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„Wir brauchen ein stärkeres Engagement der öffentli- chen Hand, um der Vision Zero – der Vermeidung krebsbedingter Todesfälle – so nahe wie möglich zu kommen“, fordert Professor Dr. Christof von Kalle vom Nationalen Centrum für Tu- morerkrankungen in Heidel- berg. SEITEN IV UND VII Mehr Einsatz © NCT/PHILIP BENJAMIN Der kürzlich vorgelegte AMNOG Report 2018 unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Onkolo- gie. So ist der Anteil der zur frühen Zusatznutzenbewertung einge- reichten Dossiers für Onkologika weiter gestiegen. Er lag 2017 bei 57 Prozent. Mit dazu beigetragen hat der rasante Fortschritt in der Im- munonkologie. Gemessen an der gesamten Onkologie fällt die Be- wertung hier überwiegend gut aus. Fakt ist: Wir stehen am Anfang einer Entwicklung mit erhebli- chem Potenzial. Kritiker fragen derweil, ob die Methodik der Nut- zenbewertung mit dieser Entwick- lung Schritt halten kann. Dennoch ist es zu früh, hier ein Urteil abzu- geben. Nicht zu früh ist es hingegen für ein Urteil über den politischen Ei- ertanz bei der Darmkrebsfrüher- kennung. Obwohl bekannt ist, dass Verwandte ersten Grades ein bis zu 4,1-fach höheres Risiko haben, selbst Darmkrebs zu bekommen, als Gleichaltrige ohne familiäre Be- lastung, kann sich das IQWiG zu keiner klaren Empfehlung durch- ringen. Es vergeht kostbare Zeit. Kostbare Zeit, die übrigens auch genutzt werden sollte, um der Fra- ge nach der Finanzierbarkeit neuer Therapien in der Onkologie nach- zugehen. Gut, dass das 4. Interdis- ziplinäre Symposium den Mut hat- te, hier klar Position zu beziehen. Zur Nachahmung empfohlen! Ihr EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser Wolfgang van den Bergh, Chefredakteur der „Ärzte Zeitung“ Es ist eigentlich eine Binsenweisheit: Wer den Kampf gegen Krebs gewin- nen will, muss die Prävention ins Visier nehmen. Dass hier mit ver- gleichsweise einfachen Mitteln viel zu erreichen ist, zeigt das niederländi- sche Darmkrebsscreening. Darin war der immunologische Stuhltest die wirksamste Maßnahme der Früh- erkennung, bezogen auf die Zahl der eingeladenen Personen detektierte er mehr Kolorektalkarzinome als die Koloskopie. Auf Prävention setzt auch Professor Dr. Magnus von Knebel Doeberitz, Heidelberg. Er arbeitet an der Entwicklung einer Vakzine gegen die endogene Karzinogenese. Die bisherigen Ergebnisse lassen den An- satz als sehr zukunftsträchtig erschei- nen. Welchen Stellenwert das Mikrobi- om in der Onkologie einmal haben wird, ist noch offen. Zwar gibt es Asso- ziationen zwischen der Zusammen- setzung des mikrobiellen Ökosystems und dem Kolorektalkarzinom, in Tier- studien sogar einen kausalen Zusam- menhang, so Professor Dr. Dirk Haller, München. Was Mikrobiomsig- naturen beim Menschen bedeuten, sei aber noch unklar. Konkrete diagnosti- sche Fortschritte zeichnen sich dage- gen durch die Liquid Biopsy ab. In der Behandlung haben zuletzt zielgerichtete Therapien und Immun- onkologika den Fortschritt markiert. Allerdings profitieren nicht alle Pati- enten davon und Resistenzen sind ein Problem. In diesen Fällen ruhen die Hoffnungen auf Kombinationsthera- pien und neuen Strategien wie der CAR-T-Zelltherapie, berichtete Pro- fessor Dr. Dirk Jäger, Heidelberg. Sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie von Krebserkrankun- gen fallen heute zahlreiche Daten an, aus denen sich enormes Wissen gene- rieren ließe. Obwohl es bereits Platt- formen gibt, auf denen solche Daten zusammengeführt werden, stehen der optimalen Nutzung noch viele prakti- sche Hürden im Weg. Angesichts der vielen Innovatio- nen hatten die Initiatoren dem Sym- posium den Untertitel „Die Neuver- messung der Onkologie“ mit auf den Weg gegeben. Nötig sei sie, um dem alten Verständnis von onkologischer Versorgung ein neues entgegenzuset- zen, das den Chancen und Herausfor- derungen besser gerecht wird. Tat- sächlich waren die Teilnehmer von der Notwendigkeit einer Neuvermes- sung überzeugt. Sie forderten mit Nachdruck ein Umdenken in der me- dizinischen Versorgung und mehr Engagement der öffentlichen Hand. Die Krebsbekämpfung und insbeson- dere die Prävention müsse aus ihrem Mauerblümchendasein erlöst werden. Der bisher skandalöserweise nicht finanzierte Nationale Krebsplan sei endlich mit Ressourcen auszustatten. Fazit: Die Gesellschaft will Krebs- todesfälle nicht mehr tolerieren und fordert die Politik zum Handeln auf. Onkologische Versorgung – hier ist Umdenken gefragt! In der Onkologie herrscht Aufbruchstimmung. Das wurde auf der vierten Veranstaltung der Symposi- umsreihe „Innovations in Oncology“ mehr als deutlich. Nun geht es darum, neue Erkenntnisse und Treiber- technologien in die Versor- gung zu überführen. Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r:. Dr. Georg Ralle, PD Dr. Thomas Illmer, Sascha Lobo, Jan Geißler, Professor Dr. Christof von Kalle, Professor Dr. Diana Lüftner, Dr. Johannes Bruns, Dr. Christa Maar, Professor Dr. Hagen Pfundner, Professor Dr. Jürgen Wolf, Professor Dr. Magnus v. Knebel Doeberitz © DAVID AUSSERHOFER „Im Kampf gegen den Darmkrebs brauchen wir breiten Zugang zu hoch- wertigen Vorsorgepro- grammen. Dabei müssen wir vor allem an Menschen mit familiärem Risiko den- ken!“, betont Dr. Christa Maar vom Netzwerk gegen Darmkrebs. SEITEN II UND VII Mehr Qualität © PHILIP BENJAMIN „Neue Therapien haben die Versorgung entschei- dend verbessert. Beim malignen Melanom gibt es heute viele Patienten, die seit Jahren in Remission sind – das macht uns Mut!“, so Professor Dr. Diana Lüft- ner von der Charité Berlin. SEITE III Mehr Erfolg © DGHO EINE BEILAGE ANLÄSSLICH DES INNOVATIONS-WORKSHOPS AM 22. JUNI 2018 IN BERLIN 4. INTERDISZIPLINÄRES SYMPOSIUM „INNOVATIONS IN ONCOLOGY“ DIE NEUVERMESSUNG DER ONKOLOGIE n e t z werk gegen dar m k r ebs VERANSTALTER:

DIE NEERMESSUNGUV DER ONKOLOGIE - Form & Füllung · 2019. 1. 15. · So konnten die Forscher 13 in nahezu allen Tumoren häufig auftretende spezifische Treibermutationen cha-rakterisieren,

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Page 1: DIE NEERMESSUNGUV DER ONKOLOGIE - Form & Füllung · 2019. 1. 15. · So konnten die Forscher 13 in nahezu allen Tumoren häufig auftretende spezifische Treibermutationen cha-rakterisieren,

„Wir brauchen ein stärkeresEngagement der öffentli-chen Hand, um der VisionZero – der Vermeidungkrebsbedingter Todesfälle –so nahe wie möglich zukommen“, fordert ProfessorDr. Christof von Kalle vomNationalen Centrum für Tu-morerkrankungen in Heidel-berg. SEITEN IV UND VII

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Der kürzlich vorgelegte AMNOGReport 2018 unterstreicht einmalmehr die Bedeutung der Onkolo-gie. So ist der Anteil der zur frühenZusatznutzenbewertung einge-reichten Dossiers für Onkologikaweiter gestiegen. Er lag 2017 bei 57Prozent. Mit dazu beigetragen hatder rasante Fortschritt in der Im-munonkologie. Gemessen an dergesamten Onkologie fällt die Be-wertung hier überwiegend gut aus.

Fakt ist: Wir stehen am Anfangeiner Entwicklung mit erhebli-chem Potenzial. Kritiker fragenderweil, ob die Methodik der Nut-zenbewertung mit dieser Entwick-lung Schritt halten kann. Dennochist es zu früh, hier ein Urteil abzu-geben.

Nicht zu früh ist es hingegen fürein Urteil über den politischen Ei-ertanz bei der Darmkrebsfrüher-kennung. Obwohl bekannt ist, dassVerwandte ersten Grades ein bis zu4,1-fach höheres Risiko haben,selbst Darmkrebs zu bekommen,als Gleichaltrige ohne familiäre Be-lastung, kann sich das IQWiG zukeiner klaren Empfehlung durch-ringen. Es vergeht kostbare Zeit.

Kostbare Zeit, die übrigens auchgenutzt werden sollte, um der Fra-ge nach der Finanzierbarkeit neuerTherapien in der Onkologie nach-zugehen. Gut, dass das 4. Interdis-ziplinäre Symposium den Mut hat-te, hier klar Position zu beziehen.Zur Nachahmung empfohlen!

Ihr

EDITORIAL

Liebe Leserin,lieber Leser

Wolfgang van den Bergh,Chefredakteur der „Ärzte Zeitung“

Es ist eigentlich eine Binsenweisheit:Wer den Kampf gegen Krebs gewin-nen will, muss die Prävention insVisier nehmen. Dass hier mit ver-gleichsweise einfachen Mitteln viel zuerreichen ist, zeigt das niederländi-sche Darmkrebsscreening. Darin warder immunologische Stuhltest diewirksamste Maßnahme der Früh-erkennung, bezogen auf die Zahl dereingeladenen Personen detektierte ermehr Kolorektalkarzinome als dieKoloskopie. Auf Prävention setzt auchProfessor Dr. Magnus von KnebelDoeberitz, Heidelberg. Er arbeitet ander Entwicklung einer Vakzine gegendie endogene Karzinogenese. Diebisherigen Ergebnisse lassen den An-satz als sehr zukunftsträchtig erschei-nen.

Welchen Stellenwert das Mikrobi-om in der Onkologie einmal habenwird, ist noch offen. Zwar gibt es Asso-ziationen zwischen der Zusammen-setzung des mikrobiellen Ökosystemsund dem Kolorektalkarzinom, in Tier-studien sogar einen kausalen Zusam-menhang, so Professor Dr. Dirk

Haller, München. Was Mikrobiomsig-naturen beim Menschen bedeuten, seiaber noch unklar. Konkrete diagnosti-sche Fortschritte zeichnen sich dage-gen durch die Liquid Biopsy ab.

In der Behandlung haben zuletztzielgerichtete Therapien und Immun-onkologika den Fortschritt markiert.Allerdings profitieren nicht alle Pati-enten davon und Resistenzen sind einProblem. In diesen Fällen ruhen dieHoffnungen auf Kombinationsthera-pien und neuen Strategien wie derCAR-T-Zelltherapie, berichtete Pro-fessor Dr. Dirk Jäger, Heidelberg.

Sowohl in der Diagnostik als auchin der Therapie von Krebserkrankun-gen fallen heute zahlreiche Daten an,aus denen sich enormes Wissen gene-rieren ließe. Obwohl es bereits Platt-formen gibt, auf denen solche Datenzusammengeführt werden, stehen deroptimalen Nutzung noch viele prakti-sche Hürden im Weg.

Angesichts der vielen Innovatio-nen hatten die Initiatoren dem Sym-posium den Untertitel „Die Neuver-messung der Onkologie“ mit auf denWeg gegeben. Nötig sei sie, um demalten Verständnis von onkologischerVersorgung ein neues entgegenzuset-zen, das den Chancen und Herausfor-derungen besser gerecht wird. Tat-sächlich waren die Teilnehmer vonder Notwendigkeit einer Neuvermes-sung überzeugt. Sie forderten mitNachdruck ein Umdenken in der me-dizinischen Versorgung und mehrEngagement der öffentlichen Hand.Die Krebsbekämpfung und insbeson-dere die Prävention müsse aus ihremMauerblümchendasein erlöst werden.Der bisher skandalöserweise nichtfinanzierte Nationale Krebsplan seiendlich mit Ressourcen auszustatten.Fazit: Die Gesellschaft will Krebs-todesfälle nicht mehr tolerieren undfordert die Politik zum Handeln auf.

Onkologische Versorgung – hierist Umdenken gefragt!In der Onkologie herrschtAufbruchstimmung. Daswurde auf der viertenVeranstaltung der Symposi-umsreihe „Innovations inOncology“ mehr als deutlich.Nun geht es darum, neueErkenntnisse und Treiber-technologien in die Versor-gung zu überführen.

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Teilnehmer des Symposiumsv.l.n.r:.Dr. Georg Ralle,PD Dr. Thomas Illmer,Sascha Lobo,Jan Geißler,Professor Dr. Christof von Kalle,Professor Dr. Diana Lüftner,Dr. Johannes Bruns,Dr. Christa Maar,Professor Dr. Hagen Pfundner,Professor Dr. Jürgen Wolf,Professor Dr. Magnus v. KnebelDoeberitz© DAVID AUSSERHOFER

„Im Kampf gegen denDarmkrebs brauchen wirbreiten Zugang zu hoch-wertigen Vorsorgepro-grammen. Dabei müssenwir vor allem an Menschenmit familiärem Risiko den-ken!“, betont Dr. ChristaMaar vom Netzwerk gegenDarmkrebs. SEITEN II UND VII

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„Neue Therapien habendie Versorgung entschei-dend verbessert.Beim malignen Melanomgibt es heute vielePatienten, die seit Jahrenin Remission sind – dasmacht uns Mut!“, soProfessor Dr. Diana Lüft-ner von der Charité Berlin. SEITE III

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netzwerkgegen darmkrebs

VER AN STALTER:

EINE BEIL AGE ANL Ä S SLICH DE S INNOVATION S-WORK SHOP S AM 2 2 . JUNI 201 8 IN BERLIN

4. INTERDISZIPLINÄRES SYMPOSIUM „INNOVATIONS IN ONCOLOGY“

DIE NEUVERMESSUNGDER ONKOLOGIE

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VER AN STALTER:

EINE BEIL AGE ANL Ä S SLICH DE S INNOVATION S-WORK SHOP S AM 2 2 . JUNI 201 8 IN BERLIN

4. INTERDISZIPLINÄRES SYMPOSIUM „INNOVATIONS IN ONCOLOGY“

DIE NEUVERMESSUNGDER ONKOLOGIE

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Innovations in Oncology Juni 2018II

Das körpereigene Immunsystem isteine potente Waffe im Kampf gegenden Krebs – vorausgesetzt, dass essein Ziel findet und genügend Schlag-kraft hat. Wer nun folgert, dass sichdas mit einer Art Impfung erreichenlassen müsste, ist sich mit einerHeidelberger Forschergruppe umProfessor Dr. Magnus von KnebelDoeberitz einig. Deren Ziel ist es, tu-morassoziierte Antigene zu identifi-zieren und nachzubilden, sodass sieals Grundlage von Krebsvakzinen die-nen können.

Neue Peptide synthetisiertStark immunogene Tumorantigene –so genannte Neoantigene– entstehenunter anderem bei einem Mismatch-Repair(MMR)-Defekt. Er führt dazu,dass DNA-Reparatursysteme nichtmehr funktionieren und sich in hoch-repetitiven DNA-Sequenzen – denMikrosatelliten – zahlreiche Mutatio-nen anhäufen. Es kommt zu einerMikrosatelliteninstabilität. In kodie-renden Abschnitten des Genoms ver-schiebt sich dadurch das Leserasterbei der Translation, und es werdenPeptide synthetisiert, die für denOrganismus völlig neu sind. Daher derName Neoantigene.

Der MMR-Defekt spielt bei ver-schiedenen malignen Erkrankungeneine Rolle, darunter beim Endometri-al-, Ovarial- und Kolorektalkarzinomsowie beim Lynch-Syndrom. „Dererste Schritt zur genomischen Insta-bilität, der Break-through-event, istdabei sehr häufig derselbe – beimDickdarmkrebs beispielsweise eineMutation im APC-Gen“, sagte KnebelDoeberitz anlässlich des Symposiums

„Die Neuvermessung der Onkologie“.Anschließend sind weitere Mutatio-nen notwendig – so genannte Expan-sion Events – die bestimmten Zell-klonen einen Wachstumsvorteil ver-schaffen, sodass aus ihnen ein Tumorerwachsen kann.

Treibermutationen weisen den WegUm herauszufinden, welche dies seinkönnten, durchsuchten Knebel Doe-beritz und seine Kollegen alle kodie-renden Mikrosatelliten des menschli-chen Genoms und identifizierten je-ne, die bei Mikrosatelliten-instabilenTumoren in mutierter Form vorlagen.So konnten die Forscher 13 in nahezuallen Tumoren häufig auftretendespezifische Treibermutationen cha-rakterisieren, die wichtig für dieSelektion von Tumorzellklonen sindund deren Genprodukte als Neoanti-gene fungieren könnten.

Tatsächlich lösten diese theore-tisch hergeleiteten Neoantigene beiPatienten mit Mikrosatelliten-insta-bilen Kolorektalkarzinomen einestarke Immunantwort aus. „Interes-santerweise fanden wir eine ähnlicheReaktion auch bei Personen, die die

Anlage für ein Lynch-Syndrom auf-wiesen, aber noch keinen Tumor hat-ten“, berichtete Knebel Doeberitz.„Offenbar war das Immunsystem die-ser Personen zuvor schon mit diesenNeoantigenen konfrontiert.“

Dies könne erklären, warum nuretwa die Hälfte aller Personen mit derAnlage eines Lynch-Syndroms imLaufe des Lebens Tumoren entwi-ckelt. „Vermutlich wird das Immun-system dieser Personen schon frühaktiviert, sodass das Auswachsen vonTumoren unterbleibt“, sagte KnebelDoeberitz.

Den Forschern schwebt nun vor,diese Erkenntnisse für eine präventi-ve Impfung gegen Krebs zu nutzen.Die Machbarkeit konnten sie mittler-weile mit Kollegen von der CornellUniversität in New York und dem Na-tional Cancer Institute in Bethesda inden USA in einem Mausmodell für dasLynch-Syndrom zeigen: Wieder ana-lysierten die Forscher den geneti-schen Destabilisierungmechanismus,prognostizierten Treibermutationenund bildeten Neoantigene nach. Undwieder riefen die Neoantigene eineImmunantwort hervor. „Im nächsten

Schritt nutzten wir dieselben Neoan-tigene, um Lynch-Mäuse kurz nachder Geburt zu immunisieren. Im Ver-gleich zu ungeimpften Kontrollen ließsich durch die Impfung das Auftretenvon Tumoren signifikant verzögern.“Knebel Doeberitz und sein Team wol-len den Ansatz nun auf den Menschenmit einer Anlage für das Lynch-Syn-drom übertragen.

Kampagnen für HPV-ImpfungKnebel Doeberitz erinnerte daran,dass erfolgreiche Krebsimpfungenlängst Bestandteil der klinischen Rou-tine sind – etwa im Falle des Huma-nen Papilloma-Virus HPV. „Durchdiese Vakzine können de facto alleFälle von Gebärmutterhalskrebs undeine Vielzahl anderer, durch HPV ver-ursachter Tumoren, verhindert wer-den.“ Umso erstaunlicher ist, dass dieDurchimpfungsrate nach wie vor zuwünschen übrig lässt. Möglicherweisefehlt es ja an Konzepten, wie dem inHessen. Dort haben mehrere Organi-sationen eine Kampagne an Schulengestartet, um mehr Mädchen und jun-ge Frauen vor einer HPV-Infektion zuschützen.

Auf dem Weg zur KrebsvakzineWerden dem Immun-system bestimmte Tumor-antigene präsentiert, machtes erfolgreich gegen denKrebs mobil. Das konntenHeidelberger Forscherinsbesondere bei Patientenmit Lynch-Syndrom, diesehr häufig Kolon- und En-dometriumkarzinome ent-wickeln, zeigen. Die Arbei-ten haben die Entwicklungvon therapeutischen undpräventiven Krebsvakzi-nen einen wichtigen Schrittvoran gebracht.

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Neoantigene

Neoantigene sind stark immu-nogene Tumorantigene.

Sie entstehen unter anderembei einem Mismatch-Repair-Defekt.

Der Defekt führt dazu, dassDNA-Reparatursysteme nichtmehr funktionieren und sich inhochrepetitiven DNA-Sequen-zen – den Mikrosatelliten – zahl-reiche Mutationen anhäufen. Eskommt zu einerMikrosatelliteninstabilität.

In kodierenden Abschnittendes Genoms verschiebt sichdadurch das Leseraster bei derTranslation, und es werdenPeptide synthetisiert, die fürden Organismus neu sind: DieNeoantigene.

Erfolgreiche Krebsimpfungen gibt es bereits, etwa die Impfung gegen das Humane Papilloma-Virus © REMAINS / GETTY IMAGES / ISTOCK

Mit einer sauberen Konzeption undden Ergebnissen aus Pilotstudien imGepäck brachten die Niederlande2014 die populationsbasierte Früh-erkennung von Darmkrebs auf denWeg. Seither blickt so mancher Gast-roenterologe und so manche Organi-sation in Deutschland neidisch auf die

Nachbarn. Denn die Teilnahmerate –ein entscheidendes Erfolgskriteriumfür populationsbasierte Screening-maßnahmen – bewegt sich dort konti-nuierlich auf einem sehr hohen Ni-veau.

Teilnahmeraten über 70 ProzentIn den Jahren 2014 bis 2016 sandtenvon den zu einem immunchemischenStuhltest eingeladenen Bürgern je-weils über 70 Prozent den Test ein.„Ein Ergebnis von dem wir hierzulan-de nicht einmal träumen können“,kommentiert Dr. Christa Maar, Präsi-dentin des Netzwerk gegen Darm-krebs. „Selbst nach der Einführungdes immunchemischen Stuhltests lie-gen die Teilnahmeraten vermutlichnicht höher als in der Ära des Guay-ak-basierten Stuhltests und damit un-ter 20 Prozent.“

Maar zufolge ist das Prozedere inDeutschland viel zu kompliziert, umerfolgreich zu sein: „Der Versichertemuss wissen, dass es das neue Ange-bot gibt und wo er es erhält. Anschlie-ßend muss er den Test in einer Arzt-praxis abholen, und wenn er ihn ge-macht hat, auch dorthin wieder zu-rückbringen. Auf diese Weise machtman es selbst aufgeschlossenen Men-schen sehr schwer, an der Früherken-nung teilzunehmen.“

Demgegenüber zeichnet sich dasniederländische Modell durch einEinladungsverfahren mit direkterAnsprache der Anspruchsberechtig-ten und automatischer Zusendungdes Stuhltests aus. Dazu wird einezweistufige schriftliche Einladungverschickt, wobei der Test dem zwei-ten Schreiben beigelegt ist. Wird ernicht innerhalb von sechs Wochen zu-

rückgeschickt, erhalten die Adressa-ten eine Erinnerung. „Diese Elementetragen sicher zu den hohen Teilnah-meraten bei“, bestätigt Professor Dr.Ernst Kuipers, Rotterdam. Damit be-stehen auch gute Chancen, vieleKrankheitsfälle aufzudecken.

Die diagnostische Aufarbeitung derpositiven Tests durch eine Koloskopieidentifizierte allein im Jahr 2016 un-ter rund eine Million Teilnehmern3706 Personen mit Karzinomen und20 236 mit fortgeschrittenen Adeno-men.

Und was passiert in Deutschland?In Deutschland sollte eine Umset-zungsrichtlinie für ein vergleichbaresorganisiertes Darmkrebsscreeningbereits seit 1. April 2016 vorliegen.Nachdem sich die Einführung immerweiter verzögert hatte und der Ge-

meinsame Bundesausschuss GBAnoch nicht einmal ein Stellung-nahmeverfahren eingeleitet hatte,setzten 17 medizinisch-wissenschaft-liche Fachgesellschaften, Berufsver-bände und weitere Organisationen2017 ein Positionspapier auf. Darinfordern sie unter anderem ein Einla-dungsverfahren, wie es die Niederlan-de bereits praktizieren.

Wie zu hören ist, beschäftigt sichder Unterausschuss für Methodenbe-wertung beim GBA derzeit mit derAusgestaltung eben dieses Einla-dungsverfahrens. Eine Plenarsitzungdazu ist für Ende des Sommers ge-plant. Der Startschuss für das gesamteProgramm könnte dann vielleicht imFrühjahr 2020 erfolgen – Jahre späterals geplant. Bei den niederländischenNachbarn werden inzwischen Lebengerettet.

Darmkrebs-Screening: Weiter Warten auf den GBADie Niederlande veröffent-lichen nun schon das dritteJahr in Folge hervorragen-de Ergebnisse zu ihremDarmkrebs-Früherken-nungsprogramm. InDeutschland lässt eine Ein-führung des Screeningsweiter auf sich warten.

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Die Untersuchung von tumorspezifi-schen Zellkomponenten im Blut giltseit einigen Jahren als Hoffnungsträ-ger in der Krebsdiagnostik. „Zumeinen umgeht die Liquid Biopsy dieRisiken einer konventionellen Biopsieund erlaubt auch Aussagen zu Tumo-ren, die ansonsten bioptisch nicht zu-gänglich sind; zum anderen bildet sie

die genetische Heterogenität vonTumoren weit besser ab als eine kon-ventionelle Biopsie“, sagte ProfessorDr. Klaus Pantel, Hamburg. Denn de-ren Ergebnisse sind immer nur reprä-sentativ für den Bereich der Gewebe-entnahme, sodass andernorts lokali-sierte Klone mit abweichenden Ei-genschaften nicht entdeckt werden.„Komponenten, die von den Tumor-zellen ins Blut abgegeben werden,können daher ein präziseres und um-fassenderes Bild des Krebsgeschehensliefern“, so Pantel.

Einsatz schon in klinischer RoutineAls potenzielle Einsatzgebiete derLiquid Biopsy nannte Pantel dieGenotypisierung von Tumoren, dieVorhersage des Therapieansprechens,das Monitoring von Resistenz-för-dernden Mutationen und den Nach-weis einer Resterkrankung bzw. einesRezidivs. Entsprechende Fragestel-lungen lassen sich bislang am bestenanhand von zirkulierenden Tumor-

zellen (CTC) und zirkulierenderTumor-DNA (ctDNA) bearbeiten.

CTC von epithelialen Tumoren ex-primieren Marker, die anderen Zellenim Blut fehlen, zum Beispiel dasepitheliale ZelladhäsionsmolekülEpCAM oder Zytokeratine. Mit derenHilfe kann man CTC anreichern undihre DNA, RNA und Proteine analy-sieren. „In klinischen Studien mit un-terschiedlichen Tumorentitäten wiedem Mamma-, dem Kolorektal- unddem Pankreaskarzinom war derNachweis von CTC mit einer schlech-teren Prognose assoziiert“, sagte Pan-tel. „Und bei Patientinnen mit Mam-makarzinom konnte mit Hilfe vonCTC das Ansprechen auf eine neo-adjuvante Therapie vorhergesagt wer-den.“ Ein Test, der CTC anhand desEpCAM-Markers nachweist, ist mitt-lerweile von der FDA zugelassen.

Weiter verwies Pantel auf die Mög-lichkeit, anhand von CTC Resistenz-entwicklungen im Krankheitsverlaufzu identifizieren. Als Beispiel dafür

nannte er das Auftreten der Andro-genrezeptor-Variante ARV7 bei Pati-enten mit Prostatakarzinom. „In Stu-dien ging der Nachweis von CTC mitdieser Splice-Variante in der mRNAmit einem Wirkverlust von Abirate-ron und Enzalutamid einher“, soPantel.

Bei der Analyse von ctDNA kon-zentriert sich die Forschung unter an-derem darauf, Aussagen zum Thera-pieansprechen zu treffen. So lassensich mit Hilfe eines bereits von derFDA zugelassenen ctDNA-Tests spezi-fische Mutationen des EpidermalGrowth Factor Receptor (EGFR) beimNichtkleinzelligen LungenkarzinomNSCLC nachweisen. Diese Mutatio-nen sind eine Voraussetzung dafür,dass EGFR-Tyrosinkinase-Inhibito-ren wirksam sind. „Zeigt die ctDNAentsprechende Veränderungen, ist ei-ne Lungenbiopsie nicht mehr nötig“,kommentierte Pantel. „Und für die 30Prozent der NSCLC-Patienten, dienicht biopsiert werden können, ist die

ctDNA-Untersuchung sogar die einzi-ge Methode der Mutationsanalyse.“

Noch gibt es HürdenDiese Beispiele können nicht darüberhinwegtäuschen, dass die Krebsdiag-nostik aus dem Blut noch ihre Gren-zen hat. Manchmal sind es eine gerin-ge Sensitivität und Spezifität derTests, die den Stellenwert einschrän-ken, manchmal bereiten geringectDNA-Mengen im Blut methodischeProbleme. Abhilfe schaffen Forscherzum Beispiel, indem sie Tests kombi-nieren oder weitere Marker nutzen.Dazu zählen unter anderem freieMicroRNA, Nukleinsäure-haltigeVesikel – so genannte Exosomen – so-wie Tumor-educated Platelets. Dabeihandelt es sich um Thrombozyten, dieaufgrund ihrer Interaktion mit Tu-morzellen tumorassoziierte Biomole-küle enthalten und Aussagen über dasKrebsgeschehen erlauben. Das Zeit-alter der Liquid Biopsy hat allemAnschein nach gerade erst begonnen.

Liquid Biopsy – erfüllt sie die Erwartungen?Die Analyse zirkulierenderTumorzellen und –DNA ausdem Blut hat das Potenzial,die Behandlung soliderTumoren erheblich präzi-ser zu machen. Der Nutzendieser Liquid Biopsy wirdbislang vor allem bei prog-nostischen Fragestellun-gen und der Therapiestrati-fizierung deutlich.

Ärzte Zeitung: Frau ProfessorLüftner, auf welchen Säulen ruhtheute die Behandlung von Krebs?Diana Lüftner: Neben Chirurgie, Be-strahlung und Chemotherapie sowiegezielten Therapieformen sind in et-was neuerer Zeit nun noch die Im-muntherapie und die CAR-T-Zell-Therapie hinzugekommen. Auf demKrebskongress in den USA gab es dieneuesten Erkenntnisse, in welcherReihenfolge wir die verschiedenenVerfahren einsetzen und wie wir siemiteinander kombinieren müssen. Daist gerade ein Baukastensystem amEntstehen.

Wie hat sich dadurch die Arbeit amKrankenbett verändert?Krebserkrankungen, die früher alsnicht oder kaum behandelbar galten,sind jetzt sehr gut behandelbar. Wei-ter können wir den Patienten heutegut etablierte Therapiesequenzen an-bieten, und wir wissen mit gewissenEinschränkungen, welche Patientenvon welchen Therapien am ehestenprofitieren. Insgesamt ist es uns ge-lungen, die Patienten mit geringererTumorlast und in besserem Zustandin die verschiedenen Therapielinienzu bringen als das früher der Fall war,sodass sich auch die Lebensqualitätverbessert hat.

In welchem Ausmaß profitieren diePatienten von neuen Therapien?Das vielleicht beste Beispiel dafür lie-fert das Melanom. Hier sehen wirmittlerweile Patienten, die seit Jah-ren in Remission sind, sodass manfast geneigt ist, von einer Heilung zusprechen. Man muss bedenken, dassfrüher praktisch alle Patienten mit

metastasiertem Melanom nach ein biseineinhalb Jahren verstorben waren,heute erreichen bis zu 30 Prozenteine Langzeitremission.

Ist dazu eine dauerhafte Therapienotwendig oder kann man dieMedikamente auch absetzen?Dazu haben wir noch keine einheitli-chen und verbindlichen Empfehlun-gen. Beim Melanom gibt es Kollegen,die bis zur Komplettremission undetwas darüber hinaus behandeln unddann die Therapie beenden – wohlwissend, dass man die Therapie beieinem neuerlichen Progress wiederaufnehmen kann. Beim Lungenkarzi-nom haben wir dagegen Hinweise,dass man die Patienten dauerhaft be-handeln sollte. Das Erreichen einerKomplettremission kann also bei un-terschiedlichen Entitäten unter-schiedliche therapeutische Konse-quenzen haben.

Wie ist es um die Verträglichkeit derneuen Therapien bestellt?

Das Nebenwirkungsspektrum hat sichkomplett verändert. Statt Haarausfall,Übelkeit und Erbrechen müssen wirnun komplexere Situationen bewälti-gen, etwa Schilddrüsenüber- und –un-terfunktionen, Lungen- und Hypo-physenentzündungen.

Inwieweit sind die Ärzte daraufvorbereitet, insbesondere jene imniedergelassenen Bereich?In Deutschland hatten wir den Vor-teil, dass wir in die Studien mit denneuen Substanzen eingebunden wa-ren. Wir konnten ihre Eigenschaftendaher schon in der Phase der klini-schen Entwicklung kennenlernen undnicht erst im Anschluss an die Zulas-sung. Zwar wurden die Erfahrungenzunächst vorwiegend an den universi-tären Zentren gemacht, aber die ha-ben ihr Wissen im Rahmen von Wei-terbildungen weitergegeben, sodassauch der niedergelassene Sektor vor-bereitet war. Insgesamt haben wir inDeutschland eine hervorragendeArbeitsteilung zwischen universitä-

ren Zentren, Versorgungszentren unddem niedergelassenen Sektor.

Was wünschen Sie sich, um dieKrebstherapie weiter voran zubringen?Ich wünsche mir vor allem, dassDeutschland ein attraktiver Standortfür Studien bleibt. Dazu sollten wirgemeinsam mit dem IQWiG und demGBA innovative Studienkonzepte ent-wickeln. Andernfalls besteht die Ge-fahr, dass es in Deutschland keine kli-nische Studienkultur mehr gibt. Eswürde dann der vorhin erwähnteLerneffekt entfallen, und wir könntenauch nicht mehr auf das Design vonStudien einwirken. Aus meiner Sichtist es beispielsweise ganz entschei-dend, dass die Beobachtung nicht en-det, sobald sich ein Progress einstellt.Endpunkte wie die Lebensqualitätsollten weiter dokumentiert werden,idealerweise über die gesamte Le-bensdauer. Nur so können wir sehen,welche Therapie zu welchem Zeit-punkt Verbesserungen gebracht hat.

Krebsbehandlung aus dem BaukastenNeue Therapien haben denHandlungsspielraum in derOnkologie bereits jetzterheblich erweitert. Trotz-dem sind noch Fragen zuihrem optimalen Einsatzoffen. Umso wichtiger seies für deutsche Zentren,weiterhin an Studienteilnehmen zu können,sagt Professor Dr. DianaLüftner, Berlin.

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Ich wünsche mir vorallem, dass Deutsch-land ein attraktiverStandort für Studienbleibt.Professor Dr. Diana Lüftner, Oberärztin an der Medizinischen Klinikmit Schwerpunkt Hämatologie, Onkolo-gie und Tumorimmunologie;Charité Berlin, Campus BenjaminFranklin

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Krebserkrankungen, die früher als kaum behandelbar galten, sind jetzt sehr gut behandelbar.© MATHIAS ERNERT, NATIONALES CENTRUM FÜR TUMORERKRANKUNGEN (SYMBOLBILD)

Juni 2018 Innovations in Oncology III

Page 4: DIE NEERMESSUNGUV DER ONKOLOGIE - Form & Füllung · 2019. 1. 15. · So konnten die Forscher 13 in nahezu allen Tumoren häufig auftretende spezifische Treibermutationen cha-rakterisieren,

Ärzte Zeitung: Herr Professor vonKalle, warum steht das diesjährigeSymposium Innovations in Oncologyunter dem Motto „Die Neuvermes-sung der Onkologie“?Christof von Kalle: Bei der Konzeptiondes diesjährigen Symposiums wurdeuns bewusst, dass sich die öffentlicheDiskussion zur Onkologie in Deutsch-land sehr häufig um die Kosten neuerMedikamente und um die Finanzier-barkeit des Fortschritts dreht. DerFortschritt selbst erhält im Vergleichdazu nur geringen Raum. Dabei habenwir etwa in der molekularen Diagnos-tik, in der Bildgebung und in derchirurgischen Therapie enorm vielerreicht, in der gezielten Therapieund der Immuntherapie wurden gera-dezu Sprünge gemacht. Wir möchten,dass dieser Fortschritt nicht allein anden Kosten gemessen wird, sondernan der Größe des Problems, vor demwir stehen. Deshalb sprechen wir voneiner Neuvermessung der Onkologie.

Das wird Kritikern, die über Kostendiskutieren wollen, nicht ausreichen,zumal die Zahl der Krebsneuerkran-kungen absolut gesehen ja eher nochsteigt.Wir sehen natürlich, dass die Zahl derKrebspatienten zunächst einmalnicht abnimmt – das ist der steigen-den Lebenserwartung geschuldet.Wenn man sich aber mit den Detailsbeschäftigt, erkennt man schnell, dassdas Ausmaß der Diskussion um dieKosten im Verhältnis zum Raum, dendiese Kosten tatsächlich einnehmen,überdimensioniert ist. Seit Jahren be-läuft sich der Anteil der Ausgaben inder Onkologie recht konstant auf 6Prozent der Gesamtausgaben imdeutschen Gesundheitssystem. Demgegenüber nehmen Krebserkrankun-gen einen der vorderen Plätze in derTodesursachenstatistik ein. Das heißt,wir versuchen derzeit mit einemFünfzehntel des Gesundheitsbudgetsdie Ursachen für ein Viertel bis einDrittel aller Todesfälle zu bekämpfen.

Nach heutigem Stand werden etwadie Hälfte aller Menschen in Deutsch-land in ihrem Leben eine Krebser-krankung erleiden, manche auchmehrmals, wir stehen also vor einergroßen Aufgabe. Allein mit dem Blickauf die Kosten werden wir sie nichtlösen. Stattdessen müssen wir nochmehr in die Forschung investierenund dürfen dabei auch die Präventionnicht aus den Augen verlieren.

Sie erwarten auch keine Kostenexplo-sion, wenn Krebspatienten immerlänger leben und entsprechend langebehandelt werden müssen?

Derzeit können wir immer noch vielzu wenigen Menschen mit metasta-sierter Erkrankung Therapien anbie-ten, die ein Langzeitüberleben ermög-lichen. Aber auch wenn das – hoffent-lich – einmal anders ist, rechne ichnicht mit einer Kostenexplosion. Esmag ja sein, dass patentierte Medika-mente zunächst teuer sind, in derRegel bewegen sich die Kosten nacheiniger Zeit aber auf ein finanzierba-res Maß zu.

Und auch hier hilft ein Blick auf dietatsächlichen Dimensionen: Wenigerals 1 Prozent der Gesundheitsaufwen-dungen in Deutschland gehen auf dasKonto patentgeschützter Medika-mente in der Onkologie. Selbst wennsich dieser Anteil über Nacht verdop-peln würde, würde das in absolutenZahlen keine Explosion bedeuten. DieKostenträger sehen das ähnlich. Essind eben nicht die qualitativ gutenund wirksamen Medikamente miteiner klaren Indikation, die Kosten-probleme bereiten. Und die Kassentreten ja nicht an, um den Patientendie billigste Therapie aufzudrücken,sondern um die bestmögliche Thera-pie preiswert einzukaufen. Dazuwaren sie bisher schon sehr gut in derLage, und das werden sie auch weiter-hin sein.

Wo stehen wir heute, was dieBehandlungsergebnisse anbelangt?Wir haben bei einer ganzen Reihe vonKrebserkrankungen große Fortschrit-te erzielt, wenn auch leider noch nichtso sehr bei den besonders häufigenErkrankungen. Immun- und Inhibi-tortherapien kommen beispielsweisePatienten mit malignem Melanomund Lungenkarzinom zugute; beimLungenkarzinom profitieren mittler-weile 50 Prozent der Erkrankten vonAnsätzen, die auf einer molekularenDiagnose und einer danach ausgerich-teten gezielten Therapie beruhen.Aber wir erreichen bei metastasiertenPatienten noch keine komplettenRemissionen und müssen bei geziel-ten Therapien fast regelhaft erleben,dass Resistenzen auftreten. Insofernist die Frage, womit wir längerfristigstabile Remissionen erreichen, fürviele Patienten noch offen. Antwortensuchen wir beispielsweise in Kombi-nationstherapien und natürlich inneuen Substanzen.

Bei welchen Entitäten lassen dieErfolge noch auf sich warten?Dazu zählen vor allem das Pankreas-karzinom und das Glioblastom. Esgibt bei diesen Erkrankungen zwar in-teressante Ansätze, dies aber nur fürbestimmte molekulare Untergruppen.Ähnlich ist die Situation beim Kolo-rektalkarzinom, bei dem zwar Patien-ten mit einer Mikrosatelliteninstabili-tät gut auf Immuntherapien anspre-chen, andere auf bestimmte Kombi-nationstherapien. Für die Masse deran diesen Krebsentitäten erkranktenPatienten haben wir aber noch keinedurchschlagenden Therapien.

Wie viele Patienten profitieren denninsgesamt von den neueren Thera-pien?Es gibt Erkrankungen, bei denen 80Prozent der Patienten von gezieltenTherapien und Immuntherapien pro-fitieren, bei anderen sind es nur 5, 10

oder 15 Prozent, wie etwa beim Kolo-rektalkarzinom. Das Bild ist sehrheterogen. Wenn wir aber alle metas-tasierten Erkrankungen zusammen-fassen, würde ich davon ausgehen,dass für ein Drittel wenn nicht für dieHälfte der Patienten eine neuere The-rapie in zumindest einer Therapie-linie in Frage kommt.

Wie lässt sich sicherstellen, dassneue Medikamente schnellstmöglichbeim Patienten ankommen undSicherheit und Wirksamkeit trotz-dem belegt sind?Wir glauben – und da gibt es eineBewegung, die hierzulande querdurch die Onkologie geht – dass wirunser Gesundheitssystem zu einemlernenden System machen müssen.Das gilt vor allem für Diagnostika undMedikamente, die noch nicht ab-schließend geprüft sind, danebenauch für Medikamente im Off-label-Einsatz. Ich glaube, dass der Schlüsselzum Erfolg in der Real-world-Evidenzliegt. Zum einen hätte man damit einInstrument, um Wirksamkeit undSicherheit auch nach der Zulassungzu dokumentieren; zum anderen wür-de es eine daraus generierte Daten-basis erlauben, die Bedeutung mole-kularer Profile zu verstehen und dasWissen darum optimal einzusetzen.

Wie könnte so etwas konkret aus-sehen?Die Idee ist, dass wir die Nachverfol-gungsdaten der Patienten in ähnli-cher Weise erfassen, wie in einerRegisterstudie. Man würde so einenDatenbestand aufbauen, aus dem her-

vorgeht, welche Therapie in welcherIndikation mit welchem Erfolg einge-setzt wurde, und man könnte darausSchlüsse für ähnlich gelagerte Situati-onen ziehen. Solches Wissen liegt bisheute selbst in etablierten Zentreneher anekdotisch vor und wird nichtsystematisch aufbereitet. Zwar gibt esZusammenschlüsse, die bezogen aufeinzelne Indikationen schon heutevergleichbar agieren. Wenn die Pati-enten aber beispielsweise aus demErfassungsradius einer Studie aus-scheiden oder in einen anderen Sek-tor wechseln, gehen die Outcome-Daten leicht verloren. Probleme gibtes auch, wenn man die Daten in Bezugzum molekularen Kontext setzenmöchte. Das erlaubt unser Systembislang nicht.

Was würde ein lernendes System fürdie Versorgungslandschaft bedeu-ten?Die State-of-the-art-Betreuung vonKrebspatienten ist mittlerweile einesehr komplexe Angelegenheit. Geradefür niedergelassene Ärzte und kleine-re Häuser ist es schwierig geworden,eine optimale Betreuung über das ge-samte Indikationsspektrum hinweganzubieten. Ein lernendes System,das zudem allen Ärzten Zugang zumaktuellen Wissen ermöglicht, hätteeine Demokratisierung der Verhält-nisse zur Folge. Der niedergelasseneArzt könnte sich über innovative The-rapien und deren optimalen Einsatzauf dem Laufenden halten, Therapienallein oder in Kooperation mit Zent-ren anbieten oder die Patientenzumindest informieren. Der Patientwürde weitgehend ortsunabhängigeine optimale Betreuung erhalten undhätte auch fernab der universitärenZentren, eine ähnlich große Chancean einer Studie teilzunehmen, wie inder Großstadt. Ein transparentes,lernendes System würde uns mehrHandlungsmöglichkeiten auf allenEbenen bieten.

Was sind Ihre Forderungen an diePolitik?Wir müssen insgesamt noch mehr indie klinische Forschung investieren.Bei uns gibt es aber keine öffentlichgeförderte klinische Forschung, wiewir das aus anderen Ländern kennen.Defizite haben wir auch im Bereichder Datenerfassung und Digitalisie-rung, die eine wesentliche Vorausset-zung für ein lernendes System sind.Auch dafür brauchen wir das Engage-ment der öffentlichen Hand. Ein wei-terer Bereich, in dem die Politik initi-ativ werden sollte, ist die Prävention.Im Falle des Kolorektalkarzinoms ha-ben die Niederlande einen vorbildli-chen Weg für ein populationsbasier-tes Screening mit einem sehr effekti-ven Einladungsverfahren gefunden.Wir sollten längst auch ein vergleich-bares Programm haben. Das erforderteine Anfangsinvestition, und obwohldie Kosten pro Teilnehmer geringsind, kommt über die Gesamtzahl anTeilnehmern eine gewisse Summe zu-sammen. Wir haben aber keineZuständigkeiten um festzulegen, werdafür aufkommt. Öffentliche Gelderwären in diesen Bereichen zweifellosgut angelegt und ließen sich überÜberlebens- und sogar Wirtschaft-lichkeitsvorteile wieder hereinholen.

„Fortschritt nicht an den Kosten messen!“Dank neuer und innovati-ver Therapien sieht Profes-sor Dr. Christof von Kalledie Onkologie am Endeeiner längeren Durst-strecke. Allerdings brauchtes seiner Ansicht nachmehr Engagement deröffentlichen Hand, um denForschungsstandortDeutschland zu erhalten.

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Wir versuchenderzeit mit einemFünfzehntel desGesundheitsbudgetsdie Ursachen für einViertel bis ein Drittelaller Todesfälle zubekämpfen.Professor Dr. Christof von Kalle,Leiter der Abteilung TranslationaleOnkologie am Deutschen Krebsfor-schungszentrum (DKFZ) / NationalenCentrum für Tumorerkrankungen (NCT)Heidelberg

Professor Dr. Christof von Kalle ist Leiter der Abteilung Translationale Onkologieam DKFZ / NCT Heidelberg © NCT / PHILIP BENJAMIN

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Diese Beilage ist Teil der Ärzte ZeitungAusgabe Nr. 121 vom 27.6.2018 und derÄrzte Zeitung für Onkologen und HämatologenAusgabe Nr. 5 vom 27.6.2018

Innovations in Oncology Juni 2018IV

Page 5: DIE NEERMESSUNGUV DER ONKOLOGIE - Form & Füllung · 2019. 1. 15. · So konnten die Forscher 13 in nahezu allen Tumoren häufig auftretende spezifische Treibermutationen cha-rakterisieren,

Ärzte Zeitung: Herr Professor Hallek,worin besteht das große Versprechender individualisierten Krebsmedizin?Michael Hallek: Wir können vieleTumoren heute mit molekularbiologi-schen Verfahren besser charakterisie-ren und den Patienten dadurch präzi-sere Therapien anbieten. Darausleitet sich das Versprechen ab, dieKrebsbehandlung wirksamer und ver-träglicher zu machen. Die Onkologiebeginnt, dieses Versprechen einzulö-sen. Durch eine Individualisierungder Therapie wurden bei verschiede-nen Krebsentitäten Verbesserungenin relevanten Endpunkten erreicht.Aber nicht nur Ärzte, auch die Kos-tenträger sind von dieser Vorgehens-weise überzeugt. Sie investieren inentsprechende Ansätze, zum Beispielim Rahmen eines Modellprojekts zurBehandlung des Lungenkarzinoms ander Universität Köln. Die Kranken-kassen finanzieren dort die notwendi-ge Gendiagnostik und eine ausführli-che Charakterisierung der Präparate.Patienten mit einem Lungenkarzi-nom und bestimmten Mutationenmüssen heute keine Chemotherapiemehr erhalten.

Kritiker monieren, dass sehr vieleneue Präparate auf den Markt kom-men – nicht selten mit einer Zulas-sung als Orphan Drug – und dannauch sehr teuer sind.25 Prozent aller Todesfälle inDeutschland gehen auf das Konto vonKrebserkrankungen, während dieKosten der Krebsmedizin lediglich 6Prozent der Gesamtausgaben im Ge-sundheitswesen ausmachen. Dasheißt, es gibt immer noch zu wenigFortschritt, nicht zu viel, und die neu-en Medikamente führen auch nicht zueiner massiven Überteuerung in der

Krebsmedizin. Die Orphan-drug-Zu-lassung ist ein Weg, um kleineren Pa-tientengruppen schnelleren Zugangzu neuen Medikamenten zu verschaf-fen. Für die Betroffenen ist das zu-nächst positiv. Ich würde mir aberwünschen, dass der Einsatz in derPraxis dokumentiert und der Nutzenkontinuierlich evaluiert wird. Daspassiert unabhängig von der Art derZulassung zu selten, sodass der Stel-lenwert neuer Medikamente im Alltagoft nicht ausreichend geklärt wird.

Das heißt, Sie wünschen sich auchprozedurale und strukturelle Verän-derungen?Auf jeden Fall. Jährlich werden 5 bis 6Milliarden Euro für Krebsmedika-mente ausgegeben, und wir solltennach Wegen suchen, diese Investitionwieder an die Gesellschaft zurückzu-geben – indem die im Versorgungs-prozess entstehenden Daten mög-lichst vieler Patienten genutzt wer-den. Unsere Erfahrung ist, dass Pati-enten, die eine moderne und innovati-ve Therapie erhalten, dazu auch ihreEinwilligung geben. Eine Experten-gruppe und die Deutsche Krebsgesell-schaft haben dazu ein Positionspapiererstellt. Wir fordern darin, mit Hilfeder Versorgungsdaten eine Wissen ge-nerierende onkologische Versorgungzu etablieren. Spezialisierte Zentren

sollten dabei die konzeptionelle Ar-beit übernehmen, niedergelasseneOnkologen mit ihren hervorragendenMöglichkeiten der Dokumentationdie Daten erheben. Durch die Auswer-tung dieser Daten können wir die For-schung voranbringen und den Stellen-wert therapeutischer Ansätze evaluie-ren.

Gibt es Indikationen, in denen sichdurch die Individualisierung derTherapie auch verbesserte Heilungs-chancen abzeichnen?Ja, beim Melanom, beim Lungenkar-zinom oder bei Leukämien.

Individualisierung könnte auch be-deuten, auf eine Behandlung zu ver-zichten. Besteht angesichts der aktu-ellen Fortschritte nicht auch die Ge-fahr, dass Watch-and-wait-Strate-gien in den Hintergrund treten?Diese Möglichkeit besteht tatsächlich.Angesichts neuer Therapiemöglich-keiten wird bei einzelnen Krebsenti-täten auch schon diskutiert, ob manfrüher als bisher therapieren soll,während das Zuwarten ja etwa beimProstatakarzinom oder generell beiälteren Patienten in manchen Situati-onen eine sinnvolle Option sein kann.Auch für derartige Abwägungen könn-te eine Wissen generierende Krebs-medizin hilfreich sein.

„Es gibt zu wenig Fortschritt,nicht zu viel!“Die Individualisierungder Krebsmedizin wecktHoffnungen auf bessereBehandlungsergebnisse.Um sie zu erfüllen, plädiertProfessor Dr. MichaelHallek, Köln, für einenWissen generierenden Um-gang mit Patientendaten.

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Professor Dr. Michael Hallek,Direktor Klink I für InnereMedizin an der Uniklinik Köln

Mit molekularbiologischen Verfahren lassen sich viele Tumoren heute besser charakterisieren. © CATALIN/STOCK.ADOBE.COM

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Ärzte Zeitung: Herr Professor Bader,bei welchen Erkrankungen wirdCTL019 aktuell eingesetzt?Peter Bader: In der Pädiatrie behan-deln wir vor allem Patienten mit einerB-Zell-akuten lymphatischen Leukä-mie. In der Erwachsenenmedizinwurde CTL019 erfolgreich bei Patien-ten mit B-Zell-Lymphomen einge-

setzt. Das sind auch die Entitäten, fürdie die Zulassung beantragt wurde.

Welche Patienten kommenfür die Therapie in Frage?Wir setzen CTL019 ein, wenn Kinder,Jugendliche oder junge Erwachsenemit einer ALL auf eine Chemothera-pie nicht ansprechen oder zum zwei-ten Mal einen Rückfall erlitten haben.Patienten mit einer Stammzelltrans-plantation erhalten CTL019 bereitsnach dem ersten Rückfall.

Sie waren an der klinischenEntwicklung von CTL019 beteiligt.Was lässt sich über die Wirksamkeitsagen?In die zulassungsrelevanten Studienwaren 92 pädiatrische Patienten mitALL eingeschlossen. Davon erhielten75 Patienten CAR-T-Zellen, vondenen nach 3 Monaten 81 Prozent aufdie CAR-T-Zellgabe ansprachen. 76

Prozent waren nach einem Jahr nocham Leben. Um Aussagen über dieRückfallrate treffen zu können, benö-tigen wir aber noch die Ergebnisse auseiner zwei- bis dreijährigen Nachbe-obachtung.

Wie ist es um die Verträglichkeitbestellt?Das Nebenwirkungsspektrum ist an-ders als unter einer Chemotherapie.Wenn die CAR-T-Zellen auf Zielzellentreffen und sie lysieren werden mas-siv Botenstoffe freigesetzt - es kommtdann zu einem Zytokin-Freisetzungs-syndrom. Typische Symptome sindetwa hohes Fieber und Blutdruck-schwankungen. Man muss die Patien-ten daher engmaschig überwachenund gegebenenfalls rasch Gegenmaß-nahmen einleiten. Daneben beobach-ten wir auch neurologische Sympto-me wie Verwirrtheit, Apathie und Zit-tern. Sie sind schwer zu behandeln,

bislang aber immer von alleine undfolgenlos wieder verschwunden. Umdiese neurologische Komplikationbesser bewerten zu können, ist nochmehr Erfahrung notwendig.

Welchen Stellenwert hat CTL019im Therapiealgorithmus?Patienten mit refraktärer ALL hattenbislang nur eine marginale Chance,ihre Erkrankung zu überleben. DerBedarf an neuen Therapien für dieseIndikation ist daher groß und dieCAR-T-Zell-Therapie stellt eine vielversprechende Option dar, davon binich trotz aller Vorsicht überzeugt. Wodie Therapie im Gesamtkonzept ihrenPlatz finden wird, lässt sich nochnicht abschließend beurteilen, dazubenötigen wir noch mehr Erfahrungund Langzeitdaten. Was man jetztschon sagen kann: CTL019 hat be-stimmten Patienten eine neue Pers-pektive gegeben.

Wer kann die Therapie durchführen?Die Behandlung ist gegenwärtig spezi-alisierten Zentren vorbehalten, dieeine JACIE-Akkreditierung (JointAccreditation Committee – JSCT-EBMT) vorweisen können. Damitdokumentieren sie, dass sie bei Kno-chenmarkstransplantationen undZelltherapien bestimmte Qualitäts-standards einhalten. Das ist auch gutbegründet. Denn die Patienten müs-sen auf die Behandlung vorbereitetwerden, bis die CAR-T-Zellen herge-stellt sind und zur Verfügung stehen.Nach der Infusion tauchen immerwieder Probleme auf, die teils erwart-bar sind, wie das Zytokin-Freiset-zungssyndrom und die neurologi-schen Nebenwirkungen, teils aberauch überraschend. In jedem Fallbraucht es ein Team, das über einenbreiten Erfahrungsschatz mit zellthe-rapeutischen Verfahren verfügt, undentsprechend reagieren kann.

CAR-T-Zellen: „Ich traue der Therapie viel zu!“2018 wurde in Europa erst-mals die Zulassung für eineCAR-T-Zell-Therapie bean-tragt. Professor Dr. Peter Ba-der, Frankfurt, sieht in demVerfahren eine große Hoff-nung für pädiatrische Pati-enten mit malignen häma-tologischen Erkrankungen.

Das immunologische Milieu einesTumors spielt für das Krankheits-geschehen eine zentrale Rolle. „InStudien beim Ovarialkarzinom gin-gen infiltrierende T-Zellen miteinem Überlebensvorteil einher.Beim Kolorektalkarzinom warenTyp, Dichte und Anordnung derImmunzellen ein besserer Überle-bensprädiktor als die Histopatho-logie“, sagte Professor Dr. DirkJäger, Heidelberg, anlässlich desSymposiums „Die Neuvermessungder Onkologie“ in Berlin. Spätes-tens seit der Einführung derCheckpoint-Inhibitoren in die Be-handlung des malignen Melanomswar klar, dass die Immunologieauch potente therapeutische Hebelbietet.

Doch diese Ansätze alleine wer-den nicht reichen, um eine Krebs-erkrankung auf Dauer zu kontrol-lieren. Die zukünftigen Behand-lungskonzepte setzen daherzunehmend auf Kombinationsthe-rapien. Jäger zufolge werden der-zeit beispielsweise Checkpoint-Inhibitoren zusammen mit einemCCR5-Inhibitor beim Kolorektal-karzinom geprüft. „CCR5 ist einzellulärer Rezeptor, dessen Hem-mung inaktive Makrophagenrepolarisiert, sodass sie Tumorzel-len wieder bekämpfen.“ In einerersten Studie führte dieser Ansatzzu einem klinischen Ansprechen.

Das Wissen um die spezielle Im-munologie in Tumorgeweben wirddie Onkologie weiter voranbrin-gen, ist sich Jäger sicher. Man wer-de künftig vermehrt Informatio-nen über eine vorbestehende Im-munantwort, deren Qualität undTumorspezifität erheben und dieErkrankung zusammen mit ande-ren Markern maximal charakteri-sieren können. „In letzter Konse-quenz ist dann jede Tumorerkran-kung und ihre Behandlung so indi-viduell wie der Mensch.“

ZUKUNFT DER THERAPIE

Immunologie:Jeder Tumor istein Individuum

Forscher lernen immermehr über die immuno-logischen Vorgänge imTumorgewebe. Mit die-sem Wissen heben siedie Diagnostik und The-rapie auf eine neue Stufe.

Juni 2018 Innovations in Oncology V

Page 6: DIE NEERMESSUNGUV DER ONKOLOGIE - Form & Füllung · 2019. 1. 15. · So konnten die Forscher 13 in nahezu allen Tumoren häufig auftretende spezifische Treibermutationen cha-rakterisieren,

Seit mehr als 15 Jahren ist das kom-plette menschliche Genom veröffent-licht. In der Zwischenzeit haben sichdie Technologien für molekulargene-tische Analysen rapide weiterentwi-ckelt und produzieren enorme Daten-mengen. Weiterer Input kommt ausder Radiologie durch die Digitalisie-rung von Bildern sowie aus der Doku-mentation von Therapieergebnissenund Krankheitsverläufen.

Diese Daten lagern in Datenban-ken von Forschungseinrichtungen,Kliniken und Krankenkassen und oftsei zum gegenwärtigen Zeitpunktnoch gar nicht klar, inwieweit siekünftig einen klinischen Nutzenhaben könnten, sagte Professor Dr.Peter Fasching, Erlangen. Zudemkönne man angesichts der Zunahmedes Wissens um Krankheiten undTherapien nicht davon ausgehen, dassÄrzte, Schwestern und andere Betei-ligte im Gesundheitswesen in derLage sind, alle Entwicklungen zeitnahumzusetzen. „Es stellt sich daher dieFrage, wie die Zusammenführung die-ser Daten zur Lösung bislang ungelös-ter Fragestellungen genutzt werdenkann“, so Fasching. Eine große Chan-ce liege dabei in den Methoden desmaschinellen Lernens beziehungs-weise der künstlichen Intelligenz.

Um die Implementierung neuerErkenntnisse in die Praxis zu be-schleunigen, könnten computerge-stützte Systeme beispielsweise dieEntscheidungsfindung unterstützen,so Fasching. „Bevor sich Ärzte und Pa-tientinnen bei der Integration solcherMöglichkeiten gleichermaßen wohlfühlen, müssen noch einige Studiendurchgeführt werden, welche dieSicherheit, den Nutzen, und die Prak-tikabilität solcher Herangehenswei-sen nachweisen.“

Daten zusammenführenErste Unterstützungssysteme zumBeispiel der interdisziplinären Tu-morkonferenz sind bereits in Studienund Forschungsnetzwerken entwi-ckelt worden, so im Projekt „Klini-sche Datenintelligenz“, das im Rah-men der „Big and Smart Data Initiati-ve“ vom Bundesministerium für Wirt-schaft und Energie gefördert wird.Darin sollen strukturierte Daten zumBeispiel aus Laboranalysen mit freiformulierten Befunden etwa aus Arzt-briefen, Bilddaten und mit Daten aus

molekulargenetischen Analysenzusammengeführt werden.

Im onkologischen Anwendungs-szenario stehen zahlreiche Kasuisti-ken von Brustkrebs-Patientinnen zurVerfügung und können mit nicht er-krankten Kontrollindividuen vergli-chen werden. Von den Patientinnenliegen über 1 000 000 Genotypen ausder Keimbahn-DNA vor sowie Datenaus der Genexpressionsanalyse in Tu-moren. Darüber hinaus existieren vonallen Patientinnen und nicht erkrank-ten Kontrollen Mammografien. DieseDaten sollen mit Informationen ausden elektronischen Patientenaktenverknüpft werden. „Derartige Unter-stützungssysteme müssen im nächs-ten Schritt auf ihre Integrierbarkeit inden klinischen Alltag untersucht wer-den“, sagte Fasching. Ziel diesesAnwendungsszenarios ist es daher,die unterschiedlichen Datentypen da-tenschutzkonform auf einer Platt-form zu bündeln und in eine Form zu

bringen, die für den Arzt und die Pati-entin nutzbar ist – zum Beispiel alsApp.

Rechtliche HürdenAbgesehen von den technischen Hür-den gibt es auch rechtliche. Zu klärensei etwa die Frage der Datensouverä-nität seitens der Patienten, soFasching. Sie spiele eine große Rolle,weil rechtliche und ethische Belangeder Datennutzung, insbesonderebezogen auf Aspekte, die zur Zeiteines Patientengesprächs noch nichtbekannt waren, besondere Herausfor-derungen an die Kommunikationaller Beteiligten stellten. Und überallem stehe die zentrale Frage,welches Wissen Ärzte selber habenmüssten, und welches sie an den PCdelegieren könnten. Selbst wenn dieAntwort feststeht, werde man als Arztaber nicht darum herumkommen,auch ein Stück weit ein ComputerScientist zu sein.

Smart Data gegen den KrebsIn medizinischen Datensteckt ungeheures Potenzi-al, so viel ist sicher. Modell-projekte, um es auszu-schöpfen, laufen bereits.

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Projekt „KlinischeDatenintelligenz“

Das Projekt wird im Rahmender „Big and Smart Data Initiati-ve“ vom Bundesministerium fürWirtschaft und Energie geför-dert.

Es sollen strukturierte Datenzum Beispiel aus Laboranaly-sen mit frei formulierten Befun-den etwa aus Arztbriefen, Bild-daten und mit Daten aus mole-kulargenetischen Analysenzusammengeführt werden.

Ziel ist es, unterschiedliche Datentypen datenschutzkonform auf eine Plattform zu bündeln und in eine Form zu bringen, diefür den Arzt nutzbar ist – zum Beispiel als App. © CHOMBOSAN / GETTY IMAGES / ISTOCK

Die Digitalisierung der Medizin isteine Mammutaufgabe, daran ließTanya Thouw vom Unternehmen SAPin Sinsheim keinen Zweifel. Als Grün-de nannte sie neben der uneinheitli-

chen Digitalisierungsgeschwindigkeitin verschiedenen Ländern und sogarinnerhalb Deutschlands unter ande-rem die rechtliche Situation. Die Ge-setzeslage sei teilweise sehr hetero-gen und obwohl man bei SAP die Re-gulierung durch die EU-Datenschutz-grundverordnung begrüße, gebe esnoch viele Fragezeichen, etwa wie dieAufsichtsbehörden damit umgehen.

Unbeantwortet sei auch die Frage,wie man Datensouveränität regelnkönne, und wie umfangreich bei-spielsweise eine Einwilligung seitensder Patienten gestaltet sein muss, umderen Daten bestmöglich nutzen zukönnen. Eine weitere Herausforde-rung stelle die Vollständigkeit undQualität der Daten dar. Bei der Ameri-

can Society of Clinical OncologyASCO in den USA lasse man dazu dieDaten mittlerweile von Schwesternüberprüfen, bevor sie in MachineLearning Modelle eingespeist wür-den. Doch den Hürden stehen auchChancen gegenüber.

In diesem Zusammenhang verwiesThouw auf Application ProgrammingInterfaces (API), die als Schnittstellenzwischen verschiedenen IT-Lösungenfungieren. Damit sei es beispielsweisejetzt schon möglich, Patientendatenvon einer Plattform des Krankenhau-ses auf das Smartphone herunterzula-den. „Der Patient erlangt dadurch dieHoheit über seine Daten“, sagteThouw. Potenzial sieht sie auch inChatbots mit sprachgesteuerten Dia-

logoberflächen, die eine neue Formder Interaktion ermöglichen und dieEingabe von Text oder das Anklickenvon Icons erübrigten. Anwendungen,die sich des Machine Learnings undder Künstlichen Intelligenz bedien-ten, hätten schließlich das PotenzialEchtzeitanalysen großer Datenmen-gen zu ermöglichen und intelligentauszuwerten.

Als ein Beispiel für eine intelligen-te Anwendung in der Onkologie nann-te Thouw die Netzwerklösung SAPClinical Quality. Sie unterstütze Ärztedarin, leitlinienkonform zu behan-deln. „Die Nutzer erhalten darüberhinaus anonymisierte externe Bench-mark-Informationen von anderenKnotenpunkten aus dem Netzwerk

und können ihre eigene Leistung bes-ser einschätzen, da sie sich mit Kolle-gen vergleichen können“, sagteThouw. Ein weiteres SAP-Leucht-turmprojekt sei die Entwicklung einerPlattform, um Patientenakten in Isra-el zu digitalisieren. Die Daten sollenwissenschaftlichen Einrichtungenund Gesundheitsunternehmen zurVerfügung stehen, um daraus Strate-gien zur Krankheitsprävention undpersonalisierten Behandlung abzulei-ten. Für Thouw steht fest, dass solcheLösungen die erfolgreichen Modellefür die Zukunft darstellen. Partikular-interessen zu verfolgen werde keineChance haben, man müsse in Netz-werken denken, um den Patienten-nutzen voranzutreiben.

Digitalisierung: Wie werden Daten „smart“?So viel ist klar: Wer die Ver-sorgung von Krebspatien-ten substanziell verbessernmöchte, kommt um dieDigitalisierung nicht mehrherum. Der Softwareher-steller SAP möchte Ärzteund Wissenschaftler aufdiesem Weg unterstützen.

„Diagnosen sind eine große kogni-tive Herausforderung“, sagte Dr.Ewelina Türk, Berlin. „Wir kennenmehr als 12 500 Zeichen undSymptome und mehr als 10 000 Er-krankungen, von denen 7500 alsselten gelten.“ Um da den Über-blick zu behalten, könne eine intel-ligente Software helfen – wie dieder in Berlin ansässigen AdaHealth GmbH.

Das Unternehmen hat nach An-gaben von Türk Algorithmen ent-wickelt, die das Rückgrat einessymptombasierten Diagnoseunter-stützungssystems für Ärzte bilden.Validiert wurde das System in Zu-sammenarbeit mit der Medizini-schen Hochschule Hannover durcheine retrospektive Analyse vonrund 100 Patienten. Türk zufolgezeichnet sich die App unter ande-rem durch eine Visualisierung aus,die zeigt, warum die Software zuihren Schlussfolgerungen gekom-men ist.

Parallel zur Lösung für Ärztegibt es mittlerweile auch einenChatbot für Patienten. Hier kön-nen Patienten ihre Symptome ein-geben, und nach einer personali-sierten Anamnese liefert die Apppotenzielle Erklärungen für dieBeschwerden. „Abgesehen von derdifferenzierten Darlegung vonpotenziellen zugrunde liegendenUrsachen wird der Patient überratsame nächste Schritte aufge-klärt“, sagte Türk.

Ada hat laut Türk auch einvordiagnostisches Potenzial, umauch Praxen und Rettungsstellenzu entlasten. „Das Ziel ist ein gutaufgeklärter und vortriagierter Pa-tient, der eine ausführliche Vor-anamnese schon mitbringt“, soTürk. „Dies dient als Brücke zu denÄrzten und spart ihnen Zeit mitder Anamnese, welche sie in derweiterführenden Diagnostik undTherapie einsetzen können.“ Wei-tere Einsatzmöglichkeiten siehtTürk in der personalisierten Prä-vention. Dafür suche man noch kli-nisch-wissenschaftliche Koopera-tionspartner.

SOFTWARE

App unterstütztÄrzte bei derDiagnose

Ein intelligentes Diagno-seunterstützungssystemkann Ärzte bei derUrsachensuche ent-lasten und PatientenErklärungen zu ihrenBeschwerden liefern.

Innovations in Oncology Juni 2018VI

Page 7: DIE NEERMESSUNGUV DER ONKOLOGIE - Form & Füllung · 2019. 1. 15. · So konnten die Forscher 13 in nahezu allen Tumoren häufig auftretende spezifische Treibermutationen cha-rakterisieren,

Den Auftakt der Podiumsdiskussionbeim Symposium „Die Neuvermes-sung der Onkologie“ machte Profes-sor Dr. Christof von Kalle, Heidelberg,mit einem Impulsreferat. Darinzitierte er als Vorbild für die Onkolo-gie die Vision Zero, eine ursprünglichschwedische und später europäischeInitiative, um die Zahl der Verkehrs-toten zu reduzieren. Kernelementevon Vision Zero sind ein Paradigmen-wechsel, bei dem Todesfälle im Stra-ßenverkehr nicht mehr als unver-meidlich akzeptiert werden, und einumfassendes Handlungskonzept.„Damit betreiben wir seit knapp dreiJahrzehnten eine enorm erfolgreicheVerkehrspolitik, die die Todesfallrateauf weniger als ein Zehntel des Aus-gangswertes in den 1970er Jahrensenkte“, so von Kalle. In etlicheneuropäischen Städten habe man sogardie Null realisiert. Genau das sollesich nun auch die Onkologie als Zielvorgeben, so von Kalle.

Zunächst müsse man als Gesell-schaft jeden durch Krebs verursach-ten Todesfall als inakzeptabel auffas-sen und dann Strukturen und Rah-menbedingungen schaffen, die es er-möglichten, eben jene Todesfälle zuverhindern. „Genau dazu sind wir mo-mentan aber nicht bereit“, sagte vonKalle. „Stattdessen beschuldigen wirdie Verhältnisse, entschuldigen unse-re Untätigkeit und diskutieren überdie Kosten.“ Auch wenn nicht jederkrebsbedingte Todesfall vermeidbarsei, so könne man doch viel mehr tun,ohne das System über Gebühr zu be-lasten.

Zu wenige „magic bullets“Auch Patientenvertreter Jan Geißlersieht die Zeit gekommen, um in derOnkologie Neues anzupacken. Dennman habe zwar viel über aussichtsrei-che Innovationen gehört, aber nachwie vor gebe es für die wenigsten derüber 200 Krebsarten die „magic bul-lets“, die bei manchen jetzt schon einelangfristige Remission ermöglichten.„Wir müssen schneller lernen und er-fassen, was mit den Patienten imKrankheits- und Therapieverlauf pas-siert. Dazu ist es nötig, die Trennungzwischen Forschung und Versorgungaufzuheben.“ Ein weiteres AnliegenGeißlers ist es, den Zugang zu Thera-pien zu verbessern. „Wir wollen nicht,dass jeder alles bekommt, sondern ge-nau das, was er braucht und zwar zumrichtigen Zeitpunkt.“ Und auch er kri-tisiert, dass vieles unter dem Kosten-aspekt diskutiert wird.

Professor Dr. Hagen Pfundner vomVerband Forschender Arzneimittel-hersteller nahm dieses Stichwort auf,um die Sicht der Industrie darzule-gen. Man habe in der Medizin immerwieder Innovationszyklen erlebt, et-wa bei den Infektionskrankheiten,später bei den Herz-Kreislauf-Er-

krankungen, und immer habe es Sor-gen gegeben, dass die Innovationendas System sprengen würden. „Heuteredet aber niemand mehr über teureAntiinfektiva oder Herz-Kreislauf-Medikamente, weil sich Innovationenund Imitationen abwechseln“, soPfundner. Nun erlebe man einen In-novationszyklus in der Onkologiedurch neue Medikamente und Ansät-ze der personalisierten Medizin. „Undwieder heißt es, das System gehtkaputt. Dabei haben sich die Ausga-ben für Diagnostika und Arzneimittelin der Onkologie nicht anders entwi-ckelt, wie andere Ausgaben imGesundheitswesen. Wieder ist dieKostenexplosion ausgeblieben undwarum sollte sich in zehn Jahren eineereignen.“ Pfundner zufolge hat dieIndustrie selbst ein Interesse, dasSystem lebensfähig zu erhalten. „Wirmachen 90 Prozent unseres Geschäf-tes mit der Gesetzlichen Krankenver-sicherung. Wäre sie nicht mehr zah-lungsfähig, hätten wir kein Geschäfts-modell mehr. Und wir denken nachüber alternative Erstattungsmodelle,beispielsweise bezogen auf die Indika-tion oder den Outcome“, so Pfundner.„Es gibt viele Modelle, die wir in ande-ren Ländern ausprobieren, und dieauch in Deutschland umgesetzt wer-den können. Es muss nur der Wille dasein.“

Die Kosten per se stehen auch fürDr. Mani Rafii, Vorstandsmitglied derBarmer, nicht im Vordergrund desInteresses. Er stellte vielmehr dieQualität in Frage, die man derzeit fürdas ausgegebene Geld bekommt. Mandürfe nicht nur die Sterblichkeit imBlick haben, sondern müsse auch dieFunktionalität und die Lebensqualitätberücksichtigen. Weiter werde an vielzu vielen Orten eine komplexe Krebs-medizin angeboten, die eigentlich anspezialisierte Zentren gehöre. „Weiterhaben wir die Situation, dass Innova-tionen viel zu breit gestreut werden“,sagte Rafii. „Wir müssen schauen,dass sie zielgerichtet da eingesetztwerden, wo sie messbare Erfolge brin-gen.“ Angesichts des enorm wachsen-den Wissens stelle sich auch dieFrage, ob Ärzte heute über die Instru-mente verfügten, um Indikationen sozu stellen, dass sie zielgerichtet sind.„Wir müssen die Möglichkeiten der

Digitalisierung, der Zentralisierungund der Qualitätsmessung nutzenund dann werden wir erkennen: Geldist genug vorhanden, wir müssen esnur zielgerichteter einsetzen.“

Analoge Welt und digitale ChancenAuch wenn er sich einer Spezialisie-rung und Zentralisierung nicht prin-zipiell verschließen wolle, so würdeman in Zukunft auf eine flächende-ckende Versorgung nicht verzichtenkönnen, entgegnete PD Dr. ThomasIllmer vom Berufsverband derNiedergelassenen Hämatologen undOnkologen in Deutschland e.V. „Dasbedeutet mehr als nur zu filtern, wel-chen Patienten man wohin schickt“,so Illmer. Dem explodierenden Wis-sen gelte es, mit Fortbildungsangebo-ten zu begegnen, zudem sollten mehrMöglichkeiten der Datenerfassung inder Fläche geschaffen werden. Alsweitere Herausforderung sieht Illmerdie steigende Zahl an Patienten, damüssten auch die Verbände eingrei-fen. Eine Zentralisierung sehe ernicht als heilbringend, man braucheeine Entwicklung in beiden Sektoren.„Wenn wir die nicht haben, hängenwir bestimmte Bereich ab.“

Noch deutlicher wurde der Blogger,Buchautor und Journalist SaschaLobo. Für ihn hören sich Spezialisie-rung und Zentralisierung nach Ver-knappung an und repräsentieren einDenken aus dem 20. Jahrhundert.„Das waren Zeiten, als man die teureSiemens-Maschine halt nur einmalpro Kreisstadt anschaffen konnte.“Künftig werde dagegen eine Vielzahlan Prozessen, von der Diagnostik biszur Behandlung, digital abgebildetund damit dezentralisiert werden.

Auf die Frage von Dr. JohannesBruns von der Deutschen Krebsge-sellschaft, wie weit es mit der Digitali-sierung auf Patientenseite her sei, gabes unterschiedliche Antworten. Pro-fessor Dr. Diana Lüftner, Berlin, er-lebt Patienten, die auch medizini-schen Content auf ihren Smartphonesverwalten. Illmer begegnet im nieder-gelassenen Bereich dagegen mehr-heitlich Patienten, die sich noch sehrin der analogen Welt bewegen. FürLobo ist diese Schere ein Phänomender Zeit: „20 bis 35 Prozent der Pati-enten nutzen das Netz und sind sehr

gut informiert, aber 50 bis 60 Prozentkönnen oder wollen das nicht undsind dramatisch unterinformiert. Dasist ein Übergangsproblem, aber damitmüssen wir auch umgehen.“

Wo bleiben die Investitionen?Gegen Ende der Veranstaltung fragteModerator Bruns, ob man nicht gene-rell über das Investitionsverhaltennachdenken müsse. So habe dieSelbstverwaltung bei der Einführungder Diagnosis Related Groups und desEinheitlichen BewertungsmaßstabsMilliarden investiert, um die Systemeauf den Weg zu bringen. Müsse mandas nicht auch tun, um die onkologi-schen Innovationen auf den Weg zubringen? Pfundner sieht diesbezüg-lich eine Blockade im Zusammenspielderer, die am Innovationsprozess teil-nehmen. „Der Topf enthält gut 300Milliarden Euro, und jeder, der sichdarin bewegt, kriegt etwas.“ Es kom-me zu Verteilungskämpfen zwischenden verschiedenen Säulen, zwischenKliniken und dem niedergelassenenSektor, zwischen Onkologie und Kar-diologie, zwischen Pharmaindustrieund Medizintechnik usw. „Die Frageist: Wie knackt man dieses System derVerteilung?“ Rafii entgegnete dem,dass 300 Milliarden sehr viel Geld sei-en. „Aber wenn wir so weiter machen,werden meine Kinder in 20 Jahrennicht die gleichen Chancen imGesundheitssystem haben, wie ich sieheute habe.“ Man müsse daher grund-legende Veränderungen vornehmen.„Wir müssen etwa gemeinsam danachschauen, wo vielleicht viel Über- undFehlversorgung stattfindet.“ Als Bei-spiel nannte er Spondylodesen, dienach den Kriterien der Fachgesell-schaften in 80 Prozent der Fälle nichtindiziert seien. „Lassen Sie uns Quali-tät messen und über Indikationsstel-lung sprechen, und ich bin überzeugt,es wird genug Geld im System sein.“

Abschließend lenkte Dr. ChristaMaar, Präsidentin des Netzwerk ge-gen Darmkrebs e.V., den Blick nocheinmal auf das Thema Prävention. Füreine erfolgreiche Krebsbekämpfungsei sie so wichtig wie eine wirksameTherapie. Mit dem niederländischenDarmkrebs-Screeningprogramm gebees ein hervorragendes Vorbild für einvergleichbares Programm in Deutsch-land. „Das wird in der Selbstverwal-tung zwar zur Kenntnis genommen,aber es passiert nichts“, klagte Maar.

Maar forderte den GBA auf, hierendlich für einen Fortschritt zu sor-gen, zudem sollte man auch Früh-erkennungs- und Vorsorgemöglich-keiten für Menschen unter 50 Jahrenschaffen. Daten aus den USA zeigten,dass die Inzidenz in dieser Alters-gruppe ansteigt, insbesondere bei den20- bis 35-Jährigen. „Der Einstieg indie Vorsorge kann für bestimmte Risi-kogruppen zeitlich vorgezogen wer-den, davon sollte man Gebrauch ma-chen“, sagte Maar.

Zu diesen Risikogruppen zählenetwa Menschen mit einem familiärenRisiko für eine Darmkrebserkran-kung. In Bayern wurde daher dasFARKOR-Projekt auf den Weg ge-bracht, um sie durch eine systema-tisch erhobene Familienanamnese zuidentifizieren (FARKOR: Vorsorge beifamiliärem Risiko für das kolorektaleKarzinom). Jüngere Erwachseneohne familiäres Risiko könne manlaut Maar momentan nur dadurch vorDarmkrebs schützen, dass man beiabdominalen Symptomen eine malig-ne Erkrankung nicht vorschnell aus-schließt. „Für Darmkrebs gibt es keinzu jung“, schloss Maar.

Vision Zero – für eine Medizinohne KrebstoteAn welchen Schraubenmuss man drehen, wenndie Versorgung von Krebs-patienten mit dem derzeiti-gen InnovationstempoSchritt halten soll? Auf derPodiumsdiskussion warensich Ärzte und Mitgliederverschiedener Interessen-gruppen einig, dass esdabei um mehr geht, als dieKosten zu managen.

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Wir müssen schnel-ler lernen und erfas-sen, was mit denPatienten im Krank-heits- und Therapie-verlauf passiert.Dazu ist es nötig, dieTrennung zwischenForschung und Ver-sorgung aufzuheben.Jan GeißlerPatientenvertreter, München

Innovationen in der Onkologie im Fokus: Sascha Lobo, PD Dr. Thomas Illmer, Professor Dr. Diana Lüftner, Jan Geißler,Professor Dr. Hagen Pfundner, Dr. Georg Ralle und Dr. Johannes Bruns (v. l. n. r.) bei der Podiumsdiskussion. © DAVID AUSSERHOFER

Juni 2018 Innovations in Oncology VII

Page 8: DIE NEERMESSUNGUV DER ONKOLOGIE - Form & Füllung · 2019. 1. 15. · So konnten die Forscher 13 in nahezu allen Tumoren häufig auftretende spezifische Treibermutationen cha-rakterisieren,

Datensicherheit ist immer essenziell,Datenschutz sollte man im medizini-schen Kontext dagegen weitgehenddurch Datensouveränität ersetzen.Die eigenen gesundheitlichen Datenkönnen nämlich Teil einer viel größe-ren wertvollen Erkenntnisentwick-lung sein, und dazu sollten sienutzbar sein.

Manche Daten können wir heuteim Hinblick auf ihren künftigen Wertauch noch gar nicht einschätzen.Mit heutigen Datenschutzmodellenwürden wir uns daher ins eigeneBein schießen. Datensouveränitäthieße dagegen, der Patient kannselbst entscheiden, was er mit seinenDaten macht und wofür er sie zurVerfügung stellt. Konkret: So wieman seinen Körper der Wissenschaft

spenden kann, könnte man das –noch vor dem Tod – auch mit medizi-nischen Daten tun. Die Wissenschaftkönnte dann damit machen, wassie für richtig hält, und ich würdedabei auch nicht zwischen einerForschung an Grundlagen und einerkommerziellen Forschung unter-scheiden.

Dieser Ansatz ist leider mit denheutigen Datenschutzgesetzen nursehr eingeschränkt vereinbar.Eigentlich brauchen wir daher einesehr große Diskussion über Sinn,Zweck und Nutzen von Daten undVernetzung, die über den Daten-schutz hinausgeht. Und die Ärztemüssen eine Beziehung zur Digitali-sierung entwickeln, anders funktio-niert sie nicht.

Daten nutzbar machen

Sascha Lobo,Blogger, Buch-autor, Journalist,Berlin© DAVID AUSSERHOFER

Das sagen die TeilnehmerDas Symposium „Innovati-ons in Oncology“ hat auchdieses Mal wieder Fach-leute zusammengeführt,die ihren jeweils eigenenBlick auf die Onkologiehaben. Die „Ärzte Zeitung“hat sie gefragt, worauf esihnen bei der künftigenVersorgung von Krebspati-enten besonders an-kommt. In ihrer Gesamt-heit sind die Antworteneine Art Wegweiser füralle, die eine neue Onkolo-gie mitgestalten wollen.

Der gegenwärtige Erfolg der Onko-logie ist durch das Zusammenspielzwischen Akademie, Wissenschaftund Wirtschaft entstanden. Wir ha-ben einen hervorragenden Studien-standort und führen nach den USAweltweit die meisten und bestenStudien durch. Nun ist es Aufgabeder Industrie, das Wissen in Pro-dukte umzusetzen. Künftig müssenwir darauf achten, dass die Büro-kratie nicht ausufert. Für ganz frü-he experimentelle klinische Stu-dien ist der administrative Aufwandin Deutschland zu hoch. Ich hoffe,dass PEI und BfArM, europäischeZulassungsbehörden, Fachgesell-schaften, Ethikkommissionen undIndustrie zusammenfinden, sodasswir hier den Anschluss behalten.

Anschluss halten

Professor Dr.HagenPfundner,VerbandForschenderArzneimittel-hersteller e.V.© DAVID AUSSERHOFER

Aus meiner Sicht sind momentanzwei Dinge sehr wichtig. Zum einenbrauchen wir ein allgemeinesVerständnis dafür, dass jedeTumorerkrankung ihre eigeneEntität darstellt, so charakterisiertund gegebenenfalls auch so behan-delt werden sollte. Zum anderenmüssen wir ein innovationsfreund-licheres Umfeld schaffen. Unserederzeitigen Regularien sind da eherhinderlich, wie das Beispiel derZell-basierten Therapien zeigt: Inden USA sind sie bereits zugelassen,hier werden noch nicht mal Studieninitiiert. Es müsste bei den Anfor-derungen auch unterschiedenwerden, ob eine Studie für die adju-vante Situation angelegt ist oder fürdie Letztlinientherapie.

Regularien anpassen

ProfessorDr. Dirk Jäger,NationalesCentrum fürTumorerkran-kungen,Heidelberg© DAVID AUSSERHOFER

Wir haben auf diesem Symposiumeine beeindruckende Zusammen-stellung des State-of-the-art erlebt,und die Ergebnisse stimmen unszuversichtlich. Viele Forscherhaben die Hoffnung, dass dasGleichgewicht zwischen Tumorund Immunabwehr durch neueTherapien so verschoben werdenkann, dass Resterkrankungen unterKontrolle bleiben. Wir hätten dannzwar noch keine Heilung erreicht,wohl aber eine Chronifizierung,idealerweise mit normaler Lebens-qualität und Lebenserwartung. Aufder wissenschaftlichen Ebene mussman aber auch an eine Heilungdenken, denn wenn man das nichttut, wird man sie meiner Meinungnach auch nicht erreichen.

An Heilung denken

ProfessorDr. Christof vonKalle,NationalesCentrum fürTumorerkran-kungen,Heidelberg© DAVID AUSSERHOFER

Die Krebsbekämpfung, und hierinsbesondere die Prävention, mussendlich aus ihrem Mauerblüm-chendasein erlöst werden – mehrEngagement und mehr Mut für in-novative Konzepte – wie beim Hol-ländischen Modell des Einladungs-verfahrens zur Vorbeugung vonDarmkrebs – ist dringend erforder-lich! Außerdem muss der NationaleKrebsplan in der Umsetzung konse-quent mit mehr Ressourcen ausge-stattet werden und last, but notleast, brauchen wir in Deutschlandmehr Mittel und Ressourcen für dieKrebsforschung. Es ist in einer aufhumanen Grundwerten aufgebau-ten Gesellschaft nicht zu akzeptie-ren, dass wir weiterhin die steigen-de Zahl von Krebstoten akzeptieren.

Mut zur Innovation

Dr. Georg Ralle,Netzwerk gegenDarmkrebs e.V.© PHILIP BENJAMIN

Ich hoffe, dass wir in Europa und inDeutschland die Zukunft der Onko-logie selbst gestalten und nicht ab-hängig werden von amerikanischenEntwicklungen. Und ich wünschemir, dass wir unser Gesundheits-wesen weiter ausbauen, zu einemguten Ort für Patienten, aber auchzu einem Innovations- und Wirt-schaftsstandort. Dazu müssen wirmehr Wissen generieren und unsbesser vernetzen. Veranstaltungenwie diese sind da sehr hilfreich. Essind sehr viele unterschiedlicheTeilhaber an der Krebsmedizinzusammengekommen, wir habenEinblicke in aktuellste Forschungerhalten und gesellschaftliche wiepolitische Aspekte diskutiert. Ichhoffe, wir erleben eine Fortsetzung.

Onkologie gestalten

Professor Dr.Michael Hallek,Uniklinik Köln© PHILIP BENJAMIN

Ich bin hauptsächlich auf europäi-scher Ebene aktiv und sehe, dassPatienten in anderen Ländern sehrviel stärker in die Forschung einge-bunden sind als in hier. Wir wärengerne mehr involviert, wenn es da-rum geht, die unmet needs zu defi-nieren, die Forschungsfragen zuformulieren und die Studienproto-kolle auszuarbeiten, mit den Ein-und Ausschlusskriterien, den End-punkten und den Instrumenten,um sie zu messen. Das Überlebenist zwar ein essenzieller Endpunkt,aber man sollte andere für Patien-ten sehr relevante Endpunkte nichtaußer Acht lassen. Sonst kann beivergleichbarem Überleben einwichtiger Vorteil auf anderer Ebenenicht nachgewiesen werden.

Patienten beteiligen

Jan Geißler,Patientenver-treter, München© BERT SPANGEMACHER

Für uns ist wichtig, dass die onkolo-gischen Prozesse in ihrer Gesamt-heit verstanden werden, von derFrüherkennung bis in die Palliativ-versorgung. Die aktuellen wissen-schaftlichen Erkenntnisse sind abernoch nicht bei den Ärzten undschon gar nicht in der Selbstverwal-tung angekommen. Alle an der Ver-sorgung beteiligten Seiten müsstennun eine Perspektive aufmachenund sagen, welche Instrumente dasGesamtsystem in welchen Indikati-onen anbieten möchte. Ansonstenradelt die Wissenschaft immerweiter, und die Selbstverwaltungbremst. Am Ende des Tages werdendann die besten Entwicklungenwegen beschränkter Budgets aufder Strecke bleiben.

Verständnis schaffen

Dr. JohannesBruns, DeutscheKrebsgesell-schaft, Berlin© DAVID AUSSERHOFER

Frauenpower:Dem Krebs keineChance!Frauen aus Stiftungen, Medien, Industrie undSpitzensport engagieren sich gegen den Krebs:Stephanie Ralle-Zentgraf (MSD), Prof. DianaLüftner (Charité Berlin), Dr. Christa Maar(Netzwerk gegen Darmkrebs), ehemaligeProfischwimmerin Franziska van Almsicksowie Bettina Kochheim und Sarah Majorczyk(beide Axel Springer SE v.l.n.r)© FABIAN MATZERATH/BILD

Innovations in Oncology Juni 2018VIII