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Die Gestalt der slowenischen Geschichte am Beginn des dritten Jahrtausends: Die Suche nach dem eigenen Weg und mehr Von Andrej Hozjan Die slowenische Geschichtsschreibung war und bleibt zum Großteil auf die Erforschung der eigenen Vergangenheit gerichtet. Die konzeptuellen und inhaldichen Ausgangspunkte wur- den bis zum Ende der kommunistischen Ära gewöhnlich von der Staatsmacht auferlegt. Jedoch hat der Zusammenbruch des Kommunismus bei uns in dieser Beziehung keinen besonderen Wendepunkt dargestellt. Das heutige konzeptuelle Bild ist eine Anhäufung von drei Polen: die „französische" Geschichtsschule, aktuelle Trends (oral history, „gender" und kulturelle Ge- schichtsschreibung) und noch eine relativ starke Rolle der marxistisch-dialektischen Methode. Zum Großteil ist aber dieses Bild von der aktuellen Lage und der Stellung der Geschichtsschrei- bung in der slowenischen Gesellschaft abhängig. Mit der Geschichtsschreibung geschieht Ähn- liches wie mit den Geisteswissenschaften insgesamt: Diese bekommen immer mehr eine margi- nale Rolle in der Gesellschaft, verlieren das Ansehen und erfahren eine rückläufige Entwicklung im Vergleich mit den Natur- und Technikwissenschaften. Heute gibt es das Geschichtsstudium an allen drei slowenischen Universitäten - in Ljubljana, in Maribor und in Köper. Die Programme in Ljubljana und in Maribor sind teils er- neuert, teils veraltet, wogegen das Programm in Köper erst vor kurzem ins Leben gerufen wurde. Die Basis aller Programme bilden Grundfächer, unter denen die Nationalgeschichte die primäre Stelle einnimmt. Die eigentliche Position der Geschichtsschreibung als Fachgebiet im Verhältnis zu anderen Fachgebieten ist an den slowenischen Universitäten unterschiedlich und gewann gerade in letzter Zeit an Aktualität. Die Mehrzahl der größeren und kleineren For- schungsinstitute ist in Ljubljana konzentriert. Der Geschichtsunterricht in Slowenien erfuhr in den letzten zwei Jahrzehnten große Ver- änderungen in Inhalt und Unterrichtsplanung. Im Jahr 1990 begann die Erneuerung des gan- zen Mittelschul- Geschichtsunterrichts; sie fand ihr Ende nach einer sechsjährigen Zeit der Dis- kussionen und Verzögerungen durch den Beschluß eines neuen Lehrplans. Das neue Curricu- lum sollte die Aufmerksamkeit des Lehrfachs von der bislang politisch- und ereignisorientierten auf die soziale, ökonomische, kulturelle, sowie alltags- und lebensbezogene ethnologische Ebene ausdehnen. Dieser neue Lehrplan sollte aber die slowenische geschichtliche Erfahrung - so weit wie möglich objektiv und für die Schüler annehmbar - in den jeweiligen mitteleuropäi- schen und europäischen Rahmen einordnen. Die ersten grundlegenden Resultate bei den Schü- lern sind eher nur teilweise positiv. MIÖG 115(2007) Brought to you by | University of Kentucky Libraries Authenticated Download Date | 10/1/14 2:09 AM

Die Gestalt der slowenischen Geschichte am Beginn des dritten Jahrtausends: Die Suche nach dem eigenen Weg und mehr

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Die Gestalt der slowenischen Geschichte am Beginn des dritten Jahrtausends: Die Suche nach dem eigenen Weg

und mehr

Von Andrej Hozjan

Die slowenische Geschichtsschreibung war und bleibt zum Großteil auf die Erforschung der eigenen Vergangenheit gerichtet. Die konzeptuellen und inhaldichen Ausgangspunkte wur-den bis zum Ende der kommunistischen Ära gewöhnlich von der Staatsmacht auferlegt. Jedoch hat der Zusammenbruch des Kommunismus bei uns in dieser Beziehung keinen besonderen Wendepunkt dargestellt. Das heutige konzeptuelle Bild ist eine Anhäufung von drei Polen: die „französische" Geschichtsschule, aktuelle Trends (oral history, „gender" und kulturelle Ge-schichtsschreibung) und noch eine relativ starke Rolle der marxistisch-dialektischen Methode. Zum Großteil ist aber dieses Bild von der aktuellen Lage und der Stellung der Geschichtsschrei-bung in der slowenischen Gesellschaft abhängig. Mit der Geschichtsschreibung geschieht Ähn-liches wie mit den Geisteswissenschaften insgesamt: Diese bekommen immer mehr eine margi-nale Rolle in der Gesellschaft, verlieren das Ansehen und erfahren eine rückläufige Entwicklung im Vergleich mit den Natur- und Technikwissenschaften.

Heute gibt es das Geschichtsstudium an allen drei slowenischen Universitäten - in Ljubljana, in Maribor und in Köper. Die Programme in Ljubljana und in Maribor sind teils er-neuert, teils veraltet, wogegen das Programm in Köper erst vor kurzem ins Leben gerufen wurde. Die Basis aller Programme bilden Grundfächer, unter denen die Nationalgeschichte die primäre Stelle einnimmt. Die eigentliche Position der Geschichtsschreibung als Fachgebiet im Verhältnis zu anderen Fachgebieten ist an den slowenischen Universitäten unterschiedlich und gewann gerade in letzter Zeit an Aktualität. Die Mehrzahl der größeren und kleineren For-schungsinstitute ist in Ljubljana konzentriert.

Der Geschichtsunterricht in Slowenien erfuhr in den letzten zwei Jahrzehnten große Ver-änderungen in Inhalt und Unterrichtsplanung. Im Jahr 1990 begann die Erneuerung des gan-zen Mittelschul- Geschichtsunterrichts; sie fand ihr Ende nach einer sechsjährigen Zeit der Dis-kussionen und Verzögerungen durch den Beschluß eines neuen Lehrplans. Das neue Curricu-lum sollte die Aufmerksamkeit des Lehrfachs von der bislang politisch- und ereignisorientierten auf die soziale, ökonomische, kulturelle, sowie alltags- und lebensbezogene ethnologische Ebene ausdehnen. Dieser neue Lehrplan sollte aber die slowenische geschichtliche Erfahrung -so weit wie möglich objektiv und für die Schüler annehmbar - in den jeweiligen mitteleuropäi-schen und europäischen Rahmen einordnen. Die ersten grundlegenden Resultate bei den Schü-lern sind eher nur teilweise positiv.

MIÖG 115(2007) Brought to you by | University of Kentucky Libraries

AuthenticatedDownload Date | 10/1/14 2:09 AM