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196 Gerkan, Die Forschung nach dem Grab Petri Die Forschung nach dem Grab Petri 1 Von Armin von Gerkan (Bonn am Rhein, Rottenburgstr. 1) Es war ein mutiger Entschluß, die Grabungen unter den Grotten der Peters- kirche in Rom, die vor über zehn Jahren einsetzten und schon manche Änderung der hergebrachten Vorstellungen erzwungen hatten, bis unter die Confessio auszudehnen, wo das Grab des Apostelfürsten erwartet wurde. Die Aufgabe war nicht leicht, weil die umfangreichen Fundamente der Basilika und des Renaissancebaues vieles ver- nichtet hatten und überall im Wege standen, wovon ich mich bei einem Besuch selbst überzeugen konnte: so manche Frage konnte deshalb nicht geklärt werden. Die um- fangreiche und monumentale Veröffentlichung 2 steht unter diesem Zwange, und es ist klar, daß die Hauptfrage nach dem gesuchten Grab nicht eindeutig beantwortet werden kann, sondern zu weitgehenden Kontroversen Anlaß geben wird. Nur diese eine Frage soll im folgenden behandelt werden. Zur Er- läuterung dienen die beiden Abbildungen, welche die Grundrisse und die Schnitte geben und dieselben Buchstaben wie auch die amtliche Veröffentlichung verwenden. Es war nicht ganz einfach, aus ihr alle erforderlichen Daten zu entnehmen. Sie überspringt leider die not- wendige Aufgabe, zunächst unabhängig von der Auswertung den auf- gedeckten Befund darzustellen, und betrachtet sogleich alles vom Gesichtspunkt des Apostelgrabes, an dessen Bestehen die Herausgeber nicht zweifeln. Dies hat infolgedessen als Folge manche Lücken, deren Vorhandensein ihnen offenbar gar nicht zum Bewußtsein gekommen ist. Es handelt sich um einen relativ kleinen Bezirk P von etwa 8 4 Meter, von nicht ganz regelmäßiger Form, der zwischen den älteren Mausoleen O, S, R und Q liegt. Die drei ersten sind in der an- gegebenen Reihenfolge noch vor 150 als heidnische Kolumbarien an- gelegt. Q hat nur Bestattungsgräber, ohne deshalb unbedingt christlich sein zu müssen, denn nach Hadrian wurde die Inhumation wieder üblich. Die Ostmauer von Q setzt sich in leichtem Knick nach Süden bis zur Ecke von S fort und ist in roter Farbe verputzt, kurz die Rote Mauer (RM) genannt. Westlich von ihr steigt zum höheren Niveau von Q ein geneigter Gang mit einigen Stufen an, der Clivus C, und unter ihm liegt ein Abwässerkanal f aus Ziegeln mit dem Stempel CIL XV n. 401 in erheblicher Zahl, die den späteren Kaiser Marcus Aurelius noch als Cäsar nennen: bei aller Vorsicht braucht die Erbauung nicht nach 165 angesetzt zu werden. Der Zugang zu P muß an der Nordseite 1 Der Aufsatz-erschien zuerst in der Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung 6, JaJhirg. 1952 Nr. 21 (15. Nov.) S. 379 ff. Er wird hier mit freundlicher Erlaubnis ihres Herausgebers Herrn Prof. Dr. Kinder abgedruckt (Die Red.). 2 Esplorazioni sotto la Confessione di S. Pietro in Vaticano, eseguite negli anni 1940—1949. Relazione a cura di B. M. Apollonj Ghetti, A. Ferrua S. J., E. Josi, E. Kirschbaum S. J. 2 Bde., Cittä del Vaticano 1951. Brought to you by | University of Virginia Authenticated | 128.143.23.241 Download Date | 9/29/12 1:06 AM

Die Forschung nach dem Grab Petri

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196 Gerkan, Die Forschung nach dem Grab Petri

Die Forschung nach dem Grab Petri1

Von Armin von Gerkan(Bonn am Rhein, Rottenburgstr. 1)

Es war ein mutiger Entschluß, die Grabungen unter den Grotten der Peters-kirche in Rom, die vor über zehn Jahren einsetzten und schon manche Änderung derhergebrachten Vorstellungen erzwungen hatten, bis unter die Confessio auszudehnen,wo das Grab des Apostelfürsten erwartet wurde. Die Aufgabe war nicht leicht, weildie umfangreichen Fundamente der Basilika und des Renaissancebaues vieles ver-nichtet hatten und überall im Wege standen, wovon ich mich bei einem Besuch selbstüberzeugen konnte: so manche Frage konnte deshalb nicht geklärt werden. Die um-fangreiche und monumentale Veröffentlichung2 steht unter diesem Zwange, und esist klar, daß die Hauptfrage nach dem gesuchten Grab nicht eindeutig beantwortetwerden kann, sondern zu weitgehenden Kontroversen Anlaß geben wird.

Nur diese eine Frage soll im folgenden behandelt werden. Zur Er-läuterung dienen die beiden Abbildungen, welche die Grundrisse unddie Schnitte geben und dieselben Buchstaben wie auch die amtlicheVeröffentlichung verwenden. Es war nicht ganz einfach, aus ihr alleerforderlichen Daten zu entnehmen. Sie überspringt leider die not-wendige Aufgabe, zunächst unabhängig von der Auswertung den auf-gedeckten Befund darzustellen, und betrachtet sogleich alles vomGesichtspunkt des Apostelgrabes, an dessen Bestehen die Herausgebernicht zweifeln. Dies hat infolgedessen als Folge manche Lücken, derenVorhandensein ihnen offenbar gar nicht zum Bewußtsein gekommen ist.

Es handelt sich um einen relativ kleinen Bezirk P von etwa8 4 Meter, von nicht ganz regelmäßiger Form, der zwischen denälteren Mausoleen O, S, R und Q liegt. Die drei ersten sind in der an-gegebenen Reihenfolge noch vor 150 als heidnische Kolumbarien an-gelegt. Q hat nur Bestattungsgräber, ohne deshalb unbedingt christlichsein zu müssen, denn nach Hadrian wurde die Inhumation wiederüblich. Die Ostmauer von Q setzt sich in leichtem Knick nach Südenbis zur Ecke von S fort und ist in roter Farbe verputzt, kurz die RoteMauer (RM) genannt. Westlich von ihr steigt zum höheren Niveau vonQ ein geneigter Gang mit einigen Stufen an, der Clivus C, und unterihm liegt ein Abwässerkanal f aus Ziegeln mit dem Stempel CIL XVn. 401 in erheblicher Zahl, die den späteren Kaiser Marcus Aureliusnoch als Cäsar nennen: bei aller Vorsicht braucht die Erbauung nichtnach 165 angesetzt zu werden. Der Zugang zu P muß an der Nordseite

1 Der Aufsatz-erschien zuerst in der Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung6, JaJhirg. 1952 Nr. 21 (15. Nov.) S. 379 ff. Er wird hier mit freundlicher Erlaubnisihres Herausgebers Herrn Prof. Dr. Kinder abgedruckt (Die Red.).

2 Esplorazioni sotto la Confessione di S. Pietro in Vaticano, eseguite negli anni1940—1949. Relazione a cura di B. M. Apollonj Ghetti, A. Ferrua S. J., E. Josi,E. Kirschbaum S. J. 2 Bde., Cittä del Vaticano 1951.

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angenommen werden, ist aber nicht festgestellt worden. Nur der An-satz der Nordmauer ist an der Ecke von Q allein am umbiegendenPutz zu erkennen: sie stand in keinem Verband mit RM und wird daherals etwas jünger gelten müssen. Im Bereich von Q ist RM durch eine0,16 Meter starke Vorlage mit oberer Abrundung und wasserdichtemPutz (Abb. 2 b) verstärkt worden, die an der Ecke zwar zerstört ist,sich aber an der Nordmauer fortsetzt.

Nach Ansicht der Ausgräber ist RM nicht allein zu dem genanntenZweck, als vielmehr zur Abgrenzung des Bezirks P errichtet worden,wo das Apostelgrab lag, und zwar an der Westseite bei einer Nischen-anlage N 1-3 hinter einer aus zwei Säulchen gebildeten Ädikula (Abb.l a), worin das Tropaion zu erkennen sei, das nach Eusebius hist, eccl.2, 25, 5 vom Presbyter Gaius um 200 bezeugt ist. Hier liegen mehrereBestattungen, von denen die Mehrzahl sich an Bauten des zweitenJahrhunderts anlehnen und daher später sind, darunter trotz dertiefen Lage auch das Grab t. Älter ist das besonders tiefliegendeKindergrab y, ein Tonkasten mit dachförmig darüber gestelltenZiegeln, umgeben von einem hohen Fundament, über dem sich einaltarförmiger Aufbau aus Ziegelmauerwerk mit einem Libationsrohrbis zum Grab erhob. Im Niveau des Aufbaues lag das sehr bescheideneGrab nur aus dachförmig gestellten Ziegeln, von denen einer denStempel CIL XV n. 1273 etwa aus vespasianischer Zeit trägt. BeideGräber werden daher dem ersten Jahrhundert zugeschrieben, dasGrab zwar dem zweiten, jedoch noch vor der Erbauung von RM, undaus der Lage dieser Gräber wird geschlossen, daß sie sich um einenfreien Raum drängen, der nachher vom Tropaion eingenommen wird,also wohl das Petrusgrab enthielt. Freilich reicht er für ein Grab nichtaus, sondern es müßte sich, und zwar mit dem Kopfende, nach Westenbis zur Mitte des Clivus ausgedehnt haben. Dieser Teil soll nun, imhellen Widerspruch zum vermuteten Zweck, das Grab zu schützen,von RM überbaut und vernichtet worden sein, weil Q hier des Zu-ganges bedurfte.

Ferner werden die beiden kleinen, übereinander in der gleichen schrägen Rich-tung wie die Gräber y und liegenden Mäuerchen m1 und m2 beobachtet, m1 sei amwestlichen Ende noch von RM überbaut und stieße östlich gegen den Tonsarkophag

, mit dem zusammen es vermutlich die Stelle des tiefer belegenen Petrusgrabesumrahmt habe, während die dritte Seite der Ummauerung verloren gegangen sei. m1

ist nach Süden gegen Erde gebaut und trägt an der Nordseite Putzreste mit Spurenvon Bemalung, m2 besteht im unteren Teil aus Tuff brocken, im oberen aus Ziegel, undist gegen RM gestoßen, während über das andere Ende nichts gesagt wird: es müßteim Bereich des Fundaments gegen die Überbauung von stoßen, mit dem oberen Randeaber gegen den Stylobat der Ädikula, über dessen Fundament ebenfalls nichts gesagtwird. Der obere Teil von m2 ist später rechtwinklig zu RM abgehauen worden, aber alsBestätigung der Deutung dient der Rest des Bodenbelages der Nische, der im rechtenWinkel zu m2 liegt.

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Die Ausgräber stellen sich also vor, daß die Grabstelle Petrizwar von anderen Gräbern umgeben, aber selbst freigehalten warund bei der eintretenden Aufhöhung des Geländes als ummauerteVertiefung kenntlich geblieben sei. Der Rest dieser Vertiefung seidann bei der Überbauung durch RM und der damit verbundenenweiteren Aufhöhung mit Hilfe der höheren Mauer m2 als Schachtbeibehalten worden, und in späterer, aber noch vorkonstantinischerZeit wurde diese Vertiefung, die schon früher von Grisar3 beob-achtet wurde, mit höher liegenden Platten geschlossen, darunterdie Platte a, eine wiederbenutzte römische Grabinschrift, und späterdurch eine Bronzetür erreichbar gehalten.

Der Erdboden dieser Höhlung im Niveau der Mauer m1 wird alsursprünglich (»fondo originario«) bezeichnet, im Gegensatz zu einem0,50 Meter tieferen »fondo attuale«, wohl dem bei der Grabung er-reichten, der aber keineswegs der Naturboden ist, weil darunter nochdie Gräber y, und liegen. Wegen der äußerst unbeholfenen Aus-drucksweise ist nicht zu verstehen, ob die zahlreichen Münzfunde imErdreich zwischen diesen beiden Böden lagen oder über dem fondooriginario, was allerdings wahrscheinlicher ist. Im Bereich dieserGrabung fand sich in RM die Nische N1, ein unregelmäßiger und trotzder gegenteiligen Anschauung der Ausgräber sicher nachträglicherEinbruch in die Mauer, mit einer Erweiterung o, die sie ganz durch-brochen hat, und darin die Gebeine (Fig. 87), die als Reste desApostels vermutet werden, jedoch in der bloßen Erde, ohne jede Spureiner Grabanlage.

Eine sorgfältige Überlegung läßt die Verhältnisse jedoch ineinem ganz anderen Licht erscheinen. Das Baugelände der Peters-kirche stieg langsam nach Westen und stärker nach Norden an. Wennihr Fußboden als Ausgang angesehen wird, so liegt der Fundament-ansatz des Mausoleums O 3,90 Meter darunter, der vom benachbartenMausoleum S bereits 1,10 Meter höher, 2,80 Meter tief, und der vonRM an ihrer Westseite 2,40 Meter tief, ohne Zweifel ein rascher An-stieg, aber dieselbe RM hat nach Osten einen weit höheren Fundament-ansatz, der nur noch 0,90 Meter tief ist. Es kann nicht bezweifeltwerden, daß P als Schuttabladeplatz während des Baues der benach-barten Mausoleen und RM als Stützmauer gegen diese Ablagerungendiente, welche damals auf einem 1,50 Meter höheren Niveau ein-geebnet wurden. Die beiden tiefsten Gräber y und liegen indessenwesentlich höher als die Fundamente von 0 und S: 2,10 Meter unterder Basilika oder 0,70 Meter über dem Niveau von S, sogar nochhöher. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, daß sie noch dem erstenJahrhundert angehören, sondern sie sind eher in die Schutthügel des

3 H. Grisar, Analecta, Rom 1899, 276i.

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zweiten Jahrhunderts eingebettet. Der Ziegelstempel ist kein Gegen-grund, da für so ärmliche Gräber Ziegel kaum gekauft, sondern eherirgendwo zerstörten Bauten entnommen worden sind. Leider ist dieZiegelschichtung über nicht vermessen und damit die Möglichkeitversäumt worden, sie nach der Methode E. van Deman, Am. Journ. ofArcheol. 1912, S. 387f. zu datieren. Im zweiten Jahrhundert jedochsind Inhumationsgräber bereits üblich, und sie brauchten noch nichtals christlich zu gelten, wogegen auch der heidnische Ritus des Liba-tionsrohrs spricht: die Ausgräber versichern zwar, der Gebrauch seischon früh christlich geworden, können jedoch als Beleg nur die auchmir bekannten formae aus der Basilica Apostolorum ad catacumbasnennen, die konstantinisch sind, also aus der Zeit der Massen-bekehrungen stammen, als heidnische Gebräuche leicht Eingangfinden konnten.

RM ist zweifellos ohne jede Rücksicht auf ein Apostelgrab er-richtet worden, allein für die Anlage von Q. Dafür spricht die wasser-dichte Verstärkung der Mauer im Bereich von Q, die im Verbanderbaut worden ist und unmittelbar neben der Nische beginnt. Sie istam Beginn für das tiefe Grab i, das ja auch im Niveau von liegt,aber sicher spät ist, teilweise beseitigt worden: Reste davon sind nebenN1 erhalten und wurden fälschlich als Ansatz der nördlichen Grab-umhegung gedeutet. Auch die Nische N2 im aufgehenden Teil von RMwar nicht vorgesehen, denn gerade an dieser Stelle liegt ja der flache,aber unverkennbare Knick von RM, der zur Ecke von S führt. Wäreschon damals die Ädikula geplant gewesen, so hätte der Knick mitLeichtigkeit vermieden werden können. Damit fällt auch die er-zwungene Annahme, daß das Grab in der Hauptsache gerade durch dieMauer, die es schützen sollte, zerstört worden sei.

Ebenso wie der rohe Einbruch im Fundament N1 muß auch N2 erst später,folglich in RM eingebrochen worden sein. N2 ist fast völlig durch späteres Mauerwerkgefüllt und konnte nur an einer Steile des Nordrandes beobachtet werden: die Behaup-tung, sie sei schon ursprünglich ausgemauert gewesen, ist durch keine Abbildungbelegt und muß als Irrtum gelten. Entscheidend ist ihre Höhenlage, die ja nicht deröstlichen Fundamenthöhe von EM entspricht, denn der Boden von N2 liegt vielmehrnur ganz wenig tiefer als das späte grobe Mosaik von P, 0,50 Meter über dem Funda-ment oder 0,40 Meter unter der Basilika. Es muß also inzwischen eine weitere Auf-höhung von P eingetreten sein, die zwar rasch erfolgen konnte, aber immerhin ein paarJahrzehnte gedauert haben muß.

Man wird nicht bezweifeln wollen, daß der kleine Säulenbau dasvon Gaius genannte Tropaion ist, denn er ist schließlich der Kernder konstantinischen Basilika geworden, die Stelle, an welche sichdie fromme Erinnerung an den Apostel knüpfte. Die manchmal aus-gesprochene Ansicht, darunter sei der neronische Circus, der Ort desMartyriums, zu verstehen, ist nicht überzeugend, weil eine solche

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Benennung selbst für den römischen Christen unverständlich bleibenmüßte, aber auch, weil ja zwei Tropaia, des Petrus und des Paulus,genannt werden, die daher vergleichbare, also ähnliche Monumentegewesen sein mußten. Das Wort Tropaion ist zwar nicht entscheidend,da auch ein Märtyrergrab im übertragenen Sinne so hätte genanntwerden können, aber zum mindesten bezeugt es nicht ausdrücklichein Grab. Gaius führt seine Auseinandersetzung mit den Montanistenum 200, also etwa 35 Jahre nach der Errichtung yon RM, und umebensoviel später muß auch das Tropaion entstanden sein.

Wichtig ist auch die Untersuchung der Mäuerchen m1 und m2.Ob m1 von RM überbaut ist, was keine Zeichnung und kein Lichtbilderkennen läßt, ist gleichgültig, denn jedenfalls ist es älter als RM,da es im Bereich dessen Fundaments liegt. Aber wichtig ist, daß m1

nach Osten abgesunken ist, wie Fig. 89 und noch klarer Taf. Lb zeigt:dicht bei RM ist eine offene Bruchfuge zu erkennen. Das kann nurgeschehen sein, als das Grab angelegt wurde, aber folglich ist m1

älter und hat niemals mit ein Petrusgrab umrahmt, ein übrigens un-möglicher Gedanke angesichts der dünnen Wandung des Sarges: daswäre geradezu eine Grabschändung, m1 ist ein isolierter Mauerrestvon unbekannter Bedeutung, möglicherweise einer Aufhöhung desunter die Erde geratenen Aufbaues von zugehörig, erreicht mitder Marmorplatte, die seine Überbauung abdeckt, gerade das Ni-veau östlich von RM und ist daher jünger als diese Mauer, aber älterals das Tropaion: weder umrahmt es ein Apostelgrab, noch brauchtes christlich gewesen zu sein. Bei m2 ist übersehen worden, daß seinunterer Teil Fundament ist und das gleiche Niveau bezeugt. Daherist auch diese Mauer noch älter als das Tropaion; bei seiner Errichtungist sie oben im rechten Winkel zu RM abgearbeitet worden. Sie hatebenfalls nichts mit einem schräg orientierten Petrusgrab zu tun undnichts mit der gleichfalls schrägen Richtung der jüngeren und höherliegenden Bodenplatten der Nische.

Von den drei Nischen in RM ist N1, die teilweise im beginnendenOberbau, größtenteils aber im Fundament liegt, als später Einbrucherkannt worden. N2 aber hängt mit dem Bau der Ädikula zusammenund muß ebenfalls als später gelten: sie kann eine Inschrift, ein Bildoder ein anderes Erinnerungsmal enthalten haben. Ihr Verhältnis zuroberen Nische N3, von der sie in keiner Weise abgesetzt ist, ist völligabnorm und kann allein durch ihre spätere Entstehung erklärt werden,allerdings mit der Folge, daß N3 ursprünglich und vom Tropaionunabhängig ist. Es ist eine Anlage, die die Mauer hier schwächer unddas kleine Fenster wirksam machte, das offenbar aus anderen Grün-den nötig war. Man wird an die Notwendigkeit einer Beleuchtungdes Eingangs zu Q denken, vielleicht weil dieser Teil von C überdachtwar. Es tut nichts, daß das Fenster durch das breitere Türgewände

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zum Teil verdeckt wird, denn dieser Eingang ist nicht der ursprüng-liche : seine hohe Schwelle ist breiter als die oberste Stufe und über-höht sie in unzulässiger Weise.

Die Geschichte der Ädikula während der 125 Jahre bis zum Bau der Basilika isteinigermaßen verständlich. Erst wurde, um einen offenen Riß in RM zu schließen undRM zu stützen, an ihrer rechten Seite eine massive und entsprechend tief fundamen-tierte Mauer g errichtet, deren einstige Höhe leider unbekannt bleibt. Dazu mußte dasrechte Ende des Stylobats abgeschlagen werden, und die Säule wurde, erheblich nachlinks verschoben, auf die Erde gestellt. Etwa in Brusthöhe ist an der Nordseite von gin einem Loculus eine Marmorkiste von 0,70x0,30 Meter eingemauert, und zwar ur-sprünglich, weil die große Öffnung nachträglich nicht anzulegen wäre, ohne g zumEinsturz zu bringen; merkwürdigerweise wird diese Bestattung im Text mit keinemWort erwähnt4. Auf der Putzfläche der Nordseite, die auch den Loculus bedeckte,sind die zahlreichen Invokationen angebracht worden, die herzlich wenig aussagen:bloße Namen, denen manchmal der Wunsch »vivas in XP« (Christusmonogramm) folgt.Sie datieren g noch nicht und sind wegen der Verwendung des Monogramms sichererst konstantinisch. Wohl gleichzeitig erhielt das entstellte Tropaion eine Marmoraus-stattung, die Fußbodenplatte a und die nunmehr verschieden breiten Wandplatten b.

Noch später wurde wohl der Symmetrie wegen an der Südseite über der Platte adie leichte Mauer s errichtet, wobei die Inkrustation ausgedehnt wurde auf die Innen-seiten und die Fronten von s und g und auf die Nische selbst. Jetzt entstand auch dasgrobe Mosaik von P, das ein paar Zentimeter über dem Boden des Tropaions liegt.Als oberer Abschluß sind recht roh gearbeitete Travertinbalken festgestellt worden:im Süden t1, der auf s und der Säule ruht, im Norden t2, der weit näher zur Mittesitzt und allein auf der Säule liegt. Die Ansicht der Ausgräber, dies seien nur Resteeiner großen Travertinplatte, die ursprünglich die Decke der Ädikulage bildet habe, istebenso falsch, wie die darauf beruhende Rekonstruktion mit N8 in einem Obergeschoß,denn niemals würden von einer solchen Platte durch Zerstörung oder Abarbeitung zweiEpistyle in situ übrig bleiben, ferner ist die angeblich stärkere seitliche Ausladungder Platte über die Säulchen allein durch die Mauer s bedingt, mit deren Außenfluchtt1 bündig liegt. Endlich hat es in severischer Zeit solche abnorme Bildungen noch nichtgegeben, sondern über den Säulen ist ein gewöhnliches leichtes Marmorgebälk anzu-nehmen, von dem leider nichts erhalten geblieben ist. Ebensowenig kennen wir denweiteren Aufbau der Spätzeit über den Balken t1 —t2.

Alle diese Bauphasen liegen noch vor dem Bau der Basilika, beidem die Höhen wieder verändert wurden und das Tropaion zwar er-halten blieb, aber umbaut wurde und nicht mehr unmittelbar sichtbar

4 Einer der Herausgeber, A. Ferrua S. J., weicht neuerdings Etudes 1952, 35f.,von der Veröffentlichung darin ab, daß er diesen Loculus für die Beisetzung des Apostelsnach der Retranslation der Reliquien aus der Basilica Apostolorum ad catacumbas inAnspruch nimmt. Der Vorschlag ist unhaltbar, weil der Loculus älter ist und nicht mehrgeöffnet wurde, weil er als das wichtigste Heiligtum der Kirche dabei auf die Seiteund hinter neutrales konstantinisches Mauerwerk verwiesen wird und weil die GebeinePetri selbstverständlich in einem Prachtsarkophag geborgen worden wären, wenn mansie gefunden hätte. Berichtigung: Erst S. 162 ist von dieser Bestattung die Rede,deren Sarg aus fünf einzelnen Platten zusammengesetzt ist. Die Autoren erklärensie für nachträglich angelegt.

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war. Die Änderungen konnten notwendig werden, weil das Tropaionmit den nur 1,45 Meter hohen Säulen an sich ein sehr zarter und wenigwiderstandsfähiger Bau war, oder auch durch Beschädigungen inden Zeiten von Verfolgungen. Nun ist zu beachten, daß der Bodendes Tropaions, der bis dahin ausgefüllt war, noch bevor der Marmor-belag verlegt wurde, zu dem die Platte a gehört, bis zur Tiefe von min-destens 1,50 Meter ausgegraben worden ist. Dabei wurde in das Fun-dament von RM die Nische N1 eingebrochen, der Hohlraum wohl biszum »fondo originario« wieder ausgefüllt, aber in keiner Weise aus-gemauert oder sonstwie hergerichtet. Hier hinein wurden nun bis indie Renaissance die Münzen geworfen. Dieser Vorgang spricht sehrdafür, daß man hier einmal nach dem Apostelgrab gesucht, aber nichtsgefunden hat, bis auf verstreute einzelne Gebeine, die man sammelteund bei o deponierte. Die Eingriffe mögen das Fundament von RMgeschwächt und das Entstehen des Risses verursacht haben, woraufdann die Umbauten notwendig geworden sein können. Dann ist esjedoch ratsam, sie alle erst in das vierte Jahrhundert zu datieren.

Unsere Untersuchung hat andere Resultate ergeben, als sie inder Veröffentlichung vorgelegt sind. RM ist unabhängig von jedemGedanken an das Apostelgrab entstanden an einer Stelle, wo christ-liche Gräber zwar möglich, aber nicht nachzuweisen sind. Das Tro-paion, das Gaius nennt, ist erst nach einer weiteren Veränderung derSituation etwa eine Generation später errichtet und enthielt keinesichtbaren Reste eines Grabes: seine Bestimmung ist die eines Gedächt-nisbaues, gewiß nicht an den Ort des Martyriums, sondern eher an dieBeisetzung, die man hier angenommen haben wird, ohne deren genaueStelle zu kennen. Da es indessen die einzige Memoria Petri war,kann sich im Laufe der Zeit die Vorstellung gebildet haben, dies seider Ort des Grabes, und man mag in der Zeit der ecclesia triumphansden Wunsch gehabt haben, die Reliquien zu bergen, wodurch dieNachgrabung veranlaßt wurde, die ebensowenig Resultate ergab, wiedie gegenwärtige. Es ist sogar denkbar, daß dieses Negativum nichtohne Einfluß auf die Bildung der doch sehr auffälligen Doppeltra-dition von einer Grabstelle auch ad catacumbas gewesen ist, unbe-schadet dessen, daß hier auch häretische Ansprüche mitgewirkthaben können. In der Folge entstanden Hypothesen von Transla-tionen und Retranslationen, die bis zum heutigen Tag weiter ent-wickelt worden sind; sie haben indessen durch die Grabung unter derPeterskirche eine klare Widerlegung erfahren, denn bis zum Jahre258 hat es hier kein sichtbares Grab gegeben, das eine Translationermöglichen konnte, und an eine Retranslation für den Bau der Ba-silika ist ebenfalls nicht zu denken, da man die Reliquien gewiß nicht

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wieder ohne jeden Sarg in den Boden geworfen, sondern sie feierlichaufgestellt hätte. Sie und nicht das Tropaion hätten den Mittelpunktder Basilika bilden müssen.

Die obigen Ausführungen dürfen nicht mißverstanden werden.Die Ausgrabungen haben gelehrt, daß Konstantin dasselbe geglaubthat, wie seitdem die ganze Welt und auch die Ausgräber: daß hierdas Apostelgrab gelegen habe. Wenn es nun nicht gefunden ist, sofolgt daraus nur, was zu vermuten war, daß man in der Frühzeit desChristentums das gewiß nur sehr bescheidene Grab noch nicht ver-ehrte, und daß es im Laufe von hundert Jahren in Vergessenheitgeraten war. Niemals aber darf geschlossen werden, daß es ein solchesGrab nie gegeben habe. Ich möchte vielmehr die Möglichkeit be-tonen, daß es sogar an dieser Stelle gelegen haben könnte, auch wennheute keine Reste mehr vorhanden sind.

The Aramaic Periodof the Nascent Christian Church

by Charles C. Torrey, Chicago Illinois.(5235 So. University Ave; Chicago 15 Illinois).

In the present writer's "Documents of the Primitive Church'*,1941 (now out of print), especial emphasis was laid on the earliest stageof Christian history, extending approximately from the year 30 to theyear 80. It was the purpose to throw light on certain features of thismost important period, features which in modern times have beenneglected and now are generally ignored. Here, it was said, is a phaseof early Church history which has remained almost completely unseen,a condition of far-reaching importance which has not been taken intoaccount by those who have dealt with Christian origins.

The reasons for this are not difficult to see. New evidence, longhidden, has been slowly coming to light, and has not been duly noticed.There has been, and continues to be, profound ignorance of the useof the Aramaic language, of the Old Testament teaching in regard tothe Messiah, and of the Jewish doctrine of inspired scripture (termed" prophecy").

The historical sketch here presented is called forth by the recentdiscovery of an ancient Christian document which may well be calledepoch-making. It is a formal record from the first century whichshows that the Church in the first stage of its existence had an officiallanguage, that the language was Aramaic, and that some acquain-tance with it was officially prescribed for the Greek churches. All this

Zeitschr. f. d. neutest. Wiss. 44. Band 1952/53 15

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