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Ein Fest für den König Musik vom Hof Ludwigs XIV. mit dem Freiburger Barockorchester Von Susanne Benda Dass die französische Barockmusik von der italienischen im Konzertalltag wie auf CDs in den Schatten gestellt wird, liegt nicht nur an der Produktivität von Vivaldi & Co., sondern auch an Eigenarten, die uns heute ferner sind als das italienische Singen. Im Frankreich des Sonnenkönigs ist die Musik ein Spiegel des politischen Systems; folglich geht es um Pracht und Repräsentation, außerdem um (höfische) Tänze, bei denen vor allem die rhythmi- sche Schärfung wichtig ist. Will man mit Stücken von Komponis- ten wie Lully, Campra oder de Lalande bei Hörern unserer Zeit Wirkung erzeu- gen, dann gelingt dies vor allem mit klanglichen und mit gestalterischen Mit- teln, die der Musik das Schematische, Stilisierte und manchmal auch Kühle austreiben. Also mit eben den Qualitäten, die das Freiburger Barockorchester in Hülle und Fülle besitzt. Tatsächlich wurde das erste Stuttgar- ter Saisonkonzert des Ensembles am Sonntagabend im Mozartsaal ein klang- prächtiges Ereignis. Die große Besetzung des Barockorchesters krönten zwei glän- zende Trompeter, die Holzbläser brillier- ten (auch wenn sie gelegentlich gegen- über dem mächtigen Streicherapparat dynamisch unterrepräsentiert wirkten und auch wenn es beim Fagott zwischen- zeitlich leichte Verstimmungen gab), und unter ihrem Konzertmeister Gottfried von der Goltz verliehen die Violinen, Vio- len und Celli jedem Satz eine neue, pas- sende Farbe. Bei der Schärfung der rhythmischen Konturen unterstützte der Perkussionist Charlie Fischer das Or- chester außerdem mit Pauken, Schellen- trommel und anderem Schlagwerk. Dass ausgerechnet Marin Marais’ „La Folia“-Variationen zum Hit des Abends wurden, sprach nicht nur für die grandio- se Gamben-Solistin Hille Perl, sondern zeigte auch, was das Publikum eigentlich sucht: Experiment, Risiko, Befreiung, Emotion. Es gibt Gründe genug, den einen der beiden großen barocken Natio- nalstile ein bisschen lieber zu haben als den anderen. Kurz berichtet Henning Mankell posthum erfolgreich Der schwedische Bestsellerautor Hen- ning Mankell steht mit „Treibsand“ – einer literarischen Verarbeitung seiner Krebserkrankung – posthum auf Platz eins der Sachbuch-Bestsellerliste. Das teilte GfK Entertainment am Montag mit. Eine Tagesdatenanalyse zeige, dass die Nachricht vom Tod des Krimiautors am 5. Oktober zu einem sprunghaften Anstieg der Verkaufszahlen geführt habe. (dpa) Asterix bleibt zu Hause „Der Papyrus des Cäsar“ heißt der 36. Asterix-Band – erschei- nen soll das neue Abenteuer am 22. Ok- tober. Nachdem Asterix und Obelix zuletzt die schottischen Clans in Kale- donien be- suchten, spielt der neue Band wieder in Gallien. Am Montag ist das Cover im Rahmen einer Pressekonferenz in Paris vorge- stellt worden – es zeigt die gallischen Helden in lustvoller Verschwörung, während der große Cäsar im Hinter- grund wieder einmal offenbar Wichtiges zu verkünden hat. (StN) Das Phantom liebt wieder Gleich zwei neue große Musicals kom- men in Hamburg in den nächsten Wo- chen auf die Bühne: „Liebe stirbt nie“ heißt es bei der Fortsetzung des „Phan- toms der Oper“, für die sich an diesem Donnerstag im Operettenhaus der Vor- hang hebt. Rund sieben Wochen später feiert „Aladdin“ im Theater Neue Flora Europapremiere. (dpa) Janet Jackson auf Platz eins Janet Jackson (49) hat mit ihrem Come- back-Album „Unbreakable“ zum siebten Mal ein Nummer-eins-Album in den US-Charts. Das berichtete das Musik- magazin „Billboard“ am Sonntag online. Demnach verzeichnen nur Barbra Streisand (zehn Alben) und Madonna (acht) mehr Nummer-eins-Alben. Es ist ihr erstes Studioalbum seit dem Jahr 2008. (dpa) Von Brigitte Jähnigen Drei Mini-Tablaos, drei zusammengeklapp- te Fächer, drei Paar Schuhe. Drei Tänzerin- nen, Anonymes an Säulen schreibend. Ele- gante Figurinen mit den Gesten einer Gei- sha. Ein scheues Spiel des Verbergens und Sich-Zeigens. Tänzerinnen schlichter Poe- sie. Keine Volants an den Röcken, keine ro- ten Kamelien im Haar der Frauen, keine Fransentücher. Stattdessen puristische Kleider mit grafischem Design, wendbar zu Uni-Farben. Mit „Haiku-Flamenco“ geht die Schwei- zer Choreografin Brigitta Luisa Merki mit ihrer Tanzkompanie Flamencos en route einen neuen Weg – um zusammenzuführen, was sich scheinbar fremd ist. Haiku, die tra- ditionelle japanische Gedichtform, werden in Wortgruppen aus fünf, sieben und wiede- rum fünf phonetisch offenen Silben (Moren) geschrieben – der Dichter ist limitiert. Fla- menco als traditioneller andalusischer Tanz erscheint oft tänzerisch überbordend, Frau- en und Männer konzentriert im Metrum, die Augenbrauen streng gerunzelt. „Löst man sich vom Klischee des Flamenco, haben Hai- ku und Flamenco in ihrer Essenz viele Über- einstimmungen“, sagt Brigitta Luisa Merki. Wie dem Haiku sei auch dem Flamenco eine strenge rhythmische Struktur eigen, die dem Inhalt eine klare Form vorgebe. In der europäischen Übertragung er- scheint das Haiku seinen Wortgruppen ent- sprechend als Dreizeiler, und diese Dreizeiler haben mich choreografisch beeinflusst“, so die Schweizer Choreografin. Formal in der Bühnendekoration, tänzerisch und musika- lisch. Zwei Frauen, ein Mann, zwei Männer, eine Frau: In Trios nähern sich in „Haiku Fla- menco“ die Tänzer, finden und verlassen sich. Haiku-Gedichte des Dichters Mario Be- nedetti aus Uruguay erklingen als Flamenco- Gesang; in der rhythmischen Struktur des ja- panischen Dreizeilers 5-7-5 entstanden klei- ne Tanz-Haikus. „Das war am Anfang für al- le kompliziert, denn wir spielen mit der Ma- thematik, doch dann hat es viel Spaß ge- macht“, sagt Brigitta Luisa Merki. In der Tat: Keine der bisherigen Produk- tionen von Flamencos en route kommt so heiter, so leicht über die Bühne. Eine Hand- lung gibt es nicht. Vor einem Shoij, einer lichtdurchlässigen Wand im Bühnenhinter- grund, präsentieren Carmen Coy, Carmen Iglesias, Delara Tiv, Eloy Aguilar, Alvise Carbone und Isaac Tovar spielerische, manchmal burleske Tanzszenen, wird mit Licht und Schatten gespielt, werden Kanji – japanische Schriftzeichen – abgebildet, fügt sich der Haiku-Gesang der Sängerin Rocio Soto und des Sängers Pedro Obregon in die musikalischen Arrangements von Juan Go- mez und Pascual de Lorca (Gitarre) und Fre- drik Gille (Perkussion). Und dann sind da noch die Fächer, in der japanischen Kultur wie im Flamenco beheimatet. Üblicherweise ein künstlerisches Mittel der Frauen, ist in „Haiku Flamenco“ der Fächer auch bei den Männern angekommen. Dass Brigitta Luisa Merki mit ihrer freien Kompanie den folkloristischen Fla- menco entstaubt hat, dass sie für die Pro- duktion „orfeo. euridice. das paradies“ eine algerische Sängerin engagierte, ihre Tänzer in „Perlas peregrina“ in Leggings, Minirock und Jeans auftreten lässt, das hat der Schweizer Choreografin enthusiasti- sche Kritiken und ausverkaufte Spielstät- ten eingebracht. Doch bewirbt sie sich bei Festivals, winken Kuratoren gern mal ab: „Das passt nicht ins Profil“. Martin Schläpfer jedoch, Chefchoreograf und Bal- lettdirektor des 2015 zum dritten Mal in Folge als Kompanie des Jahres ausgezeich- neten Balletts am Rhein, sah das künstleri- sche Potenzial seiner Landsmännin und lud Flamencos en route im Frühjahr dieses Jah- res an sein Haus ein. „. . . adónde vas, Sigui- riya“, eine Choreografie von Brigitta Luisa Merki, in der Tänzer des Balletts am Rhein gemeinsam mit Tänzern von Merkis Truppe auf der Düsseldorfer Bühne zu erleben wa- ren, riss auch Puristen des klassischen Tan- zes von den Sitzen. Stilsicherheit, Sorgfalt und Offenheit sind künstlerische Prägun- gen, die die Arbeit der beiden Schweizer verbindet. „Es war ein großes Experiment, und es scheint gelungen“, sagt Merki in ihrer be- scheidenen Art. Dass ihre Kompanie nach der Gründung vor 30 Jahren in großen Häu- sern wie an soziokulturellen Orten wie dem Tojo in Bern auftritt, will die Choreografin und Tänzerin auch als kulturpolitisches Sig- nal verstanden wissen. Und das verbindet sie mit dem Stuttgarter Theaterhaus. „Mit der Produktion ‚Haiku Flamenco’ feiern wir 30 gemeinsame Jahre freundschaftliches Zusammengehen mit dem Theaterhaus, das ja auch vor drei Jahr- zehnten gegründet wurde“, sagt Brigitta Luisa Merki. ¡ Vom 16. bis 18. und 20. bis 24. Oktober im Theaterhaus. Tickets: 07 11 / 40 20 720. Die Mathematik lernt tanzen Die Schweizer Tanzkompanie Flamencos en route verwandelt für ihr neues Stück japanische Haiku-Gedichte in Gesang Seit 30 Jahren tritt die Schweizer Tanzkompanie Flamencos en route immer wieder im Theaterhaus auf. Ein kleines Jubiläum, das ein aktuelles Gastspiel feiert. Die neue Produktion von Brigitta Luisa Merki bringt noch mehr zusammen: Für „Haiku-Flamenco“ standen japanische Gedichte Pate. Brigitta Luisa Merki entstaubt mit ihrer freien Kompanie den folkloristischen Flamenco Szene aus „Haiku Flamenco“ Foto: Alex Spichale Abbildung: © Egmont Ehapa Für einen Roman über die alte Bundesrepub- lik hat Frank Witzel den Deutschen Buchpreis 2015 erhalten. Das Buch mit dem Titel „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ wurde am Montagabend in Frankfurt als beste literarische Neuerschei- nung des Jahres im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Der Autor schildert darin in einer Vielzahl von Episoden und Fragmenten die Nachkriegszeit aus der Sicht eines 13- Jährigen im Wiesbadener Ortsteil Biebrich. „Frank Witzels Werk ist ein im besten Sin- ne maßloses Romankonstrukt“, begründete die Jury den Preis. In seiner Mischung aus „Wahn und Witz, formalem Wagemut und zeitgeschichtlicher Panoramatik“ sei der Ro- man einzigartig in der deutschsprachigen Li- teratur. „Mit dem Deutschen Buchpreis wird ein genialisches Sprachkunstwerk ausge- zeichnet, das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia.“ In der Endausscheidung setzte Witzel sich gegen Jenny Erpenbeck („Gehen, ging, ge- gangen“), Rolf Lappert („Über den Winter“), Inger-Maria Mahlke („Wie Ihr wollt“), Ulrich Peltzer („Das bessere Leben“) und Monique Schwitter („Eins im Andern“) durch. Der Deutsche Buchpreis, 2005 erstmals vergeben, gilt als wichtigste Auszeichnung der Branche. Über den Preis entscheidet eine siebenköpfi- ge Kritikerjury. Dem Sieger winkt neben 25 000 Euro in der Regel auch ein Platz auf der Bestsellerliste. Im vergangenen Jahr gewann Lutz Seiler den Preis für seinen auf Hidden- see spielenden DDR-Aussteigerroman „Kru- so“. Der Preis wird traditionell am Vorabend der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben und zugleich überreicht. An diesem Dienstag wird die 67. Buchmes- se dann offiziell eröffnet. Mehr als 7000 Aus- steller aus rund 100 Ländern werden zum weltgrößten Branchentreff bis zum 18. Okto- ber erwartet. Gastland ist dieses Jahr Indone- sien. Stargast noch vor der offiziellen Eröff- nung wird aber der britisch-indische Autor Salman Rushdie („Satanische Verse“) sein. Er will bei der Eröffnungspressekonferenz um 11 Uhr eine Rede halten. Wegen der Anwesenheit Rushdies hat der Iran seine Teilnahme an der Messe abgesagt. Rushdie war 1989 vom Iran mit einer „Fatwa“ belegt worden. Im neuen Buch, das vor weni- gen Wochen auf den Markt kam, beschäftigt sich Rushdie erneut mit religiösem Fanatis- mus. Die Organisatoren in Frankfurt haben dieses Jahr die „politischste“ Messe seit lan- gem versprochen. Die Buchmesse wird von einer Tochter des Dachverbands der deut- schen Buchbranche organisiert. Musiker, Essayist und Moderator, Roman- cier und Illustrator – der Gewinner des Deut- schen Buchpreises ist in vielen Disziplinen heimisch. 1955 wurde Frank Witzel in Wies- baden geboren. Nach der Schule machte er eine musikalische Ausbildung am Wiesbade- ner Konservatorium. Schon als kleines Kind hatte er Klavier, Cello und klassische Gitarre gelernt. Mit 22 veröffentlichte er dann seinen ersten Gedichtband. 2001 erschien sein Ro- man „Bluemoon Baby“, zwei Jahre später „Revolution und Heimarbeit“. Die Geschich- te der Bundesrepublik dient Witzel in seinen Büchern als Spielwiese für oft groteske Ein- fälle und literarische Verschwörungstheo- rien. 2005 und 2009 legte er zusammen mit zwei Co-Autoren Gesprächsbücher über Pop- kultur und die deutsche Geschichte vor. Auf ähnliche Weise wie seine früheren Ro- mane ist auch sein neuestes Werk gestrickt. Schon 2012 erhielt Witzel für das rund 1000 Seiten umfassende Romanprojekt mit dem barocken Titel „Die Erfindung der Roten Ar- mee Fraktion durch einen manisch-depressi- ven Teenager im Sommer 1969“ den Robert- Gernhardt-Preis. Das 2015 erschienene Er- gebnis des Projekts ist nun für den Deutschen Buchpreis nominiert. Witzel lebt in Offen- bach. (StN/dpa) Ein im besten Sinne maßloses Romankonstrukt Frankfurter Buchmesse Am Vorabend der größten Büchermesse der Welt erhält Frank Witzel den Deutschen Buchpreis 2015 Buchpreis-Gewinner Frank Witzel Foto: dpa Info Frankfurter Buchmesse ¡ Wann? 14. bis 18. Oktober; 9 bis 18.30 Uhr (Sonntag nur bis 17.30 Uhr) ¡ Wer? Fachbesucher 14. bis 16., Publikums- tage 17. und 18. Oktober ¡ www.buchmesse.de 13 Nummer 236 • Dienstag, 13. Oktober 2015 Kultur

Die Mathematik lernt tanzen - flamencos en route | Intro · 2018. 5. 23. · Asterix bleibt zu Hause ¹Der Papyrus des Cs arª heiût der 36. Asterix-Band ± erschei-nen soll das

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Page 1: Die Mathematik lernt tanzen - flamencos en route | Intro · 2018. 5. 23. · Asterix bleibt zu Hause ¹Der Papyrus des Cs arª heiût der 36. Asterix-Band ± erschei-nen soll das

Ein Festfür denKönigMusik vom Hof Ludwigs XIV. mit dem Freiburger Barockorchester

Von Susanne Benda

Dass  die  französische  Barockmusik  vonder italienischen im Konzertalltag wie aufCDs  in  den  Schatten  gestellt  wird,  liegtnicht nur an der Produktivität von Vivaldi&  Co.,  sondern  auch  an  Eigenarten,  dieuns heute ferner sind als das italienischeSingen. Im Frankreich des Sonnenkönigsist die Musik ein Spiegel des politischenSystems; folglich geht es um Pracht undRepräsentation, außerdem um (höfische)Tänze, bei denen vor allem die rhythmi­sche Schärfung wichtig ist. 

Will man mit Stücken von Komponis­ten wie Lully, Campra oder de Lalandebei Hörern unserer Zeit Wirkung erzeu­gen,  dann  gelingt  dies  vor  allem  mitklanglichen und mit gestalterischen Mit­teln,  die  der  Musik  das  Schematische,Stilisierte  und  manchmal  auch  Kühleaustreiben. Also mit eben den Qualitäten,die  das  Freiburger  Barockorchester  inHülle und Fülle besitzt. 

Tatsächlich wurde das erste Stuttgar­ter  Saisonkonzert  des  Ensembles  amSonntagabend im Mozartsaal ein klang­prächtiges Ereignis. Die große Besetzungdes Barockorchesters krönten zwei glän­zende Trompeter, die Holzbläser brillier­ten  (auch  wenn  sie  gelegentlich  gegen­über  dem  mächtigen  Streicherapparatdynamisch  unterrepräsentiert  wirktenund auch wenn es beim Fagott zwischen­zeitlich leichte Verstimmungen gab), undunter  ihrem  Konzertmeister  Gottfriedvon der Goltz verliehen die Violinen, Vio­len und Celli jedem Satz eine neue, pas­sende  Farbe.  Bei  der  Schärfung  derrhythmischen Konturen unterstützte derPerkussionist  Charlie  Fischer  das  Or­chester außerdem mit Pauken, Schellen­trommel und anderem Schlagwerk. 

Dass ausgerechnet Marin Marais’ „LaFolia“­Variationen zum Hit des Abendswurden, sprach nicht nur für die grandio­se Gamben­Solistin Hille Perl,  sondernzeigte auch, was das Publikum eigentlichsucht:  Experiment,  Risiko,  Befreiung,Emotion.  Es  gibt  Gründe  genug,  deneinen der beiden großen barocken Natio­nalstile ein bisschen lieber zu haben alsden anderen. 

Kurz berichtet

Henning Mankellposthum erfolgreichDer schwedische Bestsellerautor Hen­ning Mankell steht mit „Treibsand“ – einer literarischen Verarbeitung seiner Krebserkrankung – posthum auf Platz eins der Sachbuch­Bestsellerliste. Das teilte GfK Entertainment am Montag mit. Eine Tagesdatenanalyse zeige, dass die Nachricht vom Tod des Krimiautors am 5. Oktober zu einem sprunghaften Anstieg der Verkaufszahlen geführt habe. (dpa)

Asterix bleibt zu Hause „Der Papyrus des Cäsar“ heißt der 

36. Asterix­Band –erschei­nen solldas neueAbenteueram 22. Ok­tober.NachdemAsterix und Obelixzuletzt dieschottischenClans in Kale­donien be­suchten, spieltder neue Bandwieder in Gallien. AmMontag ist das 

Cover im Rahmeneiner Pressekonferenz in Paris vorge­stellt worden – es zeigt die gallischen Helden in lustvoller Verschwörung, während der große Cäsar im Hinter­grund wieder einmal offenbar Wichtiges zu verkünden hat. (StN)

Das Phantom liebt wiederGleich zwei neue große Musicals kom­men in Hamburg in den nächsten Wo­chen auf die Bühne: „Liebe stirbt nie“ heißt es bei der Fortsetzung des „Phan­toms der Oper“, für die sich an diesem Donnerstag im Operettenhaus der Vor­hang hebt. Rund sieben Wochen später feiert „Aladdin“ im Theater Neue Flora Europapremiere. (dpa)

Janet Jackson auf Platz einsJanet Jackson (49) hat mit ihrem Come­back­Album „Unbreakable“ zum siebten Mal ein Nummer­eins­Album in den US­Charts. Das berichtete das Musik­magazin „Billboard“ am Sonntag online. Demnach verzeichnen nur Barbra Streisand (zehn Alben) und Madonna (acht) mehr Nummer­eins­Alben. Es ist ihr erstes Studioalbum seit dem Jahr 2008. (dpa)

Von Brigitte Jähnigen

Drei Mini­Tablaos, drei zusammengeklapp­te Fächer, drei Paar Schuhe. Drei Tänzerin­nen, Anonymes an Säulen schreibend. Ele­gante Figurinen mit den Gesten einer Gei­sha. Ein scheues Spiel des Verbergens undSich­Zeigens.  Tänzerinnen  schlichter Poe­sie. Keine Volants an den Röcken, keine ro­ten  Kamelien  im  Haar  der  Frauen,  keineFransentücher.  Stattdessen  puristischeKleider mit grafischem Design, wendbar zuUni­Farben. 

Mit „Haiku­Flamenco“ geht die Schwei­zer Choreografin Brigitta Luisa Merki mitihrer  Tanzkompanie  Flamencos  en  routeeinen neuen Weg – um zusammenzuführen,was sich scheinbar fremd ist. Haiku, die tra­ditionelle japanische Gedichtform, werdenin Wortgruppen aus fünf, sieben und wiede­rum fünf phonetisch offenen Silben (Moren)geschrieben – der Dichter ist limitiert. Fla­menco als traditioneller andalusischer Tanzerscheint oft tänzerisch überbordend, Frau­en und Männer konzentriert im Metrum, dieAugenbrauen  streng  gerunzelt.  „Löst  mansich vom Klischee des Flamenco, haben Hai­ku und Flamenco in ihrer Essenz viele Über­einstimmungen“, sagt Brigitta Luisa Merki.Wie dem Haiku sei auch dem Flamenco einestrenge rhythmische Struktur eigen, die demInhalt eine klare Form vorgebe. 

In  der  europäischen  Übertragung  er­scheint das Haiku seinen Wortgruppen ent­sprechend als Dreizeiler, und diese Dreizeilerhaben mich choreografisch beeinflusst“, sodie Schweizer Choreografin. Formal  in derBühnendekoration, tänzerisch und musika­lisch. Zwei Frauen, ein Mann, zwei Männer,eine Frau: In Trios nähern sich in „Haiku Fla­menco“  die  Tänzer,  finden  und  verlassensich. Haiku­Gedichte des Dichters Mario Be­nedetti aus Uruguay erklingen als Flamenco­Gesang; in der rhythmischen Struktur des ja­panischen Dreizeilers 5­7­5 entstanden klei­ne Tanz­Haikus. „Das war am Anfang für al­le kompliziert, denn wir spielen mit der Ma­thematik,  doch  dann  hat  es  viel  Spaß  ge­macht“, sagt Brigitta Luisa Merki. 

In der Tat: Keine der bisherigen Produk­tionen  von  Flamencos  en  route  kommt  soheiter, so leicht über die Bühne. Eine Hand­lung  gibt  es  nicht.  Vor  einem  Shoij,  einerlichtdurchlässigen Wand im Bühnenhinter­grund,  präsentieren  Carmen  Coy,  CarmenIglesias,  Delara  Tiv,  Eloy  Aguilar,  AlviseCarbone  und  Isaac  Tovar  spielerische,manchmal  burleske  Tanzszenen,  wird  mitLicht und Schatten gespielt, werden Kanji –japanische Schriftzeichen – abgebildet, fügtsich der Haiku­Gesang der Sängerin RocioSoto und des Sängers Pedro Obregon in diemusikalischen Arrangements von Juan Go­mez und Pascual de Lorca (Gitarre) und Fre­drik Gille  (Perkussion). Und dann sind danoch die Fächer, in der japanischen Kulturwie im Flamenco beheimatet. Üblicherweiseein künstlerisches Mittel der Frauen, ist in

„Haiku Flamenco“ der Fächer auch bei denMännern angekommen. 

Dass  Brigitta  Luisa  Merki  mit  ihrerfreien Kompanie den folkloristischen Fla­menco entstaubt hat, dass sie für die Pro­duktion  „orfeo.  euridice.  das  paradies“eine  algerische  Sängerin  engagierte,  ihreTänzer in „Perlas peregrina“ in Leggings,Minirock und Jeans auftreten lässt, das hatder  Schweizer  Choreografin  enthusiasti­sche Kritiken und ausverkaufte Spielstät­ten eingebracht. Doch bewirbt sie sich beiFestivals, winken Kuratoren gern mal ab:„Das  passt  nicht  ins  Profil“.  MartinSchläpfer jedoch, Chefchoreograf und Bal­lettdirektor  des  2015  zum  dritten  Mal  in

Folge als Kompanie des Jahres ausgezeich­neten Balletts am Rhein, sah das künstleri­sche Potenzial seiner Landsmännin und ludFlamencos en route im Frühjahr dieses Jah­res an sein Haus ein. „. . . adónde vas, Sigui­riya“, eine Choreografie von Brigitta LuisaMerki, in der Tänzer des Balletts am Rheingemeinsam mit Tänzern von Merkis Truppeauf der Düsseldorfer Bühne zu erleben wa­ren, riss auch Puristen des klassischen Tan­zes von den Sitzen. Stilsicherheit, Sorgfaltund Offenheit sind künstlerische Prägun­gen, die die Arbeit der beiden Schweizerverbindet. 

„Es  war  ein  großes  Experiment,  und  esscheint gelungen“, sagt Merki  in  ihrer be­

scheidenen Art. Dass  ihre Kompanie nachder Gründung vor 30 Jahren in großen Häu­sern wie an soziokulturellen Orten wie demTojo in Bern auftritt, will die Choreografinund Tänzerin auch als kulturpolitisches Sig­nal verstanden wissen. 

Und das verbindet sie mit dem StuttgarterTheaterhaus.  „Mit  der  Produktion  ‚HaikuFlamenco’ feiern wir 30 gemeinsame Jahrefreundschaftliches  Zusammengehen  mitdem Theaterhaus, das ja auch vor drei Jahr­zehnten  gegründet  wurde“,  sagt  BrigittaLuisa Merki. 

¡ Vom 16. bis 18. und 20. bis 24. Oktober imTheaterhaus. Tickets: 07 11 / 40 20 720.

Die Mathematik lernt tanzenDie Schweizer Tanzkompanie Flamencos en route verwandelt für ihr neues Stück japanische Haiku-Gedichte in Gesang

Seit 30 Jahren tritt die Schweizer Tanzkompanie Flamencos en route immer wieder im Theaterhaus auf. Ein kleines Jubiläum, das ein aktuelles Gastspiel feiert. Die neue Produktion von Brigitta Luisa Merki bringt noch mehr zusammen: Für „Haiku-Flamenco“ standen japanische Gedichte Pate.

Brigitta Luisa Merki entstaubt mit ihrer freien Kompanie den folkloristischen Flamenco

Szene aus „Haiku Flamenco“ Foto: Alex Spichale

Abbildung:© Egmont Ehapa

Für einen Roman über die alte Bundesrepub­lik hat Frank Witzel den Deutschen Buchpreis2015 erhalten. Das Buch mit dem Titel „DieErfindung der Roten Armee Fraktion durcheinen  manisch­depressiven  Teenager  imSommer  1969“  wurde  am  Montagabend  inFrankfurt als beste literarische Neuerschei­nung des Jahres im deutschsprachigen Raumausgezeichnet. Der Autor schildert darin  ineiner Vielzahl von Episoden und Fragmentendie  Nachkriegszeit  aus  der  Sicht  eines  13­Jährigen im Wiesbadener Ortsteil Biebrich.

„Frank Witzels Werk ist ein im besten Sin­ne  maßloses  Romankonstrukt“,  begründetedie  Jury  den  Preis.  In  seiner  Mischung  aus„Wahn  und  Witz,  formalem  Wagemut  undzeitgeschichtlicher Panoramatik“ sei der Ro­man einzigartig in der deutschsprachigen Li­teratur. „Mit dem Deutschen Buchpreis wirdein  genialisches  Sprachkunstwerk  ausge­zeichnet,  das  ein  großer  Steinbruch  ist,  einhybrides Kompendium aus Pop, Politik undParanoia.“

In der Endausscheidung setzte Witzel sichgegen  Jenny  Erpenbeck  („Gehen,  ging,  ge­gangen“), Rolf Lappert („Über den Winter“),Inger­Maria Mahlke („Wie Ihr wollt“), UlrichPeltzer („Das bessere Leben“) und MoniqueSchwitter  („Eins  im  Andern“)  durch.  DerDeutsche Buchpreis, 2005 erstmals vergeben,gilt als wichtigste Auszeichnung der Branche.Über den Preis entscheidet eine siebenköpfi­ge  Kritikerjury.  Dem  Sieger  winkt  neben25 000 Euro in der Regel auch ein Platz auf derBestsellerliste. Im vergangenen Jahr gewann

Lutz Seiler den Preis für seinen auf Hidden­see spielenden DDR­Aussteigerroman „Kru­so“. Der Preis wird traditionell am Vorabendder Frankfurter Buchmesse bekanntgegebenund zugleich überreicht.

An diesem Dienstag wird die 67. Buchmes­se dann offiziell eröffnet. Mehr als 7000 Aus­steller  aus  rund  100  Ländern  werden  zumweltgrößten Branchentreff bis zum 18. Okto­ber erwartet. Gastland ist dieses Jahr Indone­sien. Stargast noch vor der offiziellen Eröff­nung wird aber der britisch­indische AutorSalman Rushdie („Satanische Verse“) sein. Erwill  bei  der  Eröffnungspressekonferenz  um11 Uhr eine Rede halten.

Wegen der Anwesenheit Rushdies hat derIran seine Teilnahme an der Messe abgesagt.Rushdie war 1989 vom Iran mit einer „Fatwa“belegt worden. Im neuen Buch, das vor weni­gen Wochen auf den Markt kam, beschäftigt

sich Rushdie erneut mit religiösem Fanatis­mus. Die Organisatoren in Frankfurt habendieses Jahr die „politischste“ Messe seit lan­gem  versprochen.  Die  Buchmesse  wird  voneiner  Tochter  des  Dachverbands  der  deut­schen Buchbranche organisiert.

Musiker, Essayist und Moderator, Roman­cier und Illustrator – der Gewinner des Deut­schen  Buchpreises  ist  in  vielen  Disziplinenheimisch. 1955 wurde Frank Witzel in Wies­baden geboren. Nach der Schule machte ereine musikalische Ausbildung am Wiesbade­ner Konservatorium. Schon als kleines Kindhatte er Klavier, Cello und klassische Gitarregelernt. Mit 22 veröffentlichte er dann seinenersten Gedichtband. 2001 erschien sein Ro­man  „Bluemoon  Baby“,  zwei  Jahre  später„Revolution und Heimarbeit“. Die Geschich­te der Bundesrepublik dient Witzel in seinenBüchern als Spielwiese für oft groteske Ein­fälle  und  literarische  Verschwörungstheo­rien. 2005 und 2009 legte er zusammen mitzwei Co­Autoren Gesprächsbücher über Pop­kultur und die deutsche Geschichte vor. 

Auf ähnliche Weise wie seine früheren Ro­mane ist auch sein neuestes Werk gestrickt.Schon 2012 erhielt Witzel für das rund 1000Seiten  umfassende  Romanprojekt  mit  dembarocken Titel „Die Erfindung der Roten Ar­mee Fraktion durch einen manisch­depressi­ven Teenager im Sommer 1969“ den Robert­Gernhardt­Preis.  Das  2015  erschienene  Er­gebnis des Projekts ist nun für den DeutschenBuchpreis  nominiert.  Witzel  lebt  in  Offen­bach. (StN/dpa)

Ein im besten Sinne maßloses RomankonstruktFrankfurter Buchmesse Am Vorabend der größten Büchermesse der Welt erhält Frank Witzel den Deutschen Buchpreis 2015

Buchpreis-Gewinner Frank Witzel Foto: dpa

Info

Frankfurter Buchmesse

¡ Wann? 14. bis 18. Oktober; 9 bis 18.30 Uhr(Sonntag nur bis 17.30 Uhr)

¡ Wer? Fachbesucher 14. bis 16., Publikums-tage 17. und 18. Oktober

¡ www.buchmesse.de

13Nummer 236 • Dienstag, 13. Oktober 2015Kultur