Upload
mladen-tokovic
View
224
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 1/19
Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid
Author(s): Thomas BaierSource: Hermes, 127. Bd., H. 4 (4th Qtr., 1999), pp. 437-454Published by: Franz Steiner VerlagStable URL: http://www.jstor.org/stable/4477331 .
Accessed: 17/06/2011 05:46
Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of JSTOR's Terms and Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp. JSTOR's Terms and Conditions of Use provides, in part, that unless
you have obtained prior permission, you may not download an entire issue of a journal or multiple copies of articles, and you
may use content in the JSTOR archive only for your personal, non-commercial use.
Please contact the publisher regarding any further use of this work. Publisher contact information may be obtained at .http://www.jstor.org/action/showPublisher?publisherCode=fsv. .
Each copy of any part of a JSTOR transmission must contain the same copyright notice that appears on the screen or printed
page of such transmission.
JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of
content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms
of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].
Franz Steiner Verlag is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Hermes.
http://www.jstor.org
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 2/19
DIE
WANDLUNG
DES EPISCHENERZAHLERS
APOLOGEBEI
HOMER,
VERGILUND OVID
Aristoteles ruhmt an der
?>Odyssee<,
daB
ihr
Dichter das
Epos irEpt
jAav
np&xtvI
konzipiert,
den Werkaufbau
um
einen
Handlungsstrang
trukturiert
abe,
anstattalles in
chronologischer Reihenfolge
zu
erzahlen.
Im
gleichen Geiste
hebt
auch Horaz in der >>Ars
oeticaz<2
ie
kompositorische
Leistung
Homers hervor.
Er
habe bescheiden begonnen, dic mihi,
Musa, virum3,und sodann aus der noch
unbestimmtenAnkundigungklareKonturenherausgearbeitet.Die Abenteuerdes
Odysseus,
die
speciosa
miracula, werden
in
den sogenannten
Apologen von
Odysseus selbst
am
Phaakenhoferzahlt. Durch das Einflechten der
Episoden im
Ruckblick bleibt die
eigentliche epische
Handlung, der fiifo;, ubersichtlich,
Ea0UlvolLto;4,
lso auf einen
engeren
Zeitraum
und
auf weniger Personen konzen-
triert5
Homers >ordo
artificiosus<ahmt Ovid in seiner
sogenannten >Aeneis< m 13.
und 14. Buch der
>>Metamorphosen<ach. Die betreffende
Textpassage sei zu-
nachst im
Zusammenhangskizziert.
Nachdem Aeneas mit der Sibylle die Unterwelt besuchthat, gelangt er an den
Strandvon Caieta6.
Dort hatte sich Macareus,einer der
Gefahrtendes Odysseus,
1
1451 a 28.
2
143-145: non
fumum ex
fulgore,
sed ex
fumo
dare
lucemn/cogitat,
ut
speciosa
dehinc
miracula
promat/Antiphaten
Scyllamque et cum
Cyclope
Charybdin.
3
>>A.P.o 41.
4
>>Poet.<<459 a 33.
Zum
Problemdes
Ortesund der
Funktion
der
Ich-Erzahlung gl. W.
SUERBAUM,
ie
Ich-Erzahlungen
es
Odysseus.
Uberlegungen
ur
epischenTechnikder
Odyssee,
Poetica2, 1968, 150-177,hier: 169-177. T.
KRISCHER,
haaken ndOdyssee,Hermes113,1985,
9-21,
hier: 12-13
meint, die
Phaaken seien nur
zu eben
dem Zweck
eingefuhrt, um die
Apologe
an
dieser
Stelle erzahlen
zu
konnen.
Vgl. G. W.
MOST,
The Structure
nd
Function
of
Odysseus'
Apologoi,
TAPA 1
19, 1989,
15-30, hier: 17.
5
Vgl. A.
HEUBECK,
ntroduction,n:
DERS./A.
HOEKSTRA,
Commentary
n
Homer'sOdys-
sey,
vol.
II, Books
IX-XVI,
Oxford1989,3:
))Narrationn the first
person,by the
hero,
allows
the
events of several
yearsto be
encompassed
etrospectively
within he
periodcovered
by
the
epic,
the
fortydays between the
divine
assembly
on
Olympus i) and
Odysseus'
vengeance
on
the
suitors
xxii).
I...]
Homerevidently
established
his
own
conceptionof
epic
composition
against
the
tradition f the
oralheroic
ay
which,
almostcertainly, s
tobe
envisagedas a
chronologically
constructed arrative
ecounting
simplesuccession
of
events.<
6
Caieta
heilt zu diesem
Zeitpunkt,weil die
namengebende
Amme
noch
lebt, freilichnoch
nichtso,
wie Ovid
etwas
pedantisch
emerkt.
Die ubertriebende
enauigkeitenktden
Blick
auf
das in
diesem Punkt
unprazise
ergilische
Vorbild.
Vgl.
K.
S.
MYERS,Ovid's Causes. Cosmo-
gony and
Aetiology
in the
Metamorphoses,Michigan
1994, 104.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 3/19
438
THOMASBAIER
der
des langen
Umherirrensmude geworden
war, niedergelassen.
Dieser erkennt
im
Gefolge des Aeneas
seinen
ehemaligen Kameraden
Achaemenides,der bei der
Fluchtvon der Kyklopeninselzuruckgelassenwordenwar. Die Szene beginnt mit
einer
erstaunten
Begrul3ungder beiden, die
nicht
erwartethatten, sich an diesem
Ort
und unter
solchen Umstanden
wiederzutreffen.
Macareus fragt voller Ver-
wunderung(miratus): >qui e
casusve deusve/servat,
Achaemenide?cur
[...I
bar-
bara
Graium/prora
vehit? petitur vestra quae
terra carina?<(14,
162-164). Wie
bei einem
Wiedersehen nach langer Zeit
ublich, erzahlendie beiden
nun, was sie
in der
Zwischenzeit erlebt haben. Im
Zwiegesprach werden
Partien aus den
Apologen des
Odysseus vorgetragen7.
Achaemenides bringt
umstandlich seine
Dankbarkeit ur die Errettung
durch Aeneas zum
Ausdruckund
schildertdabei in
drastischenFarbendie GrausamkeitPolyphems. Der Hauptakzent eines Berichts
liegt
auf dem
Zeitraum zwischen der Abfahrt des
Odysseus
und seiner Rettung
durch
Aeneas
-
der
Zeit also, die er alleine mit dem
erblindetenWilden auf der
Insel
verbracht
hatte und in der er sich in steter
Angst, entdeckt zu
werden, vor
dem verbittertenund
rachsuchtigen
Unhold
verbarg (14, 167-220).
Dieser
Aus-
schnitt der
Geschichte ist
deshalb gewahlt,
weil Macareus uber die
Ereignisse
davor
als
Betroffener ja unterrichtetwar und es nicht sinnvoll
ware,
daB
Achae-
menides das
gemeinsam Erlebte noch einmal
rekapitulierte8.
Macareus berichtet
nun im
Gegenzug
die
Ereignisse
nach der Abfahrt
von der
Kyklopeninsel
bis zu
seinem Verlassen der Flotte des Odysseus, namlich die Stationen des
x
der
>>Odyssee<, iolos-Insel,
Laistrygonen,
Kirke.Besonders breitenRaumerhaltdas
Kirke-Abenteuer,
n
das wiederum
apologartig
eine
Erzahlung
ingelegt
ist: Wah-
rend
sich Odysseus und Kirke
zuruckgezogen haben (cum
duce [...] Circe dum
sola
moratur, 14,
312), geben
sich
seine Gefahrten
mit
den
Magden
der Zauberin
ab. So hort Macareus aus dem
Mund einer Dienerin
die
Verwandlung
des
Konigs
Picus in einen Vogel. Ovid hat
also
in
den zehnten
Gesang
der
>>Odyssee<<
ine
italische
Verwandlungssage
eingebettet.
Ovid
tritt in der
hier skizzierten
Passage
mit dem
>>Odyssee<<-Dichter
nd mit
Vergil in die
Schranken. Er greift dazu auf
unterschiedliche
epische
Techniken
zuriick,
die er mit
groBer
Virtuositathandhabt.Gleich der
Beginn
dieser
epischen
Einlage,
der den Leser sofort in medias res9
fuhrt,
st
eine
bewufte
Anlehnung
an
7
Aus den Buchernv und
K
der >Odysseeo.
8
Solche Rucksicht uf die >interne< orerschaft
aIt bereitsHomerwalten.So bemerktR.
DELASANTA,The Epic Voice, The Hague/Paris1967, 51 uber Odysseus' Erzahlungbei den
Phaaken:>It takes into account the very obvious but
the very often neglected fact that the
audience f an internal arrators quitedifferent rom he
audiencewhom he omniscientvoice is
adressing, nd that his internal udiencemust unction
as an integralpartof the totalwork.<Zur
Achaemenides-Erzahlunggl.
W.
LUPPE,
ie Achaemenidesepisodees Ovid (Metamorphosen
XIV 154-220).
Ein
Beitrag zur antiken Variationskunst,Wiss. Zeitschr.d. Martin-Luther-
UniversitatHalle-Wittenberg, es.-Sprachw.VI/2, 1956, 203-212.
9
Horaz >>A..o 148-149: semperad eventumestinat
et in mediasres/nonsecus ac notas
auditoremrapit [.
1.
Horaz erkenntdiesen Vorzug in den homerischen
m
Gegensatzzu den
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 4/19
Die
Wandlung
es epischen
Erzahlers
439
den
Anfang
der
>>Odysseeo,
o der
Held
des
Epos
an
einem
unerwarteten
Ort
und
in einer ungewohnlichen Situationangetroffenwird. Odysseus auf Ogygia erregt
das
Staunen des Horers
undweckt
sein
Interesse.
Ein
>*akxaca6v<
ist
ebenso
der
Beginn
der >Apologe<
n
Ovids
>Aeneis<.
Ovid
beginnt,
mit den
Worten
Quintili-
ans,
more
Homerico
a mediis
vel ultimis'0.
Sein
>Odyssee<-Teil,
wie man
die
Verse
14, 154
440
wohl bezeichnen
darfl
1, ubersetzt
nicht Homer,
spielt
aber
mit
homerischen
Techniken.
Wie Homer
gibt
Ovid
dem
Horer
zu
Beginn
der
Episode
gleichsam
ein
Ratsel auf.
Bei Homer
ist,
wie W. SUERBAUMargelegt
hat,
der
Horer
selbst der
Fragende,
der
wissen
will, wie Odysseus
in
diese
so
ausweglos
scheinende
Situation
gekommen
ist,
der
zugleich spurt,
>>daB
iesem
Ruhepunkte
der Handlung
bei Kalypso
mannigfache
Erlebnisse
des Odysseus
seit der
Erobe-
rung
Trojas
vorangegangen
sein
mussen<<12.ei
Ovid
stellt
die
Frage
stellvertre-
tend
fur
den Horer
Macareus.
Er legt
den Kunstgriff
damit
offen. Dem
Rezipien-
ten
wird die Haltung,
die
er einzunehmen
hat, exemplarisch
vorgefuhrt.
Es
wird
also nicht
der
Beginn
der
>>Odyssee?
opiert,
sondem
das
Muster
ubemommen,
der
uberraschende
Beginn
mitten
in
der Handlung.
Das Verhaltnis
des
seine
Erlebnisse
erzahlenden
Achaemenides
zu
Macareus
entspricht
der Beziehung
des
epischen
Erzahlers
zu seinen
Zuhorem.
Ovid hat
den
auBeren
Erzahlvorgang
abgebildetI3.
Die Technik
stammt
von
Homer,
allerdings
kyklischen
Epen.
Diese Technik st auch in der
modernen pischenForm,
dem
Roman,
gangig.
Balzac
kritisiert eshalb n Stendhals >Chartreusee Parme<
hre
Unterlassung:
M.
Beyle
a bien
dispose
les
evdnements,
omme
ils
se
sont
passes
ou comme ils devraient e passer;mais il
a
commis dans l'arrangement
es faits
la
faute
que commettentquelquesauteurs,
n
prenant
un
sujetvrai dans
la naturequi
ne l'est pas dans l'art. En voyant
un
paysage,
un
grandpeintre
se
garderabien
de
le copier
servilement, l nous en doit moins
la lettre
que l'esprit.
[...]
Aussi
souhaiterais-je,
ans
l'interetdu livre, que l'auteur
ommenqat
arsa magnifique squisse
de la
bataille
de Waterloo,qu'il r6duisit out
ce
qui
la
precede
A
quelque
r6citfait
par
Fabriceou sur
Fabrice
pendant
u'il git dans e village
de Flandre ii il est bless6.
Certes, 'oeuvre
gagnerait n
ldg0ret6.&Etudessur MonsieurBeyle, La RevueParisienne, 5.9.1840, zit. nach: Honorede
Balzac, Etudes
sur la Chartreuse e
Parmede Monsieur
Beyle, Castelnau-Le-Lez
989,
106-
107).
'?
Quint. 7, 10,
11.
II
Nochweitergeht J.
D. ELLSWORTH,vid's
)Odyssey<:
Met. 13, 623-14, 608,
Mnemosyne
41,
1988,
333-340: In der ublicherweise
ls Aeneis<bezeichneten
assage ei durch
Ubernahme
odysseischer
Abenteuer,durch iterarische
Anspielungen,
urchahnlicheEreignisse
wie in der
>>Odyssee<<
iese vergegenwartigt.
s sei Ovids
Ziel gewesen, in diesen
Versendie >Odysseeo
nachzuerzahlen.
12
SUERBAUM
wie Anm. 4), 165.
13
Zu erinnern st auBerdem n
die Funktionder Sanger
Demodokosund
Phemios,
deren
Einlagen trukturell en ApologendesOdysseusvergleichbarind.Einegrundlegende arratolo-
gische
Analyseder verschiedenen
Erzahlsituationen
iegt
bei I. J. F. DEJONG,
Narrators
nd
Focalizers.The Presentation f the Story in
the Iliad, Amsterdam
1987, zum
Problemder
Apologe bes. 36-37
vor.
Der epische Erzahler
>externalprimary
narrator-focalizero
NF1J)
erzihlt,
wie
Odysseus
()>internal
econdary
narrator-focalizer<NF2])den
Phaaken
)>internal
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 5/19
440
THOMASBAIER
hat Ovid, wie man unschwer erkennt, stark verfremdet .
Wahrend
Odysseus
seine
Erlebnisse
wie ein Rhapsode am Phaakenhof eierlich vortragt, reffen sich
hier zwei alte Freunde sozusagen ganz privat.Es sind keine homerischen Helden,
sondern ganzlich Unbekannte. Macareus, Sohn des Neritos, wie Ovid ihn gut
homerisch mit seinem Patronymikoneinfuhrt, konnte nicht unhomerischersein.
Post
taedia
longa laborum (14, 158) hatte er sich von der Truppe des Odysseus
abgesetzt.Ovid hatdie Adelsgesellschaftdes homerischenVorbildesverburgerlicht;
er
hat dem
Stoff
seine Dignitat genommen. Das
>faug4ctv<,
das angesichts des
Laertes-Sohnes
Odysseus angebracht st,
wird
auf
unwichtigeNebenpersonen
uber-
tragen
5.
Form
und
Gehalt sind
in
ein
MiBverhaltnis eraten
6.
Ovid halt die Tradi-
tiondes Epos nichthoch, sondern r spieltmit ihrauf gebildetealexandrinischeWeise.
Spiel ist in gewissem Sinne auch Ovids Umgang mit der Form der Ich-
Erzaihlungendes Odysseus. SUERBAUMat festgestellt, der >>Odyssee<<-Dichter
habe den Problemen des Wandels der Perspektive, die die Ich-Form gegenuber
der
Er-Form mit sich
bringe,
>>dadurch
echnung getragen,
daB
er
ihnen
aus-
weicht. Eine Verengung der Perspektive gegenuber
der sonst
herrschenden
Er-
Erzahlung
st in
den Apologoi des
9. bis 12. Buches
kaum
spurbar.
Das
ist deshalb
moglich,
weil
der >>Odyssee<<-Dichter
einen erzahlenden Helden
dem
eigenen
Typus des allwissenden
Erzahlers
angleicht?'7.
In der
Tat unterscheiden
sich
die
Bucher t
bis
i
auf
den
ersten Blick
vom
Rest der
>>Odyssee<<
aum.
Odysseus
secondarynarratee-focalizee"NeFe2]) eine
Abenteuer
rzahit.
Odysseus'Zuhorer
indalso
die
Phaaken
NeFe2],abernaturlich
uchdie Horerbzw. heutigen
Leser
des
Epos(oexternal
rimary
narratee-focalizeeo
[NeFe,
). Zu
den Qualifizierungen
ls intern/extern/primar/sekundar
gl.
ebd.,
192: >Charactersre
secondarynarrator-focalizers,
hich
means hat he NF
decides
when
and
for how
long to
let themspeak
andthat
he
NeFe,
also
receives heir peech.
[...] Whereas
he
NF1
s
extemal,
the characters
requalitate
qua internalnarrator-focalizers<.
gl.
DIES.,
Homer
and
Narratology,
n:
I. MORRIS/B.OWELL
Hgg.), A
New Companion
o
Homer,
LeidenlNew
York/Koln
1997,
305-325,
bes.
306-312.
Auf
Ovid bezogenhiefe das,
wollte
man
die
Klassifi-
zierungen
De
JONGSanwenden,
daB
Achaemenides
und Macareus
als >characters(
internal
secondarynarrator-focalizers<ind,daB ie aberzugleich,da sie sich gegenseitig hreGeschich-
ten erzahlen,
eweils
als >internal
econdarynarratee-focalizee<
uftreten.
14
SUERBAUMwie
Anm.
4),
166
spricht
m
Falle
Homers
von >werkimmanenter
bbildung
des
Erzahivorganges<.vid
dagegenhat keinenepischen
Vortrag,
ondern
privaten
small
talk(
abgebildet.
15
Vgl.
H.-B.
GUTHMOLLER,
eobachtungen
um
Aufbau
der
Metamorphosen
vids,
Diss.
Marburg 964, 113.
16
B.
OTIS, Ovid
as an Epic
Poet,Cambridge
1970,289
uber die
Begegnung
Macareus-
Achaemenides:
>theyre,
so to speak.
the plebeian, he
man-in-the-street's
iew of the
marvels
of Virgiland Homer.
The lightparody
or, better,designed
vulgarization
f
epic originals,
s a
most
significant
lue
to Ovid's intention
n
this part
of the poem.<<
'
SUERBAUM(wie
Anm. 4),
154.
Vgl.
B.
EFFE,
ntstehung
und
Funktion>personaler<
ErzAihlweisen
n
der Erzahlliteratur
erAntike,
Poetica7, 1975,
135-157,
hier: 143:
Dem
Ich-
ErzahlerOdysseus
tehe indenApologen
m
wesentlichen
ieselbeepisch-mneutrale<
llwissen-
heit
zu
Gebote
wie dem Er-Erzahler
n
den
anderen
Passagen.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 6/19
Die Wandlung
es
epischen
Erzahlers
441
berichtet
am Hof der Phaaken
auch
uber
Ereignisse,
die er nicht selbst
erlebt
hat,
sondern nur aus den Erzahlungenseiner Gefiihrtenkennen kann, wie etwa die
Expedition
ins
Laistrygonenland
oder
die
Erlebnisse
des Spahtrupps
unter Eury-
lochos auf der
Kirke-Insel Aia. Der
im
Ruckblick
erzahlende Odysseus
hat
das
Recht
zur Raffung,
zur
Umstellung,
zur
Reflexion,
zur
Einfugung
von Verglei-
chen,
er
darf
vorausgreifen
underlautern,
wo es die
Klarheitgebietet'8.
Selbst
von
einer olympischen
Szene,
einem
Gesprach
zwischen Helios und Zeus
(g
374-
390),
kann Odysseus
berichten.
Kalypso habe
ihn
dariber
informiert,
und diese
wiederum
habe
ihre Kenntnisvon
Hermes erhalten
(g
389-390).
Man
sieht,
der
>>Odyssee<o-Dichter
ar darauf
bedacht,
die Logik
der Ich-Form nicht zu durch-
brechen
-
er war sich des
grundsatzlichen
Unterschieds
der beiden Erzahlformen
wohl bewuBt
und wird ihm
durchentsprechendebeglaubigende
Zusatze
gerecht19
Was ist nun durch die
ruckblickende
Ich-Erzahlform
gewonnen? Zum einen
die bereits
von
Aristoteles
geruhmte
Zusammenfassung
der Handlung nep't
gtiav
np&atv
und. damit
zusammenhangend,die
Moglichkeit, das Epos
mitten im
Geschehen beginnen zu lassen20.
Doch
es gibt neben dieser
auBeren,kompositio-
nellen
Implikation
noch eine inhaltliche.
Der Ich-Erziihler
Odysseus charakteri-
siert sich durch seine Erzahlungselbst,
das
Erzahlte schlagt auf ihn zuriick,
ruckt
ihn in
ein
bestimmtes Licht21.Odysseus
will sich am
Phaakenhof auf eine
be-
stimmte Weise selbst darstellen.
Dies soll am Beispiel der Kirke-Erzahlungm zehntenGesang der >Odysseeo
verdeutlicht
werden.
Odysseus hat
als Erzahlereinen
allwissenden,
gleichsam
>olympischen<
Blickpunkt
(>pointof
view<)
-
er uberschaut
Anfang und Ende
des
Geschehens22.Sein Erziihlverhalten
also die Frage, ob
er
auktorial,
neutraloder
personal
erzahlt23,
ist uber weite Passagen auktorial,
d.h. er enthalt
dem
Horer
18
NachF. K. STANZEL,Theoriedes
Erzahlens,
Go6tingen
979, 113 kannein Ich-Erzahler
das Erlebtenichtnuraus der
Erinnerung erichten, ondern uchsinngemaB achgestalten, r hat
>>nichturretrospektive,ondern uchrekreativeKompetenz.o
19
Vgl. SUERBAUMwie Anm. 4),
157-161; vgl. auch 158, Anm. 14 die Besprechungder
erstmalsvon A. KIRCHHOFF
Die homerische
Odysseeund hreEntstehung,Berlin21879,292ff.)
vertretenen hese, die Apologe hattenursprunglichn Er-Form orgelegen.
20
Vgl. SUERBAUM
wie Anm. 4), 164-165.
21
Zum Uberblick uber Funktionen der
Ich-Erzahlung vgl.
STANZEL
(wie Anm. 18),
109-148.
22
ZumProblem,daBOdysseusauch
nicht selbst
Erlebtes
berichtetvgl.
GUTHMOLLER
wie
Anm.
15), 305;
R. MERKELBACH,
ntersuchungenur Odyssee (Zetemata2), Munchen 1969,
203-204;
D. L.
PAGE,Folktales
n
Homer's
Odyssey,Cambridge,Mass. 1972, 56.
23
Die
Begriffeauktoriales,
eutrales
nd
personales
Erzaihiverhaltenind im Sinne
von
J.
H.
PETERSEN,
Kategorien
es Erzahlens.Zur
systematischenDeskription pischerTexte,
Poetica
9,
1977, 167-195, hier: 186-192 gebraucht.Derauktoriale rzahler nimmt tellung,kommentiert,
bringt
ich als Vermittler
ns
Spieloc189).
Der neutrale
Erzahler
nthaltsich
jeder subjektiven
Stellungnahme,
.B. indemer die Personen n
einem
Dialog sprechen aBt,ohne sich einzumi-
schen.
Das
personale
Erzahlverhalten
etzt Erzahler ndFigurvoraus,>>undwar n demSinne,
daBder Erz.hler
spricht,
aber ndemer die
Optikder Figur
wahlt"<
191).
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 7/19
442
THOMAS
BAIER
keine
Information
vor, sondern
setzt ihn
uber
Zusammenhange
n
Kenntnis,
die
sich
den
Handelnden
erst
im spateren
Verlauf
der
Ereignisse
erschlieBen.
So
erflhrt
der
Horer
sofort, als
der Spahtrupp
unter
Eurylochos
zur Erkundung
der
Insel Aia
aufbricht,
den Namen
Kirkes,
und
auch das ratselhafteVerhalten
der
wilden
Tiere, die
sich
den Ankommlingen
freundlich
schwanzwedelnd
nahern,
wird erlautert:
tou;
acnr'
Kcac9tE1g?XV,
ElE't KaKa
46p[aax'
C&i8Sev
(K
213)24.
Was den
Erlebenden
zur Verwunderung
gereichte,
wird
dem Horer
sofort
ent-
schiusselt.
Ebenso verhalt
es sich mit
der
Verwandlung
der
Gefihrten,
die inner-
halb des Hauses
der Kirke
ohne
Zeugen
vor sich geht (K
234-243). Eurylochos,
so
wird
eigens erwahnt,
war nicht
in das
Haus gefolgt,
da
er
einen Hinterhalt
befurchtete(K
232).
TrotzdemreferiertOdysseus
am
Phaakenhof
die
Verzaube-
rung;er kann sie nur im Nachhinein von den zuruckverwandeltenOpfernselbst
oder
von
Kirke erfahren
haben. Soweit
gibt
Odysseus
als auktorialerErzihler
die
Ereignisse
klar
und durchsichtig
wieder.
Er schaltet
sich,
soweit notig,
erlautemd
und kommentierend
ein25.
Nun wechselt
er
aber
-
was fur
die
oixovogia
seiner
Erzahlung
vollig uberflussig
ist - an einigen Stellen
zu einem
neutralen
Erzahl-
verhalten,
d.h.
er nimmt
sich
als Erzahler
vollig
heraus. Dies
geschieht
immner
dann,
wenn
er
wortliche
Rede
wiedergibt26.
o laBt
er
Eurylochos,
der als
einziger
der
Tucke
Kirkes
entronnen war,
in direkterRede
von seiner Expedition
Bericht
erstatten
(Kc
251-260).
Dieser
ist noch
ganz
verstort
von dem
Geschehenen
und
vermag nur einzelne unzusammenhangendeEindruickezu geben. Namen und
Hintergrunde,
die
der Horerbereits kennt,
sind ihm
verborgen.
Von der
Verzaube-
rung
der
Gefahrten
weiB er
nichts,
wenn
er naiv berichtet: ot
5
ai
4triiaav
QoXX.Ee4, Vu&
Txi
autwv/e?40v1n1 Slp6v
6e
KatOEWvo
v,ioirialov< (K
259-
24
Es mag
offen
bleiben,
ob
mit Karac)9eyEtv
das
Verwandeln
wilder
Tiere
in zahme
oder
von Menschen
n Tiere gemeint
st.
25
So
etwa
ganz
deutlich
n
V.
232,
wo die
Motive
des
Eurylochos
ur sein
Zuruckbleiben
genannt
werden:
Exp'ukoXoSo
VJx?xtwveV
oioato
yap b6kov
e&vat.
26
Die
Wiedergabe
irekter
RedeunddasZurucknehmenerErzahlerpersonobtAristoteles
oPoet.<<
4,
1460
a 5ff. an
Homerausdrucklich.
Ganz
anders
beurteilt
Platon
die
Einlagen
n
direkter
Rede,
in
denen
sichder
Dichterhinter
einer
Figur
verstecke
und
dadurch
erschleiere,
daB
n Wahrheit
r selbst
der
Sprecher
ei.
ZurDefinition
des
Unterschiedswiihit
erdie
Begriffe
biyricn;
und
giplaot;:
OKoi6v
Stnyiat;
w
vaniv
icai otav
[o
nouiTIT;J
?04
piia?;
bKcOOTro
ky3
Kati
6xav
tg
vaRie'rCv
OWcEov;
-
Ilk
yap ov5; AXK
o?avye
nva
4yi3 piatv
kTIn
aXXoL;
v,
ap
ou
6
TTE 6O10iV
aivov
i6V
ojicv 6rt
pdXtoTa
T11V 0oi
4
tV
EKQcOT
ov
av
itPOEit
GjX
POIVra;
-
"aooiv
(>>Rep.(<
, 393
b7-393
c
4).
Im
folgenden
ubersetzt
laton
die
Auseinandersetzung
wischen
Chryses
und
Agamemnon
us
dem
erstenGesang
der
>lias<
aus
der
direkten
Rede
(piiuiat;)
in
indirekte
Rede (StuyrTcnt).
iese
dirXi
8tiyTnc;
(393
d
7),
die
nichtdenAnschein
erweckt,
als spreche
in
anderer
ls der
Dichter,
ieht
Platonder
mimetischen
Form,
die hauptsachlich
n
das
Drama
gehore,
vor.In
seiner
Umsetzung
derHomer-Passage
aBt
Platondie
Epitheta
rnantia
weg, da
auch
dieseeinen
>Mimesis-Effekt<
aben,
also
Wirklichkeit
fingieren,
ndemsie
die
Szene
plastischer
ervortreten
assen,
vgl.
G.GENEITE,
iscours
du
r6cit.
Essai de
m6thode,
n:
DERS.,
igures
II,Paris
1972,65-282,
hier:
186-189.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 8/19
Die
Wandlung
es
epischen
Erzahlers
443
260).
Eurylochos
kann
sich auf
das
Geschehene
keinen
Reim
machen,
er
ist
kleinmutig, verzweifelt, verzagt, zum Aufgeben bereit. Odysseus reagiert indes
genau entgegengesetzt.
Entschlossen
nimmt
er die
Sache
selbst
in die
Hand.
Auch
seine
Antwort
auf
Eurylochos'
Bericht
wird in
direkter
Rede
wiedergegeben:
>[...]
alnt&p
7ybv
?i
p-
cpa?pi
&
goit
bXski
&vdymc<
K
273).
Auf
dem
Hintergrund
von
Eurylochos'
Schwachlichkeit
erscheinen
seine
Tatkraft
und sein
Verantwor-
tungsgefuhl
fur
die Gefahrten
um so
vorbildlicher27.
Dort
also,
wo der
Erzahler
Odysseus
durch
die
Verwendung
der direkten
Rede scheinbar
objektiv,
neutral
berichtet,
ist seine Erzahlung
am
subjektivsten
und
parteiischsten.
Auch
nachdem
Odysseus
sich
selbst auf
den Weg gemacht
hat,
von
Hermes
instruiert
worden
ist,
Kirke uberwunden,
die
Ruckverwandlung
der Gefahrten
erzwungen
hat
und
zu
den bei
den Schiffen
wartendenGefahrten
und Eurylochos
zuruckgekehrt
st,
ist
letzterer
noch
vollig
verangstigt
und
will auf
keinen
Fall nochmals
zu
Kirke
aufbrechen,
denn
er weif ja
nicht,
was in der
Zwischenzeit passiert
ist. Odysseus
informiert
Eurylochos
und die
Zuruckgebliebenen
nur unzureichend
uber
das
Geschehene
- er
referiert
seine
Wortein
direkter
Rede
(ic 423-427)
- und
fordert
sie auf, sogleich
mitzukommen
und es
sich
bei Kirke
gutgehen
zu lassen.
Er
weiB
zu diesem
Zeitpunkt
und
auch seine Zuhorer
bei
den
Phaaken
sind unterfichtet
,
daB das
inzwischen gefahrlos
moglich
und
Kirke gebandigt
ist, aber
Eurylochos
kann
es noch
nicht
wissen und ist
miBtrauisch.
Fur
diesen Kleinmut,
der aus
seinem begrenztenWissen herausabergut verstandlich st, hatteOdysseus, wie er
selbst
sagt,
ihn beinahe
erschlagen,
wenn
die
anderen
Gefahrten
hm
nicht
maBi-
gend
entgegengetreten
waren
(ic
438-442).
Tatsachlich
reagieren
aber
Odysseus
und Eurylochos
auf dem
Hintergrund
ines
vollig unterschiedlichen
Vorwissens,
das die Souveranitat
des einen
und
die klaglich
wirkende
Weigerung
des
anderen
relativiert.
Dadurch
nun,
daBdie
Zuhorer
am Phaakenhof
aufgrund
der
auktoria-
len Erzahlweise
des Odysseus
den
gleichen
Wissensstand
haben
wie dieser,
also
besser
informiert sind
als Eurylochos,
sehen
sie die
Vorgange
aus
Odysseus'
Perspektive
und damit
auch
in dessen
Interpretation.
Der
Wechsel
von einem
auktorialen,also vom Erzahlerbestimmten,zu einem neutralenErzahlverhalten,
das nur die
Handelnden zu Wort
kommen laBt,
wirkt
fur
Eurylochos
entlarvend.
Odysseus
zieht durch sein
Erzahlverhalten
die
Horerauf
seine
Seite.
Odysseus
als
Ich-Erzahler
nutzt
also die
Apologe,
um sich
selbst
ins rechte
Licht zu
setzen28.
Die Diskrepanz
zwischen
dem allwissenden
Erzahler
und
dem
27
Es ist ohnehin chon
auffallig,daBEurylochos
ls Fuhrer
ererstenExpedition
u Kirke
sich so
sehr
im
Hintergrund
alt.
28
DELASANTA
wie Anm.
8), 54-55: Odysseus
machesichbei den
Phaaken eliebt, ndem
er
derenGastfreundlichkeiturchdas HerausstellenegenteiligerErfahrungenndirekt obe.Auch
Circe
lasse als Gegenbild
zu Nausikaa
die
Phaakenprinzessin
n besonders
gunstigemLicht
erscheinen.Eigene
Interessen ieht
auchMOST
(wie
Anm.
4), 28-29
hinterOdysseus'
Abenteuer-
erzahlungen:
ndemdieser
Beispiele
schlechterGastfreundschaft
rzahle,erinnere
r die
Phaa-
ken auf
subtile
Artan ihreGastgeberpflichten
nd ihre Zusicherung,
Gaste nicht gegen
ihren
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 9/19
444
THOMAS BAIER
begrenztenWissen der
Handelnden
pointiertseine
Selbstdarstellungund
dient der
Sympathielenkung29.
elbst wenn
also
auBerlich
kaum
ein
Unterschied
zwischen
den
Apologen
undden in
Er-Formerzahlten
Partiendes
Epos besteht,
so ist doch
inhaltlichein
doppelterBoden in der
Ich-Erzahlung
orhanden.
Odysseus ist
nicht
nur
ein
unterhaltsamer
Rhapsode.sondern er
ist
zugleich ein
geschickter
Anwalt
in
eigener
Sache30
Doch
nun zu
Ovid.
Was
hat
der
romische
Bearbeiter
aus
der
erzahltechnisch
ausgeklugelten
Vorlage gemacht? Die Ich-Form st
beibehalten.
Das
vornehmlich
auktoriale
Erzahlverhalten st
jedoch
einem
hauptsachlich
personalen3l gewichen.
Willen zuruckzuhaltenD>Od.<<, 31-33). Die Circe- und Calypso-Erzahlungeneien ein ge-
schicktes Kompliment n NausikaasSch6nheit,aber zugleicheine Absage,bei ihr zu bleiben.
Dieses Verhalten ntsprechedem )>stranger's
trategemr,
bd., 19; vgl.
dazu auchG. W. MOST,
The Stranger'sStrategem:Self-Disclosureand Self-Sufficiency n
Greek Culture,JHS 109,
1989, 114-133. Nach
DE
JONCO
987(wie Anm. 13), 192-193 ist diese
Besonderheit er Apologe
bereitsstrukturelln
der
Erzahlung iner Figurangelegt:
>>[...]
he presentation
y charactersn
character-texts conditionedby the identityof speaker nd
addressee
nd
by the situation, .e. the
effect
the
speaker
wantshis
wordsto have
on the
addressee.(< anz andersverhalte s sich mit
dem epischen Erzahler
NF1J:
> ...]
on accountof or rather hroughhis associationwith the
Muses,[he] claimsto be a reliablepresentator."<gl. ebd., 178:
>>In
therwords,withthe number
of embeddings he distance romthe >reality( f the primary abula ncreasesand therewith he
reliabilitydecreases. Thus,the differencebetweenNF1andcharactersunctioning s NF2 s not
only one of emotional involvement [...], but also of reliability
as presentators f narrative
information.(( gl. auch
DE JONG
987 (wie Anm. 13), 312-319.
29
Durch
die Umwandlung er Apologe in Er-Erzahlungen urde
ihr spezifischerGehalt
verlorengehen, vgl. K.
REINHARDT,
ie Abenteuer der Odyssee, in: DERS.,
Von Werken und Forrnen.
Vortrage ndAufsatze,Godesberg 948,52-162, 67: >)Es ibtAbenteuer,
on denendie
Ich-Forrn
in Gedanken bzustreifen ichtviel Muhekostet.Anderenst sie so
verwachsen, aLman,umdie
Ich-Form bzuziehen, as ganzeAbenteuerchindenmuBte.Das besagt: erWandel usderdn'tten
Person
n
die
erste
greift bei den verschiedenen
benteuern
n
verschiedene
Tiefen.Er
bedeutet,
wennnichtuberall,
o
doch bei
einem
Teil zugleich
aucheine Umformungn
Geist
undStil.<<
30
Vgl.
S. D.
OLSON,
lood and Iron.
Stories
and
storytelling
n
Homer's
Odyssey,
Leiden/
New YorklKoin 1995, 44: Die Apologe zeigten
keine
Charakterentwicklung
es
Odysseus,
sonderndienten der
Selbstdarstellung:
)For
great
hero
to
return
rom abroadwithout his
companions,
fter
all,
raisesa
series of
potentially eryembarassing uestions cf. xxiv.426-8):
how
can
it be thathe
has
failed to
protect
hose
who were
so
obviouslydependent
n
him?oT.
ToDOROVieht im Erzahlen on Ich-Erlebnissen,
n der
Selbstprasentation
es
Helden
den Kern
der
)>Odyssee<<,gl.
T.
ToDOROV,rsprungliches rzahlen,
n:
DERS.,
oetikder
Prosa,
Frankfurt
am Main 1972
(franz.Originalausgabe 971),
aus
dem
Franzosischen
on H.
MULLER,5-76,
hier:
74:
oEs
gibt
zwei
Odysseus(e)
n
der
Odyssee:
er
eine
hat
die
Abenteuer,
erandere
rzahlt
sie.
Es ist
schwer zu
sagen,
wer von
beiden
die
Hauptperson
st.
[.1
Wenn
Odysseus
so
lange
braucht,
m
heimzukommen, ann,
weil
das sein
tiefster
Wunsch
ar
nicht
st:
sein Wunsch
st es
zu erziihlen
...].
Odysseuswill nicht nachIthaka uruckkehren,
amit
die Geschichteweiterge-
hen kann. Das Themader Odyssee
ist
nicht die
Ruckkehr
des
Odysseus
nach
Ithaka;
diese
Ruckkehrst
im
Gegenteil
der
Tod der
Odyssee,
und hr
Ende.
Das
Themader
Odyssee
sind die
Erzahlungen,
us denen
sie
besteht,
oder
die
Odyssee
elber.<
31
ZurBegrifflichkeit gl.
oben
Anm.
23.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 10/19
Die
Wandlung
es
epischen
Erzahlers
445
Der allwissende
Standpunkt
des Ich-Erzahlers
Odysseus
ist
aufgegeben zugun-
steneines >pointof view<gleichsam im Geschehen32.Diese Neubestimmungvon
Erzihlerstandpunkt
und Erzahlverhaltenwar
moglich,
weil Ovid
seine
Ich-Erzah-
ler nur das berichten
laMt,was sie auch wirklich selbst
erlebt haben. Der
homeri-
sche
Odysseus erzahlt,
daB
von den
drei
Kundschaftern
ns
Laistrygonenland
zwei
entkommen
seien
(x 117),
die - wie man wohl schliet3enmuB ihm ihre
Erlebnis-
se
schilderten. Bei Ovid berichtet einer der beiden entkommenen
Kundschafter,
namlich
Macareus,
selbst33.Die
Frage,
woher der
Erzahler
sein
Wissen
bezieht,
erubrigt
sich.
Zugleich
wird der
Beglaubigungsapparat,
den Homer
benotigt,
entbehrlich. So verhalt es sich auch mit den
Vorgangen
bei Circe.
Macareus
erzahlt sie aus seiner
Sicht,
aus der eines
Opfers, eines Verwandelten. Ohne
vorzugreifen
schilderter Schrittfur
Schrittalles der Reihe nach; er versetzt sich in
seine
damalige
Rolle
hinein,
nimmt
insofern ein
personales Erzahlverhalten
an.
Der Horer
erfahrt,
wie die Gefahrten
ad moenia Circes
gelangen,
scheinbar
freundlichaufgenommen
werden, den gereichten
Becher
trinken und
durch Be-
ruhrung
mit Circes Rute allmahlich die
Gestalt von Schweinen
annehmen.
Die
physischen
Veranderungenwerden, wie
oft bei Ovid, aus dem Erleben
des Betrof-
fenen
selbst dargestelit. Das Besondere an
dieser
Metamorphose ist, daB wie in
einem
ruckwarts aufenden Film auch
die Zuruckverwandlung rziihlt
wird34.Es
dominiert
eindeutig
die
Innensicht,
die
Perspektive
der
Betroffenen,
wahrend der
homerischeOdysseus die Ereignisse mehrvon einem ubergeordnetenStandpunkt
darstellt,die
AuBenperspektivean sie
herantragt.
Der
Perspektivenwechsel fuhrt auch
zu einer unterschiedlichen
Gewichtung
der
Ereignisse.
Macareus
kommt es
vor
allem auf sein Empfinden
wahrend der
Metamorphosenan. Die
rettendeTat des
Odysseus wird nur knapp
berichtet und
weniger
diesem als vielmehr dem in der
>?Odyssee<<o jammerlich
abschneiden-
den
Eurylochos als
Verdienst angerechnet:
Eurylochus]solus data poculafugit./
quae
nisi
vitasset, pecoris pars
una
manerem/nuncquoque saetigeri,
nec tantae
cladis ab
illo/certior
ad
Circen ultor venisset Ulixes
(14, 287-290). Hier gibt
Macareus das personale Erzahlverhalten,das Sich-Hineinversetzen in die Rolle
des
erlebenden Ich fur
einige Verse auf und
kommentiertaus seiner Situation als
erzahlendes Ich heraus35.
Eurylochos
erscheint in viel hellerem Licht
als Odys-
32
Der
Standpunkt
ezeichnet
die Nahe oder
Fernedes
Erzahlers
zum
Geschehen,
vgl.
PETERSEN
wie
Anm. 23),
180-181.
-3
Vgl.
SUERBAUM
wie
Anm. 4), 155,
Anm. 10.
34
Vgl.S.
Dopp,
Vergilrezeptionn der
Ovidischen
>Aeneis<,
hM134,
1991,
327-346, hier:
338-339:))DerbesondereReiz derOvidischenGestaltungiegtdarin,daBdieVerwandlungsvor-
gange aus der
Perspektive
ines
Betroffenen
rzahlt
werden,
der die
Details
weidlich
auskostet.
Der
spielerischeCharakter es Ganzen
hat
bei Vergil
keine
Entsprechung.(<
gl.
auch
GUTHMML-
LER
wie
Anm.
15),
117-118.
35
Ebenso n
V.
279 und 285.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 11/19
446
THOMAS
BAIER
seus36.
Macareussolidarisiert
sich
sozusagen mit dem >kleinen
Mann. Die
Optik,
die an die
Ereignisse
herangetragen
wird,
ist also
bei Macareus
eine ganz
andere
als bei Odysseus37.
Macareus
hatte sich
aus
UberdruB
n den
Irrfahrten
nd standigen
Abenteuern
aus der
Truppe des
Odysseus
abgesetzt.
Selbst
den Wunsch,
nach Hause
zu
kommen,
hatte
er aufgegeben.
Er weist sich
somit geradezu
als Anti-Odysseus
aus. Sein
Benehmen konnte
nicht unheldischer sein.
Auf diesem
Hintergrund
st
auch sein Apolog
zu sehen.
Er wird ihm
zur
Apologie,
zur Rechtfertigung
dafur,
daf3
r sich aus der
>Odyssee<
erabschiedet
hat.
Der
Horer
soll nicht
von
Bewun-
derung
fur die erlebten
Abenteuer, sondern
mit
Abscheu fur
die durchlittenen
Demutigungen
erfullt werden.
et pudet
et referam
(14, 279);
mitdieser
Interjekti-
on kommentiert Macareus seine Erlebnisseselbst eindeutig. Sein Bericht ist die
Gegendarstellung,
die
>Darstellungvon unten<
derjenigen
Erlebnisse,
deren
sich
Odysseus
bei den
Phaaken ruhmt.
Und Achaemenides?
Fur ihn gilt im wesentlichen
dasselbe.
Doch
verhUlt
s
sich bei ihm
insofern
komplizierter,als
er bereits
von Vergil eingefuhrt
wurde.
In
der >>Aeneis<<st seine
Funktion
klar.
Er soil
die
pietas
des pater
Anchises
unterstreichen,
der dem
ehemaligen
Feind
verzeiht,
dem
in Not Geratenen
die
Hand reicht,
der trotz
des Betrugs
durch Sinon
nicht den Glauben
an das Gute
verloren
hat,der ein
Gegenbild
zu Odysseus,
dem
infelix Ulixes38,
abgibt39.
Er
ist,
um R.
HEINZE
ZU itieren,>>eine rfindung,die ganz im Bereich virgilischerKunst
lag. [...]
der
kuhnen
Verschlagenheit
des
Odysseus
[trittl
die
pietas
der
Troer
ebenbiirtigzur Seite<<40
Ovid
hat
das Pathos der Szene
ubertrieben
und
dadurchentwertet. Bei
ihm
ist
Achaemenides,
der ja
schon
langer bei den
Trojanern
ist,
iam
non
hirsutus
36
Daran
andern auch
die Danksagungen
an Odysseus.
die verba
1/[...
I
nos testantia
gratos
(14, 306-307),
nichts.
37
Man
wird
nicht
so welt
gehen, von einer Anti-Odyssee
zu
sprechen,
eine deutliche
Distanzierung
von Homer ist
aber nicht zu
leugnen.
38
Odysseus hat in >>Aen.",, 613 und 691 das Epitheton infelix, im Sinne von unheilbrin-
gend.
Als
conies
infelicis
Ulixi stellt sich
Achaemenides
selbst
vor,
mit diesen
Worten
beendet
Vergil
die Episode.
31
Vergils Gestaltung ist
sehr
viel
emotionaler
als die
Vorlage.
Vgl.
B. EFFE,
Epische
Objektivitat
und auktoriales
Erzahlen.
Zur
Entfaltung emotionaler
Subjektivitat
in
Vergils
Aen-
eis,
Gymnasium
90,
1983,
171-186,
hier: 183:
>,Der
Vergilische
Erzahler ruckt
seinen
Stand-
punkt
dicht an die
dargestellten
Ereignisse
heran;
die Nahsicht
des teilnehmenden
Beobachters
tritt
an die Stelle
homerisch-alexandrinischer
Distanz.
Das erzahlte Geschehen
wird in
Sentiment
getaucht,
indem
der Erzahler
seine
Perspektive
aus der Gefuhlswelt
der agierenden
Personen
herausentwickelt.<<
Achaemenides
ist gleichsam
das Sprachrohr
des
epischen
Erzahlers.
DELASANTA
(wie
Anm. 8),
44 stellt
fest, daB
bei Vergil
der
>delegated
narrator(
der Begriff ebd., 48)
weniger
deutlich
von der Rede
des Erzahlers
abgesetzt
sei als
bei Homer:
>>The
mpression
often
gained
is
that when
Virgil's
characters
are speaking
the
omniscient
voice
has not
relinquished
its
control
over
them but
uses them
as
a mouthpiece,
rhetorical
and
declamatory.,<
40
R. HEINZE, Virgils
epische
Technik,
Leipzig/Berlin
-19l5,
112-113.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 12/19
Die Wandlung
es
epischen
Erzahlers 447
amictu,/iam
suus
et
spinis
conserto
tegmine
nullis
(14,
165-166),
er hat
alles
Schlimme hintersich. Um so unangemessenerwirktes, wenner sich im folgenden
auf
die
Kyklopeninsel
zuruckversetzt
und in
Erlebnisperspektive
vom
Wuten
Polyphems
berichtet
sowie
davon,
was ihm
gedroht
hatte,
hatte
der
erblindete
Kyklop ihn,
den Zuruckgelassenen,gefunden.
Bei
Vergil
wird das
grausame
Kyklopenabenteuer
erichtet,
als sich Achaemenidesund
naturlich
auch
die
Aenea-
den noch in unmittelbarer
Gefahr
befinden,
bei
Ovid aus sicherer
Distanz. Die
Erzahlung
verselbstandigt
sich dadurch zur Groteske
und wirkt innerhalb
des
friedlichen
Rahmens unangemessen drastisch,
zumal Ovid alle Facetten
einer
>Asthetik des Grauens<
ausleuchtet4'.
Eine
besondere
Pointe
setzt Ovid noch
obenauf, indem er den zuruckgelassenenAchaemenidesden Aufbruchdes Odys-
seus von
der
Kyklopeninsel
und
den
Steinwurf Polyphems
nicht aus seiner
eigenen, sondern
aus der Perspektive
der Gefahrtenauf dem Schiff
schildern
und
ihn diesen Perspektivenwechsel
auch noch
ausdrucklich betonen
la3t: et,
ne
deprimeretfluctus
ventusvecarinam,/pertimui,
am me non
esse oblitus in illa (14,
185-186).
Der Horer wird
auf
das
Spiel mit
verschiedenen
>Fokalisierungen<
geradezu
gestofen.
Das Hybride
der ovidischen Konstruktion
wird
durch eine
Gegenuberstellung
mit einer vergleichbarenSituation
bei Homer deutlich:
In der
>>Ilias?, , 359-361,
erklart
Achill Odysseus,
er
werde
der
Expedition der Grie-
chen
den
RUcken
kehren und nach
Hause fahren:
>6
at,
ai
O
X1al?h
cat a'
KEy
tot
16
J.ttT1,/flpt saX
EXXronovtov
6i
iXOx?vta
nOxowcaa/via;
?gat,
?v
6'
dv8pac;
ipe
aajuvat
gt4tacna;<42.
Dabei
nimmt
er
die
Perspektive
des
Odysseus
an
(0ona)
und schildert
seine Abfahrt
aus der Sicht der Zuruckgeblie-
benen. Die
Vertauschung
der Perspektive
erfolgt also genau
anders herum
als bei
Ovid,
in
ihrer Struktur st sie aber
vergleichbar. Vom Gehalt
her liegen indes
Welten zwischen den
beiden Beispielen. Bei
Achill ist der
Perspektivenwechsel
einleuchtend
-
fuihrt
r doch Odysseus und den
anderen Gefahrten plastisch
vor
Augen,
wie
es ihnen ohne Achill zumute sein
wird. Der Sarkasmus
in dem
einschrankendenKonditionalsatz,>ac
K
65?Xima
icai a'
KEVtot
ta ?qiX<
(I,
359), ist kaum zu uberhoren43.Achill wendet ein gelaufiges rhetorischesMittel
an.
Achaemenides
dagegen wahlt eine aus
seiner Sicht
schwer verstandliche
Perspektive
-
schliet3lich
hat er keinen Grund,
sich
um
seine Gefahrten,
die ihn
schmahlich
dem Verderbenuberlassenhaben,
besonderszu
sorgen -, under weist
41
Im
Gegensatz zu
Vergil fallt bei Ovid auf, daB er
odie Situationdes verlassenen
Achamenides
arstelltwieein Bild.
[.1
Das
Innere esGegensatzesunddes
AuBergewohnlichen
ist da, aberdie tiefere
moralischeBedeutung st
abgestrichen<<,.
MEHMFL,
ValeriusFlaccus,
Diss.
Hamburg1934, 105.
42
Vgl.
zu dieser Stelle auch DE
JONG
1987 (wie Anm. 13), 169. Es soil nicht behauptet
werden,daBOvid genau
diese
>dIlias(<-Stelle
arodieren
wollte. Vielmehr soll der Vergleich
beiderStellen
zeigen,
wie Ovid
ein
von
Homer
mitSelbstverstandlichkeiterwandtes
hetori-
sches Mittel
weiterfuhrt,
ns Extreme
teigertunddadurch ine
karikierendeWirkung rzielt.
43
Vgl. DE
JONG
1987
(wie Anm 13), 170.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 13/19
448
THOMAS
BAIER
auf
das Merkwurdige
an
seiner Reaktion
auch noch
ausdrucklich
hin. Ovid
hat
den Aspekt
des Perspektivewechsels,
der >Fokalisierung<
us
der Sicht
eines
anderen,
den
Homer sicher unbewuBt
nutzte,
bewuBt
eingesetzt,
aber
ubertrieben
und
ins Manierierte
umgebogen.
Durch
diese offensichtliche Willkur
entsteht
auch
ein gewoliter
Kontrast
zum Vorbild
in
der
>>Aeneis<.
Bei
Vergil
wird
Achaemenides
in einem
psychischen
und
physischen
Zustand eingefuhrt,
in
dem
niemand
von ihm Mitgefuhl
fur
die - im ubrigen
selbstverschuldete
Gefahr
des
Odysseus
und der
Gefahrten
erwartet.
Der ovidische Achaemenides
dagegen
vergiBt
im Augenblick
des
Steinwurfs
sein
eigenes
Elend
und fuhlt
sich
in seine
Kameraden
hinein. Dies
ist, zumal
fur einen Leser,
der
Vergils
Vorlage
kennt,
grotesk.
Bei Vergil ist Achaemenides
ein echter
toX&tnka;,
er
im
unverdienten
Leid ausdauert, im Gegensatz zu dem verantwortungslosenOdysseus, der die
Folgen
seiner
eigenen
Hybris
zu tragen
hat;
Ovid hat
ihn zur
Karikatur
emacht.
Ovid laBt
Achaemenides
mit
einer weitschweifigen
Danksagung
an
Aeneas
beginnen.
Die Menschenfreundlichkeit
der Aeneaden,
die sich dem
Horer
der
vergilischen
>>Aeneis<<
us
der Handlung
erschlielt,
-
die
Episode
spricht
dort fur
sich
-
legt Ovid
seiner Figur in den
Mund. Das
Lob
wird dadurch,
daB
es explizit
ausgesprochen
wird,
platt,
die gepriesene
Humanitat
gerinnt
zum
Topos.
Dies
ist
um
so
peinlicher,
als sich herausstellt,
daB es
Achaemenides
uberhaupt
nicht
um
Aeneas
geht.
Die Huldigung
an die
Troianer,
die
Bekundung
der eigenen
Dank-
barkeitund Verpflichtunghaben allein den Zweck zu begrunden,weshalb er als
Grieche auf
einer barbara prora
fahrt,
sich
im
Lager
der
ehemaligen
Feinde
befindet. Daher
beginnt
Achaemenides
auf
die erstaunte Frage
des Macareus,
wieso er die
Seite
gewechselt
habe, seine
Antwort
mit einem
pathetischen
>fortis-
simo<
und
stellt
die
Ruckkehr
zu
Odysseus
oder
in die Heimat
als
ein 65uvaTov
dar:
>iterumPolyphemon
et
illos/adspiciamfluidos
humanosanguine
rictus,/hac
mihi si
potior
domus est Ithacique
carina [...]. ( 14,
167-169).
Auch
sein
Apolog
ist in
Wahrheit eine
Apologie44.
Ovid
hat
jedenfalls
die
>>Aeneis<<
om Podest
geholt45,
indem
er sie auf ein
Rollenspiel
mediokrer
Charaktere
ubertrug.
Die
Erzahlhaltung46
er
beiden Ich-Erzahler
Achaemenides
und Macareus
laBt
Di-
stanz zum vergilischen
wie zum homerischen
Vorbild
erkennen. Ihre
Darstellung
aus der Sicht
der
Betroffenen,
der Benachteiligten
wirkt entlarvend.
Indem
sie
in
44
Als
Selbstverteidigung
ieht
OLSON
(wie
Anm. 30),
48-53 auch
die
Apologe
der
>>Odys-
seeo.
In der Kyklopengeschichte
telle
sich
Odysseus
als
denjenigen
heraus,
der
die
Gefahrten
durch
Geschicklichkeit
erettet
habe,oaggressivelydefending
himself
against
an
implied
charge
of
havingbrought
bout he death
of six of
his
comrades
by
his own
recklessness
cf.
x.435-7).<<
45
Vgl.
F.
J.
MILLER, Ovid's
Aeneid
and
Vergil's:
A Contrast
n
Motivation,
CJ 23,
1927/8,
33-43,
hier:42:
*Ovid
s sick
andtired
of Aeneas<'.
46
Vgl.
PETERSEN
wie
Anm.23),
193-195:Die Erzahlhaltung
>meint
as
Licht,
in dem
der
Erzahler
das Erzahite
rscheinen
alt,
sofern
er eine bestimmte
Einstellung
rkennbar
macht:
Seine Haltung
kannbejahend
der
verneinend,
ritisch
oder
unkritisch,
athetisch
der
ronisch
sein
usw.,
d.h.
das
Erzahltebekommt
ine bestimmte
Farbung.o
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 14/19
Die Wandlung
es
epischen
Erzahlers 449
ihrem Gesprach
unverhohlene
Ablehnung
gegen die durchlittenen Erlebnisse
erkennenlassen, werden die Abenteuer, furdie Odysseus beruhmt st, entwertet.
Ovid
tritt
also
erzahltechnisch
durchden Wechsel von
Erzahlerstandpunkt>point
of view<)47, Erzahlperspektive48
nd
Erzahlverhalten49
nd inhaltlich durch
eine
Erzahlhaltung
>von
unten<
mit
seinen
Vorbildern n die Schranken.
Ein
Spiel
mit der
epischen
Tradition der
>>Odyssee?
st auch die
>vielstufige
Apologtechnik<,
mit
derOvid Teile aus
der
>>Odyssee?
nd der italischen
Vorge-
schichte
in
seine >Aeneis< inlegt.
Bereits
Vergil
hatte Achaemenides
eingefuhrt,
um
die
Kyklopengeschichte
erzahlen
zu
konnen.
Diesen
Kunstgriff
hat Ovid
>verdoppelt< nd noch eine weitere Gestalt
hinzuerfunden50. s treten aber nicht
nurdiese beiden Helden auf, die ihreErlebnisse in Ich-Formreferieren,sondern
die zweite Erzahlung, diejenige des Macareus,dient wiederum als Rahmen, und
zwar fur eine italische Verwandlungssage,
die
Geschichte von Picus und Canens,
die
von
einer
Magd
erzahlt wird.
Es
sind also mehrere Rahmen
ineinander
geschachtelt; die Technik der zuruckgreifenden
Erzahlungwird damit gleichsam
>potenziert<.
Ovid
hat beide
Vorbilder,
>>Odyssee<
nd
?>Aeneis<,
n
technischer
Hinsicht uberboten. Ausgangspunktfur die
>Erzahlungn der Erzahlung<st ein
merkwurdiges
Standbild
im
Haus
der
Circe,
das
Macareus' Aufmerksamkeit
erregt:die
in Marmor
geschaffene Statue
eines Junglings mit einem picus, einem
Specht5l,
auf
dem
Scheitel.
Auf
die
Frage,
was
es mit der
Skulpturauf
sich
habe,
erlautertdie Magd: Picus war einst Konig in Ausonien und zeichnete sich durch
eine
besondere Schonheit aus, die bei den Quellgottinnen Gefallen erregte. Er
verschmahtejedoch alle bis auf die Nymphe Canens, die den Namen von ihrer
besonderen
Begabung
des
Singens trug.
Auch Canens fuhlte sich ihrerseits zu
Picus
hingezogen und wurde ihm, nachdem
sie alle anderenBewerberabgewiesen
hatte, zur
Frau
gegeben. Indes schlug die schone Gestalt des jugendlichen Konigs
auch
Circe
in
ihren Bann, die sich ihm, als er sich auf der Jagd befand, in
amouroserAbsicht naherte.Brusk (ferox) lehnte Picus das Ansinnen der Zauberin
ab:
4...]
altera
captum/me tenet et teneat per longum, conprecor, aevum /nec
Venere externa socialia foedera laedam,/dum mihi Janigenam servabunt fata
Canentem b
14, 378-381)52. Verletzt nahm Circe Rache: >Iaesaque
quidfaciat,
47 Vgl.
oben
Anm.
23.
48
Die
Erzahiperspektive
ntscheidetuber
Innensicht
der
AuBensicht,
b
der Erzahler ber
Ansichten
und
Gefuhle
der
PersonenAuskunft
eben
kann
oder
nicht,vgl.
PETERSEN
wie
Anm.
23), 181-185.
49
Vgl. oben Anm. 23.
50
Zu
Macareus ls
ErfindungOvidsvgl.
F.
BOMER,
P.
Ovidius
Naso.
Metamorphosen,
uch
14/15,VII,Heidelberg1986,65-66. zu 14, 158-444.
51
BOMER
wie Anm.
50),
zu
14,
308ff.
52
Mit ahnlichen
Worten
hatte
bereits
Glaucus
den
Antrag
der
liebeshungrigen
irce
abge-
wiesen:
>prius<
nquit
>in
aequore frondes.Glaucus
,et
in
summis nascentur
montibus
algae,
sospite
quam Scylla
nostri
mutentur
amores.. (14,
37-39)
Solange Scylla
lebe,
wolle
Glaucus
ihr
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 15/19
450
THOMAS
AIER
quid amans,
quidfemina,
disces/rebus.
ait
>sed
amans
et laesa etfemina
Circe <
(14, 384-385)
und verwandelteden
Konig in
den nach ihm benannten
Specht.
Soweit die
Sage. Das Standbild
m Hause
sollte Circe
offensichtlich an
ihre,
wenn
auch unerfullte,
alte
Liebe erinnern.
Unmittelbares
Vorbild
furdie Picus-Statue
st
Vergil,
>>Aeneis<
,
170-19153.
In den
genannten
Versen
wirddie
wurdige regia
der laurentischen
Konige geschildert,
in
der die
Abbilder des
Picus und
seiner
Vorfahren
in
Zedernholz
gefertigt
aufgestellt
sind
-
eine
respektgebietende
Ko-
nigshalle, die
den Glanz des alten Geschlechtes
sichtbar macht. Ovid
hat
das
erhabene
Motiv,
wie bereits
H.-B.
GUTHMULLER
festgestellt
hat, >>profaniert
nd
erotisiert<<54.
ei Ovid hat das
Statuenmotiv aber
noch eine
kompositorische
Funktion;
es
gibt
den AnlaB
zu der eingelegten
Erzahlung.
Was bei
Vergil
lediglich nebenbei erwahnt wird, dient bei Ovid als Ausloser fur eine neue
Geschichte.
Durch die
Umponderierung
rhalt
das
Motiv
viel
groBere
Bedeutung,
es schafft einen
Ubergang
von der
>>Odysseeo<
um italischen
Teil
der>>Aeneis<<55.
Mit diesem
Kunstgriff
werden
zwei verschiedene
Geschichten
zusammengebun-
den. Auch
diese Einlagetechnik
konnte
bereits
ein
episches
Vorbild haben,
nam-
lich
das >Bellum
Poenicum<<
es
Naevius
-
wenn die
Annahme
L.
STRZELECKIS
und anderer
Forscher56 ichtig ist, da3
Naevius die
mythische
Vorgeschichte
des
ErstenPunischen
Krieges,
also seines eigentlichen
Themas,
in Form einer
Einlage
anlaBlich
der
Eroberung
von
Agrigent
nachgetragen
habe.
Am
Zeustempel
in
dieser sizilischen Stadt war der Fall Troias dargestellt,und das Kunstwerk mag
den AnlaB geliefert
haben,
die Geschichte
des Aeneas
als
Urtypus
des
Punischen
Krieges
zu erzahlen.
Vielleicht hat Ovid
dieses
technische
Mittel,
ein
Kunstwerk
als Ausloser
fur die
Einlage
einer Sage,
aus dem
naevianischen
Epos
Ubernom-
men57. Bemerkenswert
ist
jedenfalls,
daB Ovid
mit ebendieser
von Naevius
in
die Treue
halten.
Damit
provoziert
er geradezu
die
>Rache<Circes
an
Scylla,
die auf diese
Weise
gleichsam
den Hinderungsgrund
fur
ihre
eigene
Leidenschaft
aus
dem
Wege
raumt.
Eine ahnli-
che MaBnahme
Circes erwartet
der Horer
auch
hier; die
Geschichte
nimmt
jedoch
eine unerwar-
tete
Wendung.
Zur Darstellung
Circes in den Metamorphosen
gl.
G. K.
GALINSKY,
Ovid's
Metamorphoses, Berkely/Los Angeles 1975, 234: >>Circen fact personifies two of the main
themes
of the
poem,
sexual
passion
and
metamorphosis,
and this
is another reason
Ovid gives
her
far more prominence
than
Vergil
did in the
Aeneid
(7.10-20).<"
53
Vgl. M.
STIrz,
Ovid
und Vergils
Aeneis.
Interpretation
Met. 13,
623-14,
608,
Diss.
Freiburg
1962,
91 zur
Abwandlung
von Vergilversen
in
Bezug
auf
Picus.
-4
GUTHMOLLERwie Anm.
15), 121.
5 Vgl.
L. P.
WILKINSON,
Ovid
Recalled,
Cambridge
1955,
220: )By such
easy
stages does
the
Greek
world
melt into
the Italian.(<
56
L. STRZELECKI, De
Naeviano Belli
Punici carmine quaestiones
selectae,
Krakau
1935;
A.
KLoTz,Zu
Naevius'
Bellum
Poenicum,
RhM
87,
1938, 190-192;
K.
BOCHNER,
Das
Naevius-
Problem.
Mythos
und Geschichte
(=
Studien
zur
romischen
Literatur,
Bd.
6), Wiesbaden
1967,
9-25;
M. VON
ALBRECHT,
Naevius'
>Bellum
Poenicum<,
n:E.
BURCK
(Hg.),
Das
romische
Epos,
Dannstadt
1979,
16-32.
57
MYERS (wie
Anm. 6),
106
und
112 weist darauf
hin,
daB
das
Motiv stark
an die
aitiologi-
schen
Erzahlungen
der oFasteno
erinnert.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 16/19
Die Wandlung es epischenErzahlers 451
Rom wahrscheinlich
erstmals verwendetenTechnikgenau
wie dieser eine Vorge-
schichte erzahlt, namlich die Vorgeschichte des Krieges zwischen Turnus und
Aeneas,
wenngleich
auf eine
versteckte und nur
anspielende
Weise. Als Aeneas
in
Italien ankommt,
aft
Ovid
sogleich
die
Rustungen
zum
Krieg
beginnen. Wo
aber
ist die Lavinia-Geschichte,
die
Vergil ausfuihrlich
wurdigt?Einige
entscheidende
Elemente
sind
in
der
Picus-Geschichte, zum
Teil mit
wortlichen
Anklangen,
verarbeitet.
Zunachst beginnt
die Erzahlung
von
Picus
und
Canens mit
starkem
italischem Kolorit,
die Flusse Albula
(Tiber),
Numicus58,Anio59, AImo60,
Nar6'
und
Farfar62
14,
328-330)
werden
erwahnt.Samtliche
FluBnamenkommen
auch
im
siebten
Buch
der >>Aeneis?
or
und gehoren
offensichtlich zur
Vorgeschichte
derEreignisse
in Latium. Die Szenerie,
die
Vergil
in beinahe bukolischen
Farben
bei der
Einfahrt der Aeneaden in den Tiber ausbreitet,
hat Ovid auf wenige
Geographicareduziert
und in die Picus-Sage eingearbeitet.
Freilich hat
der tener-
orum lusor
amorum
auch die Landschaft
in eine erotische Perspektive geruckt.
Die
Flusse
werden als personifizierte
Nymphen dargestellt,
die um den
Konig
Picus werben.
Ovid hatdas vergilische
Vorbild belebtund unter
das groBeThema
seiner Dichtung, die Liebe, subsumiert.
Doch
eine weitere Parallele
zum zweiten Teil der
>>Aeneis<<st, wiederum
durch
wortliche Zitate, intendiert.Canens, die
Gattindes Picus, tragt erkennbar
Zuge
Lavinias. Sie trifft ihre Gattenwahl
ubi nubilibus
primummaturuit
annis
(14, 335) und wahlt aus zahlreichenFreiem den LaurenterPicus aus: praeposito
cunctis Laurenti
traditaPico est (14,
336). Mit nahezu denselben
Worten
hei6t
es
von Lavinia in der
>>Aeneis?, ie
sei
iam
maturaviro,
iam plenis nubilis annis
(7,
53)63.
Auch
sie
wahlte
unter
vielen Freierneinen aus, namlich
Turnus:multi illam
magno e
Latio totaque petebant/Ausonia;
petit ante alios
pulcherrimus
omnisl
Turnus,avis atavisque potens (7,
54-56). Ovid hat die tragische
Geschichte des
Turnus auf einen der
Laurentischen Vorvater
ubertragen
und als Pendant zu
Lavinia Canens erfunden64.Canens
ist in Ovids Darstellung
die rechtmafige
Gattin
des
Picus, ebenso wie er Lavinia
an spatererStelle als
pacta coniunx
(14,
58
Vgl. >)Aen.<<
, 150;
242;797.
59
Vgl. >>Aen.<<
, 683.
60
Vgl.
>>Aen.<<
,
532;
575.
Almo ist
ein Bruder
der
Silvia,
dessen
Tod
mit viel Pathos
geschildertwird.
))His
name
is
presumably
aken
by Virgil
from
the river
of
the same
name,
a
tributary
f
the
Tibero,
R. D.
WILLIAMS,
The
Aeneidof
Virgil,
Books
7-12,
ed. with
introduction
and notes,
Basingstoke/London
972,
Kommentar
u
7,
531
.
61
Vgl.
,,Aen.<<
,
517.
62
Der Farfar
aucht n
der >>Aeneis<
7, 715)
als
Fabaris
uf,vgl.
BOMER
wie
Anm.
50)
zu
14, 330.
63
Vgl.
STrrz
wie
Anm.
53),
92.
64
Bei
Vergil
st Circe
selbst
die Gattin
des
Picus.
Sie
verwandelthn
capta
cupidine
7, 189)
in einen
Vogel.
Das
Motiv
bei
Vergil
st
undurchsichtig.
ei Ovid
st
die
Verwandlung
urch
die
erfolglose
Nebenbuhlerin
twas besser
motiviert.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 17/19
452
THOMAS
BAIER
451)
des
Turnus
bezeichnet
-
in
Opposition zu
Vergil. Ovid
macht
sich eine
andere
Rechtsauffassung
zueigen als
sein Vorganger.
Vielleicht
klingt sogar
Kritik
an
der
vergilischen Deutung der
Aeneas-Turnus-Lavinia-Geschichte n,
die
so
eindeutig zugunsten
des
>piusAeneas<
ausfallt; dessen
>pietas<
rscheint in
der
ovidischen >Aeneis<
a
ohnehin
im
Zwielicht65.
Schliel3lichgreift
auch
Picus
auf
die
Auseinandersetzungum
Lavinia
vor. Auf
das
Werben Circes
erwiderter:
nec
Venere
externa
socialiafoedera
laedam
(14, 380).
Freilich,
Venusexterna
ist
in der
Liebesdichtung eine
eindeutige
Bezeichnung, und
doch
weckt der
Begriff
externus
hier im
Zusammenhangmit
der >>Aeneis<<
och
weitergehende
Assozia-
tionen. Immerhin
wurde
Konig
Latinus durch das
Faun-Orakel
gemahnt:ne
pete
conubiis
natam
sociare
Latinis
[...] externi venient
generi
(>>Aeneis?
,
96-98).
Bei Vergil wird also gemaB dem Orakel und der Autoritat des Latinus eine
auswartige
Eheschlie6ung der
einheimischen
vorgezogen.
Gleichsam als
Protest
dagegen wehrt
sich Picus
gegen
Venus
externa, gegen eine
auswartige
Bezie-
hung66,
so als
wollte er
sich von
Aeneas,
dem
externus
gener,
absetzen mit
den
Worten:
Ich
halte nichts
davon,
eine
externa
Venus den bewahrten
socialia
foedera
vorzuziehen67.Bei
Vergil ist Turnus
m
Unrecht,
bei
Ovid ist
er
im
Recht.
Rechtmafigkeit sieht
auch Picus
auf seiner
Seite.
Es
liegt
wie
in der
>>Aeneis<
ine
>Dreierbeziehung<
or68, eine bereits
bestehende
Verbindung
wird
-
in
diesem
65
Bei
Vergil ist Aeneas
pius,
weiler
seinen
Vaterunddie
Penaten
ettet,
bei Ovid nimmt r
diese Last
auf sich,
weil erpius ist.
Ovid ironisiert leich zu Beginnseiner
>Aeneis<13. 623-
631) die
Haupttugend
eines
Helden, ndemer
sie
nichtausdessen
Taten rwachsen
aIt,
sondern
sie
ihm wie eine Maskeumhangt.
66
Nach 14, 348
ist
Circe
tatsachlich
externa,
denn sie habe ihre angestammten rva
verlassen
und sei in LaurentischesGebietgezogen zur
Krautersuche.
67
Vgl. M. HAuPr/O.KORN/R.HWALD,P. Ovidius Naso.
Metamorphosen,
I. Buch VIII-
XV,
korrigiert nd bibliographisch rganztvon M.
VON
ALBRECHT,
ublin/Zurich 966,
z.
St.:
Hier
brecheounvermutet
ine
Andeutunghervor,daBCirce auch
nachOvids Anschauung ine
nicht
italische Gottheit war.<<; agegen VONALBRECHTn
der bearbeitetenFassung des zit.
Kommentars, der externa venus unter
Berufung auf Prop. 2, 19, 16 als aulereheliche Liebesbe-
ziehung
versteht.ZurBedeutung onexternus vgl. die ausfuhrliche
Behandlung ei BOMER wie
Anm.
50) zu 14,380f.
68
Die Picus-Geschichte immt
zugleichdas Dreierschema erSkylla-Geschichte13, 898-
14, 74) wieder
auf.
Damitsind
die beiden
Circe-Auftritte
trukturell
erknupft, gl. GUTHMOLLER
(wie Anm. 15), 122-124 und 126. W.LUDWIG,
truktur ndEinheitder Metamorphosen vids,
Berlin
1965,68 erachtetdie
Canens-Geschichte egen
ihres
Dubletten-CharakterslsErfindung
Ovids.
SchlieB3lich
eiht ich
die von
Circegestorte
Liebe
zwischenPicus
und
Canens n
gewisser
Weise in
die unterschiedlichenMotiveder Gotterliebe
in,
vgl. L.SPAHLINGER,
rs latetarte
sua.
Untersuchungen
ur
Poetologie
n den
Metamorphosen vids,
Stuttgart/Leipzig996,
162-163.
Strukturell eckt die Erzahlung eben
den genannten>intratextuellen<
ezugen
aber
eben
auch
>intertextuelle<ssoziationenzum siebten Buchder >)Aeneiso; gl.
auch
MYERS
wie
Anm.
6)
1994, 108: Die
Triangel-Liebesgeschichtewischen Picus, Canensund Circe sei wohl
eine
Erfindung
Ovids. DaBOvid keinemVorbild olgte, konnte benfallsein
Hinweis
darauf
ein,
daB
er
ungehindert
on
der
SagentraditionineParallele
umsiebten
Buchder
>>Aeneiso
chaffen
wollte.
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 18/19
Die
Wandlung des epischen
Erzahlers
453
Fall durch Kirke
- von
auBen
gestort.
Wortliche Anklange
verbinden
die Picus-
Sage mit der Liebe zwischen Tumus und Lavinia.OffenbarhatOvid mit der von
ihm
frei
gestalteten
Geschichte von Picus
und Canens
eine
Praefiguration
der
oder
wenigstens
Anspielung
auf
die Lavinia-Geschichte
geschaffen,
so
wie
er sie
interpretierte69.
ie Einlage,
die die Magd im Haus
der
Circe
erzahlt,
ersetzt
also
das siebte
Buch
der >?Aeneis<<
nd verleiht ihm
eine
eigene
Deutung70.
Um
kein
MiBverstandnis
aufkommen
zu
lassen:
Ovids
Absicht war nicht
eine
Nachdich-
tung der
Lavinia-Geschichte,
sondem
eher eine ernuchtemde
Interpretation.
Ovid
liefert seine eigene
Sicht der
Kampfe
in Latium71.
Doch
nicht
nur
inhaltlich
sucht
er die
Auseinandersetzung
mit seinen
Vorbildern.
Er
brilliert an
dieser
Stelle mit
typischen
Formen
epischer
Erzahlung.
Es
kommt
ihm
offenbar
darauf an,
mit
Homer
und
Vergil technisch
in die Schranken
zu treten.
Ab
dem
zwolften
Buch
betreibt
Ovid bestandig
die Auseinandersetzung
mit epischen
Vorgangern:
Er behandelt
die
Anteiliaca
und die Postiliaca
und nimmt
in
der
Kentaurenschlacht
arodierend
auf die ?Ilias?
Bezug,
wie J. LATACZ
ezeigt
hat72.
Hier wird
thematisch und stilistisch
auf die >>Odyssee<
uriickgegriffen,
wobei
genau
die
kunstlerischen
Elemente
verarbeitet und gleichsam
>aufdie
Spitze
getrieben<
werden, die
den homerischen
Odysseus-Nostos
vor
den anderen
Heim-
kehrergeschichten
auszeichnen.Es
fallt auf, daB
die letzte
der in diesem
>Odys-
see<-Teil erzahlten
Episoden,
die
Selbstverzehrung
der Nymphe
Canens
durch
69
Wenig uberzeugendst die These vonELLSWORTH
wie Anm. 11), 338, der die Gefahrten
des Picus
in
Parallele u den
Gefahrten
es
Odysseussetzt, gleichzeitig
aber
n
Picus selbst
em
Gegenbild
zu
Odysseus
sieht:
>>both
dysseus and
Picus
defy Circe, Odysseussuccessfully,
Picus not;
and Circe
turns
he companions f
both into beasts.
The
portents hataccompany he
destruction
f
Picus's
men
(Met. 14, 406-1
1
are reminiscent
f the
portents
n
Thrinacriahat
precede he destruction
f
Odysseus's ew
remaining ompanions Od. 12,394-6).<"
70
Ovid st mit
dieser
Artder
anspielendenUbernahme hnlich
verfahrenwie
Vergil. Szenen
werdennichtnachgestaltet, ondern ediglich
die Schlusselmerkmale,
ennzeichnende lemente
werden ubertragen.Zu vergleichenware etwa
die Einarbeitung
es
Laistrygonenabenteuers
(>>Od."<0,80-132)
in den
Seesturm m erstenBuchder
>>Aeneis<<,gl.
G.
N.
KNAUER,
Die
Aeneis
und
Homer.Studienzur poetischenTechnik
Vergils
mit
Listen der
Homerzitate
n
der
Aeneis
(Hypomnemata ), Gottingen1964. 175-176.
71
Es sei nochdarauf
hingewiesen,daB
Circe,
um
sich Picus
ungestort
nahern
zu
konnen,
diesen
durchdas
Trugbild
ines Ebers
auscht
14, 358-364)
und hn
sich bei dessen
Verfolgung
von denGefahrten rennen aBt.Das
Scheinbild st nachdem Exempelder >>Aeneis<10, 636-
652) gestaltet,
wo
Turnusdurcheine
Erscheinung
es
Aeneas von
seinen
Gefahrten etrennt
wird. Auch
hier ist gewil eine Assoziation
von der Picus-Geschichte urTurnus-Geschichte
beabsichtigt.Vgl.
HAuPT/KORN/EHWALD/VONLBRECHT
wie Anm.67) zu 358.
72 J.
LATACZ,vids>Metamorphosen<ls
Spiel
mit der
Tradition,WuJbb5, 1979,
133-155,
hier:
147-155.
Vgl.
auch N.
HOLZBERG,
Ovid.
Dichter
und
Werk,
Munchen
1997, 148,
der
von
,,Verzerrung Homerischer Kampfszenen zur
absurden Groteskeo spricht. >>Wieder oil
ein
litera-
risches
System demontiert
werden.<<
7/23/2019 Die Wandlung des epischen Erzählers, Apologe bei Homer, Vergil und Ovid.pdf
http://slidepdf.com/reader/full/die-wandlung-des-epischen-erzaehlers-apologe-bei-homer-vergil-und-ovidpdf 19/19
454
THOMAS
BAIER
Kummer, mit der
Erwahnung
der
Camenae73 endet, derjenigen Gottinnen,
die
Livius Andronicus
am Beginn seiner
>>Odusia?,
es ersten Epos in Rom, angeru-
fen
hatte.
Die
latinisierten Musen erinnern an die
Pioniertat des Livius74 und
untermauem
den
Anspruch Ovids,
mit
seinem
Weltgedicht
die
gesamte epische
Tradition
zu
umgreifen
und
in
hellenistischer
Manier
darzubieten75.
Freiburg
.Br.
THOMAS
BAIER
73
14, 434. Zur etymologischen Verbindung von Camena und canere vgl. Varro oling.o 6,
75: Canere,
accanit et succanit
ut
canto
et
cantatio
ex Camena
permutato pro M N; vgl.
auch
>>ling.o , 26 und
7, 27.
Die Camenae hatten ein Heiligtum
an der Porta Capena,
vgl. Liv.
1,
21,
3;
Plut. oNum.<"13;
vgl.
BOMER
wie Anm.
50) z.St. Die Gestalt
der Canens
verweist somit auf das
Gebiet der urbs Romana.
vgl. SPAHLINGER
(wie Anm.
68), 167. Ovid laIt
dadurch die Ubertragung
der
Musen
nach
Rom, an der er selbst
Anteil
hat, von einer poetischen
Metapher zu einer
geographisch
faBbaren
Tatsache werden.
74
Vgl. D. 0.
Ross, Backgrounds to
Augustan
Poetry: Gallus, Elegy
and Rome, Cambridge
1975, 149: >They
[the
Camenael
are
natively Italian
and go back
to the beginnings of Latin
Poetry 1.]
they could,
as well, represent the Hellenization
of the
old Roman traditions by
the
simple assumption
of
a
slight change
of costume - or (what is almost
but not
quite
the
same thing)
they could represent the Hellenistic tradition made Italian.<(Vgl.
MYERS
(wie Anm. 6), 111.
75
Vgl.
HAuFr/KoRN/EHWALD/VoN
ALBRECHT (wie Anm. 67)
zu 434: >Ovid endet
die selbster-
fundene Erzahlung ganz
in alexandrinischer Weise
mit
einem
a4caviacF6;
n
atiologischem
Sinn;
geschickt
aber
laBt er die
wesensverwandte Nymphe
im
Hain
der
Camenae
enden,
deren anklin-
genden
Namener wohl, wenn
auch unrichtig
uf dieselbe
Wurzelwie den der Canens
zuruck-
fuhrte.
Von
einem nach
Canens
genannten
Ort
ist nichts
bekannt:
uch
dies macht ovidische
Erfindungwahrscheinlich.<"
ie Verbindung raditioneller
pischer
Themen
mit
Alexandrini-
schem ist Ovids
Programmn den Metamorphosen,
gl.
LATACZ wie
Anm. 72), 137-146.
Vgl.
auch
MYERS(wie Anm. 6), 109
und 112:>>Thispisode
s characterized,
s aremany
of the other
storieswithin the
Aeneid framework,
y a complex
allusiveness o
non-epicand Alexandrian
models, which
contrasts tylistically
with
the
first Homeric ale
narrated y
Macareus."
Auch
dies
bestatigt
ndirekt,
daBes Ovid
um ein technischesUbertreffen
nd
Verfeinern
er
epischen
Vorlagen
ing. Erwollte nicht
nurein )>Uberkallimachoso
LATACZ
wie
Anm.
72],
145),
sondern
auch ein >4ber-Vergil<
nd
ein
>Uber-Homer<
ein,
indem
er traditionelles
Epos
und
hellenisti-
sches
Epyllion
verband.