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Raphael Ehrlich Dienstgemeinschaft und Arbeitnehmerüberlassung Die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung in den zur Kirche gehörenden Einrichtungen Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Jacob Joussen und Prof. Dr. Gregor Thüsing Band 1

Dienstgemeinschaft und ArbeitnehmerüberlassungVorwort Die juristische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität nahm die vorlie-gende Arbeit im Sommersemester 2012 als Dissertation

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Page 1: Dienstgemeinschaft und ArbeitnehmerüberlassungVorwort Die juristische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität nahm die vorlie-gende Arbeit im Sommersemester 2012 als Dissertation

Raphael Ehrlich

Dienstgemeinschaft und Arbeitnehmerüberlassung

Die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung in den

zur Kirche gehörenden Einrichtungen

Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

Herausgegeben von

Prof. Dr. Jacob Joussen und

Prof. Dr. Gregor Thüsing

Band 1

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zugl.: Dissertation, Universität Jena, 2012

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau

www.lambertus.de

Umschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, Bollschweil

Druck: Franz X. Stückle, Druck und Verlag, Ettenheim

ISBN 978-3-7841-2150-5

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Vorwort

Die juristische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität nahm die vorlie-gende Arbeit im Sommersemester 2012 als Dissertation an. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand vom November 2012.

Herrn Prof. Dr. Jacob Joussen gilt an erster Stelle mein herzlicher Dank. Seine stetige Unterstützung und seine nützlichen Anregungen begleiteten mich beim Verfassen der Arbeit.

Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer gebührt Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.

Meine Eltern und die Konrad-Adenauer-Stiftung förderten den Fortgang der Arbeit ideell und finanziell.

Mit Freude denke ich an die hilfreichen Diskussionen mit Thomas Mandler, Maximilian von Fürstenberg und Dr. Andreas Jenak.

Für die Unterstützung beim Korrekturlesen bedanke ich mich bei Theresa Grohmann und Angela Fuhrmann.

Ganz besonders danke ich meiner Ehefrau Sara Ehrlich für ihre Bereitschaft zum Zuhören und ihre überlegten Antworten sowie meiner Tochter Johanna für die Aufmunterungen in den Pausen.

Dresden, im November 2012 Raphael Ehrlich

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Kapitel 2: Arbeitnehmerüberlassung in kirchlichen Einrichtungen

Die Geldströme zur Finanzierung kirchlicher Einrichtungen haben unter-schiedliche Quellen.132 Gelder von Kirche, Bund, Land, Kommune, der Kranken- und Pflegeversicherung finanzieren zu großen Teilen die Einrich-tungen von Caritas und Diakonie.133 Die Finanzierungsbereitschaft der öf-fentlichen Hand lässt seit einigen Jahren spürbar nach134 und ist immer weniger kalkulierbar. Kürzungen, Budgetierungen sowie Ausschreibungen sozialer Dienste begleiten den Umstieg von der vollständigen Refinanzie-rung in den freien Wettbewerb.135 Der Verteilungskampf auf dem „Sozial-markt“ hinterlässt deutliche Spuren in den Bilanzen der Einrichtungen von Caritas und Diakonie.136 Der Wunsch vieler Mitarbeiter nach einem bundes-weit einheitlichen Tarifniveau in Caritas und Diakonie verschließt den Blick für die unterschiedliche Finanzkraft der Länder und Kommunen sowie die damit einhergehende uneinheitliche Refinanzierungsbereitschaft.137 Rote Zahlen zwingen die Verantwortlichen zum Handeln. Ebenso können Mana-gementfehler den Jahresabschluss eines Trägers negativ beeinflussen und einen Grund zum Umdenken geben.138 Die Personalkosten betragen knapp vier Fünftel der Gesamtkosten kirchlicher Einrichtungen.139 Sie sind auf der Suche nach Einsparpotential ein zentraler Punkt.

I. Sparpotential der ArbeitnehmerüberlassungVor diesem Hintergrund erwägen die in den Einrichtungen Verantwortlichen den Einsatz der Arbeitnehmerüberlassung zur Kostenreduzierung.

132 Frerk, S. 45ff.133 Frerk, S. 45ff., 333.134 Fuhrmann, ZMV-Sonderheft 2007, 40.135 Siehe dazu Anselm/Hermelink/Schleissing, Der Dritte Weg auf dem Prüfstand, 9 (10);

Dahme/Künhlein/ Wohlfahrt, Zwischen Wettbewerb und Subsidiarität, S. 38ff.; Fuhrmann, ZMV-Sonderheft 2007, 40; Klug, ZMV 1998, 158ff.; Möhring-Hesse, S. 19f.; Pompey, Caritas im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit, 9 (15f.); Schiering, ZMV-Sonderheft 2007, 53.

136 Baumann-Czichon, AuK 2006, 86 (86); Johns, AuK 2006, 11 (12).137 Ebenso Fuhrmann, ZMV-Sonderheft 2007, 40 (42f.).138 Baumann-Czichon, AuK 2006, 86 (87); Berroth, ZMV-Sonderheft, 67 (68).139 Berroth, ZMV-Sonderheft, 67 (68).

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1. Reduzierung der PersonalreserveEine Personalreserve federt Auftragsschwankungen, Krankheit von Mitar-beitern etc. ab. Der Arbeitgeber vergütet die Arbeitnehmer der Personalre-serve gem. § 615 Satz 1 BGB auch dann, wenn er ihnen keine sinnvollen Tätigkeiten zuweisen und ihre Arbeitskraft nicht verwerten kann. Statt personelle Engpässe über eine Personalreserve abzufedern, kann ein Träger für die Deckung kurzfristigen Bedarfs auf Leiharbeitnehmer zurückgreifen. Das Arbeitnehmerüberlassungsentgelt fällt lediglich für Zeiträume der Per-sonalüberlassung an. Der Träger zahlt nur, wenn er die Arbeitskraft verwer-ten kann. Auch wenn die Kosten für eine Arbeitsstunde bei kurzfristiger Personalüberlassung regelmäßig über den Kosten für Arbeitsstunden bei Festangestellten liegen, sind Einsparungen beim Träger möglich, da Kosten nur für geleistete Arbeit anfallen.

2. Reduzierung der StammbelegschaftDie Löhne der Leiharbeitnehmer liegen zum Teil 20% bis 30% unter den Stundenlöhnen kirchlicher Vergütungsnormen.140 Dennoch ist die Überlas-sungsvergütung bei externer Arbeitnehmerüberlassung – die durch eine nicht zur Kirche gehörende Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaft erfolgt – regelmäßig höher als die Lohnkosten für einen Festangestellten. Sie setzt sich aus den Lohnkosten für den Leiharbeitnehmer, Kosten für die Verwal-tung der Arbeitnehmerüberlassung, Gewinn der Arbeitnehmerüberlassungs-gesellschaft und der Umsatzsteuer zusammen. So bringt ein auf Dauer ange-legter Austausch der Stammbelegschaft durch externe Leiharbeitnehmer keine (wesentliche) Kostenersparnis.

3. Gründung interner ServicegesellschaftenGründet ein kirchlicher Träger eine interne Arbeitnehmerüberlassungsge-sellschaft, um die Leiharbeitnehmer an eigene Einrichtungen zu überlassen, besteht die Möglichkeit zur Ausgabenreduzierung. Die interne Arbeitneh-merüberlassungsgesellschaft kann den Einrichtungen des Trägers Personal zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellen.141 Dieser besteht aus den Verwaltungs- und den günstigen Lohnkosten. Die Umsatzsteuer fällt bei der

140 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (27).141 Schüren/Hamann, § 1 Rn. 272.

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Personalüberlassung innerhalb des Unternehmens nicht an.142 Die interne Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaft kann die günstigen Leiharbeitneh-merlöhne mit einem Arbeitnehmerüberlassungsentgelt in Höhe der Selbst-kosten an die entleihende kirchliche Einrichtung weitergegeben. Das Über-lassungsentgelt liegt dann deutlich unter den Kosten für einen Festangestell-ten. Für die entleihende Einrichtung ist die interne Arbeitnehmerüberlas-sung finanziell günstiger als die Beschäftigung eines Arbeitnehmers, der einen auf dem „Dritten Weg“ ausgehandelten Lohn erhält.

II. Verbreitung der Leiharbeit in kirchlichen Einrichtungen

1. Arbeitnehmerüberlassung in den verfassten KirchenEs gibt keine Anhaltspunkte für externe oder interne Arbeitnehmerüberlas-sung in den verfassten Kirchen.143

2. Arbeitnehmerüberlassung in der CaritasEine Erhebung stellte fest, dass bereits im November 2006 um die 150 zur Kirche gehörende Service gGmbHs Caritaseinrichtungen mit Personal ver-sorgten und selber regelmäßig kein kirchliches Arbeitsrecht anwendeten.144 Die Erhebung gibt jedoch keine Auskunft über den Anteil der Arbeitneh-merüberlassungsgesellschaften. Seriöse Zahlen zur Verbreitung der Arbeit-nehmerüberlassung in Einrichtungen der Caritas existieren nicht.145 Die Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaft pro cura, gegründet vom Caritasver-band für das Erzbistum Berlin und dem Caritasverband von Vorpommern146, sowie die vom Caritas Verein Altenoythe getragene Arbeitnehmerüberlas-sungsgesellschaft147 sind Beispiele für Arbeitnehmerüberlassungsgesell-schaften im Bereich der Caritas in Deutschland.148 Ferner gibt es kurzfristige Arbeitnehmerüberlassung zur Überbrückung von personellen Engpässen.149

142 Baumann-Czichon, AuK 2007, 35; Ebel, CURACONTACT 01/07, 8; Fries, ZMV-Sonderheft 2009, 36 (37).

143 Berroth, ZMV-Sonderheft 2007, 67.144 Ohne Namensangabe, ZMV 2007, 13. 145 Vgl. Neher, ZMV-Sonderheft 2011, 29 (31).146 Nodes, Forum Sozial Newsletter 4/2010, 1f.147 Möhring-Hesse, 1ff.148 Vgl. auch den Sachverhalt folgender Entscheidung: Kirchlicher Arbeitsgerichtshof ZMV

2010, 37f.149 Vgl. Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 15.06.2007 – AS

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3. Arbeitnehmerüberlassung in der DiakonieLaut einer Studie der Diakonie, an der sich ca. zwei Drittel der diakonischen Träger beteiligt haben, beträgt der bundesweite Anteil der Leiharbeitnehmer in der Diakonie 1,3 Prozent.150 Diese Quote ist vergleichsweise gering; der Anteil der Leiharbeitnehmer unter den Arbeitnehmern in Deutschland beträgt 3,2 Prozent.151 Nach der diakonieeigenen Untersuchung bestimmen überwiegend Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter in diakonischen Einrichtungen.152 Lediglich jede fünfzigste Einrichtung, die Leiharbeitnehmer einsetzt, beschäftigt sie länger als ein Jahr.153

Beispiele für diakonische Träger mit eigener Arbeitnehmerüberlassungsge-sellschaft sind die Bodelschwinghschen Anstalten Bethel154, die Stiftung Friedehorst in Bremen155, die Diakonische Altenhilfe in Lilienthal156, Agaplesion in Hessen157, die Rummelsberger Diakonie158, das Alexanderstift in Baden-Württemberg159, die Paulinerpflege Winnenden160 und das Evange-lische Johannesstift in Berlin161.

15/07, juris; Kirchliches Arbeitsgericht für die Diözese Fulda vom 20.02.2007 – M 3/06, http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kirchlicher_Arbeitsgerichtshof/fulda_m_3_2006.pdf (24.02.2012).

150 Jantzer/Markmeyer, epd sozial 2012, Nr. 40, 3.151 Jantzer/Markmeyer, epd sozial 2012, Nr. 40, 3.152 Jantzer/Markmeyer, epd sozial 2012, Nr. 40, 3.153 Jantzer/Markmeyer, epd sozial 2012, Nr. 40, 3.154 Berroth, ZMV-Sonderheft 2007, 67.155 Berroth, ZMV-Sonderheft 2007, 67 (68).156 Bognanni, Stern 2011 Nr. 3, 70.157 Dahme/Kühnlein/Stefaniak, Leiharbeit und Ausgliederung in diakonischen Sozialunterneh-

men, S. 27.158 Dahme/Kühnlein/Stefaniak, Leiharbeit und Ausgliederung in diakonischen Sozialunterneh-

men, S. 28.159 Dahme/Kühnlein/Stefaniak, Leiharbeit und Ausgliederung in diakonischen Sozialunterneh-

men, S. 28.160 Dahme/Kühnlein/Stefaniak, Leiharbeit und Ausgliederung in diakonischen Sozialunterneh-

men, S. 28.161 Dahme/Kühnlein/Stefaniak, Leiharbeit und Ausgliederung in diakonischen Sozialunterneh-

men, S. 28.

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Kapitel 3: Ansichten zur Vereinbarkeit von Dienstge-meinschaft und Arbeitnehmerüberlassung

I. Ansicht des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in DeutschlandDer KGH.EKD äußerte sich in seinem Beschluss vom 09.10.2006162 zum Institut der Leiharbeit in kirchlichen Einrichtungen.

1. TenorDer KGH.EKD entschied, das Institut der Leiharbeit sei den diakonischen Dienstgebern zur Überbrückung kurzzeitigen Beschäftigungsbedarfs nicht verschlossen.163 Die dauerhafte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern und die damit einhergehende Substituierung von Mitarbeitern vertrage sich je-doch nicht mit dem Kirchenarbeitsrecht.164 Ein solches Vorgehen widerspre-che dem Leitbild der Dienstgemeinschaft.165

2. Sachverhalt und Gang des VerfahrensDie Dienststellenleitung einer diakonischen Einrichtung wollte die Arbeit-nehmerin D. der Firma P-GmbH im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlas-sung als Betreuungshelferin im Behindertenbereich der Dienststelle befristet für die Zeit vom 01.02.2006 bis zum 31.01.2008 einsetzen. Dafür beantrag-te sie bei der Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Einstellung. Die Dienststellenleitung wies darauf hin, dass es sich bei der Einstellung um eine Arbeitnehmerüberlassung von der Firma P-GmbH handelt. Dieses Unternehmen wurde von der Dienststelle und einer weiteren diakonischen Einrichtung gegründet und stellt diakonischen Einrichtungen auf Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes Personal zur Verfügung. Die Vergü-tung sollte anhand der Eingruppierungsvorschriften des zwischen dem Bun-desverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. und den Mitgliedsge-werkschaften des DGB abgeschlossenen Tarifvertrages erfolgen. Die Mitar-beitervertretung verweigerte daraufhin die Zustimmung zur Einstellung gem. §§ 41 Abs. 1 lit. a), 42 lit. a) Mitarbeitervertretungsgesetz der Bremi-

162 KGH.EKD vom 09.10.2006, Az. II-0124/M 35-06; NZA 2007, 761ff.163 KGH.EKD NZA 2007, 761.164 KGH.EKD NZA 2007, 761.165 KGH.EKD NZA 2007, 761.

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schen Evangelischen Kirche166.

Am 15.02.2006 beantragte die Dienststellenleitung beim Gemeinsamen Kir-chengericht der Bremischen Evangelischen Kirche die Ersetzung der ver-weigerten Zustimmung zum Einsatz der Frau D., hilfsweise die Feststel-lung, dass kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zum Einsatz der Frau D. besteht. Das Kirchengericht entschied in einem Beschluss, dass die Mitarbeitervertretung die Zustimmung nicht verweigern dürfe.167 Gegen die-sen erhob die Mitarbeitervertretung der Dienststelle am 29.06.2006 erfolg-reich Beschwerde beim KGH.EKD.

3. Gründe der EntscheidungNach dem KGH.EKD widerspreche ein dauerhafter Leiharbeitnehmerein-satz dem Leitbild der Dienstgemeinschaft. Das Leitbild ergebe sich aus der Präambel des MVG.EKD und den §§ 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 der Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakoni-schen Werkes der EKD168 (Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit).169

Den Widerspruch zur Dienstgemeinschaft begründet der KGH.EKD folgen-dermaßen:Zum einen gehörten Leiharbeitnehmer nicht zur Dienstgemeinschaft (a). Darüber hinaus fehle ihnen die Verbundenheit mit dem Sendungsauftrag der Kirche (b). Dies gehe einher mit dem Ausbleiben notwendiger Loyalität (c), dem Mangel partnerschaftlicher Zusammenarbeit (d), der Spaltung der Mitarbeiterschaft (e) und der Verdoppelung der Dienststellenleitung (f). Darüber hinaus unterlaufe der Einsatz von Leiharbeitnehmern die auf dem

166 Das Mitarbeitervertretungsgesetz der Bremischen Evangelischen Kirche (GVM 2005 Nr. 2, S. 149 oder http://www.kirchenrecht-bremen.de/kabl/13394.pdf [24.02.2012]) setzt das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG.EKD) in der jeweils geltenden Fassung mit kleineren Ergänzungen um, weshalb im Folgenden mit dem MVG.EKD (in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.01.2010 [Abl. EKD 2010, S. 3]) gearbeitet wird, wenn nicht ausdrücklich ein anderes Mitarbeitervertretungsgesetz benannt wird.

167 Gemeinsames Kirchengericht der Bremischen Ev. Kirche, Beschluß vom 21.04.2006 – DII-6/2006.

168 Abgedruckt bei Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 312.169 KGH.EKD NZA 2007, 761 (763).

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„Dritten Weg“ gefunden Arbeitsbedingungen (g).

a) Fehlende Zugehörigkeit zur DienstgemeinschaftDienststellenleitung und die im Anstellungsverhältnis mit der Dienststelle Beschäftigten würden die Dienstgemeinschaft bilden.170 Wenn sich die Dienstgemeinschaft ausschließlich aus den im Anstellungsverhältnis bei der Dienststellenleitung Beschäftigten und der Dienststellenleitung zusammen-setze, würden die Leiharbeitnehmer, die kein solches Anstellungsverhältnis aufweisen, nicht zur Dienstgemeinschaft gehören.171 Folglich trenne der fehlende Arbeitsvertrag zur Dienststelle die Leiharbeitnehmer von der Dienstgemeinschaft.172 Die fehlende Zugehörigkeit der Leiharbeitnehmer zur Dienstgemeinschaft stehe einem Leiharbeitnehmereinsatz in einer kirch-lichen Einrichtung, die ihren Dienst in einer Dienstgemeinschaft erbringt, entgegen.

b) Fehlende Verbundenheit mit dem Sendungsauftrag der KircheDie Dienstgemeinschaft sei dem Sendungsauftrag der Kirche, der missio von Wort und Tat verpflichtet.173 Mangels Arbeitsvertrages zur Dienststelle bestehe keine Gewähr für eine Verbundenheit der Leiharbeitnehmer mit dem kirchlichen Sendungsauftrag. Der fehlende Bezug zur kirchlichen Sen-dung stelle einen Widerspruch zur Dienstgemeinschaft dar.

c) Fehlende Loyalitätspflichten der LeiharbeitnehmerAus dem Sendungsauftrag der Kirche folge für die Dienstgemeinschaft eine „vertikale“ Verbundenheit zwischen Dienststelle und Mitarbeitern und eine „horizontale“ Verbundenheit unter den Mitarbeitern.174 Diese mehrfache Verbundenheit erfordere und gebiete gegenseitige Loyalitätspflichten und -rechte.175 Leiharbeitnehmer würden der entleihenden Dienststelle und deren Mitarbeitern weder ex officio noch kraft Arbeitsvertrag die für die Dienstge-meinschaft prägende Loyalität schulden, noch hätten „[…] sie eine solche gleichermaßen wie unmittelbar Bedienstete von der Dienststellenleitung

170 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).171 Für die katholische Kirche ebenso Thiel, in: Thiel/Fuhrmann/Jüngst, § 3 Rn. 61.172 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).173 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).174 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).175 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).

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oder den Mitarbeitenden der Dienststelle zu erwarten.“176 Folglich sei die dauerhafte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern, denen man die besonde-ren Loyalitätspflichten nicht abverlangen könne, mit der Dienstgemein-schaft unvereinbar.

d) Mangelnde partnerschaftliche ZusammenarbeitDer kirchliche Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimme den kirchlichen Dienst und erfordere „[…] in der Gestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts eine vertrauensvolle, partnerschaftliche Zusam-menarbeit von Leitungsorganen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“177

Hier deutet der KGH.EKD an, dass es an einer vertrauensvollen, partner-schaftlichen Zusammenarbeit zwischen Dienststellenleitung, Mitarbeitern und Leiharbeitnehmern in dem erforderlichen Umfang fehlen könne.

e) Spaltung der MitarbeiterschaftDazu widerspreche „[…] die ,ständige Spaltung der Mitarbeiterschaft inʻ Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmer […] – dem Erfordernis der organi-satorischen Einheit – eine Mitarbeiterschaft, eine Dienststellenleitung.“178

f) Verdoppelung der DienststellenleitungenEbenso laufe „[…] die Verdoppelung der Dienststellenleitungen – Dienst-stellenleitung der entleihenden Dienststelle, Dienststellenleitung oder Führung des Verleihunternehmens – dem Erfordernis der organisatorischen Einheit – eine Mitarbeiterschaft, eine Dienststellenleitung […]“ zuwider.179

Denn die Dienstgemeinschaft setze zwingend eine einheitliche Leitung der Dienststelle voraus.180

g) „Dritter Weg“Die Grundsätze der Dienstgemeinschaft sollen eine Verpflichtung des kirch-lichen Arbeitgebers enthalten, „[…] die für die Einrichtung tätigen Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter zu den in dem kirchenrechtlich legitimierten

176 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).177 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).178 KGH.EKD NZA 2007, 761 (763).179 KGH.EKD NZA 2007, 761 (763).180 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).

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Verfahren festgelegten Bedingungen zu beschäftigen.“181 Dieser komme die Dienststelle nicht nach, wenn sie Leiharbeitnehmer beschäftige, welche andere als auf dem „Dritten Weg“ zustande gekommene Arbeitsbedingun-gen erhalten würden.

II. Entscheidungen kirchlicher Gerichte für ArbeitssachenKirchliche Gerichte für Arbeitssachen haben sich bisher mit der Zulässig-keit von Leiharbeitnehmereinsätzen in Einrichtungen der katholischen Kirche nicht eingehend auseinandersetzen müssen. Dies ist maßgeblich § 3 Abs. 1 Satz 2 der jeweiligen Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) ge-schuldet. Danach sind Mitarbeiter, die dem Dienstgeber zur Arbeitsleistung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes überlassen werden, keine Mitarbeiter im Sinne dieser Ordnung. Der fehlende Mitarbeiterstatus nahm der Mitarbeitervertretung bisher die Möglichkeit einer Zustimmungsverwei-gerung bei der „Einstellung“ eines Leiharbeitnehmers gem. § 34 Abs. 1 MAVO auf Grundlage der Rahmen-MAVO vom 25.06.2007. Folglich konn-te ein möglicher, sich aus der „Einstellung“ eines Leiharbeitnehmers erge-bender Rechtsverstoß im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO auf Grundlage der Rahmen-MAVO vom 25.06.2007 nicht durch eine Zustimmungsverwei-gerung beantwortet werden. Es kam zu keiner gerichtlichen Entscheidung, ob Leiharbeitnehmereinsätze gegen (Kirchenarbeits-) Recht verstoßen. Kirchliche Gerichte für Arbeitssachen beschäftigen sich lediglich am Rande anderer Streitigkeiten mit der Rechtmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung in kirchlichen Einrichtungen.182

1. Entscheidung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes vom 30.11.2006Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob die Beschäftigung von Personen, die auf Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II (§ 16 d SGB II seit dem 01.01.2009) gegen eine Mehraufwandsentschädi-gung tätig werden („Ein-Euro-Job“), als Einstellung im Sinne des § 34 MAVO zu verstehen ist und einer Zustimmung der Mitarbeitervertretung gem. § 34 Abs. 1 MAVO bedarf.183

Bei der Begründung der Entscheidung nahm der Arbeitsgerichtshof kurz auf

181 KGH.EKD NZA 2007, 761 (762).182 Vgl. Oxenknecht-Witzsch, ZMV 2010, 38.183 Kirchlicher Arbeitsgerichtshof, M 01/06, ZMV 2007, 79ff.

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Personen Bezug, die dem Dienstgeber zur Arbeitsleistung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes überlassen worden sind. Die Beschäfti-gung eines Leiharbeitnehmers in einer kirchlichen Einrichtung stelle im Zusammenhang von § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 34 Abs. 1 MAVO keine mitar-beitervertretungsrechtlich bedeutsame Entscheidung dar.184

2. Entscheidung des Kirchlichen Arbeitsgerichts der Diözese Rotten-burg-Stuttgart vom 15.06.2007Das Kirchliche Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart hatte bei seiner Entscheidung vom 15.06.2007 darüber zu befinden, ob die Mitarbei-tervertretung vor Beginn der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern nach § 29 MAVO zu beteiligen ist.185

a) SachverhaltFrau S. war bei der beklagten Dienststelle befristet bis zum 14.03.2007 zwei Jahre im Bereich „Ambulante Dienste“ beschäftigt. Dienstgeber und Mitar-beitervertretung unterhielten einen „Jour-Fixe“, in dem alle die gemeinsa-men Belange betreffenden Fragen besprochen werden konnten. In diesem Rahmen setzte der Dienstgeber die Mitarbeitervertretung in Kenntnis, dass er beabsichtige, Frau S. mittels Arbeitnehmerüberlassung durch die Firma L. in ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich weiter zu beschäftigen. Nachdem der Arbeitsvertrag von Frau S. nicht verlängert wurde, unterschrieb sie bei der Leiharbeitsfirma L. einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag. Bei den Gesprächen zwischen Mitarbeitervertretung und Dienstgeber gelang keine Einigung, weshalb die Mitarbeitervertretung gegenüber dem Dienst-geber zum Ausdruck brachte, dass sie die Durchführung des mitarbeiterver-tretungsrechtlichen Beratungsverfahrens erwarte. Eine weitere Anhörung der Mitarbeitervertretung unterblieb. Frau S. wurde seit dem 15.03.2007 als Leiharbeitnehmerin in ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich beschäftigt. Daraufhin begehrte die Mitarbeitervertretung die Feststellung des Kirchli-chen Arbeitsgerichts, dass der Dienstgeber gegen § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO (Rottenburg-Stuttgart) verstoßen hat.

184 Kirchlicher Arbeitsgerichtshof ZMV 2007, 79 (81).185 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart, AS 15/07, ZMV 2007, 258ff.

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b) Entscheidung und GründeDas kirchliche Arbeitsgericht stellte fest, dass der Dienstgeber durch die Einstellung der Frau S. ohne die Beteiligung der Mitarbeitervertretung gegen § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO verstoßen hat.Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO solle die Mitarbeitervertretung bei Organisa-tions- und Verwaltungsentscheidungen des Dienstgebers informiert werden.186 Die zu Grunde liegende konkrete Entscheidung unterliege nicht dem Beteiligungsrecht.187 Davon sei eine Ausnahme zu machen, wenn eine „[…]einzelne Organisationsentscheidung in ihrer Wirkung erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise der Zusammenarbeit der Mitarbeiter in der Einrichtung hat und die Zusammenarbeit beeinflussen kann, wenn diese Maßnahme nicht nach anderen Vorschriften dem Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung unterliegt.“188

Die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern habe erhebliche Auswirkungen auf die Dienstgemeinschaft.189 Es würden unterschiedliche Gruppen von Mitarbeitern, Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmer, entstehen.190 Auf die einen seien die Regeln der MAVO vollständig und auf die anderen nur sehr eingeschränkt anwendbar.191 Ein einheitliches Weisungsrecht bestehe gegen-über den beiden Gruppen nicht.192 Eine einheitliche Vergütung würde für eine vergleichbare Tätigkeit nicht gewährt.193

Leiharbeitnehmereinsätze könnten demnach Auswirkungen auf die Art und Weise der Zusammenarbeit haben. Ob ein konkreter Leiharbeitnehmerein-satz erhebliche Auswirkungen mit sich bringe, bestimme sich anhand des Einzelfalles.194 Für die Beurteilung der Erheblichkeit der Auswirkungen bedürfe die Mitarbeitervertretung eingehender Kenntnisse, u.a. ob der Leih-arbeitnehmereinsatz Stammpersonal verdränge, über Aufgabenbereich,

186 Jüngst, in: Thiel/Fuhrmann/Jüngst, § 29 Rn. 3.187 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).188 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).189 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).190 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).191 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).192 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).193 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259). 194 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).

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Einsatzdauer und Dienstgeber des Leiharbeitnehmers.195 Da in dem zu entscheidenden Fall Stammpersonal durch Leiharbeit ersetzt wurde und sich ein langfristiger Leiharbeitnehmereinsatz abzeichnete, hielt das Gericht eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung gem. §_29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO für geboten.196 Der im Gesetz weniger umfangreich ausgestaltete Informations-anspruch aus § 27 Abs. 2 MAVO genügte nicht.197

c) FazitDas kirchliche Arbeitsgericht entschied über den Umfang des § 29 MAVO und nicht über die Rechtsmäßigkeit von Leiharbeitnehmereinsätzen. Den-noch bescheinigte es dem Einsatz von Leiharbeitnehmern erhebliche Aus-wirkungen auf die Dienstgemeinschaft. Zudem problematisierte es das Ent-stehen zweier unterschiedlicher Mitarbeitergruppen, auf welche die MAVO keine einheitliche Anwendung findet und in denen gleiche Tätigkeiten un-terschiedlich bezahlt werden.

3. Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts für die bayerischen (Erz-)Di-özesen vom 22.08.2008 Das Kirchliche Arbeitsgericht der bayerischen (Erz-)Diözesen entschied über die Beteiligungsrechte einer Mitarbeitervertretung.198 Die beklagte Muttergesellschaft gründete eine Servicegesellschaft, welche künftigen Personalbedarf abdecken sollte. Die Servicegesellschaft hatte ihren Sitz im Gebäude der Muttergesellschaft und wurde über die im Gebäude ansässige unselbstständige Zentralverwaltung abgewickelt. Der Geschäftsführer der Muttergesellschaft war ebenfalls Geschäftsführer der Servicegesellschaft. Außerdem bestand eine einheitliche Personalleitung sowie eine gemeinsame Personalabteilung für beide Gesellschaften. Das Kirchliche Arbeitsgericht der bayerischen (Erz-)Diözesen spricht der klagenden Mitarbeitervertretung ein Recht auf umfassende Informationen nach § 27a MAVO (Würzburg) bei der Gründung einer solchen Servicege-sellschaft sowie ein Zustimmungsrecht bei der Einstellung der Leiharbeit-nehmer gem. § 34 Abs. 1 MAVO (Würzburg) zu.199 Es begründet diese 195 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).196 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258.197 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258 (259).198 Kirchliches Arbeitsgericht der bayerischen (Erz-)Diözesen, 6 MV 08, ZMV 2009, 106ff.199 Kirchliches Arbeitsgericht der bayerischen (Erz-)Diözesen ZMV 2009, 106 (107f.).

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Rechte der Mitarbeitervertretung mit dem Vorliegen einer einheitlichen Einrichtung, bestehend aus Muttergesellschaft und Servicegesellschaft.200 Dabei stützt es sich auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsge-richts zum gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen201 und überträgt diese unmittelbar auf die Einrichtung der MAVO.202 Das Kirchliche Arbeits-gericht für die bayerischen (Erz-)Diözesen trifft dabei keinerlei Aussagen zur Vereinbarkeit von Dienstgemeinschaft und Arbeitnehmerüberlassung.

4. Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 20.03.2009Das Kirchliche Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart entschied, dass die Mitarbeitervertretung keinen über § 29 MAVO (Rottenburg-Stuttgart) hinausgehenden Anspruch auf ein Zustimmungsrecht nach § 34 MAVO bei der über drei Jahre andauernden Beschäftigung eines Leiharbeit-nehmers habe.203 Voraussetzung für ein Zustimmungsrecht gem. § 34 Abs. 1 MAVO sei die Mitarbeitereigenschaft des Leiharbeitnehmers.204 § 3 Abs. 1 Satz 2 MAVO erkenne den Leiharbeitnehmern die Mitarbeitereigenschaft im Sinne dieser Ordnung nicht zu.205 Eine einschränkende Auslegung dieser eindeutigen Norm sei dem Kirchlichen Arbeitsgericht nicht möglich.206

Wiederholt stellte das Kirchliche Arbeitsgericht erhebliche Auswirkungen der Arbeitnehmerüberlassung auf die Dienstgemeinschaft fest.207

200 Kirchliches Arbeitsgericht der bayerischen (Erz-)Diözesen ZMV 2009, 106 (108).201 Siehe dazu BAG NZA-RR 2009, 255 (256ff.) m.w.N.202 Kirchliches Arbeitsgericht der bayerischen (Erz-)Diözesen ZMV 2009, 106 (108).203 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart,

http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kirchlicher_Arbeitsgerichtshof/karg_rottenburg-stuttgart__vom__20.03.2009_as_29_08.pdf (24.02.2012), S. 6.

204 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart, http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kirchlicher_Arbeitsgerichtshof/karg_rottenburg-stuttgart__vom__20.03.2009_as_29_08.pdf (24.02.2012), S. 6.

205 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart, http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kirchlicher_Arbeitsgerichtshof/karg_rottenburg-stuttgart__vom__20.03.2009_as_29_08.pdf (24.02.2012), S. 6f.

206 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart, http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kirchlicher_Arbeitsgerichtshof/karg_rottenburg-stuttgart__vom__20.03.2009_as_29_08.pdf (24.02.2012), S. 8.

207 Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart, http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kirchlicher_Arbeitsgerichtshof/karg_rottenburg-stuttgart__vom__20.03.2009_as_29_08.pdf (24.02.2012), S. 8.

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5. Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes vom 27.11.2009Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof wies die von der Mitarbeitervertretung eingelegte Revision gegen das Urteil AS 29/08 der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 20.03.2009 zurück.208 Die Einstellung eines Leiharbeitneh-mers sei keine mitarbeitervertretungsrechtlich bedeutsame Entscheidung, weshalb ein Zustimmungsrecht der Mitarbeitervertretung gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 MAVO ausscheide.209 Der Kirchliche Arbeitsge-richtshof ließ ausdrücklich offen, wie ein Einsatz von Leiharbeitnehmern kirchenrechtlich zu beurteilen sei.210

6. FazitObwohl sich Mitarbeitervertretungen engagiert um eine gerichtliche Klärung bemühen, inwieweit Leiharbeitnehmereinsätze mit dem kirchlichen Arbeitsrecht vereinbar sind,211 kam es bisher zu keiner Entscheidung, die sich eingehender als die Rechtssache AS 15/07 mit der Problematik ausein-andersetzt.

III. Ansichten aus dem Schrifttum

1. Ansicht von Baumann-CzichonBaumann-Czichon begrüßt die Entscheidung des KGH.EKD vom 09.10.2006.212 Zur Vereinbarkeit von Leiharbeit und Dienstgemeinschaft führt er Folgendes aus. Durch die berufliche Mitarbeit an der Erfüllung des kirchlichen Sendungsauftrages seien die Leiharbeitnehmer in die Dienstge-meinschaft einbezogen.213 Die sich aus der Dienstgemeinschaft ergebenden Rechte und Pflichten fänden jedoch keine Anwendung bei der Beschäfti-

208 Kirchlicher Arbeitsgerichtshof ZMV 2010, 37.209 Kirchlicher Arbeitsgerichtshof ZMV 2010, 37.210 Kirchlicher Arbeitsgerichtshof ZMV 2010, 37 (38).211 Vgl. die zu Grunde liegenden Sachverhalte folgender Entscheidungen: Kirchliches

Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart ZMV 2007, 258ff.; Kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart, http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/Kirchlicher_Arbeitsgerichtshof/karg_rottenburg-stuttgart__vom__20.03.2009_as_29_08.pdf (24.02.2012); Kirchliches Arbeitsgericht der bayerischen (Erz-)Diözesen ZMV 2009, 106ff.

212 Vgl. Baumann-Czichon, AuK 2006, 86ff.; ders., AuR 2007, 361 (362f.); ders., AuK 2007, 35ff.

213 Baumann-Czichon, AuK 2007, 35 (37).

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gung von Leiharbeitnehmern.214 Z.B. würden die Leiharbeitnehmer nicht nach den auf dem „Dritten Weg“ zu Stande gekommenen Arbeitsvertrags-richtlinien beschäftigt und vergütet.215 Dieser dauerhafte Ausschluss aus dem Anwendungsbereich kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen sei mit der Dienstgemeinschaft nicht zu vereinen.216

2. Ansicht von ThüsingNach Thüsing trenne der fehlende Arbeitsvertrag zur Dienststelle den Leiharbeitnehmer nicht von der Dienstgemeinschaft.217 Vielmehr sei die Eingliederung in den kirchlichen Dienst die entscheidende Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Dienstgemeinschaft.218 So könne der in der Einrichtung eingegliederte Leiharbeitnehmer durchaus zur Dienstgemein-schaft gehören.219 Leiharbeitnehmer dürften in einem gewissen Zeitraum anders als Festangestellte vergütet werden.220 Denn sie seien in der Regel nur vorübergehend bei der Dienststelle beschäftigt und schuldeten ihr als Arbeitnehmer des Verleihers nicht die gleiche Loyalität wie Festangestellte.221 Die vollen Rechte und Pflichten sollten die Leiharbeitnehmer aber erhal-ten, wenn sie dauerhaft in die Dienststelle eingegliedert sind.222 Keine Eingliederung liege vor, wenn der Leiharbeitnehmereinsatz weniger als drei Monate dauert.223 Kommt ein Leiharbeitnehmer länger als ein Jahr bei der Dienststelle zum Einsatz, könne man von einer Eingliederung ausgehen.224 Offen bleibt der Rechtsstatus des Leiharbeitnehmers, wenn er länger als drei Monate, aber weniger als ein Jahr bei der Dienststelle tätig wird.Ein bis drei Monate andauernder Leiharbeitnehmereinsatz ist nach Thüsings Ansicht mit dem Kirchenrecht vereinbar. Darüber hinausgehende Leihar-beitnehmereinsätze könnten kirchenarbeitsrechtliche Komplikationen mit sich bringen, da die Gefahr einer dauerhaften Substituierung von Stammper-

214 Baumann-Czichon, AuK 2007, 35 (37f.).215 Baumann-Czichon, AuK 2007, 35 (38).216 Baumann-Czichon, AuK 2007, 35 (38).217 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (996).218 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (1004).219 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (1004).220 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (1000f.).221 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (1005).222 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (1005).223 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (998, 1005).224 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (1005).

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sonal steige.225

3. Ansicht von JoussenJoussen differenziert zwischen internen und externen Servicegesell-schaften.226 Die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern aus kirchlichen Servicegesellschaften harmoniere mit der Dienstgemeinschaft.227 Lediglich die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern externer – der Kirche nicht zugehöriger – Servicegesellschaften sei mit dem Kirchenarbeitsrecht nicht vereinbar.228

Diese Differenzierung ergebe sich, weil die Arbeitsverhältnisse externer Leiharbeitnehmer vollständig dem weltlichen Recht unterlägen.229 Betriebs-verfassungsgesetz und Tarifvertragsrecht fänden Anwendung.230 So komme es durch die externen Leiharbeitnehmer zu zwei unterschiedlichen Mitarbei-tergruppen in kirchlichen Einrichtungen, bestehend aus den kirchlichen Arbeitnehmern und den externen Leiharbeitnehmern mit ihren weltlichen Arbeitsbedingungen.231 Die Sendungserfüllung werde unglaubwürdig.232

Demgegenüber entstünden durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern aus kirchlichen Servicegesellschaften keine „zwei Gemeinschaften“ beim kirch-lichen Entleiher.233 Bei den internen Servicegesellschaften handele es sich ebenfalls um Einrichtungen der Kirche. Für diese und deren Arbeitnehmer würden die rechtlichen Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts gelten. Kirchliches Mitarbeitervertretungsrecht, Loyalitätspflichten sowie die auf dem „Dritten Weg“ zustande gekommenen Arbeitsbedingungen seien prin-zipiell anzuwenden. So arbeiteten Festangestellte und Leiharbeitnehmer aus kirchlichen Servicegesellschaften Hand in Hand an der Erfüllung des Sendungsauftrages in einer Dienstgemeinschaft.234

Interne Servicegesellschaften würden ihre Arbeitnehmer regelmäßig nach weltlich vereinbarten Tarifverträgen und nicht nach den auf dem „Dritten

225 Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (1005).226 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).227 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29f.).228 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29f.).229 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).230 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).231 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).232 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).233 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29); derselbe, KuR 2009, 1 (18).234 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).

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Weg“ zustande gekommenen Regelungen vergüten. Dies entspreche nicht den Anforderungen an die innere Seite der Dienstgemeinschaft.235 Denn die nach innen wirkende Seite verbinde alle am Auftrag der Kirche Teilnehmen-den.236 Ausdruck dieser Verbindung seien die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), die auf dem „Dritten Weg“ entstehen.237

Nur ausnahmsweise dürfe eine Vergütung interner Leiharbeitnehmer anhand weltlicher Tarifverträge erfolgen.238 Eine solche sei möglich, wenn andern-falls der Sendungsauftrag der Kirche – die äußere Dimension der Dienstge-meinschaft – nicht mehr erfüllt werden kann.239 Nur unter dieser Vorausset-zung sei eine angemessene Vergütung unterhalb der AVR statthaft.240 Hilfs-weise könne dabei auf tariflich vereinbarte Arbeitsbedingungen Bezug genommen werden.241

4. Ansicht von RichardiRichardi differenziert ebenfalls zwischen interner und externer Arbeitneh-merüberlassung. Arbeitnehmerüberlassung durch eine der Kirche zugeord-nete Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaft sei mit der Dienstgemeinschaft vereinbar.242 Diese Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaften müssten das kirchliche Arbeitsrecht vollständig anwenden.243 Demgegenüber sei ein dauerhafter Einsatz externer Leiharbeitnehmer regelmäßig mit dem Kirchenarbeitsrecht unvereinbar.244 Die Geltung kirchenspezifischer Loyali-tätsobliegenheiten wäre nicht gewährleistet, da den Leiharbeitnehmern ein Arbeitsverhältnis zu einer kirchlichen Einrichtung fehle.245 Das Leitbild der Dienstgemeinschaft bliebe nur erhalten, wenn externe Leiharbeitnehmer in begrenzter Zahl kurzfristigen Beschäftigungsbedarf überbrückten.246

235 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (30); ders., KuR 2009, 1 (19).236 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).237 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (30).238 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (30).239 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (31).240 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (31).241 Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (31).242 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 5 Rn. 33f.243 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 5 Rn. 33.244 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 5 Rn. 34.245 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 5 Rn. 34.246 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 5 Rn. 34.

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5. Ansicht von Andelewski und StützleNach Andelewski und Stützle könne der KGH.EKD mit seiner Entscheidung vom 09.10.2006 nicht stichhaltig darlegen, weshalb ein Einsatz von Leihar-beitnehmern gegen kirchliches Arbeitsrecht verstoße.247

Der KGH.EKD übersehe, dass der Dienstgemeinschaftsbegriff der Präam-bel des MVG.EKD ein enger, rein rechtlicher Begriff und nicht mit dem theologischen Dienstgemeinschaftsbegriff identisch sei. Der Dienstgemein-schaftsbegriff des MVG.EKD regele lediglich einen Ausschnitt des Begriffs der Dienstgemeinschaft.248 Der theologische Dienstgemeinschaftsbegriff erfasse dagegen alle in der Kirche und ihren Einrichtungen Tätigen.249 Dabei sei es gleich, auf welcher rechtlichen Grundlage die Tätigkeit erfolge.250

Denn wer für die Kirche tätig werde, wirke an der Erfüllung ihres Sendungsauftrages mit.251 Demgegenüber regele das MVG.EKD lediglich den betriebsverfassungsrechtlichen Ausschnitt der Rechtsbeziehungen zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitern.252 Die anderen in den kirchlichen Einrichtungen Tätigen, z.B. die ehrenamtlichen Helfer, die nach christlichem Verständnis genauso am Verkündigungsauftrag mitwirken würden, erfasse der Geltungsbereich des MVG.EKD nicht. Folglich seien sie keine Mitarbeiter nach dem Mitarbeitervertretungsrecht der EKD253 und gehörten auch nicht zur Dienstgemeinschaft im Sinne des MVG.EKD. Da die Präambel des MVG.EKD die Leiharbeitnehmer nicht erfasse, verstoße die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auch nicht gegen den in der Präambel des MVG.EKD normierten Gedanken der Dienstgemeinschaft.254

Des Weiteren sei es Sache der Kirchen und nicht des kirchlichen Arbeits-rechts, welcher Personenkreis zur Erfüllung des Sendungsauftrages einge-setzt werde.255

Außerdem stelle die in der Präambel des MVG.EKD normierte Dienstge-meinschaft nicht primär eine tarifliche Schutzgemeinschaft vor Außensei-

247 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723ff.248 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724).249 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724).250 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724).251 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724).252 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724). 253 Andelewski/Kreuzinger, in: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, § 2 Rn. 11.254 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724).255 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724).

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tern zur Aufrechterhaltung des hergebrachten Tarifniveaus dar.256

Andelewski und Stützle können keinen Verstoß gegen die Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit durch einen Leiharbeitnehmereinsatz erken-nen. Denn mangels Arbeitsvertrages zur Dienststelle entfalteten die Loyali-tätsvorschriften der §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 der Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit keine Wirkung für die Leiharbeitnehmer.257

Letztendlich sei ein Leiharbeitnehmereinsatz mit dem kirchlichen Arbeits-recht vereinbar.258

6. Ansicht von Manterfeld Nach Manterfeld stehe die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern in kirchli-chen Einrichtungen nicht in Widerspruch zur Dienstgemeinschaft.259 Denn die Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit kenne eine Differenzie-rung bei den Loyalitätsanforderungen. Sie stelle an evangelische Mitarbeiter höhere Anforderungen als an Mitarbeiter anderer christlicher Konfessionen. Im Übrigen lasse sie selbst die Beschäftigung von Nichtchristen zu. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verlange die Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit „lediglich“ die Beachtung des kirchlichen Sendungsauftrages.260

Aus der Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit ergebe sich eine abgestufte Loyalität, die bei nichtchristlichen Mitarbeitern auf ein solches Minimum reduziert sei, welches auch von Leiharbeitnehmern gefordert werden könne.261 Außerdem lasse sich die Dienstgemeinschaft nicht auf eine loyalitätskonfor-me Vertragserfüllung mit Sanktionsmöglichkeiten auf individualarbeits-rechtlicher Ebene beschränken.262 Die Kirche könne die Dienstgemeinschaft derart ausgestalten, dass Leiharbeitnehmer und Festangestellte dauerhaft miteinander den Sendungsauftrag erfüllten.263 Die Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit stehe dem nicht entgegen.264

256 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (725).257 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (725). 258 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (730). 259 Manterfeld, AuK 2007, 30ff.260 Manterfeld, AuK 2007, 30 (32) m.w.N.261 Manterfeld, AuK 2007, 30 (32).262 Manterfeld, AuK 2007, 30 (32).263 Manterfeld, AuK 2007, 30 (32).264 Manterfeld, AuK 2007, 30 (32).

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7. Ansicht von ConringNach Conring verwechsele der KGH.EKD in seinem Beschluss vom 09.10.2006 die Dienstgemeinschaft mit einer Dienststellengemeinschaft, wenn er aus der Dienstgemeinschaft eine einheitliche Leitung der Dienst-stelle und eine notwendige Zuordnung der Mitarbeitenden zu ihrer Dienst-stelle ableite.265 Denn die verfasste evangelische Kirche und die ihr zugeordnete Diakonie bestünden aus hunderten Dienststellen, zu denen EKD, Kirchengemeinden, Kirchenkreise, kirchliche Verbünde, Diakonieein-richtungen etc. gehörten. Sie würden alle an der Erfüllung des christlichen Sendungsauftrages mitwirken. Die in diesen Einrichtungen Tätigen bildeten dabei die Dienstgemeinschaft.266 Davon seien weder die vielen Ehrenamtli-chen, die Dienststellenleitungen noch die Pfarrer ausgeschlossen.267 Für die Etablierung einer Dienstgemeinschaft bedürfe „[…] es deshalb weder einer ,Einheitlichkeit der Leitung im arbeitsrechtʻ lichen Sinne noch einer solchen unter den Mitarbeitenden.“268 Die Integration von Leiharbeitneh-mern in die Dienstgemeinschaft bestimme sich demnach nicht nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Dienststelle.269

Letztendlich schulde der Leiharbeitnehmer der Dienststelle wie ein regulär eingestellter Mitarbeiter Loyalität.270

Ein kirchenrechtlicher Verstoß im Zusammenhang mit dem „Dritten Weg“ ergebe sich auch nicht aus der Anwendung von Tarifverträgen der Zeitar-beitsbranche, da andernfalls die außerhalb des „Dritten Weges“ zustande gekommene Pfarrbesoldungsordnung kirchenrechtswidrig sei.271

Nach alledem stehe die Dienstgemeinschaft einem Leiharbeitnehmereinsatz nicht entgegen.272

8. Ansicht von HeinigDie Begründung des KGH.EKD zur Unzulässigkeit dauerhafter Arbeitneh-merüberlassung überzeugt Heinig nicht.273 Sie reduziere die Dienstgemein-

265 Conring, Curacontact 02/07, 4f.266 Conring, Curacontact 02/07, 4.267 Conring, Curacontact 02/07, 4.268 Conring, Curacontact 02/07, 4.269 Conring, Curacontact 02/07, 4.270 Conring, Curacontact 02/07, 4 (5).271 Conring, Curacontact 02/07, 4 (5).272 Conring, Curacontact 02/07, 4 (5).273 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (67f.).

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schaft auf ihre segmentär-kirchenarbeitsrechtliche Bedeutung.274 Dies ver-kenne die Typenvielfalt im kirchlichen Mitarbeiterrecht und die Verschie-denheit kirchlicher Dienststellen.275 Aus der fehlenden Einbeziehung der Leiharbeitnehmer in das Mitarbeitervertretungsrecht könne nicht der Schluss gezogen werden, die Dienstgemeinschaft konstituiere sich ohne sie.276 Andernfalls stünden Kirchenbeamte, Ordensschwestern, Diakonissen und Ehrenamtliche wegen fehlenden Arbeitsvertrages außerhalb der Dienstge-meinschaft. Der unterschiedliche Rechtsstatus könne folgerichtig die Leih-arbeitnehmer nicht an der Mitwirkung am kirchlichen Sendungsauftrag und damit auch nicht aus der Dienstgemeinschaft ausschließen.277 Es existiere nur eine einheitliche Dienstgemeinschaft aller Mitwirkenden inklusive der Leiharbeitnehmer in den unzähligen Dienststellen der verfassten evangeli-schen Kirche und ihrer Diakonie.278

Die Ausführungen des KGH.EKD zu den Loyalitätspflichten würden eben-falls nicht überzeugen. Zum einen seien Abstufungen bei den Loyalitäts-pflichten und eine Übertragbarkeit der in der Richtlinie der EKD zur beruf-lichen Mitarbeit niedergelegten Anforderungen auf die Leiharbeitnehmer denkbar.279 Zum anderen scheine eine differenzierte Betrachtung der Loyali-tätsanforderungen bei internen und externen Leiharbeitnehmern notwendig.280 Darüber hinaus sei die vertragliche Vereinbarung von vergleichbaren Loyalitätspflichten zwischen Verleiher und Entleiher auf der einen und zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer auf der anderen Seite eine Möglichkeit, ein hinreichendes Loyalitätsniveau zu sichern.281

Ob eine Umgehung des „Dritten Weges“ kirchenrechtliche Folgen habe, bleibt indes unklar. Eine Rechtfertigung scheint – zumindest in Notsituatio-nen – möglich.282

Nach Heinig ergeben sich aus dem kirchlichen Arbeitsrecht keine wie vom KGH.EKD aufgestellten Beschränkungen von Leiharbeitnehmereinsätzen.

274 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (67).275 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (68).276 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (68).277 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (68).278 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (69).279 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (69).280 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (69).281 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (69).282 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (74).283 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (75).

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IV. StellungnahmeDie Meinungen zur Vereinbarkeit von Leiharbeit und Dienstgemeinschaft gehen weit auseinander. Das Spektrum reicht von der Unvereinbarkeit dauerhafter Leiharbeitnehmereinsätze, über die differenzierende Beurtei-lung nach der Zugehörigkeit der Leiharbeitnehmer zu externen beziehungs-weise internen Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaften, bis hin zur Verein-barkeit jeglicher Leiharbeitnehmereinsätze mit dem kirchlichen Arbeits-recht. Eine erste Stellungnahme ist angebracht.284

1. Beschluss des KGH.EKDDer KGH.EKD prüft anhand selbst gewählter Kriterien die Vereinbarkeit der Arbeitnehmerüberlassung mit der Dienstgemeinschaft. Das Verhältnis dieser Kriterien zur Dienstgemeinschaft führt er nicht näher aus. Dabei bleibt fraglich, ob die herangezogenen Prüfungspunkte überhaupt die entscheidenden Anforderungen der Dienstgemeinschaft an ein Beschäfti-gungsverhältnis sind. Beispielweise ist die Zugehörigkeit einer Person zur Kirche derart eng mit der Dienstgemeinschaft verknüpft, dass § 3 Abs. 1 der Richtlinie der EKD zur beruflichen Mitarbeit diese Zugehörigkeit und die damit einhergehende Taufe zur grundsätzlichen Voraussetzung für eine berufliche Mitarbeit in einer kirchlichen Einrichtung erhebt. Dennoch thematisiert der KGH.EKD weder Taufe noch Zugehörigkeit zur Kirche. Es besteht weitgehend Konsens über die Freiwilligkeit als Voraussetzung einer Tätigkeit in der Dienstgemeinschaft.285 Auch diese thematisiert er nicht. Der KGH.EKD kennt externe und diakonieeigene Arbeitnehmerüberlas-sungsgesellschaften.286 Bei der Begründung seines Beschlusses differenziert er zwischen diesen beiden Formen nicht287, obwohl eine Differenzierung zwischen interner und externer Arbeitnehmerüberlassung angebracht wäre.288 Eine zur Kirche gehörende Einrichtung besitzt weiter reichende Rechte bei der Auswahl und Beschäftigung geeigneter Arbeitnehmer als eine exter-ne Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaft. Beispielsweise kann sie unter

284 Weitere Anmerkungen erfolgen mit den in der Untersuchung gewonnenen Ergebnissen in Kapitel 10.

285 Vgl. Briza, S. 58; v. Nell-Breuning, Stimmen der Zeit Band 195 (1977), 705 (708); Reinelt, Tag des Herrn 2010 Nr. 5, S. 10; Richardi, Der Dritte Weg auf dem Prüfstand, 69 (70).

286 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).287 Conring, S. 2.288 Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (69); Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (29).

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dem Selbstbestimmungsrecht der jeweiligen Kirche § 9 AGG für sich in Anspruch nehmen. Dieser gesteht Differenzierungen wegen der Religion des Beschäftigten zu (§ 9 Abs. 1 AGG) und erlaubt den Einrichtungen spezielle Loyalität von ihren Arbeitnehmern zu fordern (§ 9 Abs. 2 AGG).Ungünstig ist, dass der KGH.EKD über Arbeitnehmerüberlassung einer diakonieeigenen Einrichtung entschied und dabei konkrete Ausführungen zur Zugehörigkeit dieser Einrichtung zur Kirche unterließ. So ist unklar, ob seine Ausführungen für externe Arbeitnehmerüberlassung, interne Arbeit-nehmerüberlassung oder generell für Arbeitnehmerüberlassung gelten sollen.Die vielfältigen Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen reduziert der KGH.EKD auf Arbeitsverhältnisse sowie Gestellte von Orden mit Leitungsfunktion.289 Er vergleicht allein diese mit der Arbeitnehmer-überlassung. Übliche Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrichtun-gen wie Ehrenamt, Zivildienst, Jugendfreiwilligendienst und Gestellungen säkularer Einrichtungen lässt er dabei außer Acht.

2. Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-StuttgartDas kirchliches Arbeitsgericht der Diözese Rottenburg-Stuttgart konstatiert in seiner Entscheidung vom 15.06.2007 erhebliche Auswirkungen auf die Dienstgemeinschaft durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern. Diese entstehen durch zwei unterschiedliche Mitarbeitergruppen, auf welche die MAVO keine einheitliche Anwendung findet. Tatsächlich erwächst mit der Arbeitnehmerüberlassung ein weiteres Beschäftigungsverhältnis in der Dienstgemeinschaft. Dieses existiert neben den vielen anderen in kirchlichen Einrichtungen, wie beispielsweise Ehren-amt, Gestellungen von Orden und säkularen Einrichtungen, Zivildienst und Freiwilligendienste.

3. Ansicht von Baumann-CzichonWeil die Leiharbeitnehmer aus dem Anwendungsbereich kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen ausgeschlossen seien, ist das Rechtsverhältnis der Arbeitnehmerüberlassung nach der Ansicht von Baumann-Czichon für die Dienstgemeinschaft ungeeignet. Zwischen internen und externen Arbeitneh-

289 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764).

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merüberlassungsgesellschaften differenziert er dabei nicht. Weshalb die Beschäftigungsverhältnisse Ehrenamt, Zivildienst, Gestellung und Freiwilli-gendienst dennoch mit der Dienstgemeinschaft vereinbar sein sollen, obwohl sie ebenfalls aus dem Anwendungsbereich kirchlicher Arbeits-rechtsregelungen ausgeschlossen sind, erklärt er nicht.

4. Ansicht von ThüsingFür Thüsing ist ein Leiharbeitnehmereinsatz bis zu drei Monaten mit dem Kirchenarbeitsrecht vereinbar. Ab einer Beschäftigungsdauer von zwölf Monaten verlangt er für die Leiharbeitnehmer die selben Pflichten und Rechte wie für das Stammpersonal. Ob diese Rechte und Pflichten innerhalb des Dreipersonenverhältnisses der Arbeitnehmerüberlassung eingeräumt werden oder über ein Arbeitsverhält-nis zwischen kirchlicher Einrichtung und ehemaligen Leiharbeitnehmer entstehen sollen, lässt er dabei offen. Inwieweit dem Leiharbeitnehmer in der ersten Variante die vollständigen Pflichten eines kirchlichen Arbeitsver-hältnisses auferlegt werden könnten, ist fraglich. Die mit einem kirchlichen Arbeitsverhältnis einhergehenden Rechte könnten ihm nicht ohne Weiteres eingeräumt werden. Beispielsweise schließt § 3 Abs. 1 Satz 2 MAVO die Leiharbeitnehmer aus dem Anwendungsbereich der MAVO aus, selbst wenn sie länger als ein Jahr in der Einrichtung tätig sind. Ein Arbeitsverhältnis zwischen kirchlicher Einrichtung und ehemaligem Leiharbeitnehmer setzt die Beendigung des Arbeitsvertrages zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer sowie des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zwischen Verleiher und Entleiher voraus. Will der Leiharbeitnehmer kein Arbeitsverhältnis mit der kirchlichen Einrichtung, beispielsweise wenn er ein Leben ohne kirchliche Loyalitätsobliegenheiten führen will, können dem Leiharbeitnehmer die Pflichten eines kirchlichen Arbeitsverhältnisses nicht auferlegt werden.Die Frage, ob auch die Personen anderer Beschäftigungsverhältnisse die Rechte und Pflichten des Stammpersonals erhalten sollen, wenn sie länger als zwölf Monate in einer kirchlichen Einrichtung tätig sind und somit eine Eingliederung erfolgt ist, beispielsweise gestellte Schwestern aus DRK-Schwesternschaften, stünde im Raum.Thüsing differenziert nicht zwischen internen und externen Servicegesell-schaften.

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5. Ansicht von JoussenJoussen differenziert zwischen internen und externen Arbeitnehmerüberlas-sungsgesellschaften. Allein die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern exter-ner Servicegesellschaften ist nach seiner Ansicht nicht mit dem Kirchenar-beitsrecht vereinbar. Denn die Arbeitsverhältnisse der externen Leiharbeit-nehmer präge allein das weltliche Recht. Es entstünden durch die externen Leiharbeitnehmer zwei unterschiedliche Mitarbeitergruppen in den kirchli-chen Einrichtungen: kirchliche Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer mit weltlichen Arbeitsbedingungen.Doch auch andere Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen unterliegen vollständig dem weltlichen Recht: Zivildienstverhältnisse, Ge-stellungen von Schwesternschaften vom DRK und Freiwilligendienste. So gibt es bereits ohne die Arbeitnehmerüberlassung mehr als zwei unter-schiedliche Mitarbeitergruppen in den kirchlichen Einrichtungen. Es ist fraglich, ob die fehlende kirchenrechtliche Durchdringung einer Beschäfti-gungsform die kirchenrechtliche Unzulässigkeit dieser zur Folge hat, also notwendiges Kriterium der Dienstgemeinschaft ist.

6. Ansicht von RichardiNach Richardi ist ein dauerhafter Einsatz externer Leiharbeitnehmer regel-mäßig mit dem Kirchenarbeitsrecht unvereinbar.290 Den Leiharbeitnehmern fehlten die kirchlichen Loyalitätsobliegenheiten.291

Ein Blick auf andere Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrichtun-gen weckt Zweifel daran, ob die Geltung kirchlicher Loyalitätsobliegenhei-ten für die Zulässigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses in kirchlichen Einrichtungen notwendig ist. Ehrenamtliche, Gestellte säkularer Schwes-ternschaften schulden, Zivildienstleistende schuldeten regelmäßig keine kir-chenspezifische Loyalität. Dennoch sind sie mit der Dienstgemeinschaft vereinbar.Vielmehr scheint entscheidend, dass ein für den kirchlichen Dienst ungeeig-neter Beschäftigter von der Erfüllung kirchlicher Sendung entbunden werden kann, sodass die Sendungserfüllung glaubwürdig bleibt. Das ist bei externen Leiharbeitnehmern im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsver-trages einfacher möglich als bei kirchlichen Arbeitnehmern, welche gegen

290 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 5 Rn. 34.291 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 5 Rn. 34.

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ihre kirchenspezifischen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen.292 Denn bei der Beendigung des Arbeitnehmerüberlasssungsvertrages findet das Kündi-gungsschutzgesetz keine Anwendung.

7. Ansicht von Andelewski und StützleFür Andelewski und Stützle ist ein Leiharbeitnehmereinsatz mit dem kirchli-chen Arbeitsrecht vereinbar. Nach ihrer Ansicht ist es Sache der Kirchen und nicht des kirchlichen Arbeitsrechts, über den Personenkreis zu befin-den, welcher die Sendung erfüllt.Andelewski und Stützle leisten keine Argumente für die Unzulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung, welche auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden könnten. Ebenso wenig bieten sie Kriterien, anhand derer die Vereinbarkeit einer Beschäftigungskonstruktion mit der Dienstgemeinschaft umfassend geprüft und bejaht werden kann. Sie konzentrieren sich einseitig auf die Entkräftung der Argumente des KGH.EKD.

8. Manterfeld, Conring und HeinigManterfeld, Conring und Heinig entkräften jeweils Gesichtspunkte, die der KGH.EKD gegen die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung anführt. Abstrakte Gesichtspunkte, mit denen die Zulässigkeit einer Beschäftigungs-form, beispielsweise der Arbeitnehmerüberlassung, mit der Dienstgemein-schaft geprüft und bejaht werden könnte, stellen sie nicht auf. Sie setzen auf die These, dass mangels Widerspruchs zur Dienstgemeinschaft die Arbeit-nehmerüberlassung zulässig sei.

292 Vgl. BAG NZA 2012, 443ff.; ein kirchliches Krankenhaus konnte das Arbeitsverhältnis eines Chefarztes, welcher durch den Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe gegen seine vereinbarten Loyalitätsoblie-genheiten verstoßen hat, nicht wirksam kündigen und muss nun mit dem Arbeitnehmer den christlichen Sendungsauftrag erfüllen. Ein externer Leiharbeitnehmer, welcher in gleicher Weise vor dem Standesamt seine Ungeeignetheit für den Dienst in einer zur katholischen Kirche gehörenden Einrichtung öffentlich beurkundet, kann im Rahmen des Arbeitnehmer-überlassungsvertrages durch das Krankenhaus von seinen Aufgaben in der kirchlichen Einrichtung entbunden werden. Spezieller Loyalitätsobliegenheiten des Leiharbeiters bedürfte es dafür nicht.

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9. FazitDer KGH.EKD untersucht anhand einiger Kriterien die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung. Letztendlich stellt er damit abstrakte Kriterien für die Zulässigkeit von Beschäftigungsverhältnissen mit der Dienstgemein-schaft auf. Dies ist ein beachtlicher Beitrag zur Deutung der Dienstgemein-schaft in ihrem kirchen-(arbeits-)rechtlichen Kontext. Eine eingehende Grundlegung dieser Kriterien unterbleibt. Vielmehr prüft der KGH.EKD ihr Vorliegen bei der Arbeitnehmerüberlassung.Die rechtswissenschaftliche Diskussion ist ebenfalls von der Frage geprägt, ob die Arbeitnehmerüberlassung die vom KGH.EKD aufgestellten Anforde-rungen erfüllen kann. Beispielsweise ringen die Parteien darum, ob die Leiharbeitnehmer die notwendige Loyalität schulden.293 Die rechtswissen-schaftliche Einbindung der Normen des AGG in die Problematik geschah dabei zurückhaltend.In der Diskussion ist die Suche nach den Kriterien für die Zulässigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Dienstgemeinschaft wenig ausgeprägt. Allenfalls die Geeignetheit der vom KGH.EKD aufgestellten Kriterien wird bestritten. Ein Arbeitsverhältnis könne beispielsweise keine Voraussetzung für eine Tätigkeit in der Dienstgemeinschaft sein.294 Nach der Ansicht von Conring ist die „Einheitlichkeit der Leitung“ sowie unter den Mitarbeitern keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Dienstgemeinschaft.295 Andern-falls stünden bedeutende Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrich-tungen ebenfalls in Widerspruch zur Dienstgemeinschaft.296 Die Kritik an den vom KGH.EKD aufgestellten Anforderungen für die Zulässigkeit einer Beschäftigungsform wurde bisher nicht entkräftet.

Es fehlt weiterhin ein Anforderungskatalog, der die Zulässigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Dienstgemeinschaft zeigen kann, ohne den gängigen Beschäftigungsformen in kirchlichen Einrichtungen die Zu-lässigkeit abzusprechen. Wenn die Normen der Dienstgemeinschaft keine klaren Aussagen zur Vereinbarkeit der Arbeitnehmerüberlassung bereithal-

293 KGH.EKD NZA 2007, 761 (764); Conring, Curacontact 02/07, 4 (5); Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (69f.); Manterfeld, AuK 2007, 30 (32).

294 Andelewski/Stützle, NZA 2007, 723 (724); Conring, Curacontact 02/07, 4; Heinig, ZevKR Band 54 (2009), 62 (67f.); Thüsing, Festschrift für Richardi, 989 (996).

295 Conring, Curacontact 02/07, 4.296 Vgl. Conring, Curacontact 02/07, 4.

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ten, ist ein solcher Katalog von Zulässigkeitskriterien für Beschäftigungs-verhältnisse in der Dienstgemeinschaft aufzustellen. Anschließend wäre anhand dieser Anforderungen die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung zu prüfen.

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