19
1957 W. DIRSCHERL und K.-0. MOSEBACH I5 Amino-N (van Slyke): 0.31 -0.35 % (Mittelwert 0.33 %);Tyrosingehaltla): 4.23 % Mo1.-Gew. ber. aus Amino-N: 4227; ber. aus Tyrosingehalt: 4278 Rontgenreflexe in 8, (Intensitit geschatzt): 8.58(3) 5.97(1) 4.62(8) 4.18(10) 3.61 (7) 3.04(3) 2.81 (2) 2.41 (1) 205(1) 2.00(1) 1.87 (1) 1.55 (1) uber die Peptide des sog. amorphen Bereichs, die sich im Filtrat gelost befinden, wird an an- derer Stelle berichtet werden. I8 c) Spaltung des Polypeptids mit konz. HCI nach Umlagerung rnit wasserfrekr Phosphor- saure. lOOmg des isolierten Shli~~-PoIypeptids wurden mit 1 Occm wasserfreier Phosphorsaure (zu 20g 85-proz. siruposer H3P04 wurden 26g P205 gegeben) versetzt. Nach Zugabe von 1 ccm absol. Athanol wurde die Losung 3 '/z Tage bei 21 a stehen gelassen. Die dabei durch Umlage- rung entstehende 0-Peptidylverbindung wurde durch Zugabe von 400ccm Athanol aus der Losung ausgefallt, durch Zentrifugieren abgetrennt und rnit Athanol/Ather gewaschen. Das Umlagerungsprodukt wurde sofort in 5ccm 12n HCI gebracht und die Losung nach 3-stdg. Stehenlassen bei etwa 20" innerhalb 3 Stdn. i. Vak. bei Raumtemperatur zur Trockne einge- dampft. Der Ruckstand wurde in 2 ccm Wasser aufgenommen, die Losung durch Zugabe von NaHCO3 neutralisiert (PH 6) und im Eisschrank aufbewahrt. Durch Hochspannungselektrophorese nach G.WERNER und O.WESTPHAL~~) (PH 1.9; 8000 V) wurde das Peptidgemisch innerhalb 180 Min. in mehrere verschiedene Fraktionen aufgetrennt (Abb. 4, S. 69). DIE WIRKUNGSWEISE EINIGER EFFEKTOREN DER D-AMINOSAUREOXYDASE I. Uberblick und Kinetik der Effekte von WILHELM DIRSCHERL und KARL-OSKAR MOSEBACH Herrn Prof. Adorf Windaus zum 80. Geburtstag gewidmet Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut der Universitat Bonn Eingegangen am 24. September 1956 Es wird die Einwirkung von Aminosauren, insbesondere L-Histidin, sowie von KCN, Na2S, Na4P207 und Ce2(SO4)3 auf den Abbau des D-Alanins durch die D-Aminosaureoxydase kinetisch untersucht. Einige dieser Effektoren konnen, analog zu unseren Ergebnissen rnit Steroidhormonen. je nach der Umsatzge- schwindigkeit aktivieren oder hemmen. Die kinetischen Analysen fuhren zur Auffassung, daD weniger das Ferment, als vielmehr das Substrat Angriffspunkt dieser Effektoren ist. Ferner wird gezeigt, daO sich sowohl Aktivierungen als auch Hemmungen mit einem geschlossenen mathematischen Ausdruck beschreiben lassen und daher beide Wirkungsrichtungen moglicherweise einem gemeinsamen Mechanismus entspringen. 18) E.R.FRITZE und H.ZAHN,Melliand Textilber. 36, 1136 (1955).

DIE WIRKUNGSWEISE EINIGER EFFEKTOREN DER d-AMINOSÄUREOXYDASE. I. Überblick und Kinetik der Effekte

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1957 W. DIRSCHERL und K.-0 . MOSEBACH I 5

Amino-N (van Slyke): 0.31 -0.35 % (Mittelwert 0.33 %);Tyrosingehaltla): 4.23 % Mo1.-Gew. ber. aus Amino-N: 4227; ber. aus Tyrosingehalt: 4278 Rontgenreflexe in 8, (Intensitit geschatzt): 8.58(3) 5.97(1) 4.62(8) 4.18(10) 3.61 (7) 3.04(3) 2.81 (2) 2.41 (1) 205(1) 2.00(1) 1.87 (1) 1.55 (1) uber die Peptide des sog. amorphen Bereichs, die sich im Filtrat gelost befinden, wird an an- derer Stelle berichtet werden.

I8 c) Spaltung des Polypeptids mit konz. HCI nach Umlagerung rnit wasserfrekr Phosphor- saure. lOOmg des isolierten Shli~~-PoIypeptids wurden mit 1 Occm wasserfreier Phosphorsaure (zu 20g 85-proz. siruposer H3P04 wurden 26g P205 gegeben) versetzt. Nach Zugabe von 1 ccm absol. Athanol wurde die Losung 3 '/z Tage bei 21 a stehen gelassen. Die dabei durch Umlage- rung entstehende 0-Peptidylverbindung wurde durch Zugabe von 400ccm Athanol aus der Losung ausgefallt, durch Zentrifugieren abgetrennt und rnit Athanol/Ather gewaschen. Das Umlagerungsprodukt wurde sofort in 5ccm 12n HCI gebracht und die Losung nach 3-stdg. Stehenlassen bei etwa 20" innerhalb 3 Stdn. i. Vak. bei Raumtemperatur zur Trockne einge- dampft. Der Ruckstand wurde in 2 ccm Wasser aufgenommen, die Losung durch Zugabe von NaHCO3 neutralisiert (PH 6) und im Eisschrank aufbewahrt.

Durch Hochspannungselektrophorese nach G.WERNER und O.WESTPHAL~~) (PH 1.9; 8000 V) wurde das Peptidgemisch innerhalb 180 Min. in mehrere verschiedene Fraktionen aufgetrennt (Abb. 4, S. 69).

DIE WIRKUNGSWEISE EINIGER EFFEKTOREN DER D-AMINOSAUREOXYDASE I. Uberblick und Kinetik der Effekte

von WILHELM DIRSCHERL und KARL-OSKAR MOSEBACH

Herrn Prof. Adorf Windaus zum 80. Geburtstag gewidmet

Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut der Universitat Bonn Eingegangen am 24. September 1956

Es wird die Einwirkung von Aminosauren, insbesondere L-Histidin, sowie von KCN, Na2S, Na4P207 und Ce2(SO4)3 auf den Abbau des D-Alanins durch die D-Aminosaureoxydase kinetisch untersucht. Einige dieser Effektoren konnen, analog zu unseren Ergebnissen rnit Steroidhormonen. je nach der Umsatzge- schwindigkeit aktivieren oder hemmen. Die kinetischen Analysen fuhren zur Auffassung, daD weniger das Ferment, als vielmehr das Substrat Angriffspunkt dieser Effektoren ist. Ferner wird gezeigt, daO sich sowohl Aktivierungen als auch Hemmungen mit einem geschlossenen mathematischen Ausdruck beschreiben lassen und daher beide Wirkungsrichtungen moglicherweise einem gemeinsamen

Mechanismus entspringen.

18) E.R.FRITZE und H.ZAHN, Melliand Textilber. 36, 1136 (1955).

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Bei Untersuchungen unseres Instituts iiber die Wirkung von Steroidhormonen in vitro auf Gewebestoffwechsel (Atmung, Glykolyse) und Fermentprozesse stellte sich verschiedentlich eine Abhangigkeit der Wirkungsrichtung von der Hohe des Stoffwechsels bzw. der Fermentkonzentration herausl). Bei hohem Grundumsatz traten meist Hemmungen, bei kleinem auch Aktivierungen auf. Wir haben dieses Phanomen, das uns seit Jahren immer wieder begegnet, mangels eines besseren Aus- drucks als ,,nivellierenden Effekt" bezeichnet, weil hierbei unter dem EinfluB der Steroidhormone der Umsatz auf einem gewissen Niveau gehalten wird. Bei der Suche nach verwandten Beispielen begegneten uns Arbeiten von S. EDLBACHER und 0. WISS~) iiber die Einwirkung verschiedener Aminosauren, insbesondere des Histidins, auf den Abbau des D-Alanins durch die D-Aminosaureoxydase. Danach sollten, wie bei unse- ren Arbeiten, bei hoher Fermentkonzentration Hemmungen, bei niederer Aktivierun- gen vorkommen. Wir konnten diese Befunde bestiitigen. Wegen der Wasserliklichkeit aller Komponenten (Coferment, Apoferment, Substrat, Effektoren), der darnit ver- bundenen Variationsmoglichkeiten und wegen der hohen Wirksamkeit der Effektoren hofften wir, gerade an diesem System Einsichten in Wesen und Ursprung des interes- santen Phanomens zu bekommen, das von S. EDLBACHER und 0. WISS ,,Stabilisierungs- effekt" genannt wurde.

Da ein Teil der wirksamen Aminosauren, insbesondere wiederum das Histidin, sich auch als starke Aktivatoren einer von S. EDLBACHER und 0. Wrss3) aufgefundenen zellfreien Oxydation von Komponenten des Citronensaurecyclus erwiesen, hofften wir, auch auf diesem Gebiet neue Einblicke zu gewinnen.

Die wesentlichsten Ergebnisse von S. EDLBACHER und 0. Wiss seien kurz zusammengestellt : 1 ) Der Abbau der D-Aminosauren wird bei hoher Fermentkonzentration durch zahlreiche Aminosauren gehemmt, bei niederer Fermentkonzentration aktiviert. - 2) D- und L-Amino- sauren wirken etwa in gleicher Starke. - 3) Am stirksten (ylccm) wirken L- und D-Histidin. - 4) Viele Proteine sind ebenfalls Aktivatoren der o-Aminosaureoxydase. Je hbher ihr Histidin- gehalt ist, um so starker wirken sie. - 5 ) Histidin und wahrscheinlich auch die anderen Effek- toren wirken hierbei katalytisch. Ein Abbau des Effektors wurde nicht beobachtet. - 6) Wer- den mehrere Aminosauren nebeneinander eingesetzt, so konnen sich ihre Wirkungen addieren, gegenseitig schwachen oder verstarken. - 7) Mit zunehmendem Reinheitsgrad steigt die Aktivierbarkeit des Ferments. - 8) Sehr starke Effektoren sind ferner Histamin, KCN und Pyrophosphat.

Eine Losung des Problems mul3 beiden Wirkungsrichtungen gerecht werden. Dabei interessiert vor allem die Frage, ob Aktivierungen und Hemmungen als Folgen eines gemeinsamen Wirkungsmechanismus oder als Resultierende verschiedener Mechanismen aufzufassen sind.

I ) W. DIRSCHERL, Ergebn. Physiol., biol Chem. exp. Pharmakol. 48. 112 (1955). 2 ) S.EDLBACHER und O.Wrss, Helv. chim. Acta 28, 797, 1 1 1 1 (1945); S.EDLBACHER,

3) Helv. chim. Acta 29, 216 (1946). 0.Wiss und A.WALSER, ebenda 29. 162 (1946).

1951 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase I7

LaBt m a n die Hemmungen zunachst beiseite, so stehen fur die Aktivierung von Fermentwirkungen durch Aminosauren und Proteine folgende Deutungsmoglich- keiten zur Verfugung.

1. S.EDLBACHER und O.Wiss2) nehmen an, daO das Apoferment mit den Effektoren zu verschiedenartigen Komplexen zusammentritt. Die Folge soll eine Steigerung der Reaktivitat sein, eventuell verbunden mit einer Stabilisierung moglicher Radikalzustande des Coferments. Sie nehmen also eine echte Fermentakfivierung an.

Dieser Auffassung widerspricht die Tatsache, daD mit zunehmender Fermentkonzentration (bei konstantem Verhaltnis Ferment: Effektor) die Aktivierungen kleiner werden. Ohne be- sondere Zusatzannahnie ist nicht einzusehen, warum ein bestimmtes Verhaltnis Ferment:Ef- fektor bei groOer Konzentration eine andere Reaktivitat auslosen soll als bei einer kleinen. Aber auch die kinetische Analyse spricht gegen eine Fermentaktivierung, es sei denn, daD mit der Komplexbildung eine betrachtliche Protektorwirkung verbunden ware.

2. J. B.SUMNER und D. B. HAND^) fanden, dal3 kristallisierte Urease durch Aminosauren, Peptide, Phosphate, KCN, HzS, Gummi arabicum usw. aktiviert wird. Dies wurde auf eine Protektorwirkung der genannten Verbindungen gegeniiber schadigenden Schwermetallionen zuriickgefiihrt. Die Effekte blieben aus, wenn aus einer Glasapparatur redestilliertes Wasser benutzt wurde. Im gewohnlichen dest. Wasser, das sie zuerst benutzt hatten, fanden sie ledig- lich Bleispuren.

Zu ahnlichen Ergebnissen kam H. A. K R E B S ~ ) beim Studium der Wirkung von Schwer- metallionen auf Papain.

Zweifellos kommen auch bei der o-Aminosaureoxydase derartige Protektorwirkungen ge- genuber Schwermetallionen (Komplexbildung) vor. So konnten wir nachweisen, daO Cu(11)-, Fe(l1)- und weitere Schwermetallionen auch in sehr kleinen Konzentrationen stark hemmen und diese Hemmungen bei vorheriger Zugabe von Histidin ausbleiben.

Aber so einfach liegen die Verhaltnisse nicht. Fe(II1)-Ionen konnen im Unterschied zu Fe(I1)-Ionen aktivieren. Verwendung bidestillierten Wassers, aus einer Quarzapparatur ge- wonnen, hebt die Aktivierungen durch Histidin nicht auf. Zugabe kleiner Mengen Bleisalz fiihrt zu keiner Hemmung. S. EDLBACHER und 0. WISS betonen, daO Schwermetallionen keinen EinfluD ausiiben, ohne nahere Einzelheiten zu bringen.

J. B. SUMNER und D. B. HAND vermuten, daD derartige Aktivierungen auch als Folge all- mahlicher Desorption am Ferment adsorbierter Schwerrnetallionen auftreten. Doch dann is1 nicht einzusehen, warum bei Zunahme der Fermentkonzentration und entsprechend an- steigender Histidinkonzentration die Aktivierungen kleiner werden. Warum sollte bei groRer Fermentkonzentration eine geringere Desorption durch Histidin, dessen Konzentration im gleichen MaDstab angestiegen ist, stattfinden als bei kleiner 7 Das Verhaltnis der Konzentra- tionen an Ferment, Histidin und Schwermetall bleibt konstdnt. Auch andere Erscheinungen sprechen gegen die Auffassung, daB die Aminosauren lediglich Protektoren gegeniiber Schwer- metallionen sind, z. B. : Histamin und Histidin sind besonders starke Aktivatoren der o-Amino- saureoxydase. Merkwiirdigerweise aktiviert jedes fur sich starker als beide gemeinsam. Die

4) J. hiol. Chemistry 76, 149 (1928). 5 ) Biochem. Z. 220, 289 (1930).

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gleichzeitige Verwendung beider fuhrt also zu einer starken Abnahme des Aktivierungsver- mogens. Bei Konzentrationserhohung eines einzelnen Effektors wird derartiges nicht be- obachtet.

3. H. WIELAND und B. ROSENFELD~) fanden bei Arbeiten mit Xanthinoxyduse (gleiches Coferment wie D-Aminosaureoxydase), daB ,,nascierendes H202" fermentschadigend wirkt. Diese Schadigung ist bei rohen Praparaten geringer, weil das nascierende H202 auch mit den Begleitstoffen reagiert. Stoffe wie Cer(II1)-hydroxyd fangen nascierendes H202 energisch ab und fuhren zu eindrucksvollen Aktivierungen.

Wir fanden, daB auch die D-Aminosaureoxydase durch Cer(III)-hydroxyd stark uktiviert wird. Histidin stellte sich ebenfalls als Acceptor fur H202 heraus. ,,Nascierendes H202" fuhrt zu huminartigen Produkten, gleichgiiltig ob die Anregung des H202 durch Temperaturerho- hung, UV-Licht, katalatisch bzw. peroxydatisch wirkende Eisenverbindungen, Luminol oder in bestimmten Fermentprozessen erreicht wird. Stabiles H202 tritt mit Histidin zu Histidin- perhydrut zusammen7). Wir stellten fest, daB auch Proteine H202 erstaunlich fest binden konnen. Danach waren die Aminosauren und Proteine Protektoren gegen nascierendes Hy- droperoxyd. Tatsachlich fanden wir betrachtliche Aktivierungen mif Hive krisraffisierter Kata- fuse. Zwischen diesen Aktivierungen und denen durch L-Aminosauren bestehen eigenartige Wechselwirkungen. Dennoch sprechen einige Tatsachen gegen die Annahme einer einfachen ,,passiven" Protektorwirkung, bei der das ,,nascierende Hydroperoxyd" lediglich unschadlich gemacht wird: Eine rein ,,passive" Protektorwirkung gegeniiber einem Stoff, der wahrend der Reaktion entsteht, erklart nicht die Steigerungen der Anfangsgeschwindigkeit, die nament- lich bei gereinigten Ferrnentpraparaten auftreten. AuBerdem werden Histidin und Cer(lI1)- hydroxyd nicht abgebaut bzw. oxydiert zum Unterschied zur Histaminase-Reaktion, bei der ebenfalls nascierendes Hydroperoxyd gebildet wird.

4. DieTatsache, daB H2S und KCN nicht nur Aktivatoren des Kathepsins und Papainss-lo), sondern auch der D-Aminosaureoxydase sein konnen, legt den Gedanken nahe, in den akti- vierenden Aminosauren und Proteinen ebenfalls Regeneratoren zu sehen, die das Apoferment reduktiv aktivieren. Auch dieser Auffassung widerspricht die kinetische Analyse. Mit zu- nehmender Effektorenkonzentration verhalt sich das System so, als sei die Substratkonzep- tration erhoht worden. Wir haben das kinetische Bild einer Substrataktivierung vor uns. Mit Hilfe spektrophotometrischer Untersuchungen 1aBt sich zeigen, daB in Abwesenheit von 0 2

die Konzentration an wirksamem Ferment durch Histidin nicht erhoht wird. Dies sei kurz erlautert. Es darf auf Grund unserer Versuche iiber Afterungserscheinungen

des Apoferments angenommen werden, daR immer ein gewisser Bruchteil an aktiven Zentren des Apoferments im inaktiven, aber reaktivierbaren Zustand vorliegt. E. NEGELEIN und H. B R O M E L ~ ~ ) zeigten, daB unter anaeroben Bedingungen bei UberschuB an Substrat und Coferment nur so vie1 Coferment reduziert bzw. Substrat oxydiert wird, wie der Konzentra-

6) Liebigs Ann. Chem. 477, 32 (1930). 7) W. DIRSCHERL und K.-0. MOSEBACH, Naturwissenschaften 41, 552 (1954). 8) R.WILLSTATTER und W. GRASSMANN, Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem. 138, 184

(1924); R.WILLSTATTER, W.GRASSMANN und OTTO AMBROS, ebenda 151,286 (1926); 152, 164 (1926).

9) L. HELLERMAN und M. E. PERKINS, J. biol. Chemistry 107, 241 (1934). 10) T. BERSIN und W. LOGEMANN, Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem 220, 209 (1933). 11) Biochem. 2. 300, 225 (1939).

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der o-Aminos2ureoxydase 79

tion an wirksamem Apoferment entspricht. Wir stellten fest, daI3 bei Zugabe von Histidin diese Konzentration an aktivem Protein nicht erhoht wird. Mit und ohne Histidin werden gleich vie1 Cofermentmolekule reduziert bzw. Substratmolekule oxydiert.

Die hier angedeuteten und weitere Sachverhalte fiihrten uns zur Annahme einer nicht rein ,,passiven", sondern eher ,,aktiven" Protektorwirkung gegeniiber nascieren- dem Hydroperoxyd. Bei der griindlich untersuchten Acceptorwirkung des Histidins gegenuber ,,nascierendem Hydroperoxyd" findet unter den Bedingungen des Ferment- versuchs keine Veranderung des Histidins statt. Das gleiche gilt fur Cer(1II)-sulfat. Umgekehrt konnen andere kraftige Acceptoren fur nascierendes Hydroperoxyd, etwa Indigocarmin, aul3erordentlich stark hemmen und den Histidineffekt wieder aufheben. Wir miissen daher annehmen, daR nascierendes Hydroperoxyd seine Anregungsenergie auf den Effektor ubertragt - vgl. die Bildung der schon kristallisierenden Histidin- HzOz-Verbindung7) -, diese Anregung aber sofort a n das Substrat weitergegeben wird, wahrend der Effektor in den Ruhestand zuruckkehrt. Wir nehmen also an, da8 Histi- din eine ,,peroxydatische Katalasewirkung" auszuuben vermag, wie sie bei der ge- koppelten und cyclischen Oxydation mittels echter Katalase auftrittlz). Es spricht manches dafur, da8 auch in der echten Katalase-Aktivierung13) nicht nur eine passive Protektorwirkung, sondern eine substrat- und proteinaktivierende Wirkung zu sehen ist.

Wenn wir von einer Substrataktivierung sprechen, so meinen wir folgendes: Durch nascierendes Hydroperoxyd angeregte Effektoren (Aminosauren, Proteine usw.) ver- mogen das Substrat im gleichen Sinne fur den Abbau durch das Coferment vorzu- bereiten, wie das Apoferment selbst. Sie unterscheiden sich vom Apoferment in der Fahigkeit, Coferment zu binden. Danach kann eine durch nascierendes Hydroperoxyd angeregte Aminosaure als einfachstes Modell nativen Proteins angesehen werden. Mit dieser Auffassung kann man das Nebeneinander von Aktivierungen und Hemmungen deuten, wie spater noch gezeigt werden soll. Auch offnen sich neue Perspektiven fur die Wirkungsweise von Hormonen und nicht als Cofermente fungierenden Vitaminen.

Dan Histidin auch ohne Ferment eine katalytische Rolle, vor allem bei peroxydi- schen Prozessen, spielen kann, zeigen bereits die Aktivierung der Autoxydation essen- tieller Fettsauren14), die Aktivierung der spontanen Decarboxylierung von Oxalessig- saure15) usw. Wir selbst fanden, da13 Histidin auch andere Autoxydationen beschleu- nigen kann, wie diejenigen von Phenylendiamin, ffydrochinon, Dihydroxyaceton und Diaminoaceton. Vielleicht ist Histidin ein allgemeiner Aktivator von Autoxydationen.

Ob sich die Aktivierungsprozesse an der Oberflache des Apoferments oder in Lo- sung abspielen, muR vorlaufig offen bleiben. In welchem Umfange Schwermetallionen

12) D.KEILIN und E.F.HARTREE, Proc. Roy. SOC. London Ser. B 119, 141 (1936). 13) M.DIXON, Biochem. J. 19, 507 (1925). 14) W. FRANKE, Ergebn. Enzymforsch. 12, 106 (1951). 15) S.P.BESSMAN und E.C.LAYNE jr., Arch. Biochemistry 26, 25 (1950).

80 W. DIRSCHERL und K.-0. MOSEBACH Bd. 604

bei der Effektorwirkung der Aminosauren und Proteine mitspielen, kann ebenfalls noch nicht gesagt werden; grundsiitzlich ist ihre Beteiligung zu bejahen (siehe auch H. Mix, W. TITTELBACH-HELMRICH und W. LANGENBECK~~)).

ME TH 0 D I K

Fermentpraparate: Rohe D-Aminosaureoxydase wurde nach E. NEGELEIN und H. B R ~ M E L ~ ~ ) bereitet, ebenso gereinigtes Apoferment. Wir begnugten uns rnit dem 5. Schritt, da der 6. keine wesentliche Aktivitatssteigerung herbeifuhrt und ein instabiles Produkt ergibt. An Stelle der schwer zuganglichen Hammelnieren verwendeten wir Schweinenieren, die uberdies zu einer groBeren Ausbeute fuhren. - Der Proteingehalt wurde mit Hilfe der Biuretmethodel7) bestimmt. Das gereinigte Praparat besitzt lediglich bei 280mp ein Maximum. An Hand dieses Maximums laBt sich die jeweils beniltigte Konzentration eines bestimmten Praparates ein- stellen. Der spezif. Extinktionskoeffizient betragt etwa ~ = 1 . 5 1.gl.cm-1.

Als Coferment diente das Bariumsalz des Flavinadenin-dinukleotids (BaFAD), das nach O.WARBURG und W.CHRISTIAN~~) hergestellt wurde. Wir haben das rohe Produkt nur einmal umkristallisiert, weil diese Prozedur sehr verlustreich ist. Wir erhielten ebenfalls rotbraune Kugeln, die noch mit Nukleinsauren verunreinigt waren. Die Lage der Maxima bei 375rnp und 450mp sowie die zugehorigen Extinktionskoeffizienten E stimmten mit O.WARBURGS Angaben iiberein. Der E-Wert bei 280mp war zu grol3, was auf die Verunreinigung durch Nukleinsaure zuruckzufiihren ist. Fur Konzentrationsbestimmungen und zur spektralphoto- metrischen Verfolgung des Reaktionsverlaufs wurde das Maximum bei 450 mp mit c =

1.13.10-7 cm2/Mol (c der oxydierten Form) eingestellt. Ein Teil des Coferments war ent- sprechend den Angaben E. NEGELEINS und H. BROMELS~~) im optischen Test unwirksam. Wahrscheinlich tritt bei der Aufarbeitung der Hefe eine weitere Esterbindung zwischen dem Ribitylrest und der Phosphatgruppe auf, die zur Inaktivierung fiihrtlg).

Substrat: D-Aianin der Firma F. HOFFMANN-LA ROCHE. Effektoren: LEDLBACHER undo. Wiss verwendeten L-Histidin-monohydrochlorid.Wir fanden,

da13 Chlorionen die Aktivierungen erheblich herabsetzen. Dasfreie Histidin ist also wesentlich geeigneter. Aus L-Histin-monohydrochlorid (HOFFMANN-LA ROCHE) wurde die freie Base mit Hilfe konz. NH3-Losungen in optisch reiner Form gewonnenzo).

Als weitere Effektoren wurden L-Leucin, KCN, Natriumpyrophosphat, NafS und Cer(II1)- sulfat eingesetzt.

Basische und saure Effektoren erforderten bei hoheren Konzentrationen abweichende Mengenverhaltnisse an alkalischer bzw. saurer Pufferkomponente gegeniiber den Ansatzen ohne Effektor; doch wurde die Molaritat des Puffers hierbei nicht verandert. Basisch reagie- rende Effektoren mit HCI zu neutralisieren, ist wegen der hemmenden Wirkung der Chlor- ionen unzweckmal3ig.

16) Chem. Ber. 89, 69 (1956). 17) TH. Bucher in Arbeitsvorschrifien fur das Photometer ,,EppendorJ ", ELEKTROMEDIZ.

18) Biochem. Z. 298, 150 (1938). 19) H. R. MAHLER und D. E. GREEN, Science [Washington] 120, 7 (1954). 20) E.ABDERHALDEN und A.WEIL, Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem. 77, 438 (1912).

WERKSTATTEN GMBH, Hamburg, No. 1 (1953).

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase 81

Versuchsansarz. Die Messung des 0 2 - Verbrauchs erfolgte manometrisch nach O.WARBURG. Im Einsatz befand sich rnit 0.05ccm 20-proz. KOH gesattigtes Filtrierpapier, um das bei der Zersetzung der Brenztraubensaure entstehende COz zu binden.

Da der 02-Verbrauch vom Gehalt der Praparate an Katalase beeinflufit wird, wurden fur genauere kinetische Analysen NH3-Bestinrmungen nach E. J. C O N W A Y ~ ~ ) vorgezogen. Mit dieser Methode lassen sich bei Verwendung von m/500 HCI noch y-Differenzen gut erfassen, wenn nur 1 ccm des Borsaure-Indikatorgemischs vorgelegt und eine NH3-Menge von 50y nicht iiberschritten wird. Diese Methode hat gegeniiber der manometrischen allerdings den Nachteil, daR man zur Aufstellung eines Zeit-Umsatz-Diagramms zahlreiche Einzelmessungen benatigt.

Gepuffert wurde mit m/15 bis m/90 Phosphat (in Einzelfiillen mit Pyrophosphat) bei p a - Werten von 7.0 bis 7.2 und 8.3. MeDtemperatur war rnit wenigen Ausnahmen 37". Im Gasraum befand sich Luft oder reiner Sauerstoff. Bei langer dauernden Messungen wurde jedem GefaR 1 Tropfen Chloroform zugesetzt, das allerdings eine geringe hemmende Wirkung hat.

Histidin-Bestimmungen erfolgten rnit Hilfe einer modifizierten PAuLYschen Farbreaktion nach S. EDLBACHER~~) , bei welcher der entstandene Farbstoff rnit n-Butanol extrahiert wird.

Die kinerische Analyse folgte bis zur Bestimmung der Reaktionsordnung, der Geschwindig- keitskonstanten, der Anfangsgeschwindigkeit und des geschwindigkeitsbestimmenden Schrit- tes den Arbeiten von H.-U.BERGMEYER23).

KINETIK DER EFFEKTE

Der Abbau des D-Alanins durch die D-Aminosaureoxydase folgt bei Verwendung weitgehend gereinigten Ferments der Gleichung:

Alanin + 0 2 + H20 --+ Brenztraubensaure + NH3 + H202

Bei Abwesenheit von Katalase baut das Hydroperoxyd die Brenztraubensaure zu Essigsaure und CO;! ab. In Gegenwart von Katalase findet man:

Alanin + '/2 0 2 -+ Brenztraubensaure + NH3

Die Anfangsgeschwindigkeit steigt rnit zunehmender Substratkonzentration im Sinne der MICHAELIS-MENTENschen Beziehung24). Die Gultigkeit dieser Beziehung fur die D-Aminosaureoxydase wurde, auch bezuglich ihrer p,-Abhangigkeit, ausfuhrlich von W. C. STADIE und J. A. ZAPP jr.25) bewiesen. Die MIcmELIs-Konstante ist danach pH-abhangig und betragt einige 10-3 Mol/l. Der genaue Wert hangt unserer Erfah- rung nach von den jeweiligen anorganischen und organischen Begleitstoffen ab. -___

21) E.J.CONWAY und E.O'MALLEY, Biochem. J. 36, 655 (1942). 22) S. EDLBACHER. H. BAUR. H. R. STAEHELIN und A. ZELLER. Home-Sevler's Z. Dhvsiol. , _ .

Chem. 270, 158 (1941). 23) Biochem. Z. 323, 163 (1952); 324, 408 (1953). 24) L. MICHAELIS und M.L. M ~ N ~ ~ ~ , . B i o c h e r n . Z. 49, 333 (1913). 2 5 ) J. biol. Chemistry 150, 165 (1943).

Liebigs AM. Chem. Bd. 6 0 4 6

82 w . DIRSCHERL und K.-O. MOSEBACH Bd. 604

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Wahrend die Anfangsgeschwindigkeiten bei Variation der Substratkonzentration der MICHAELIS-MENTENSChen Beziehung folgen, kann sich die Einzelreaktion bei geeigne- tem Verhaltnis ,,Fermentkonzentration : Substratkonzentration" nach dem alten Ge- setz von L. F. WILHELMY~~) abspielen. Die anfangs der MICHAELIS-MENTENschen Be- ziehung folgende Reaktionsgeschwindigkeit fallt im Verlauf des Umsatzes linear ab, zum Teil bis zum SchluB. Aber auch bei ungunstigerem Verhaltnis ,,Fermentkonzen- tration: Substratkonzentration" zeigen meist wesentliche Teile der Reaktion diesen linearen Abfall der Geschwindigkeit. Zugabe zunehmender Mengen Histidin andert diese Linearitat nur unbedeutend, so daR charakteristische hderungen der Neigung

1501 I I I

6 E

I 00

so

0 50 100 Min. 150 Abbildung 1. Abbau des D-Alanins durch die D-Aminosaureoxydase in Abliangigkeir von der Zeit bei verschiedenen L-Histidinkonzentrationen m / l S Phosphatpuffer p" 7.2, m/50 D-Alanin (beides Endkon- zentrationen). 0 . 5 ~ Bariumsalz von FAD, 17y Apoferment,

Gesamtvolumen 2ccm. Gasraum: Luft.

und der Koordinatenabschnitte bei Variation der Effektorenkonzentra- tion auftreten, die im folgenden be- handelt werden sollen (Abb. 1,2 und 5). Da die im Nenner der MICHAELIS- MENTENsChen Beziehung stehenden Werte fur die MICHAELIS-Konstante K und die Substratkonzentration cs (Gleichung 1) etwa gleiche GroRen- ordnung haben, kann dieser pseudo- monomolekulare Verlauf der Einzel- reaktion nicht einfach als Sonderfall des MICHAELIS-MENTENSchen Geset- zes bei kleiner Substratkonzentration angesehen werden, bei dem letztere gegenuber der MICHAELIS-Konstan- ten vernachlassigt werden kann. Wir mussen vielmehr annehmen, daR schon bei der Grundreaktion ein zu schneller Geschwindigkeitsabfall

durch Verstarkung eines immer gegenwartigen Aktivierungsmechanismus ausgeglichen wird. Bereits D-Alanin und Phosphat sind auf Geschwindigkeitsabfall reagierende Aktivatoren.

Zeigt die Einzelreaktion den erwahnten pseudomonomolekularen Verlauf, so gilt fur die Anfangsgeschwindigkeit :

k, cF . cS

K + CS = k, . a, v o = ~ _ _

a,, die Anfangskonzentration bei der pseudomonomolekularen Reaktion, habe zu- nachst nur formal Bedeutung.

26) E. A. MOELWYN-HUGHES in NORD-WEIDENHAGEN, Handbuch der Enzymologie, Bd. I, S. 255, Akad. Verlagsges. Becker & Erler, Leipzig 1940.

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase 83

Im weiteren Verlauf folgt die Reaktion der Gleichung dx

(2) - _ dt - v = k, (ao - x)

Zeichenerklarung: vo Anfangsgeschwindigkeit ; v Geschwindigkeit in einem bestirnrnten Zeitpunkt; k w wahre Zerfallskonstante (entspr. MICHAELIS-MENTEN); ks Geschwindigkeiis- konstante der beobachteten pseudomonomolekularen Reaktion; K MICHAELIS-Konstante; cs Substratkonzentrdtion; cF Gesamtfermcntkonzentration; cFf Konzentration an freiem Ferment; c , : ~ Konzentration an Ferment-Substrat-Komplex; cE Eflektorenkonzentration (Histidin) ; a, Anfdngskonzentration bei der heobachteten pseudomonomolekularen Reaktion;

t Reaktionslaufzcit.

Die Umsatz-Geschwindigkeits-Diagramme v = f (x) wurden mit Hilfe eines selbstkon- struierten Spiegellineals, das die direkte Ablesung des Steigungswinkels gestattet, aus den Zeit-Umsatz-Diagrammen x = f (t) gewonnen. Die drei GrBDen vo, k, und a, lassen sich aus dem v,x-Diagramm ermitteln. vo ist der Betrag des Ordinatenabschnitts, k, der negative Betrag vom Tangens des Steigungswinkels und a, der Betrag des Abszissenabschnitts. Eine exakte Auswertung ist nur dann mCiglich, wenn der erwahnte pseudomonomolekulare

2

0 10 20 30 x ' lo4 M0le(02)/-~-

0 50 100 Min. 1

4"

'0

Abbildung 2. Reaktionsgeschwindigkeit v als Funktion des Umsatzes x bei verschiedenen L-Histidinkonzentrationen (aus Abb. 1)

Abbildung 3. Abbau des D-Alanins durch D- Aminosaureoxydase mit und ohne Cer(III)- sulfat bei kleiner und groper Fermentkonzen-

trution m/15 Phosphatpuffer PH 7.2, m/50 D-Alah, 1Y und 0 . 2 5 ~ Bariumsalz von PAD. 9 5 . 5 ~ und 25y Apofer- ment, m/IW Cer (Ill) - sulfat, Gesamtvolumen 2ccm.

Gasraum: Sauerstoff.

Reaktionsbedingungen siehe Abb. I. Die

Zwischenpunkten. Auswertung erfolgte mit Hilfe M ~ ~ ~ - und

(lineare) Verlauf der Kurve im v,x-Diagramm bereits zu Reaktionsbeginn vorliegt, eine aus- wertbare Lange erreicht und die NH3-Entwicklung verfolgt wird, da letztere ein zutreffenderes Bild des wirklichen Umsatzes gibt als der 02-Verbrauch.

6'

84 W. DIKSCHERL und K . - 0 . MOSEBACH Bd. 604

1) Die Abhungigkeit der Effekte von der Zeit. Die Effekte werden mit der Zeit posi- tiver: Aktivierungen nehmen zu, Hemmungen ab und konnen dabei in Aktivierungen

30

~2~ 10 0

iibergehen (Abb. 3 und 4). Dies hat eine weitere Folge: Der Effektor verschiebt die Reaktionsordnung in Richtung null- ter Ordnung. - Die Gultigkeit beider Regeln wurde fur folgende Effektoren nachgewiesen: L-Leucin, L-Histidin, His- tamin, KCN, NaZS, Cer(lI1)-sulfat und Na4P207.

Abbildung 4 Hemmung durch Histidin-monohydrochbirid

m/90 Pyrophosphatpuffer p H 7.0, m/40 o-Alanin, 0.3ccm rohes Fermentpr&paratIccm,rn/ 10 bHistidin-monohydro-

90 I50 Min. 210 chlorid, Gesamtvolumen 3ccm. Gasraum: Luft.

2) Die Abhangigkeit der Effekte von der Effektorenkonzentration (Histidin). a) Die Efekte gegen Ende der Reaktion: Vor allem bei kleinen Effektorenkonzen-

trationen laBt sich eine einfache Beziehung zwischen dem absolutem Effekt A[NH3] und der Effektorenkonzentration c feststellen :

A[NH3] = k b'< (3)

k ist eine Konstante. Diese Beziehung wurde nur bei Aktivierungen gefunden; sie gilt in giinstigen Fallen uber 5 Zehner-Potenzen der Effektorenkonzentration.

Fermentlosung; Luft; 1 Tropfen CHC13; 16 Stunden. Beispiel: 37"; PH 7.0; Vol. 3.lccm; m/15 Phosphatpuffer, m/40 D-Alanin; 0.3ccm rohe

CE (L-Histidin) A [NHs] in yNH3/GefaI3

m/16 m/160 m/ 1600 rn/ 16000 m/160000

320.0 91.0 33.0

9.5 3.2

Meist steigt der Effekt bei hoheren Effektorenkonzentrationen langsamer. Interes- sant ist die Ahnlichkeit der Beziehung mit der SCHuTZSChen Regel. Doch laDt sich keine Parallele beziiglich der Zeitabhangigkeit finden.

b) Die Effekte zu Beginn und wahrend der Reaktion (Histidin) : Man erkennt aus den Abbildungen 1, 2 und 5 , daB mit zunehmender Histidinkonzentration die Aktivierun- gen, vor allem bei Verwendung hochgereinigter Praparate, sehr stark ansteigen. Es gibt Faille, in denen man von unendlich groBer Aktivierung sprechen konnte, weii ohne Histidin iiberhaupt kein Umsatz festzustellen ist.

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase 85

Die Anfangsgeschwindigkeiten vo und die Anfangskonzentrationen a, wachsen, aber die Geschwindigkeitskonstanten k, nehmen mit zunehmender Histidinkonzentration ab. Der Gang dieser 3 Werte spricht fur eine Substrataktivierung, bei der ein An- stieg der vo notwendig mit einem lang- sameren Abfall der Geschwindigkeit (kleinere Geschwindigkeitskonstante) verbunden ist. Bei einer Fermentakti- vierung sollte eine Steigerung der vo mit einer Zunahme der Geschwin- digkeitskonstanten verbunden sein. Eine groSere Fermentmenge wiirde zu schnellerem Verbrauch der Substrat- menge fuhren und damit auch zu einem schnelleren Abfall der Geschwin- digkeit.

Unter giinstigen, reproduzierbaren Bedingungen 1aBt sich ein iiber- raschender Zusammenhang zwischen vo, ks und a, erkennen (Abb. 5) .

Beispiel: 37"; pH 7.2; Vol. 6ccm; m/15 Phosphatpuffer; m/60 D-Akdnin; 0.16ccm rohes Fermentpraparat/ccm; Luft; 2 Tropfen CHCI, pro GefaS; Verfolgung des Reaktionsverlaufs mit Hilfe von NHyAnalysen. In der Ta-

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 x ' l o 3 Mole(NHI)/-'-

Abbildung 5 . Reaktionsgeschwindigkeir v als Funktion des Umsatres x

m / l S Phosphatpuffer pH 7.2, m/60 D-Alanin, 0.16ccm rohe Fermentlosung/ccrn, ZTropfenCHCI,,Gesarntvolumen 6ccrn. NH,-Bestimrnungen nach E. J.CONWAY 21). Gasraum: Luft.

belle findet man die Anfangsgeschwindigkeit vo, die Geschwindigkeitskonstante k, und die Anfangskonzentration bei der pseuddmonomolekularen Reaktion a,.

Histidinkonzentration vo. 106 Mo1.I-*.min-1 k; lo3 min-1 a; 103 Mo1.I-1

mi16 m / 160 m/1600 m / I6000

0

4.08 1.40 3.71 2.70 3.58 4.10 3.52 5.55 3.30 7.97

2.92 1.397 0.873 0.633 0.413

Am auffallendsten ist die Zahlenfolge der k,-Werte. Bei Abnahme der Histidinkon- zentration auf den zehnten Teil steigt ks um einen bestimrnten Betrag, bei Abnahrne auf den hundertsten Teil um das doppelte dieses Betrages, bei Abnahme auf den tausendsten Teil um das dreifache dieses Betrages usw. Das erlaubt, eine einfache logarithmische Beziehung fur k, anzusetzen, in der kl und k2 durchgehend numerierte Konstanten bedeuten :

ks kl - kz-log CE (4)

86 W. DIRSCHERL und K.-0. MOSEBACH Bd. 604

kl und k2 lassen sich errechnen, indem die jeweiligen Histidinkonzentrationen cE ein- gesetzt werden und das Gleichungssystem nach kl und k2 aufgelost wird. Fur kl erhalt man -2.8.10-4min-1 und fur k2 13.8.10-4min-1. Die Beziehung (4) hat dann die spezielle Form :

(4a) k,= -2.8.10-4 min-1 - 13.8.10-4 min-1 log cE

Mit Gleichung (4a) lassen sich theoretische Werte berechnen, deren Vergleich mit den empirischen ein Urteil uber die Genauigkeit der Beziehung (4) ermoglicht. Die Fehler liegen zwischen + 1.5 % und -2.5 %.

Die Beziehung (4) erlaubt die Frage, wie groB die Effektorenkonzentration im Grundversuch ist, bei dem kein Histidin zugegeben wurde. GemaB S . EDLBACHER und 0. Wrss2) liegen im rohen Fermentpraparat immer schon Effektoren des gleichen Typs vor. Man erhalt fur den Grundversuch 10-6 Mole ,,HistidinaquivaIente" pro Liter. Das entspricht etwa 10-ly Histidin pro ccm. Dieser Wert ist interessant im Ver- gleich mit anderen Wirkstoffkonzentrationen, etwa denen mancher Hormone.

Die Beziehung (4) mu8 in Anbetracht der Tatsache, da8 auch im Grundversuch eine be- stirnrnte Effektorenkonzentration vorliegt, genauer wie folgt forrnuliert werden :

k, = k l - k2 log (cE + co) (5). Darin ist c, = coi. pi . (6) c 1

wenn c,i die Konzentration des an der Grundreaktion beteiligten Effektors i und pi dessen Wirkungsgrad bezogen auf Histidin bedeuten (pi fur Histidin = 1). - Im vorliegenden Bei- spiel kann c, gegenliber CE vernachlassigt werden, so da8 es nicht falsch ist, rnit der einfacheren Beziehung (4) zu arbeiten.

Auch fur die Anfangskonzentration a, der pseudomonomolekularen Reaktion laBt sich ein geschlossener Ausdruck formulieren :

Die Numerierung der Konstanten erfolgte in dieser Form, weil sich herausstellte, daB fur den Nenner des Klammerausdrucks die Beziehung (4) eingesetzt werden kann. Fur die Konstanten gelten im vorliegenden Falle

kl = - 2.8-10-4min-1 k3 = 3.5.10-2 min-1 kz = -13.8.10-4 min-1 k4 = 1.2-10-4 Mol.I-1

Beim Vergleich der experimentell gefundenen Werte mit denen, die aus Gleichung (7) berechnet wurden, ergaben sich Fehler zwischen -3 % und + 1 %.

SchlieRlich 1aBt sich auch die Anfangsgeschwindigkeit v, als Funktion von cE an- geben. Es gilt v, = k,.ao (Gleichung 1). Wir brauchen also nur die beiden Gleichun- gen fur k, (Gleichung 4) und fur a, (Gleichung 7) zu multiplizieren und erhalten so

v,, = k3k4 - klk4 + k2k4 log cE

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase 87

FaDt man zu neuen Konstanten zusammen, so erhalt man v, = k’ + k” log cE (8)

mit den Konstanten k’ = 4.2.10-6 Mol I-lmin-1 und k“ = 1.66.10-7 Mol l-lmin-1. Die Fehler zwischen theoretischen und gefundenen Werten liegen zwischen -3 % und + 1 %.

Die Beziehungen (4),(7) und (8) verlieren ihre Gultigkeit einerseits, wenn CE und c, gleiche GroBenordnung besitzen; anderseits, wenn bei Erhohung von CE keine Steigerung von a, mehr erzielt wird. Letzteres ist der Fall, wenn a, die GroBenordnung der Substratkonzentra- tion cs erreicht.

AufschluBreich ist ein Vergleich der Beziehung (7) mit der MICHAELIS-MENTENsChen Gleichung fur die Konzentration an Ferment-Substrat-Komplex

Die beiden Gleichungen (7) und (9) besitzen gleiche mathematische Struktur und physikalische Dimension (Konzentration), so daB es nahe liegt, die Gleichung (7) auf einen entsprechenden Ausdruck zuruckzufuhren.

Man erhalt dann durch Gleichsetzung:

cF - 1 ) (11) _____- 1) = K‘ ( k3 k l - k2 log CE ‘F - ‘FS

Diese Formulierung (1 1) 1aDt folgende Auffassung zu : Nicht die gesamte, experi- mentell gegebene Substratkonzentration steht dem Ferment zum Abbau zur Ver- fiigung, sondern nur ein bestimmter Bruchteil, dessen GroDe mit zunehmender Histi- dinkonzentration wachst. a, IaBt sich also als Konzentration an aktiviertem Substrat ansehen, fur die eine besondere MICHAELIS-MENTENSChe Gleichung angesetzt werden kann, in der K die wahre MICHAELIS-Konstante darstellt. Der Klammerausdruck in Gleichung (7) ist demnach nichts anderes als das Konzentrationsverhaltnis von ge- bundenem zu freiem Ferment und k4 die wahre Dissoziationskonstante K’ des Fer- ment-Substrat-Komplexes.

Fur das Verhaltnis cF/cFf ergibt sich daraus:

cE (L-Histidin) ‘F I ‘Ff

m/16 m/160 m/1600 ml16000

24.4 12.2 8.1 6.1

88 W. DIRSCHERL und K . - 0 . MOSEBACH Bd. 604

Das heifit also: Bei Gegenwart von m/16 Histidin lag zu Beginn der Reaktion 1/24 der Fermentkonzentration in freier Form vor usw. Fur die wahre MlCHAELIS-KOflStante K' erhalt man

K' = k4 = 1.2.10-4 Mo1.l-1

und fur die Ajfinitat des Ferment-Substrat-Systems bei 37" 5500 cal/Mol.

Zwei wesentliche Tatsachen lassen sich diesen Berechnungen entnehmen : a) Die MrcHAELis-Konstante K' ist unabhangig von der Effektorenkonzentration. Die Wir- kung des Histidins kann daher nicht auf dem Zustandekommen eines Komplexes zwischen Apofermentmolekul und Histidinmolekiilen beruhen. Die Dissoziations- konstante durfte bei Variation der Histidinkonzentration keine Konstante des Fer- ments bleiben. - b) Mit zunehmender Histidinkonzentration sinkt der Bruchteil der Fermentkonzentration, der noch unbesetzt ist. Das heiBt, mit zunehmender Histidin- konzentration wird das Ferment durch immer mehr Substrat belastet. Die quantitative Auswertung bestatigt also die qualitativ gewonnene Auffassung. Nicht das Ferment wird aktiviert, sondern das Substrat.

3. Die Abhiingigkeit der Effekte von der Fermentkonzentration. Mit zunehmender Fermentkonzentration werden die Effekte negativer, dabei konnen Aktivierungen in Hemmungen ubergehen. Dieser Ubergang laBt sich besonders deutlich mit L-Leucin und Cer(l1 I)-sulfat zeigen (vgl. den 5. Abschnitt).

Mit Histidin gelingen Ubergange von Aktivierungen in Hemmungen wesentlich schwieriger, doch stimmt die allgemeine Aussage, daD die Effekte mit zunehmender Fermentkonzentration negativer werden, auch hier.

Beispiel: 37"; PH 7 .2; Vol. 6ccm; m/15 Phosphatpuffer; m/27 L-Histidin; rohe Ferrnent- losung; m/60 D-Alanin; 2 Tropfen CHCI3; Luft; NHyAnalysen.

Ferment- nach 2 Stunden nach 6 Stunden konzentration absol. Effekt relativer Effekt absol. Effekt relativer Effekt

ccm y NH3/ccrn % y NH~/ccm %

0.18 + 3.0 + 74.0 + 12.0 + 138.0 0.48 + 5.0 + 35.0 + 20.0 + 63.0 1.20 - 0.5 - 1.5 + 6.0 + 6.5 3.00 - 6.0 - 7.5 + 10.0 + 7.0

Eine Auswertung der Umsatzkurven ist wesentlich ungenauer als bei Variation der Effektorenkonzentration, weil jeweils schwer vergleichbare Reaktionsabschnitte pseudomonomolekular verlaufen. Doch I a D t sich feststellen, da8 mit zunehmender Fermentkonzentration vo, k, und a, ansteigen, und daD dieser Anstieg in Gegenwart

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase 89

I

-Gesamtsubstratkonzentratio, --- I

von Histidin steiler ist. Bemerkenswert ist hierbei, daB die Konzentration a, auch von der Fermentkonzentration und nicht nur von der Histidinkonzentration abhangt

?i 10 E 0

c?

,-,

(Abb. 6). Wie jedes, vor allem jedes histidinhaltige,Protein wirkt auch das Apoferment nicht nur als Bestandteil des Holoferments, sondern gleichzeitig auch als Effektor. Das verwendete Apo- fermentpraparat enthielt 2.2 % gebundenes Histidin (papierchro- matographisch bestimmt).

0-

/--- ./" 0-

Abbildung 6. Konzentration an akti- viertem Substrat a, in Abhangigkeit von der Fernientkonzentration C F

m/lS Phosphatpuffer pH 7.2,m/60 D-Alanin, m/30 L-Histidin (Base), Gesamtvolumen 6

ccm. Gasraum: Luft.

/-- I

ohne Histidin

I

c,(ccm rohe Fermentlosung pro ccm) - 5 Weiterhin interessierte die Frage, ob bei konstantgehaltenem Verhaltnis ,,Ferment-

konzentration : Histidinkonzentration" die Effekte mit zunehmender Ferment- bzw. Histidinkonzentration groBer oder kleiner werden.

l6sung; 2 Tropfen CHCIJ; Luft; 9 Stunden. Beispiel: 37"; P A 7 . 2 ; Vol. 6ccm; m/15 Phosphatpuffer; mi60 ~-Alan in; rohe Ferment-

Konzentration an Fermentlosung absol. Effekt relativer Effekt L-Histidin ccm y NH&cm Yo

m/400 m/160 m/80 m/27

0.2 0.5 1 .o 3.0

+ 6 + 13 + 31 + 43

+ 260 + 154 + 117 + 41 Mit zunehmender Fermentkonzentration nimmt der Effekt also schneller ab, als er

mit entsprechend ansteigender Histidinkonzentration zunimmt. v, und a, wachsen etwa linear mit zunehmender Konzentration, k, bleibt dagegen annahernd konstant, weil sich die gegensinnigen Wirkungen der Ferment- und Histidinerhohung ungefahr aufheben. 4. Die Abhangigkeit der Effekte von der Substratkonzentrarion. Mit zunehmendem

cs werden die Effekte ebenfalls negativer und konnen in Hemmungen ubergehen. Auch hier 1aBt sich der Ubergang von Aktivierung in Hemmung mit L-Leucin am leichtesten verwirklichen.

Beispiel mit Histidin als Eflektor. 3 7 " ; ~ ~ 7.2; Vol. 6ccm; m/15 Phosphatpuffer; m/2O L-Hi-

stidin; O.8ccm rohe Fermentlosung; 2 Tropfen CHCI3; Luft.

90 W. DIRSCHERL und K . - 0 . MOSEBACH Bd. 604

Konzentrdtion an Aktivierungen in % D - A h i n nach 2 Stdn. nach 5 Stdn. nach 9 Stdn.

m/12 9 17 34 m/24 61 94 156 m/48 118 204 266 m/ 120 150 220 283

Die Effekte werden mit der Zeit und mit abnehmender Substratkonzentration positi- ver. Mit zunehmender Substratkonzentration werden vo und a, groBer, k, dagegen kleiner. Die Werte andern sich also im gleichen Sinne wie bei zunehmender Effektoren- konzentration, aber konstantgehaltener Substrakonzentration. Dies ist eine weitere Stutze fur die Annahme einer Substrataktivierung.

5. Der ,,nivellierende Effekt". Dieser Effekt ist wahrscheinlich deswegen meist iibersehen worden, weil die Reaktionsbedingungen nicht genugend variiert wurden. Im allgemeinen lal3t er sich nur in einem bestimmten Konzentrationsbereich finden, der uberdies noch vom Alter des Fermentpraparats und anderen Einflussen abhangt.

- 0 m/lS Na4P207 3 I

50 1 00 I SO 3 (cmm 0 2 pro IS min)-

Abbildung 7a. Abhangigkeit der abso- Iuten Aktivierung Av von der Abbau-

geschwindigkeit v

0 u ~ ( c m O 2 pro 15min)-

Abbildung 7b. Abhangigkeit der prozen- tualen Aktivierung E X von der Abbau-

geschwindigkeit v

Daher kommt es auch, dal3 sich Angaben der Literatur teilweise widersprechen. So zeigte M. JAcOBY~'), da8 Histidin die Urease stark aktiviert, T . T A K E U C H ~ ) beobach- tete beim gleichen Ferment dagegen Hemmungen. Wahrscheinlich haben beide For- scher recht, doch haben sie unter verschiedenen Reaktionsbedingungen gearbeitet. Gerade wenn man die Literatur der letzten 30 Jahre uber Histidin als Effektor von

27) Biochem. 2. 181, 194 (1927). 28) J. Biochemistry [Tokyo] 17, 47 (1933) [C. 1933 11, 5571.

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase 91

Fermentreaktionen verfolgt, findet man Mitteilungen iiber Aktivierungen und Hem- mungen bei den verschiedensten Fermentprozessen in verwirrender Vielfalt.

Das gleiche gilt auch fur andere Effektoren. D. KEILIN und E. F .HARTREE~~) stellten beispielsweise fest, daR die D-Aminosaureoxydase durch KCN und Natriumpyro- phosphat nicht beeinflufit, durch H2S sogar gehemmt wird. S. EDLBACHER und 0. WISS~) fanden dagegen, daR KCN und Pyrophosphat aufierordentlich stark aktivieren. Bei- des ist richtig. Nur muR man im ersten Falle rnit hoher Fermentkonzentration arbeiten, wahrend Aktivierungen, auch rnit H2S, erst bei kleineren Fermentkonzentrationen auftreten. In Abbildung 7 sind die abso- luten und relativen Effekte mit KCN, Na4P207 und Na2S in Abhangigkeit von der Fermentkonzentration dargestellt. Man sieht, dal3 rnit Ausnahme des KCN schon die absoluten Effekte rnit zunehmender Fermentkonzentration kleiner werden.

Die Tatsache, daR die Effekte sowohl rnit abnehmender Ferment- als auch abneh- mender Substratkonzentration positiver werden, legt den Gedanken nahe, in der Re- aktionsgeschwindigkeit den bestimmenden Faktor fur GroBe und Richtung der Effekte zu suchen. Man kann beispielsweise auch dadurch von Hemmungen zu Aktivierungen kommen, dal3 statt rnit 0 2 mit Luft begast und auf diese Weise die Reaktionsgeschwin- digkeit herabgesetzt wird.

Im folgenden wird daher Av (Diffe- renz der Geschwindigkeiten mit und ohne Effektor) als Funktion von v (Geschwin-

I I I

Abbildung 8. Differenzder Anfangsgesrhwin- diglteiten mit und ohne L-Leucin (Avo) als Funktion der Anjangsgesch windigkeiten ohne

L-Leucin (vo) ~ ernpirische Kurve - - - - - - - theoret.

Kurve gemaB (13) m/15 Phosphatpufferp~7.2.m/100 D-A1anin;Ferment- konzentration: Verdannungsreihe mit maximal 5y Bariumsalz von FAD und 24Oy Apoferment, m/40 L-Leucin. Gesamtvolumen Zccm. Gasraum: Luft.

digkeit ohne Effektor) dargestellt. Abbildung 8 zeigt, dafi Av zunachst ansteigt, ein Maximum durchlauft, auf 0 absinkt und schlieBlich im negativen Bereich linear abfallt.

Man kann diesen Funktionsverlauf in erster Naherung rnit folgendem Ausdruck beschreiben :

A v = k’v - k”v2 (1 2) Man entnimmt ihm, daB bei kleiner Geschwindigkeit das positive Glied, bei grofier

Genauer ist nachstehende 2. Naherung: Geschwindigkeit das negative, quadratische Glied vorzeichenbestimmend ist.

k‘v - k ” ~ 2 k”‘ + v A V =

rnit den Konstanten k’ = 0.375.10-3 Mol(02)1-1min-1, k”= 0.623, k”’ = 0.109.IO-3 Mol(Oz)l-1 min-1.

92 W. DIRSCHERL und K . - 0 . MOSEBACH Bd. 604

Auf alle Falle ist bemerkenswert, daB sich fur Aktivierungen und Hemmungen ein geschlossener mathematischer Ausdruck finden IaBt. Das legt die Vermutung nahe, in den Hemmungen und Aktivierungen Auswirkungendes gleichen Mechanismus zu sehen.

Die Tatsache, daB auch bei Variation der Substratkonzentration Aktivierungen in Hemmungen ubergehen konnen und umgekehrt, hat zur Folge, daB sich dieps-Kurven mit und ohne Effektor in charakteristischer Form uberschneiden konnen, dergestalt, dalj die Effektorkurve zunachst schneller ansteigt, sich dann aber eher abflacht (Abb. 9). Die Abbildung 9 zeigt ferner, daB mit zunehmender Effektorenkonzentration sowohl die Aktivierungen als auch die Hemmungen groBer werden. Die Effektoren- konzentration ist also in den behandelten Fallen nicht vorzeichenbestimmend.

I I I I

0 5 15 20 CS * I02 Mol/-I-

Abbildung 9. Abhangigkeit der A,i~angsgeschwiirdipkeif vo von der Substratkonzentrariun cs

m i l 5 Phosvhatvuffer pH 7.2, 0.8ccm rohe Fermentlosung, 2Tropfen CHCIJ, Gesamtvol. 6.8 ccm. Gasraum: Luft. ( D - A h i n ) bei 3 verschiedenen Histidinkonzentrationen

Das Diagramm Ial3t einen Aktivierungs- und einen Hemmungsbereich erkennen. Bemerkenswert ist, daJ3 der Aktivierungsbereich eine geschlossene und der Hemmungs- bereich eine offene Flache darstellt. Daher wird man mit Effektoren des gleichen Typs schwerer Aktivierungen als Hemmungen finden. Der geschlossene Aktivierungsbe- reich kann bei niederen Substratkonzentrationen liegen, also sehr eng umgrenzt sein. Auf Grund dieser Tatsache darf angenommen werden, daB viele Inhibitoren, die bisher nur als solche bekannt sind, in gewissen, bisher nicht untersuchten Konzentrations- bereichen auch Aktivatoren sein konnen.

6. Histidin als Katalysaror. Man kann auf zwei verschiedene Weisen zeigen, daB Histidin wahrend seiner Einwirkung auf die Fermentreaktion nicht abgebaut wird und damit als Katalysator fungiert.

1957 Wirkungsweise einiger Effektoren der D-Aminosaureoxydase 93

a) kinetisch: In Gegenwart von 2.10-9 Molen Histidin/ccm wurden beispielsweise 3.12.10-7 Mole D-Alanin/ccm zusatzlich umgesetzt. Das heirjt, auf 1 Molekul Histidin kamen uber den Grundumsatz hinaus 156 zusatzlich abgebaute Alaninmolekule.

b) colorimetrisch: Selbst bei grorjer Umsatzgeschwindigkeit laBt sich kein Abbau des Histidins mit Hilfe der modifizierten PAuLvschen Farbreaktion22) nachweisen. Allerdings wird die Farbreaktion bei Verwendung hochgereinigter Fermentpraparate infolge des auftretenden Hydroperoxyds gestort. Setzt man aber am SchluB des Ver- suches Katalase zu, so erkennt man einen nachtraglichen Anstieg der Extinktion etwa auf den Ausgangswert. Wir konnten zeigen, daB bei Zusatz von H202 zu reinen Histi- dinlosungen die PAurYsche Farbreaktion geringere Werte liefert.

Beispiel: 37"; PH 7 .2; Vol. 3ccm; m/15 Phosphatpuffer; m/50 D-Alanin; l y BaFAD; 9Oy Apoferment; m/8000 L-Histidin; Umsatz nach 50 Min.: -261 cmm 0 2 .

Ansatz E hei 436mp

ohne Katalase 0.136 1Oy Katalase zu Beginn zugesetzt 0.160 1Oy Katalase nach 50 Min. zugesetzt 0.154 Ansatz ohne Substrat 0.165

GroBe und Richtung der in dieser Mitteilung beschriebenen Effekte hangen im wesentlichen von der Reaktionsgeschwindigkeit ab. Je kleiner sie wird, um so positiver werden die Effekte. Dabei konnen Hemmungen in Aktivierungen iibergehen. Ent- sprechend werden auch bei einer Einzelreaktion die Effekte mit der Zeit positiver, weil die Reaktionsgeschwindigkeit abnimmt. Auch hierbei konnen Hemmungen in Akti- vierungen ubergehen.

Im Falle der Aktivierungen verhalt sich das System nach Zugabe der Effektoren nicht so, als sei die Ferrnentkonzentration, sondern als sei die Substratkonzentration erhoht worden. Die kinetische Analyse fuhrt also zur Annahme einer Substratakti- vierung. Mit zunehmender Effektorenkonzentration wird ein wachsender Bruchteil der Substratmenge der Fermentreaktion zuganglich, wie sich schon zu Beginn der Reaktion feststellen laat. Auch das Fermentprotein selbst hat neben seiner Apofer- mentwirkung diese aktivierende Wirkung. Schon E. NEGELEIN und H . B R ~ M E L ~ ~ ) konnten zeigen, daR bei konstanter Substrat- und Cofermentkonzentration die Um- satzgeschwindigkeit mit zunehmender Apofermentkonzentration schneller als linear, d. h. schneller als theoretisch zu erwarten ware, ansteigt.

Das Bild einer einfachen Protektorwirkung gegeniiber schadigenden Einflussen ist zu grob, um der Vielfalt der Erscheinungen gerecht zu werden. Wir mussen annehmen, daB die aktiven bzw. aktivierbaren Zentren des Systems dauernden Inaktivierungen und Reaktivierungen unterworfen sind, und daB die Effektoren einen EinfluB auf das Verhaltnis dieser gegensinnigen Prozesse ausuben.