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Die sieben Todsünden

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eine diplomarbeit von andreas maldei

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„Das Gewissen hindert uns nicht, Sünden zu begehen. Aber es hindert uns, sie zu genießen.“ Salvador de Madariaga

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Ja, es gibt sie noch, die Sieben Todsünden: Neid, Zorn, Trägheit, Völ-lerei, Habgier, Hochmut und Wollust. Auch heute haben sie von ihrer Grausamkeit und Aktualität nichts eingebüßt. Sie sind nach wie vor die Wurzel der menschlichen Verhaltensweisen und Sünden. Lügen, betrügen, stehlen, heucheln, intrigieren, quälen und morden stam-men von ihnen ab.

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„Was könnt ihr den Menschen predigen? Demut? Ihr seid der Stolz selbst, aufgeblasen, pompös und verschwenderisch. Armut? Ihr seid so habgierig, dass alle Reichtümer der Welt euch nicht zufrieden stellenkönnten. Keuscheit? Davon wollen wir lieber schweigen.”Papst Clemens VI 1351, an die Prälaten der Kirche

lat.: meine schuld, meine grosse schuld!

Im fünften Jahrhundert nach Chr. wurde die Idee der Sieben Todsünden geboren. Verantwortlich waren dafür christliche Nonnen und Mönche, die in ihrem klösterlichen Leben und in der Askese die menschlichen Verhaltensmuster und Schwächen entdeckten und katalogisierten. Später wurden die grossen Sieben auch auf den Gebieten der Theologie, der Biologie und Psychologie sowie der Ethik und der Gesellschaft erforscht und diskutiert. Ihr Raster ist nach wie vor aktuell und dient als Instrument zur Selbstbetrachtung und zu einer kritischen Prüfung des Zeitgeistes. In einer Welt, die sich so rasant verändert wie die unsere, lohnt es sich die Frage nach einem ethischen und moralischem Wandel zu stellen und genau zu betrachten.

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„das ist der grosse vorteil an der Marktwirtschaft: sie funktioniert mit sünde.” hans werner sinn

Die Sieben Todsünden, deren ursprüngliche Form wir der Katholischen Kirche verdanken, haben nach wie vor die Aufgabe, das Wesen der Sünde für jeden Menschen verständlich zu machen. Der Wertewan-del hat allerdings dazu geführt, dass manche dieser Sünden heute eher als banale, unangebrachte Verhaltensweisen, als Marotten und Neurosen oder sogar als zeitgemäße Strategie zur Erfolgs- und Lustmaximierung angesehen werden. In unserer sündigen Moderne ist es so, dass viele der früher als Todsünde bezeichneten Eigen-schaften, toleriert und gefördert werden. Betrachtet man hierzu einmal die Börse wird schnell klar, dass die Sieben heute hoch im Kurs stehen. So sind es gerade sündhafte Firmen und Produkte, die unsere Wirtschaft antreiben. Pornofilme und SexToys (Wollust), Fast-food-Giganten (Völlerei), Waffen (Zorn), Filme und Unterhaltungs-elektronik (Trägheit), Spielcasinos und Banken (Habsucht) und Autos sowie Edelmode (Hochmut) stehen beständig an der Spitze.

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„Der Mensch ist von Natur böse. Er tut das Gute nicht aus Neigung, sondern aus Sympathie und Ehre.”

Immanuel Kant

Auch die Wissenschaft hat einiges zur Entmystifizierung der Sün-de beigetragen. So hat zum Beispiel der Begriff der Erbsünde seine wissenschaftliche Bestätigung gefunden. Zorn, Geiz, Wollust und Völlerei werden heute als menschlicher Überlebenstrieb gedeutet. Der Neid ist ein soziales Gefühl mit durchaus positiven Eigenschaften geworden, Stolz ein sozialer Affekt. Die Grenzen zwischen Richtig und Falsch verschwimmen stetig. Zwar werden Verbrechen immer noch als Sünde angesehen, aber sind auch Sünden noch Verbrechen? Viele der einst schlimmen Fehltritte menschlichen Verhaltens wer-den heute erklärt und entschuldigt. Frühkindliche Störungen oder gesellschaftliche und genetische Faktoren werden für sündhafte Taten verantwortlich gemacht. Sie werden oberflächlich als Ver-wirrungen, Charakterschwächen oder als abweichendes Verhalten toleriert und akzeptiert. Aggressionen und Perversionen sind sogar offizielle Krankheitsbilder, die zum Beispiel mit Medikamenten oder Therapien behandelt werden können .

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Ich sprach: „Herr, sei mir gnädig, heile meine Seele; denn ich habe an dir gesündigt.”Altes Testament

Der Wandel von Sünden in Tugenden begann bereits in der Renaissance und erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt mit der Industriellen Revolution. Aus allen Sünden, mit Ausnahme der Trägheit, wurden mit Beginn der kapitalistischen Wirtschaftsordnung Tugenden, die als Motor der Ökonomie und der menschlichen Evolution betrachtet werden. Mittlerweile ist der Wandel sogar so weit vorangeschritten, dass viele Todsünden vollkommen unverständlich zu sein scheinen. Dies veranlasste die Schöpferin des Sündenkataloges, die katholische Kirche, jüngst dazu alles noch einmal zu überdenken. Bei einer Kon-ferenz im Vatikan veröffentlichte der Vorsitzende Bischof eine neue Liste der „modernen” Todsünden. Erstens: Drogenhandel und Konsum; zweitens: Missbrauch von Kindern; drittens: Umweltverschmutzung; viertens: Prostitution; fünftens: Genmanipulation; sechstens: Profit-gier; siebtens: Luxus. Was selbst dem Laien auffallen dürfte, ist das alle diese Vergehen lediglich Teilstücke der echten Sieben Todsünden sind. Völlerei und Neid sind komplett verschwunden. Dies zeigt mehr als deutlich, dass Moral nicht mehr universell ist. Die willentliche Verletzung göttlicher und menschlicher Regeln, so die theologische Definition von Sünde, ist heute Anreiz, Lebensstil oder aber erklär- und entschuldbar geworden. Der menschliche Charakter bleibt im Ungleichgewicht zwischen Maß und Übermaß. Denn wie heißt es so schön in der Bibel? „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“