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26 P. Deneke hatte zugesagt, bei der PMT- Hauptversammlung 2017 in Billerbeck den Hauptvortrag zu halten. Leider wur- de er krank und konnte nicht nach Bil- lerbeck kommen. Im Folgenden drucken wir seinen Vortragstext ab. „Die Kirche ist jung.“ Immer wieder, zumal anläßlich großer Jugendveran- staltungen, treten hohe Kirchenvertre- ter mit dieser Aussage vor die Öffent- lichkeit. Vordergründig scheint sie von frohem Optimismus getragen zu sein. Wer jedoch genauer hinhört, kann sich nur schwer eines anderen Eindrucks erwehren: Hat die Feststellung, die Kir- che sei jung, nicht allzu oft den Tonfall einer Durchhalteparole? Ist sie nicht der Versuch, der traurigen Realität auszuweichen? Sich selbst Hoffnung zu machen angesichts einer verzwei- felten Lage? Bekanntlich fehlen in den Sonntagsgottesdiensten der meisten Gemeinden die Kinder und Jugendli- chen fast vollständig, rasant nimmt die Überalterung zu. Die Beschwörung der „jungen Kirche“ hat aber nicht nur Vertröstungsfunk- tion, sie dient auch als Werbeslo- gan. Damit entspricht sie einer leicht durchschaubaren Taktik. Einer Sache Jugendlichkeit – denn meistens wird das Jungsein in diesem Sinne, und nicht als Kindlichkeit, verstanden – nachzurühmen, wirkt ja stets emp- fehlend, während sich das, was zum alten Eisen gezählt wird, nicht gut an den Mann bringen läßt. Allenfalls elitäre Kreise bringen Kunstwerken, Stilmöbeln und Whiskeys von hohem Alter besonderes Interesse entgegen. Wo jedoch eine breite Menge erreicht werden soll, da ist man mit dem Etikett „jung“ weitaus besser beraten. Es gehörte über Jahrhunderte zur Ehre der Kirche, sich solchen Trends nicht anzupassen. Kurzzeitige Verirrungen, wie etwa die Huldigung vor dem Zeit- geist der Renaissance, sind als insge- samt glücklich überstandene Episo- den zu betrachten. Immerhin handelt es sich bei der Kirche um eine Institu- tion, deren Alter seit der Gründung im historischen Triduum Paschale bald 2000 Jahre beträgt. In einer anderen, den Kirchenvätern geläufigen Betrach- tungsweise reicht sie – zwar nicht als sichtbare Gemeinschaft, doch als geis- tige Wirklichkeit – sogar ex Abel iusto usque in finem saeculi, „vom gerechten Abel bis zum Weltenende“ 1 und um- faßt Menschen ab Abel iusto usque ad ultimum electum, „vom gerechten Abel bis zum letzten Gerechten“. 2 Eine Ein- 1 Augustinus, Sermo 341,9. 2 Gregorius Magnus, Hom. in Evang. 19,1. Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der Kirche Jugendkult und Kirche Von P. Bernward Deneke FSSP enthusiastische Besucher des Wise guys Konzerts beim Katholikentag in Leipzig

Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

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Page 1: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

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P Deneke hatte zugesagt bei der PMT-Hauptversammlung 2017 in Billerbeck den Hauptvortrag zu halten Leider wur-de er krank und konnte nicht nach Bil-lerbeck kommen Im Folgenden drucken wir seinen Vortragstext ab

bdquoDie Kirche ist jungldquo Immer wieder zumal anlaumlszliglich groszliger Jugendveran-staltungen treten hohe Kirchenvertre-ter mit dieser Aussage vor die Oumlffent-lichkeit Vorder gruumlndig scheint sie von frohem Optimismus getragen zu sein Wer jedoch genauer hinhoumlrt kann sich nur schwer eines anderen Eindrucks erwehren Hat die Feststellung die Kir-che sei jung nicht allzu oft den Tonfall einer Durchhalteparole Ist sie nicht der Versuch der traurigen Realitaumlt auszuweichen Sich selbst Hoff nung zu machen angesichts einer verzwei-felten Lage Bekanntlich fehlen in den Sonntagsgottesdiensten der meisten

Gemeinden die Kinder und Jugendli-chen fast vollstaumlndig rasant nimmt die Uumlberalterung zu

Die Beschwoumlrung der bdquojungen Kircheldquo hat aber nicht nur Vertroumlstungsfunk-tion sie dient auch als Werbeslo-gan Damit entspricht sie einer leicht durchschaubaren Taktik Einer Sache Jugendlichkeit ndash denn meistens wird das Jungsein in diesem Sinne und nicht als Kindlichkeit verstanden ndash nachzuruumlhmen wirkt ja stets emp-fehlend waumlhrend sich das was zum alten Eisen gezaumlhlt wird nicht gut an den Mann bringen laumlszligt Allenfalls elitaumlre Kreise bringen Kunstwerken Stilmoumlbeln und Whiskeys von hohem Alter besonderes Interesse entgegen Wo jedoch ei ne breite Menge erreicht werden soll da ist man mit dem Etikett bdquojungldquo weitaus besser beraten

Es gehoumlrte uumlber Jahrhunderte zur Ehre der Kirche sich solchen Trends nicht anzupassen Kurzzeitige Verirrungen wie etwa die Huldigung vor dem Zeit-geist der Renaissance sind als insge-samt gluumlcklich uumlberstandene Episo-den zu betrachten Immerhin handelt es sich bei der Kirche um eine Institu-tion deren Alter seit der Gruumlndung im historischen Triduum Paschale bald 2000 Jahre betraumlgt In einer anderen den Kir chenvaumltern gelaumlufigen Betrach-tungsweise reicht sie ndash zwar nicht als sichtbare Gemeinschaft doch als geis-tige Wirklichkeit ndash sogar ex Abel iusto usque in finem saeculi bdquovom gerechten Abel bis zum Weltenendeldquo1 und um-faszligt Menschen ab Abel iusto usque ad ultimum electum bdquovom gerechten Abel bis zum letzten Gerechtenldquo2 Eine Ein-

1 Augustinus Sermo 34192 Gregorius Magnus Hom in Evang 191

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselixier der KircheJugendkult und Kirche

Von P Bernward Deneke FSSP

enthusiastische Besucher des Wise guys Konzerts beim Katholikentag in Leipzig

27Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

richtung deren Beginn mit dem An-fang der Geschichte zusammenfaumlllt hat es weder noumltig sich an den Maszlig-staumlben der Jugendlichkeit zu messen noch besteht fuumlr sie Bedarf sich aus Werbegruumlnden als jung anzupreisen

Das hohe Alter der Kirche wurde denn auch nicht als ein Manko vielmehr als vorzuumlgliche Eigenschaft angesehen Es zeugt von Kraft und Bestaumlndigkeit im Auf-und-Ab der Geschichte in ruhi-gen Phasen wie in Stuumlrmen Auch muszlig sich eine tiefe Kenntnis des Menschen in einer Institution gesammelt haben die durch so lange Zeitraumlume hin die Kinder verschiedenster Voumllker in sich vereinigt und sie der Vollendung ent-gegengefuumlhrt hat Es entspricht ihrem Wesen daszlig die Kirche in ihrem Be-kenntnis und ihren Einrichtungen an-stelle des Neuen das Althergebrachte betont Bereits fuumlr die Kirchenvaumlter ist bdquoNeuerungldquo ein anderes Wort fuumlr bdquoHaumlresieldquo So heiszligt es beispielsweise beim heiligen Kirchenlehrer Ephraumlm dem Syrer (+ 373) bdquoDie Ruhmsucht muumlht sich mit Neuerungen ab um nicht

die Lehre von gestern vortragen zu muumlssenldquo3 Auch als ihre Vertreter hat die Kirche in hohen Positionen stets Maumlnner im durchaus vorgeruumlckten Al-

ter geschaumltzt Bis sie sich eines Tages dann doch zumindest in Teilen vom Jugendkult anstecken lieszlighellip

Der Tanz um HebeIn seiner monumentalen bdquoStudie uumlber die Veraumlnderungen in der katholischen Kircheldquo Iota unum behandelt Romano Amerio (+ 1997) auch ein gewandel-tes Verhaumlltnis zur Jugend4 Das Motu proprio Ingravescentem aetatem Papst Pauls VI vom 21 November 1970 sei ein fruumlhes Zeichen fuumlr den erwachen-den katholischen Jugendkult gewe-sen5 Mit diesem Schreiben wurden

3 Ephraem Sermones de fide I154 Romano Amerio Iota unum Ruppichteroth 2000 202shy2095 Ebd 202

bekanntlich Kardinaumlle uumlber 80 Jahren vom Konklave ausgeschlossen ver-loren also das aktive Papstwahlrecht Uumlbrigens zeigten sich Kirchenfuumlrsten so unterschiedlicher Ausrichtung wie Alfredo Kardinal Ottaviani und Eugegravene Kardinal Tisserant uumlber die neue tra-

radition ndash Jungbrunnen che Das Opfer des Abel

hl Ephraumlm der Syrer

Hebe griechische Goumlttin der Jugend

Das hohe Alter der Kirche zeugt von Kraft und Bestaumlndigkeit im Auf-und-Ab der Geschichte in ruhigen Phasen wie in Stuumlrmen

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ditionsfremde Regelung enttaumluscht bis erbost Seither hat sich in Personal-fragen ndash die Papstwahl einmal ausge-nommen ndash der Trend zum Einsatz juumln-gerer Personen in verantwortungsvol-len Positionen noch deutlich verstaumlrkt

Die Analyse verschiedener Anspra-chen Papst Pauls VI an Jugendliche und aumlhnlicher Texte fuumlhrt Amerio zu der Einschaumltzung Vor lauter Bewun-derung fuumlr die jungen Menschen ha-ben die kirchlichen Autoritaumlten ver-gessen daszlig jugendlicher Schwung und kritisches Potential an sich noch keinen Wert darstellen Anstatt die Jugend zu verherrlichen bestehe die Aufgabe der Kirche doch vielmehr da-rin ihr durch klare feste Fuumlhrung und Unterweisung Formung und Praumlgung zu geben Aber es habe sich eben auch der Kirchenleute die bdquoBegeisterung fuumlr Hebeldquo bemaumlchtigt ja sie fuumlhrten gera-dezu einem bdquoTanz um Hebeldquo6 aus Hebe ist in der griechischen Mythologie die goumlttlich personifizierte Jugend die sich als Mundschenk der Goumltter betauml-tigt ihnen Nektar und Ambrosia reicht

Angesichts solcher Vorwuumlrfe erhebt sich aber doch die Frage Ist es nicht ein berechtigtes Anliegen der Kirche ein junges Erscheinungsbild zu geben um die Zeitgenossen besser zu errei-chen Die Antwort sollte vorsichtig positiv ausfallen Positiv weil ein fri-sches jugendliches Antlitz von groszliger Anziehungskraft ist Doch vorsichtig weil Verjuumlngungs operationen auch gruumlndlich danebengehen koumlnnen Man erinnere sich nur an die denk-wuumlrdige Novelle bdquoTod in Venedigldquo von

6 Ebd 206 f

Thomas Mann In ihr wird der hoch-angesehene Schriftsteller Gu stav von Aschenbach bei der Uumlberfahrt in die Lagungenstadt durch einen alten Gecken angewidert der sich durch Schminke gefaumlrbtes Haar und kuumlnstli-ches Gebiszlig mit den jungen Leuten die ihn umgeben gemeinzumachen ver-sucht Im Verlauf der Erzaumlhlung aller-dings verfaumlllt Aschenbach in dieselbe Verhaltensweise nachdem er in Lei-denschaft fuumlr einen Jungen entbrannt ist und nimmt ein tragisches Ende

Nicht daszlig sich Thomas Manns Novelle direkt auf die kirchliche Lage uumlbertra-gen lieszlige Die Sanc ta Ecclesia als sol-che kann ihr wahres Wesen nicht der-art entstellen und entehren ohne sich selbst aufzugeben Und doch kommt es vor daszlig ihre oumlffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes bdquoAllen bin ich al-les gewordenldquo (1 Kor 922) eine Anpas-sung der alten Kirche an die Trends der Jugend versuchen die dem wuumlrdelo-sen Auftreten zunaumlchst des Gecken auf dem Schiff und am Ende Gustav von Aschenbachs zumindest nicht ganz unaumlhnlich ist

Mir faumlllt in diesem Zusammenhang eine bezeichnende Szene auf dem Weltjugendtag 2013 ein Da lieszlig sich eine betraumlchtliche Menge von Bischouml-fen an der Copacabana von jungen Animateuren zu einem bdquoFlash mobldquo anleiten ja regelreicht aufheizen Sie fuumlhrten oft mehr schlecht als recht die eingeuumlbten Tanzbewegungen aus schuumlttelten die Arme und versuchten in den poppigen Gesang einzustim-men Nicht nur fuumlr glaumlubige Katholi-ken sondern generell fuumlr Menschen

mit Sinn fuumlr Wuumlrde und Dezenz ist es eine Zumutung solches ansehen zu muumlssen Daacutevila trifft den wunden Punkt wenn er einmal mit der ihm ei-genen Schaumlrfe bemerkt bdquoDer alternde Progressist hat die Nostalgien einer al-ten Kokotteldquo7

Discerne causam meamhellipDas bisher Gesagte stand im Zeichen des Widerspruchs des Widerspruchs gegen einen modernen Kult des Jung-seins gegen die Miszligachtung des Al-ters sowie gegen den Versuch der

Kirche sich einer bestimmten Art von Jugendlichkeit anzugleichen Solcher Widerspruch ist gerade dort noumltig wo es um ein zutiefst positives Anliegen

7 Nicolaacutes Goacutemez Daacutevila Einsamkeiten Wien 1987122

Stufengebet

Anstatt die Jugend zu verherrlichen besteht die Aufgabe der Kirche doch darin ihr durch klare feste Fuumlhrung und Unterweisung Formung und Praumlgung zu geben

29Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

geht So beginnt auch der 42 Psalm (nach der Vulgata) der uns als Stufen-gebet-Psalm noch beschaumlftigen wird mit einer deutlichen Grenzziehung Iudica me Deus et discerne causam meam de gente non sancta ndash bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide mei-ne Sache von einem unheiligen Volkeldquo Die Scheidung aber wird um einer Ver-einigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Ebenso muszligten wir uns zuerst von einem irrigen Verstaumlndnis kirchlicher Jugendlichkeit verabschieden um nun ohne Miszligverstaumlndnisse die Wahr-heit betrachten zu koumlnnen die in der so haumlufig zu houmlrenden Aussage liegt bdquoDie Kirche ist jungldquo Dabei wollen wir uns drei Fragen stellen 1 Inwiefern ist die uralte Kirche denn jung ndash 2 Wo-raus schoumlpft sie ihre Jugendlichkeit wo also ist ihr Jungbrunnen zu finden und was ist ihr Lebenselixier ndash 3 Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend erlangen Es sei bemerkt daszlig im folgenden die Worte bdquojungldquo und bdquojugendlichldquo fuumlr gewoumlhnlich wie Syno-nyme behandelt werden Mit bdquoJugend-lichkeitldquo ist also nicht die Altersstufe zwischen 13 und 25 Jahren schon gar nicht eine pubertaumlr-aufmuumlpfige Hal-tung gemeinthellip Doch beginnen wir nun ordnungsgemaumlszlig mit der ersten Frage Inwiefern die uralte Kirche denn jung sei

Wahre Jugend der KircheNeben der Hervorhebung des Alters der Kirche der wir bereits bei Augus-tinus und Gregor dem Groszligen begeg-net sind kennt die Uumlberlieferung sehr

wohl auch den dazugehoumlrigen Kontra-punkt die junge Kirche Dabei hat die Behauptung die Kirche sei jung rein gar nichts mit einer Durchhalteparole oder einem Werbeslogan gemein Das hier angesprochene Jungsein steht auch in keinem Widerspruch zum ho-hen Alter der Kirche im Gegenteil beide Eigenschaften gehoumlren sogar auf das Engste zusammen Das Alter der Kirche hat mit einem Veraltet-Sein ebenso wenig wie ihre Jugend mit Un-erfahrenheit zu tun Vielmehr geht es hier um eine Art bestaumlndiger vor dem Hintergrund der erhofften Vollendung sogar ewiger Jugend um die Erfuumlllung also eines Traums der die Menschheit von den antiken Mythen bis in moder-ne medizinische Verheiszligungen hinein be staumln dig durchzieht

Die Jugend der Kirche bereits ange-deutet und ausgemalt in vielfaumlltigen alttestamentlichen Worten und Bil-dern wird an einer bezeichnenden Begegnung in der Zeitenwende deut-lich naumlmlich derjenigen Mariens mit ihrer Base Elisabeth (Lk 139 ff) Hier treffen personifiziert aufeinander die

Verheiszligung und ihre Erfuumlllung der schwindende alte und der kommende neue Bund Elisabeth die Frau im vor-geruumlckten Alter traumlgt den Vorlaumlufer in sich der ein letzter starker Hinweis auf den verheiszligenen Messias sein wird waumlhrend die sehr junge Maria in ho-her Erwartung gerade dieses Erloumlsers steht den sie jungfraumlulich vom Hei-ligen Geist empfangen hat Sie wird nicht ndash wie Elisabeth und ihr Sohn Jo-hannes ndash zuruumlcktreten um Groumlszligerem Platz zu machen sondern gemeinsam mit Jesus in das Werk der Erloumlsung ein-treten und dann als seine Mutter und Mutter seiner Kinder ewig an seiner Seite bleiben

Maria die Jungfrau und Mutter ist Ur-bild der Kirche in ihrem doppelten As-pekt der in den beiden griechischen Worten kyriakeacute8 und ekklesiacutea9 zum Ausdruck kommt In ihrer Jungfraumlu-lichkeit stellt sie die Kirche als kyriakeacute

8 Daher das deutsche Wort Kirche das englische church und das niederlaumlndische kerk9 Daher lateinisch ecclesia spanisch iglesia franshyzoumlsisch eacuteglise hellip

Maria besucht Elisabeth

bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide meine Sache von einem unheiligen Volkldquo Die Scheidung wird um einer Vereinigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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dar als bdquodie dem Herrn gehoumlrendeldquo unversehrte Braut die ihm in unver-bruumlchlicher Liebe und Treue anhaumlngt Und in ihrer Mutterschaft steht Maria fuumlr die ekklesiacutea die aus allen anderen von Gott und fuumlr Gott bdquoHerausgerufe-neldquo die in einem einzigartigen Wun-der Jesus bdquodem Erstgeborenen unter vielen Bruumldernldquo (Roumlm 829) das Leben schenkt um die sich dann aber auch die anderen Gotteskinder die Bruumlder des Erstgeborenen scharen werden

Die Kirche ist jung denn ihr Ty pos ist eben nicht die mythische Urmutter Gaia oder die Stammutter Eva die nach dem Suumlndenfall dahinwelkte sondern diese jungfraumluliche Gottes-mutter Nach dem Vesperhymnus

Ave maris stella der an ihren Festen erklingt hat Maria Evas un heils be la-denen Na men in das zukunftstraumlchti-ge Ave umgewandelt (mutans Evae no-men) Die Liturgie am Fest der Unbe-fleckten Empfaumlngnis preist sie im An-schluszlig an das Hohelied (47) mit den Worten Tota pulchra es Maria et macu-la originalis non est in te ndash bdquoGanz schoumln bist du Maria und der Ursprungsma-kel ist nicht an dirldquo Damit wird sie der Menschheit gegenuumlbergestellt deren Dasein seit der Suumlnde der Stammel-tern im Zeichen des Alterns und Ver-falls steht Weder in leiblicher noch in geistiger Hinsicht war Maria in diesen Niedergang einbezogen Ihre Existenz war nicht ein bdquoSein zum Todeldquo (Martin Heidegger) sondern ein bdquoSein im Le-benldquo ja schon der Beginn des himmli-schen Lebens

Daher bleibt nach der Himmelfahrt mit ihrer Jungfraumlulichkeit auch ihre Ju-gend ewig bestehen

Was von der Gottesmutter gilt gilt analog auch von der heiligen Kirche Sie kann fuumlr sich in Anspruch neh-men jung zu sein auch dann wenn sie selbst Jahrtausende zaumlhlt und ihre meisten Kinder schon laumlngst verstor-ben sind Weil die Kirche in ihrem We-sen nicht von der Suumlnde verdorben und daher keinem Alterungsprozeszlig unterworfen ist erfreut sie sich einer bleibenden ja letztlich ewigen Ju-gend

Daher koumlnnen alle Versuche eines Ag-giornamento einer bdquoVer heu tigungldquo wie sie Papst Johannes XXIII mit der Einbe-rufung des letzten Konzils im Sinn hat-te nur den aumluszligeren Bereich ihres zeit-

lichen Wirkens betreffen Ohne Zweifel die Administration und Organisation Aber auch die Verkuumlndigung denn sie erfordert ein Auf-den-Tag-Bringen in-sofern es gilt in heute verstaumlndlicher Weise zu den Problemen der Gegen-wart Stellung zu nehmen moderne Irr tuumlmer abzuweisen und augenblick-lich grassierende Krankheiten zu be-handeln Hier tut eine Aktualisierung des Anti-Viren-Pro gramms immer wieder not wie die Entwicklungen der Gegenwart hinlaumlnglich zeigen Doch empfaumlngt die Kirche dabei eben nicht gleichsam ein Update von auszligen von der gefallenen vergaumlnglichen Welt Vielmehr schoumlpft sie die Antworten und Heilmittel fuumlr die jeweilige Zeit aus ihrem eigenen Inneren in dem sie das ihr anvertraute Gut bewahrt (1 Tim 620) und den Schatz der geoffenbar-ten Wahrheit das depositum fidei vor Uumlbergriffen schuumltzt

Jungfraumlulichkeit unversehrten GlaubensHiermit haben wir einen wichtigen Aspekt der kirchlichen Jugendlichkeit beruumlhrt Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Fuumlr die meisten Zeitgenossen ist wohl der Gedanke die katholische Lehre koumlnnte irgend-etwas mit Jugendlichkeit zu tun ha-ben recht befremdlich Dogmen rufen fuumlr gewoumlhnlich eher Assoziationen wie bdquomittelalterlichldquo bdquoverknoumlchertldquo bdquoaltbackenldquo auf den Plan waumlhrend das neuzeitliche und moderne Denken das sich gegen die Kirche und ihre Ver-kuumlndigung verbindlicher Wahrheiten wendet jung und jugendlich zu sein scheint Doch tatsaumlchlich verhaumllt es sich genau umgekehrt

bdquoSixtinische Madonnaldquo von Raffael (1512)

Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Das gesamte uumlbernatuumlrliche Leben beruht auf ihm und zieht aus ihm seine naumlhrenden Kraumlfte

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Das haben bereits die Kirchenvaumlter dargelegt Ein wichtiger Begriff den sie hier ins Spiel bringen ist die Jung-fraumlulichkeit Freilich hat das Wort nur im Deutschen als erste Silbe bdquoJungldquo Der lateinische Ausdruck heiszligt vir gi-ni tas und hat mit Jugendlichkeit zu-naumlchst nichts zu tun bdquoJungfraumlulich-keitldquo meint im unmittelbaren Wortsinn die koumlrperliche Unversehrtheit vor al-lem der Frau und dann im geistlichen Sprachgebrauch die unversehrte Hin-gabe des Menschen an Gott Daszlig sich von hier aus aber dennoch ein Bo gen

zum Jungsein der Kirche spannt zeigt uns der heilige Augu stinus

In verschiedenen Zusammenhaumln gen ist ihm die Entsprechung zwi schen Maria und der Kirche wichtig So fuumlhrt Augustinus in seiner Schrift uumlber die Jungfraumlulichkeit aus daszlig beide ndash jene

die das Haupt des mystischen Leibes koumlr perlich geboren hat und diese welche die Glieder des Hauptes geist-licherweise zur Welt bringt ndash jungfraumlu-lich geblieben sind10 In seinem Kom-mentar zum Johannesevangelium aber stellt er die Frage was denn die Jungfraumlulichkeit der Kirche ausmache da sie doch verheiratete und unver-heiratete Glieder umfasse Seine Ant-wort integra fi des solida spes sincera caritas ndash bdquounversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebeldquo11 Welch passende Beschreibung geistiger Ju-gend Dementsprechend sind fuumlr Au-gustinus die Haumlretiker solche die von der Schlange her kom men um die Jungfraumlulichkeit im Herzen der Kirche zu korrumpieren die im unversehrten Glau ben besteht12 Dementsprechend schaut auch die heilige Hildegard von Bingen die Kirche als von bdquogottlosen Verfuumlhrernldquo bedraumlngt bdquodie auf sie ein-dringen um ihre Jungfraumlulichkeit den katholischen Glauben zu verletzen Doch sie wiedersteht ihnen mannhaft damit sie nicht Schaden erleide denn Jungfrau war sie ist sie und wird sie bleiben weil der wahre Glaube die Materie ihrer Jungfraumlulichkeit durch keinen Irrtum befleckt werden kannldquo13

Jungfraumlulichkeit und Jugendlichkeit sind zwar nicht identisch In unse-rem Zusammenhang aber stehen sie in enger Beziehung zueinander da die Korruption der einen Eigenschaft auch den Verlust der anderen mit sich

10 Augustinus De sancta virginitate II11 Augustinus In Ioan 131212 Augustinus In Ioan 9213 Hildegard von Bingen Scivias 2Buch 3Schau (Ausg Salzburg 7 1981 165)

bringt Wenn das Konzil von Trient den Glauben fundamentum et radix omnis iustificationis bdquoGrundlage und Wurzel jeglicher Rechtfertigungldquo nennt14 sagt es damit daszlig das gesamte uumlbernatuumlr-liche Leben auf dem Glauben errichtet ist und aus ihm seine naumlhrenden Kraumlf-te zieht Ein Gebaumlude auf bruumlchigem Fundament wird zur Ruine eine Pflan-ze mit kranker Wurzel welkt dahin Bil-der des Alterns

Ebenso verloumlre die Kirche in der Jung-fraumlulichkeit des integren Glaubens beschaumldigt ihre Vitalitaumlt Sie wuumlrde zu einer unter vielen anderen mensch-lichen Einrichtungen die einmal ge-gruumlndet wurden eine gewisse Bluumlte-zeit erlebten dann aber vergangen sind Nicht zuletzt die verhaumlngnisvol-len Entwicklungen der Gegenwart il-lustrieren diesen Zusammenhang Wo ein Ab- und Umbau des katholischen Glaubens betrieben wird setzen Abfall und Uumlberalterung ein Paradoxerweise verliert das kirchliche Leben mit der Jungfraumlulichkeit des Glaubens auch die Fruchtbarkeit denn wie in Maria sind in der Kirche Mutterschaft und Jungfraumlulichkeit untrennbar verbun-den Eines ist ohne das andere nicht zu haben Gelaumlnge die Trennung den-

14 Konzil von Trient Rechtfertigungsdekret 6 Sitshyzung Kap 8 DH 1532

hl Augustinus (Philippe de Champaigne 1602-1674)

Hildegard von Bingen

Was macht die Jungfraumlulichkeit der Kirche aus unversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebe

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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noch so bliebe die traurige Weder-noch-Gestalt einer kinderlosen Alten zuruumlck die auch des Glanzes der Un-versehrtheit entbehrt Und versuchte dieses jammervolle Wesen dennoch sich in einer Pseudo-Ju gend lichkeit mit kuumlnstlicher Frische und aufgesetz-tem Elan zu praumlsentieren so waumlre das ein Bild der Peinlichkeit

Warum uumlbrigens an dieser Stelle im Konjunktiv sprechen Leider erleben wir es ja in unseren Tagen zur Genuuml-ge wie in Teilen der Kirche die Glau-benswurzel gekappt wurde und seit-her kaum noch junges Leben sprieszligt Aufwaumlndig inszenierte Jugendgottes-dienste die zumeist eher gut gemeint

als gut gemacht sind uumlberspielen mit donnernden Rhyth men und schmalzi-gen Ruumlhr se lig kei ten mit grellen Far-ben und fla chen Gags die geistige und auch physische Uumlberalterung

bdquoLeere Toumlpfe scheppern am laute stenldquo sagt ein daumlnisches Sprich wort Viele ernsthafte katholische Jugend liche die doch an gelockt und angespro-chen wer den sollen wenden sich da-von ab Ein Aufscheinen der wahren Jugend der Kirche in der Strahlkraft ih-res jungfraumlulich-un verfaumllschten Glau-bens waumlre ohne Zweifel von groumlszligerer Attraktivitaumlt

Zusammenfassend koumlnnen wir zu un-serer ersten Frage sagen Die Kirche ist jung wie ihr Urbild die jungfraumluliche Gottesmutter Sie ist jung weil sie wie Maria den Sohn Gottes die Quelle allen Lebens in sich traumlgt Sie ist jung weil das Licht ihrer Lehre nicht erlischt weil die Lebensstroumlme in ihr nicht versie-gen weil die Kraft ihres Wir kens nicht nachlaumlszligt Sie ist jung weil sie ndash trotz ih-rer langen und reichen Vergangenheit ndash nicht in der Retrospektive verharrt und dabei wie die Frau des Lot erstarrt (Gen 1926) sondern sich der Zukunft zuwendet dem Osten von wo sie den wiederkommenden Herrn erwartet Die Kirche ist und bleibt letztlich jung weil derjenige in ihr fortlebt fortlehrt und fortwirkt von dem der Hebraumler-brief sagt daszlig er derselbe ist gestern heute und in Ewigkeit (138)

Der Jungbrunnen der KircheDamit wenden wir uns jetzt der zwei-ten Frage zu Woraus empfaumlngt die Kirche ihre Jugendlichkeit Dafuumlr daszlig sie sich trotz des Verrinnens der Zeit trotz des Al terns der Menschen und ihrer Ein richtungen bestaumlndiger Ju-gend erfreut muszlig es doch einen hin-reichenden Grund geben Mythisch gesprochen einen Jungbrunnen in den hineinsteigend sie sich stetig er-neuert und ein Lebenselixier dessen Trank sie jung erhaumllt

Daszlig der katholische Glaube in einem weiteren Sinn diese Aufgabe uumlber-nimmt sollte aus dem bereits Ge-sagten hervorgegangen sein Selbst-verstaumlndlich lebt die Kirche aus dem Glauben Selbstverstaumlndlich verleiht ihr seine unveraumlnderliche Wahrheit eine einzigartige Bestaumlndigkeit Und selbstverstaumlndlich verjuumlngt sich die Kirche dadurch daszlig sie wie Maria die heiligen Worte in ihrem Herzen be-wahrt und erwaumlgt (Lk 219) das heiszligt sie theologisch und geistlich entfaltet Aber dennoch erwarten wir wenn von Jungbrunnen und Lebenselixier die Rede ist mit Recht etwas anderes Hier muszlig doch irgendwo Wasser plaumlt-schern und ein starker Trunk genossen werden Sehen wir daher naumlher hin

Den Jungbrunnen hat Lucas Cranach der Aumlltere auf einem Gemaumllde aus dem Jahr 1546 das sich in der Berliner Gemaumlldegalerie befindet eindrucks-voll dargestellt Da werden betagte Frauen auf verschiedenen Gefaumlhrten

Jugendgottesdienst

Einladung zur Jugend-Wortgottes-Feier

Der Jungbrunnen (Lucas Cranach der Aumlltere)

33Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

35Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

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erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 2: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

27Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

richtung deren Beginn mit dem An-fang der Geschichte zusammenfaumlllt hat es weder noumltig sich an den Maszlig-staumlben der Jugendlichkeit zu messen noch besteht fuumlr sie Bedarf sich aus Werbegruumlnden als jung anzupreisen

Das hohe Alter der Kirche wurde denn auch nicht als ein Manko vielmehr als vorzuumlgliche Eigenschaft angesehen Es zeugt von Kraft und Bestaumlndigkeit im Auf-und-Ab der Geschichte in ruhi-gen Phasen wie in Stuumlrmen Auch muszlig sich eine tiefe Kenntnis des Menschen in einer Institution gesammelt haben die durch so lange Zeitraumlume hin die Kinder verschiedenster Voumllker in sich vereinigt und sie der Vollendung ent-gegengefuumlhrt hat Es entspricht ihrem Wesen daszlig die Kirche in ihrem Be-kenntnis und ihren Einrichtungen an-stelle des Neuen das Althergebrachte betont Bereits fuumlr die Kirchenvaumlter ist bdquoNeuerungldquo ein anderes Wort fuumlr bdquoHaumlresieldquo So heiszligt es beispielsweise beim heiligen Kirchenlehrer Ephraumlm dem Syrer (+ 373) bdquoDie Ruhmsucht muumlht sich mit Neuerungen ab um nicht

die Lehre von gestern vortragen zu muumlssenldquo3 Auch als ihre Vertreter hat die Kirche in hohen Positionen stets Maumlnner im durchaus vorgeruumlckten Al-

ter geschaumltzt Bis sie sich eines Tages dann doch zumindest in Teilen vom Jugendkult anstecken lieszlighellip

Der Tanz um HebeIn seiner monumentalen bdquoStudie uumlber die Veraumlnderungen in der katholischen Kircheldquo Iota unum behandelt Romano Amerio (+ 1997) auch ein gewandel-tes Verhaumlltnis zur Jugend4 Das Motu proprio Ingravescentem aetatem Papst Pauls VI vom 21 November 1970 sei ein fruumlhes Zeichen fuumlr den erwachen-den katholischen Jugendkult gewe-sen5 Mit diesem Schreiben wurden

3 Ephraem Sermones de fide I154 Romano Amerio Iota unum Ruppichteroth 2000 202shy2095 Ebd 202

bekanntlich Kardinaumlle uumlber 80 Jahren vom Konklave ausgeschlossen ver-loren also das aktive Papstwahlrecht Uumlbrigens zeigten sich Kirchenfuumlrsten so unterschiedlicher Ausrichtung wie Alfredo Kardinal Ottaviani und Eugegravene Kardinal Tisserant uumlber die neue tra-

radition ndash Jungbrunnen che Das Opfer des Abel

hl Ephraumlm der Syrer

Hebe griechische Goumlttin der Jugend

Das hohe Alter der Kirche zeugt von Kraft und Bestaumlndigkeit im Auf-und-Ab der Geschichte in ruhigen Phasen wie in Stuumlrmen

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ditionsfremde Regelung enttaumluscht bis erbost Seither hat sich in Personal-fragen ndash die Papstwahl einmal ausge-nommen ndash der Trend zum Einsatz juumln-gerer Personen in verantwortungsvol-len Positionen noch deutlich verstaumlrkt

Die Analyse verschiedener Anspra-chen Papst Pauls VI an Jugendliche und aumlhnlicher Texte fuumlhrt Amerio zu der Einschaumltzung Vor lauter Bewun-derung fuumlr die jungen Menschen ha-ben die kirchlichen Autoritaumlten ver-gessen daszlig jugendlicher Schwung und kritisches Potential an sich noch keinen Wert darstellen Anstatt die Jugend zu verherrlichen bestehe die Aufgabe der Kirche doch vielmehr da-rin ihr durch klare feste Fuumlhrung und Unterweisung Formung und Praumlgung zu geben Aber es habe sich eben auch der Kirchenleute die bdquoBegeisterung fuumlr Hebeldquo bemaumlchtigt ja sie fuumlhrten gera-dezu einem bdquoTanz um Hebeldquo6 aus Hebe ist in der griechischen Mythologie die goumlttlich personifizierte Jugend die sich als Mundschenk der Goumltter betauml-tigt ihnen Nektar und Ambrosia reicht

Angesichts solcher Vorwuumlrfe erhebt sich aber doch die Frage Ist es nicht ein berechtigtes Anliegen der Kirche ein junges Erscheinungsbild zu geben um die Zeitgenossen besser zu errei-chen Die Antwort sollte vorsichtig positiv ausfallen Positiv weil ein fri-sches jugendliches Antlitz von groszliger Anziehungskraft ist Doch vorsichtig weil Verjuumlngungs operationen auch gruumlndlich danebengehen koumlnnen Man erinnere sich nur an die denk-wuumlrdige Novelle bdquoTod in Venedigldquo von

6 Ebd 206 f

Thomas Mann In ihr wird der hoch-angesehene Schriftsteller Gu stav von Aschenbach bei der Uumlberfahrt in die Lagungenstadt durch einen alten Gecken angewidert der sich durch Schminke gefaumlrbtes Haar und kuumlnstli-ches Gebiszlig mit den jungen Leuten die ihn umgeben gemeinzumachen ver-sucht Im Verlauf der Erzaumlhlung aller-dings verfaumlllt Aschenbach in dieselbe Verhaltensweise nachdem er in Lei-denschaft fuumlr einen Jungen entbrannt ist und nimmt ein tragisches Ende

Nicht daszlig sich Thomas Manns Novelle direkt auf die kirchliche Lage uumlbertra-gen lieszlige Die Sanc ta Ecclesia als sol-che kann ihr wahres Wesen nicht der-art entstellen und entehren ohne sich selbst aufzugeben Und doch kommt es vor daszlig ihre oumlffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes bdquoAllen bin ich al-les gewordenldquo (1 Kor 922) eine Anpas-sung der alten Kirche an die Trends der Jugend versuchen die dem wuumlrdelo-sen Auftreten zunaumlchst des Gecken auf dem Schiff und am Ende Gustav von Aschenbachs zumindest nicht ganz unaumlhnlich ist

Mir faumlllt in diesem Zusammenhang eine bezeichnende Szene auf dem Weltjugendtag 2013 ein Da lieszlig sich eine betraumlchtliche Menge von Bischouml-fen an der Copacabana von jungen Animateuren zu einem bdquoFlash mobldquo anleiten ja regelreicht aufheizen Sie fuumlhrten oft mehr schlecht als recht die eingeuumlbten Tanzbewegungen aus schuumlttelten die Arme und versuchten in den poppigen Gesang einzustim-men Nicht nur fuumlr glaumlubige Katholi-ken sondern generell fuumlr Menschen

mit Sinn fuumlr Wuumlrde und Dezenz ist es eine Zumutung solches ansehen zu muumlssen Daacutevila trifft den wunden Punkt wenn er einmal mit der ihm ei-genen Schaumlrfe bemerkt bdquoDer alternde Progressist hat die Nostalgien einer al-ten Kokotteldquo7

Discerne causam meamhellipDas bisher Gesagte stand im Zeichen des Widerspruchs des Widerspruchs gegen einen modernen Kult des Jung-seins gegen die Miszligachtung des Al-ters sowie gegen den Versuch der

Kirche sich einer bestimmten Art von Jugendlichkeit anzugleichen Solcher Widerspruch ist gerade dort noumltig wo es um ein zutiefst positives Anliegen

7 Nicolaacutes Goacutemez Daacutevila Einsamkeiten Wien 1987122

Stufengebet

Anstatt die Jugend zu verherrlichen besteht die Aufgabe der Kirche doch darin ihr durch klare feste Fuumlhrung und Unterweisung Formung und Praumlgung zu geben

29Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

geht So beginnt auch der 42 Psalm (nach der Vulgata) der uns als Stufen-gebet-Psalm noch beschaumlftigen wird mit einer deutlichen Grenzziehung Iudica me Deus et discerne causam meam de gente non sancta ndash bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide mei-ne Sache von einem unheiligen Volkeldquo Die Scheidung aber wird um einer Ver-einigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Ebenso muszligten wir uns zuerst von einem irrigen Verstaumlndnis kirchlicher Jugendlichkeit verabschieden um nun ohne Miszligverstaumlndnisse die Wahr-heit betrachten zu koumlnnen die in der so haumlufig zu houmlrenden Aussage liegt bdquoDie Kirche ist jungldquo Dabei wollen wir uns drei Fragen stellen 1 Inwiefern ist die uralte Kirche denn jung ndash 2 Wo-raus schoumlpft sie ihre Jugendlichkeit wo also ist ihr Jungbrunnen zu finden und was ist ihr Lebenselixier ndash 3 Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend erlangen Es sei bemerkt daszlig im folgenden die Worte bdquojungldquo und bdquojugendlichldquo fuumlr gewoumlhnlich wie Syno-nyme behandelt werden Mit bdquoJugend-lichkeitldquo ist also nicht die Altersstufe zwischen 13 und 25 Jahren schon gar nicht eine pubertaumlr-aufmuumlpfige Hal-tung gemeinthellip Doch beginnen wir nun ordnungsgemaumlszlig mit der ersten Frage Inwiefern die uralte Kirche denn jung sei

Wahre Jugend der KircheNeben der Hervorhebung des Alters der Kirche der wir bereits bei Augus-tinus und Gregor dem Groszligen begeg-net sind kennt die Uumlberlieferung sehr

wohl auch den dazugehoumlrigen Kontra-punkt die junge Kirche Dabei hat die Behauptung die Kirche sei jung rein gar nichts mit einer Durchhalteparole oder einem Werbeslogan gemein Das hier angesprochene Jungsein steht auch in keinem Widerspruch zum ho-hen Alter der Kirche im Gegenteil beide Eigenschaften gehoumlren sogar auf das Engste zusammen Das Alter der Kirche hat mit einem Veraltet-Sein ebenso wenig wie ihre Jugend mit Un-erfahrenheit zu tun Vielmehr geht es hier um eine Art bestaumlndiger vor dem Hintergrund der erhofften Vollendung sogar ewiger Jugend um die Erfuumlllung also eines Traums der die Menschheit von den antiken Mythen bis in moder-ne medizinische Verheiszligungen hinein be staumln dig durchzieht

Die Jugend der Kirche bereits ange-deutet und ausgemalt in vielfaumlltigen alttestamentlichen Worten und Bil-dern wird an einer bezeichnenden Begegnung in der Zeitenwende deut-lich naumlmlich derjenigen Mariens mit ihrer Base Elisabeth (Lk 139 ff) Hier treffen personifiziert aufeinander die

Verheiszligung und ihre Erfuumlllung der schwindende alte und der kommende neue Bund Elisabeth die Frau im vor-geruumlckten Alter traumlgt den Vorlaumlufer in sich der ein letzter starker Hinweis auf den verheiszligenen Messias sein wird waumlhrend die sehr junge Maria in ho-her Erwartung gerade dieses Erloumlsers steht den sie jungfraumlulich vom Hei-ligen Geist empfangen hat Sie wird nicht ndash wie Elisabeth und ihr Sohn Jo-hannes ndash zuruumlcktreten um Groumlszligerem Platz zu machen sondern gemeinsam mit Jesus in das Werk der Erloumlsung ein-treten und dann als seine Mutter und Mutter seiner Kinder ewig an seiner Seite bleiben

Maria die Jungfrau und Mutter ist Ur-bild der Kirche in ihrem doppelten As-pekt der in den beiden griechischen Worten kyriakeacute8 und ekklesiacutea9 zum Ausdruck kommt In ihrer Jungfraumlu-lichkeit stellt sie die Kirche als kyriakeacute

8 Daher das deutsche Wort Kirche das englische church und das niederlaumlndische kerk9 Daher lateinisch ecclesia spanisch iglesia franshyzoumlsisch eacuteglise hellip

Maria besucht Elisabeth

bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide meine Sache von einem unheiligen Volkldquo Die Scheidung wird um einer Vereinigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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dar als bdquodie dem Herrn gehoumlrendeldquo unversehrte Braut die ihm in unver-bruumlchlicher Liebe und Treue anhaumlngt Und in ihrer Mutterschaft steht Maria fuumlr die ekklesiacutea die aus allen anderen von Gott und fuumlr Gott bdquoHerausgerufe-neldquo die in einem einzigartigen Wun-der Jesus bdquodem Erstgeborenen unter vielen Bruumldernldquo (Roumlm 829) das Leben schenkt um die sich dann aber auch die anderen Gotteskinder die Bruumlder des Erstgeborenen scharen werden

Die Kirche ist jung denn ihr Ty pos ist eben nicht die mythische Urmutter Gaia oder die Stammutter Eva die nach dem Suumlndenfall dahinwelkte sondern diese jungfraumluliche Gottes-mutter Nach dem Vesperhymnus

Ave maris stella der an ihren Festen erklingt hat Maria Evas un heils be la-denen Na men in das zukunftstraumlchti-ge Ave umgewandelt (mutans Evae no-men) Die Liturgie am Fest der Unbe-fleckten Empfaumlngnis preist sie im An-schluszlig an das Hohelied (47) mit den Worten Tota pulchra es Maria et macu-la originalis non est in te ndash bdquoGanz schoumln bist du Maria und der Ursprungsma-kel ist nicht an dirldquo Damit wird sie der Menschheit gegenuumlbergestellt deren Dasein seit der Suumlnde der Stammel-tern im Zeichen des Alterns und Ver-falls steht Weder in leiblicher noch in geistiger Hinsicht war Maria in diesen Niedergang einbezogen Ihre Existenz war nicht ein bdquoSein zum Todeldquo (Martin Heidegger) sondern ein bdquoSein im Le-benldquo ja schon der Beginn des himmli-schen Lebens

Daher bleibt nach der Himmelfahrt mit ihrer Jungfraumlulichkeit auch ihre Ju-gend ewig bestehen

Was von der Gottesmutter gilt gilt analog auch von der heiligen Kirche Sie kann fuumlr sich in Anspruch neh-men jung zu sein auch dann wenn sie selbst Jahrtausende zaumlhlt und ihre meisten Kinder schon laumlngst verstor-ben sind Weil die Kirche in ihrem We-sen nicht von der Suumlnde verdorben und daher keinem Alterungsprozeszlig unterworfen ist erfreut sie sich einer bleibenden ja letztlich ewigen Ju-gend

Daher koumlnnen alle Versuche eines Ag-giornamento einer bdquoVer heu tigungldquo wie sie Papst Johannes XXIII mit der Einbe-rufung des letzten Konzils im Sinn hat-te nur den aumluszligeren Bereich ihres zeit-

lichen Wirkens betreffen Ohne Zweifel die Administration und Organisation Aber auch die Verkuumlndigung denn sie erfordert ein Auf-den-Tag-Bringen in-sofern es gilt in heute verstaumlndlicher Weise zu den Problemen der Gegen-wart Stellung zu nehmen moderne Irr tuumlmer abzuweisen und augenblick-lich grassierende Krankheiten zu be-handeln Hier tut eine Aktualisierung des Anti-Viren-Pro gramms immer wieder not wie die Entwicklungen der Gegenwart hinlaumlnglich zeigen Doch empfaumlngt die Kirche dabei eben nicht gleichsam ein Update von auszligen von der gefallenen vergaumlnglichen Welt Vielmehr schoumlpft sie die Antworten und Heilmittel fuumlr die jeweilige Zeit aus ihrem eigenen Inneren in dem sie das ihr anvertraute Gut bewahrt (1 Tim 620) und den Schatz der geoffenbar-ten Wahrheit das depositum fidei vor Uumlbergriffen schuumltzt

Jungfraumlulichkeit unversehrten GlaubensHiermit haben wir einen wichtigen Aspekt der kirchlichen Jugendlichkeit beruumlhrt Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Fuumlr die meisten Zeitgenossen ist wohl der Gedanke die katholische Lehre koumlnnte irgend-etwas mit Jugendlichkeit zu tun ha-ben recht befremdlich Dogmen rufen fuumlr gewoumlhnlich eher Assoziationen wie bdquomittelalterlichldquo bdquoverknoumlchertldquo bdquoaltbackenldquo auf den Plan waumlhrend das neuzeitliche und moderne Denken das sich gegen die Kirche und ihre Ver-kuumlndigung verbindlicher Wahrheiten wendet jung und jugendlich zu sein scheint Doch tatsaumlchlich verhaumllt es sich genau umgekehrt

bdquoSixtinische Madonnaldquo von Raffael (1512)

Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Das gesamte uumlbernatuumlrliche Leben beruht auf ihm und zieht aus ihm seine naumlhrenden Kraumlfte

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Das haben bereits die Kirchenvaumlter dargelegt Ein wichtiger Begriff den sie hier ins Spiel bringen ist die Jung-fraumlulichkeit Freilich hat das Wort nur im Deutschen als erste Silbe bdquoJungldquo Der lateinische Ausdruck heiszligt vir gi-ni tas und hat mit Jugendlichkeit zu-naumlchst nichts zu tun bdquoJungfraumlulich-keitldquo meint im unmittelbaren Wortsinn die koumlrperliche Unversehrtheit vor al-lem der Frau und dann im geistlichen Sprachgebrauch die unversehrte Hin-gabe des Menschen an Gott Daszlig sich von hier aus aber dennoch ein Bo gen

zum Jungsein der Kirche spannt zeigt uns der heilige Augu stinus

In verschiedenen Zusammenhaumln gen ist ihm die Entsprechung zwi schen Maria und der Kirche wichtig So fuumlhrt Augustinus in seiner Schrift uumlber die Jungfraumlulichkeit aus daszlig beide ndash jene

die das Haupt des mystischen Leibes koumlr perlich geboren hat und diese welche die Glieder des Hauptes geist-licherweise zur Welt bringt ndash jungfraumlu-lich geblieben sind10 In seinem Kom-mentar zum Johannesevangelium aber stellt er die Frage was denn die Jungfraumlulichkeit der Kirche ausmache da sie doch verheiratete und unver-heiratete Glieder umfasse Seine Ant-wort integra fi des solida spes sincera caritas ndash bdquounversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebeldquo11 Welch passende Beschreibung geistiger Ju-gend Dementsprechend sind fuumlr Au-gustinus die Haumlretiker solche die von der Schlange her kom men um die Jungfraumlulichkeit im Herzen der Kirche zu korrumpieren die im unversehrten Glau ben besteht12 Dementsprechend schaut auch die heilige Hildegard von Bingen die Kirche als von bdquogottlosen Verfuumlhrernldquo bedraumlngt bdquodie auf sie ein-dringen um ihre Jungfraumlulichkeit den katholischen Glauben zu verletzen Doch sie wiedersteht ihnen mannhaft damit sie nicht Schaden erleide denn Jungfrau war sie ist sie und wird sie bleiben weil der wahre Glaube die Materie ihrer Jungfraumlulichkeit durch keinen Irrtum befleckt werden kannldquo13

Jungfraumlulichkeit und Jugendlichkeit sind zwar nicht identisch In unse-rem Zusammenhang aber stehen sie in enger Beziehung zueinander da die Korruption der einen Eigenschaft auch den Verlust der anderen mit sich

10 Augustinus De sancta virginitate II11 Augustinus In Ioan 131212 Augustinus In Ioan 9213 Hildegard von Bingen Scivias 2Buch 3Schau (Ausg Salzburg 7 1981 165)

bringt Wenn das Konzil von Trient den Glauben fundamentum et radix omnis iustificationis bdquoGrundlage und Wurzel jeglicher Rechtfertigungldquo nennt14 sagt es damit daszlig das gesamte uumlbernatuumlr-liche Leben auf dem Glauben errichtet ist und aus ihm seine naumlhrenden Kraumlf-te zieht Ein Gebaumlude auf bruumlchigem Fundament wird zur Ruine eine Pflan-ze mit kranker Wurzel welkt dahin Bil-der des Alterns

Ebenso verloumlre die Kirche in der Jung-fraumlulichkeit des integren Glaubens beschaumldigt ihre Vitalitaumlt Sie wuumlrde zu einer unter vielen anderen mensch-lichen Einrichtungen die einmal ge-gruumlndet wurden eine gewisse Bluumlte-zeit erlebten dann aber vergangen sind Nicht zuletzt die verhaumlngnisvol-len Entwicklungen der Gegenwart il-lustrieren diesen Zusammenhang Wo ein Ab- und Umbau des katholischen Glaubens betrieben wird setzen Abfall und Uumlberalterung ein Paradoxerweise verliert das kirchliche Leben mit der Jungfraumlulichkeit des Glaubens auch die Fruchtbarkeit denn wie in Maria sind in der Kirche Mutterschaft und Jungfraumlulichkeit untrennbar verbun-den Eines ist ohne das andere nicht zu haben Gelaumlnge die Trennung den-

14 Konzil von Trient Rechtfertigungsdekret 6 Sitshyzung Kap 8 DH 1532

hl Augustinus (Philippe de Champaigne 1602-1674)

Hildegard von Bingen

Was macht die Jungfraumlulichkeit der Kirche aus unversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebe

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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noch so bliebe die traurige Weder-noch-Gestalt einer kinderlosen Alten zuruumlck die auch des Glanzes der Un-versehrtheit entbehrt Und versuchte dieses jammervolle Wesen dennoch sich in einer Pseudo-Ju gend lichkeit mit kuumlnstlicher Frische und aufgesetz-tem Elan zu praumlsentieren so waumlre das ein Bild der Peinlichkeit

Warum uumlbrigens an dieser Stelle im Konjunktiv sprechen Leider erleben wir es ja in unseren Tagen zur Genuuml-ge wie in Teilen der Kirche die Glau-benswurzel gekappt wurde und seit-her kaum noch junges Leben sprieszligt Aufwaumlndig inszenierte Jugendgottes-dienste die zumeist eher gut gemeint

als gut gemacht sind uumlberspielen mit donnernden Rhyth men und schmalzi-gen Ruumlhr se lig kei ten mit grellen Far-ben und fla chen Gags die geistige und auch physische Uumlberalterung

bdquoLeere Toumlpfe scheppern am laute stenldquo sagt ein daumlnisches Sprich wort Viele ernsthafte katholische Jugend liche die doch an gelockt und angespro-chen wer den sollen wenden sich da-von ab Ein Aufscheinen der wahren Jugend der Kirche in der Strahlkraft ih-res jungfraumlulich-un verfaumllschten Glau-bens waumlre ohne Zweifel von groumlszligerer Attraktivitaumlt

Zusammenfassend koumlnnen wir zu un-serer ersten Frage sagen Die Kirche ist jung wie ihr Urbild die jungfraumluliche Gottesmutter Sie ist jung weil sie wie Maria den Sohn Gottes die Quelle allen Lebens in sich traumlgt Sie ist jung weil das Licht ihrer Lehre nicht erlischt weil die Lebensstroumlme in ihr nicht versie-gen weil die Kraft ihres Wir kens nicht nachlaumlszligt Sie ist jung weil sie ndash trotz ih-rer langen und reichen Vergangenheit ndash nicht in der Retrospektive verharrt und dabei wie die Frau des Lot erstarrt (Gen 1926) sondern sich der Zukunft zuwendet dem Osten von wo sie den wiederkommenden Herrn erwartet Die Kirche ist und bleibt letztlich jung weil derjenige in ihr fortlebt fortlehrt und fortwirkt von dem der Hebraumler-brief sagt daszlig er derselbe ist gestern heute und in Ewigkeit (138)

Der Jungbrunnen der KircheDamit wenden wir uns jetzt der zwei-ten Frage zu Woraus empfaumlngt die Kirche ihre Jugendlichkeit Dafuumlr daszlig sie sich trotz des Verrinnens der Zeit trotz des Al terns der Menschen und ihrer Ein richtungen bestaumlndiger Ju-gend erfreut muszlig es doch einen hin-reichenden Grund geben Mythisch gesprochen einen Jungbrunnen in den hineinsteigend sie sich stetig er-neuert und ein Lebenselixier dessen Trank sie jung erhaumllt

Daszlig der katholische Glaube in einem weiteren Sinn diese Aufgabe uumlber-nimmt sollte aus dem bereits Ge-sagten hervorgegangen sein Selbst-verstaumlndlich lebt die Kirche aus dem Glauben Selbstverstaumlndlich verleiht ihr seine unveraumlnderliche Wahrheit eine einzigartige Bestaumlndigkeit Und selbstverstaumlndlich verjuumlngt sich die Kirche dadurch daszlig sie wie Maria die heiligen Worte in ihrem Herzen be-wahrt und erwaumlgt (Lk 219) das heiszligt sie theologisch und geistlich entfaltet Aber dennoch erwarten wir wenn von Jungbrunnen und Lebenselixier die Rede ist mit Recht etwas anderes Hier muszlig doch irgendwo Wasser plaumlt-schern und ein starker Trunk genossen werden Sehen wir daher naumlher hin

Den Jungbrunnen hat Lucas Cranach der Aumlltere auf einem Gemaumllde aus dem Jahr 1546 das sich in der Berliner Gemaumlldegalerie befindet eindrucks-voll dargestellt Da werden betagte Frauen auf verschiedenen Gefaumlhrten

Jugendgottesdienst

Einladung zur Jugend-Wortgottes-Feier

Der Jungbrunnen (Lucas Cranach der Aumlltere)

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zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

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Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 3: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

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ditionsfremde Regelung enttaumluscht bis erbost Seither hat sich in Personal-fragen ndash die Papstwahl einmal ausge-nommen ndash der Trend zum Einsatz juumln-gerer Personen in verantwortungsvol-len Positionen noch deutlich verstaumlrkt

Die Analyse verschiedener Anspra-chen Papst Pauls VI an Jugendliche und aumlhnlicher Texte fuumlhrt Amerio zu der Einschaumltzung Vor lauter Bewun-derung fuumlr die jungen Menschen ha-ben die kirchlichen Autoritaumlten ver-gessen daszlig jugendlicher Schwung und kritisches Potential an sich noch keinen Wert darstellen Anstatt die Jugend zu verherrlichen bestehe die Aufgabe der Kirche doch vielmehr da-rin ihr durch klare feste Fuumlhrung und Unterweisung Formung und Praumlgung zu geben Aber es habe sich eben auch der Kirchenleute die bdquoBegeisterung fuumlr Hebeldquo bemaumlchtigt ja sie fuumlhrten gera-dezu einem bdquoTanz um Hebeldquo6 aus Hebe ist in der griechischen Mythologie die goumlttlich personifizierte Jugend die sich als Mundschenk der Goumltter betauml-tigt ihnen Nektar und Ambrosia reicht

Angesichts solcher Vorwuumlrfe erhebt sich aber doch die Frage Ist es nicht ein berechtigtes Anliegen der Kirche ein junges Erscheinungsbild zu geben um die Zeitgenossen besser zu errei-chen Die Antwort sollte vorsichtig positiv ausfallen Positiv weil ein fri-sches jugendliches Antlitz von groszliger Anziehungskraft ist Doch vorsichtig weil Verjuumlngungs operationen auch gruumlndlich danebengehen koumlnnen Man erinnere sich nur an die denk-wuumlrdige Novelle bdquoTod in Venedigldquo von

6 Ebd 206 f

Thomas Mann In ihr wird der hoch-angesehene Schriftsteller Gu stav von Aschenbach bei der Uumlberfahrt in die Lagungenstadt durch einen alten Gecken angewidert der sich durch Schminke gefaumlrbtes Haar und kuumlnstli-ches Gebiszlig mit den jungen Leuten die ihn umgeben gemeinzumachen ver-sucht Im Verlauf der Erzaumlhlung aller-dings verfaumlllt Aschenbach in dieselbe Verhaltensweise nachdem er in Lei-denschaft fuumlr einen Jungen entbrannt ist und nimmt ein tragisches Ende

Nicht daszlig sich Thomas Manns Novelle direkt auf die kirchliche Lage uumlbertra-gen lieszlige Die Sanc ta Ecclesia als sol-che kann ihr wahres Wesen nicht der-art entstellen und entehren ohne sich selbst aufzugeben Und doch kommt es vor daszlig ihre oumlffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes bdquoAllen bin ich al-les gewordenldquo (1 Kor 922) eine Anpas-sung der alten Kirche an die Trends der Jugend versuchen die dem wuumlrdelo-sen Auftreten zunaumlchst des Gecken auf dem Schiff und am Ende Gustav von Aschenbachs zumindest nicht ganz unaumlhnlich ist

Mir faumlllt in diesem Zusammenhang eine bezeichnende Szene auf dem Weltjugendtag 2013 ein Da lieszlig sich eine betraumlchtliche Menge von Bischouml-fen an der Copacabana von jungen Animateuren zu einem bdquoFlash mobldquo anleiten ja regelreicht aufheizen Sie fuumlhrten oft mehr schlecht als recht die eingeuumlbten Tanzbewegungen aus schuumlttelten die Arme und versuchten in den poppigen Gesang einzustim-men Nicht nur fuumlr glaumlubige Katholi-ken sondern generell fuumlr Menschen

mit Sinn fuumlr Wuumlrde und Dezenz ist es eine Zumutung solches ansehen zu muumlssen Daacutevila trifft den wunden Punkt wenn er einmal mit der ihm ei-genen Schaumlrfe bemerkt bdquoDer alternde Progressist hat die Nostalgien einer al-ten Kokotteldquo7

Discerne causam meamhellipDas bisher Gesagte stand im Zeichen des Widerspruchs des Widerspruchs gegen einen modernen Kult des Jung-seins gegen die Miszligachtung des Al-ters sowie gegen den Versuch der

Kirche sich einer bestimmten Art von Jugendlichkeit anzugleichen Solcher Widerspruch ist gerade dort noumltig wo es um ein zutiefst positives Anliegen

7 Nicolaacutes Goacutemez Daacutevila Einsamkeiten Wien 1987122

Stufengebet

Anstatt die Jugend zu verherrlichen besteht die Aufgabe der Kirche doch darin ihr durch klare feste Fuumlhrung und Unterweisung Formung und Praumlgung zu geben

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geht So beginnt auch der 42 Psalm (nach der Vulgata) der uns als Stufen-gebet-Psalm noch beschaumlftigen wird mit einer deutlichen Grenzziehung Iudica me Deus et discerne causam meam de gente non sancta ndash bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide mei-ne Sache von einem unheiligen Volkeldquo Die Scheidung aber wird um einer Ver-einigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Ebenso muszligten wir uns zuerst von einem irrigen Verstaumlndnis kirchlicher Jugendlichkeit verabschieden um nun ohne Miszligverstaumlndnisse die Wahr-heit betrachten zu koumlnnen die in der so haumlufig zu houmlrenden Aussage liegt bdquoDie Kirche ist jungldquo Dabei wollen wir uns drei Fragen stellen 1 Inwiefern ist die uralte Kirche denn jung ndash 2 Wo-raus schoumlpft sie ihre Jugendlichkeit wo also ist ihr Jungbrunnen zu finden und was ist ihr Lebenselixier ndash 3 Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend erlangen Es sei bemerkt daszlig im folgenden die Worte bdquojungldquo und bdquojugendlichldquo fuumlr gewoumlhnlich wie Syno-nyme behandelt werden Mit bdquoJugend-lichkeitldquo ist also nicht die Altersstufe zwischen 13 und 25 Jahren schon gar nicht eine pubertaumlr-aufmuumlpfige Hal-tung gemeinthellip Doch beginnen wir nun ordnungsgemaumlszlig mit der ersten Frage Inwiefern die uralte Kirche denn jung sei

Wahre Jugend der KircheNeben der Hervorhebung des Alters der Kirche der wir bereits bei Augus-tinus und Gregor dem Groszligen begeg-net sind kennt die Uumlberlieferung sehr

wohl auch den dazugehoumlrigen Kontra-punkt die junge Kirche Dabei hat die Behauptung die Kirche sei jung rein gar nichts mit einer Durchhalteparole oder einem Werbeslogan gemein Das hier angesprochene Jungsein steht auch in keinem Widerspruch zum ho-hen Alter der Kirche im Gegenteil beide Eigenschaften gehoumlren sogar auf das Engste zusammen Das Alter der Kirche hat mit einem Veraltet-Sein ebenso wenig wie ihre Jugend mit Un-erfahrenheit zu tun Vielmehr geht es hier um eine Art bestaumlndiger vor dem Hintergrund der erhofften Vollendung sogar ewiger Jugend um die Erfuumlllung also eines Traums der die Menschheit von den antiken Mythen bis in moder-ne medizinische Verheiszligungen hinein be staumln dig durchzieht

Die Jugend der Kirche bereits ange-deutet und ausgemalt in vielfaumlltigen alttestamentlichen Worten und Bil-dern wird an einer bezeichnenden Begegnung in der Zeitenwende deut-lich naumlmlich derjenigen Mariens mit ihrer Base Elisabeth (Lk 139 ff) Hier treffen personifiziert aufeinander die

Verheiszligung und ihre Erfuumlllung der schwindende alte und der kommende neue Bund Elisabeth die Frau im vor-geruumlckten Alter traumlgt den Vorlaumlufer in sich der ein letzter starker Hinweis auf den verheiszligenen Messias sein wird waumlhrend die sehr junge Maria in ho-her Erwartung gerade dieses Erloumlsers steht den sie jungfraumlulich vom Hei-ligen Geist empfangen hat Sie wird nicht ndash wie Elisabeth und ihr Sohn Jo-hannes ndash zuruumlcktreten um Groumlszligerem Platz zu machen sondern gemeinsam mit Jesus in das Werk der Erloumlsung ein-treten und dann als seine Mutter und Mutter seiner Kinder ewig an seiner Seite bleiben

Maria die Jungfrau und Mutter ist Ur-bild der Kirche in ihrem doppelten As-pekt der in den beiden griechischen Worten kyriakeacute8 und ekklesiacutea9 zum Ausdruck kommt In ihrer Jungfraumlu-lichkeit stellt sie die Kirche als kyriakeacute

8 Daher das deutsche Wort Kirche das englische church und das niederlaumlndische kerk9 Daher lateinisch ecclesia spanisch iglesia franshyzoumlsisch eacuteglise hellip

Maria besucht Elisabeth

bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide meine Sache von einem unheiligen Volkldquo Die Scheidung wird um einer Vereinigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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dar als bdquodie dem Herrn gehoumlrendeldquo unversehrte Braut die ihm in unver-bruumlchlicher Liebe und Treue anhaumlngt Und in ihrer Mutterschaft steht Maria fuumlr die ekklesiacutea die aus allen anderen von Gott und fuumlr Gott bdquoHerausgerufe-neldquo die in einem einzigartigen Wun-der Jesus bdquodem Erstgeborenen unter vielen Bruumldernldquo (Roumlm 829) das Leben schenkt um die sich dann aber auch die anderen Gotteskinder die Bruumlder des Erstgeborenen scharen werden

Die Kirche ist jung denn ihr Ty pos ist eben nicht die mythische Urmutter Gaia oder die Stammutter Eva die nach dem Suumlndenfall dahinwelkte sondern diese jungfraumluliche Gottes-mutter Nach dem Vesperhymnus

Ave maris stella der an ihren Festen erklingt hat Maria Evas un heils be la-denen Na men in das zukunftstraumlchti-ge Ave umgewandelt (mutans Evae no-men) Die Liturgie am Fest der Unbe-fleckten Empfaumlngnis preist sie im An-schluszlig an das Hohelied (47) mit den Worten Tota pulchra es Maria et macu-la originalis non est in te ndash bdquoGanz schoumln bist du Maria und der Ursprungsma-kel ist nicht an dirldquo Damit wird sie der Menschheit gegenuumlbergestellt deren Dasein seit der Suumlnde der Stammel-tern im Zeichen des Alterns und Ver-falls steht Weder in leiblicher noch in geistiger Hinsicht war Maria in diesen Niedergang einbezogen Ihre Existenz war nicht ein bdquoSein zum Todeldquo (Martin Heidegger) sondern ein bdquoSein im Le-benldquo ja schon der Beginn des himmli-schen Lebens

Daher bleibt nach der Himmelfahrt mit ihrer Jungfraumlulichkeit auch ihre Ju-gend ewig bestehen

Was von der Gottesmutter gilt gilt analog auch von der heiligen Kirche Sie kann fuumlr sich in Anspruch neh-men jung zu sein auch dann wenn sie selbst Jahrtausende zaumlhlt und ihre meisten Kinder schon laumlngst verstor-ben sind Weil die Kirche in ihrem We-sen nicht von der Suumlnde verdorben und daher keinem Alterungsprozeszlig unterworfen ist erfreut sie sich einer bleibenden ja letztlich ewigen Ju-gend

Daher koumlnnen alle Versuche eines Ag-giornamento einer bdquoVer heu tigungldquo wie sie Papst Johannes XXIII mit der Einbe-rufung des letzten Konzils im Sinn hat-te nur den aumluszligeren Bereich ihres zeit-

lichen Wirkens betreffen Ohne Zweifel die Administration und Organisation Aber auch die Verkuumlndigung denn sie erfordert ein Auf-den-Tag-Bringen in-sofern es gilt in heute verstaumlndlicher Weise zu den Problemen der Gegen-wart Stellung zu nehmen moderne Irr tuumlmer abzuweisen und augenblick-lich grassierende Krankheiten zu be-handeln Hier tut eine Aktualisierung des Anti-Viren-Pro gramms immer wieder not wie die Entwicklungen der Gegenwart hinlaumlnglich zeigen Doch empfaumlngt die Kirche dabei eben nicht gleichsam ein Update von auszligen von der gefallenen vergaumlnglichen Welt Vielmehr schoumlpft sie die Antworten und Heilmittel fuumlr die jeweilige Zeit aus ihrem eigenen Inneren in dem sie das ihr anvertraute Gut bewahrt (1 Tim 620) und den Schatz der geoffenbar-ten Wahrheit das depositum fidei vor Uumlbergriffen schuumltzt

Jungfraumlulichkeit unversehrten GlaubensHiermit haben wir einen wichtigen Aspekt der kirchlichen Jugendlichkeit beruumlhrt Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Fuumlr die meisten Zeitgenossen ist wohl der Gedanke die katholische Lehre koumlnnte irgend-etwas mit Jugendlichkeit zu tun ha-ben recht befremdlich Dogmen rufen fuumlr gewoumlhnlich eher Assoziationen wie bdquomittelalterlichldquo bdquoverknoumlchertldquo bdquoaltbackenldquo auf den Plan waumlhrend das neuzeitliche und moderne Denken das sich gegen die Kirche und ihre Ver-kuumlndigung verbindlicher Wahrheiten wendet jung und jugendlich zu sein scheint Doch tatsaumlchlich verhaumllt es sich genau umgekehrt

bdquoSixtinische Madonnaldquo von Raffael (1512)

Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Das gesamte uumlbernatuumlrliche Leben beruht auf ihm und zieht aus ihm seine naumlhrenden Kraumlfte

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Das haben bereits die Kirchenvaumlter dargelegt Ein wichtiger Begriff den sie hier ins Spiel bringen ist die Jung-fraumlulichkeit Freilich hat das Wort nur im Deutschen als erste Silbe bdquoJungldquo Der lateinische Ausdruck heiszligt vir gi-ni tas und hat mit Jugendlichkeit zu-naumlchst nichts zu tun bdquoJungfraumlulich-keitldquo meint im unmittelbaren Wortsinn die koumlrperliche Unversehrtheit vor al-lem der Frau und dann im geistlichen Sprachgebrauch die unversehrte Hin-gabe des Menschen an Gott Daszlig sich von hier aus aber dennoch ein Bo gen

zum Jungsein der Kirche spannt zeigt uns der heilige Augu stinus

In verschiedenen Zusammenhaumln gen ist ihm die Entsprechung zwi schen Maria und der Kirche wichtig So fuumlhrt Augustinus in seiner Schrift uumlber die Jungfraumlulichkeit aus daszlig beide ndash jene

die das Haupt des mystischen Leibes koumlr perlich geboren hat und diese welche die Glieder des Hauptes geist-licherweise zur Welt bringt ndash jungfraumlu-lich geblieben sind10 In seinem Kom-mentar zum Johannesevangelium aber stellt er die Frage was denn die Jungfraumlulichkeit der Kirche ausmache da sie doch verheiratete und unver-heiratete Glieder umfasse Seine Ant-wort integra fi des solida spes sincera caritas ndash bdquounversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebeldquo11 Welch passende Beschreibung geistiger Ju-gend Dementsprechend sind fuumlr Au-gustinus die Haumlretiker solche die von der Schlange her kom men um die Jungfraumlulichkeit im Herzen der Kirche zu korrumpieren die im unversehrten Glau ben besteht12 Dementsprechend schaut auch die heilige Hildegard von Bingen die Kirche als von bdquogottlosen Verfuumlhrernldquo bedraumlngt bdquodie auf sie ein-dringen um ihre Jungfraumlulichkeit den katholischen Glauben zu verletzen Doch sie wiedersteht ihnen mannhaft damit sie nicht Schaden erleide denn Jungfrau war sie ist sie und wird sie bleiben weil der wahre Glaube die Materie ihrer Jungfraumlulichkeit durch keinen Irrtum befleckt werden kannldquo13

Jungfraumlulichkeit und Jugendlichkeit sind zwar nicht identisch In unse-rem Zusammenhang aber stehen sie in enger Beziehung zueinander da die Korruption der einen Eigenschaft auch den Verlust der anderen mit sich

10 Augustinus De sancta virginitate II11 Augustinus In Ioan 131212 Augustinus In Ioan 9213 Hildegard von Bingen Scivias 2Buch 3Schau (Ausg Salzburg 7 1981 165)

bringt Wenn das Konzil von Trient den Glauben fundamentum et radix omnis iustificationis bdquoGrundlage und Wurzel jeglicher Rechtfertigungldquo nennt14 sagt es damit daszlig das gesamte uumlbernatuumlr-liche Leben auf dem Glauben errichtet ist und aus ihm seine naumlhrenden Kraumlf-te zieht Ein Gebaumlude auf bruumlchigem Fundament wird zur Ruine eine Pflan-ze mit kranker Wurzel welkt dahin Bil-der des Alterns

Ebenso verloumlre die Kirche in der Jung-fraumlulichkeit des integren Glaubens beschaumldigt ihre Vitalitaumlt Sie wuumlrde zu einer unter vielen anderen mensch-lichen Einrichtungen die einmal ge-gruumlndet wurden eine gewisse Bluumlte-zeit erlebten dann aber vergangen sind Nicht zuletzt die verhaumlngnisvol-len Entwicklungen der Gegenwart il-lustrieren diesen Zusammenhang Wo ein Ab- und Umbau des katholischen Glaubens betrieben wird setzen Abfall und Uumlberalterung ein Paradoxerweise verliert das kirchliche Leben mit der Jungfraumlulichkeit des Glaubens auch die Fruchtbarkeit denn wie in Maria sind in der Kirche Mutterschaft und Jungfraumlulichkeit untrennbar verbun-den Eines ist ohne das andere nicht zu haben Gelaumlnge die Trennung den-

14 Konzil von Trient Rechtfertigungsdekret 6 Sitshyzung Kap 8 DH 1532

hl Augustinus (Philippe de Champaigne 1602-1674)

Hildegard von Bingen

Was macht die Jungfraumlulichkeit der Kirche aus unversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebe

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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noch so bliebe die traurige Weder-noch-Gestalt einer kinderlosen Alten zuruumlck die auch des Glanzes der Un-versehrtheit entbehrt Und versuchte dieses jammervolle Wesen dennoch sich in einer Pseudo-Ju gend lichkeit mit kuumlnstlicher Frische und aufgesetz-tem Elan zu praumlsentieren so waumlre das ein Bild der Peinlichkeit

Warum uumlbrigens an dieser Stelle im Konjunktiv sprechen Leider erleben wir es ja in unseren Tagen zur Genuuml-ge wie in Teilen der Kirche die Glau-benswurzel gekappt wurde und seit-her kaum noch junges Leben sprieszligt Aufwaumlndig inszenierte Jugendgottes-dienste die zumeist eher gut gemeint

als gut gemacht sind uumlberspielen mit donnernden Rhyth men und schmalzi-gen Ruumlhr se lig kei ten mit grellen Far-ben und fla chen Gags die geistige und auch physische Uumlberalterung

bdquoLeere Toumlpfe scheppern am laute stenldquo sagt ein daumlnisches Sprich wort Viele ernsthafte katholische Jugend liche die doch an gelockt und angespro-chen wer den sollen wenden sich da-von ab Ein Aufscheinen der wahren Jugend der Kirche in der Strahlkraft ih-res jungfraumlulich-un verfaumllschten Glau-bens waumlre ohne Zweifel von groumlszligerer Attraktivitaumlt

Zusammenfassend koumlnnen wir zu un-serer ersten Frage sagen Die Kirche ist jung wie ihr Urbild die jungfraumluliche Gottesmutter Sie ist jung weil sie wie Maria den Sohn Gottes die Quelle allen Lebens in sich traumlgt Sie ist jung weil das Licht ihrer Lehre nicht erlischt weil die Lebensstroumlme in ihr nicht versie-gen weil die Kraft ihres Wir kens nicht nachlaumlszligt Sie ist jung weil sie ndash trotz ih-rer langen und reichen Vergangenheit ndash nicht in der Retrospektive verharrt und dabei wie die Frau des Lot erstarrt (Gen 1926) sondern sich der Zukunft zuwendet dem Osten von wo sie den wiederkommenden Herrn erwartet Die Kirche ist und bleibt letztlich jung weil derjenige in ihr fortlebt fortlehrt und fortwirkt von dem der Hebraumler-brief sagt daszlig er derselbe ist gestern heute und in Ewigkeit (138)

Der Jungbrunnen der KircheDamit wenden wir uns jetzt der zwei-ten Frage zu Woraus empfaumlngt die Kirche ihre Jugendlichkeit Dafuumlr daszlig sie sich trotz des Verrinnens der Zeit trotz des Al terns der Menschen und ihrer Ein richtungen bestaumlndiger Ju-gend erfreut muszlig es doch einen hin-reichenden Grund geben Mythisch gesprochen einen Jungbrunnen in den hineinsteigend sie sich stetig er-neuert und ein Lebenselixier dessen Trank sie jung erhaumllt

Daszlig der katholische Glaube in einem weiteren Sinn diese Aufgabe uumlber-nimmt sollte aus dem bereits Ge-sagten hervorgegangen sein Selbst-verstaumlndlich lebt die Kirche aus dem Glauben Selbstverstaumlndlich verleiht ihr seine unveraumlnderliche Wahrheit eine einzigartige Bestaumlndigkeit Und selbstverstaumlndlich verjuumlngt sich die Kirche dadurch daszlig sie wie Maria die heiligen Worte in ihrem Herzen be-wahrt und erwaumlgt (Lk 219) das heiszligt sie theologisch und geistlich entfaltet Aber dennoch erwarten wir wenn von Jungbrunnen und Lebenselixier die Rede ist mit Recht etwas anderes Hier muszlig doch irgendwo Wasser plaumlt-schern und ein starker Trunk genossen werden Sehen wir daher naumlher hin

Den Jungbrunnen hat Lucas Cranach der Aumlltere auf einem Gemaumllde aus dem Jahr 1546 das sich in der Berliner Gemaumlldegalerie befindet eindrucks-voll dargestellt Da werden betagte Frauen auf verschiedenen Gefaumlhrten

Jugendgottesdienst

Einladung zur Jugend-Wortgottes-Feier

Der Jungbrunnen (Lucas Cranach der Aumlltere)

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zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

35Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 4: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

29Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

geht So beginnt auch der 42 Psalm (nach der Vulgata) der uns als Stufen-gebet-Psalm noch beschaumlftigen wird mit einer deutlichen Grenzziehung Iudica me Deus et discerne causam meam de gente non sancta ndash bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide mei-ne Sache von einem unheiligen Volkeldquo Die Scheidung aber wird um einer Ver-einigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Ebenso muszligten wir uns zuerst von einem irrigen Verstaumlndnis kirchlicher Jugendlichkeit verabschieden um nun ohne Miszligverstaumlndnisse die Wahr-heit betrachten zu koumlnnen die in der so haumlufig zu houmlrenden Aussage liegt bdquoDie Kirche ist jungldquo Dabei wollen wir uns drei Fragen stellen 1 Inwiefern ist die uralte Kirche denn jung ndash 2 Wo-raus schoumlpft sie ihre Jugendlichkeit wo also ist ihr Jungbrunnen zu finden und was ist ihr Lebenselixier ndash 3 Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend erlangen Es sei bemerkt daszlig im folgenden die Worte bdquojungldquo und bdquojugendlichldquo fuumlr gewoumlhnlich wie Syno-nyme behandelt werden Mit bdquoJugend-lichkeitldquo ist also nicht die Altersstufe zwischen 13 und 25 Jahren schon gar nicht eine pubertaumlr-aufmuumlpfige Hal-tung gemeinthellip Doch beginnen wir nun ordnungsgemaumlszlig mit der ersten Frage Inwiefern die uralte Kirche denn jung sei

Wahre Jugend der KircheNeben der Hervorhebung des Alters der Kirche der wir bereits bei Augus-tinus und Gregor dem Groszligen begeg-net sind kennt die Uumlberlieferung sehr

wohl auch den dazugehoumlrigen Kontra-punkt die junge Kirche Dabei hat die Behauptung die Kirche sei jung rein gar nichts mit einer Durchhalteparole oder einem Werbeslogan gemein Das hier angesprochene Jungsein steht auch in keinem Widerspruch zum ho-hen Alter der Kirche im Gegenteil beide Eigenschaften gehoumlren sogar auf das Engste zusammen Das Alter der Kirche hat mit einem Veraltet-Sein ebenso wenig wie ihre Jugend mit Un-erfahrenheit zu tun Vielmehr geht es hier um eine Art bestaumlndiger vor dem Hintergrund der erhofften Vollendung sogar ewiger Jugend um die Erfuumlllung also eines Traums der die Menschheit von den antiken Mythen bis in moder-ne medizinische Verheiszligungen hinein be staumln dig durchzieht

Die Jugend der Kirche bereits ange-deutet und ausgemalt in vielfaumlltigen alttestamentlichen Worten und Bil-dern wird an einer bezeichnenden Begegnung in der Zeitenwende deut-lich naumlmlich derjenigen Mariens mit ihrer Base Elisabeth (Lk 139 ff) Hier treffen personifiziert aufeinander die

Verheiszligung und ihre Erfuumlllung der schwindende alte und der kommende neue Bund Elisabeth die Frau im vor-geruumlckten Alter traumlgt den Vorlaumlufer in sich der ein letzter starker Hinweis auf den verheiszligenen Messias sein wird waumlhrend die sehr junge Maria in ho-her Erwartung gerade dieses Erloumlsers steht den sie jungfraumlulich vom Hei-ligen Geist empfangen hat Sie wird nicht ndash wie Elisabeth und ihr Sohn Jo-hannes ndash zuruumlcktreten um Groumlszligerem Platz zu machen sondern gemeinsam mit Jesus in das Werk der Erloumlsung ein-treten und dann als seine Mutter und Mutter seiner Kinder ewig an seiner Seite bleiben

Maria die Jungfrau und Mutter ist Ur-bild der Kirche in ihrem doppelten As-pekt der in den beiden griechischen Worten kyriakeacute8 und ekklesiacutea9 zum Ausdruck kommt In ihrer Jungfraumlu-lichkeit stellt sie die Kirche als kyriakeacute

8 Daher das deutsche Wort Kirche das englische church und das niederlaumlndische kerk9 Daher lateinisch ecclesia spanisch iglesia franshyzoumlsisch eacuteglise hellip

Maria besucht Elisabeth

bdquoSchaffe mir recht Gott und unterscheide meine Sache von einem unheiligen Volkldquo Die Scheidung wird um einer Vereinigung willen vorgenommen Auf dem heiligen Berg des Altares will der Beter Gott selbst begegnen

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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dar als bdquodie dem Herrn gehoumlrendeldquo unversehrte Braut die ihm in unver-bruumlchlicher Liebe und Treue anhaumlngt Und in ihrer Mutterschaft steht Maria fuumlr die ekklesiacutea die aus allen anderen von Gott und fuumlr Gott bdquoHerausgerufe-neldquo die in einem einzigartigen Wun-der Jesus bdquodem Erstgeborenen unter vielen Bruumldernldquo (Roumlm 829) das Leben schenkt um die sich dann aber auch die anderen Gotteskinder die Bruumlder des Erstgeborenen scharen werden

Die Kirche ist jung denn ihr Ty pos ist eben nicht die mythische Urmutter Gaia oder die Stammutter Eva die nach dem Suumlndenfall dahinwelkte sondern diese jungfraumluliche Gottes-mutter Nach dem Vesperhymnus

Ave maris stella der an ihren Festen erklingt hat Maria Evas un heils be la-denen Na men in das zukunftstraumlchti-ge Ave umgewandelt (mutans Evae no-men) Die Liturgie am Fest der Unbe-fleckten Empfaumlngnis preist sie im An-schluszlig an das Hohelied (47) mit den Worten Tota pulchra es Maria et macu-la originalis non est in te ndash bdquoGanz schoumln bist du Maria und der Ursprungsma-kel ist nicht an dirldquo Damit wird sie der Menschheit gegenuumlbergestellt deren Dasein seit der Suumlnde der Stammel-tern im Zeichen des Alterns und Ver-falls steht Weder in leiblicher noch in geistiger Hinsicht war Maria in diesen Niedergang einbezogen Ihre Existenz war nicht ein bdquoSein zum Todeldquo (Martin Heidegger) sondern ein bdquoSein im Le-benldquo ja schon der Beginn des himmli-schen Lebens

Daher bleibt nach der Himmelfahrt mit ihrer Jungfraumlulichkeit auch ihre Ju-gend ewig bestehen

Was von der Gottesmutter gilt gilt analog auch von der heiligen Kirche Sie kann fuumlr sich in Anspruch neh-men jung zu sein auch dann wenn sie selbst Jahrtausende zaumlhlt und ihre meisten Kinder schon laumlngst verstor-ben sind Weil die Kirche in ihrem We-sen nicht von der Suumlnde verdorben und daher keinem Alterungsprozeszlig unterworfen ist erfreut sie sich einer bleibenden ja letztlich ewigen Ju-gend

Daher koumlnnen alle Versuche eines Ag-giornamento einer bdquoVer heu tigungldquo wie sie Papst Johannes XXIII mit der Einbe-rufung des letzten Konzils im Sinn hat-te nur den aumluszligeren Bereich ihres zeit-

lichen Wirkens betreffen Ohne Zweifel die Administration und Organisation Aber auch die Verkuumlndigung denn sie erfordert ein Auf-den-Tag-Bringen in-sofern es gilt in heute verstaumlndlicher Weise zu den Problemen der Gegen-wart Stellung zu nehmen moderne Irr tuumlmer abzuweisen und augenblick-lich grassierende Krankheiten zu be-handeln Hier tut eine Aktualisierung des Anti-Viren-Pro gramms immer wieder not wie die Entwicklungen der Gegenwart hinlaumlnglich zeigen Doch empfaumlngt die Kirche dabei eben nicht gleichsam ein Update von auszligen von der gefallenen vergaumlnglichen Welt Vielmehr schoumlpft sie die Antworten und Heilmittel fuumlr die jeweilige Zeit aus ihrem eigenen Inneren in dem sie das ihr anvertraute Gut bewahrt (1 Tim 620) und den Schatz der geoffenbar-ten Wahrheit das depositum fidei vor Uumlbergriffen schuumltzt

Jungfraumlulichkeit unversehrten GlaubensHiermit haben wir einen wichtigen Aspekt der kirchlichen Jugendlichkeit beruumlhrt Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Fuumlr die meisten Zeitgenossen ist wohl der Gedanke die katholische Lehre koumlnnte irgend-etwas mit Jugendlichkeit zu tun ha-ben recht befremdlich Dogmen rufen fuumlr gewoumlhnlich eher Assoziationen wie bdquomittelalterlichldquo bdquoverknoumlchertldquo bdquoaltbackenldquo auf den Plan waumlhrend das neuzeitliche und moderne Denken das sich gegen die Kirche und ihre Ver-kuumlndigung verbindlicher Wahrheiten wendet jung und jugendlich zu sein scheint Doch tatsaumlchlich verhaumllt es sich genau umgekehrt

bdquoSixtinische Madonnaldquo von Raffael (1512)

Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Das gesamte uumlbernatuumlrliche Leben beruht auf ihm und zieht aus ihm seine naumlhrenden Kraumlfte

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Das haben bereits die Kirchenvaumlter dargelegt Ein wichtiger Begriff den sie hier ins Spiel bringen ist die Jung-fraumlulichkeit Freilich hat das Wort nur im Deutschen als erste Silbe bdquoJungldquo Der lateinische Ausdruck heiszligt vir gi-ni tas und hat mit Jugendlichkeit zu-naumlchst nichts zu tun bdquoJungfraumlulich-keitldquo meint im unmittelbaren Wortsinn die koumlrperliche Unversehrtheit vor al-lem der Frau und dann im geistlichen Sprachgebrauch die unversehrte Hin-gabe des Menschen an Gott Daszlig sich von hier aus aber dennoch ein Bo gen

zum Jungsein der Kirche spannt zeigt uns der heilige Augu stinus

In verschiedenen Zusammenhaumln gen ist ihm die Entsprechung zwi schen Maria und der Kirche wichtig So fuumlhrt Augustinus in seiner Schrift uumlber die Jungfraumlulichkeit aus daszlig beide ndash jene

die das Haupt des mystischen Leibes koumlr perlich geboren hat und diese welche die Glieder des Hauptes geist-licherweise zur Welt bringt ndash jungfraumlu-lich geblieben sind10 In seinem Kom-mentar zum Johannesevangelium aber stellt er die Frage was denn die Jungfraumlulichkeit der Kirche ausmache da sie doch verheiratete und unver-heiratete Glieder umfasse Seine Ant-wort integra fi des solida spes sincera caritas ndash bdquounversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebeldquo11 Welch passende Beschreibung geistiger Ju-gend Dementsprechend sind fuumlr Au-gustinus die Haumlretiker solche die von der Schlange her kom men um die Jungfraumlulichkeit im Herzen der Kirche zu korrumpieren die im unversehrten Glau ben besteht12 Dementsprechend schaut auch die heilige Hildegard von Bingen die Kirche als von bdquogottlosen Verfuumlhrernldquo bedraumlngt bdquodie auf sie ein-dringen um ihre Jungfraumlulichkeit den katholischen Glauben zu verletzen Doch sie wiedersteht ihnen mannhaft damit sie nicht Schaden erleide denn Jungfrau war sie ist sie und wird sie bleiben weil der wahre Glaube die Materie ihrer Jungfraumlulichkeit durch keinen Irrtum befleckt werden kannldquo13

Jungfraumlulichkeit und Jugendlichkeit sind zwar nicht identisch In unse-rem Zusammenhang aber stehen sie in enger Beziehung zueinander da die Korruption der einen Eigenschaft auch den Verlust der anderen mit sich

10 Augustinus De sancta virginitate II11 Augustinus In Ioan 131212 Augustinus In Ioan 9213 Hildegard von Bingen Scivias 2Buch 3Schau (Ausg Salzburg 7 1981 165)

bringt Wenn das Konzil von Trient den Glauben fundamentum et radix omnis iustificationis bdquoGrundlage und Wurzel jeglicher Rechtfertigungldquo nennt14 sagt es damit daszlig das gesamte uumlbernatuumlr-liche Leben auf dem Glauben errichtet ist und aus ihm seine naumlhrenden Kraumlf-te zieht Ein Gebaumlude auf bruumlchigem Fundament wird zur Ruine eine Pflan-ze mit kranker Wurzel welkt dahin Bil-der des Alterns

Ebenso verloumlre die Kirche in der Jung-fraumlulichkeit des integren Glaubens beschaumldigt ihre Vitalitaumlt Sie wuumlrde zu einer unter vielen anderen mensch-lichen Einrichtungen die einmal ge-gruumlndet wurden eine gewisse Bluumlte-zeit erlebten dann aber vergangen sind Nicht zuletzt die verhaumlngnisvol-len Entwicklungen der Gegenwart il-lustrieren diesen Zusammenhang Wo ein Ab- und Umbau des katholischen Glaubens betrieben wird setzen Abfall und Uumlberalterung ein Paradoxerweise verliert das kirchliche Leben mit der Jungfraumlulichkeit des Glaubens auch die Fruchtbarkeit denn wie in Maria sind in der Kirche Mutterschaft und Jungfraumlulichkeit untrennbar verbun-den Eines ist ohne das andere nicht zu haben Gelaumlnge die Trennung den-

14 Konzil von Trient Rechtfertigungsdekret 6 Sitshyzung Kap 8 DH 1532

hl Augustinus (Philippe de Champaigne 1602-1674)

Hildegard von Bingen

Was macht die Jungfraumlulichkeit der Kirche aus unversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebe

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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noch so bliebe die traurige Weder-noch-Gestalt einer kinderlosen Alten zuruumlck die auch des Glanzes der Un-versehrtheit entbehrt Und versuchte dieses jammervolle Wesen dennoch sich in einer Pseudo-Ju gend lichkeit mit kuumlnstlicher Frische und aufgesetz-tem Elan zu praumlsentieren so waumlre das ein Bild der Peinlichkeit

Warum uumlbrigens an dieser Stelle im Konjunktiv sprechen Leider erleben wir es ja in unseren Tagen zur Genuuml-ge wie in Teilen der Kirche die Glau-benswurzel gekappt wurde und seit-her kaum noch junges Leben sprieszligt Aufwaumlndig inszenierte Jugendgottes-dienste die zumeist eher gut gemeint

als gut gemacht sind uumlberspielen mit donnernden Rhyth men und schmalzi-gen Ruumlhr se lig kei ten mit grellen Far-ben und fla chen Gags die geistige und auch physische Uumlberalterung

bdquoLeere Toumlpfe scheppern am laute stenldquo sagt ein daumlnisches Sprich wort Viele ernsthafte katholische Jugend liche die doch an gelockt und angespro-chen wer den sollen wenden sich da-von ab Ein Aufscheinen der wahren Jugend der Kirche in der Strahlkraft ih-res jungfraumlulich-un verfaumllschten Glau-bens waumlre ohne Zweifel von groumlszligerer Attraktivitaumlt

Zusammenfassend koumlnnen wir zu un-serer ersten Frage sagen Die Kirche ist jung wie ihr Urbild die jungfraumluliche Gottesmutter Sie ist jung weil sie wie Maria den Sohn Gottes die Quelle allen Lebens in sich traumlgt Sie ist jung weil das Licht ihrer Lehre nicht erlischt weil die Lebensstroumlme in ihr nicht versie-gen weil die Kraft ihres Wir kens nicht nachlaumlszligt Sie ist jung weil sie ndash trotz ih-rer langen und reichen Vergangenheit ndash nicht in der Retrospektive verharrt und dabei wie die Frau des Lot erstarrt (Gen 1926) sondern sich der Zukunft zuwendet dem Osten von wo sie den wiederkommenden Herrn erwartet Die Kirche ist und bleibt letztlich jung weil derjenige in ihr fortlebt fortlehrt und fortwirkt von dem der Hebraumler-brief sagt daszlig er derselbe ist gestern heute und in Ewigkeit (138)

Der Jungbrunnen der KircheDamit wenden wir uns jetzt der zwei-ten Frage zu Woraus empfaumlngt die Kirche ihre Jugendlichkeit Dafuumlr daszlig sie sich trotz des Verrinnens der Zeit trotz des Al terns der Menschen und ihrer Ein richtungen bestaumlndiger Ju-gend erfreut muszlig es doch einen hin-reichenden Grund geben Mythisch gesprochen einen Jungbrunnen in den hineinsteigend sie sich stetig er-neuert und ein Lebenselixier dessen Trank sie jung erhaumllt

Daszlig der katholische Glaube in einem weiteren Sinn diese Aufgabe uumlber-nimmt sollte aus dem bereits Ge-sagten hervorgegangen sein Selbst-verstaumlndlich lebt die Kirche aus dem Glauben Selbstverstaumlndlich verleiht ihr seine unveraumlnderliche Wahrheit eine einzigartige Bestaumlndigkeit Und selbstverstaumlndlich verjuumlngt sich die Kirche dadurch daszlig sie wie Maria die heiligen Worte in ihrem Herzen be-wahrt und erwaumlgt (Lk 219) das heiszligt sie theologisch und geistlich entfaltet Aber dennoch erwarten wir wenn von Jungbrunnen und Lebenselixier die Rede ist mit Recht etwas anderes Hier muszlig doch irgendwo Wasser plaumlt-schern und ein starker Trunk genossen werden Sehen wir daher naumlher hin

Den Jungbrunnen hat Lucas Cranach der Aumlltere auf einem Gemaumllde aus dem Jahr 1546 das sich in der Berliner Gemaumlldegalerie befindet eindrucks-voll dargestellt Da werden betagte Frauen auf verschiedenen Gefaumlhrten

Jugendgottesdienst

Einladung zur Jugend-Wortgottes-Feier

Der Jungbrunnen (Lucas Cranach der Aumlltere)

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zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

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Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

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Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

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erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 5: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

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dar als bdquodie dem Herrn gehoumlrendeldquo unversehrte Braut die ihm in unver-bruumlchlicher Liebe und Treue anhaumlngt Und in ihrer Mutterschaft steht Maria fuumlr die ekklesiacutea die aus allen anderen von Gott und fuumlr Gott bdquoHerausgerufe-neldquo die in einem einzigartigen Wun-der Jesus bdquodem Erstgeborenen unter vielen Bruumldernldquo (Roumlm 829) das Leben schenkt um die sich dann aber auch die anderen Gotteskinder die Bruumlder des Erstgeborenen scharen werden

Die Kirche ist jung denn ihr Ty pos ist eben nicht die mythische Urmutter Gaia oder die Stammutter Eva die nach dem Suumlndenfall dahinwelkte sondern diese jungfraumluliche Gottes-mutter Nach dem Vesperhymnus

Ave maris stella der an ihren Festen erklingt hat Maria Evas un heils be la-denen Na men in das zukunftstraumlchti-ge Ave umgewandelt (mutans Evae no-men) Die Liturgie am Fest der Unbe-fleckten Empfaumlngnis preist sie im An-schluszlig an das Hohelied (47) mit den Worten Tota pulchra es Maria et macu-la originalis non est in te ndash bdquoGanz schoumln bist du Maria und der Ursprungsma-kel ist nicht an dirldquo Damit wird sie der Menschheit gegenuumlbergestellt deren Dasein seit der Suumlnde der Stammel-tern im Zeichen des Alterns und Ver-falls steht Weder in leiblicher noch in geistiger Hinsicht war Maria in diesen Niedergang einbezogen Ihre Existenz war nicht ein bdquoSein zum Todeldquo (Martin Heidegger) sondern ein bdquoSein im Le-benldquo ja schon der Beginn des himmli-schen Lebens

Daher bleibt nach der Himmelfahrt mit ihrer Jungfraumlulichkeit auch ihre Ju-gend ewig bestehen

Was von der Gottesmutter gilt gilt analog auch von der heiligen Kirche Sie kann fuumlr sich in Anspruch neh-men jung zu sein auch dann wenn sie selbst Jahrtausende zaumlhlt und ihre meisten Kinder schon laumlngst verstor-ben sind Weil die Kirche in ihrem We-sen nicht von der Suumlnde verdorben und daher keinem Alterungsprozeszlig unterworfen ist erfreut sie sich einer bleibenden ja letztlich ewigen Ju-gend

Daher koumlnnen alle Versuche eines Ag-giornamento einer bdquoVer heu tigungldquo wie sie Papst Johannes XXIII mit der Einbe-rufung des letzten Konzils im Sinn hat-te nur den aumluszligeren Bereich ihres zeit-

lichen Wirkens betreffen Ohne Zweifel die Administration und Organisation Aber auch die Verkuumlndigung denn sie erfordert ein Auf-den-Tag-Bringen in-sofern es gilt in heute verstaumlndlicher Weise zu den Problemen der Gegen-wart Stellung zu nehmen moderne Irr tuumlmer abzuweisen und augenblick-lich grassierende Krankheiten zu be-handeln Hier tut eine Aktualisierung des Anti-Viren-Pro gramms immer wieder not wie die Entwicklungen der Gegenwart hinlaumlnglich zeigen Doch empfaumlngt die Kirche dabei eben nicht gleichsam ein Update von auszligen von der gefallenen vergaumlnglichen Welt Vielmehr schoumlpft sie die Antworten und Heilmittel fuumlr die jeweilige Zeit aus ihrem eigenen Inneren in dem sie das ihr anvertraute Gut bewahrt (1 Tim 620) und den Schatz der geoffenbar-ten Wahrheit das depositum fidei vor Uumlbergriffen schuumltzt

Jungfraumlulichkeit unversehrten GlaubensHiermit haben wir einen wichtigen Aspekt der kirchlichen Jugendlichkeit beruumlhrt Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Fuumlr die meisten Zeitgenossen ist wohl der Gedanke die katholische Lehre koumlnnte irgend-etwas mit Jugendlichkeit zu tun ha-ben recht befremdlich Dogmen rufen fuumlr gewoumlhnlich eher Assoziationen wie bdquomittelalterlichldquo bdquoverknoumlchertldquo bdquoaltbackenldquo auf den Plan waumlhrend das neuzeitliche und moderne Denken das sich gegen die Kirche und ihre Ver-kuumlndigung verbindlicher Wahrheiten wendet jung und jugendlich zu sein scheint Doch tatsaumlchlich verhaumllt es sich genau umgekehrt

bdquoSixtinische Madonnaldquo von Raffael (1512)

Jung ist die Kirche vor allem in ihrem Glauben Das gesamte uumlbernatuumlrliche Leben beruht auf ihm und zieht aus ihm seine naumlhrenden Kraumlfte

31Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Das haben bereits die Kirchenvaumlter dargelegt Ein wichtiger Begriff den sie hier ins Spiel bringen ist die Jung-fraumlulichkeit Freilich hat das Wort nur im Deutschen als erste Silbe bdquoJungldquo Der lateinische Ausdruck heiszligt vir gi-ni tas und hat mit Jugendlichkeit zu-naumlchst nichts zu tun bdquoJungfraumlulich-keitldquo meint im unmittelbaren Wortsinn die koumlrperliche Unversehrtheit vor al-lem der Frau und dann im geistlichen Sprachgebrauch die unversehrte Hin-gabe des Menschen an Gott Daszlig sich von hier aus aber dennoch ein Bo gen

zum Jungsein der Kirche spannt zeigt uns der heilige Augu stinus

In verschiedenen Zusammenhaumln gen ist ihm die Entsprechung zwi schen Maria und der Kirche wichtig So fuumlhrt Augustinus in seiner Schrift uumlber die Jungfraumlulichkeit aus daszlig beide ndash jene

die das Haupt des mystischen Leibes koumlr perlich geboren hat und diese welche die Glieder des Hauptes geist-licherweise zur Welt bringt ndash jungfraumlu-lich geblieben sind10 In seinem Kom-mentar zum Johannesevangelium aber stellt er die Frage was denn die Jungfraumlulichkeit der Kirche ausmache da sie doch verheiratete und unver-heiratete Glieder umfasse Seine Ant-wort integra fi des solida spes sincera caritas ndash bdquounversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebeldquo11 Welch passende Beschreibung geistiger Ju-gend Dementsprechend sind fuumlr Au-gustinus die Haumlretiker solche die von der Schlange her kom men um die Jungfraumlulichkeit im Herzen der Kirche zu korrumpieren die im unversehrten Glau ben besteht12 Dementsprechend schaut auch die heilige Hildegard von Bingen die Kirche als von bdquogottlosen Verfuumlhrernldquo bedraumlngt bdquodie auf sie ein-dringen um ihre Jungfraumlulichkeit den katholischen Glauben zu verletzen Doch sie wiedersteht ihnen mannhaft damit sie nicht Schaden erleide denn Jungfrau war sie ist sie und wird sie bleiben weil der wahre Glaube die Materie ihrer Jungfraumlulichkeit durch keinen Irrtum befleckt werden kannldquo13

Jungfraumlulichkeit und Jugendlichkeit sind zwar nicht identisch In unse-rem Zusammenhang aber stehen sie in enger Beziehung zueinander da die Korruption der einen Eigenschaft auch den Verlust der anderen mit sich

10 Augustinus De sancta virginitate II11 Augustinus In Ioan 131212 Augustinus In Ioan 9213 Hildegard von Bingen Scivias 2Buch 3Schau (Ausg Salzburg 7 1981 165)

bringt Wenn das Konzil von Trient den Glauben fundamentum et radix omnis iustificationis bdquoGrundlage und Wurzel jeglicher Rechtfertigungldquo nennt14 sagt es damit daszlig das gesamte uumlbernatuumlr-liche Leben auf dem Glauben errichtet ist und aus ihm seine naumlhrenden Kraumlf-te zieht Ein Gebaumlude auf bruumlchigem Fundament wird zur Ruine eine Pflan-ze mit kranker Wurzel welkt dahin Bil-der des Alterns

Ebenso verloumlre die Kirche in der Jung-fraumlulichkeit des integren Glaubens beschaumldigt ihre Vitalitaumlt Sie wuumlrde zu einer unter vielen anderen mensch-lichen Einrichtungen die einmal ge-gruumlndet wurden eine gewisse Bluumlte-zeit erlebten dann aber vergangen sind Nicht zuletzt die verhaumlngnisvol-len Entwicklungen der Gegenwart il-lustrieren diesen Zusammenhang Wo ein Ab- und Umbau des katholischen Glaubens betrieben wird setzen Abfall und Uumlberalterung ein Paradoxerweise verliert das kirchliche Leben mit der Jungfraumlulichkeit des Glaubens auch die Fruchtbarkeit denn wie in Maria sind in der Kirche Mutterschaft und Jungfraumlulichkeit untrennbar verbun-den Eines ist ohne das andere nicht zu haben Gelaumlnge die Trennung den-

14 Konzil von Trient Rechtfertigungsdekret 6 Sitshyzung Kap 8 DH 1532

hl Augustinus (Philippe de Champaigne 1602-1674)

Hildegard von Bingen

Was macht die Jungfraumlulichkeit der Kirche aus unversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebe

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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noch so bliebe die traurige Weder-noch-Gestalt einer kinderlosen Alten zuruumlck die auch des Glanzes der Un-versehrtheit entbehrt Und versuchte dieses jammervolle Wesen dennoch sich in einer Pseudo-Ju gend lichkeit mit kuumlnstlicher Frische und aufgesetz-tem Elan zu praumlsentieren so waumlre das ein Bild der Peinlichkeit

Warum uumlbrigens an dieser Stelle im Konjunktiv sprechen Leider erleben wir es ja in unseren Tagen zur Genuuml-ge wie in Teilen der Kirche die Glau-benswurzel gekappt wurde und seit-her kaum noch junges Leben sprieszligt Aufwaumlndig inszenierte Jugendgottes-dienste die zumeist eher gut gemeint

als gut gemacht sind uumlberspielen mit donnernden Rhyth men und schmalzi-gen Ruumlhr se lig kei ten mit grellen Far-ben und fla chen Gags die geistige und auch physische Uumlberalterung

bdquoLeere Toumlpfe scheppern am laute stenldquo sagt ein daumlnisches Sprich wort Viele ernsthafte katholische Jugend liche die doch an gelockt und angespro-chen wer den sollen wenden sich da-von ab Ein Aufscheinen der wahren Jugend der Kirche in der Strahlkraft ih-res jungfraumlulich-un verfaumllschten Glau-bens waumlre ohne Zweifel von groumlszligerer Attraktivitaumlt

Zusammenfassend koumlnnen wir zu un-serer ersten Frage sagen Die Kirche ist jung wie ihr Urbild die jungfraumluliche Gottesmutter Sie ist jung weil sie wie Maria den Sohn Gottes die Quelle allen Lebens in sich traumlgt Sie ist jung weil das Licht ihrer Lehre nicht erlischt weil die Lebensstroumlme in ihr nicht versie-gen weil die Kraft ihres Wir kens nicht nachlaumlszligt Sie ist jung weil sie ndash trotz ih-rer langen und reichen Vergangenheit ndash nicht in der Retrospektive verharrt und dabei wie die Frau des Lot erstarrt (Gen 1926) sondern sich der Zukunft zuwendet dem Osten von wo sie den wiederkommenden Herrn erwartet Die Kirche ist und bleibt letztlich jung weil derjenige in ihr fortlebt fortlehrt und fortwirkt von dem der Hebraumler-brief sagt daszlig er derselbe ist gestern heute und in Ewigkeit (138)

Der Jungbrunnen der KircheDamit wenden wir uns jetzt der zwei-ten Frage zu Woraus empfaumlngt die Kirche ihre Jugendlichkeit Dafuumlr daszlig sie sich trotz des Verrinnens der Zeit trotz des Al terns der Menschen und ihrer Ein richtungen bestaumlndiger Ju-gend erfreut muszlig es doch einen hin-reichenden Grund geben Mythisch gesprochen einen Jungbrunnen in den hineinsteigend sie sich stetig er-neuert und ein Lebenselixier dessen Trank sie jung erhaumllt

Daszlig der katholische Glaube in einem weiteren Sinn diese Aufgabe uumlber-nimmt sollte aus dem bereits Ge-sagten hervorgegangen sein Selbst-verstaumlndlich lebt die Kirche aus dem Glauben Selbstverstaumlndlich verleiht ihr seine unveraumlnderliche Wahrheit eine einzigartige Bestaumlndigkeit Und selbstverstaumlndlich verjuumlngt sich die Kirche dadurch daszlig sie wie Maria die heiligen Worte in ihrem Herzen be-wahrt und erwaumlgt (Lk 219) das heiszligt sie theologisch und geistlich entfaltet Aber dennoch erwarten wir wenn von Jungbrunnen und Lebenselixier die Rede ist mit Recht etwas anderes Hier muszlig doch irgendwo Wasser plaumlt-schern und ein starker Trunk genossen werden Sehen wir daher naumlher hin

Den Jungbrunnen hat Lucas Cranach der Aumlltere auf einem Gemaumllde aus dem Jahr 1546 das sich in der Berliner Gemaumlldegalerie befindet eindrucks-voll dargestellt Da werden betagte Frauen auf verschiedenen Gefaumlhrten

Jugendgottesdienst

Einladung zur Jugend-Wortgottes-Feier

Der Jungbrunnen (Lucas Cranach der Aumlltere)

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zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

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Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

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Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

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erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 6: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

31Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Das haben bereits die Kirchenvaumlter dargelegt Ein wichtiger Begriff den sie hier ins Spiel bringen ist die Jung-fraumlulichkeit Freilich hat das Wort nur im Deutschen als erste Silbe bdquoJungldquo Der lateinische Ausdruck heiszligt vir gi-ni tas und hat mit Jugendlichkeit zu-naumlchst nichts zu tun bdquoJungfraumlulich-keitldquo meint im unmittelbaren Wortsinn die koumlrperliche Unversehrtheit vor al-lem der Frau und dann im geistlichen Sprachgebrauch die unversehrte Hin-gabe des Menschen an Gott Daszlig sich von hier aus aber dennoch ein Bo gen

zum Jungsein der Kirche spannt zeigt uns der heilige Augu stinus

In verschiedenen Zusammenhaumln gen ist ihm die Entsprechung zwi schen Maria und der Kirche wichtig So fuumlhrt Augustinus in seiner Schrift uumlber die Jungfraumlulichkeit aus daszlig beide ndash jene

die das Haupt des mystischen Leibes koumlr perlich geboren hat und diese welche die Glieder des Hauptes geist-licherweise zur Welt bringt ndash jungfraumlu-lich geblieben sind10 In seinem Kom-mentar zum Johannesevangelium aber stellt er die Frage was denn die Jungfraumlulichkeit der Kirche ausmache da sie doch verheiratete und unver-heiratete Glieder umfasse Seine Ant-wort integra fi des solida spes sincera caritas ndash bdquounversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebeldquo11 Welch passende Beschreibung geistiger Ju-gend Dementsprechend sind fuumlr Au-gustinus die Haumlretiker solche die von der Schlange her kom men um die Jungfraumlulichkeit im Herzen der Kirche zu korrumpieren die im unversehrten Glau ben besteht12 Dementsprechend schaut auch die heilige Hildegard von Bingen die Kirche als von bdquogottlosen Verfuumlhrernldquo bedraumlngt bdquodie auf sie ein-dringen um ihre Jungfraumlulichkeit den katholischen Glauben zu verletzen Doch sie wiedersteht ihnen mannhaft damit sie nicht Schaden erleide denn Jungfrau war sie ist sie und wird sie bleiben weil der wahre Glaube die Materie ihrer Jungfraumlulichkeit durch keinen Irrtum befleckt werden kannldquo13

Jungfraumlulichkeit und Jugendlichkeit sind zwar nicht identisch In unse-rem Zusammenhang aber stehen sie in enger Beziehung zueinander da die Korruption der einen Eigenschaft auch den Verlust der anderen mit sich

10 Augustinus De sancta virginitate II11 Augustinus In Ioan 131212 Augustinus In Ioan 9213 Hildegard von Bingen Scivias 2Buch 3Schau (Ausg Salzburg 7 1981 165)

bringt Wenn das Konzil von Trient den Glauben fundamentum et radix omnis iustificationis bdquoGrundlage und Wurzel jeglicher Rechtfertigungldquo nennt14 sagt es damit daszlig das gesamte uumlbernatuumlr-liche Leben auf dem Glauben errichtet ist und aus ihm seine naumlhrenden Kraumlf-te zieht Ein Gebaumlude auf bruumlchigem Fundament wird zur Ruine eine Pflan-ze mit kranker Wurzel welkt dahin Bil-der des Alterns

Ebenso verloumlre die Kirche in der Jung-fraumlulichkeit des integren Glaubens beschaumldigt ihre Vitalitaumlt Sie wuumlrde zu einer unter vielen anderen mensch-lichen Einrichtungen die einmal ge-gruumlndet wurden eine gewisse Bluumlte-zeit erlebten dann aber vergangen sind Nicht zuletzt die verhaumlngnisvol-len Entwicklungen der Gegenwart il-lustrieren diesen Zusammenhang Wo ein Ab- und Umbau des katholischen Glaubens betrieben wird setzen Abfall und Uumlberalterung ein Paradoxerweise verliert das kirchliche Leben mit der Jungfraumlulichkeit des Glaubens auch die Fruchtbarkeit denn wie in Maria sind in der Kirche Mutterschaft und Jungfraumlulichkeit untrennbar verbun-den Eines ist ohne das andere nicht zu haben Gelaumlnge die Trennung den-

14 Konzil von Trient Rechtfertigungsdekret 6 Sitshyzung Kap 8 DH 1532

hl Augustinus (Philippe de Champaigne 1602-1674)

Hildegard von Bingen

Was macht die Jungfraumlulichkeit der Kirche aus unversehrter Glaube feste Hoffnung und reine Liebe

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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noch so bliebe die traurige Weder-noch-Gestalt einer kinderlosen Alten zuruumlck die auch des Glanzes der Un-versehrtheit entbehrt Und versuchte dieses jammervolle Wesen dennoch sich in einer Pseudo-Ju gend lichkeit mit kuumlnstlicher Frische und aufgesetz-tem Elan zu praumlsentieren so waumlre das ein Bild der Peinlichkeit

Warum uumlbrigens an dieser Stelle im Konjunktiv sprechen Leider erleben wir es ja in unseren Tagen zur Genuuml-ge wie in Teilen der Kirche die Glau-benswurzel gekappt wurde und seit-her kaum noch junges Leben sprieszligt Aufwaumlndig inszenierte Jugendgottes-dienste die zumeist eher gut gemeint

als gut gemacht sind uumlberspielen mit donnernden Rhyth men und schmalzi-gen Ruumlhr se lig kei ten mit grellen Far-ben und fla chen Gags die geistige und auch physische Uumlberalterung

bdquoLeere Toumlpfe scheppern am laute stenldquo sagt ein daumlnisches Sprich wort Viele ernsthafte katholische Jugend liche die doch an gelockt und angespro-chen wer den sollen wenden sich da-von ab Ein Aufscheinen der wahren Jugend der Kirche in der Strahlkraft ih-res jungfraumlulich-un verfaumllschten Glau-bens waumlre ohne Zweifel von groumlszligerer Attraktivitaumlt

Zusammenfassend koumlnnen wir zu un-serer ersten Frage sagen Die Kirche ist jung wie ihr Urbild die jungfraumluliche Gottesmutter Sie ist jung weil sie wie Maria den Sohn Gottes die Quelle allen Lebens in sich traumlgt Sie ist jung weil das Licht ihrer Lehre nicht erlischt weil die Lebensstroumlme in ihr nicht versie-gen weil die Kraft ihres Wir kens nicht nachlaumlszligt Sie ist jung weil sie ndash trotz ih-rer langen und reichen Vergangenheit ndash nicht in der Retrospektive verharrt und dabei wie die Frau des Lot erstarrt (Gen 1926) sondern sich der Zukunft zuwendet dem Osten von wo sie den wiederkommenden Herrn erwartet Die Kirche ist und bleibt letztlich jung weil derjenige in ihr fortlebt fortlehrt und fortwirkt von dem der Hebraumler-brief sagt daszlig er derselbe ist gestern heute und in Ewigkeit (138)

Der Jungbrunnen der KircheDamit wenden wir uns jetzt der zwei-ten Frage zu Woraus empfaumlngt die Kirche ihre Jugendlichkeit Dafuumlr daszlig sie sich trotz des Verrinnens der Zeit trotz des Al terns der Menschen und ihrer Ein richtungen bestaumlndiger Ju-gend erfreut muszlig es doch einen hin-reichenden Grund geben Mythisch gesprochen einen Jungbrunnen in den hineinsteigend sie sich stetig er-neuert und ein Lebenselixier dessen Trank sie jung erhaumllt

Daszlig der katholische Glaube in einem weiteren Sinn diese Aufgabe uumlber-nimmt sollte aus dem bereits Ge-sagten hervorgegangen sein Selbst-verstaumlndlich lebt die Kirche aus dem Glauben Selbstverstaumlndlich verleiht ihr seine unveraumlnderliche Wahrheit eine einzigartige Bestaumlndigkeit Und selbstverstaumlndlich verjuumlngt sich die Kirche dadurch daszlig sie wie Maria die heiligen Worte in ihrem Herzen be-wahrt und erwaumlgt (Lk 219) das heiszligt sie theologisch und geistlich entfaltet Aber dennoch erwarten wir wenn von Jungbrunnen und Lebenselixier die Rede ist mit Recht etwas anderes Hier muszlig doch irgendwo Wasser plaumlt-schern und ein starker Trunk genossen werden Sehen wir daher naumlher hin

Den Jungbrunnen hat Lucas Cranach der Aumlltere auf einem Gemaumllde aus dem Jahr 1546 das sich in der Berliner Gemaumlldegalerie befindet eindrucks-voll dargestellt Da werden betagte Frauen auf verschiedenen Gefaumlhrten

Jugendgottesdienst

Einladung zur Jugend-Wortgottes-Feier

Der Jungbrunnen (Lucas Cranach der Aumlltere)

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zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

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Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 7: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

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noch so bliebe die traurige Weder-noch-Gestalt einer kinderlosen Alten zuruumlck die auch des Glanzes der Un-versehrtheit entbehrt Und versuchte dieses jammervolle Wesen dennoch sich in einer Pseudo-Ju gend lichkeit mit kuumlnstlicher Frische und aufgesetz-tem Elan zu praumlsentieren so waumlre das ein Bild der Peinlichkeit

Warum uumlbrigens an dieser Stelle im Konjunktiv sprechen Leider erleben wir es ja in unseren Tagen zur Genuuml-ge wie in Teilen der Kirche die Glau-benswurzel gekappt wurde und seit-her kaum noch junges Leben sprieszligt Aufwaumlndig inszenierte Jugendgottes-dienste die zumeist eher gut gemeint

als gut gemacht sind uumlberspielen mit donnernden Rhyth men und schmalzi-gen Ruumlhr se lig kei ten mit grellen Far-ben und fla chen Gags die geistige und auch physische Uumlberalterung

bdquoLeere Toumlpfe scheppern am laute stenldquo sagt ein daumlnisches Sprich wort Viele ernsthafte katholische Jugend liche die doch an gelockt und angespro-chen wer den sollen wenden sich da-von ab Ein Aufscheinen der wahren Jugend der Kirche in der Strahlkraft ih-res jungfraumlulich-un verfaumllschten Glau-bens waumlre ohne Zweifel von groumlszligerer Attraktivitaumlt

Zusammenfassend koumlnnen wir zu un-serer ersten Frage sagen Die Kirche ist jung wie ihr Urbild die jungfraumluliche Gottesmutter Sie ist jung weil sie wie Maria den Sohn Gottes die Quelle allen Lebens in sich traumlgt Sie ist jung weil das Licht ihrer Lehre nicht erlischt weil die Lebensstroumlme in ihr nicht versie-gen weil die Kraft ihres Wir kens nicht nachlaumlszligt Sie ist jung weil sie ndash trotz ih-rer langen und reichen Vergangenheit ndash nicht in der Retrospektive verharrt und dabei wie die Frau des Lot erstarrt (Gen 1926) sondern sich der Zukunft zuwendet dem Osten von wo sie den wiederkommenden Herrn erwartet Die Kirche ist und bleibt letztlich jung weil derjenige in ihr fortlebt fortlehrt und fortwirkt von dem der Hebraumler-brief sagt daszlig er derselbe ist gestern heute und in Ewigkeit (138)

Der Jungbrunnen der KircheDamit wenden wir uns jetzt der zwei-ten Frage zu Woraus empfaumlngt die Kirche ihre Jugendlichkeit Dafuumlr daszlig sie sich trotz des Verrinnens der Zeit trotz des Al terns der Menschen und ihrer Ein richtungen bestaumlndiger Ju-gend erfreut muszlig es doch einen hin-reichenden Grund geben Mythisch gesprochen einen Jungbrunnen in den hineinsteigend sie sich stetig er-neuert und ein Lebenselixier dessen Trank sie jung erhaumllt

Daszlig der katholische Glaube in einem weiteren Sinn diese Aufgabe uumlber-nimmt sollte aus dem bereits Ge-sagten hervorgegangen sein Selbst-verstaumlndlich lebt die Kirche aus dem Glauben Selbstverstaumlndlich verleiht ihr seine unveraumlnderliche Wahrheit eine einzigartige Bestaumlndigkeit Und selbstverstaumlndlich verjuumlngt sich die Kirche dadurch daszlig sie wie Maria die heiligen Worte in ihrem Herzen be-wahrt und erwaumlgt (Lk 219) das heiszligt sie theologisch und geistlich entfaltet Aber dennoch erwarten wir wenn von Jungbrunnen und Lebenselixier die Rede ist mit Recht etwas anderes Hier muszlig doch irgendwo Wasser plaumlt-schern und ein starker Trunk genossen werden Sehen wir daher naumlher hin

Den Jungbrunnen hat Lucas Cranach der Aumlltere auf einem Gemaumllde aus dem Jahr 1546 das sich in der Berliner Gemaumlldegalerie befindet eindrucks-voll dargestellt Da werden betagte Frauen auf verschiedenen Gefaumlhrten

Jugendgottesdienst

Einladung zur Jugend-Wortgottes-Feier

Der Jungbrunnen (Lucas Cranach der Aumlltere)

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zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

35Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

40

nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 8: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

33Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

zu einem groszligen Bassin vor einer sym-bolreichen Landschaft gefuumlhrt Inmit-ten des Beckens ist eine Brunnensaumlule zu sehen gekroumlnt mit der Symbolge-stalt der Jugend Auf der linken Sei-te nun treten die alten Frauen in das Wasser ein auf der rechten verlassen sie es als junge Frauen Dort wartet ih-rer auch eine zum frohen Festschmaus gedeckte Tafel

Die Antwort auf die Frage nach dem Jungbrunnen der Kirche fuumlhrt uns in ganz aumlhnliche Gefilde in denen ebenfalls Wasser durchschritten und ein Mahl eingenommen wird Es ist der heilige Paulus der uns an einer beruumlhmten Stelle in eher unerwarte-tem Zusammenhang daruumlber belehrt Denn ausgerechnet in dem Abschnitt seines Briefes an die Epheser den die roumlmische Liturgie in Hochzeitsmes-sen vortraumlgt und der mit der fuumlr heu-tige Ohren skandaloumlsen Forderung einsetzt die Frauen sollten sich ihren Maumlnnern unterordnen wie dem Herrn (Eph 522) schreibt der Voumllkerapostel in tiefsinniger Verflechtung die Ehe-lehre mit der Ekklesiologie verbin-dend bdquoIhr Maumlnner liebt eure Frauen wie auch Christus die Kirche geliebt hat und hat sich selbst fuumlr sie dahingegeben um sie zu heiligen Er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort damit er sie vor sich hinstelle als eine Kirche die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen aufweise sondern heilig und untadelig seildquo (Eph 525-27)

Demnach ist die Kirche rein und hei-lig und frei von den Kennzeichen des Alters den Flecken und Runzeln auf-grund eines Bades Dieses begruumlndet ihre urspruumlngliche Jugend und erhaumllt

sie durch die Zeiten hin Daszlig es sich dabei um ein besonderes Bad han-delt deutet nicht nur die Bezeichnung bdquoWasserbad im Wortldquo an Deutlicher noch wird es durch den Zusammen-hang mit der Liebe und Hingabe Christi Gemeint sind ja die Liebe und Hingabe die bis zum blutigen Erloumlser-tod gehen Was aber haben das Leiden und Sterben Jesu mit dem erneuern-den bdquoWasserbad im Wortldquo zu tun Pau-

lus gibt uns an anderer Stelle daruumlber Aufschluszlig wenn er betont daszlig die Getauften in den Tod Christi hineinge-tauft worden sind um mit ihm gestor-ben auch mit ihm zu neuem Leben zu erstehen (Roumlm 63 f) Im Bad der Taufe werden also die Glieder der Kirche mit

dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint Wie das Haupt durch den Tod in das Leben eingegangen ist so auch sein Leib mit allen seinen Gliedern

Von hier aus sollte erkennbar sein in welchem Maszlige die Taufe die Jugend der Kirche bewirkt Aus der histori-schen Urtaufe auf dem Gipfel des Wirkens Christi seinem Ein- und Auf-tauchen sei nem Sterben und Aufer-stehen ist die Kirche hervorgegangen Und aus der Erneuerung dieses Vor-gangs an denen die in sie eintreten wachsen der Kirche neue Glieder so-zusagen frische Zellen zu Tagtaumlglich werden Menschen auf der ganzen Erde aus dem Jungbrunnen der Taufe wiederge boren Wir sollten angesichts des uns umgebenden Nie der gangs diese Tatsache nicht vergessen

Uumlbrigens ist im weiteren Sinne be-trachtet auch das Sakrament der Buszlige ein solcher Jungbrunnen der Kirche Es tilgt ja die nach der Taufe begangenen Suumln den und stellt im beschmutzten schuldigen Menschen die Reinheit und Heiligkeit wieder her Und wiederum sind es Tod und Auferstehung Jesu aus denen die er-neuernde Wirksamkeit stammt denn auch der Beichtende geht sozusagen in den Untergang des Herrn ein geht als alter Adam zugrunde um als neu-er christusfoumlrmiger Mensch aufzuer-stehen Auf das Sakrament der Buszlige laumlszligt sich der geheimnisvolle Psalmvers anwenden bdquoDem Adler gleich wird sich deine Jugend erneuernldquo (Ps 1025 nach der Vul gata) Der Phoumlnix erhebt sich aus den Feuerflammen in denen er verbrannte die christliche Seele

Die Sakramente (Wrisberg-Epithaph Hildesheim)

Im Bad der Taufe werden die Glieder der Kirche mit dem Untergang Jesu in den Fluten des Todes und mit seiner Auferstehung vereint

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

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Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

38

mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 9: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

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aus den Fluten in denen der bdquoLeib der Suumlndeldquo (Roumlm 66) untergegangen ist um zu neuem Flug anzusetzen Trotz der immen sen Krise der Beichte die-ses in unseren Landen weithin bdquoverlo-renen Sakramentesldquo (Joseph Kar dinal Houmlffner) sollten wir bedenken an wie vielen Gliedern der Kirche sich dieses Wunder taumlglich ereignet Daraus ver-juumlngt sie sich bestaumlndig

Kehren wir zum heiligen Paulus und seinem Brief an die Epheser zuruumlck In den nachfolgenden Versen geht er noch einen Schritt weiter bdquoSo sollen die Maumlnner ihre Frauen lieben wie ih-ren eigenen Leib Wer seine Frau liebt der liebt sich selbst Es hat ja niemand je sein eigenes Fleisch gehaszligt son-dern er naumlhrt und pflegt es wie auch Christus die Kirche Denn wir sind ja Glieder seines Leibesldquo (Eph 528-30) Christus bdquonaumlhrt und pflegtldquo die Kirche Kaum zu uumlbersehen daszlig hier von ei-nem weiteren Sakrament die Rede ist Zur Taufe aus der die Kirche in ihrer

Gesamtheit wie auch ihre einzelnen Glieder rein und heilig ohne Flecken und Runzeln hervorgehen tritt die Eu-charistie als Jungbrunnen der Kirche hinzu Sie ist das groszlige Versoumlhnungs-opfer Jesu Christi aus dem als Frucht die Speisung mit seinem Fleisch und Blut hervorgeht das bdquoBrot vom Him-mel das alle Erquickung in sich ent-haumlltldquo

Genauer besehen bilden Taufe und Eucharistie jedoch nicht zwei Jung-brunnen (und das Buszligsakrament noch einen dritten) Vielmehr stammen alle Sakramente aus dem einen Op-fer Christi bdquoAdam schlief damit Eva werde ndash und Christus starb damit die Kirche werdeldquo sagt Augustinus und weiter bdquoDem schlafenden Adam wur-de aus seiner Seite Eva genommen ndash dem toten Christus ward die Seite durchbohrt damit die Sakramente hervorstroumlmten aus denen die Kirche gebildet istldquo15 Das Opfer Christi ist also

15 Augustinus In Ioan 910

Ursprungsort der Sakramente und da-mit der Kirche Aus der Seite des Geop-ferten tritt seine Braut in jugendlicher Frische und Schoumlnheit hervor

Weil aber Jesu Opfer fuumlr alle Zeiten in der Feier der heiligen Messe gegen-waumlrtig bleibt und weil alle anderen Sakramente auch Taufe und Buszlige ihre Wirksamkeit aus diesem Opfer und damit aus der heiligen Messe herleiten deshalb koumlnnen wir ohne Umschweife sagen Jungbrunnen der Kirche ist die heilige Messe In ihr er-steht die Kirche bestaumlndig neu Und in ihr schenkt sie den Glaumlubigen im-mer wieder das Leben des geopferten Christus Dem Jesuiten und spaumlteren Kardinal Henri de Lubac ist zuzustim-men wenn er formuliert bdquoSo erschafft sich durch die Feier der heiligen Messe in Wahrheit die Kirche selber Die heili-ge und heiligende Kirche baut die Kir-che der Geheiligten aufldquo16 Daszlig dieser

16 Henri de Lubac Die Kirche Einsiedeln 1968 135

Altar der sieben Sakramente Rogier van der Weyden (1445-1450)

35Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

38

mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

40

nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 10: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

35Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Vorgang eine Verjuumlngung bedeutet braucht schon gar nicht mehr betont zu werden

Das LebenselixierSo ist die heilige Messe Jungbrun-nen der Kirche Und welches ist das Element ihrer Vitalitaumlt so zusagen ihr Lebenselixier Be kanntlich versteht man darunter eine Art Zaubertrank der Jugendfrische und Gesundheit verleihen soll Der Gedanke daran hat die Phantasie der Menschen befluumlgelt und sie auf verschiedene Weise ndash von der Magie uumlber Kraumluterweisheit bis zur wissenschaftlichen Naturforschung ndash danach suchen lassen Auch die heu-tigen Bemuumlhungen um Verlaumlngerung

und Gesunderhaltung des Lebens ste-hen nicht auszligerhalb dieser Bestrebun-gen Hormongaben als Lebenselixier Unsterblichkeit via Genmanipulation

Der Glaube gibt uns durch den Apo-stel und Evangelisten Johannes eine andere Antwort In seinem Evangeli-um erwaumlhnt er in feierlicher Weise den Strom von Blut und Wasser der aus der Seite des verstorbenen Herrn flieszligt (Joh 1934) Und in seinem Ersten Brief schreibt er offensichtlich im Blick auf die durchbohrte Seite des Gekreuzig-ten die geheimnisvollen Worte bdquoDrei sind es die Zeugnis geben auf Erden der Geist und das Wasser und das Blut und diese drei sind einsldquo (1 Joh 58) Da nun Blut und Wasser aus der Seite Jesu in der heiligen Messe sakramen-tal gegenwaumlrtig werden ndash angedeutet bereits durch die Beimischung des Wassers unter den Wein beim Offer-torium wirklich geschehend dann bei der Konsekration des Kelches ndash uumlber-

flutet uns dem Apostel Johannes zu-folge Gott beim Opfer seines Sohnes mit einem dreifach-einen Strom Eins sind dieses Wasser dieses Blut und dieser Geist gerade darin daszlig sie Le-ben vermitteln als Lebenswasser als Blut in dem nach der Schrift bdquodas Le-ben istldquo (Lev 1711) und als Geist bdquoder lebendig machtldquo (Joh 663)Welche Gabe bdquoWer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt hat das ewige Lebenldquo (Joh 655) Bekanntlich bdquotrinktldquo auch derjenige der die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes emp-faumlngt das Blut des Herrn Es ist immer der ganze Christus der sich uns hier nach den Worten des heiligen Ignati-us von Antiochien (+ 110) als phaacuterma-kon athanasiacuteas17 als bdquoHeilmittel fuumlr die Unsterblichkeitldquo darreicht In der hei-ligen Kommunion also finden wir die Jugend und Gesundheit spendende Gabe das wahre Lebenselixier Und so stellen wir ruumlckblickend fest daszlig auch

17 Ignatius Eph 202Andachtsbild zum Kostbaren Blut

Kelchkommunion (Weihbischof Schneider Pontifikalamt in Kiel)

In der heiligen Messe ersteht die Kirche bestaumlndig neu In ihr schenkt sie den Glaumlubigen immer wieder das Leben des geopferten Christus

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

38

mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

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wir ndash aumlhnlich den Frauen auf Lucas Cranachs Gemaumllde ndash durch den Jung-brunnen hin durch gefuumlhrt wurden und hin zum Genuszlig des Festmahls des schon hier beginnenden ewigen Lebens

Tradition als Jungbrunnen und LebenselixierUnd nun eine vielleicht eher uner-wartete Behauptung Weil es sich so verhaumllt daszlig sich die Kirche aus dem Glauben und aus dem Opfer Christi vergegenwaumlrtigt in der heiligen Mes-se in bestaumlndiger Jugend erhaumllt und erneuert deshalb koumlnnen wir auch sagen bdquodie Traditionldquo sei ihr Jungbrun-nen und ihr Lebenselixier Das mag als weit hergeholt erscheinen ist es aber keineswegs Zwei Stellen im 1 Korin-therbrief zeigen es uns

Im 15 Kapitel des Schreibens ruft der heilige Paulus die Leser auf getreulich an der empfangenen Heilsbotschaft festzuhalten denn sonst waumlren sie umsonst zum Glauben gekommen Daraufhin ruft er die Grundwahrheiten des Glaubens den Tod Chri sti fuumlr un-sere Suumlnden sein Begraumlbnis und sei-ne Auferstehung ins Gedaumlchtnis Den entsprechenden Vers leitet Paulus ein mit der Formulierung bdquoIch habe euch naumlmlich uumlberliefertldquo - Tradidi enim vo-bis (1 Kor 153) Ganz aumlhnlich klingen im 11 Kapitel desselben Briefes die bedeutungsschweren Worte mit de-nen der Bericht von der Einsetzung des Altarsakramentes einsetzt bdquoIch habe naumlmlich vom Herrn empfangen was ich euch uumlberliefert habeldquo ndash Ego enim accepi a Domino quod et tradidi vobis (1 Kor 1123)

Glaube und Eucharistie sind somit als Tradition als Uumlberlieferungsgut ge-kennzeichnet Der Voumllkerapostel hat sie empfangen und gibt sie weiter dies nicht nur im Sinne eines Informations-prozesses sondern durch den Vollzug der bevollmaumlchtigten Verkuumlndigung und durch die Feier der Eucharistie Von Jesus Christus der Kirche uumlberge-ben bleiben seine Wahrheit und sein Opfer also durch die Uumlberlieferung in ihr lebendige Gegenwart Und so ist es der vom Heiligen Geist gewirkte und getragene Vorgang der Tradition in dem sich die Kirche bestaumlndig erneu-ert und verjuumlngt

In den gegenwaumlrtigen Auseinander-setzungen die Tradition und Fort-schritt als Gegensatzpaare betrachten ist diese Einsicht von hoher Wich-tigkeit Es ist nicht nur so daszlig jeder

kirchliche Fortschritt ein Bewahren des Glaubensgutes voraussetzt wie ja auch eine Entfaltung der Taufgnade nicht moumlglich ist ohne in ihr zu ver-bleiben Vielmehr liegt in der kirchli-chen Tradition selbst schon beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung und die Vergangenheit ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kon-tinuitaumlt entwickelt und entfaltet

Wer sich heute fuumlr die katholische Tra-dition in ihrer Fuumllle einsetzt muszlig das im Auge behalten Allzu viele Stimmen zuweilen auch solche aus den eigenen Reihen versuchen uns ja diesen oder jenen Aspekt der Uumlberlieferung ma-dig zu machen und ihn zum Hindernis fuumlr ein fruchtbares Wirken in unserer Zeit abzustempeln Fuumlr uns aber ist die Tradition in ihrer Gesamtheit wie in den Einzelheiten Jungbrunnen und Lebenselixier Sie weist nicht nur in die Vergangenheit sondern zugleich in die Zukunft Wir duumlrfen das groszligartige Erbe nicht fuumlr ein Linsengericht aktu-ellen Erfolges aufs Spiel setzen denn dieses saumlttigt nur fuumlr den Augenblick ohne uns auf Dauer kraumlftigen und un-sere Jugend erneuern zu koumlnnen

hl Apostel Paulus

Weitergabe des Feuers

Die kirchliche Tradition enthaumllt beides die konservative Seite die sich in Treue und Bestaumlndigkeit auf den Ursprung ruumlckbezieht und die progressive Seite die in die Zukunft weitergibt dabei auch in Kontinuitaumlt entwickelt und entfaltet

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

38

mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

40

nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 12: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

37Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

Ad Deum qui laetificat iuventutem meam Damit waumlren wir denn auch bei der dritten und letzten Frage angelangt Wie koumlnnen wir an der steten Verjuumln-gung der Kirche mit wirken und selbst ewige Jugend erlangen Hier sei mir eine kleine Er innerung aus meiner ei-genen Ju gendzeit gestattet Damals in den 80er Jahren machte ich mit der sogenannten Alten Messe ei ne der wichtigsten und folgenreich sten Ent-deckungen meines bisherigen Lebens Die Stimmung gegenuumlber der vorkon-ziliaren Li tur gie war noch eine ganz andere als heute Mit dem gerade ver-oumlffentlichten Schreiben der Glaubens-kongregation Quattuor ab hinc annos dem Indult vom 3 Oktober 1984 zeig-te sich wohl ein Silberstreifen Doch das etwas groszligzuumlgigere Motu proprio Ecclesia Dei adflicta (1988) war noch nicht abzusehen ganz zu schweigen von Summorum Pontificum (2007) ndash von dergleichen haumltte man kaum zu traumlumen gewagt

In der kirchlichen Umgebung stieszlig ich jedenfalls mit meinen neugewon-nenen Uumlberzeugungen und meiner Begeisterung auf Ab leh nung Die Alte Messe galt eben als wirklich veraltet in ihren Gebeten und aumluszligeren For-men in ihrer Haltung vor Gott und den Men schen ihrer sakralen Welt-abgewandtheit und zeremoniellen Strenge Derart herausgefordert stieg ich in die Kontroverse uumlber die Litur-giereform ein und lernte nach und nach die vielfaumlltigen dogmatischen historischen liturgischen pastoralen und geistlichen Argumente zugun-sten der uumlberlieferten Form kennen

Dabei begegnete ich auch mehrmals der eigentuumlmlichen Behauptung die Alte Messe sei doch viel jugendlicher als die Neue denn sie beginne ja mit den Worten des 42 Psalms Introibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam Obwohl mir der Gedanke gefiel konnte ich ihn nicht allzu ernst nehmen Allein daraus daszlig hier von bdquoJugendldquo die Rede ist kann man wohl kaum die bdquoJugendlichkeitldquo des Ritus er wie sen Und uumlberhaupt Seit wann soll denn bdquoJugendlichkeitldquo ei ne theolo-gisch relevante Kategorie sein

Inzwischen sehe ich die Sache an-ders und halte die betreffenden Wor-

te fuumlr uumlberaus bezeichnend Gerade dadurch daszlig sie nicht nur im Verlauf des Stufengebetes eher nebenbei vor-kommen sondern sogleich an dessen Anfang ndash und damit an den Anfang der Heiligen Messe ndash gestellt sind be-finden sie sich in prominenter Positi-on Sodann werden sie anstatt nur ein-mal gleich dreimal vom Ministranten ausgesprochen naumlmlich zweimal in der den Psalm rahmenden Antiphon und einmal im Psalm selbst Eine au-genscheinliche Gewichtung und Her-vorhebung

Die Bedeutung des 42 Psalms im rouml-mischen Ritus wird von Robert Spae-

Stufengebet bei Pontifikalamt mit Weihbischof Schneider in Kiel

38

mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 13: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

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mann so beschrieben bdquoFruumlher am An-fang der heiligen Messe gebetet schuf der Psalm in seinem ersten Satz bereits Klarheit uumlber den Raum der nun be-treten wird uumlber die Maszligstaumlbe die hier gelten uumlber die Instanz die hier anerkannt wird und uumlber die Kluft die das Volk Gottes vom unheiligen Volk trennt Discerne causam meam de gente non sancta ndash sbquoFuumlhre meine Sache wider das unheilige Volklsquo Manche heu-tige Meszligfeier wuumlrde anders aussehen wenn am Beginn noch dieser Psalm stuumlnde und mit Bewuszligtsein gebetet wuumlrdeldquo18

Man koumlnnte hinzufuumlgen daszlig auch der Halbvers ad Deum qui laetificat iuven-tutem meam eine weichenstellende Funktion hat Doch zunaumlchst ist zu klauml-ren wie er denn eigentlich zu uumlberset-zen ist Unser lateinischer Text bezieht sich auf die Fassung der griechischen Septuaginta in der hebraumlischen Bibel lautet der Vers anders bdquozu Gott der mein Freudenjubel istldquo Da aber fuumlr die roumlmische Liturgie die Version der Vul-gata maszliggeblich ist koumlnnen wir die Biblia hebraica in unserem Zusammen-hang auszliger Acht lassen

Im Schott wird nun folgendermaszligen uumlbersetzt bdquoZum Altare Gottes will ich treten zu Gott der mich erfreut von Ju-gend aufldquo Als Schuumller eines altsprach-lichen Gym nasiums bin ich daran stets haumlngengeblieben Bei iuventutem meam handelt es sich doch um einen Akkusativ der auf die Frage bdquoWen oder was erfreut Gottldquo antwortet bdquoGott erfreut meine Ju gendldquo Das hat einen

18 Robert Spaemann Meditationen eines Chrishysten Band 1 Stuttgart 2014 346

anderen Sinn als bdquozu Gott der mich er-freut von Jugend anldquo Der Beter des 42 Psalms blickt nicht auf seine Jugend zuruumlck sondern sieht sich selbst noch als Jugendlichen Erfreulicherweise ist im Volksmissale meines Mitbruders P Martin Ramm die korrekte Uumlbertra-gung zu lesen bdquozu Gott der meine Ju-gend erfreutldquo

Es ist wiederum der heilige Augusti-nus den wir nun zur Erklaumlrung her-anziehen wollen In seiner Rede uumlber den 42 Psalm vollzieht er bei dem Vers ad Deum qui laetificat iuventutem meam eine Wendung die zugleich ins Kultisch-Litur gische und ins Exi-stentielle geht Auf dem Altar naumlmlich zu dem wir hintreten dem Altar der in der Houmlhe des Gottesberges gele-gen ist sollen wir laut Augustinus uns selbst darbringen Ipse qui intrat as-sumitur in holocaustum erlaumlutert der Kirchenvater bdquoDer welcher da eintritt

wird selbst angenommen als holo-cau stum als Ganzbrandopferldquo Und wozu Um in diesen Opferflammen neu zu werden Iuventus novitatem sig-ni fi cat ndash bdquoDie Jugend bezeichnet die Neuheitldquo heiszligt es da und weiter bdquoSo als wuumlrde gesagt zu Gott der meine Neuheit erfreut Ja er der mein Alter traurig stimmt erfreut meine Neuheit Noch naumlmlich gehe ich traurig umher in meinem Alter dann aber werde ich freudig dastehen in meiner Neuheitldquo Aus dieser Neuheit ergibt sich dann der Abschluszlig des Psalms der freudi-ge Lobpreis mit Zither ndash Confitebor tibi in cithara Deus Deus meus ndash und die Uumlberwindung der Trauer19

Soweit Augustinus Es kann uns nicht verborgen bleiben wie seine Erklauml-rung des Psalms die These stuumltzt daszlig die Eucharistie als Opfer und Kom-munion Jungbrunnen und Lebenseli-xier der Kirche und ihrer Glieder ist Dabei wird der Gedanke ausgeweitet und kraftvoll in Richtung des lebens-maumlszligigen Vollzugs gelenkt Erneuern-de Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschiehen nicht ein-fach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen unsere Hingabe per ipsum et cum ipso et in ipso kommt die Neuheit auch in uns zustande Erst so empfangen wir wie der heilige Thomas von Aquin zu demselben Vers erklaumlrt renovatio et iuventus bdquoErneuerung und Jugendldquo Der allgemeine Lehrer fuumlgt noch den bereits erwaumlhnten Psalmvers 1025 an in dem es heiszligt Renovabitur ut aqui-lae juventus tua ndash bdquoWie dem Adler wird deine Jugend erneuert werdenldquo und

19 Augustinus Enarratio in Psalmum XLII5 Koumlnig David

Erneuernde Verjuumlngung und verjuumlngende Erneuerung geschehen nicht einfach dadurch daszlig die Messe gefeiert wird Erst durch unser Eintauchen durch unsere Hingabe kommt die Neuheit auch in uns zustande

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

40

nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

Christus Pantokrator (Capella Palatina in Palermo)

Page 14: Die Tradition – Jungbrunnen und Lebenselixier der …...es vor, daß e ihröffentlichen Vertre-ter in unangemessener Adaption des paulinischen Wortes „Allen bin ich al-les geworden“

39Dominus Vobiscum Nr 15 Oktober 2017

erklaumlrt daszlig die Prie ster den Psalm 42 beim Hin zu teten zum Altar beten weil Freu de (laetificat) und Erneuerung (re-no vabitur) noumltig seien um zum himm-lischen Altar gelangen zu koumlnnen20

Wie also koumlnnen wir an der steten Verjuumlngung der Kirche mitwirken und selbst ewige Jugend er langen Die Antwort auf diese unsere dritte Fra-ge wird tatsaumlchlich im Stufengebets-psalm gegeben interpretiert im Geist der groszligen Tradition Entsprechend

dem Bild des mythischen Phoumlnix der aus der eigenen Asche neu ersteht erneuert sich die Kirche und erneuern wir uns entsprechend dem Gesetz des

20 Thomas Aquinas In Ps XLII

bdquoStirb und werdeldquo Goethe legt es uns in seinem Gedicht bdquoSelige Sehnsuchtldquo mit den beschwoumlrenden Wor ten ans Herz bdquoUnd solang du das nicht hast Dieses Stirb und werde Bist du nur ein truumlber Gast Auf der dunklen Erdeldquo Truumlb bleiben und rasch altern wir wenn wir unser Leben um jeden Preis festhalten wollen Leuchtend aber werden wir wenn wir nach den Wor-ten des heiligen Pau lus bdquotaumlglich ster-benldquo (vgl 1 Kor 1531) Die Weise wie das ge schehen kann zeigt uns Chri-stus der vom Tode ersteht und lehrt uns die Kirche die sein Erloumlsungsopfer darbringt Darbringt damit wir mit un-serem ganzen Leben in es eingehen zu neuer immerwaumlhrender Jugend

Die Tradition ist jungDie Rede von der jungen Kirche ent-springt also weder einer bewuszlig ten oder unbewuszligten bdquoGe ra sco phobieldquo einer Furcht vor dem Aumllterwerden noch will sie die Rea litaumlt einer uralten Institution beschoumlnigen oder das Ver-altete mit flotten Spruumlchen irgendwie an den Mann bringen Die Jugendlich-keit der Kirche ist eben anderer Art Sie beruht und entsteht im mer neu aus der heiligen Uumlberlieferung der Wahr-heit des Glaubens und der Kraft des Opfers Dort wo der Glaube unver-kuumlrzt verkuumlndet wo die heilige Messe als Opferkult der Uumlberlieferung ge maumlszlig gefeiert wird erweist sich die Kirche als jung und zeugt jun ges Leben

Daszlig die bdquoTraditionldquo Jungbrunnen und Lebenselixier ist trifft nicht nur auf die bdquoTraditionldquo im theologischen Ver-staumlndnis sondern auch auf die bdquoTra-ditionldquo im Sinne einer Bewegung zu Bekanntlich dient das Wort nicht sel-

ten als Selbstbezeichnung derer de-nen bdquodie alte Kirche lieber istldquo wie sich der Augsburger Weihbischof Max Zie-gelbauer seligen Angedenkens aus-druumlckte21 Diese Glaumlubigen sammeln sich an den Orten an denen ihnen nicht eine bdquonach dem Muster techni-scher Produktion gemachte Liturgieldquo ein bdquoplattes Produkt des Augenblicksldquo begegnet sondern das Meszligopfer in der uumlberlieferten Form des roumlmischen Ritus dargebracht wird die sich in bdquoor-ganischem Werden und Reifen durch die Jahrhunderteldquo lebendig gezeigt hat22 Sie richten ihr Herz durchaus auf die Substanz des heil igen Geschehens Doch vermeiden diese Glaumlubigen ei-nen falschen Spiritualismus oder klein-karierten Neo-Jo sephi nis mus jene Haltungen denen die an geblich vom Wesentlichen weg fuumlhrende Entfal-tung des Gottesdienstes ein Dorn im Auge ist Vielmehr lieben sie den Aus-druck kultischer Verehrung wie er sich darstellt in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Para-menten und einer authentischen Mu-sica sacra vorzuumlg lich im Gregoriani-schen Choral den ja nach Aussage des letz ten Konzils bdquodie Kirche hellip als den der roumlmischen Liturgie eigenen Gesangldquo betrachtet23 Darum wissend daszlig die theologischen und spirituellen Ein-tagsfliegen des ak tuellen Buchmarkts

21 Max Ziegelbauer Die alte Kirche ist mir lieber Augsburg 200222 Vgl Joseph Ratzinger Zum Ge den ken an Klaus Gamber in Wilhelm Nyssen (Hg) Simandron shy Der Wach klopfer Gedenkschrift fuumlr Klaus Gamber Koumlln 1989 S 14 f23 Vaticanum II Liturgiekonstitution Sacrosancshytum Concilium 116

bdquoResurrexi et adhuc tecum sumldquo (Introitus Ostersonntag)

Die kultische Verehrung druumlckt sich aus in wahrhaften Sakralbauten in inwendig erfuumlllten und aumluszligerlich wuumlrdigen Zeremonien in edlen Paramenten und in einer authentischen Musica sacra vorzugsweise im Gregorianischen Choral

Die Tradition ndash Jungbrunnen und Lebenselexier der Kirche

40

nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

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im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

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nur geringen Naumlhrwert haben haumlufig sogar ein religioumlses Gesundheitsrisiko darstellen naumlhren die bdquoKatholiken der Traditionldquo ihre Glaubenskenn tnisse und ihr geistliches Leben aus den Werken bewaumlhrter Autoren Zur uumlber-lieferten Morallehre stehen sie auch dann wenn sich von den Spitzen der kirchlichen Hierarchie aus ein duumlste-rer Nebel uumlber bisherige Ge wiszligheiten ausbreitet Bewuszligt pflegen sie uumlber-kommene Froumlmmigkeitsformen und halten die Fastenpraxis in Ehren

Bereits diese ndash leicht idealisieren de ndash Beschreibung der traditionellen Be-wegung duumlrfte der Vorstellung einer uumlberalterten Versammlung Ewiggest-riger widersprechen Mehr noch tun das die Fakten Denn tatsaumlchlich sind die Ge meinden in denen die Traditi-on sich ungehindert in Verkuumlndigung Liturgie und anderen Veran staltungen entfalten kann erstaunlich jung In manchen deutschen Staumldten unter-bieten sie den Altersdurchschnitt der umliegenden Pfarreien um vieles in Frankreich und Amerika ohnehin Die Teilnehmer an den jaumlhrlichen Pfingst-

wallfahrten von Paris nach Chartres und in die entgegengesetzte Rich-tung gehen in die Zehn tausende Aus

Frankreich ist zu vernehmen daszlig die Berufungen in Priesterseminare und Klouml ster welche die liturgische Uumlber-lieferung hochhalten die Zahl der Ein-tritte in dioumlzesane Einrichtungen und in Kloumlster die den nach konziliaren Re-

formen ver pflichtet sind inzwischen uumlber steigt Prozentual gibt es im tradi-tionellen Spektrum ohnehin eine grouml-szligere Fruchtbarkeit im Blick auf geist-liche Berufungen Und offensichtlich auch in den haumlufig sehr kinderreichen Familien hellip

Die Litanei an Hinweisen auf die Ju-gendlichkeit im Schoszlig der alten kri-sengeschuumlttelten Kirche lieszlige sich noch lange fortsetzen Sicher ist je-denfalls daszlig heutzutage gerade junge Menschen ver mehrt auch solche die mit Glaube und Kirche bislang nicht

viel verband sich vom geistlichen Magnetismus der Tradition angezo-gen fuumlhlen Die intellektuelle Aus-einandersetzung kann und soll ihnen nicht erspart bleiben Am Anfang aber steht oft die Fas zination fuumlr die Fuumllle des Lebens die jenen einzigartigen Jungbrunnen speist und als wunder-volles Elixier immer neue Jugend spen-det Wie sollte es auch anders sein Es genuumlgt doch bdquoein Blick auf diesen gro-szligen Strom der seit zwanzig Jahrhun-derten ein her flieszligt Sein Quell liegt am Kreuz bei der durchbohrten Seite des Herrn er wallt empor im Pfingstfeuer seither rinnt er aus Wasser und Feuer gemischt durch die Zeiten Uns Ein-zelne reiszligt er beim Voruumlberflieszligen mit hinein entlockt unseren Herzen neue Quellen lebendigen Wassers neue Flammenldquo24

Durch diesen Jungbrunnen dieses Le-benselixier erfuumlllt sich wieder und wie-der an der ganzen Kirche wie an ihren Gliedern das Wort des Apostels bdquoWenn jemand in Christus ist ist er eine neue Kreatur Das Alte ist vergangen siehe al-les ist neu gewordenldquo (2 Kor 517) Denn hier spricht der der auf dem Thron sitzt bdquoSiehe ich mache alles neuldquo (Apk 215)

24 Henri de Lubac aaO 76

Fuszligwallfahrt Paris-Chartres

im Hintergrund die Kathedrale von Chartres

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