen
anthropologischen Faktums‘‘ (ebd. 199), dessen Gultigkeit von unserer subjektiven
Beschaffenheit abhangt.
Der Unterschied zwischen Husserls und Kants Auffassung des Apriori beruht
letzten Endes auf dem Unterschied zwischen ihren Auffassungen der Sinnlichkeit.
Kant vermengt empirische Faktizitat und Sinnlichkeit, indem er verkennt, dass
jederlei Sinnlichkeit eine Sphare echter Vernunft ist, soweit,Vernunft‘das Reich der
apriorischen Gesetze bezeichnet (Hua XXXVII, 220 ff., 226).
Es gehoren […] zur Vernunft zweierlei Gesetze, solche, die die Vernunft selbst
zum Thema haben, namlich nach ihren moglichen Aktionen, und solche, die
anderes, die z.B. Sinnlichkeit zum Thema haben. Beiderseits sind Theorien von
kantischem Typus, welche die Geltung der apriorischen Wahrheiten durch
unverstandliche synthetische Prinzipien erst zu erklaren suchen, […] widersinnig
(ebd. 225 f.).
Als Ideenrelation rechtfertigt sich das nicht-analytische Apriori im schauenden
Erfassen und entspringt nicht der Subjektivitat (d. h. ihren Formen und Leistungen),
sondern den sinnlichen Wesensgehalten. Da Kant nicht eingesehen hat, dass in der
Sinnlichkeit – genau so wie im formalen Denken – Wesensnotwendigkeiten walten,
hat er.
19 Dies fuhrt Reinach (1989) folgendermaßen aus. Wenn Hume behauptet, dass das Gegenteil einer
Ideenrelation einen Widerspruch enthalt, ist dies im Sinne der Unvereinbarkeit oder Unvertraglichkeit
von Subjekt und Pradikat zu verstehen, nicht im Sinne eines logischen Widerspruchs, wie das bei Kants
analytischen Urteilen der Fall ist. Die Unahnlichkeit einerseits und die Farben Rot und Gelb andererseits,
die in Humes Beispiel vorkommen, sind namlich miteinander unvereinbar, aber keineswegs logisch
widersprechend, denn sie verhalten sich nicht so zueinander wie das A-sein und das nicht A-sein
desselben Gegenstandes. Den Begriff von Ideenrelation, der nicht nur das analytische, sondern auch das
synthetische Apriori umfasst, hat also Kant missverstanden.
Husserl Stud
123
nie den echten Begriff des Apriori […] erfasst, obschon bereits Hume,
wenngleich in sensualistischer Verkleidung, diesem Begriff mit seinen
Relationen zwischen Ideen nahe gekommen und mit seinem Prinzip der
Ruckfuhrung aller Erkenntnis auf ,,Impressionen‘‘ den Weg aller Ursprungs-
forschung angedeutet hatte (ebd. 224).
Kant zufolge ist jede Synthesis von der Besonderheit der Inhalte unabhangig und
wird vom Subjekt hergestellt. Wegen dieses formalen Charakters kann sie nur vom
Verstand vollzogen werden. Kant schließt namlich die Moglichkeit einer sinnlichen
Synthesis aus, indem er behauptet, dass das Mannigfaltige der Anschauung nicht
durch die Sinnlichkeit verbunden wird. ,,Verbindung liegt […] nicht in den
Gegenstanden, und kann von ihnen nicht etwa durch Wahrnehmung entlehnt und in
den Verstand dadurch allererst aufgenommen werden, sondern ist allein eine
Verrichtung des Verstandes‘‘.20 Demnach sind Beziehungen ,,nicht in den Dingen
gegeben, sie beruhen vielmehr darauf, dass ein Denken diese Verbindungen
herstellt‘‘.21 Die synthetischen Urteile a priori grunden zwar nicht in der bloßen
Widerspruchsfreiheit, aber stammen immerhin aus den logischen Formen des
Urteils; sie haben zwar eine wesentliche Beziehung auf die sinnliche Erfahrung,
aber beruhen nicht auf dem Inhalt der Anschauung, sondern auf ihrer Form, die im
Subjekt liegt. Kants synthetisches Apriori ist namlich ein formales Apriori, und
zwar eine Form, die vom Subjekt in die sinnlichen Erscheinungen ,,hineingelegt‘‘
wird.22 Es grundet in der Beschaffenheit des Subjekts, dem die Inhalte gegeben
sind. Husserls materiales Apriori ist hingegen ein sachhaltiges Apriori, und zwar
eine Struktur, die aus der sachlichen Eigenart von den sinnlichen Erscheinungen
stammt. Es grundet in der Beschaffenheit der Inhalte, die dem Subjekt gegeben sind.
Die erste Formulierung des Gedankens einer materialen Gesetzlichkeit befindet sich
in der Philosophie der Arithmetik (1891), wo Husserl zwischen formalen Relationen –
die von der sachlichen Eigenart der Fundamente unabhangig sind und durch
Denktatigkeit gestiftet werden – und Inhaltsrelationen – die in der Natur der
vorgegebenen Inhalte grunden und vor der Denktatigkeit gegeben sind – unterscheidet.
Als Beispiel letzterer wird – neben den Verschmelzungen, den Gleichheits- und
Ahnlichkeitsverhaltnissen und den durch figurale Momente erfassten Konfigurationen
– gerade die Verbindung der Farbe mit der Ausdehnung angefuhrt. In diesem
Zusammenhang wird Kant insofern kritisiert, als er ,,ubersah, dass viele inhaltliche
Verbindungen uns gegeben sind, bei denen von einer synthetischen, die inhaltliche
Verbundenheit schaffenden Tatigkeit nichts zu merken ist‘‘ (Hua XII, 41). Eine
ahnliche Kant-Kritik findet sich in einer im selben Jahr erschienenen Abhandlung
Stumpfs: Kant ,,straubt sich durchaus, das was uns sinnlich gegeben ist, irgendwie
maßgebend werden zu lassen‘‘, da er aberkennt, dass ,,die ausschlaggebenden, logisch
einleuchtenden Grunde aller Synthesen‘‘ im ,,uns gegebenen Erscheinungsstoff‘‘
liegen.23
20 Kant 1781/87, B 134 f.21 Martin 1969, 143.22 Kant 1781/87, A 125.23 Stumpf 1891, 479.
Husserl Stud
123
Kant kennt keine inhaltlichen Verbindungen, weil er nur eine formale
Notwendigkeit kennt und nicht einsieht, dass der jeweilige Wasgehalt sinnlicher
Impressionen apriorische Zusammenhange bestimmt. Sinnliche Inhalte sind inso-
fern maßgebend, als ihre Wesensbesonderheit notwendige und schon in der
Passivitat gegebene Verbindungen zwischen ihnen ergibt. Obwohl sie kontingent
sind, weisen also sinnliche Inhalte eine apriorische Gesetzmaßigkeit auf. Deshalb
besteht ein materiales Apriori. Das ist ein viel radikalerer Bruch mit der
philosophischen Tradition als Kants Gedanke des synthetischen Apriori. ,,Man
muss den Sinnen geben, was der Sinne ist‘‘, schreibt Stumpf,24 indem er das
Programm aufstellt, welches Husserl gegen die historische ,,Degradation der
Sinnlichkeit‘‘ (Hua Mat III, 170) in der Tat durchfuhrt. Denn Husserl meint, dass
nicht alle apriorischen bzw. Vernunftwahrheiten ,,gegen alle Sinnlichkeit unemp-
findlich sind‘‘, da es solche gibt, die ,,auf sinnlichen Vorstellungen‘‘ beruhen und
somit nicht ,,in dem grunde[n], was zum allgemeinen Wesen der Vernunft
gehor[t]‘‘, sondern ,,in dem, was das eine Vernunftwesen von irgendeinem anderen
unterscheide[t]‘‘ (Hua XXVIII, 403). Die Frage nach dem Bestehen eines nicht-
analytischen Apriori ist demzufolge eine Frage nach dem Bestehen von sachlichen
Wesenszusammenhangen zwischen den sinnlichen Inhalten, nicht von synthetischen
Funktionen der Subjektivitat. Letztere kommen vielmehr beim analytischen Apriori
in Frage, das nicht der sachlichen Natur des sinnlich Gegebenen entspringt, sondern
eben den subjektiven Denkleistungen kategorialer Formung.25
6 Die Idee der materialen Gesetzmaßigkeit in Husserls Denken
Das Prinzip des sachhaltigen Apriori bleibt in der genetischen Phanomenologie
erhalten. Denn die Genesis der Apperzeptionen ist eine apriorische oder Wesens-
genesis.26 Sogar in Bezug auf die Genesis der Monade weist Husserl auf die III.
logische Untersuchung hin, und zwar auf das ,,Gesetz, dass, was innerhalb der
Einheitsform auftritt, eben sich in die Einheit einpasst nach Artgesetzen und dass
durch das Gesetz der Einheit das Eingepasste durch den Zusammenhang Geforder-
tes ist‘‘ (Hua XIV, 41 f.).
Husserls Lehre der Assoziation, die er als das ,,universale Prinzip der passiven
Genesis‘‘ (Hua I, 113) betrachtet, beruht auf dem Gedanken materialer
Gesetzlichkeit.27 Husserl spricht von ,,inhaltliche[n] Bedingungen der Assoziation‘‘
(Hua Mat VIII, 9) und von ,,sachlichen Bedingungen der Vereinheitlichung‘‘ (Hua
XI, 165), denn assoziative Verbindungen grunden in den Ahnlichkeitsverhaltnissen
und diese sind ,,wesensgesetzliche Zusammenhange‘‘ (ebd. 400), d. h. ,,Ideenrela-
tionen […], weil sie rein in den ,Inhalten‘ der Vorstellungen fundiert sind‘‘ (EU,
215). Die Affektion hangt an der ,,voraffektiven Gesetzmaßigkeit der
24 Stumpf 1939/40, 99.25 Vgl. Hua XVIII, 245 f.; Hua XIX, 657, 685; Hua XVII, 112, 119.26 Vgl. Hua XXXVI, 141; Hua XI, 207, 233, 339; Hua IX, 286, 301; Hua XVII, 216, 257; Hua XIV, 306;
Hua I, 109.27 Vgl. De Palma 2011.
Husserl Stud
123
Einheitsbildung‘‘ (Hua XI, 154), die in der ,,voraffektive[n] Eigenart der Elemente‘‘
(ebd. 165) grundet. Ihr Zustandekommen ist namlich an die Homogenitat und an
den Kontrast der sinnlichen Inhalte gebunden (ebd. 151, 164, 179). ,,Was,sach-
lich‘sozusagen ohne Ichbeteiligung eins ist […], das ubt auch eine Affektion‘‘ (Hua
Mat VIII, 195).
In seinen Untersuchungen zur transzendentalen Logik fuhrt Husserl die logischen
Formen auf ihre ,,Ursprunge aus Erfahrungen‘‘ (Hua XVII, 216) zuruck, indem er
der ,,Genesis der logischen Bedeutungen an den Bestimmungssubstraten‘‘ nachgeht
(Hua XXXI, 67) und auf die Struktur zuruckgreift, welche die sinnliche Erfahrung
vor der Urteilsformung aufweist. Solche Untersuchungen kommen zu zwei
Hauptergebnissen.28 (1) Die Unterscheidung von Substrat und Bestimmung, die
dem pradikativen Urteil zugrunde liegt, ist von der syntaktisch-kategorialen
Formung unabhangig und beruht auf der Natur der sinnlichen Inhalte, da sie mit
der Unterscheidung von selbstandigen und unselbstandigen Inhalten zusammenfallt
(ebd. 41, 94; EU, 147 ff.). Die formale Struktur des pradikativen Urteils wurzelt also
in der sachlichen Struktur der vorpradikativen Erfahrung, die sich in Substrate
(selbstandige Inhalte) und Bestimmungen (unselbstandige Inhalte) gliedert. (2) Die
materiale Gesetzmaßigkeit der Erfahrung ist Bedingung der formalen Gesetzmaßigkeit
des Urteils. Denn damit ein Urteil sinnhaft ist, mussen seine Stoffe ,,sachlich
etwas,miteinander zu tun‘haben‘‘ (Hua XVII, 228). Die ,,sinnhafte[] sachliche[]
Homogenitat der Kerne‘‘ (ebd. 230) ist daher die Voraussetzung der einheitlichen
Sinnhaftigkeit des Urteils, die nicht nur in der Form des Urteils, sondern auch in seinen
Stoffen grundet: Die formale Einstimmigkeit des Urteils setzt die sachliche
Einstimmigkeit der moglichen Erfahrung bzw. ,,den Zusammenhang der Sachen in
der synthetischen Einheit der Erfahrung‘‘ voraus (ebd. 226 f.). Die freie Variabilitat der
Stoffe formaler Urteile wird demzufolge durch eine materiale Bindung beschrankt.
,,Apriori haben die syntaktischen Stoffe je eines moglichen Urteils […] intentionale
Bezogenheit auf die Einheit einer moglichen Erfahrung bzw. einer einheitlich
erfahrbaren Sachlichkeit‘‘ (ebd. 227).
Im Gedanken der materialen Gesetzmaßigkeit wurzelt auch die Idee einer
Ontologie der Welt rein als Welt der Erfahrung, d. h. einer Wesenslehre der
Lebenswelt (Hua VI, 176, 144).29 Es geht dabei darum, die Wesensstruktur der
Erfahrungswelt ,,als Welt vortheoretischer Anschauung‘‘ herauszugreifen (Hua IX,
56). Dazu entwirft Husserl eine apriorische oder transzendentale Asthetik, die von
der Gegenuberstellung zwischen Erfahren und theoretischem Bestimmen ausgeht
und durch Abbau der konkreten Welt in eidetischen Strukturschichten vorgeht, um
nach der notwendigen Erfahrungsgestalt einer Welt uberhaupt zu fragen, die jedem
Denken und Auffassen vorangeht (Hua XXXIX, 259 ff.). Als ,,Welt der
Sinnlichkeit‘‘ (Hua VI, 360) ist die Lebenswelt eben durch ,,wirkliche Er-
fahrbarkeit‘‘ ausgezeichnet im Gegensatz zur vermeintlich objektiven Welt der
Wissenschaften, welche die ,,theoretisch-logische Substruktion […] eines prinzipiell
[…] nicht Erfahrbaren‘‘ (ebd. 130) und damit ein bloß subjektives Gebilde ist.
28 Vgl. De Palma 2008.29 Vgl. Sowa 2010.
Husserl Stud
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Freilich kann die Deskription des in vorbegrifflicher Erfahrung Vorgefundenen
erst durch Begriffe durchgefuhrt werden. Die sachhaltigen Begriffe sind jedoch
ganz andere als die formalen bzw. exakten, die aus einer Formalisierung bzw.
Idealisierung stammen und unter die kein Ding oder Vorgang der Erfahrungswelt,
so genommen, wie er in der Anschauung gegeben ist, direkt fallt. Um auf die Welt
der sinnlichen Erfahrung als Welt der sinnlichen Erfahrung und nicht bloß nominell
in einer leeren Sachferne sich zu beziehen, muss man gerade Begriffe verwenden,
die nicht formal und sachfremd sind, sondern aus der Erfahrung selbst geschopft
sind und in ihr gefasst werden konnen. Solche Begriffe stammen zwar aus einer
Abstraktion, aber nicht aus einer formalisierenden, die in einem ,,Entleeren von
allen gegenstandlichen, inhaltlichen Bestimmtheiten‘‘ (EU, 435) bzw. in einer
,,gedanklichen Ausschaltung des Stoffes‘‘ besteht, sondern aus einer ,,Abstraktion
[…] im sachhaltigen Sinn‘‘, die ,,auf die Besonderheit des Inhalts, auf seine
Qualitat, auf sein so und so Geartetsein‘‘ gerichtet ist und damit nicht zu formalen,
sondern zu sachhaltigen Begriffen fuhrt (Hua XXIV, 109).
Der Idee einer Ontologie der Erfahrungswelt liegt gerade die Unterscheidung
zwischen exakter und morphologischer Gesetzmaßigkeit bzw. zwischen mathema-
tischer und ,,asthetischer Logifizierung‘‘ zugrunde: bei letzterer werden ,,die Typen
logifiziert, ohne dass eine,exakte‘Idealisierung miterfolgt‘‘, da die Variation –
wodurch die wesensnotwendige Strukturtypik der Welt und die ihr notwendigen
Formen gewonnen werden – innerhalb einer nicht exakten, sondern typischen
Allgemeinheit stattfindet (Ms. B I 32/15b). Die Welt hat eine von der exakt-
wissenschaftlichen verschiedene ganzheitliche Struktur (Hua XLI, 262) und damit
,,ein doppeltes Apriori‘‘ (Hua XXXII, 120), weil ,,uber das formale Apriori hinaus
eine apriorische Form fur alle mogliche Realitat besteht‘‘ (Hua XLI, 319). Daraus
erwachst die Idee einer morphologischen ,,Wissenschaft von den Ganzen als
Ganzen‘‘ (ebd. 261), d. h. ,,von der Wesensgestalt einer Welt uberhaupt und in
Konsequenz von all den in ihr beschlossenen und durch sie mitgeforderten
Sondergestalten‘‘ (ebd. 262). Dass in der Erfahrung vor jeder Denkleistung eine
einheitliche und in sich zusammenhangende Welt gegeben ist, also nicht ein bloßer
Inbegriff von Realitaten, sondern ,,ein Ganzes, das alle Ganzen und alle etwaigen
unteilbaren Realitaten in sich tragt in Verbundenheit‘‘ (ebd. 261), das hangt von
materialen Zusammenhangen ab, die in sachhaltigen Kategorien grunden.
Die sachliche Struktur der einen Erfahrungswelt liegt den vielen Umwelten
zugrunde, wie Husserl in der Abhandlung zum Ursprung der Geometrie aufzeigt.
Was dort als ,,historisches Apriori‘‘ bezeichnet wird, ist eine uberhistorische
,,Wesensstruktur‘‘ (Hua VI, 378), die jeder Feststellung historischer Tatsachen
zugrunde liegt: Das ,,invariante‘‘ (ebd. 385) und ,,universale[] […] Apriori der
historischen Welt‘‘, das als ,,ein wesensallgemeiner Bestand durch alle Variante
[n] hindurchgeht‘‘, wenn wir die Lebenswelt abwandeln (ebd. 383), und ,,eine
absolute uberzeitliche Gultigkeit‘‘ aufweist (ebd. 381).30 Die Erfahrungswelt bleibt
,,wesensmaßig dieselbe‘‘ (ebd. 386), da sie in ihrem historischen Wandel bzw. in
30 Wie Mertens 1996, 272 f. bemerkt, hat Husserl eine ,,ungeschichtliche Auffassung des historischen
Apriori‘‘, das ,,den schlechthin nicht geschichtlich relativierbaren Grund aller sinnvollen geschichtlichen
Relativierung‘‘ bildet.
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allen ihren Relativitaten eine invariante und irrelative allgemeine Struktur besitzt
(ebd. 142, 176, 360 f.; Hua XXIX, 140; Hua XXXIX, 282 ff., 673 ff.). Was der Welt
,,ihre Identitat und Wirklichkeit gegenuber den wechselnden Weisen der Apper-
zeption‘‘ gibt (Hua XV, 167), ist gerade solche ,,absolut identische objektive
Struktur‘‘, die als sinnliche ,,Unterschicht aller Realitaten‘‘ (Hua XXXIX, 297 f.)
und als ,,,asthetische‘Wesensform‘‘ jeder erdenklichen Welt fungiert (ebd. 685). Vor
jeder Theorie haben die sinnlichen Gegenstande eine raumliche Gestalt, eine
zeitliche Dauer, sinnliche Qualitaten sowie einen kausalen Stil.
Demnach ist die Ontologie der Lebenswelt eine materiale und – insofern sie mit
der transzendentalen Asthetik zusammenfallt (ebd. 260, 268, 692; Hua XLI, 346) –
das lebensweltliche Apriori ein material-asthetisches.
7 Die ontologische Bedeutung des materialen Apriori
Insofern es die sachlichen Wesenszusammenhange zwischen den sinnlichen
Inhalten bestimmt, macht das sachhaltige Apriori die Struktur der realen Welt
aus, die keineswegs begrundet werden kann. Denn genauso wie die Gegebenheit
bestimmter Wasgehalte konnen die zugehorigen Zusammenhange beschrieben, aber
nicht erklart werden. Die Frage, warum Tone notwendig eine Hohe haben, ist mit
der Frage aquivalent, warum Tone Tone sind, und lasst also nur folgende Antwort
zu: weil sie so beschaffen sind. Die in Frage stehende Notwendigkeit ist namlich nur
auf die Eigenart des Tons zuruckzufuhren und schließt eine weitere Begrundung
aus. Jede Erklarung, die einen sinnlichen Sachgehalt auf nicht-sinnliche Bestande
zuruckfuhrt, indem sie dessen Besonderheit auflost, hat keine ontologische
Tragweite. Farben, Tone, Dinge und sonstige reale Bestande sind anschauliche
Inhalte. Was sie wirklich oder an sich sind, ist deshalb nicht aus wissenschaftlichen
Theorien, sondern aus der Anschauung des vor aller Theorie Gegebenen zu
bestimmen. Alle wissenschaftlichen Feststellungen grunden in der Anschauung,
ohne die sie keine Ausweisung haben konnten und die also von ihnen nicht in Frage
gestellt werden kann. Erfahrung ist daher das ,,Maß aller jeweiligen sonstigen
Meinungen‘‘ (Hua XXXIX, 685) und Wahrnehmung ,,das letzte Maß der
Wirklichkeit‘‘ (Hua XL, 314).
Gegenstande uberhaupt, formale Beziehungen und Denkbestimmungen bestehen
im Denken. In der Wirklichkeit existieren nur inhaltlich bestimmte Gegenstande,
sachliche Beziehungen und sinnliche Bestimmungen. Logische Formen und Gesetze
sind Formen und Gesetze des Gegenstandes, sofern er durch formale Kategorien
gedacht wird.31 Als ,,Zutaten der Urteilsaktivitat und der ihr entsprungenen
Synthesen‘‘ (Hua XVII, 398) gehoren solche Formen nicht zum sinnlichen Stoff,
sondern ,,zu unserem bloßen subjektiven Betatigen‘‘ (Hua XIX, 687). Sie stellen –
um mit Hegel zu reden – ,,das Negative der Tatigkeit des Geistes‘‘ dar, ,,wodurch
jener Stoff vergeistigt und als Sinnliches aufgehoben wird‘‘.32 Aber eben dadurch
haben sie keine reale Bedeutung. Denn die Denktatigkeiten, die den vorgegebenen
31 Vgl. De Palma 2010.32 Hegel 1830, § 442 A.
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Stoff intellektiv umwandeln, indem sie dessen sinnlich-sachhaltige Beschaffenheit
vernichten bzw. ausschalten, sind ein bloß Subjektives und ergeben kein reales
Gebilde. Real ist das sinnlich Gegebene mit seinen sinnlich gegebenen Strukturen.
Die begriffliche Erkenntnis wird dadurch ermoglicht, dass die Erfahrungswelt vor
der begrifflichen Erkenntnis bindende Strukturen hat, die an das Denken Forde-
rungen stellen (Hua XXXII, 101). Der sinnliche Stoff kann demnach nur insofern
durch die Tatigkeit des Geistes vergeistigt werden, als er eine sachliche
Wesensgestalt vor solcher Tatigkeit besitzt. Anders als Hegel meint, ist also das
Sinnliche nicht ,,bloß das empirische Erste‘‘ oder die ,,anfangende Grundlage‘‘,
sondern ,,die wahrhaft substantielle Grundlage‘‘.33
Das Logische hat keine reale Bedeutung, denn das analytische Apriori besteht
nicht darin, dass das sinnlich Gegebene die logischen bzw. urteilsmaßigen Formen
annehmen muss, sondern darin, dass es, wenn es sie annimmt, den Gesetzen, die im
Wesen dieser Formen grunden, nicht widerstreiten kann.34 Demgegenuber macht
die sinnliche Form die sachliche Form des Gegebenen aus (Hua XIX, 665 ff., 714
ff.). ,,Was real eins ist, muss auch real geeinigt sein‘‘ (ebd. 716). Bei den sinnlichen
Zusammenhangen fehlt demgemaß diejenige Freiheit, welche die kategoriale
Formung kennzeichnet und das Absehen von der sachlichen Eigenart der Inhalte
zulasst (ebd.; Hua XXXVI, 23). Wahrend also jede sachliche Form durch die Natur
der Inhalte bestimmt ist und damit nur auf Inhalte eines bestimmten Typus
anwendbar ist, wird die logische Form vom Subjekt gestiftet und ist also auf
jedweden Inhalt anwendbar, weshalb ,,Inhalte aller Gattungen durch alle Kate-
gorien geformt sein konnen‘‘ (Hua XIX, 719). Kategoriale Relationen sind eben
insofern formal bzw. formalisierbar, als die Gattungen der fundierenden Ge-
genstande gleichgultig sind und beliebig variieren konnen, ohne den Sinn der
Relation zu verandern.
Als real betrachtet Husserl das Korrelat einer sinnlichen Anschauung (Hua Mat
III, 168), also nicht nur die einzelnen sinnlichen Inhalte, sondern auch die sinnlichen
Formen, sofern sie eo ipso mit ihren Fundamenten gegeben sind. ,,Real eins ist, was
sich in der kontinuierlich zusammenhangenden Einheit einer sinnlichen An-
schauung konstituiert‘‘ (Hua XXXI, 101). Durch die Kollektion, welche die Mengen
ergibt, wird ,,kein sinnliches Ganzes konstituiert‘‘ (EU, 296), da fur sie ,,alles
Sachhaltige wesentlich nicht fundierend‘‘ ist (ebd. 223). Die Kollektion – wie jede
kategoriale Form – ist namlich eine von der Homogenitat unabhangige syntaktische
Verbindungsform: Da alles und jedes beliebig kolligierbar ist, besitzen die
Mengenglieder keine sachliche, sondern eine bloß formale Gemeinsamkeit, die
,,nicht in der moglichen Einheit sinnlicher Anschauung begrundet […] [ist], sondern
gestiftet durch die syntaktischen Formungen‘‘ (ebd. 297). Der Unterschied zwischen
sinnlicher (sachlicher) und kategorialer (syntaktischer bzw. logischer) Form liegt
also darin, dass es im ersten Fall um eine ,,reale,Beziehung‘‘‘ geht, im zweiten um
,,ein subjektives In-Beziehung-Setzen und Bilden einer Beziehung‘‘ (Hua XLI,
262).,Real‘ist gerade das, was nicht vom Subjekt erstellt wird und unabhangig von
dessen Eingreifen besteht.
33 Ebd.34 Vgl. Hua XIX, 729; Hua XVII, 152; Tugendhat 1967, 134.
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Materiale Strukturen haben eine ontologische Bedeutung gerade kraft ihrer
,Unreinheit‘ oder Kontingenz, d. h. weil sie – im Gegensatz zu den logischen
Strukturen – nicht formal und universal sind, sondern in der sachlichen Natur des
jeweiligen sinnlichen Inhalts grunden und damit an das Gegebene gebunden sind.
Das Bestehen einer materialen Gesetzmaßigkeit erkannten schon Brentano und
Stumpf. Anders als seine Lehrer meint Husserl jedoch, dass solche Gesetzmaßigkeit
eine ontologische ist und damit nicht bloße subjektive Erscheinungen betrifft,
jenseits derer eine nicht-phanomenale Wirklichkeit wohl besteht. Denn sinnliche
Inhalte und Zusammenhange sind real im Gegensatz zu den hinter ihnen
angesetzten Entitaten, die bloße Vorstellungen in mir darstellen. Wahrend also
Brentano und Stumpf am Cartesianischen und Kantischen Ansatz festhalten, walzt
Husserl das Verhaltnis zwischen Phanomen und Ding an sich um, indem er die
sinnlich gegebene Welt fur die reale Welt und die Ontologie solcher Welt fur die
echte Ontologie halt. Dies liegt bereits in der Kritik der Auffassung der
Wahrnehmung als Zeichen- oder Bildbewusstsein: Insofern der reale Gegenstand
mit dem sinnlichen identisch ist, ist dieser keine subjektive Anzeige des wirklichen
Seins, sondern das wirkliche Sein selbst.
Husserl vollzieht demgemaß eine Entpsychologisierung der Strukturgesetze von
den Phanomenen: Es geht dabei nicht um psychologische Gesetze des seelischen
bzw. subjektiven Erscheinens, sondern um ontologische Gesetze des sinnlich
Erscheinenden, welches das Reale ist und dessen Eigenart die sachlichen
Zusammenhange bestimmt, in denen es objektiv existiert.
Jedes besondere Ganze hat seine Form, in die sich aber nur Gehalte besonderer
Artung einfugen lassen; und das universale Ganze, das Weltall hat eine
universale Form und hinsichtlich der Gehalte dadurch wieder eine Bindung,
wonach \sich[ in die Gesamtform eben nur Teile, Glieder von besonderem
Gehalt einfugen lassen (Hua IX, 67).
Die Besonderheit des Gehaltes fungiert demzufolge als ,,eine allgultige Norm fur
jedes mogliche Reale in der Erfahrungswelt‘‘ (ebd.), d. h. als Prinzip der
Weltkonstitution.35 Dass die Konstitution nicht aus dem Ich zu begrunden ist,
sondern ihm faktisch vorgegeben ist, ist eben.
in Husserls Begriff des Apriori begrundet, der nicht aus dem Ich verstanden
wird, sondern relativ auf eine jeweilige Sachhaltigkeit ist […] und daher auch,
wo er, als konstitutives Apriori, auf Subjektivitat bezogen wird, nicht relativ auf
die Subjektivitat als solche, sondern auf eine jeweilige Erfahrungsweise gilt […]
und diese Charakteristik auch auf der transzendentalen Ebene nicht verliert.36
Die Konstitution einer objektiven Welt ist genau so wie das materiale Apriori
kontingent, da sie von dessen Bestehen abhangt: Dass zur Welt eine materiale Form
gehort, ist keine Notwendigkeit, sondern ein Faktum (Hua VII, 363), weil es darauf
35 Zum eidetischen Charakter von Husserls Konstitutionsbegriff vgl. Tugendhat 1967, 173 ff., 216 ff.36 Ebd. 219. Husserl meint, dass materiale Wesensgesetze nicht nur sinnliche Inhalte, sondern auch
psychische Akte betreffen, aber dies nur insoweit als selbst letztere fur ihn zum Gebiet der Sinnlichkeit
gehoren (Hua XIX, 668, 706 ff.; Kern 1975, 250 ff.).
Husserl Stud
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angewiesen ist, dass die faktisch gegebenen Inhalte sachliche Wes-
enszusammenhange aufweisen. Die Annahme der Weltvernichtung grundet eben
in der Moglichkeit, dass die Erfahrung keine sachliche Struktur besitzt, d. h. dass
das Bewusstsein das Vermogen hat, vernunftig zu erkennen, aber sein faktischer
Inhalt sich nicht ,,rationalisieren‘‘ lasst, da er aus einem sinnlosen Gewuhl besteht,
,,das in sich keine Natur zu erkennen gestattet‘‘ (Ms. D 13 II/200b). Insofern sie also
ihre Struktur nicht der Subjektivitat, sondern kontingenten sachhaltigen Wesensge-
setzen verdankt, ist die Welt ,,ihrer Existenz und ihrem Sosein nach ein irrationales
Faktum‘‘ (Hua XVI, 289).
Aufgrund des Gedankens materialer Gesetzmaßigkeit kann man auch die Frage
nach der Substanz beantworten, ohne zu mythologischen Entitaten zu greifen, seien es
Atome oder Schildkroten, die Elefanten tragen. Stumpf sagt treffend: ,,Ein,Ding‘best-
eht in der Tat nur aus den Eigenschaften […], aber diese sind nicht ein Bundel, sondern
ein Ganzes. Das ist das Wahre und das Falsche in Humes Substanzlehre‘‘.37 Denn der
einheitliche Trager der Eigenschaften lost sich nicht in eine Menge von Qualitaten auf,
aber ist auch kein jenseits der Erfahrung liegendes Ding an sich, sondern besteht in der
,,Einheit des Realen‘‘ (Hua XLI, 276). Das Konkretum ist namlich nicht ein Inbegriff,
sondern ein Ganzes von Merkmalen: Seine Einheit ist nicht durch Denktatigkeit
gestiftet, sondern ,,in den unterschiedenen Momenten fundiert‘‘ (ebd. 66), weshalb sie
aus der Eigenart letzterer stammt und unabhangig vom Eingreifen des Subjekts
besteht. Die Substanz ist gerade ein gegebener sachlicher Zusammenhang von
unselbstandigen sinnlichen Eigenschaften. Erst dadurch kann eine reale Welt bestehen:
Die Welt als Universum der Realitaten […] ist nicht ein bloßes Zusammen
von Realen, deren jedes Einzelne seine Wesensform erhalt, sondern […] hat
die Form eines ,,Ganzen‘‘. Die einzelnen Realen konnen nur reale Wirk-
lichkeiten sein, wenn sie […] eine gewisse Form der realen Verbundenheit
innehalten (ebd. 377; vgl. 261, 320).
8 Der Unterschied zwischen sachhaltiger und formaler Notwendigkeit und derGehalt materialer Wesensgesetze
Neben einer formalen Notwendigkeit, die in der logischen Form des Urteils grundet,
besteht eine sachhaltige Notwendigkeit, die in der sinnlichen Struktur der
Erfahrung(sinhalte) grundet und keine urteilsmaßige bzw. sprachliche ist, obwohl
sie im Urteil bzw. in der Sprache ausgedruckt wird. Erfahrung hat namlich ,,ihre
Weise der syntaktischen Leistungen […], die aber noch frei sind von all den
begrifflichen und grammatischen Formen, die das Kategoriale im Sinne des
pradikativen Urteils und der Aussage charakterisieren‘‘ (Hua XVII, 220).
Der Unterschied zwischen formalem und materialem Apriori ist auf den
Unterschied zwischen den betreffenden Inhalten zuruckzufuhren.38 Es geht dabei
um den ,,fundamentalste[n]‘‘ Unterschied zwischen kategorialen bzw.
37 Stumpf 1939/40, 28.38 Auch nach Stumpf (ebd. 129, 155, 178, 206) besteht der Unterschied zwischen logischen (universalen
oder formalen) und gegenstandlichen (regionalen oder materialen) Gesetzen nicht in der Form, sondern in
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Denkgegenstanden, die das Subjekt in seinen Akten selbsttatig erzeugt, und
sinnlichen bzw. realen Gegenstanden, die dem Subjekt passiv vorgegeben sind (Hua
XI, 291). Die Inhalte des materialen Apriori sind ,,in der Weise des Ichfremden
vorgegeben‘‘, d. h. in der Erfahrung ,,ohne Beteiligung des Ich und seines Tuns
gegeben‘‘ (Hua XIII, 427), weshalb sie auch von nicht sprachlich ausgebildeten
Wesen wie Tieren und Kleinkindern gefasst werden konnen. Die Inhalte des
formalen Apriori werden hingegen durch Urteilsakte kategorialer Formung erzeugt
und sind nur von sprachlich ausgebildeten Wesen erfassbar.39 Die logischen Gesetze
sind gerade.
formale Gesetze, die bloß uber gedachte Gegenstande uberhaupt als Substrate
von pradikativen Satzen uberhaupt, verbunden zu einstimmigen Satz-
zusammenhangen uberhaupt, handeln; wobei die Satze, durch welche die
gedachten Gegenstande bestimmt gedacht werden, selbst nur ihre Bestimmt-
heit haben durch Begriffe, die an beliebigen Gegenstanden und Satzen als
gedachten gebildet werden konnen, und zwar ursprunglich gebildet. Den
Begriff Schwarz kann ich ursprunglich nur bilden aufgrund der Sinnlichkeit,
den Begriff ,,Seele‘‘ nur an seelischer Erfahrung. Den Begriff Eigenschaft,
Beschaffenheit, Ganzes etc. kann ich aber bilden in der reinen Denksphare im
weitesten Sinne der Urteilssphare, bloß daraufhin, dass ich urteile und
Urteilssubstrate identifiziere und Eigenschaften ihnen zuschreibe und sie
selbst in verschiedenen Zusammenhangen identifiziere etc. Die bestimmten
Eigenschaften der Exempel brauchen nicht ausgewiesen sein (Hua XXXV,
451 f.).
Wahrend also es bei einer Ontologie von Denkgegenstanden um ,,die
Moglichkeiten eines Gegenstandes uberhaupt als beurteilbaren‘‘ geht, geht es bei
einer Ontologie von Erfahrungsgegenstanden um ,,die Moglichkeit eines raum-
dinglichen Gegenstandes uberhaupt als Gegenstandes moglicher Erfahrung und
Erfahrungsevidenz‘‘ (ebd. 456). Vorausgesetzt sind dabei sachliche Evidenz und
sachliche Anschauung, also Erfahrung von Natur, denn ,,sowie ich uber die
Setzungsformen (Satzformen, Gegenstandsformen) hinausgehe […], brauche ich
mogliche Erfahrung. Ich muss mir den Sachgehalt, die Kerne – Sachgehalte,
Satzkerne (Termini) – klarmachen, auf sie selbst in ihrer Klarheit achten etc.‘‘
(ebd.).
Kants Ansatz des Apriori beruht auf der Ansicht, dass die Gesetzmaßigkeit der
Erfahrung bloß induktiv sei: Die apriorische Erkenntnis sei grundsatzlich ,,von aller
Erfahrung‘‘ und ,,von allen Eindrucken der Sinne‘‘ unabhangig, denn ,,Erfahrung
lehrt uns zwar, dass etwas so und so beschaffen sei, aber nicht, dass es nicht anders
sein konnte‘‘, und ,,gibt niemals ihren Urteilen wahre oder strenge, sondern nur
Footnote 38 continued
der Materie: Die ersten beziehen sich auf beliebige Gegenstande bzw. Denkinhalte, die zweiten auf eine
bestimmte Art von Gegenstanden.39 Freilich kann auch etwa das vom Wortzeichen,Konig‘Bezeichnete sinnlich gegeben sein, aber nicht
als Konig, sondern bloß als Ding oder Tier.
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angenommene und komparative Allgemeinheit (durch Induktion)‘‘.40 In der
Erfahrung kommen namlich die Wahrnehmungen ,,nur zufalligerweise zueinander,
so dass keine Notwendigkeit ihrer Verknupfung aus den Wahrnehmungen selbst
erhellt‘‘: Die notwendige Verknupfung fordert ,,eine Synthesis der Wahrnehmun-
gen, die selbst nicht in der Wahrnehmung enthalten ist‘‘.41 Demnach liefert die
Erfahrung ausschließlich ,,den rohen Stoff sinnlicher Eindrucke‘‘,42 die ,,bloß
subjektiv bleiben und kein Erkenntnis des Objekts, mithin keine fur jedermann
gultige Vorstellung in der empirischen Anschauung darlegen‘‘.43 Tone und Farben
sind bloße ,,Subreptionen der Empfindungen‘‘ und weisen keine ,,Idealitat‘‘ auf.44
Dem Gedanken einer sachhaltigen Notwendigkeit liegt die Ablehnung einer
solchen Erfahrungsauffassung zugrunde, die den schlechten und unechten Empi-
rismus kennzeichnet. Das materiale Apriori ist zwar von der Erfahrung abhangig,
wobei aber,Erfahrung‘nicht im Sinne von Induktion, sondern im Sinne von
Gegebenheit sinnlicher Sachgehalte zu verstehen ist.45 Die Eigenart der material-
apriorischen Satze ist namlich, dass sie nicht induktiv begrundet sind, aber dennoch
in den faktisch gegebenen sinnlichen Wesensgehalten grunden. Wie Stumpf
erlautert, beruht die einleuchtende Kraft solcher Satze (bzw. der in ihnen
ausgedruckten Erkenntnisse) nicht auf Wahrnehmungen, insofern die notwendige
Zusammengehorigkeit der Begriffe nicht durch besondere Wahrnehmungen erwie-
sen zu werden braucht; doch wirkt die Wahrnehmung an der Erfassung solcher
Satze mit, insofern die in ihnen auftretenden Begriffe einen sinnlichen Ursprung
haben.46 In ahnlicher Weise bemerkt Hering, dass apriorische Satze der Form,S ist
p‘,,unabhangig von der speziellen Erfahrung sind, dass S p ist, allerdings nicht
unabhangig von aller Erfahrung. Denn dass S wirklich ein so geartetes Wesen hat,
dass das p-sein in ihm grundet, lasst sich nur durch Erfahrung feststellen‘‘.47 Zur
Erfahrungsabhangigkeit des sachhaltigen Apriori schreibt Husserl:
Das ,,Apriori‘‘, das Vor-aller-Erfahrung-Gelten, besagt keineswegs in jedem
Sinn ein Vor-aller-Erfahrung-Gelten-Konnen; es besagt nur […], dass […] die
Seinsevidenz […] vom faktischen Sein der erfahrenen Einzelfalle kein
Erkenntnismotiv abgeben konne fur die Evidenz des Apriori. […] Aber es gibt
noch eine andere Abhangigkeitsart der Erkenntnis von Begriffen und Satzen
von der Erfahrung als die \Art[ der Abhangigkeit ihrer Wahrheitsbegrun-
dung von entsprechenden Einzelfallen der Erfahrung (Hua XLI, 292 f.).
40 Kant 1781/87, B 2 f.. Solche Ansicht billigt auch Hegel: ,,Die Erfahrung enthalt nur die Allgemeinheit
einer solchen Erscheinung, nicht aber die Notwendigkeit des Zusammenhanges‘‘, sie ,,lehrt also nur, wie
die Gegenstande beschaffen sind, nicht, wie sie sein mussen‘‘ (Hegel 1970, 209 f.).41 Kant 1781/87, B 218 f.42 Ebd., A 1.43 Kant 1942, 269.44 Kant 1781/87, B 53.45 Gerade durch solche Unterscheidung kann Husserl ohne Widerspruch einerseits behaupten, die
Erfahrung konne nicht lehren, dass in der Welt Naturobjekte sind, und andererseits die These vertreten,
dass das Wort,Ding‘keinen Sinn fur mich haben konnte, wenn Erfahrung mir Dinge nicht gegeben hatte.46 Vgl. Stumpf (1939/40), 575 f.47 Hering 1921, 501.
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Die Unabhangigkeit von aller Erfahrung und allen Sinneseindrucken ist nicht das
Merkmal jedes Apriori, sondern nur des formalen Apriori. Kants These, dass die
synthetischen Urteile a priori von der Gegebenheit und Beschaffenheit der
Gegenstande unabhangig sein mussen, weil sie sonst ,,empirisch und zufallig sein
wurden, welches sich widerspricht‘‘,48 trifft nur unter der Voraussetzung zu, dass
solche Urteile universal gelten mussen und somit nur formal und subjektiv sein
konnen. Wenn sie aber nicht universal, sondern generell (d. h. nicht fur jedweden,
sondern jeweils fur einen inhaltlich bestimmten Typus von Gegenstanden) gelten,
sind sie immer noch apriorisch bzw. notwendig, wenngleich nur in Bezug auf die
jeweilige Inhaltsart, also obwohl sie empirisch und zufallig sind, insofern sie von
der Gegebenheit und Beschaffenheit der Gegenstande abhangen. Darin liegt der
Kern des Gedankens eines materialen Apriori. Und darin liegt nichts, welches sich
widerspricht. Eine Farbe ist notwendig ausgedehnt. Aber dass es eine Farbe gibt, ist
nicht selbst notwendig, sondern kontingent. Die materialen Wesensgesetze schrei-
ben nicht vor, dass es eine Farbe geben muss, sondern dass eine Farbe, wenn es sie
uberhaupt gibt, nicht ohne eine Ausdehnung sein kann. Sie schreiben namlich nicht
das Dass, sondern das Wie des Inhalts vor. Die Relativitat auf die jeweilige sinnliche
Sachhaltigkeit, die nicht selbst notwendig ist, macht zwar das materiale Apriori
kontingent, aber eben dadurch objektiv bzw. sachlich. Denn objektiv ist nicht das,
was fur jedweden Inhalt unabhangig von seiner sachlichen Eigenart und vermoge
der ihn erfassenden Subjektivitat gilt, sondern das, was in der sachlichen Eigenart
des jeweiligen Inhalts grundet und unabhangig von der ihn erfassenden Subjektivitat
besteht. Die Kontingenz des materialen Apriori ist eine Konsequenz seiner
Objektivitat. Was sachlich ist, d. h. in der Sachhaltigkeit grundet und von ihr
abhangt, ist kontingent.
Als Relationen, die mit den Ideen notwendig gesetzt sind, grunden alle
apriorischen Wahrheiten ausschließlich im Sinn der in ihnen auftretenden Begriffe,
jedoch sind nicht alle Begriffe formal und unabhangig von der Erfahrung. Sagt man,
dass analytische Urteile nur auseinanderlegen, was in den Begriffen schon liegt,
heißt,Begriff‘nicht das Allgemeine, sondern die Bestimmung bzw. der pradikative
Sinn. ,,Sowie ich auf die Wesensmomente selbst, also auf die sachliche Anschauung
eingehe,,erlautere‘ich nicht bloß‘‘ (Hua XXXV, 464). Analytisch im Sinne der
formalen Logik sind insofern nur die Implikationsurteile. Nun.
ist das Urteil ,,Ist etwas farbig, so ist es ausgedehnt‘‘ kein Implikationsurteil. Es
ist nicht richtig zu sagen: Um das Urteil einzusehen, muss ich mich nur an die
Begriffe halten, wenn man unter Begriffen die bloßen ,,Bedeutungen‘‘ versteht.
Ich weiß ganz gut, was farbig und was ausgedehnt ist, ich verstehe es gut. In
diesem Verstehen habe\ich[ die Bedeutungen. Aber im Verstehen des ganzen
Satzes gewinne ich nicht die Evidenz des Satzes. Ich muss die den Bedeutungen
entsprechenden allgemeinen Wesen (die Begriffe im andern Sinn) selbst haben
und erfasse so die ,,synthetische‘‘ Notwendigkeit (ebd. 465 f.).
Wenn die Notwendigkeit eines Satzes erfasst werden kann, ohne zur Erfahrung
sinnlicher Inhalte zu greifen, ist sie eine formale und der Satz ist formalisierbar
48 Kant 1942, 268.
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salva veritate. Andernfalls ist die Notwendigkeit eine materiale, da sie an einem
,,sachhaltigen Kern‘‘ (Hua XVII, 33) hangt, und der Satz ist nicht formalisierbar
salva veritate. Beiderseits grundet die Notwendigkeit in der Eigenart der Inhalte,
die ihre notwendigen Zusammenhange mit anderen Inhalten bestimmt. Aber die
Inhalte konnen formal (kategorial) oder material (sinnlich) sein. Die verschiedene
Art der Notwendigkeit hangt gerade an der verschiedenen Art der Inhalte: Im ersten
Fall geht es um die Unmoglichkeit, anders zu denken, im zweiten um die
Unmoglichkeit, anders zu erfahren. Denn eine Farbe ohne Ausdehnung und
Helligkeit ist widerspruchsfrei denkbar, aber nicht anschaulich vorstellbar: Sie kann
nicht gegeben sein – und dies gilt auch fur mit keinem Vermogen kategorialen
Denkens ausgestattete Subjekte wie Tiere. Wahrend namlich die formalen
Wesenszusammenhange Denkzusammenhange sind, sind die materialen
Wesenszusammenhange Erfahrungszusammenhange.
Die Notwendigkeit des Satzes ,,ein Konig kann nicht sein, wenn es nicht
Untertanen gibt‘‘ kann man erfassen, auch wenn man nie einen Konig erfahren hat,
da es um die Besonderung eines analytischen Gesetzes geht. Die Notwendigkeit des
Satzes ,,eine Farbe kann nicht ohne eine durch sie uberdeckte Ausdehnung sein‘‘
kann man erfassen, nur wenn man eine Farbe erfahren hat. Die Einsicht in die
Notwendigkeit eines Wesenszusammenhangs setzt die Einsicht in die Inhalte
voraus, in denen er grundet, d. h. in die ideas, zwischen denen die relation besteht
und mit denen sie notwendig gesetzt ist. Da ein Denkobjekt kein anschaulicher,
sondern ein formaler Inhalt ist, ist es einzig durch formale Implikationsverhaltnisse
zu anderen Denkobjekten in Urteilszusammenhangen bestimmt. Deshalb erfordert
die Einsicht in Denkinhalte keine Erfahrung. Bei einem materialen Wesenszusam-
menhang setzt hingegen die Einsicht in die Inhalte die sinnliche Gegebenheit
selbiger voraus, weil er in der Wesensbesonderheit sachhaltiger Bestande grundet
und solche Wesensbesonderheit nur aufgrund der Erfahrung fassbar ist. Materiale
Wesensgesetze konnen nur dann erfasst werden, wenn der zugehorige sinnliche
Inhalt gefasst wird: Sie sind aus Begriffen einsichtig, nur insoweit die Erfahrung
solche Begriffe schon einmal gegeben hat. Denn alle sinnlichen Begriffe sind
,,zufallig,,a posteriori‘‘‘ (Hua XLI, 101).49 Die Erkenntnis eines materialen
Wesensgesetzes setzt die Kenntnis des betreffenden materialen Wesensgehaltes
voraus, die nicht aus dem Denken, sondern aus der Sinnlichkeit (durch Affektion)
stammt. Denn materiale Kategorien konnen erst dadurch gedacht und begrifflich
erfasst werden, dass ihre Vereinzelungen in der sinnlichen Erfahrung passiv
vorgegeben sind. Ohne Erfahrung kann man von keinem sachhaltigen Inhalt und
somit von keinem materialen Wesenszusammenhang Kenntnis haben. Die
49 Merkwurdig ist in dieser Hinsicht Langfords (1949) Beweis der Existenz synthetischer Satze a priori,
in dem folgendermaßen vorgegangen wird. Insofern ein formal-analytischer Schluss nur von der
logischen Form und nicht vom Inhalt abhangig ist, kann bei ihm kein nicht-logischer Begriff im
Schlusssatz vorkommen, der nicht schon im Vordersatz vorlag. Es ist also unmoglich, dass eine Person,
die den Vordersatz und die Grammatik eines formal-analytischen Schlusses versteht, den Schlusssatz
nicht ganz versteht. Deswegen ist der apriorische Satz ,,Wenn A orange ist, so ist A etwas, das zwischen
rot und gelb liegt‘‘ nicht ein formal-analytischer Schluss. Denn fur eine erdenkliche Person, die weder
rote noch gelbe Farben, sondern immer nur orange gesehen hat, ware der Vordersatz ,,A ist orange‘‘
verstandlich, nicht aber der Schlusssatz ,,A ist etwas, das zwischen rot und gelb liegt‘‘– und dies
keineswegs wegen einer Lucke im Wortschatz, sondern wegen einer mangelnden Erfahrung.
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Feststellung, dass jeder Ton eine Hohe hat, ist zwar apriorisch gultig; da sie aber
einen sachhaltigen Inhalt betrifft und dieser erst durch Ostension fassbar ist, setzt
sie eine empirische Tatsache voraus, und zwar die faktische Gegebenheit bzw.
Erfahrung eines Tons.
Wenn es ein materiales Apriori gibt, ist es zwangslaufig ein zufalliges und
erfahrungsabhangiges, weil es in den faktisch gegebenen sinnlichen Sachgehalten
grundet. Der Begriff eines solchen Apriori ergibt sich als Widersinn, nur wenn
aufgrund von intellektualistischen Vorurteilen das Apriori mit dem Formalen und
die Erfahrung mit der Induktion identifiziert wird, indem die maßgebende Funktion
des Sinnlichen verkannt wird.
Danksagung Mein Dank gebuhrt der Alexander von Humboldt-Stiftung, die mir
durch die Gewahrung eines Stipendiums die Durchfuhrung dieser Arbeit ermoglicht
hat. Ferner danke ich dem Direktor des Husserl-Archivs in Lowen, Prof. Dr. Ullrich
Melle, fur die Genehmigung, aus Husserls unveroffentlichten Manuskripten zu
zitieren, sowie Andrea Altobrando, Francesco Armezzani, Emanuele Caminada,
Wolfgang Kaltenbacher und Andrea Michler, die eine fruhere Version des Textes
nach Inhalt bzw. Stil durchgesehen haben.
References
Husserliana
Edmund Husserl (2000): Gesammelte Werke (Husserliana). Aufgrund des Nachlasses veroffentlicht unter
Leitung des Husserl-Archivs Leuven, Den Haag et al. 1950 ff.:
Hua I. Cartesianische Meditationen und Pariser Vortrage. S. Strasser (Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1950.
Hua II. Die Idee der Phanomenologie. Funf Vorlesungen. W. Biemel (Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1950.
Hua III. Ideen zu einer reinen Phanomenologie und phanomenologischen Philosophie. Erstes Buch:
Allgemeine Einfuhrung in die reine Phanomenologie. K. Schuhmann (Hg.). Den Haag: Nijhoff,
1976.
Hua V. Ideen zu einer reinen Phanomenologie und phanomenologischen Philosophie. Drittes Buch: Die
Phanomenologie und die Fundamente der Wissenschaften. M. Biemel (Hg.). Den Haag: Nijhoff,
1952.
Hua VI. Die Krisis der europaischen Wissenschaften und die transzendentale Phanomenologie. Eine
Einleitung in die phanomenologische Philosophie. W. Biemel (Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1954.
Hua VII. Erste Philosophie (1923/24). Erster Teil: Kritische Ideengeschichte. R. Boehm (Hg.). Den
Haag: Nijhoff, 1956.
Hua VIII. Erste Philosophie (1923/24). Zweiter Teil: Theorie der phanomenologischen Reduktion. R.
Boehm (Hg.). Den Haag: Nijhoff,1959.
Hua IX. Phanomenologische Psychologie. Vorlesungen Sommersemester 1925. W. Biemel (Hg.). Den
Haag: Nijhoff, 1962.
Hua XI. Analysen zur passiven Synthesis. Aus Vorlesungs- und Forschungsmanuskripten (1918-1926).
M. Fleischer (Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1966.
Hua XII. Philosophie der Arithmetik. Mit erganzenden Texten (1890-1901). L. Eley (Hg.). Den Haag:
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Hua XIII. Zur Phanomenologie der Intersubjektivitat. Texte aus dem Nachlass. Erster Teil: 1905-1920.
I. Kern (Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1973.
Hua XIV. Zur Phanomenologie der Intersubjektivitat. Texte aus dem Nachlass. Zweiter Teil: 1921-1928.
I. Kern (Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1973.
Husserl Stud
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Hua XV. Zur Phanomenologie der Intersubjektivitat. Texte aus dem Nachlass. Dritter Teil: 1929-1935.
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(Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1974.
Hua XVIII. Logische Untersuchungen. Erster Band: Prolegomena zur reinen Logik. E. Holenstein (Hg.).
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Hua XIX. Logische Untersuchungen. Zweiter Band: Untersuchungen zur Phanomenologie und Theorie
der Erkenntnis. U. Panzer (Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1984.
Hua XXI. Studien zur Arithmetik und Geometrie. Texte aus dem Nachlass (1886-1901). I. Strohmeyer
(Hg.). Den Haag: Nijhoff, 1983.
Hua XXIV. Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie. Vorlesungen 1906/07. U. Melle (Hg.). Den
Haag: Nijhoff, 1984.
Hua XXVII. Aufsatze und Vortrage (1922-1937). Th. Nenon und H.R. Sepp (Hg.). Dordrecht: Kluwer, 1989.
Hua XXVIII. Vorlesungen uber Ethik und Wertlehre (1908-1914). U. Melle (Hg.). Dordrecht: Kluwer,
1988.
Hua XXIX. Die Krisis der europaischen Wissenschaften und die transzendentale Phanomenologie.
Erganzungsband. Texte aus dem Nachlass 1934-1937. R.N. Smid (Hg.). Dordrecht: Kluwer, 1993.
Hua XXX. Logik und allgemeine Wissenschaftstheorie. Vorlesungen Wintersemester 1917/18. Mit
erganzenden Texten aus der ersten Fassung von 1910/11. U. Panzer (Hg.). Dordrecht: Kluwer, 1996.
Hua XXXI. Aktive Synthesen. Aus der Vorlesung ‘‘Transzendentale Logik’’ 1920/21. Erganzungsband zu
‘‘Analysen zur passiven Synthesis’’. R. Breeur (Hg.). Dordrecht: Kluwer, 2000.
Hua XXXII. Natur und Geist. Vorlesungen Sommersemester 1927. M. Weiler (Hg.). Dordrecht: Kluwer, 2001.
Hua XXXV. Einleitung in die Philosophie. Vorlesungen 1922/23. B. Goossens (Hg.). Dordrecht: Kluwer, 2002.
Hua XXXVI. Transzendentaler Idealismus. Texte aus dem Nachlass (1908-1921). R.D. Rollinger und R.
Sowa (Hg.). Dordrecht: Kluwer, 2003.
Hua XXXVII. Einleitung in die Ethik. Vorlesungen Sommersemester 1920 und 1924. H. Peucker (Hg.).
Dordrecht: Springer, 2004.
Hua XXXIX. Die Lebenswelt. Auslegungen der vorgegebenen Welt und ihrer Konstitution. Texte aus dem
Nachlass (1916-1937). R. Sowa (Hg.). Dordrecht: Springer, 2008.
Hua XL. Untersuchungen zur Urteilstheorie. Texte aus dem Nachlass (1893-1918). R.D. Rollinger (Hg.).
Dordrecht: Springer, 2009.
Hua XLI. Zur Lehre vom Wesen und zur Methode der eidetischen Variation. Texte aus dem Nachlass
(1891-1935). D. Fonfara (Hg.). Dordrecht: Springer, 2012.
Hua XLII. Grenzprobleme der Phanomenologie. Analysen des Unbewusstseins und der Instinkte.
Metaphysik. Spate Ethik (Texte aus dem Nachlass 1908-1937). R. Sowa und Th. Vongehr (Hg.).
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Hua Mat III. Allgemeine Erkenntnistheorie. Vorlesung 1902/03. E. Schuhmann (Hg.). Dordrecht: Kluwer,
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Hua Mat VIII. Spate Texte uber Zeitkonstitution (1929-1934): Die C-Manuskripte. D. Lohmar (Hg.).
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Hua Mat IX. Einleitung in die Philosophie. Vorlesungen 1916-1920. H. Jacobs (Hg.). Dordrecht:
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