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EURO 10,- · Postfach 1152, 83381 Freilassing · ISSN 0178-8558 · Y9072 E mediummagazin.de magazin für journalisten #03/2016 EURO 10,– Plus Werkstatt „Wie Texte wirken“ Was tun wir dagegen? Die Aufklärer. Die Vertuscher. DIE SCHWARZ- WEISS- FALLE

mediummagazin.de DIE SCHWARZ- WEISS-wir wissen, was ist. Mein Gedanke, wenn ich diesen Preis nach Hause nehme, ist: Du sagst jetzt, was ist, und zwar, wie du es empfindest. Und du

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mediummagazin.de

magazin für journalisten

#03/2016 EURO 10,–

Plus Werkstatt „Wie Texte wirken“

Was tun wir dagegen?

Die Aufklärer. Die Vertuscher.

DIE SCHWARZ-

WEISS-FALLE

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SCHWEIZER JOURNALIST #12/2012+01/20132

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3MEDIUM MAGAZIN

Editorial

Ängsten und Gerüchten entgegengesetzt haben, desto größer wurde die Wut, desto mehr Kommentare und Mails hab ich bekommen“, berichtete Reschke.

Bei all dem geht es längst nicht mehr nur um die „Lügenpresse“-Brüller, um die ewig unbelehrbaren, fremdenfeindlichen Hetzer. Es geht um Fragen, die sich inzwischen so viele stellen: Wie wollen wir in diesem Land weiter leben? Welche Werte sind uns wichtig – und wie stehen wir für sie ein? Und wie gehen wir Journalisten mit den Ängsten um, die so viele umtreiben im Land – und die deswegen noch lange nicht in die rechte Ecke gestellt werden wollen?

Es stimmt wohl, was Wolfram Eilenberger in Bezug auf das Flüchtlingsthema auch selbstkritisch diagnostiziert: „Wie viele andere Magazine befanden wir uns in einer Verdrängungshaltung. Wir standen vor der Frage, wie wir uns dem Thema in all seiner Komplexität widmen können und uns zugleich einer eindeutigen politischen Positionierung entziehen. Wir wollten eine Entzweiung der Leserschaft vermeiden.“ Denn, so der Chef des „Phi-losophie Magazins“: „Die Flüchtlingskrise drängt uns in Haltungen des Entweder-oder“ (s. Seite 16).

Wir haben diese Frage nach der Schere im Kopf zum Schwerpunktthema dieser Ausgabe gemacht: den Vorwurf der Schwarz-Weiß-Malerei, der den Medien so oft in diesen Tagen entgegengehalten wird. Und seien wir ehr-lich, nicht immer zu Unrecht. Wenn Journalisten Politikern fatalen Kurzsicht-Aktionismus vorhalten, darf die Frage erlaubt sein: Wo blieb die eigene Weitsicht, als im vergan-genen Sommer die „Willkommenskultur“ jedwedes Be-denken an den Rand drängte?

Es wird Zeit, dass wir uns selbstkritisch mit unserer Rolle und auch unseren Fehlern auseinandersetzen. Anja Reschke hat recht, als sie sagte: „Wir können das nicht mehr machen mit der alten elitären Rolle und behaupten, wir wissen, was ist. Mein Gedanke, wenn ich diesen Preis nach Hause nehme, ist: Du sagst jetzt, was ist, und zwar, wie du es empfindest. Und du erklärst, warum du es so findest. Wir versuchen, herauszufinden, was ist, und wir versuchen, weiter diese Gesellschaft kritisch zu begleiten. Aber nicht so zu tun, als wüssten wir alles besser.“

PS: Die Dokumentation der Preisverleihung finden Sie auf unserer neuen Beta-Website http://www.journa-listen-des-jahres.de. Wir freuen uns auf Ihre Kommen-tare – ob Lob oder Tadel.

Wenn es gilt, eine zerrüttete Beziehung zu retten, raten Therapeuten gerne zu einem nicht ganz einfachen Mittel: zum Perspektivwechsel vom „Du“ zum „Ich“. Indem man ein Problem aus der „Ich“-Perspektive beschreibt, eröffnet sich beiden Seiten ein neuer Blick darauf, ohne Zwang. Denn Befehlsbotschaften à la „Du musst dies tun, du sollst das lassen“ sind oft genug Auslöser für neuen Streit. Aktion – Reaktion, Angriff – Verteidigung, die Aggressionsmuster sind immer wieder dieselben.

Das ist in der Beziehung zwischen Medien und Publikum nicht anders. Die Journalisten-Rolle des Gatekeepers ist zwar längst Historie. Aber am Bewusstsein einer „vierten Gewalt“ im Staat, die anderen sagt, was sie zu tun und was zu lassen haben, hat sich wenig verändert.

Deshalb tut uns die aktuelle Verunsicherung gut. Sie zwingt uns, unsere eigenen Positionen selbstkritisch zu hinterfragen und alte, überholte Selbstgewissheiten über Bord zu werfen. Anja Reschke sprach das bei der Ehrung als „Journalistin des Jahres“ am 15. Februar in Berlin (s. a. Seiten 22 und 84) offen aus: „Meine Rolle ist die einer Journalistin. Aber ich merke, dass mein Kompass durch-einandergerät – dass ich nicht mehr weiß, was das ist beziehungsweise was erwartet wird. Was ist denn unse-re Aufgabe? Wie sind unsere Instrumente? Was müssen wir machen? … Immer wieder stoße ich dabei auf den Satz, Journalisten sollten einfach ,Sagen, was ist‘. Das berühmte Zitat von Rudolf Augstein. Das klingt so richtig. Genau, einfach sagen, was ist. Aber, ganz ehrlich: Was heißt denn eigentlich: Sagen, was ist?“

Wie soll man umgehen mit der Situation, dass nüchter-ne Fakten nichts ausrichten gegen irrationale Ängste, sogar das Gegenteil bewirken: „Je mehr Fakten wir den

ANNETTE MILZ ist Chefredakteurin des „medium magazins“.

FOTO: E. HÄBERLE

„medium magazin“ gibt es auch im iKiosk – als Einzelausgabe und im Abo. 1MEDIUM MAGAZIN

WIE TEXTE WIRKENJournalistenWerkstatt

Wie Textewirken

magazin für journalisten Der Österreichische Schweizer

Fakten, Fakten, Fakten?Die fünf Säulen eines TextsDer Weg zum perfekten TextExemplarische TextanalyseTexte für den ComputerTexte vom ComputerLohnende Lektüre

3-56-78-910-11

1213

14-15

INHALT

Besser schreiben

Es geht jetzt um etwas … um eine neue Definition unserer Rolle in einer polarisierten Gesellschaft. Sagen, was ist – und die eigene Unsicherheit thematisieren.

Die Werkstatt für Journalisten „Wie Texte wirken“ liegt dieser Ausgabe für Abonnenten gratis bei. Nicht-Abonnenten können sie bestellen unter: [email protected]

„Was heißt denn eigentlich: Sagen, was ist?“ Anja Reschke (Seite 84)

Alle Reden der und über die „Journalisten des Jahres“ sind dokumentiert auf unserer Beta-Seite http://tinyurl.com/mm-jdj2015 – der erste Baustein auf dem Weg zum Web-Relaunch in unserem Jubiläumsjahr 30 Jahre „medi-um magazin“.

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„Diese Krise bietet die Chance, den Zynismus hinter uns zu lassen“, meint Wolfram Eilenberger. Wo der Chef des „Philosophie Magazins“ Handlungsbedarf in der Branche sieht. Anne HaemingSeite 16

Was „Journalisten des Jahres“ zu den Vorwürfen der Vertuschung und „Lügenpresse“ sagen – und was sie dagegen tun. Seite 22

Wie die Kölner Silvesternacht die Debatte um Änderung des Pressekodex befeuert. Daniel Bouhs Seite 24

Inhalt #03/2016

TITEL

FOTO

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OBIN

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HOLL

IMPRESSUM

medium magazin Unabhängige Zeitschrift für Journalisten31. Jg., Nr. 03/2016 Gegründet von Sebastian Turner

ChefredakteurinAnnette Milz (V.i.S.d.P., Frankfurt/Main)

RedaktionKaty Walther (Frankfurt), Daniel Bouhs, Dr. Anne Haeming, Daniel Kastner, Thomas Strothjohann, Jens Twiehaus (Berlin), Senta Krasser (Köln), Carolin Neumann, Inge Seibel (Hamburg), Ulrike Langer (Seattle)

AutorenJennifer Bligh, Julian Heck, Annette Hillebrand, Anton Hunger, Norbert Küpper, Peter Linden, Peter Littger, Carl Wilhelm Macke, Christian Sauer, Hermine Schreiberhuber, Stephan Seiler, Bernd Stössel, Hakan Tanriverdi, Canan Topçu, Engelbert Washietl

Anzeigen- und MedienberatungSonja Koutny (Leitung)Tel. +43/6225/27 [email protected] Köstlinger Tel. +43/6225/27 [email protected]

RedaktionIm Uhrig 31, 60433 Frankfurt am MainTel. 069/95 29 79-44, Fax -45E-Mail: [email protected]#twitter @mediummagazinwww.facebook.com/mediummagazin

Verlag und MedieninhaberJohann Oberauer GmbHPostanschrift: Postfach 11 52,83381 FreilassingZentrale: Fliederweg 4,A-5301 Salzburg-EugendorfTel. +43/6225/27 00-0, Fax -11

ProduktionDaniela Schneider (Leitung), Martina Hutya, Sabrina Weindl

Abo- und VertriebshotlineTel. +43/6225/27 00-41, Fax -44E-Mail: [email protected]

DruckDruckerei Roser, Salzburg

Offenlegung nach § 25 Medien gesetz: Medieninhaber und Verlag: Johann Oberauer GmbH., Fliederweg 4, 5301 Eugendorf; Gesellschafter: 80 % Gerhard Oberauer, 20 % Johann Oberauer.

04 MEDIUM MAGAZIN #03/2016

ZWISCHEN SCHWARZ UNDWEISS

BERUF UND MEDIENRUBRIKEN

28 Raum für Reflexionen. Die Zeit ist reif für den frisch formierten nationalen „Runden Tisch für interkulturellen Journalismus“. Canan Topçu über die Motivation und die Ziele. Canan Topçu

30 „Es geht mehr denn je um Haltungen“ Trendforscher Matthias Horx geißelt den „geistigen Amok“ in der Flüchtlings-berichterstattung und die Trashwelle in den Medien. Und er fordert: „Wir brauchen einen Neustart der Netzwerk-Kultur.“ Engelbert Washietl

34 „Wir brauchen andere Perspektiven“ Der Medienmainstream wird zunehmend als viel zu negativ wahrgenommen. Wie Maren Urner und ihr Team das mit Perspective Daily ändern wollen. Carolin Neumann

38 Raus aus der Redaktionsstube Springer startet die Nachrichten-App Upday exklusiv für Samsung-Smartphones und mit Jan-Eric Peters als Produktchef. Ein Besuch vor Ort: Wie arbeitet das Upday-Team? Jens Twiehaus

6 Digitale Perlen. Drei interessante Startups: Rosegarden, Soundticker, Digital Kompakt Julian Heck

8 Regionales Schaufenster. Ideen u. a.: RevierSport Top 10, Erstwähler, hubber.me, TVoice Katy Walther

12 Junge Perspektiven. Was und wer uns auffiel; Tobias Gillen; Katrin Scheib. Carolin Neumann, Jens Twiehaus, Hakan Tanriverdi

74 Kiosk. Markt für Freie, u. a. „Frei!“, „Besser Leben“, „Schluck“, „ADAC Motor-welt, „Geo Special“ Bernd Stössel

77 Die Hunger-Kolumne. Was tun, wenn eine Krise da ist? Besser nicht sagen: „Teile meiner Antwort würden Sie verunsichern.“ Anton Hunger

78 PR-Personalien. Die (Seiten-)Wechsel in der Branche. Katy Walther

80 Personalien. Köpfe und Karrieren – Oliver Stock, Robert Schneider, Tanjev Schultz u. a. Jens Twiehaus

84 In eigener Sache. Preisverleihung der „Journalisten des Jahres 2015“ – Impressio-nen und Diskussionen. Daniel Kastner

89 Journalisten helfen Journalisten. Carl Wilhelm Macke

90 Terminal. Fragebogen: Jutta Bielig, RTL

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Humor

ist, wenn man trotzdem lacht. Nie war dieser Spruch so richtig wie heute. Bei Kommentaren auf Facebook-Seiten wie die von Tatjana Festerling („Pfui Teufel. Hetzer hoch 5 – ich hoffe, diese Gestalten müssen sich bald alle verantworten!“, „Merkt euch die Namen und die Gesichter. Die Zeit wird kommen …“) bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Zum Glück gibt es den „Oscar“ – und vor einem weltweiten Milli-onen-Publikum ein deutliches Bekenntnis zum Journalismus: „Bester Film: Spotlight. Es könn-te keine schlimmere Nachricht für Udo Ulfkotte geben. Aber vielleicht stimmt sie ja auch gar nicht“, kommentierte Dirk Gie-selmann auf Zeit Online den Entscheid der Hollywood-Aca-demy für den Journalistenfilm. Solche Kommentare lieben wir. Wie gesagt, Humor ist, … Wenn Sie nun auf Nummer sicher gehen wollen, hätten wir da einen todsicheren Tipp: Abonnieren Sie einfach und sogar kostengünstig das „medium magazin“ – falls Sie das nicht sowieso schon längst getan haben. E-Mail an [email protected] oder ein Klick auf https://www.newsroom.de/shop/abos/medium-magazin/ genügt, und Sie sind fast schon am Ziel. Allen Lesern und Leserinnen, die uns nun schon im 31. Jahr gewo-gen sind, versprechen wir nach bestem Wissen und Gewissen unser Bestes zu geben, Fakten zu sichern, Fehler zerknirscht ein-zugestehen (kommt ja eigentlich nie vor) und gesicherte Informa-tionen zu liefern, die Sie garantiert weiterbringen – wohin auch immer Sie Ihr Weg bringen soll. Wir freuen uns darauf, Sie dabei zu begleiten. Annette Milz

MAREN URNER, PERSPECTIVE DAILY:„Es fängt schon damit an, dass man andere Fragen stellt.“ Seite 34

JAN-ERIC PETERS, UPDAY: „Niemand soll in seiner Filterblase verschwinden.“Seite 38

KLEINGEDRUCKTES

05 MEDIUM MAGAZIN

1MEDIUM MAGAZIN

WIE TEXTE WIRKEN

Journalisten

Werkstatt

Wie Textewirken

magazin für journalisten Der Österreichische

Schweizer

Fakten, Fakten, Fakten?

Die fünf Säulen eines Texts

Der Weg zum perfekten Text

Exemplarische Textanalyse

Texte für den Computer

Texte vom Computer

Lohnende Lektüre

3-56-78-910-11

1213

14-15

INHALT

Besser schreiben

Extra: Die 16-seitige Journalisten-Werkstatt „Wie Texte wirken“ von Peter LindenWenn die Werkstatt fehlt: Extrabestellungen via [email protected] oder am besten gleich ein „medium magazin“-Abo, in dem die Werkstätten enthalten sind.

SPEC IAL WEITERBILDUNG

PRAXIS

67 Hört zu! Die „Rheinische Post“ baut ein Listening Center auf – nach dem Prinzip „Social Media first“. Wie soll das funktio-nieren – und was soll es bringen? Senta Krasser

72 Layouttipp. Test: nordbayerischer-kurier.de Norbert Küpper

73 Lesetipps. Leseanregungen für Journalisten und Kommunikatoren. Bernd Stössel

60 Lernstoff. Nie war journalistische Weiter-bildung wichtiger als heute. Wie Medien-unternehmen diese Aufgabe angehen. Katy Walther

62 Training für den Erfolg. Was nachhaltige Weiterbildungskonzepte brauchen. Annette Hillebrand, Christian Sauer

64 Zwei Fragen … an Ausbilder. Was sie aktuell anbieten, wo sie Bedarf sehen. Katy Walther

42 Unter Kuratel. Die Mediensituation in Polen lässt in Brüssel die Alarmglocken läuten. Der deutsch-französische Sender Arte hat Konsequenzen gezogen und Kooperationen auf Eis gelegt. Hermine Schreiberhuber

44 Ideenschmiede der Medienzukunft. In Israel entwickelt sich eine innovative Startup-Szene, in die immer mehr deutsche Unternehmen einsteigen. Jennifer Bligh

48 Bilder, die bewegen. World Press Photo Award 2016.

54 „Ich will die Chefs runterbremsen“ Was macht außergewöhnliche Reporter aus und wie arbeiten sie? Teil 15 unserer Interviewreihe über das Schreiben: Lorenz Wagner, „SZ-Magazin“. Stephan Seiler

58 Nonstop Nonsens „Homestorys“, „Claims“ oder „Spots“ – mit unserem Denglisch verwirren wir Menschen, die seit ihrer Geburt Englisch sprechen. Peter Littger erklärt warum. Peter Littger

EXTRA

16 Seiten Journalisten-Werkstatt „Wie Texte wirken“. Teil 3 unserer Serie „Besser schreiben“. Peter Linden

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HAKAN TANRIVERDIarbeitet als Korrespondent für

sz.de und kümmert sich am liebsten um IT-Security.

@hatr auf Twitter, @hakantee auf Instagram und Snapchat.

Danah Boyd über das MySpace-Ghetto: https://tinyurl.com/myspace-ghetto.

Die erwähnten Studien: https://tinyurl.com/native-studie1 und

https://tinyurl.com/native-studie2.

MEDIUM MAGAZIN #03/2016

Junge Perspektiven. Macher und Meinungen

DER MEDIENRANT (4) | TEXT: HAKAN TANRIVERDI

das Netz anders als Kinder, die auf „9Gag“ nach Memes suchen. Unabhängig davon, ob beide pro Tag zwei Stun-den online sind.

3. KULTURELL: Kinder en gros als Digital Natives zu verstehen, blendet aus, wie sie gesellschaftlich da-

stehen. Arm oder reich. Weiß, schwarz. All das beeinflusst, wie diese Kinder im Netz unterwegs sind. Welchen In-formationen sie glauben und welchen nicht. Forscher haben zum Beispiel herausgefunden, dass es zwar in allen Teilen der Gesellschaft Verschwörungstheoretiker gibt, aber eben jeweils unterschiedliche.

Noch ein Beispiel: Die Forscherin Danah Boyd fand heraus, dass MySpace von weißen Kids in den USA irgendwann als „Ghetto“ betrachtet wurde. Also gingen die Weißen zu Facebook. Die Grenzen ziehen sich im Netz anhand von kulturellen Linien. Womit wir bei den Slangs wären: Wenn Beyoncé in ihrem neuem Song „Formation“ singt, dass sie ein „Texas bama“ ist, muss ein Großteil ihrer weißen Hörerschaft erst einmal nachschlagen, dass die-ser Begriff unter Schwarzen für schwarze „Arbeiter“ (sprich: Menschen ohne Manieren) verwendet wurde. Je nachdem, in welchen sozialen Netzen man verkehrt, sind die Begriffe bekannt.

Absolut unüberraschenderweise kommen verschiedene Studien (Ellen Helsper & Rebecca Enyon, Sue Bennett & Karl Maton) deshalb zu dem Schluss, dass diese Bezeich-nung nutzlos ist und die Behauptung, junge Men-schen seien Digital Natives, wenig bis keine empirische Evidenz besitzt.

Um das zu verstehen, reicht es, die WhatsApp-Gruppe zu öffnen, in der auch Oma mit am Start ist und erst gestern ein Selfie geschickt hat.

Was verstehen Sie unter „Digital Natives“? Etwa das? Menschen, die soziale Netzwerke gut bedienen können, weil sie mit diesen Medien aufgewachsen sind. Sie nutzen Facebook, WhatsApp sowieso und auch Snapchat bedie-nen sie quasi blind. Das ist wörtlich gemeint, wie ein kürzlich erschienener Buzzfeed-Artikel zeigt, der be-schreibt, wie eine 13-Jährige snapchattet. Sie schaut sich nicht die Bilder und Textnachrichten ihrer Freundinnen an, sondern antwortet einfach. Sie reagiert auf den bloßen Impuls. Crazy kids!

Interessanterweise ist diese Sicht auf Digital Natives unhinterfragter Konsens in fast jeder Diskussion über soziale Medien.

Ich gehe übrigens davon aus, dass nur alte Menschen den Begriff der „Digital Natives“ verwenden, wobei alt in diesem Fall eher eine Einstellung ist und keine Zahl. Das Argument zielt stets nach unten, in Richtung Jugendliche. Wer den Begriff benutzt, spricht in erster Linie sich selbst frei. Frei davon, sich mit der Jugend auseinandersetzen zu müssen. Diese Person sieht in jungen Menschen eine zusammengehörige Einheit, die komplett in geheimen Codes („bae“, „new phone, who dis?“, „on fleek“) spricht und daher unverständlich bleibt. Wer öffentlich zugibt, eine neue Technik oder App nicht länger auf Anhieb ver-stehen zu können, allein aufgrund seines Alters, reißt eine Kluft auf zwischen jungen und alten Menschen. Es ist ein konservatives Achselzucken.

Dieses uniforme Bild der Digital Natives ist in jeder Hin-sicht falsch. Schon allein wegen dieser drei Aspekte:

1. ÖKONOMISCH: Es wird vorausgesetzt, dass junge Menschen einen Internetzugang haben oder ein

Smartphone besitzen. Weil sie jung sind. Die eigentliche Frage jedoch wäre: Wie viele? Hat jedes Kind ein Smart-phone und einen eigenen Laptop, steigert das die schiere Zeit, die ein Kind im Netz verbringen kann. Mit eigenem Laptop und Smartphone lässt sich Netflix schauen und parallel snapchatten – ergo: mehr Zeit mit dem jeweiligen Netzwerk verbringen. Und es damit besser verstehen.

2. PERSÖNLICH: Marktforscher teilen alles permanent in Sub-Zielgruppen auf, weil sie möglichst genau

wissen wollen, wen sie da vor sich haben. Das Bild der Digital Natives hingegen erkennt nur: „Kinder im Netz“. Aber Kinder, die tagsüber Klavier spielen und Youtube nutzen, um Tutorials von Lang Lang anzuschauen, nutzen

Wer sind eigentlich diese „Digital Natives“, die Journalisten gerne heranzitieren und für die ein Newsportal nach dem nächsten aus dem Boden gestampft wird? Fragt sich Hakan Tanriverdi.

Digital Natives

WhatsApp 9Gag Snapchat Netzwerke Youtube Memes Buzzfeed Ghetto

Selfie Oma Jugendliche

Digital Natives? Gibt’s nicht!

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15MEDIUM MAGAZIN

Weniger reden und mehr machen – mit dem Vorsatz ging Katrin Scheib ins Jahr 2016. An-fang Februar veröffentlichte die 38-jährige Journalistin, die in Moskau lebt, ein Angebot: Einmal im Monat will sie Kolleginnen bei konkreten Projekten kostenlos beraten. Ein-fach so und vor allem, weil junge Journalis-tinnen noch immer nicht die gleichen Vor-aussetzungen für Erfolg haben wie ihre männlichen Kollegen. Was wird aus Katrin Scheibs Plan? Ein Mail-Wechsel mit Moskau:

Ich habe viel Lob gelesen nach deinem Auf-ruf. Wie viele Frauen haben das Angebot angenommen?

Katrin Scheib: Gemeldet haben sich einige, drei davon tatsächlich mit so konkreten Anliegen, dass ich dazu hoffentlich was Sinn-volles sagen kann. Eigentlich war das Ziel ja, ein Projekt pro Monat zu besprechen – aber die sind alle drei so interessant, da wollte ich mich nicht entscheiden müssen. Dann wird das mit einem pro Monat halt ein Durchschnittswert.

Warum brauchen junge Journalistinnen auch im Jahr 2016 noch eine spezielle Förderung?

Nenn mir mal gerade vier, fünf Chefredak-teurinnen großer deutscher Medienhäuser. Darum.

Es gibt da schon mehr als fünf – aber ich verstehe, worauf du hinauswillst.

Klar gibt es die, aber es sind in der Summe weniger, und sie sind weniger sichtbar. Du musst ja nicht mal so weit raufgehen in der Hierarchie – CvD reicht auch schon, ich war regelmäßig auf hausinternen Mailverteilern mit der Anrede „Sehr geehrte Frau Scheib, sehr geehrte Herren“.

Na, dann mal Butter bei die Fische. Wie kön-nen wir das ändern?

Was Veränderungen angeht, gibt es natür-lich viele Hebel – von der großen Debatte über eine Frauenquote bis zu kleinen Ver-

suchen im Alltag wie dem von Yasmina Ba-naszczuk, durch deren Blog „Frau Dingens“ ich auf die Idee gekommen bin. Da bietet sie beispielsweise Coaching vor wichtigen Vor-trägen an oder einen Erfahrungsaustausch darüber, wie es ist, als Erste in der Familie zu studieren.

Und was kann jede Einzelne tun?Es gibt Netzwerke. Es gibt Mentoringpro-

gramme. Es gibt Leute, die in Redaktions-konferenzen die Stimme erheben, wenn eine Volontärin drei Wirtschaftsthemen vor-schlägt, alle sind gut – und werden prompt an einen männlichen Mitvolo vergeben, während sie ein buntes Lifestyle-Thema zu-geteilt bekommt. Jeder kann was machen, und das hier mach ich jetzt eben.

Was müssen wir Männer ändern?Erst mal dasselbe wie wir Frauen: Unser

eigenes Verhalten reflektieren und korrigie-ren. Den Mund aufmachen, wenn wir mer-ken, dass etwas schiefläuft in Sachen Gleich-berechtigung – aktuell sind eben immer noch mehr Männer als Frauen in der Position, an solchen Ungerechtigkeiten etwas zu ändern. Und dann gilt, auch das wieder für beide: Mit diesem Hinterfragen und Ansprechen nicht aufhören, wenn wir Karriere machen.

Hinterfragen junge Journalistinnen heute selbstbewusster „Männerbünde“ als zu dei-ner Volo-Zeit?

So allgemein finde ich das schwer zu be-antworten. Mein Eindruck ist aber schon, dass Debatten über Gleichberechtigung, stereotype Frauenbilder und Sexismus heu-te vielstimmiger geführt werden. Wir hatten den #Aufschrei, wir haben den Hashtag #ichkaufdasnicht für alle, die es auch irre finden, dass Mädchen Kekse für „kleine Feen“ futtern sollen und Jungs die für „klei-ne Abenteurer“. Es gibt, für den englisch-sprachigen Raum, @EverydaySexism. Für mich fühlt es sich so an, als gebe es heute

mehr Vorbilder dafür, so was öffentlich zu machen und nicht auf sich beruhen zu lassen.

Was planen denn deine drei Kandidatinnen, die dein Mentoren-Angebot annehmen?

Eine von ihnen ist Foodbloggerin, wir ha-ben darüber geskyped, welche Social-Platt-formen dazu besonders gut passen, wie man sich dort vernetzt, und wie die Videos zu ihrem Blog bei Youtube mehr Interessenten finden. Eine macht ganz klassischen Lokal-journalismus, und auch noch nicht so lan-ge – wir haben uns also über Themenfindung unterhalten und darüber, wie man Feedback bekommt, auch wenn die betreuende Re-dakteurin oder der betreuende Redakteur gerade viel um die Ohren hat. Und die Drit-te hat schon einige Erfahrung im Schreiben, aber auch Lust, sich mal im Bereich Video auszuprobieren.

Interview: Jens Twiehaus

FörderprogrammKatrin Scheib ergreift die Initiative und berät Kolleginnen bei Berufseinstieg und Projekten. Wo sie Frauen noch immer im Nachteil sieht – und was Männer tun müssen.

KATRIN SCHEIB war ab 2008 Chefin vom Dienst bei derwesten.de, dem Portal der Funke-Mediengruppe-Titel in NRW. Anfang 2014 zog sie nach Moskau und arbeitet jetzt als Social-Media-Redakteurin bei der „Moscow Times“, einer unabhängigen, englischsprachigen Wochen-zeitung.Blog: http://www.kscheib.de/Twitter: @kscheib

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Titel II. Lügen-Vorwürfe

Jana Wuttke, Deutschlandradio KulturIch glaube, dass schon mal gut ist, sich über-haupt zu fragen, ob man eine Schere im Kopf hat. Der zweite Schritt wäre, sich Zeit zu neh-men und sie zu bekommen von seiner Redak-tion – um zu recherchieren und sich nicht dem Reiz hinzugeben, sofort zu publizieren. Man kann auch kommunizieren, dass man im Moment angesichts der noch unsicheren Quel-lenlage keine Fakten bieten kann.

Wichtig ist, dass man immer einen Innen- und einen Außenblick hat und dabei jederzeit die Balance finden muss. Die Schere, die hat man. Kein Journalist oder irgendein journa-listisches Medium kann von sich behaupten, er oder es habe die absolute objektive Wahrheit gefunden. Die gibt es nicht. Man kann nur eine Annäherung versuchen – und das ist eine Sa-che von Zeit. Ich war selbst oft in der Situati-on, mit unserem Medienmagazin relativ ak-tuell reagieren zu müssen. Nach Köln haben wir mit einem anderen Kollegen gesprochen über diese Hilflosigkeit, über die Zuschrei-bungen, die jetzt von allen möglichen sozialen Medien kommen und dass man angesichts dessen vorsichtig sein muss. Diese Vorsicht kann man kommunizieren, manchmal auch die Überforderung.

Bernd Ulrich, Politikchef der „Zeit“Es gibt in der deutschen Elite – nicht nur bei den Linken – die Grundauffassung, dass die Mehr-heit der Deutschen wieder gefährlich werden könnte. Dadurch gibt es eine Neigung zu volkspädagogischen Verhaltensweisen oder, sagen wir, einem volkspädagogischen Zögern beim Benennen von Fakten. Spätestens durch Köln ist das so offensichtlich geworden, dass

allen der Schreck in die Glieder gefahren ist. Meine persönliche Auffassung ist, dass dieje-nigen, die keine Probleme mit Flüchtlingen haben, als Erste die Probleme mit Flüchtlingen benennen müssen. Sie dürfen nicht warten, bis sie dazu gezwungen werden von Leuten, die jede Schwierigkeit mit Flüchtlingen als rassistisches Argument benutzen. Wir müssen das machen. Das habe ich vor einem Jahr schon gesagt: Ich will alle Probleme benannt haben bei uns in der Zeitung.

Wir verschweigen ja nichts. Was soll ich mehr machen als einen guten Journalismus? Es kos-tet ja auch nicht so viel Mut zu schreiben, was man denkt und was man wahrgenommen hat.

Oliver Welke, ZDF / „Heute Show“Wir haben vielleicht auch für eine Satiresendung manchmal zu sehr nachgetreten. Wir haben gele-gentlich jemandem hinterhergerufen, dass er seinen Job mies gemacht hat, obwohl er längst aufgegeben hat, das bereue ich – wie zum Beispiel bei Kristina Schröder. Die alte Regel, nur Leute in der Sache treffen, wo es gerecht-fertigt ist, gilt auch für Satire.

Was die Lügenvorwürfe betrifft, habe ich mir angewöhnt, mich nicht mehr mit der Argu-mentation der Leute, die behaupten, dass wir organisiert vertuschen und systematisch ge-logen wird, auseinanderzusetzen. In diesem Moment haben die ja schon gewonnen. Ich kann sicher sagen, dass wir noch nie absicht-lich Fakten falsch dargestellt haben. Natürlich dürfen wir übertreiben und verzerren, weil wir Satire machen. Aber die Fakten müssen schon stimmen und werden bei uns ordentlich recherchiert. Dafür kann ich mich verbürgen. Deswegen weigere ich mich, mich auf diese Argumentationsebene einzulassen. Die Leute,

die glauben wollen, dass vertuscht und gelo-gen wird, tun das sowieso – egal was man sagt.

Robert Skuppin, RadioeinsWir haben natürlich auch darüber diskutiert, ob wir möglicherwei-se über etwas zu spät berichtet hätten oder eine Schere im Kopf haben. Aber ich habe festgestellt, dass das Spannende – zumindest in meiner Redaktion – ist, wie pluralistisch und meinungsfreudig sie auf al-len Ebenen ist. Daher glaube ich nicht, dass so etwas ohne Weiteres passieren könnte – ganz einfach, weil wir gleich so einen internen Druck verspüren würden, wenn jemand das Gefühl hätte, wir würden etwas verschweigen. Beweisen könnte ich es fast mit den Hörer-reaktionen. Wir haben da beispielsweise eine Kommentarschiene durch die Woche; an-schließend regen sich immer Hörer aller po-litischen Couleurs auch über die Kommenta-re auf. Ich stelle eigentlich eher etwas anderes fest: Deutschland scheint es so gut zu gehen, dass niemand mehr eine andere Meinung aus-hält.

Christoph Reuter,„Der Spiegel“Das, was ich sehe, das, was ich erlebe, das wird auch veröffent-licht. Das Einzige, das wir ver-schweigen, sind Entführungen, wenn wir davon ausgehen müssen, dass die Bericht-erstattung es schwieriger macht, die Opfer zu befreien. Und Informationen, die unsere Quel-len gefährden.

Michael Bröcker,„Rheinische Post“Tausendmal hätte ich eine Dre-hung mehr recherchieren, noch einen Gedanken mehr zulassen sollen, bevor ich einen Artikel abschicke. Na klar. Wir machen täglich Fehler. Ich leider auch. Aber das passiert in jedem Job. Wir müssen weg von dieser Entschuldigungshal-tung. Ich habe das Gefühl, Journalisten ent-schuldigen sich täglich dreimal für ihre Feh-ler. So weit darf es auch nicht gehen. Aber wir sollten offen und ehrlich mit Fehlern umgehen. Wir müssen erklären, wie wir zu unseren Einschätzungen kommen, und die Quellen noch genauer benennen als früher. Wir haben uns viele journalistische Formate überlegt, in denen wir gezielt auf Fragen der

Schere im Kopf?Wir haben uns unter den „Journalisten des Jahres 2015“ um-gehört: Wie sehen sie die Vorwürfe, Journalisten hätten Scheren im Kopf? Gibt es etwas zu bereuen? Und: Was tun sie gegen den Vorwurf der Vertuschung in den Medien?

UMFRAGE: SENTA KRASSER, THOMAS STROTHJOHANN, INGE SEIBEL, JENS TWIEHAUS

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MEDIUM MAGAZIN #03/2016

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Leser eingehen und transparenter machen, zum Beispiel „Was wir wissen und was nicht“. Wir räumen Lesern, auch kritischen, mehr Platz als je zuvor ein. Und wir müssen die Leute teilhaben lassen an unseren Entschei-dungsprozessen. Vielleicht hätten wir im Netz schneller erfahren können, was in der Silves-ternacht passiert ist. Dann wären wir auf die Polizei-Informationen nicht angewiesen ge-wesen. Die aktuelle Vertrauenskrise kann auch gut für den Journalismus sein. Wenn wir jetzt gute Arbeit leisten und transparent be-richten, können wir viel Glaubwürdigkeit gewinnen.

Uwe Vetterick, „Sächsische Zeitung“ Pegida hat uns erst kalt getroffen. Dann haben wir unsere Haltung dazu besprochen: „Wir wollen das Beste für die Region und deren Menschen.“ Und das Beste für die Region ist, dass Pegida verschwindet. Daraus haben wir drei Regeln abgeleitet: 1. Eine klare Linie gegen Pegida-

Macher. 2. Differenzierter Umgang mit Mit-läufern. Die wollen, dass ihre Sorgen gehört werden. Wir lassen sie zum Beispiel auf Le-serbriefseiten zu Wort kommen, solange sie nicht hetzen. 3. Immer wieder die Frage stel-len: Müssen wir etwas gegen die Umstände unternehmen, die Pegida hervorgebracht haben? Und ob es besser wäre, die Nationa-lität von Straftätern immer zu nennen? Wenn wir nicht sagen, dass es z. B. ein 54-jähriger Dresdener war, setzen wir alle Flüchtlinge unter Generalverdacht.

Hans Leyendecker, „Süddeutsche Zeitung“Dass Journalisten Fehler ma-chen, ist so. Dass Journalisten manchmal auch an Vertuschung beteiligt sind, zeigt das Beispiel Irak-Krieg. Da war eine Lügenmaschinerie aufgebaut worden im Weißen Haus, und Journalisten haben mitgemacht. Es gibt manchmal so Beschimpfungen, dass man auf einmal 150 Mails bekommt, die alle ähnlich lauten. Dann

lese ich die erste und lösche alle anderen. Aber wenn Leute Ernsthaftes meinen, versuche ich zu antworten, meine Arbeit zu erklären – auch die Fehlerhaftigkeit, die dabei sein kann. Ob ich Fehler zu bereuen habe? Sicher, da habe ich mit mehreren Fällen aufzuwarten. Der gravierendste ist sicherlich Bad Kleinen vor 23 Jahren. Das war eine Katastrophe, die ich damals angerichtet habe. Damit lebe ich heu-te noch. Dafür gesorgt zu haben, dass Leute ihren Job verloren haben, und es im Nach-hinein nicht mehr richtig zu finden, dass manches auch überzogen, zugespitzt war, um Aufmerksamkeit zu haben. Das nächste Mal es besser machen ist immer der richtige Reflex. Es gibt wunderbare Aufsätze darüber, dass es auch gefährlich sein kann, wenn man sich an alles erinnert. Vergessen können ist schon eine Stärke, aber das Vergessen der großen Fehler ist es nicht. Die Erinnerung daran muss bleiben, damit man auch anderen erklären kann, was einem da passiert ist, insbesonde-re jungen Leuten – mit der Botschaft: Macht das nicht so.

ist mit einer Schwarzafrikanerin verheiratet und weit davon entfernt, der AfD nahe zu sein oder unter Rassismusverdacht zu stehen. Er wollte nur auf eine Diskrepanz hinweisen.

Kennen Sie das selbst, eine Schere im Kopf?Nicht aus politischen Gründen. Es gibt mittler-weile eine Vorsicht mit allen Informationen rund um die Flüchtlingskrise – aber aus anderem Grund. Ein Beispiel: Im Oktober 2015 bekam ich für unsere Videoplattform dbate den Hinweis, dass auf dem Fluchtweg aus Ungarn in Deutschland ein kleiner Junge bei einem Flüchtlingstreck gestorben ist. Das wäre eine brisante Information gewesen, weil sie gezeigt hätte, dass deutsche Behörden die Sicherheit von Flüchtlingen nicht sicherstellen können. Die Information bekamen wir indirekt von Flüchtlingen – aber als wir das gegenrecher-chierten, stellte sich heraus: Offenkundig stimmt das nicht. Deshalb rate ich zur Vorsicht vor einem vorschnellen Veröffentlichen von Informationen.

STEPHAN LAMBY

„Es ist unsere Aufgabe, ein Bild zu filtern“

Stephan Lamby, Dokumentarfilmer, Chef von Eco Media und dbate.

Was tun Sie persönlich gegen den Vorwurf des Verschweigens?Ich recherchiere. Ganz einfach. Ich mache Fernsehdokumentationen, an denen ich teilweise Jahre arbeite, möglichst in Vor-Ort-Recherche. Wir schicken Autoren durch die Welt, die für die klassischen Fernsehdokumen-tationen mit Leuten vor Ort reden und sich ein eigenes Bild machen. Ich wüsste nicht, wie man es anders hinkriegt. Es ist die Aufgabe von uns Journalisten, vor Ort zu sein und ein Bild, das man dann findet, zu filtern und wiederzugeben.

Wurde Ihnen schon mal vorgeworfen, etwas zu verschweigen?Mir persönlich Gott sei Dank noch nicht. Aber kürzlich rief mich ein befreundeter Arzt an, der seit Monaten in einer Flüchtlingsunterkunft arbeitet. Er sagte mir, die Zustände seien so katastrophal und die Probleme mit Flüchtlin-gen so groß, dass er das nicht in Einklang bringen könne mit dem Bild, das ihm von etablierten Medien vermittelt wird. Dieser Arzt

Sollte man alles berichten, was man weiß, auch die Nationalität von Tätern?Ich sehe keinen Grund, warum man das nicht tun sollte. Wenn es relevant ist und es einen politisch-kulturellen Grund gibt.

Ist es in Bezug auf Köln relevant?Ja. Ich komme aus dem Rheinland und kenne die Gebräuche im Karneval, den Missbrauch von Alkohol. Aber wenn so etwas in einer Nacht, an einem Ort ein paar hundert Mal passiert, von einer Tätergruppe mit einem ethnischen Hintergrund, ist das berichtens-wert.

Konnten Medien das gleich absehen?Nein. Nur diejenigen, die Reporter vor Ort hatten. Die anderen waren angewiesen auf die Pressemitteilung der Polizei. Und das ist die erste Schlussfolgerung: Dass man den Pressemitteilungen von Behörden misstrauen sollte. Es war ja offensichtlich, dass sie falsch informiert haben. Die Kollegen vom „Stadt-Anzeiger“ haben am 1. Januar nachmittags schon Hinweise veröffentlicht – da hat sich die Polizei noch an ihre Pressemitteilung geklam-mert. Es hat Tage gedauert, bis sie ein einigermaßen korrektes Bild wiedergegeben haben. Interview: Jens Twiehaus

„Es ist schon mal gut, sich über-haupt zu fragen, ob man eine Schere im Kopf hat.“ Jana Wuttke, DRadio Kultur

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Raum für Reflexionen

Medien. Dialog

TEXT: CANAN TOPÇU

Die Zeit ist reif für den frisch formierten nationalen „Runden Tisch für interkulturellen Journalismus“. Er will Diskussionen über das Selbstverständnis von Medienmachern in der Einwanderungs-gesellschaft fördern. Canan Topçu über die Motivation und die Ziele.

Pinar Atalay, Dunja Hayali, Mitri Sirin, Aiman Abdallah und viele andere Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund sind heute auf den Fernseh bildschirmen präsent und sogar zu Stars avanciert. Es wirkt so selbstverständlich. Aber es war ein langer Weg bis dahin.

Als ich vor 17 Jahren bei der „Frankfurter Rundschau“ zu arbeiten begann, war ich meinen Recherchen nach die erste türkisch-stämmige Redakteurin bei einer überregi-onalen Tageszeitung. Auch beim Fernsehen und Radio war der Anteil von Journalisten mit sogenanntem Migrationshintergrund noch minimal.

Dass wir Zugewanderten um die Jahrtau-sendwende herum in deutschen Medien kaum vorkamen als Teil der bundesrepu-blikanischen Gesellschaft – weder in der Berichterstattung noch in fiktiven Forma-ten –, hat mich damals geärgert. Auf diesen blinden Fleck deutscher Medien machten medienpolitisch engagierte Journalisten wie ich und auch Politiker wie Cem Özde-mir immer wieder aufmerksam. Mit Kon-ferenzen, Tagungen und Seminaren.

Mit der Parole „Mehr Farbe in die Medien“ warben wir für mehr Mitarbeiter mit Mi-grationshintergrund und für eine breit gefächerte Berichterstattung, weil wir der Ansicht waren, dass die Medien nicht die multi-ethnische und multi-religiöse Wirk-lichkeit Deutschlands widerspiegelten.

Früchte des Engagements Das Engagement begann, wenn auch lang-sam, Früchte zu tragen. So widmete der Nationale Integrationsplan der Bundesregie-rung den Medien sogar ein eigenes Kapitel. Die 2006 vom damaligen Innenminister

nicht ganz abwegig. Türkischsprachige Medien hatten nämlich mal eine große Be-deutung in Deutschland. Sie verstanden sich als Sprachrohr und als Advokat türki-scher Arbeitsmigranten und ihrer Familien. Sie kritisierten die „Ausländerpolitik“ der Bundesregierung und die deutschen Medi-en wegen ihrer „negativen“ Berichterstat-tung über die türkische Community. Sie prangerten auch Politiker und Prominente an, wenn diese sich kritisch über die Türkei und türkische Migranten äußerten.

Dass sich ab Ende der 1960er-Jahre Re-daktionen von türkischen Tageszeitungen und später auch Fernsehsendern gerade südlich von Frankfurt ansiedelten, war kein Zufall. Um den Gastarbeitern muttersprach-liche Zeitungen und somit Nachrichten aus der Heimat zu liefern, richteten Blätter wie „Hürriyet“ und „Milliyet“ in Flughafennä-he Redaktionen ein und eröffneten dort auch Druckereien, wo aus den täglich aus der Türkei eingeflogenen Druckerplatten die Zeitung hergestellt wurde. Es war die Konzentration der türkischen Presse im Frankfurter Raum, die Erhard Brunn auf

Wolfgang Schäuble initiierte Deutsche Islam-konferenz hatte eine Arbeitsgruppe zu Me-dien. Schließlich schlossen sich Journalisten mit „Migrationshintergrund“ 2007 in einem Netzwerk zusammen und nannten sich „Neue deutsche Medienmacher“ (NDM).

Daraus ist inzwischen ein Verein mit mehr als 160 Mitgliedern und über 350 Netzwerk-vertretern geworden. Wir sind ein Zusam-menschluss von Medienmachern mit un-terschiedlichen kulturellen und sprachlichen Wurzeln und setzen uns für mehr Vielfalt in den Medien ein. Wir regen zum Nach-denken und Handeln an – in kleinen und privaten wie auch großen Runden und öf-fentlichen Diskussionen.

Und im vorigen Herbst hat sich das Rhein-Main-Netzwerk der NDM (dessen Koordi-natoren Carmen Colinas und ich sind) dem Trägerkreis „Runder Tisch interkultureller Journalismus“ angeschlossen.

Hervorgegangen ist dieser Journalisten-Stammtisch wiederum aus einem anderen „Runden Tisch“, den der Journalist und Medienberater Erhard Brunn (siehe Info-kasten) bereits im Herbst 2007 gründete, und zwar speziell für türkische und deut-sche Journalisten.

Die erste Sitzung fand in den Räumen der „Frankfurter Rundschau“ statt, bei der ich damals als Redakteurin arbeitete. Ich war ehrlich gesagt skeptisch: Warum war der Kreis der Teilnehmer auf Mitarbeiter deut- scher und türkischer Medien beschränkt? Als eine Journalistin, die sich seit vielen Jahren dafür engagierte, dass sich deutsche Medienhäuser inhaltlich und personell öff-nen, schwebte mir ein Diskussionsforum von Journalisten aller Couleur vor.

Die Idee von Erhard Brunn fand ich aber

Mehr Farbe in die Medien wollen die „Neuen deutschen Medienmacher“ bringen. Der Verein engagiert sich nicht nur in Veranstaltungen, sondern bietet auch praxisnahe Informationen für Kollegen, zum Beispiel ein kostenloses Glossar zu Formulierungshilfen für die Berichterstattung. Info: www.neuemedienmacher.de/

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die Idee gebracht hatte, regelmäßige Tref-fen zwischen türkischen und deutschen Journalisten zu initiieren, um den inter-kulturellen Dialog zu fördern. Der Aus-tausch unter Kollegen sollte zum besseren Verständnis und entsprechender Bericht-erstattung beitragen.

Und ja, es gab viele gute Begegnungen. So manch ein deutscher Kollege, der über The-men rund um Islam, Muslime, Migration und Integration berichtete, lernte Journa-listen mit eben diesem Hintergrund kennen und konnte bei Recherchen auf die Exper-tise und das Netzwerk zurückgreifen.

Meine Erfahrung mit Kollegen in den Re-daktionen deutscher Medien ist, dass man-che aus Unwissenheit, andere aber aus zynischem Kalkül einen negativen Ton anschlagen in der Berichterstattung über „Ausländer“. Der Runde Tisch deutsch-türkischer Journalisten trug dazu bei, sei-ne eigenen Standpunkte zu überprüfen und sie der Diskussion auszusetzen.

Nur haben sich inzwischen die Rahmen-bedingungen geändert. Es gibt kaum mehr türkischsprachige Medienhäuser im Rhein-Main-Gebiet. Sie konnten nicht mithalten mit der Konkurrenz – Internet und mut-tersprachliche Fernsehprogramme via Sa-tellit – und sind entweder ganz aufgelöst worden oder zu Redaktionen mit minima-ler Personalbesetzung geschrumpft. Nach acht Jahren, in denen es 37 Treffen und zwei Reisen in die Türkei gab, hat sich dann auch Brunns „Runder Tisch“ aufgelöst – und sogleich neu ausgerichtet.

Und heute?In Kooperation mit den NDM und unter dem neuen Namen „Runder Tisch inter-kultureller Journalismus“ setzen wir nun diese Treffen fort. Die Quandt-Stiftung ist zwar als Förderer ausgestiegen. An Bord sind aber nach wie vor die beiden Kirchen: mit Volker Rahn als Vertreter der Evange-lischen Kirche Hessen-Nassau und mit Jo-achim Valentin als Vertreter des Bistums Limburg, die unser Projekt weiterhin fi-nanziell fördern.

So konnten wir seit dem vorigen Dezem-ber bereits hochrangige Gäste und Referen-ten nach Frankfurt einladen wie den Me-dienethiker Christian Schicha (er hielt ein Input-Referat über die Berichterstattung deutscher Medien zu Flüchtlingen) und Aydan Özoguz, die Beauftragte der Bun-

INFO

Erhard Brunn

Der Gründer des „Runden Tischs“ zur interkulturellen Journalisten-Kommunikation:

Flucht, Vertreibung und das Sich-Einleben in einem fremden Land: Erhard Brunn hat es zwar nicht selbst erlebt, aber die Erfahrungen seiner Eltern haben sein Leben geprägt. Als Kind von Flüchtlingen aus Westpreußen kam er 1956 in Schwerin zur Welt. Ein Jahr nach seiner Geburt starb sein Vater, 1959 floh die Mutter mit ihm in den Westen. Rückblickend bringt er sein berufli-ches Engagement mit seiner Biografie in Verbindung. Nach dem Geschichtsstudium arbeitete Brunn auch als Journalist, lebte eine Zeitlang in Afrika und war in Uganda und Niger in der Entwicklungshilfe tätig. Nach Deutschland kehrte er 2005 zurück und machte sich als Berater für interkulturelle Kooperationen in Frankfurt am Main selbstständig.

Dort initiierte er 2007 den Runden Tisch deutscher und türkischer Journalisten im Rhein-Main-Gebiet. Brunn koordiniert auch die Treffen des neu formierten „Runden Tischs“. Die Einbeziehung gerade von syrischen Medienschaffenden in diesen Dialog hält er für sehr wichtig, weil sie zwischen den Flüchtlingscommunitys und den deutschen Institutionen vermitteln können.

Geplant ist auch eine Kooperation mit dem Flüchtlingsmagazin „Abwab“, das der Syrer Ramy Al-Asheq von Köln aus leitet und das, nebenbei, auf Initiative eines Verlags aus Offenbach bei Frankfurt gegründet wurde.

Seine Kooperationspartner schätzen an ihm „die Hartnäckigkeit und die Fähigkeit, unterschiedliche Menschen zusammenzu-bringen“. Das macht Brunn übrigens auch anlässlich seines 60. Geburtstags am 6. März auf einem Fest in Frankfurt, zu dem er alle seine Kooperationspartner eingeladen hat.Kontakt: [email protected]

desregierung für Integration, Migration und Flüchtlinge, die sich den Teilnehmern des „Runden Tischs“ für ein Hintergrund-gespräch und auch für Einzelinterviews zur Verfügung stellte.

Und es gibt Überlegungen, Medienschaf-fende, die aus Syrien und anderen Ländern nach Deutschland flüchteten, in den Me-diendialog einzubeziehen. Am „Runden Tisch“ in der Berliner Charité Anfang März nehmen bereits einige syrische Journalisten teil.

Bei all unserem Tun steht der kollegiale Austausch im Vordergrund. Es geht uns um die Reflexion der eigenen Arbeit im ge-schützten Raum, um Diskussionen über die Frage, was guten und was schlechten Jour-nalismus ausmacht, wo die Grenzen zu setzen sind bei der Berichterstattung und worin wir Journalisten – mit und ohne Mi-grationshintergrund – unsere Aufgabe se-hen.

Rückfälle Ja, es hat sich in den vergangenen zehn, 15 Jahren einiges zum Positiven verändert. Uns Medienmacher mit Migrationshintergrund gibt es inzwischen in etlichen Redaktionen. Auch die Berichterstattung ist vielfältiger und differenzierter geworden.

Trotzdem, es gibt leider immer wieder Rückfälle und Ausreißer. So beobachten wir mit Sorge, dass die Berichterstattung über Deutsche mit Migrationshintergrund, über Ausländer und über Flüchtlinge immer wieder alles andere als ausgewogen ist.

Wir plädieren für mehr Differenzierung, aber auch dafür, den Pressekodex einzu-halten und die Herkunft von Tätern nicht zu nennen, wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zu der Tat gibt. Andernfalls trägt es dazu bei, Vorurteile gegen Minder-heiten zu stärken.

Es gibt also noch viel zu tun für den „Run-den Tisch“.

Gäste und neue Mitglieder sind willkom-men!

CANAN TOPÇUist freie Journalistin in Hanau, Mitbegründerin der „Neuen deutschen Medienmacher“ und engagiert sich im Netzwerk „Runder Tisch für interkulturellen Journalismus“. E-Mail: c.topcu@ schreibenundsprechen.eu

„Wir plädieren dafür, die Herkunft von Tätern nicht zu nennen, wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zu der Tat gibt. Das schürt Vorurteile gegen Minderheiten.“ Canan Topçu

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TEXT: KATY WALTHER

Special. Weiterbildung

Einige Beispiele für Praxiskonzepte im Re-gionalen:

„Rheinische Post“ : Neben Inhouse-Schulun-gen können die Redakteure in der „Lernzeit“ Moderations- und Kameratrainings im haus-eigenen TV-Studio belegen. „In Kooperation mit Fachhochschulen arbeiten wir gerade an einem neuen Modul für einfache webbasier-te Programmiertätigkeiten“, sagt Chefredak-teur Michael Bröcker. Die RP schickt auch regelmäßig Mitarbeiter zu großen Digital-Konferenzen und Workshops von Journalis-tenvereinigungen. Die Ergebnisse werden im Anschluss der Redaktion vorgestellt. Und: „Mit Partnern wie dem Recherchebüro Cor-rectiv arbeiten wir an speziellen journalisti-schen Weiterbildungsprojekten.“

„Heilbronner Stimme“: Das Budget für Fort-bildungen ist für das laufende Jahr deutlich aufgestockt worden, um das Projekt „Heil-bronner Weg – Zukunft Print und digitale Offensive“ voranzutreiben, erklärt Chefre-dakteur Uwe Heer: „Zudem stärken wir die Segmente Recherche und Themenjournalis-mus, die bei unserer Weiterentwicklung zur magazinigen Tageszeitung mit exklusiven und erklärenden Inhalten von Bedeutung sind.“

„Mannheimer Morgen“: Netz-Recherche, Leser-Kommunikation, Umgang mit Social Media, Foto- und Grafikkompetenz, ressort-übergreifendes Arbeiten gehören zu den Punkten auf der MM-Agenda. Letzeres wird auch pragmatisch intern trainiert, „indem alle Redakteure für drei Tage neue Aufgaben übernommen haben“, sagt Chefredakteur Dirk Lübke, „z. B. der Politredakteur im Sport, der Blattmacher als Wirtschaftsreporter, der Chefredakteur in der Kultur, der Lokalredak-teur in der Politik und die Newsroom-Chefin in den Stadtteilen“.

„Neue Osnabrücker Zeitung“: Die NOZ hat ein eigenes Weiterbildungskonzept konzipiert, das in Redaktionskonferenzen und internen Mails kommuniziert wurde, berichtet Chef-redakteur Ralf Geisenhanslüke. 2015 fanden z. B. drei halbtägige Workshops zur Schulung der digitalen Kompetenzen jeweils in 12er-Gruppen statt – verpflichtend für alle Mitar-beiter. Generell gilt für die Weiterbildung in Osnabrück die Marschroute: Orientierung an den journalistischen Qualitätsmerkmalen und zugleich ein Bewusstsein für „die unterschied-

Ein einfaches „Weiter so“ ist längst passé: Nie war journalistische Weiterbildung wichtiger als heute. Wie Medienunternehmen und Ausbilder diese Aufgabe angehen.

Norbert Linke kommt schnell auf den Punkt der Problembeschreibung: „Social Media in allen seinen Verästelungen, Musik-Streaming und Connected-Car-Applikationen setzen das Radio mächtig unter Druck, es muss sich laufend neu erfinden.“ Das gilt längst nicht mehr nur fürs Radio.

Fragen, die sich der Leiter der FFH Academy in Bad Vilbel stellt, treiben alle Medienmacher um: Wie können (oder müssen) wir Snapchat und WhatsApp nutzen, die neuartige Chancen bieten, das Publikum zu erreichen? Wie Apps wie Periscope und Meerkat, die Livebilder von aktuellen Schauplätzen ermöglichen?

Mit theoretischen Antworten auf das Wie ist es da nicht getan. Die journalistische Wei-terbildung gerade in digitalen Kompetenzen erhält umso größere Bedeutung, je rasanter sich das Mediennutzungsverhalten verändert (siehe Umfrage Seite 64).

Doch welche Weiterbildung taugt und wel-che nicht? „Organisierte Unverantwortlich-keit“ nennt Stephan Russ-Mohl, Gründer des European Journalism-Observatory, weite Teile der Journalistenausbildung. „Journalis-ten-Rausbilder“ schimpft Dozent Christian Jakubetz auf Trainer, die weniger digitales Know-how hätten als ihre Schüler.

Auch Stephan Weichert, Professor an der Hamburg Media School, sieht Handlungsbe-darf: Vielen Aus- und Weiterbildungsange-boten mangele an Mitteln und Kompetenzen, um der digitalen Umwälzung des Metiers gerecht zu werden. Es brauche bewegliche, interdisziplinäre Angebote, um den digitalen Wandel auch in die journalistische Praxis zu transportieren.

Deshalb hat er an der Hamburg Media School (HMS) im Juni 2015 die „Digital Journalism Initiative“ gestartet. Sie will Medienunter-nehmen auf die Notwendigkeit zur digitalen Weiterbildung aufmerksam machen, indem sie, auch via Stipendien, den Wissenstransfer

LERNSTOFFvorantreiben will. Diverse Hamburger Me-dienunternehmen haben sich der Initiative bereits angeschlossen. Wenn es nach Weichert geht, sollen auch noch andere Hochschulen, Schulen und Ausbilder dazukommen.

Handlungsbedarf sehen auch Mitglieder des Netzwerks der Journalistenschulen und -aka-demien in Deutschland, die Mitte Februar im Institut zur Förderung publizistischen Nach-wuchses (ifp) München über eine Selbstver-pflichtung für Qualitätsjournalismus berieten. Sie soll Anfang Juli bei der nr-Jahreskonferenz in Hamburg präsentiert werden. Moderiert wurde die Tagung im ifp von Annette Hille-brand, die sich selbst seit Jahren für Weiter-bildungskonzepte starkmacht und mit Re-daktionsberater Christian Sauer auf die Notwendigkeit auch personeller „Unterfüt-terung“ dieser Maßnahmen hinweist (siehe Seite 62).

Als Positiv-Beispiele nennt sie zum Beispiel die „Rhein-Zeitung“ oder die „Main-Post“. Und den „Standard“ in Wien, der eine redak-tionelle Stelle für „Personalentwicklung und interne Kommunikation“ eingerichtet hat, um das Thema Weiterbildung aktiv voranzutreiben. „Wo es solche Strukturen nicht gibt, wird Wei-terbildung eher planlos gehandhabt“, meint Hillebrand. „Es sei denn, Chefredakteure und Verleger finden das Thema so wichtig, dass sie es zur Chefsache erklären und forcieren.“

Und was ist den Praktikern wichtig? Eine nicht repräsentative, aber aussagekräftige „medium magazin“-Umfrage zeigt vier we-sentliche Trends in der Weiterbildung:

1. Inhouse-Schulungen vor externen Semi-naren.

2. Wissenstransfer innerhalb der Redaktio-nen über spezialisiert fortgebildete Trainer „aus den eigenen Reihen“.

3. Führungskräftetrainings (in allen befrag-ten Häusern).

4. Digitale Kompetenz-Schulungen überall. FOTO

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#1lichen qualitativen Standards der verschie-denen Medien wie Website, Newsapp oder Printartikel“ zu fördern.

Deutsche Presse-Agentur (dpa): „Unabhängig, zuverlässig, schnell“ nennt Roland Freund, Mitglied der dpa-Chefredaktion, als die grund-sätzlichen Ziele seiner Agentur, an denen sich auch die Weiterbildung ausrichtet. Die wich-tigsten Weiterbildungsinhalte charakterisiert der 47-Jährige so: „Multimediales Arbeiten und Social Media – kein Thema ist heute mehr eindimensional. Teamwork – niemand erzählt eine Geschichte heute mehr allein. Change Management – wir sind eine Redaktion zwi-schen zuverlässiger Routine und inhaltlicher Revolution. Die dpa hat sich in den vergange-nen Jahren mehr verändert als jemals in den sechs Jahrzehnten zuvor. Und das geht in die-sem Tempo weiter. Eine große Herausforderung für Coaching und Change Management.“ Die dpa hat für Letzteres eine eigene Stelle einge-richtet. Dort kümmert sich Susanne Goldstein auch um das Weiterbildungsangebot.

Deutscher Fachverlag (dfv): „Die Zukunft meistern – und zwar auf allen Kanälen“, nennt Holger Wirsch, Bereichsleiter Personal und Verwaltung, das Weiterbildungsmotto des Hauses: „Dafür bieten wir spezielle Trainings für alle Leistungsstufen an.“ Und für alle Hierarchiestufen.

Das Problem bei Weiterbildungen ist aller-dings oft die Nachhaltigkeit der Schulungen. „Jeder kennt den Strohfeuereffekt von Se-minaren: Man geht hoch motiviert und vol-ler Tatendrang nach Hause. Routine und Zeitdruck machen am nächsten Morgen aber alles wieder zunichte“, spricht Norbert Lin-ke aus, was alle kennen. Seine FFH Acade-my – ein Unternehmen der News-n-Cast Radioberatung Norbert Linke in Zusammen-arbeit mit Radio/Tele FFH – bietet daher, „wann immer möglich“, Follow-ups zu ih-ren Seminaren an, die gut angenommen werden. „Oft kommt der Wunsch von den Teilnehmern selbst, denn wenn eine Gruppe harmoniert, will sie natürlich gemeinsam am Thema dranbleiben.“

Ein Beispiel: Aus einem Einzelangebot zur Regionalisierung im Radio 2013 hat sich ein Jour fixe entwickelt („Regio-Radio-Workshop NRW“), das Angebot geht dieses Jahr schon in die siebente „Verlängerung“. „Die Teilneh-mer treffen sich zweimal im Jahr, um Pro-

grammaktionen und -strategien auszubrüten. So geht Nachhaltigkeit!“, sagt Norbert Linke.

Die hat sich auch die ARD.ZDF Medienaka-demie als Fortbildungseinrichtung für Mitar-beiter des Rundfunks auf die Fahnen geschrie-ben und dafür ein eigenes Tool entwickelt: das Angebot „Seminar Plus“. Dafür verabreden die Trainer mit Seminarteilnehmern einen in der Regel zweistündigen Zusatztermin im ge-wissen zeitlichen Abstand zur Veranstaltung. Hier können Fragen gestellt werden, die sich z. B. bei der praktischen Umsetzung der Se-minarinhalte ergeben haben, aber auch Pro-jekte, neue Ideen und Arbeitsaufgaben dis kutiert werden. „Die Nachfrage ist unter-schiedlich“, berichtet Tobias Geißner, Leiter des Fachgebiets Programm-Marken und -Mar-keting. „Nicht immer erlaubt es die Zeit der Teilnehmenden, die spätere Check-up-Ses sion wahrzunehmen. Insgesamt kann man die Akzeptanz als befriedigend bezeichnen.“

Mit staatlicher Förderung Der journalistischen Weiterbildung angenom-men hat sich nun auch die neue LfM-Stiftung Vielfalt und Partizipation. Im Januar 2015 beschloss die Medienkommission der Lan-desanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) ein Förderprogramm von insgesamt rund 195.000 Euro für sieben Weiterbildungs-anbieter aus NRW. Ein Jahr später steht fest, wer die Fördermittel erhält: das Journalisten-zentrum Haus Busch (Hagen); Business Aca-demy Ruhr (Dortmund); Medienakademie Ruhr (Essen); Studio 47 (Duisburg); die Jour-nalistenbüros Michael Voregger (Gelsenkir-chen) und Medienhaus Kai Rüsberg (Bochum); TOP:Talente (Hennef) sowie die RTL Journa-listenschule für TV und Multimedia (Köln). „Die geförderten Maßnahmen werden im Laufe des Jahres und nach Abschluss von uns geprüft und gemeinsam mit den Anbietern evaluiert, mit dem Ziel, gemeinsam neue Im-pulse zu setzen und Erkenntnisse für die wei-tere Förderung der Aus- und Weiterbildung von Journalisten in NRW herauszuarbeiten“, kündigt Projektleiterin Simone Jost-Westen-dorf an.

Die Frage allerdings bleibt hier wie dort, was von all den Angeboten in der Praxis tatsäch-lich weiter wirkt.

„Wir müssen uns laufend neu erfinden.“

Norbert Linke, FFH Academy

KATY WALTHERist Mitglied der „medium magazin“- Redaktion und freie Journalistin in Frankfurt. [email protected]

Michael Bröcker, „Rheinische Post“: „Wir arbeiten an einem Modul für einfache webbasierte Programmiertätigkeiten.“

Uwe Heer, „Heilbronner Stimme“: „Wir stärken Recherche und Themenjournalis-mus.“

Dirk Lübke, „Mannheimer Morgen“: „Netz-Recherche, Leser-Kommunikation, Social Media, ressortüber-greifendes Arbeiten stehen auf unserer Agenda.“

Ralf Geisenhanslüke, „Neue Osnabrücker Zeitung“: „Workshops zur Schulung digitaler Kompetenzen waren für die Mitarbeiter verpflich-tend.“

Roland Freund, Deutsche Presse-Agentur: „Wir schulen multimedia-les Arbeiten und Social Media, Teamwork und Change Management.“

Holger Wirsch, Deutscher Fachverlag: „Wir wollen durch Weiterbildung die Zukunft meistern – auf allen Kanälen.“

Tobias Geißner, ARD.ZDF Medienakademie: „Unsere Check-up-Sessi-on wird unterschiedlich gut genutzt.“

Simone Jost-Westendorf, LfM-Stiftung Vielfalt und Partizipation: „Wir fördern neue Impulse für die Aus- und Weiterbildung in NRW.“

CHEFSACHE

Weiterbildung

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1MEDIUM MAGAZIN

WIE TEXTE WIRKENJournalistenWerkstatt

Wie Textewirken

magazin für journalisten Der Österreichische Schweizer

Fakten, Fakten, Fakten?Die fünf Säulen eines TextsDer Weg zum perfekten TextExemplarische TextanalyseTexte für den ComputerTexte vom ComputerLohnende Lektüre

3-56-78-9

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INHALT

Besser schreiben

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MEDIUM MAGAZIN #03/201674

Wo tut sich was in den Medien, wo werden freie Autoren gebraucht?

Kiosk

gefunden hat. Außerdem lüftete „Frei!“ das Geheimnis, aus welchen Quellen die Kanzlerin Kraft in der Krise schöpft. Butter bei die Fische gab es von Tim Mälzer. Autoren können „Frei!“ Angebote für ein breitgefä-chertes Themenspektrum machen: Gesellschaft, Promis, Reise, Mode, Beauty, Kochen und Gesundheit. Gefragt sind serviceorientierte Beiträge, die sich an der Lebenswirk-lichkeit der „Frau von heute“ orientieren. „Frei!“ pflege stets eine positive Tonalität. Die Leserin soll eine „Auszeit vom Alltag“ erhalten. Honorar nach Vereinbarung.

K Gruner + Jahr, Redaktion „Frei!“, Annette Utermark

A Am Baumwall 11, 20459 Hamburg

M utermark.annette@ frei-magazin.de

Frei!

Die wöchentliche Frauenzeit-schrift „Frei!“ bietet Leserin-nen der Altersgruppe von 30 bis 60 Jahren Unterhaltung und Service. Neben Storys über Prominente, Persönlich-keiten und Normalos mit emotionalem Touch finden sich die Themen Beauty, Reisen, Kochen, Gesundheit und Partnerschaft. Dazu kommen Tipps aus den Bereichen Kino, Buch und Musik. Gruner + Jahr sieht „Frei!“ in einer Marktlücke am Kiosk: Der Titel sei weder eine klassische Yellow-Zeit-schrift noch ein klassisches People-Magazin. In der Premierenausgabe erzählte Maria Furtwängler, was Glück für sie bedeutet und wie sie es

Psychologie

Seit mehr als 30 Jahren erscheint „Psychologie“ in den Niederlanden und verkauft dort 84.000 Hefte. Ab April bringt Inspiring Network („Emotion“, „Hohe Luft“) den Titel in einer Kooperation mit dem niederländischen Verlag in Deutschland auf den Markt. „Happinez“, ebenfalls im Portfolio von Weekbladpers Media, erscheint seit 2010 als Lizenzausgabe bei Bauer. Im populärwissenschaftlichen Segment angesiedelt, geht es in „Psychologie“ um ein weites Themenspektrum, von Persönlichkeitsentwicklung über Beziehungen bis zu Gehirntraining. Der vollständi-ge Titel „Psychologie bringt Dich weiter“ gibt die Richtung vor. Das Magazin möchte einer weiblichen Leserschaft der Altersgruppe 25 bis 49 Jahre anspruchsvolle Texte mit praxisnahen Ratschlägen bieten. Der Verlag hält die Fahne des Qualitätsjournalis-mus hoch und sieht noch Platz für neue Printprodukte. „Psychologie“ wird auch Beiträge aus der niederländi-schen Ausgabe ins Heft einbinden. Die Redaktion freut sich über Angebote freier Autorinnen und Autoren, die über ein sehr gutes psychologi-sches Fachwissen verfügen. Honorar nach Vereinbarung.

K Inspiring Network, Redaktionsleiterin Christine

RitzenhoffA Hoheluftchaussee 95, 20253 HamburgM c.ritzenhoff@

inspiring-network.com

Besser Leben

Nach erfolgreichem Start im vergangenen Jahr erscheint „Besser Leben – Das Gesund-Magazin von ,Bild‘“, auch 2016 mit zwei Ausgaben (das Herbst-Heft im Oktober). Zielgruppe ist eine gesundheits-interessierte und körperbe-wusste Leserschaft im Alter von 30 bis 60 Jahren. Der Gesund-heitsmix besteht aus Reportagen und Ratgeber- und Info-Stücken zu den Themen Medizin, Psychologie, Ernährung, Fitness und Sport. Die Redaktion zieht hierfür Experten zurate, auch mal einen Nicht-Mediziner: Ein Bischof äußert sich zum Umgang mit Angst. Außerdem erzählt eine 28-jährige Brust-krebspatientin, wie sie zum Kampfsport fand. Redaktions-leiterin Ulrike Zeitlinger, Stellvertreterin der „Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch, arbeitet mit einem Team aus festen und freien Mitarbeitern zusammen, die auch für die Boulevardzeitung schreiben. Interessante Themenvorschläge nimmt die Redaktion aber jeder-zeit gerne entgegen. Gefragt sind echte Fall-Geschichten rund um Gesundheit unter Hinzuziehung von Experten. Ein Beitrag für „Besser Leben“ soll unterhaltsam und zugleich tiefgründig-informativ sein. Je nach Rechercheaufwand 350 bis 500 Euro pro Seite Text.

K Axel Springer Verlag, Redaktion „Besser Leben“, Redaktionsleiterin Ulrike Zeitlinger

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Page 16: mediummagazin.de DIE SCHWARZ- WEISS-wir wissen, was ist. Mein Gedanke, wenn ich diesen Preis nach Hause nehme, ist: Du sagst jetzt, was ist, und zwar, wie du es empfindest. Und du

90 MEDIUM MAGAZIN #03/2016

Terminal. Fragebogen

Warum sind Sie Journalistin geworden?

Ich wollte einen Beruf, der sich für mich nie wie Arbeit anfühlen sollte – und das hat auch geklappt.

Wie kamen Sie an Ihren ersten Beitrag, und was war das Thema?

Ob es der erste war, weiß ich nicht. Aber einer der ersten, an den ich mich erinnere, war während eines Zeitungsprak-tikums, als ich Schummeleien von Berliner Kohlenhändlern nachgegangen bin. Die Briketts waren zu klein!

Ihre Vorbilder im Journalis-mus?

Es gibt kein Idol, dem ich nacheifere. Aber mich beeindrucken immer noch alle, die mit Empathie und scharfem Verstand unterwegs sind, bereit, sich nicht mit erstbesten Antworten abspeisen zu lassen. Dazu gehören Zeitungsreporter wie Kisch-Preisträger Stefan Klein, aber natürlich auch Antonia Rados. Und Heiner Bremer – auch, weil er immer Zeit hat für eine Runde Reden auf dem Flur.

Ein Journalist ist ein guter Journalist, wenn er/sie …?

… die Geschichten erkennt, die in der Luft liegen, hartnä-ckig, unerschrocken und genau recherchiert, sich nicht von Stichwortgebern benut-zen und Strippenziehern einseifen lässt und eigene Ideen entwickelt, den Ärger der Mächtigen aushält.

Charakterisieren Sie bitte die Herausforderung des Journa-lismus als Tweet in 140 Zeichen.

Zusammenhänge erklären, Einordnungen liefern, Handlungsoptionen darstel-len – und das alles möglichst spannend, klar und ja, auch unterhaltsam.

Wie wichtig ist Klatsch?Wo Menschen sind, gibt es

immer Klatsch – und manch-mal ist sogar was dran. Aber eben nur manchmal. Deswegen siehe Antwort zu vierter Frage!

Wo haben es Frauen im Journalismus schwerer und was sollte man dagegen tun?

Immer noch dort, wo die Luft dünner wird – also oben, in den Führungspositionen. Aber es wird besser.

Was sind Ihre persönlichen Stärken und Schwächen?

Stärke? Ich glaube, ich kann Leute mitziehen, bestenfalls: begeistern. Wir haben einen tollen Beruf, wir dürfen Zeitzeugen sein. Wenn ich etwas wissen möchte, schnap-pe ich mir meinen Presseaus-weis und frage. Schwäche? Ich bin ungeduldig.

Welche sozialen Medien nutzen Sie und wofür?

WhatsApp für die schnelle Kommunikation, privat und beruflich. Und Twitter, weil man schnell scannen kann, welche Themen gerade Konjunktur haben oder bekommen, zumindest in bestimmten Zirkeln.

Mit wem würden Sie gerne mal einen Tag die Rolle tauschen?

Mit der Merkel-Vertrauten Beate Baumann. Ich hoffe, sie denkt sich jetzt nicht: Das kann sie nicht wollen. Doch! Näher dran geht wohl kaum.

Auf welchen Beitrag sind Sie besonders stolz?

Nicht auf einen, auf die vielen, in denen wir erst in Bonn, dann in Berlin die Politikberichterstattung vom Kopf auf die Füße gestellt haben. Übersetzen, erklären, weg vom Politik-Sprech und der sinnfreien Sitzungstotalen. Heute machen das nicht mehr nur wir. Das finde ich gut.

Ihre drei Lieblinge unter den Zeitungen, Sendungen und Websites?

RTL Aktuell, n-tv.de – und Peoplemagazine. In denen tauchen ja längst auch Politiker regelmäßig auf.

Sind Sie Mitglied einer Partei?Nein. Ich finde, für Journa-

listen, die über Politik berichten, gehört sich das nicht.

FOTO: GÖTZ SCHLESER

Jutta Bielig, Politik-Erklärerin von RTL

Jutta Bielig-Wonka, 56 Jahre alt, leitet seit Februar das Hauptstadtstudio von RTL. Bielig absolvierte die Deutsche Journalis-tenschule in München und zog dann nach Bonn, wo sie als freie Radioreporterin für ARD-Sender arbeitete. Seit 1992 berichtet sie für RTL, seit dem Regierungsumzug aus Berlin. Bielig reiste mit der Bundeswehr auf den Balkan und nach Afghanistan. Sie hat zwei erwachsene Kinder und ist mit Dieter Wonka verheiratet, der als Korrespondent im Büro der Madsack Mediengruppe arbeitet.

Welcher Rat und von wem hat Ihnen auf Ihrem beruflichen Weg besonders geholfen?

Routine ist durch nichts zu ersetzen, auch nicht durch Enthusiasmus. Der Satz stammt von Karl Mekiska, SZ-Legende in der Nachrichtenredaktion, der uns mit dem Gestus eines Lateinpaukers die Grammatik des Berufs eingebimst hat.

Was sollte Ihnen später einmal nachgesagt werden?

Nichts. Ich mag es nicht, wenn hinter meinem Rücken geredet wird.