Die Landschaft Bukowina

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    Kurt Scharr

    „Die Landschaft Bukowina“

    Das Werden einer Region an der Peripherie 77–

    · ·  

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    Gedruckt mit Unterstützung durch

    den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung 

    die Universität Innsbruck 

    das Land Kärnten

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    ISBN 7---7-

    Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Über-setzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auffotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Daten-verarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

    © by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, Wien · Köln · Weimarhttp://www.boehlau.athttp://www.boehlau.de

    Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier.

    Druck: General, HU-Szeged

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    Inhalt

    Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Einleitung und Einordnung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    . Zentrum – Peripherie – Region – Kulturlandschaft . . . . . . . . . . . . .   . Kulturlandschaft und ihre Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . .

      . Kulturlandschaft als Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    . Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick   . . . . . . . . . . . .

    . Stand der Bukowinaforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Presse und Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Überblicksdarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Perspektivische Betrachtungen im Überblick . . . . . . . . . . . . . .   .. Die österreichische Literatur bis  . . . . . . . . . . . . . . . . .   .. Die großrumänische Literatur bis  . . . . . . . . . . . . . . . .   .. Die national-ukrainische Literatur nach    . . . . . . . . . . . .   .. Die national-rumänische Literatur nach   . . . . . . . . . . . .   .. Die national-deutschsprachige Literatur   . . . . . . . . . . . . . . . 7

    . ‚Die Landschaft Bukowina‘.Das Entstehen der Region im Bild historischer Karten und Reiseberichte   . 7

      . Vom Grenzsaum zur Grenzlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

      . Methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Frühe Darstellungen bis zur Türkenbelagerung Wiens . . . . . . .   . Vom ‚éâtre de la Guerre‘ bis zur Erwerbung der Bukowina . . . . . .   . Die Bukowina als zentraler Karteninhalt und Reiseziel. . . . . . . . . .

    . Von der Oberen Moldau zur Bukowina. Das Werden einer Staatsgrenze  . .   . Die Bukowina und ihre Grenzen 77– . . . . . . . . . . . . . . .   . Die sichtbare Grenze im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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    Inhalt

      . Grenzziehung und innenpolitische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . .   . Grenzlinien interregionaler Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . .

    . Innere Verwaltungsentwicklung zwischen Persistenz und Fortschritt . . . .   . Wiener Direktverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Politische Landeseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Kirchliche Verwaltungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Als Kreis Galizien-Lodomeriens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Die Geburt des Kronlandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7  . Die Bukowiner Landespetition . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   .7 Zentrale und regionale Eliten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7  . Vertikaler Verwaltungsaufbau nach . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    . Ökonomische Landeseinrichtung und moderner Territorialstaat  . . . . . . 7   .  Staatspolitische Voraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    7. Ansiedlungsphasen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7..  Ansiedlungsphase –. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7.. Ansiedlungsphase – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7..  Ansiedlungsphase – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7. Der Umgang mit der Ansiedlung am lokalen Beispiel . . . . . . . . . .   7..  Ansiedlung autochthoner Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . .   7.. Kolonisation aus dem Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7.. Der Hausbau für Kolonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    . Grenzfrage und nationales Erwachen –   . . . . . . . . . . . . . .   . Nationalitätenproblematik und Ausgleich . . . . . . . . . . . . .   . Radikalisierung und Aufbrechen des Konsenses: der Erste Weltkrieg. . .   . Das Rückschlagen des Pendels. Das Wiedererstarken der Sowjetunion. .

    . Zusammenfassende Betrachtungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Ideologiezentrierte Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Akteurszentrierte Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . Organisationszentrierte Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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    7Inhalt

     Anhang 

      I. Archivalien österreichischer Provenienz in der Bukowina . . . . . . . . .

      a) Staatliches Archiv der Černivec’ka Oblast’ . . . . . . . . . . . . . .   b) Die Archive in Suceava, Bukarest und Lemberg . . . . . . . . . . .   II. Die Bukowina. Chronologisch-synoptische Skizze

    ihrer Entwicklung 77– . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   III. „Ausweis über die Buckowiner Ortschaften, Czernovitz . xb r7“ . . .   IV. Verzeichnis der an die Sowjetunion abgetretenen Ortschaften

    in der Nordbukowina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7  V. Bevölkerungsentwicklung in der Bukowina von 77– . . . . . . . . 7  VI. Literaturverzeichnis – Verzeichnis der gedruckten Quellen . . . . . . . .

      VII. Kartenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  VIII. Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7  IX. Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   X. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7  XI. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7  XII. Geographisch-synoptischer Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

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    Meiner Familie

    N-oi uita vreodată, dulce Bucovină,Geniu-ţi romantic, munţii în lumină,Văile în flori,Rîuri resăltînde printre stînce nante,

     Apele lucinde-n dalbe diamante

    Peste cîmpii-n zori.

     Ale sorţii mele plîngeri şi surîse,Îngînate-n cînturi, îngînate-n viseTainic şi uşor,Toate-mi trec prin gîndu-mi, trec pe dinainte,Inima mi-o fură şi cu dulci cuvinteÎmi şoptesc de dor.

    Numai lîngă sînu-ţi geniile rele,Care îmi descîntă firul vieţii mele,Parcă dormita;Mă lăsară-n pace, ca să cînt în lume,Să-mi visez o soartă mîndră de-al meu numeŞi de steaua mea.

    Cînd pe bolta brună tremură Selene,

    Cu un pas melodic, cu un pas aleneLin în calea sa,Eol pe-a sa arpă blînd răsunătoareCînt-a nopţii dulce, mistică cîntare,Cînt din Valhala.

     Atunci ca şi silful, ce n-adoarme-n pace,Inima îmi bate, bate, şi nu tace,

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    Tremură uşor,În fantazii mîndre ea îşi face cale,Peste munţi cu codri, peste deal şi vale

    Mînă al ei dor.

    Mînă doru-i tainic colo, înspre tine,Ochiul îmi sclipeşte, genele-mi sunt pline,Inima mi-e grea;

     Astfel, totdeauna cînd gîndesc la tine,Sufletul mi-apasă nouri de suspine,Bucovina mea!

    Mihai Eminescu

    ex C () auch  http://ro.wikisource.org/wiki/La_Bucovina   (Abrufdatum .IX.)

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    Zum Geleit

    Lucien Febvre, dessen fächerübergreifende Ausbildung zum Historiker und  Geographenmaßgeblich sein späteres wissenschaftliches Werk geprägt hat, soll des Öfteren betont ha-ben, er „habe immer nur ein einziges Mittel [gekannt], um die große Geschichte richtigzu erfassen und richtig zu verstehen. Es besteht darin, zuallererst, von Grund auf undihrer gesamten Entwicklung nach über die Geschichte einer Region, einer Provinz zuverfügen.“

    Die hier präsentierte Studie über die Kulturlandschaft Bukowina, vom Historiker undGeographen Kurt Scharr als Frucht einer mehrjährigen Forschungsarbeit vorgelegt, ist

    ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sich – ganz im Sinne des Diktums von LucienFebvre – die große Geschichte (der Habsburgermonarchie) im kleinen Raum (der Buko-wina) gebündelt wiederfindet. Sie illustriert aber auch, zu welch überzeugenden Ergeb-nissen die interdisziplinäre Verbindung von historischen und geographischen Methoden,die analytische Verknüpfung der Kategorien von Zeit und  Raum beispielhaft führen kön-nen. Dieser Verknüpfung ist im vorliegenden Fall das faszinierende Bild einer Kultur-landschaft  im Osten Europas zu verdanken, einer Kulturlandschaft an der Grenze , derenunverwechselbare Signatur sich aus der gegenseitigen Durchdringung von naturräumli-chen Gegebenheiten und menschlichem Eingreifen entlang der historischen Zeitachsevom frühen achtzehnten Jahrhundert bis ins zwanzigste Jahrhundert – im Brennpunktdreier an sie grenzender Großmächte – herausgebildet hat.

    Kurt Scharr nähert sich dem einstigen habsburgischen Kronland Bukowina, das heutemit seinem nördlichen Landesteil zur Ukraine, mit dem südlichen zu Rumänien ge-hört, von drei verschiedenen Forschungsperspektiven her an. Breiter Raum ist dabei demgegeben, was Kurt Scharr den ideologiezentrierten Aspekt  seiner Betrachtungen nennt,der Frage nämlich, wie die jeweiligen politisch-historischen Rahmenbedingungen denBlick auf den Raum geprägt haben – und es in der Folge davon dann dieser Blick selbst

    gewesen ist, der den Raum seinerseits geformt und gebildet hat: Vom ursprünglichen,wenig beachteten Niemandsland der Moldau irgendwo an der osmanisch-russisch-habsburgischen Peripherie zum Kriegstheater  Bukowina, das im Verlauf der Auseinan-dersetzungen zwischen Russland, der Habsburgermonarchie und dem OsmanischenReich politisch immer bedeutsamer wurde, dann auf die habsburgische Grenzregion,die vom Wiener Zentrum aus gewissermaßen zum kolonisierten Raum an der Peripherie

    F (): 7.

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    erst gemacht wurde. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der systematischen Analyse vontopographischen und politischen Kartenwerken ein ebenso großer Stellenwert zu wieder Aufarbeitung der Bukowina-relevanten Literatur, der Reiseberichte bzw. historischen

     Abhandlungen über  das Buchenland  Bukowina von den Anfängen bis heute.Der zweite organisationszentrierte Aspekt  begreift die Entstehung dieser osteuropäi-schen Kulturlandschaft von der raumformenden Funktion institutioneller und politischerEinrichtungen her. Rechtsnormen, Verwaltungsstrukturen und Verwaltungsfunktionen,aber auch kirchenpolitische Maßnahmen (wie z. B. der griechisch-orientalische Religi-onsfonds) veränderten in den unterschiedlichen Perioden habsburgischer Herrschaft dienaturräumlichen Gegebenheiten in einem bis heute fortwirkenden Ausmaß. Es formtesich zunächst die habsburgisch kontrollierte Grenzregion, die – in Wechselwirkung vonaußen- und innenpolitischen Entwicklungen zwischen Zentrum und Peripherie – für

    den Herrschaftsraum der Monarchie überhaupt erst eine neuartige Staatsgrenze heraus-bildete. Ursprünglich noch weitgehend der Verwaltung durch lokale Eliten überlassen– wobei sich im Zuge dieses Vorgangs, wie Kurt Scharr es gerne formuliert, ältere vor-habsburgische administrative Herrschaftsstrukturen durchpausten –, verwandelte sichder politisch organisierte Raum noch im späten achtzehnten Jahrhundert zum Kreis desKönigreichs Galizien-Lodomerien, in den der staatliche Arm des Wiener Zentrums nunvermittelt durch eine übergeordnete regionale Behördenstruktur tief eingreifen konnte;schließlich gestaltete sich das neue Kronland Bukowina nach als Kompositum un-terschiedlicher ethnischer und politisch-kultureller Gesellschaftsgruppen zu jener cha-rakteristischen Kulturlandschaft , deren Spuren sich bis in die Gegenwart hinein nun ih-rerseits durchpausten.

    Die akteurszentrierte  Perspektive schließlich nimmt die Menschen in den Blick, denendie Gestaltung dieser Kulturlandschaft zu danken war. Hier reicht das Spektrum sehrweit, von den ursprünglichen lokalen Eliten über die zentralen Herrschaftsträger zu denstaatlichen Verwaltungsbeamten und kirchlichen Amtsinhabern bis hin zu jenen Kolonis-ten, deren mangelnde Bereitschaft zu effizienter Kolonisierungsarbeit (ihre Faulheit beimvorgeschriebenen Hausbau wurde durch die Behörden verschiedentlich gebrandmarkt)

    Einblick zu geben vermag in die Alltagsbewältigung der oft mühseligen Lebensbedin-gungen im realen Raum, der für den konstruierten Raum seinerseits die entscheidendenVoraussetzungen schuf. Und nicht zuletzt findet sich unter diesem Gesichtspunkt diemultiethnische, multinationale und multireligiöse Vielfalt wieder, die in der Kulturland-schaft Bukowina die unterschiedlichsten Gruppen von Menschen zusammenführte unddie ihr den Ruf einbrachte, gewissermaßen als Miniaturausgabe der Habsburgermonar-chie, eine Art Vielvölkerreich im Kleinen zu sein.

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    Herr Scharr legt mit dieser Arbeit eine materialgesättigte, reich bebilderte und mitausgewähltem Kartenmaterial überaus anschaulich gemachte historisch-geographischeStudie vor, der an dieser Stelle eine zahlreiche interessierte Leserschaft zu wünschen ist.

    Darüber hinaus wäre es natürlich auch zu begrüßen, wenn dieses Buch aus der Feder vonKurt Scharr dazu beitragen könnte, dem erklärten Ziel seines Autors ein wenig näher zukommen: Dass nämlich die Kulturlandschaft Bukowina  in der „inneren Landkarte“ deseuropäischen Bewusstseins etwas mehr nach Westen rückt, so dass diese nach wie vorkaum bekannte Region „irgendwo im Osten“ sehr viel stärker, als dies bisher der Fallwar, als unverzichtbarer Bestandteil unserer gemeinsamen ost- bzw. mitteleuropäischenGeschichte und Kultur verstanden und wahrgenommen wird.

    Brigitte Mazohl, Innsbruck 

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    Herr Dr. Kurt Scharr führt bereits seit mehreren Jahren historisch-geographische Studienüber die Bukowina durch, die besondere Beachtung verdienen. Bis zum Ersten Weltkriegwar Czernowitz nicht nur die Hauptstadt des Kronlandes Bukowina, sondern auch derStandort der östlichsten deutschsprachigen Universität der Habsburgermonarchie. Ansie wurden viele junge Professoren berufen, die später in Wien und anderen bedeuten-den Universitäten Karriere gemacht haben. Manche dieser Wissenschaftler beschäftig-ten sich auch mit Land und Leuten dieses fernen Kronlandes, so dass die Verhältnisseim neunzehnten Jahrhundert verhältnismäßig gut dokumentiert sind. Nach sind

    hingegen nur noch sehr wenige deutschsprachige Untersuchungen über die Bukowinaerschienen und von bis kamen kaum noch Besucher aus dem Westen in diesesnun weitgehend vergessene Land, das nach dem Ersten Weltkrieg Rumänien zugespro-chen worden war, bevor unter Stalin ein erheblicher Teil an die Sowjetunion bzw.die Ukraine angegliedert wurde.

    In dieser Publikation werden nach der ausführlichen Diskussion des Forschungsstan-des vorwiegend die Ergebnisse der historisch-geographischen Untersuchungen der Zeitvor veröffentlicht. Dabei konnte sich Herr Kurt Scharr auf die vielfältigen altös-terreichischen Quellen stützen, die er in den Archiven von Czernowitz und Lemberg(Ukraine) sowie Suceava und Bukarest (Rumänien) eingesehen hat. Dabei bedurfte eseines beachtlichen Geschickes, um an diese Quellen heranzukommen, und einer hohenSachkompetenz bei deren Auswertung. Bei der Publikation von Herrn Kollegen Scharr,die ein sehr hohes Engagement erfordert hat, handelt es ich um keine auf Vollständigkeitausgerichtete, klassische Monographie. Die einzelnen Abschnitte behandeln wichtigeFragestellungen in der kulturlandschaftlichen Entwicklung der Bukowina und helfen,bemerkenswerte historisch-geographische Prozesse dieser Region in ihrer Gesamtheit zuanalysieren. Die Ergebnisse dieser Forschungen verdienen es, über den regionalen Be-

    zugsrahmen hinaus beachtet zu werden.

    Hugo Penz, Innsbruck 

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    Danksagung 

    Besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle meinen verehrten Lehrern Frau Ord.Univ-Prof. Dr. Brigitte Mazohl und Herrn tit. ao. Univ.-Prof. Dr. Hugo Penz ausspre-chen. Beide unterstützten mich immer kritisch mit ihren Kommentaren und tatkräftigenIdeen, waren aber darüber hinaus auch für jede Diskussion stets offen und halfen mirdadurch, einen breiten wie prägenden Zugang zu beiden Fächern zu erschließen. Glei-ches gilt für das Institut für Geschichte und Europäische Ethnologie und der GeographieInnsbruck, die mir dafür den institutionellen Rahmen und die Infrastruktur zur Verfü-gung stellten.

    Mehr als es schriftliche Dankesworte auszudrücken vermögen, bin ich all jenen Mit-arbeitern und mittlerweile guten Kollegen wie Freunden in den Archiven von Czerno-witz und Bukarest verbunden, die mir ungeachtet der eigenen, oft genug überaus schwie-rigen Situation keine Bestellwünsche ausschlugen und mir in der Diskussion immerwieder hilfreiche Hinweise geben konnten. Auch gedankt sei den Kollegen der Wiener

     Archive, allen voran dem Österreichischen Staatsarchiv und der Nationalbibliothek so-wie jenen in Lemberg, Suceava und Moskau.

    Letztlich sind die Ergebnisse dieser Arbeit zu einem gewichtigen Teil vor allem aufdie Offenheit und Warmherzigkeit meiner Bukowiner Freunde zurückzuführen, die ichin den vergangenen Jahren überaus zu schätzen lernte und die mich vom ersten Tag alseinen der Ihren aufgenommen haben.

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     Abb. 1

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    Einleitung und Einordnung der Arbeit

    Die Kulturlandschaftsforschung hat in den vergangenen Jahren sowohl in den Fächernder Geschichte als auch der Geographie ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben.Einerseits scheint die (deutschsprachige) Geschichtswissenschaft den am Beginn deszwanzigsten Jahrhunderts erlittenen Schock langsam überwunden zu haben und zumRaum als beachtenswerte historische Kategorie zurückzukehren. Andererseits gelanges auch der deutschsprachigen Geographie, sich von den absoluten Forderungen nacheiner strikt nomologischen Zielsetzung und stark qualitativen Methodenorientierungetwas abzusetzen und sich wieder vermehrt auch einer Betrachtungsweise mit einem

    Schwerpunkt in der Regionalforschung und der genetischen Kulturlandschaftsforschungzuzuwenden. Letztlich erscheint es gerade in diesem Forschungsfeld möglich, die Dif-ferenzen, die zwischen beiden Fächern jahrzehntelang die Diskussion um die eigene Ab-grenzung vorgaben, zugunsten eines übergreifenden, gemeinsamen Ansatzes zu überwin-den.

    Die umfassende Beschäftigung mit einer Kulturlandschaft setzt zwei wesentliche Di-mensionen der Annäherung voraus: eine historische – von der Zeit geleitet – und eine geo-graphische – vom Augenblick geformte. Beide verlangen eine Betrachtung auf der Ebeneder Region selbst, gewissermaßen ihr Inne7nleben analysierend, und auf der größerenEbene eine Berücksichtigung der dynamischen Beziehung dieser Region zu ihrem Umfeldbzw. zu ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Zugehörigkeit und Ausrichtung. Die Kultur-landschaft lebt  im Spannungsfeld dieser beiden Ebenen und der zeitlichen Dimension.

    Bei der Analyse raumbildender wie raumformender Prozesse in der Bukowina  trifftder Gedanke Siegfried Kracauers über einen der Gründe seiner Auseinandersetzung mit

    Hier sei nur stellvertretend die Arbeit von K. Schlögel erwähnt, die auf durchaus populäre Weise einenanregenden Diskussionsbeitrag dazu geleistet hat. S (). Aber schon einige Jahre zuvor hat-

    ten Historiker begonnen, sich in einer breit gefächerten Annäherung mit dem Raum und seiner sichwandelnden Wahrnehmung auseinanderzusetzen. Vgl. etwa T (), O (),L ().

    Vgl. etwa die aktuellen Lehrbücher und Diskussionsbeiträge zur Geographie: G et al. (Hg.)(7), S & S (Hg.) (), E & L (Hg.) ().

    In der Folge wird in diesem Zusammenhang neben den üblichen, politischen Bezeichnungen auch derBegriff ‚Bukowina ‘ verwendet. Ausdrücklich bezogen auf die Zeit von 77– wird von der ‚öster-reichischen Bukowina‘, von – von der ‚königlich-rumänischen Bukowina‘ und von –von der ‚sowjetischen Bukowina‘ bzw. von in Bezug auf den nördlichen Landesteil auch von derukrainischen Bukowina gesprochen.

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    Einleitung und Einordnung der Arbeit

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    Einleitung und Einordnung der Arbeit

    lichtes Material, kartographische Umsetzung und durch zahlreiche Abbildungen ergänztin einen neuen und erweiterten Erkenntniszusammenhang zu stellen. Darüber hinausbietet sie die Möglichkeit, über die Zusammenschau ein in der bisherigen Beschäftigung

    mit der Bukowina weniger bekanntes Bild nachzuzeichnen. Das Bild einer im Innerenvielgestaltigen Kulturlandschaft und ihrer Genese.Die vorliegende Arbeit, basierend auf einem interdisziplinären Ansatz, ist das Ergeb-

    nis einer breit angelegten regionalen Annäherung aus verschiedenen Blickwinkeln so-wie ihrer Verflechtung in größeren Zusammenhängen der europäischen Entwicklung.Diese Aspekte bedienen sich in ihrer Methodik und untergeordneten Fragestellungeneines Instrumentariums, das beiden universitären Fächern der Geographie als auch derGeschichte in ihrem jeweilig singulären Zugang vertraut ist, in ihrer Gemeinsamkeitaber selten Anwendung findet. Für den Außenstehenden mögen sich daraus stellenweise

    Schwierigkeiten mit den Begrifflichkeiten ergeben, die sich aus dem gewählten Zugangheraus nicht vermeiden lassen. Vielfach haben sich Geschichte und Geographie weit aus-einanderentwickelt und die wechselseitige Wahrnehmung der jeweiligen Ansätze undForschungsergebnisse ist zum Teil minimal, sodass es häufig vorkommt, dass Erkennt-nisse und Grundannahmen eines Faches vom anderen nicht als solche gesehen oder garabgelehnt werden. Nun ist hier nicht der Platz, diese Diskussion aufzugreifen, wenn-gleich sie zu erwähnen mir wichtig erscheint. Der Autor bittet daher um Nachsicht,wenn jeweils fachspezifische Termini, Standpunkte u. Ä. nicht über das unbedingt Nö-tige hinaus erläutert werden.

    Der Aufbau der Arbeit gliedert sich wie folgt: Im vorangestellten Kapitel zur eorie (.)wird zunächst der Zugang und die Verbindung zwischen den Begriffen „Zentrum-Peri-pherie-Region-Kulturlandschaft“ gedanklich aus historischer wie geographischer Sichtauf Basis neuerer Ansätze durchgespielt, um damit gleichzeitig einen großmaschigenRaster zur Einordnung des eigenen Forschungsbeitrages zur Verfügung zu stellen. Letzt-lich berührt die Frage nach der Herausbildung einer ‚neuen‘ Kulturlandschaft in dieserRegion, ihrem strukturellen wie mentalen Fortbestehen nach und nach den erheb-

    lichen Einschnitten während des Zweiten Weltkrieges auch die schrittweise seit /wieder erfolgte, differenzierte Annäherung an die eigene Vergangenheit. Insgesamt mussdie Antwort darauf an dieser Stelle jedoch weitgehend offen bleiben und kann lediglicheinen Anstoß zu weiteren Forschungen liefern.

    Nach diesem einleitenden theoretischen Abschnitt widmet sich die Arbeit in einemweiteren Schritt der Einführung in die aktuelle Geographie der Region (.) selbst. Demfolgt eine umfassende Diskussion des Forschungsstandes über die Bukowina mit einemSchwerpunkt auf den Publikationen der Zeit nach (.). Die Analyse der politischen

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    Einleitung und Einordnung der Arbeit

    Mental Map zeitgenössischer europäischer Machtzentren zu dieser Region (.) versucht,den Wahrnehmungswandel dieses Raumes durch wechselnde Skalierung, aber auch zu-nehmend komplexere kartographische Darstellungen wie Beschreibungen, ausgehend

    vom sechzehnten Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg, zu erläutern und in einen mit-teleuropäischen Gesamtkontext zu stellen. Die Kapitel fünf bis sieben betrachten im Anschluss – zurückgekehrt auf die Ebene der Region – parallel verlaufende, sich aberebenso gegenseitig bedingende Aspekte in der Genese des österreichischen Kronlandes(Grenzziehung nach außen .], innerer Verwaltungsaufbau .] sowie Ansiedlung undLandeserschließung 7.]).

    Ein abrundender Teil (.) widmet sich einem exemplarisch anzusprechenden Teilas-pekt, der einerseits die Dynamik dieser Kulturlandschaft zu unterstreichen sucht undandererseits – über den zeitlichen Rahmen der Arbeit längsschnittartig hinaus – einen

    wichtigen Kreuzungspunkt ihrer Gesamtentwicklung symbolisiert. Die gegen Ende desneunzehnten Jahrhunderts virulent werdende Frage nach der Zugehörigkeit zwischen ei-nem supranationalen Unum Totum oder einer zentrifugalen Irredenta, die eine national-territoriale Einheit verlangt, wirft die Grenzproblematik erneut auf und stellt damit denGesamtstaat in Frage. Abschließend folgt in einer übergeordneten Zusammenschau (.)eine Ergebnisdiskussion, die sich sowohl der inhaltlichen Frage nach den aus der vorlie-genden Arbeit neu gewonnenen Erkenntnissen wie offenen Forschungsfeldern widmet,aber auch versucht, den Mehrgewinn durch den zwischen Geographie und Geschichteliegenden, gewählten methodischen Ansatz noch einmal herauszustreichen.

    Neben den Verzeichnissen und Indizes soll der Anhang mit einer ausführlichen Dar-stellung österreichischer Archivalien im Czernowitzer Archiv und den für die Bukowinarelevanten Einrichtungen in Suceava, Bukarest und Lemberg Interessierten wie Kollegendie Möglichkeit in die Hand legen, neue Facetten dieser Kulturlandschaft zu erschließenund alte zu überdenken. Darüber hinaus ergänzt eine Auswahl von beigefügten Quelleneinzelne Kapitel der vorliegenden Arbeit.

    Kyrillische Schriftzeichen werden in wissenschaftlicher Transliteration wiedergegeben,

    in den Literaturverweisen bzw. in der angehängten Literaturliste im Original mit Über-setzung des Titels ins Deutsche. Letzteres betrifft auch die rumänischen oder polnischenTitel. Namen in Russisch oder Ukrainisch werden ebenso auf diese Weise transliteriert.In den angehängten Indizes findet sich die Schreibweise im Ausgangsalphabet. DieSchreibweise der Ortsnamen für die historische, österreichische Bukowina richtet sichgenerell nach der heute gebräuchlichen Version, um die im zeitlichen Wechsel zwischenrussischer, ukrainischer oder rumänischer Beschilderung möglichen Missverständnissevon vornherein auszuschließen. In den Abbildungen bzw. im Kontext historischer Ver-

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    waltungseinheiten wird die „österreichische“ Schreibweise laut Volkszählung von beibehalten. Toponyme mit einer üblichen Entsprechung im Deutschen (z. B. Czerno-witz, Lemberg) wurden auch so wiedergegeben. Über den geographisch-synoptischen

    Index im Anhang lassen sich alle Orte sowohl in gegenwärtiger als auch in der jeweilighistorischen Schreibweise identifizieren.Die vorliegende Publikation über die Bukowina entstand aus den Ergebnissen eines

    von bis vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Öster-reich durchgeführten Projektes.7 Die Arbeit versteht sich ebenso als ein Beitrag zur neue-ren historisch-geographischen Kulturlandschaftsforschung wie zum Fach ÖsterreichischeGeschichte.

    Innsbruck, im September

    7 FWF- P, „Siedlungs- und Staatsorganisation der Bukowina 77–“, durchgeführt am Institutfür Geschichte und Europäische Ethnologie sowie am Institut für Geographie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

    Einleitung und Einordnung der Arbeit

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    . Zentrum – Peripherie – Region – Kulturlandschaft

    „Kultur“ und „Raum“ als Ziele „neuer“ Forschungsansätze („Cultural Turn“, „SpatialTurn“), sowohl in der Geographie als auch in der Geschichtswissenschaft, erlebten inden vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Zulauf. Auf verschiedenen Maßstab-sebenen wird versucht, ältere Konzeptionen zu überdenken, umzuwerfen und neu zu er-schließen. Von besonderem Interesse erscheint dabei die innere Verbindung, die sich ausder Sicht zwischen Zentrum-Peripherie-Region-Kulturlandschaft neu stellt und kleinere,vorher von der Wissenschaft kaum wahrgenommene Strukturen als Forschungsobjekt inden Vordergrund hebt, ohne dabei die größeren Zusammenhänge außer Acht zu lassen,

    sie im Gegenteil verstärkt zueinander in eine neue Beziehung setzt. Die dabei in der Dis-kussion vielfach angesprochene Idee, den Raum als einen Ort der Vielfalt wahrzuneh-men, ihn bewusst dem „zeitlich-linearen Universalismus“ der Großen Erzählung gegen-überzustellen und dadurch regionale Besonderheiten insgesamt aufzuwerten, erscheintin diesem Zusammenhang von besonderem Interesse auch für die vorliegende Studie.

    Diese Begriffe sind darüber hinaus Teil verschiedener Wissenschaftsdisziplinen,gleichzeitig aber auch in der alltäglichen Diskussion präsent und mit der zusätzlichenHereinnahme des zeitlichen Faktors überaus wandelbar und komplex. Sie erfahren nichtnur einen „systematischen“ Zugang, der selbst innerhalb der Wissenschaft durch ihrenvorwiegend idiographischen Gehalt zu einer großen Verständnisvielfalt und Diskrepan-zen führt, sondern auch einen lebensweltlichen, der bereichernd wirkt und gleichzeitigdie Diskussion erschwert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit über die Bukowina fin-den diese Begrifflichkeiten Anwendung, ihr Sinngehalt, ihre Rezeption und ihre Kons-truktion wie Dekonstruktion stehen vielfach im Mittelpunkt der Analyse. Es erscheintdaher unbedingt notwendig, in Ansätzen auf Konzeptionen, die diese Begrifflichkeiten

    Vgl. etwa den von H. Gebhardt u. P. Reuber gestalteten Abschnitt zur Humangeographie in G

    et al. (Hg.) (7): 7–7. Der „turn“ brachte in der Geographie den „Raum“ nicht in die grundsätz-liche Analyseebene als Forschungsgegenstand zurück – so wie in der Geschichtswissenschaft –, sondernder Raum wird in der Geographie zunehmend (abseits seiner objektiven Struktur) als Projektionsflächeder jeweiligen Gesellschaft wahrgenommen (sowohl in der gegenwärtigen Betrachtung als auch in derGenese). Besonders in letzterem Aspekt schneiden sich die Erkenntnisinteressen beider Fächer vermehrt.Vgl. D (). Die Geographische Zeitschrift widmete diesem ema etwa als Ergebnis einer Jahresta-gung der deutschen Akademie für Landeskunde, die am . Oktober in Bonn stattfand, eine ganze

     Ausgabe (, Bd. , H. ). Vgl. den Sammelband D (Hg.) (). Vgl. R (): .

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    Zentrum – Peripherie – Region – Kulturlandschaft

    transportieren, einzugehen. Um jedoch eine in diesem Rahmen unangebrachte Uferlo-sigkeit von vornherein zu unterbinden, ist es zweckmäßig, sich hier auf eine Auswahlwissenschaftlicher Perspektiven von Geschichte und Geographie zu beschränken, zumal

    beide Fächer den Nährboden des subjektiven Zugangs zu dieser Arbeit bilden und ineinem (nicht nur historischen) Naheverhältnis stehen, das sich durch aktuelle methodo-logische Diskurse neu zu definieren beginnt. Es ist dem Autor bewusst, dass selbst dieskein lückenloses Unterfangen sein kann, denn mehr eine Anregung und Reflexion deseigenen Ansatzes.

    .

    Der „spatial turn“ schlägt selbst in der Geographie als die  Raumwissenschaft schlechthinzu Buche und belebt die Diskussion um ein spätestens seit dem Kieler Geographen-tag heftig umstrittenes Objekt geographischer Forschung wieder: die Kulturland-schaft. In Kiel setzte ein Paradigmenwechsel in der Geographie ein, der die traditionellhistorisch-geographische Kulturgeographie – auch im Hinblick auf die negativen Erfah-rungen der Zeit vor – strikt ablehnte und eine verstärkte Hinwendung des Facheszur allgemeinen, „problemlösungsorientierten“ wie „aktuellen“ Geographie forderte undsomit den historisch-genetischen Ansatz bewusst vernachlässigte. Mittlerweile erfährt dieKulturgeographie durch neue Zugänge etwa der Kulturlandschaftspflege oder der Fragenach Raum und Identität seit einigen Jahren wieder an Beachtung. Kulturlandschaf-ten werden in diesem Zusammenhang immer mehr als grundlegende Ressourcen zu-künftiger Entwicklungen von Regionen verstanden und damit verstärkt Gegenstand vonFragen nach ihrer Erhaltung wie dynamischen Weiterführung. Vor dem Hintergrundder erstarkten Raumbezogenheit bzw. der Kulturlandschaft als Forschungsobjekt war dieFrage nach Identitäten neu zu formulieren. Ähnliche Entwicklungen ergaben sich auchin anderen Teilbereichen der Geographie, die ergänzende wie erweiternde Perspektivenliefern. So ist beispielsweise eine eindeutige Verlagerung des Betrachtungsstandpunktes

    innerhalb der Politischen Geographie auf handlungsorientierte Ansätze festzustellen, dieden Raum als eine subjektiv wahrgenommene Konstruktion sehen. Räumliche Struktu-ren werden als Kompositum von Geographien der Macht, politischer und sozialer Kom-

    Vgl. B & P (Hg.) (7). Vgl. S & S (): hier besonders den Beitrag von W. Schenk „Der siedelnde

    Mensch“, –. Vgl. P (7).

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    Kulturlandschaft und ihre Konstruktion

    munikationcodes erkannt.7 Die Kulturlandschaftsforschung erfährt dadurch in ihremüberdachten Ansatz einen wesentlichen Impuls.

    Neue Kulturgeschichte und Neue Politische Geschichte nähern sich diesem Ver-

    ständnis ebenso diskursiv über die Politische Kommunikation, deren Strukturen (So-ziales, Ökonomisches, Religiöses, Kulturelles, Moralisches) ihre Umsetzung ins Politi-sche erst in einem konkreten Raum erfahren. Die Größe des physischen Raumes bzw.die Skalierungsebene kann dabei durchaus entscheidend sein. Die Bukowina gehörtebis im Verband der Donaumonarchie zu „Mitteleuropa“ (wenn man von der ös-terreichisch-habsburgischen Konzeption dieses Begriffes ausgeht). Nach ist sie ge-samträumlich aufgrund ihrer staatlichen Zugehörigkeit häufig als Teil „Südosteuropas“kategorisiert worden, obwohl Anlage und Struktur der Bukowina etwa im Vergleich zumrumänischen Regat zunächst noch wesentlich stärker in der untergegangenen geopoli-

    tischen Situation verankert waren und in Teilen bis heute eine hohe Persistenz aufwei-sen. Daher scheint es zur Analyse notwendig und gerechtfertigt, die bei Sundhaussen und Troebst vorgeschlagene Betrachtungsebene von einer Meso- auf eine Mikroregionmit einem wesentlich größeren Maßstab herunterzusetzen. Die so verstandene Kultur-landschaft Bukowina als Geschichtsregion der untersten Ebene ist dabei bestimmenderRaum und Gegenstand der Studie, auf den Methoden und Erkenntnisziele ausgerichtetsind. Nicht die einzelnen Merkmale dieses Raumes, sondern ihre jeweilige Kombinationund das Umfeld stehen im Zentrum.

    Die Bedeutung raumordnender  Maßnahmen des modernen Territorialstaates, wie ihnetwa die Habsburgermonarchie im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert repräsentiert,ist zu diesem Zeitpunkt ungleich größer einzuschätzen als in anderen Kronländern, bei-spielsweise Tirol-Vorarlberg. Dazu gehört auch die Entscheidung zum Aufbau einer zi-vilen Verwaltungsstruktur gegenüber einer ausschließlichen militärischen. Hier scheintauch einer der Gründe für die so different verlaufende Entwicklung beispielsweise vonDalmatien zu liegen, wo im Wesentlichen „passive“ militärische Interessen bei einem

    7 R & W (): Politische Geographie. In: S & S (Hg.): –

    , hier . Vgl. dazu auch den analytischen Diskussionsbeitrag „Geschichte-Machen, Geographie-Machen I. Eine theoretische Entdeckungsreise“ bei P (7): –77. Zum Stand der Diskussion vgl. S-R (Hg.) (). F (): . Bezeichnung für das alte rumänische Königreich (der vereinigten Moldau und Walachei) bis . S (): –7, sieht Geschichtsregionen als zwischen Kontinenten und Staaten geschal-

    tete Einheiten – etwa der ,Balkan. Vgl. T (7). T (7): . Vgl. dazu Kapitel .

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    Zentrum – Peripherie – Region – Kulturlandschaft

    geringen Erschließungsgrad des Landes im Vordergrund blieben. Die physisch- ebensowie die politisch-geographische Lage erwiesen sich von vornherein – als Faktoren einerzukünftigen Entwicklung (spätestens jedoch mit dem Ausgleich von 7) – als doppelthinderlich.  Im Gegensatz zu Tirol-Vorarlberg setzt der Regionsbildungsprozess in derBukowina erst Ende des achtzehnten Jahrhunderts ein. Die Region (hier der geordneteRaum) des (späteren) Kronlandes Bukowina wird geschaffen (Abb. ). In Tirol-Vorarlberggilt dieser Prozess schon im späten Mittelalter als abgeschlossen, die nächsthöhere Ebenezentralstaatlicher Integrationspolitik der Machtverschiebung von den Ländern auf denStaat spielt hier eine weitaus größere Rolle. In der Bukowina ist der gleiche staatliche Re-

    formprozess raumbildend , er gibt dieser Provinz durch die Grundlegung der besonderenBeziehungen zum Verwaltungs- und Residenzzentrum Wien erst seine charakteristischeForm, seinen Sinngehalt. Dazu gehört selbstverständlich auch das zum . Jahrhunderthin entstehende ausgeprägt supranationale Regionalbewusstsein des kleinen Herzogtumsam östlichen Abhang der Karpaten. Eine Entwicklung, die ohne die vielfältigen Bezie-hungsverflechtungen zum ideologischen Zentrum wie Vorbild Wien undenkbar ist. Aus

    Vgl. C ( u. ).

     Abb. 3

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    7Kulturlandschaft als Medium

    der Oberen Moldau, wie sie 77 von kaiserlichen (Reichs-)Truppen besetzt worden undseit 77 Teil der Habsburgerherrschaft war, generierte sich die statistisch-politische RegionBukowina, die durch ein Bündel von Maßnahmen und eine gewisse Eigendynamik gegen

    Ende des neunzehnten Jahrhunderts als Kulturlandschaft Bukowina  den Angelpunkt zu re-gionaler Identität setzte. Der Raum, die historische Region Bukowina, geriet zum Mediumsozialer Systemzusammenhänge. Aus einem durch den Staat vorgezeichneten Ordnungs-raster, sozialen Beziehungen, Machtverhältnissen und Syntheseleistungen der Bewohnerdieser Region erwuchs eine Kulturlandschaft, die sich über die physisch-rechtliche Exis-tenz des statistischen Raumes (Kronland Bukowina) und zumindest in Teilen auch überdie Periode einschneidender Zäsuren des . Jahrhunderts hinaus als beständig erwies. DerRaum transportiert diese in Form regionalen Bewusstseins über die als Kulturlandschaftwahrgenommene Region in der Zeit, und zwar so lange, wie die selektiv subjektive Erinne-

    rung (in der Synthese) seiner Bewohner an diese historische Region weiter besteht. Andersformuliert, die historische Region Bukowina, materialisiert in der Kulturlandschaft Buko-wina, ist folglich eine kulturelle Konstruktion7 und keine Wesenseinheit (Entität) per se.

    .

    Die Konstruktion der Einheit, bezogen auf die Habsburgermonarchie, lässt sich –ausgehend vom achtzehnten Jahrhundert – auf zwei Aspektebenen, deren jeweiligeGewichtung sich durch die Zeit verlagert, analysieren. Da ist zunächst im Sinne desStaatsumbaues die Betonung der Bedeutung des Zentrums. Die Reformen streben einum einen klar definierten Kern gravitierendes Unum Totum an, letztlich mit dem Zieleiner Einheit, der monarchia austriaca . Das Zentrum ist oberste Instanz für Planung,Impulsgeber und zugleich erstrebenswertes Vorbild. Über das während des neunzehnten

     Jahrhunderts virulent werdende Konzept des Nationalstaates versucht das Zentrum einebewusste Politik der Einheit in der Vielfalt zu forcieren. Eine Einheit, die regionale wienationale Facetten anerkennt, fördert, ihr politische Partizipation anbietet und dadurch

    auf einer anderen Ebene (nicht mehr jener des ständischen Länderbegriffes) unter einersich (durch die Wahlreformen) verbreiternden Beteiligung der Bevölkerung die Regionwieder belebt bzw. zur politischen Kategorie erhebt. Letztlich wird die monarchia compo-sita  als Charakteristikum einer „neu“ verstandenen Einheit nicht nur akzeptiert, sondern

    Vgl. W ().7 Vgl. S (): 7. Vgl. S ().

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    Zentrum – Peripherie – Region – Kulturlandschaft

    in einem weiter entwickelten Unum Totum als Viribus Unitis  zum zentralen politischenProgramm erhoben. Peripherie und Zentrum bedingten dabei nicht logischerweise aucheine hierarchische Ordnung, sondern zeigen eine miteinander verflochtene gegenseitige

    existenzielle Bedingtheit.

    Dass die Forcierung dieser Politik außerordentlich ungleich verteilt bzw. in ih-ren Möglichkeiten stark der Verfassungsrealität nach 7 unterworfen war, belegt dieEntwicklung Dalmatiens, wo das Entstehen einer übergeordneten Identität durch an-fängliche Versäumnisse und die spätere politische Lähmung des Zentrums durch denDualismus im Wesentlichen ausblieb. Während auf der einen Seite die Peripherie dasZentrum durchaus in heftige Bedrängnis zu bringen vermochte und die politische Stim-mung der Grenzregion wie etwa an der Sprachenfrage in Böhmen gleich einem Seis-mographen die Wiener Innenpolitik deutlich vorwarnte, nahm die Bukowina das ge-

    genteilige Ende dieses Spektrums ein. Der durchgesetzte Wahlrechtsausgleich aufLandesebene ist Ausdruck eines offensichtlich größeren Handlungsspielraums der Peri-pherie gegenüber dem Zentrum, das in ihr wohl auch ein Experimentierfeld (oder eine

     Auslagerungsmöglichkeit des im Zentrum nicht in dem Maße verfügbaren Handlungs-spielraumes) sah. Andererseits gelang es den Vertretern – der zumeist in Wien ausgebil-deten Elite – aus der Peripherie, ihre Wahlreform de facto gegen den Willen der WienerInnenpolitik durchzusetzen. 

    Vereinfachend lässt sich daher die Kulturlandschaft Bukowina als Kompositum nach-stehender Aspekte begreifen: akteurszentrierte (alltagsweltliches Handeln, politischeKommunikation nach außen, die Kreation der Grenze zwischen der Kaiserlichen [Obe-ren] und der restlichen Moldau in den Verhandlungen zwischen Wien und der HohenPforte 77), organisationszentrierte (Institutionen, politische Kommunikation nachinnen: die Einrichtung des Landes, die Schaffung von raumbasierten wie raumbilden-den Strukturen langer Dauer wie etwa Rechtsnormen oder der Griechisch-orientalischeReligionsfond) und ideologiezentrierte (Abhängigkeit Zentrum–Peripherie, politischeKommunikation nach innen, die Komposition der Bukowina).

    Vgl. dazu die Diskussion bei M (). Vgl. C (/). Dalmatien gehörte seit 7 zur griechisch-orientalischen Metropolie derBukowina mit Sitz in Czernowitz.

    Vgl. K (). Wenngleich nur vier nationale Kurien in der Bukowina eingerichtet werden konnten, so kam doch

    auch die ursprünglich vorgesehene, jedoch vom Reichsrat abgelehnte fünfte (jüdische) Kurie durch einegeschickte Mandats- und Wahlkreisverteilung zum Zug. Vgl. S ().

    Vgl. Kapitel . Vgl. Kapitel . Vgl. Kapitel , u. .

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    Kulturlandschaft als Medium

    Eine so durch den Menschen kontinuierlich wahrgenommene, geformte und tradierteKulturlandschaft wie die Bukowina besitzt Wirkmächtigkeit, mit der sie Entscheidungenund Handlungen ihrer Bewohner noch nach dem Ende der eigentlich formgebenden

    Epoche zu beeinflussen vermag. Die historische Bewertung von Räumen und deren In-wertsetzung im Sinne einer so verstandenen Politischen Kommunikation über die Zeitdurch den Raum oder vielmehr die konstruierten Raumbilder als Medium entfalten inihrem jeweiligen Interpretationskontext bestimmte Wirkungen. Eine damit aufgeladeneregionale Identität erlangt in dem Moment politische Relevanz, sobald sich Gruppenbilden, die diese vertreten und instrumentalisieren, sodass sich eine Verfestigung dieserIdentität sowohl auf einer räumlichen als auch sozialen Ebene bemerkbar macht.

    In diesem Sinnstiftungsangebot, basierend auf räumlicher Identität, existieren Teileder habsburgischen, supranationalen Idee, die nicht selten durch die Verklärung der Ver-

    gangenheit ein scheinbares Gegenkonzept zum leidvoll erfahrenen Nationalismus des . Jahrhunderts bieten. Andererseits liefert die Kulturlandschaft Bukowina durch die nega-tive Aussage ihrer Existenz ein ebensolches Sinnstiftungsangebot für (un-)erfüllte natio-nale Forderungen: Die Зелена Русь /Zelena Rus’ der ukrainischen Bukowina, Ţara de Sus  der rumänischen Bukowina oder das (nur noch aus der historischen Perspektive deutsch-sprachige) Buchenland , mit seinen je nach Gewichtung vorkommenden Mischformender deutschen und jüdischen Bukowina. Am Beispiel der nationalstaatlichen Idee undder „gegenkonzeptionellen“ Bukowina wird die Gefälligkeit der jeweiligen Sinnzuschrei-bung bzw. Konstruktion einer Kulturlandschaft besonders deutlich. Die Imagination derBukowina als Region heute ist genauso viel neue Konstruktions- wie Rekonstruktions-leistung durch eine laufend im Diskurs mit der Vergangenheit stattfindende Suche undInterpretation von Artefakten wie Erinnerungen.

    Den Fragen der Regionalisierung bzw. das Verlangen danach als Antwort auf die Ent-täuschung gegenüber den übermächtigen Zentralen (sowohl im königlichen Rumänienals auch in den sozialistischen Staaten nach , Bukarest/Moskau/Kiew) kommt inden Transformationsprozessen seit / eine außerordentliche Relevanz zu.7 Und das

    auch, wenn die Wahrnehmung dieser Kulturlandschaft eine selektive wie zufällige, ei-ner gewissen Eigendynamik unterworfene bleibt. Sei es jetzt aus einer gegenwärtigenPerspektive regionaler Entwicklung (peripherer Räume) oder aus einer historischen Per-spektive bewusster „Inwertsetzung“ historischer Regionen, um ein Gegengewicht zumüberpotent wahrgenommenen, eigenen politischen Gravitationszentrum des nationalen

    W (): .7 W (): 7.

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    Zentrum – Peripherie – Region – Kulturlandschaft

    Staates (Ukraine, Rumänien) herzustellen, nationalen Forderungen von außen das Was-ser abzugraben und/oder eigene nationale Ideen zu verwirklichen.

    Mit der Teilung der Bukowina spätestens ergeben sich auch innerhalb dieser

    Ebene zwei neue Szenarien einer „entfremdeten“ oder einer „integrierten“ Grenzregion.

     Die bzw. gelegten Zugänge zu dieser Region, die seit / wieder untereinem einigermaßen frei konkurrierendem Wettbewerb stehen, haben v. a. in den letzten

     Jahren einen stark „entfremdeten“ Charakter gezeigt. Ein Charakter, der mit der Au-ßengrenze der Europäischen Union noch an Vehemenz gewinnt und den schleichendenVerlust des Gemeinsamen (der habsburgischen Identitätskonstruktion) begünstigt, abernicht ursächlich bedingt. Denn beide Ansätze einer rumänischen oder ukrainischen Re-gionsidentität (wenn man sich auf die beiden bevölkerungsreichsten Gruppen der Buko-wina beschränkt) existierten auch vor . Interessant bleibt, dass beide Regionsteile sich

    der Marke „Bukowina“ bedienen, also eine deutliche Mischung der ohnedies selektivenErinnerung stattfindet. Wobei die national-rumänische Tradition und deren regelmäßigepolitische Neuaufladung an historischen Stätten wie der Moldauklöster oder der Festungin Suceava der Südbukowina ein eindeutiges Merkmal „rumänisch-moldauischer Ur-sprünglichkeit“ zuweist.

    In der Kulturlandschaft Bukowina lassen sich folglich Prozesse der Raumkonstruk-tion exemplarisch nachvollziehen. Die Bedingtheit von Zentrum und Peripherie formteletztlich in entscheidendem Maße jene Region, die durch eine breite wie vielgestaltigeSyntheseleistung in der Erinnerung als Kulturlandschaft Bukowina bis in die Gegen-wart auszustrahlen vermag. Der mit dieser Arbeit vorliegende Versuch einer kritischenhistorisch-geographischen Analyse soll zu einer neuen Einschätzung und zum Erkennender dazu beitragenden relevanten Faktoren beitragen.

    M (). Zitiert nach W (): . Franz Josef I. figuriert dabei gelegentlich auf rumänischen Mineralwasseretiketten, etwa der Mineralwas-

    sermarke Borsec . Vgl. die -Jahr-Feierlichkeiten im Kloster Putna .

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    . Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick 

    Die seit de facto und seit 7 auch de jure geteilte Bukowina zerfällt in zwei Ver-waltungseinheiten: die Černivec’ka Oblast’/Чернівецька область (Ukraine) und den

     Judeţ Suceava (Rumänien). Beide Gebiete wurden nach (teilweise schon nach )mehrfach territorial erweitert und verwaltungstechnisch umgegliedert, sodass die ehe-mals österreichische Bukowina davon heute nur mehr einen – wenngleich prägenden,zentralen – Teil ausmacht (Abb. 7, S. ).

    Das gegenwärtige Territorium der ukrainischen wie rumänischen Bukowina erstrecktsich absolut gesehen etwa zwischen und 7 ½ Grad östlicher Länge sowie zwischen

    7 ½ und ½ Grad nördlicher Breite. In naturräumlicher Hinsicht dominieren im Wesentlichen folgende in ihrer Bedeutung und Größe unterschiedliche Großlandschaf-ten den Raum der Bukowina. Die Podolischen Höhen setzen – leicht abgegrenzt durchdie von West nach Ost verlaufenden Chotyner Höhen – die sich in südöstlicher Rich-tung erstreckenden Moldauischen Höhen fort. Durch den Fluss Suceava getrennt, sinddieser Formation die gleichnamigen Höhen von Suceava  (auch als Plateau von Suceavabezeichnet), rechtsufrig von Suceava und Siret, hinzuzuzählen. In einem leichten nord-südöstlich ziehenden Streifen schließen westlich daran – getrennt durch die Flusstälervon Siret und Suceava – das Karpatenvorland  und die Karpaten selbst an. Die moldaui-schen Höhen und das Karpatenvorland als Übergangszone bilden geologisch eine Ein-heit. Der Raum zwischen Dnister und Prut, den beiden Hauptflüssen der Bukowina, istgeologisch Teil der russischen Platte und gehört landschaftlich als Podolische bzw. Mol-dauische Höhen zu den Ausläufern der osteuropäischen Ebene, lediglich unterbrochendurch die Höhen von Hotin mit einer Maximalerhebung von m über dem Meer. Diese Ebene steigt in nordöstlicher Richtung vom Prut ( m) bis an den Dnister (m) sanft an. Die Höhenunterschiede bedingen durch die in den Flusssystemen vonDnister und Prut wirksame Reliefenergie stark ausgeprägte Geländeeinschneidungen,

    Die ukrainische Oblast’   bzw. der rumänische Judeţ als administrative Einheiten entsprechen in etwa derdeutschen Kreiseinteilung.

    Die Höhenangaben beziehen sich auf die Relation „über dem Meer“. In den sowjetischen Karten wirdvom Kronstädter Spiegel in der Ostsee ausgegangen, in alten österreichischen Kartenwerken vom Tries-ter Meeresspiegel an der Adria. Vom gegenwärtig gültigen Normalnullbereich bei Amsterdam weichtTriest um durchschnittlich Zentimeter, Kronstadt um etwa zwölf Zentimeter ab. Leider ist in denneueren Karten der exakte Bezugspunkt nur selten angegeben und wird von den jeweiligen Herausge-bern in diesem Mischgebiet auch kaum reflektiert.

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    Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick 

    die oftmals canyonartige Täler ausbilden und zu mehrschichtigen Terrassenformationenentlang der Hauptflüsse führen. Der Dnister entwässert selbständig westlich von Odessain das Schwarze Meer. Der Prut hingegen fließt bei Galaţi in die Donau und von dort

    über das Donaudelta ebenfalls ins Schwarze Meer. Der historisch auch schon vor 77dicht besiedelte Raum zwischen Dnister und Prut ist durch eine fruchtbare Landschaft,zu der auch vereinzelt Schwarzerden, vorwiegend aber von Löss dominierte Böden zäh-len, charakterisiert. Der Löss kann geomorphologisch bedingt in manchen Einwehungs-zonen bis über zehn Meter an Stärke erreichen. So z. B. beim Ziegelwerk in Czernowitzsüdwestlich des Hauptbahnhofes.

    Beide Flüsse bilden mit ihren Zuläufen ein System von zeitlich unterschiedlich altenTerrassen aus, die überaus prägend für die Landschaft und die Wirtschaftsform in diesemRaum wirken. Das Pruttal selbst bildet eine im Relief deutlich wahrnehmbare Land-

    schaftsgrenze zu den in nordwestlicher Richtung ansteigenden Vorkarpaten bzw. denMoldauischen Höhen. Mit einem durchschnittlichen Höhenspektrum von – m– die höchste Erhebung liegt auf dem Cecina (7 m) am westlichen Rand des Czerno-witzer Stadtgebietes – umfasst diese Formation in etwa den Raum beidseits der LinieVaškivci – Storožynec’– Rădăuţi. Unterbrochen wird diese Abfolge durch die bereits er-wähnten Terrassen, die in den Flusssystemen von Čeremoš, Siret und Suceava deutlicherkennbare, untergeordnete Strukturen ausbilden. Mit dem Plateau von Suceava hat dieBukowina auch einen kleinen Anteil am östlichen Tafelland der moldauischen Platte, dievon Nordwest nach Südost abfällt und von Ton-Mergel-Schichten dominiert wird.

    Eine weitere Trennlinie verläuft zwischen der Moldauischen Höhe bzw. den Vorkar-paten und den Karpaten selbst. Sie folgt in etwa der alten österreichischen Reichsstraßevon Storožynec’ über Vicovu de Sus und Marginea, Solca und Gura Humorului. Gleich-zeitig beschreibt diese Linie auch den ungefähren Verlauf einer geologischen Störungs-zone, entlang derer Rohstoffe wie Salz bei Solca und Cacica oder Erdöl, Erdgas undMineralwasser bei Krasnoil’s’k gewonnen werden. Eine sanftwellige Landschaft undtiefgründiger Löss förderten das Entstehen von zumeist ländlich geprägten Siedlungs-strukturen, die – abseits der Bezirkszentren – eine starke Streulage, Weilern ähnlich, auf-

    weisen (Abb. 7/). Die klimatisch geschützte Situation der leichten Hanglagen bedingtedie Ausbildung von weit verbreiteten Obstkulturen (v. a. Äpfel, Birnen, Zwetschken)und den Anbau von Mais als einem der wichtigsten Hauptnahrungsmittel neben derKartoffel. Mais dient in der Bukowina in Form der Mamaliga (Polenta), die zumeist mitSchafkäse, Sauerrahm, Zwiebel und geröstetem Speck zubereitet wird, als beliebte Zu-und Hauptspeise.

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    Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick 

     Abb. : Typische Einödhof-form in den Waldkarpatennahe des Ciumârna-Passes inder Südbukowina, Rumänien.Scharr, Juli .

     Abb. : Siedlung bei Iacobeni.Kleinteilige, aber intensiv ge-nutzte Parzellen in Hufenformweisen auf die ökumenischeRandlage hin. Die leer stehen-den „Stangenzäune“ (Schwe-denreiter) lassen auf die Nie-derschlagshäufigkeit währendder Sommermonate schließen.Da die Wirtschaftsgebäudezumeist sehr klein und ledig-lich zur Winterung des Viehsgeeignet sind, erfolgt die La-gerung des Heus durch in den Wiesen freistehende „Tristen“,die während der Wintermo-

    nate sukzessive eingebrachtwerden. Scharr, Juli .

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    Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick 

     Abb. : Nach der Mahd. Südbukowiner Landschaft bei Solca gegen die sich im Hintergrund er-hebenden Waldkarpaten. Auch hier in der östlichen Staulage der Karpaten sind „Heumandln“ zurTrocknung des eingebrachten Grases weit verbreitet. Scharr, Juli .

     Abb. 7: Einzelgehöft in den Vorkarpaten bei Nyžni Stanivci zwischen den Flüssen Prut und Siretmit Kukuruz- und Kartoffelacker. Scharr, Aug. .

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    Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick 

    Die (Bukowiner) Karpaten als Bestandteil der Ost- oder Waldkarpaten (Höhenerstre-ckung –. m) formen mit ihren von Löss, Flysch, Mergel und Sandstein durch-setzten obersten Schichten den letzten bedeutenden Landschaftsraum, der hier bespro-chen werden soll. Während der Jarovica bei Seljatyn mit .7 m in der ukrainischenBukowina die höchste Erhebung darstellt, erreichen die Gebirge im rumänischen Südteilbis knapp über . m. So etwa bei Vatra Dornei der Lucaciul (.7 m), der Rarău(. m) oder der Giumalău (.7 m). Bei Jarovica, unweit von Šepit im gleichnamigen

     Jarovec-Gebirge, unterhielt die Sowjetunion bis zu ihrem Zerfall eine Raketenlenk- undRadaranlage, deren mittlerweile funktionslos gewordene, massive, weiße Kuppeln nochheute von Weitem sichtbar das Bild bestimmen. Der höhere Pietrosul (. m) und der

    Lezerul Căliman (. m) gehörten nicht zur historischen, österreichischen Bukowina.Besonders im Raum Vatra Dornei – Iacobeni mit seiner intramontanen Beckenlage zwi-schen den Pässen Mestecăniş (. m) und Borgo (. m) verursacht die größere Ver-tikalerstreckung der Gebirge ein wesentlich stärker ausgeprägtes Relief als im Nordteildes Landes.

    Die Waldkarpaten werden in der rumänischen Literatur fim südlicheren Teil auch als Carpaţii Moldoveibezeichnet. Vgl. T (7): .

     Abb. : Ein Beispiel für die im ehemaligen Kimpolunger Okol der südlichen Bukowina so ty-pischen, sich über viele Quadratkilometer hinziehenden Streusiedlungen bei Poiana Stampei.Scharr, Aug. .

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    Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick 

    Insgesamt ist der Einzugsbereich der Bistriţa z. T. mit massiven Granitblöcken undvulkanischem Intrusionsgestein durchsetzt, die lediglich von kleinräumigen tektonischenDepressionen (bei Dorna und Câmpolung Moldovenesc) unterbrochen werden. An den

    tektonischen Störungslinien treten Mineralwasserquellen (Vatra Dornei, Dorna Can-dreni, Lopušna) zutage, die bis in die Gegenwart genutzt werden und schon vor demErsten Weltkrieg einen ersten Aufschwung im Kurtourismus bedingten. Kupfer- undEisenerze sowie kleinere Mengen an Gold und Manganerz gewann man in der Bukowinaseit dem neunzehnten Jahrhundert im Tal der Bistriţa (Iacobeni, Cârlibaba, Ciocăneşti).Nach dem Ende der staatlichen Zwangsbewirtschaftung in Rumänien und der Ukra-ine sind die Abbaugebiete weitgehend unrentabel und aufgelassen. Schutthalden undalte Bergarbeitersiedlungen sowie die z. T. erheblichen bergbaulichen Umgestaltungs-maßnahmen während der letzten Regierungsjahre von N. Ceauşescu (–) geben

    Zeugnis davon.Die erwähnten Flüsse der Bukowina haben als Verkehrswege kaum größere Bedeutung

    erlangt. Wenngleich der Dnister zur Schifffahrt geeignet wäre, ist das Transportaufkom-men doch nur als regional und sporadisch einzustufen. Neben den nötigen technischenVoraussetzungen gibt es dafür keinen Bedarf bzw. es fehlt die wirtschaftliche Spannunggrößerer, leistungsfähiger Zentren in seinem Einzugsgebiet. Die meisten kleineren Flüsseder Bukowina (z. B. Čeremoš und Bistriţa) dienten überall dort, wo nicht Waldeisenbah-nen eingesetzt werden konnten, bis in die unmittelbare Zeit nach dem Zweiten Weltkriegder Holzflößerei. Besonders vor dem Eisenbahnbau des neunzehnten Jahrhunderts nutzteman den Dnister zur Verfrachtung beträchtlicher Holzmengen aus der Bukowina in dieukrainischen Steppengebiete des Russischen Reiches sowie die Moldau. Der Čeremoš bil-det darüber hinaus, ausgehend von der Wasserscheide zum Maramureş-Gebiet bis kurznach Vaškivci, die Binnengrenze zur Ivano-Frankivs’ka Oblast’ in der Ukraine. Der weißeČeremoš, der seine Farbe dem lehmigen Lössuntergrund verdankt, vereinigt sich mit demschwarzen Čeremoš unweit von Ust’ Putyla in der Bukowina. Letzterer entspringt wie derPrut im Karpatenmassiv der Čorna Gora (Ivano-Frankivs’ka Oblast’).

    Das Klima der Bukowina mit seiner ausgeprägten Winter-Sommer-Differenzierung

    ist grundsätzlich als kontinental einzustufen. Verstärkt wird dieser Effekt durch unge-bremste Kaltlufteinbrüche aus dem Nordosten im Winter und heiße Winde aus denukrainischen Steppengebieten im Osten während des Sommerhalbjahres. Die Nieder-schlagsverteilung hingegen gestaltet sich durch die Luv- bzw. Leelage der Karpaten sehrunterschiedlich und nimmt generell im unmittelbaren Staubereich des Karpatenhaupt-kammes zu. In Gebieten der Berglandwirtschaft weisen etwa die zahlreich verwendeten‚Schwedenreiter und ‚Heumandeln zur Heutrocknung nach der Mahd deutlich auf dieNiederschlagsintensität während der Sommermonate hin.

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    Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick  7

     Abb. : Ehemaliges, während der Sowjetzeit erbautes Kaffeehaus am linken Ufer des Dnister beiZališčyky (Ternopils’ka Oblast’). Scharr, Juli .

     Abb. : Moderne Touristenunterkünfte eines kleinen Skigebietes am Nimčyč-Pass bei Vyžnycjaim Černivec’ka Oblast’. Allerdings gestaltet sich hier die Zufahrt durch die nur schlecht instandgehaltene Straße besonders im Winter als äußerst schwierig und kann nur mir Spezialfahrzeugengewährleistet werden. C. Geitner, Sep. .

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    Natur- und Kulturraum der Bukowina im Überblick 

    Besiedlung, Bewaldung, Topographie und politische Gliederung stehen in der Bukowinain engem Zusammenhang. Die am dichtesten besiedelten Landstriche der Bukowina

    konzentrieren sich auf den schon erwähnten Raum zwischen Dnister und Prut bzw.den Bereich der Moldauischen Höhe entlang der Linie Czernowitz–Siret–Rădăuţi–Su-ceava. Im Gegensatz dazu sinkt die Bevölkerungszahl mit ansteigendem Relief ab undder Waldbestand nimmt zu. Selbst die Chotyner Höhen, die in Karten des achtzehn-ten Jahrhunderts oftmals mit ‚Bukowiner Wald beschrieben wurden, sind heute durcheine hohe Bevölkerungsdichte charakterisiert. Die ursprünglichen Waldbestände wichenweitgehend siedlungsnahen Kulturflächen (v. a. Obsthaine).

     Abb. : Das in den er-Jahren erbaute, ehemalige Restaurant „Bukowina“ am rechten Dnister-Ufer bei Zališčyky, heute eine Ruine. Die Umstellung des organisierten (sowjetischen) Massen-tourismus auf individuelle Privatangebote ist im ländlichen Raum der ukrainischen Bukowinanoch weitgehend ausgeblieben, was z. T. auch auf die ungeklärten Eigentumsverhältnisse solcher Anlagen und generell fehlendes Investitionsinteresse in diesem Sektor zurückzuführen ist. FotoG et al. (7)..

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    bis zu konzentrieren, haben vereinzelt zwar dörfliche Zentren (mit Veranstaltungs-,Sozial- und Verwaltungseinrichtungen) geschaffen, konnten aber trotz dieses langenZeitraumes das Problem der Streusiedlungen mit Einödcharakter nicht nachhaltig lösen

    (Abb. ).So weisen etwa der Bezirk Kicman’ und Novoselycja (mehr als Einwohner/km²)die höchste, Vyžnycja ( EW/km²) und Putyla ( EW/km²) die niedrigste Bevölke-rungsdichte der nördlichen Bukowina auf. Im südlichen Landesteil ergeben sich ähnli-che Verhältnisse (etwa im Vergleich zwischen Rădăuţi–Suceviţa–Cârlibaba). Insgesamtliegen die für die heutige ukrainische Bukowina durchschnittliche Bevölkerungsdichtebei Einwohnern/km² und jene der südlichen in ihrer Gesamtheit jedoch gebirgigeren,rumänischen Bukowina bei EW/km². Grundsätzlich muss angemerkt werden, dassein statistischer Vergleich zur historischen, österreichischen Bukowina und der heuti-

    gen Černivec’ka Oblast’ bzw. dem Judeţ Suceava nur mit Einschränkung möglich ist, dabeide nach bzw. territorial z. T. erhebliche Erweiterungen erfuhren. Nach denZählungen von leben im rumänischen Judeţ Suceava ca. . Menschen, davonallein . in der Hauptstadt Suceava. In der ukrainischen Černivec’ka Oblast’ ca.. (in Czernowitz .).

    Industrielle Zonen von Bedeutung beschränken sich weitgehend auf die urbanenZentren des jeweiligen Kreises (Czernowitz und Suceava). In der ukrainischen Bukowinamachte sich seit der Unabhängigkeit der Ukraine ein deutlicher Rückgang in derIndustrie- und Agrarproduktion bemerkbar, der im südlichen Teil in den letzten Jahrendurch eine langsame Konsolidierung wieder ansatzweise ausgeglichen werden konnte.In der Nordbukowina scheint der Transformationsprozess v. a. durch die politischen„Wirren“ noch wenig fortgeschritten. Die Probleme der strukturellen Umstellung von

     Absatzverflechtungen und Produktionspalette sind dennoch in beiden Landesteilen bisheute als gravierend zu bezeichnen. Mehr als in der ukrainischen Bukowina kann nebender industriellen Konsolidierung eine Verbreiterung des Dienstleistungsangebotes festge-halten werden, die sich aber zum größten Teil ebenso auf die Kreiszentren (v. a. Suceava)beschränken.

    Der Tourismussektor ist gleichfalls sehr heterogen über die Bukowina verteilt. Wäh-rend in der südlichen Bukowina vor allem die Moldauklöster einen gewichtigen Faktorin der flächenhaften touristischen Erschließung spielen (Abb. ), bei dem die Haupt-stadt Suceava nur als Ausgangspunkt profitiert, beschränkt sich der Tourismus in derNordbukowina punktuell auf die Stadt Czernowitz. Versuche, etwa im nahe gelegenenVižnicja ein Wintersportresort zu etablieren, sind noch als bescheiden einzustufen, ob-

    Vgl. Kapitel .

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    wohl der Ort selbst als eines der traditionellen Zentren huzulischer Kultur vermarktetwird und er nicht zuletzt durch seine Holzverarbeitungsfachschule über die Gebiets-grenzen hinaus bekannt ist. Die ukrainische Bukowina ist im Gegensatz zur rumäni-

    schen noch kaum auf Individualtouristen eingerichtet (Abb. ), die Städte Chotyn undKam’janec’-Podil’skyj (letzterer Ort gehört allerdings schon zum Chmel’nyc’ka Oblast’)mit ihren historisch wertvollen Befestigungsanlagen und Naturparks können ebenfallsnoch zu den touristisch außerordentlich wertvollen Zielen gezählt werden. Trotzdemsind weite Teile des Gesamtraumes nach wie vor außerordentlich stark vom Erwerb auslandwirtschaftlicher Tätigkeit bestimmt, wobei stadtnahe Gebiete den Vorteil des Ein-pendelns für sich nutzen können. Ältere in ihrer Lage durchaus Erfolg versprechende,touristische Infrastruktur ist gegenwärtig z. T. durch ungeklärte Besitzverhältnisse bzw.durch fehlende Investitionsbereitschaft in einem ruinenhaften Zustand (Abb. /). Die

    durch oftmals schlechte Verkehrswege in kurzer Zeit kaum erreichbaren Berggebiete hin-gegen sind zum Großteil vom Erwerb aus Land- und Forstwirtschaft abhängig (Abb.). Auch hier zeigte der Wegfall der organisierten Absatzmarktverflechtung nach der

     Wende in Osteuropa sehr nachteilige Auswirkungen und ein nicht unwesentlicher Teilder Bevölkerung lebt weitgehend von der eigenen Produktion in einer quasi Subsistenz-wirtschaft. Die Reformunfreudigkeit der jeweiligen nationalen Regierungen in Kiew undBukarest seit bzw. in den vergangenen Jahren trägt Mitschuld an der gesamt-wirtschaftlich schleppenden Entwicklung dieser Regionen. Eine Entwicklung, die sichallerdings mit dem EU-Beitritt Rumäniens (. Jänner 7) in beiden Landesteilen alszunehmend divergierend darstellt.

    Mit dem Pariser Friedensvertrag von 7 zwischen Rumänien und der UdSSR er-folgte die endgültige Teilung der Bukowina, nachdem schon mit der ersten sowjetischenBesetzung zwischen und die Grenze von Šepit über Seljatyn bis nach Siretgezogen worden war. Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte man den historischen Teilder nördlichen Bukowina um die nordbessarabischen Gebiete der späteren Rayons Cho-tyn, Kel’menci und Sokyrjany. Die ursprüngliche Grenze der österreichischen Bukowinazu Bessarabien bzw. zum Russischen Reich bis 7 verlief in etwa von Novoselycja leicht

    nordwestlich ziehend bis zur großen Dnister-Schleife bei Gorošova. Heute besteht dieČernivec’ka Oblast’ aus elf Rayons sowie der gleichnamigen Verwaltungshauptstadt undist Teil der seit unabhängigen Republik Ukraine.

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    Verwaltungsgebiet Flächein qkm

    Einwohner

    Rayons/Bezirke

    Städte7 größte undnächstgrößte Stadt

    Landge-meinden

    Černivec’ka

    Oblast’ (Ukraine)

    . .

    + Černivci

    Černivci .

    Storožinec’ .

    7

     Judeţ Suceava (Rumänien)

    . . Ge-meinden

    Suceava .Fălticeni .77

    7

    Vergleich:österreichischeBukowina ()

    . . + Czerno-witz

    + Marktge-meinden

    Czernowitz 7.(+ 7.)Suceava .7

    Tab. : Statistische Daten der Bukowina im Vergleich –

    Rayon Fläche in qkm Einwohner in Tsd.

    Vyžnickij , Gercaivskij 7 , Glybockij 7, Sastavnivskij ,7 Kelmeneckij 7 7, Kicmanskij 7,7 Novoselyckij 7 ,7 Putylskij 7 ,

    Sokyrjanskyj , Storožineckij , Chotynskij 77 7,- Černivci Stadt ,- Novodnistrovs’k 7 ,Gesamt ,

    Tab. : Politische Gliederung Černivec’ka Oblast’/UA

    Czernowitz ist das wirtschaftliche und mit der 7 gegründeten heutigen Jurij-Fed-

    kovyč-National-Universität (bis Kaiser-Franz-Josefs-Universität, von – so-wie – König-Ferdinand-Universität) auch geistiges Zentrum der Nordbukowinasowie – neben anderen politischen Einrichtungen – Sitz der Kreisverwaltung und des

    Angaben laut Volkszählungsdaten , .7 Davon acht sogenannte ‚Siedlungen städtischen Typs. Sadagora und Czernowitz-Umgebung ( insgesamt: 7. Einwohner). Angaben laut Volkszählungsdaten .

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    Kreisparlaments. Wenngleich der südliche, rumänische Landesteil mit Suceava als his-torische, vorösterreichische Hauptstadt über einen, historisch gesehen, wichtigen mol-dauischen Fürstensitz (Cetate de Scaun) verfügt, so ist doch Czernowitz aufgrund seiner

    gewachsenen Dominanz, die sich im Laufe des neunzehnten und in der ersten Hälftedes zwanzigsten Jahrhunderts aufbaute, und durch seine Größe wie bauliche Präsenzinformelle Hauptstadt beider  Landesteile geblieben. Ein Umstand, der sich auch in derkollektiven Wahrnehmung der Landesbevölkerung beidseits der Staatsgrenze feststellenlässt. Der Judeţ Suceava verfügt über vergleichbare, zentrale Einrichtungen sowie mit der erfolgten Erhebung der seit bestehenden Lehrerbildungsanstalt zur Ştefan-cel-Mare-Universität über eine bedeutende überregionale Institution. Die neue Bezirksglie-derung ist bis dato noch nicht abgeschlossen. Die Kreise (Judeţ) Suceava, Neamţ, Iaşiund Botoşani bilden die rumänische Entwicklungsregion Nord-Ost mit einer Bevölke-

    rungsanzahl von , Millionen Einwohnern und . km². Eine Region, die in sichsowohl historisch als auch kulturell und wirtschaftlich große Unterschiede aufweist.

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    Stand der Bukowinaforschung 

    Grundsätzlich wird dabei den Fragen nachgespürt, aus welcher Perspektive  sich wer  mitder Bukowina auseinandersetzt. Wie wird die Bukowina als historische und gegenwär-tige Kulturlandschaft dargestellt bzw. wiederentdeckt und in Besitz genommen? Existiert

    nach der Revolution am Beginn der er-Jahre ein neu entstehendes, auf den Struktu-ren des neunzehnten Jahrhunderts aufbauendes Regionalbewusstsein bzw. über welcheDominanten erfolgt die Wahrnehmung dieses Raumes im Vergleich der national unter-schiedlichen Betrachter? Die in den Vordergrund gestellte nationale Perspektive suchtdivergierende Ansichten in der Bearbeitung dieses Gebietes durch deutsche, österreichi-sche, rumänische und ukrainische Autoren aufzuzeigen und mögliche Ursachen diesesperspektivischen Betrachtens holzschnittartig herauszuarbeiten. Die wenigen Arbeitenaus anderen Ländern über die Bukowina – wie etwa aus dem angelsächsischen Raum –fanden nur so weit Eingang, als sie sich überhaupt erschließen lassen und nicht ohnehin

    auf Basis jener bereits erwähnten Zugänge zu dieser Region entstanden sind. In systema-tischer Hinsicht wurde weitestgehend maßstabsprinzipiell vom Großen zum Kleinen,also vom Übernationalen (Osteuropa) zum Nationalen (Ukraine/Rumänien) und vomRegionalen (Bukowina) zum Lokalen (Czernowitz etc.) vorgegangen. Großräumige wienationale Studien, die in den historischen wie gegenwärtigen Kontext des ost- und süd-osteuropäischen Raumes einführen, stehen am Beginn der Literaturzusammenschau.

    .

    Die Presse und das Internet reagierten naturgemäß schneller auf die Ostöffnung und be-gannen unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhanges, diese „verschütteten“ Räumefür ein breiteres Publikum wiederzuentdecken und dementsprechend aufzubereiten. Willsich heute jemand eine schnelle Erstinformation über die Bukowina verschaffen, so liegtes nahe, dass er es zunächst über das Internet versucht. Eine einfache Google-Suche,ohne Systematik, ergibt unter dem Schlagwort ‚Bukowina‘ eine nach der Häufigkeit desZugriffs gereihte Liste von weit mehr als zehn Ergebnisseiten, die in ihrer Zusammen-

    setzung (v. a. der erstgereihten Links) geradezu typisch sind für das westliche Image derBukowina. Am häufigsten finden sich dabei private Websites von Hobby-Historikern,Philatelisten, Genealogen über Buchpräsentationen und Einträge von Netzlexika zum

    Google-Suche, Schlagwort ‚Bukowina‘. Zu den informativeren Seiten zählt etwa jene des Bukowina-Institutes in Augsburg, das seit der Universität Augsburg zugeordnet ist. http://www.bukowina-institut.de/. Einen Überblick über die Nordbukowina bietet die offizielle Homepage der CzernowitzerStadtverwaltung. Ein Navigieren ist allerdings z. T. schwierig und der Informationsgehalt relativ gering.http://www.city.cv.ua (alle Abrufdatum . IX. ).

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    7Presse und Internet

    ema bis hin zu Angeboten von Reisebüros. Eine wirklich verwertbare Informationbietet das Internet nur – und da ist die Bukowina keine Ausnahme – bei entsprechendlangwieriger und systematischer Suche, die etwa auf die verschiedenen Schreibweisen

    (ukrainisch, rumänisch, deutsch) oder Fragengebiete Rücksicht nimmt. Auch die Inter-netenzyklopädie „Wikipedia“ verfügt bereits über einen, wenngleich noch recht dünnenEintrag zur Bukowina. Leider macht sich die periphere Lage dieses Raums auch in denhäufigen Server-Ausfällen vor Ort, der schweren Auffindbarkeit oder den nicht immerleicht zugänglichen wie handhabbaren Websites vor allem öffentlicher Einrichtungen(Universitäten, Stadtverwaltungen) bemerkbar. Mithilfe der Robert-Bosch-Stiftungkonnte das rührig aktive Bukowina-Zentrum in Czernowitz auch eine recht brauchbarewie ansprechende Homepage ins Netz stellen, die zahlreiche Querverbindungen bietet.

    Die Presse hingegen lässt – bei einer ebenso zufälligen Auswahl an Zeitungen – deut-

    lich den Unterschied zwischen der nicht gerade Feuilleton-verwöhnten österreichischenund z. B. der schweizerischen Zeitungslandschaft erkennen. Österreichische Qualitätsta-geszeitungen wie Der Standard oder Die Presse  drucken seit den er-Jahren regelmäßigBerichte über die Bukowina, die sich zumeist an einem konkreten Ereignis aufhängen unddarauf Bezug nehmen (Ausstellungseröffnungen, Buchpräsentationen etc.).7 Der Zugangerschließt sich auch hier in weiten Teilen über die Konjunktur der ‚versunkenen Kultur-landschaft‘ und hat kaum einmal das Heute dieser Region zum tragenden Konzept.

    Ein beispielhaft ausgewählter Beitrag über die Bukowina aus der österreichischen Zei-tungslandschaft ist dafür geradezu typisch. A. Pfabigan berichtet etwa über seine phan-tastische Reise nach Czernowitz. Abgesehen von den Schreibfehlern der Ortsnamen imRussischen wie Ukrainischen ergibt man sich vollends dem mittlerweile schon fast Rea-lität gewordenen Mythos vom konfliktfreien Zusammenleben verschiedener Ethnien inder habsburgischen Bukowina und unterlegt das Ganze mit der ‚schmutzig‘ anmutendenTristesse ukrainischer Gegenwart. Das Heute besitzt aus dieser Perspektive nur Attrak-tivität in ihrer postsowjetischen Kuriosität, der der ‚Westen‘ mit Gleichgültigkeit, wennman nur davon liest, und mit Unverständnis bis Ärger, wenn man selbst etwa an einemukrainischen Grenzübergang davon eingeholt wird, begegnet.

    www.wikipedia.org/wiki/Bukowina. (Abrufdatum . IX. ). Homepage der Czernowitzer National Universität http://www.chnu.cv.ua (zweisprachig: Ukrainisch,

    Englisch, Abrufdatum . IX. ). www.bukowinazentrum.org (Abrufdatum . IX. ).7 Vgl. zuletzt ‚Czernowitzer Austria‘, Der Standard , . I. . Vgl. S (). P (). Vgl. S ().

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    Stand der Bukowinaforschung 

     Auch andere bedeutende, hier nicht eigens untersuchte Blätter des deutschsprachigenQualitätsjournalismus, die mehr Raum für Berichte aus diesen Breiten zur Verfügungstellen können, als dies bei österreichischen Zeitungen möglich wäre, stehen für einen an

    Facetten reicheren Zugang. In Feuilletons und Berichten erfährt der Leser seit mehr alseinem Jahrzehnt mit Regelmäßigkeit über die Bukowina und vor allem über Czernowitz.Das verwunschene, aus der Geschichte überkommene Dasein überlagert in der Schil-derung vielfach die vom ökonomischen Überleben geprägte Gegenwart der Bewohnerdieses Raumes. Gleichzeitig wird dem Leser dabei Information über die Vielschichtig-keit des für den aus dem Westen anreisenden Betrachters oft unverständlich verworre-nen Alltagslebens dieser Region geboten. Probleme der ins westliche Ausland gerichteten

     Arbeitsmigration unter der jüngeren wie mittleren Bevölkerungsschicht, Sozialprojekteoder die wirtschaftliche Bedeutung neuer Handelsbeziehungen werden dabei ebenso er-

    wähnt wie für das Verständnis der Gegenwart bedeutende historische Ereignisse in derukrainischen Geschichte. Letztendlich geben diese Feuilletons zu erkennen, dass we-der die Vergangenheit noch die Gegenwart voneinander gelöst oder in einer einseitigenÜberbetonung des einen vor dem anderen gesehen werden sollten. Der unvermuteteErkenntnisgewinn, basierend auf der langen Dauer der Czernowitzer Struktur, dass „dieStadt aus Nicht-Czernowitzern Czernowitzer zu machen versteht“, spricht für ein be-ginnendes, sich vertiefendes Verständnis in der Öffentlichkeit um diesen Raum. Ein Ver-ständnis, das vorerst im Wesentlichen über die Berichte der Medien sein Image erfährt. 

     Allerdings fällt bei den Medienberichten über die Bukowina bei genauerem Hinschauenauf, was sich z. T. auch in der wissenschaftlichen (westlichen) Literatur abzeichnet: dieselektive Wahrnehmung der Bukowina über die Stadt Czernowitz und somit über denukrainischen Anteil der historischen Kulturlandschaft. Der rumänische, südliche Teilder Bukowina, der heutige Judeţ Suceava, kommt in diesem Zusammenhang so gut wiekaum vor.

    Siehe Die Zeit oder Neue Zürcher Zeitung. Vgl. B (). Vgl. A (). S (). Besonders im Zuge der ‚Orangenen Revolution‘ /, den Wahlen und Koalitionsverhandlungen

    während des Frühjahres stieg das Interesse an der Ukraine im Allgemeinen merklich an. Zuletztetwa V ().

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    Überblicksdarstellungen

    .

    Die Arbeit von R. Bideleux und I. Jeffries gehört sicherlich zu den umfangreichsten

    Überblicksmonographien zum östlichen Europa der vergangenen Jahre, die in ihrer Be-trachtung bis in die Gegenwart reichen. Der Wert dieses Buches liegt v. a. darin, dassdie Autoren ihren Blick im Wesentlichen auf die Länder zwischen den östlichen undwestlichen Blöcken richten, also auf die in der Literatur gemeinhin unter ‚Ostmittel-‘und ‚Südosteuropa‘ verstandenen Staaten. Verdienstvoll erscheint auch die ausführlichund kritisch geführte Diskussion des Verhältnisses der Europäischen Union zu den Bei-trittswerbern und -kandidaten. Dabei steht die Forderung nach einer supranationalen,föderalen Struktur innerhalb der künftigen EU bei gleichzeitiger Betonung regionaler(nicht staatlicher, aber grenzübergreifender) Besonderheiten als Gegensatz zum natio-

    nalen Konzept von Einzelstaatsinteressen an vorderster Stelle.7 Auf der anderen Seitebleiben die Verfasser aber dem herkömmlichen, westlichen Konzept der europäischenEinteilung in ‚Mittel-, ‚Ostmittel-‘ und ‚Südosteuropa‘ treu, ohne diese auch nur an-satzweise zu hinterfragen. Sie sehen in den angesprochenen Staaten nach wie vor mehr‚den westlichsten Teil des Ostens als den östlichsten Teil des Westens‘ oder einfach einengleichwertigen Teil Europas, betrachten es gleichzeitig als ‚problematisch und subjek-tiv‘, wenn aus diesen Ländern Stimmen zu hören sind, die sich im Gefühl schon immer‚westlich‘ ausgewiesen haben.

    Eine Abhilfe bei der Durchdringung der oftmals komplizierten und für Außenste-hende nicht selten verwickelten Genese staatlicher Einheiten des östlichen Europas su-chen drei in diesem Zusammenhang publizierte und kommentierte historische Atlanten.Zum einen der regional auf das östliche Europa Bezug nehmende ‚Historical Atlas ofEastern Europe‘ – auf den auch Bideleux und Jeffries verweisen. Hier wird in Kärt-chen, die jeweils auf der gegenüberliegenden Seite Erläuterung finden, eine vorwiegendpolitische Entwicklungsgeschichte dieses europäischen Raumes nachgezeichnet. Über-sichtliche, von Überfrachtungen verschonte Darstellungen erleichtern das Nachvollzie-hen eines mehr als tausendjährigen Prozesses staatlicher Konsolidierung seit dem Früh-

    mittelalter. Die Karte ‚Eastern Europe Cultural‘ erweckt besonderes Interesse – geradeim Hinblick auf die Bukowina, die in der Literatur stets gerne als ‚Insel des Westensim Osten‘ beschrieben wird, obwohl – wenn man die Trennung Europas zwischen rö-

    B & J ().7 Vgl. Conclusion “A tentative ‚Return to Europe‘“, B & J (): –. B & J (): ‚Introduction‘. Die Autoren beziehen sich bei diesen subjektiven Stimmen

    u. a. auf eine Aussage von Papst Johannes Paul II, – (hier ). H & C ().

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    Stand der Bukowinaforschung 

    mischer Latinität und byzantinischer Orthodoxie wurzeln lässt – sie mehrheitlich einorthodoxes Bistum verkörperte. Diese religiös-kulturelle Teilung Europas deutet ein grüngehaltener, unterschiedlich breiter Saum an, der sich von Litauen über Kroatien bis Bos-

    nien und von dort weiter entlang des nördlichen Ufers des Schwarzen Meeres zieht unddie Grenzräume zwischen diesen beiden maßgeblichen religiösen christlichen Anschau-ungen nachfährt. Gerechterweise verweisen die Autoren aber auf die Relativität und dieSchwankungsbreite solcher kultureller Grenzräume in ihrem Kommentar. Ein Bild, dasauch J. LeGoff in seiner für Kinder und Jugendliche konzipierten Geschichte Europassehr plastisch einbaute. Zum anderen steht der – ähnlich in der Konzeption, aber imMaßstab auf ganz Europa projizierte – allerdings ausschließlich im zwanzigsten Jahrhun-dert angesiedelte und populär gehaltene Atlas zur Zeitgeschichte. Der Schwerpunktseiner thematischen Karten liegt mehr auf der detailliert wiedergegebenen Grenzbil-

    dung der europäischen Staaten in diesem Jahrhundert, mit jeweils einzelnen Vertreternim Zentrum der Darstellung. Zuletzt sei noch der von P. R. Magocsi herausgegebenehistorische Atlas zu Zentraleuropa erwähnt. Dieser umfassende und mit zahlreichenStatistiken wie Kommentaren versehene Atlas des an der Universität von Toronto tätigenHistorikers und Politikwissenschaftlers fällt alleine schon durch sein sichtlich von derösterreichischen „Mitteleuropatradition“ geprägtes Konzept auf, das Magosci allerdingshier als „Zentraleuropa“ bezeichnet. Magocsi erlangte v. a. Bekanntheit durch seine in-tensive Arbeit um die Anerkennung der Karpato-Rusinen als eigenständige Nation.

    Der seit vom österreichischen Ost- und Südosteuropainstitut in Wien produ-zierte, großformatige, gleichnamige Atlas ist im Gegensatz dazu auf die Gegenwart aus-gerichtet und darum bemüht, länderübergreifend emen wie Bevölkerung, Umweltund Wirtschaft des südosteuropäischen Raumes auf eine vergleichbare Basis zu stellen.Damit umgeht er die Unzulänglichkeiten von Regional- bzw. Nationalatlanten mit ihrerinselhaften Darstellungsweise, die wenig Rücksicht auf historische, über die gegenwär-

    H & C (): Map : “But human fault lines cannot be delineated neatly on a map. Centu-ries of human interaction have occurred, and each microcultural society has penetrated into geographic

    regions dominated by others. Human cultural faults, therefore, can be seen as bands of green on the mapwhose widths vary by location and history. And much like geological faults, these bands represent linesalong which occur the most dramatic disturbances, caused by friction among the differing macroculturalplates. Likewise, they are the points at which future eruption are most likely to occure.”

    LG (7). S (). M (). Vgl. http://www.carpatho-rusyn.org/ Homepage der Karpato-Rusinen (Abrufdatum . IX. ). Vgl. http://www.osi.ac.at/atlas.htm (Abrufdatum . IX. ) von dort ist ein Zugriff auf die bisher

    vorliegende Internetversion (Prototyp) des Atlasses möglich.

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    Überblicksdarstellungen

    tige Staatsgrenze hinaus kragende Gebiete nehmen und schafft eine wichtige, übergeord-nete Planungs- wie Entscheidungsgrundlage für eine gemeinsame europäische Zukunft.

    Einen verstärkt auf den regionalen Aspekt der historischen Region eingehenden,

    großmaßstäbigeren Überblick versuchen H. Rumpler und I. Röskau-Rydel. WährendRumpler in seiner vorwiegend das neunzehnte Jahrhundert umfassenden Monographieden Schwerpunkt auf die Habsburgermonarchie als verstrichene(?) Chance eines frühenMitteleuropas legt, präsentiert der von Röskau-Rydel – in Fortsetzung der Bemühun-gen von W. Conze – herausgegebene Band zur Deutschen Geschichte im Osten Europaseinen tieferen Einblick auf die Entwicklungsgeschichte von Galizien, der Bukowina undder Moldau.7 Die Autoren legen Wert darauf, die Geschichte der deutschen Siedlun-gen nicht losgelöst, sondern ins Umfeld der anderen dort lebenden Nationen zu stellen.Eine beigegebene Bibliographie sowie eine Ortsnamenkonkordanz machen aus diesem

     Werk eine nicht zu umgehende Einstiegslektüre. Es ist aber als bedauerlich zu vermer-ken, dass diese Arbeiten mit dem De-facto-Ende der deutschen Präsenz im Verlaufe desZweiten Weltkrieges aufhören, auch keinen nur ansatzweisen Einblick in deren weiteres,bis zur Gegenwart